DZW 41-05_09-16 bearb 26.10.2005 15:28 Uhr Seite 14 14 Praxis aktuell Woche 41/05 Dr. Thomas Nessler, Ludwigsburg, über die breiten Einsatzmöglichkeiten des Lasers in der modernen Zahnheilkunde (4): Mikroinvasive Zahnhartsubstanzbearbeitung mit dem Erbium:YAG-Laser Mit dem Laser, hier einem Erbium:YAG-Laser (Kavo KeyLaser 3), lässt sich in der täglichen Praxis effektiv und mit zahlreichen Vorteilen für Zahnarzt und Patient auch die Zahnhartsubstanz mikroinvasiv bearbeiten. Zahnmedizinisch objektiviert sind als wesentliche Vorteile die geringere Traumatisierung des Zahns mit gleichzeitiger Sterilisation des Arbeitsfelds zu nennen, die starke Verminderung von Pulpitiden bei der Exkavation von Karies profunda, die Substanzschonung bei der Präparation von Adhäsiv-Restaurationen und die Verbesserung der Adhäsion von Dentinhaftvermittlern durch die Öffnung von Dentintubuli beim Einsatz des Erbium:YAG-Lasers. mit dem Key-Laser empfehlen, tun wir dies in der täglichen Praxis nicht mehr, irgendwelche Nachteile im Randverfärbungsverhalten oder im Sinne erhöhten Verlusts von Füllungen sind dabei nicht zu beobachten. Für die tägliche Praxis scheinen die mit Laserkonditionierung erzielbaren Abzugswerte ausreichend zu sein. 1 Zahnhalsdefekte Die absolute Zahl von Zahnhalsdefekten wird in Zukunft durch die allgemeine Zunahme an parodontaler Gesundheit mit einer höheren Gesamtzahl erhaltener Zähne steigen. Gleichzeitig nimmt bei diesen Zähnen durch Alterung und als Folge von Putzdruck und Parafunktionen die Häufigkeit be- 2 3 Abb. 1 bis 3: Fall ❶ – Entfernung einer alten Komposit-Füllung mit dem Key-Laser 3 in wenigen Sekunden 4 5 6 7 Abb. 4 bis 7: Fall ❷ – Sekundärkaries-Prophylaxe bei der Füllungstherapie (hier: Komposit-Restauration) ▲ Besondere Vorteile hat die Kavitätenbearbeitung mit dem Laser im Vergleich zu konventionellen Schleiftechniken bei Zahnhalsfüllungen, bei Glattflächenkaries, bei der Karieserstversorgung und bei der pulpennahen Kariesentfernung. So lassen sich zum Beispiel alte Kompositfüllungen schnell und substanzschonend entfernen (Fall ❶ – Abb. 1 bis 3). Es gibt verschiedene Untersuchungen zu den Haft- und Verbundwerten von Bondingsystemen zu konditionierten Zahnflächen. Obwohl neuere Untersuchungen zur Verbesserung von Randdichtigkeit und Abzugsverhalten eine zusätzliche Säurekonditionierung nach Bearbeitung handlungsbedürftiger Läsionen zu. Besonders die durch Parafunktionen entstandenen keilförmigen Defekte zeigen häufiger Misserfolge durch Füllungsverluste bei konventioneller Technik. Vorteilhaft bei der Präparation von Zahnhalsdefekten mit dem Erbium:YAG-Laser ist die Ausbildung eines Schollenmusters zur Erhöhung der mikromechanischen Retention, wobei die diesem Laser typische Öffnung der Dentintubuli dem Dentinadhäsiv zusätzlich verbesserte Retentionsmöglichkeiten bietet. Die Tiefe der mit dem Konditionierungsprogramm erzeugten Rauigkeit des Dentins beträgt bis zu 200 Mikrometer, somit ca. 0,2 Millimeter maximal. Gleichzeitig kann Karies vorsichtig ablativ selektiv entfernt werden (siehe auch weiter unten),und zudem ist es möglich, subgingival zu präparieren, ohne die Gingiva zu verletzen. Auf konventionelle Retentionsformen (Kasten, Unterschnitte) kann vollständig verzichtet werden (Substanzschonung). Mit der Werkseinstellung ist es möglich, mit so geringer Schmerzerzeugung zu präparieren, dass eine Behandlung ohne Anästhesie bei einem großen Teil der Patienten möglich ist. In der täglichen Praxis ist eine leichte Anästhesie mit ca. 0,4 Millilitern Anästhetikum empfehlenswert, um das Trocknen der Kavität mit dem Luftbläser vor dem Bonden zu erleichtern. Theoretisch ist bei gewissenhaftem Schichten und Modellieren der Komposit-Füllung abschließend eine Politur mit verschiedenen Gummipolierern ausreichend, was dem Patienten gegenüber der konventionellen Technik 90 Prozent der üblichen „Bohrgeräusche“ erspart. DZW 41-05_09-16 bearb 26.10.2005 15:28 Uhr Seite 15 Praxis aktuell 15 Woche 41/05 er Autor dieses Beitrags, Dr. Thomas Nessler, schloss sein Zahnmedizinstudium mit dem Examen 1988 in Tübingen ab. Nach seinem Dienst als Stabsarzt bei der Bundeswehr schloss sich ab 1990 die Assistenzzeit in Tübingen an. Im Jahr 1991 ließ sich Nessler in eigener Praxis in Ludwigsburg-Hoheneck nieder. Er ist Mitglied in verschiedenen Fortbildungsvereinigungen. Seit 2001 hat er die Arbeit mit dem Key-Laser 3 in seine tägliche Praxis integriert. D ▲ Durch die Verödung von Fasern in den Dentintubuli kommt es zur deutlichen Verminderung von Hypersensibilitäten – lasergestützt erzeugte Kavitäten sind zu 90 Prozent weniger mit postoperativen Sensibilitäten behaftet als bei konventioneller Technik. Der Zeitaufwand für das Präparieren der Kavität liegt bei nativer Zahnoberfläche in etwa in der Größenordnung der Präparation mit einem roten Winkelstück. Bakterien werden bis zu einer Tiefe von 0,2 Millimetern im pulpennahen Dentin dehydriert, was eine zusätzlich Pulpitis- und Sekundärkariesprophylaxe bewirkt. Bestehende KompositFüllungen gut zu entfernen Wenn eine bestehende Komposit-Füllung entfernt werden muss, liegt der Zeitaufwand in etwa beim Doppelten der Präparationsdauer mit dem roten Winkelstück. Wegen des Wegfalls der Vibrationen und in Verbindung mit dem feinen Laserstrahl ist die Kavitätenpräparation bedeutend schonender. Es verbleibt eine sterile Kavität mit Verminderung der Sekundärkariesgefahr und der Verringerung der Gefahr einer Pulpitis, auch wenn extrem pulpennah präpariert werden musste (vergleiche auch Fall ❶ – Abb. 1 bis 3, Seite 14). Karies selektiv entfernen Der erfahrene Key-Laser-3-Anwender vermag Karies leicht selektiv zu entfernen, weil an der Veränderung des Geräuschs der Mikro-Explosionen bei Kontakt des Laserlichts mit einer wasserhaltigen Oberfläche erkannt wird, ob diese Oberfläche noch viel oder wenig Feuchtigkeit enthält, sprich ob noch viele oder wenig Bakterien getroffen werden. Dementsprechend verändert sich die akustische Qualität des Resorptionsgeräusches am Zielort mit der Verminderung der Zahl der noch getroffenen Bakterien. Je trockener das Dentin wird, desto „flacher“ hört sich die Absorption des Laserlichts an. Ab einem gewissen Punkt werden keine reaktiven Geräusche mehr erzeugt, und gleichzeitig treten am Dentin bei weiterer Bearbeitung Karbonisierungen auf. Das Dentin weist bei korrekter Arbeitsweise eine weißlich opake Farbe und eine extreme Här- te beim Sondieren auf. Angenehm ist, dass es nicht zur thermischen Traumatisierung der Pulpa kommt und dementsprechend in unserer Praxis trotz hoher Fallzahl niemals Pulpitiden bei Kariesentfernung mit dem Laser auftraten. Zur Prophylaxe späterer Sekundärkaries – und damit Erhöhung rapie eine Dentinsterilisierung (Fall ❷ – Abb. 4 bis 7, Seite 14). Laserpräparation wenig schmerzhaft Wir wissen, dass die Schmerzerzeugung bei der Behandlung von Zähnen verschiedene Ursachen haben kann: Neben der mechanischen Irritation der Nervenfasern in den Dentintubuli kommen auch thermische, dehydrierende und Vibrationseffekte in Frage. Die Oszillation von Nervenausläufern in Dentintubuli bei Präparation mit Schleifkörperumdrehungen unterhalb von 200.000 Umdrehungen pro Minute erzeugt aber den stärksten, typischen „Bohrschmerz“. Die Turbinen-Präparation von mehr als 260.000Umdrehungen pro Minute lässt diesen Effekt abflachen, weil die Oszillationsamplitude der Nervenfasern auf Grund ihrer Masse wieder abnimmt. Bei der Präparation eines Zahns mit dem hier vorgestellten Laser 8 halb der Reizschwelle der Pulpenfasern. Bemerkt wird jedoch die Fortleitung der durch die Mikroexplosionen erzeugten Druckwel- tin-Grenze treten solche Empfindungen bis hin zur Schmerzauslösung am häufigsten auf (hier empfiehlt sich eine lokale Anästhesie, wobei in der Regel hierbei 25 Pro- 9 Abb. 8 und 9: Fall ❸ – Sensibler Zahnhalsdefekt, Behandlungsziel war die mikroinvasive Versorgung durch kontaktlose Konditionierung (250 Millijoule, 4 Hertz). der Lebensdauer von Füllungen/ Restaurationen – erfolgt in unserer Praxis häufig als zusätzliche Maßnahme bei der Füllungsthe- treten Oszillationen nicht auf. Die empfohlene Frequenz von ca. vier bis sechs Hertz bei 600 Millijoule Impulsstärke liegt unter- len in den Dentintubuli, die von vielen Patienten aber ebenfalls nur unterschwellig als unangenehm empfunden wird. An der Schmelz-/Den- zent der üblichen Menge Anästhetikum ausreichend sind.) Zahnhals- und reine Schmelzkavitäten sowie Konditionierung von Schmelz oder Dentin zur Verbesserung der Haftvermittlung adhäsiv befestigter Restaurationen können aber in der Regel ohne Anästhesie erbracht werden (Fall ❸ – siehe Abb. 8 bis 11, schmerzarme Therapie eines Zahnhalsdefekts ohne Anästhesie, Seiten 15 und 16). Wie Patienten die Behandlung empfinden Übereinstimmend positiv wird immer das vibrationsarme Arbeiten ohne das belastende Bohrgeräusch empfunden. Patienten empfinden Laserpräparationen als non-invasiv und modern. Die Ruhe während der ganzen Behandlung bis zum Stadium der Politur verändert die gesamte Behandlungssituation vorteilhaft. Als Behandler bemerkt man regelmäßig eine gewisse Entspannung der Patienten während der zahnärztlichen Therapie. Möchte man besonders schonend arbeiten, soll(Fortsetzung auf Seite 16) DZW 41-05_09-16 bearb 26.10.2005 15:28 Uhr Seite 16 16 Praxis aktuell/Zahnmedizin Woche 41/05 Mikroinvasive Zahnhartsubstanz… (Fortsetzung von Seite 1) ten Restaurationen so gewissenhaft vormodelliert werden, dass letztlich nur noch eine Endpolitur mit niedertourigen Polierkörpern und/oder Pasten erfolgen kann. Subjektive Vorteile der konservierenden Therapie mit dem KeyLaser 3 für unsere Patienten sind die angenehme Art der Hartsubstanzbearbeitung ohne „Dröhnen“ im Kopf. Das Gefühl einer modernen und schonenden Behandlung empfinden ausnahmslos alle Patienten als Besonderheit und Vorzug und bewerten dies als Imagegewinn einer Praxis. Insgesamt weniger Stress bei der Therapie Objektiv verläuft eine Laserbehandlung gegenüber jeder konventionellen Therapie stressär- mer mit allen positiven Auswirkungen auf Patient und Behandlerteam, was im Dauerbetrieb zu einer spürbaren Reduktion typischer Ermüdungsfaktoren beiträgt. Für uns als Behandler ist die Anwendung des Lasers weniger belastend und mit hoher Motivation verbunden. Das Ausbleiben der typischen An- und Verspannungen als Folge von Angstreaktionen, das Vertrauen der Patienten in die zeitgemäße Technik und das Wissen um den Nutzen für den behandelten Zahn sind wiederum in der Dauerbetrachtung wichtige Faktoren. Überdies macht Laserbehandlung auch einfach sehr viel Spaß. Dr. Thomas Nessler, Ludwigsburg-Hoheneck ▼ (wird fortgesetzt) 10 11 Abb. 10 und 11: Fall ❸ – Konditionierte Kavität, gebondet ohne Säurekonditionierung, Abb. 11 zeigt die Füllung nach Ausarbeitung und vor Politur.