Kapitel 12 Evolutionäre Spieltheorie Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 1 Übersicht Evolutionäre Spieltheorie Einleitung Evolutionäre Biologie Evoltionäre Spieltheorie Gefangenendilemma Evolutionäre Stabilität für reine Strategien Wiederholtes Gefangenendilemma Chicken Spiel Koordinationsspiele Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 2 Einleitung I Rationalität als zentrale Annahmen der Spieltheorie. I I Sinnvoll in vielen ökonomischen Zusammenhängen Empirisch bestätigt I Können wir diese Annahmen fallen lassen? I Was sind die Alternativen? Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 3 Einleitung Alternative: Biologische Evolutionstheorie I Keine Rationalität, da keine bewussten Entscheidungen gefällt werden. I “Gute” Strategien werden gegenüber “schlechten” belohnt. I “Gute” Strategien erhöhen die Fitness der Anwender und vermehren sich dadurch viel stärker in der Bevölkerung. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 4 Übersicht Evolutionäre Spieltheorie Einleitung Evolutionäre Biologie Evoltionäre Spieltheorie Gefangenendilemma Evolutionäre Stabilität für reine Strategien Wiederholtes Gefangenendilemma Chicken Spiel Koordinationsspiele Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 5 Evolutionäre Biologie Grundlagen I Tierisches Verhalten ist weitgehend genetisch bestimmt. I Zusammenwirken der Gene bestimmt eine Verhaltensweise. I Phänotyp: Spezielles Verhaltensmuster, welches durch ein oder mehrere Gene bestimmt wird. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 6 Evolutionäre Biologie Fitness I Fitness: Mass für den Erfolg eines Phänotypen. I Einige Phänotypen passen besser zu den herrschenden Umweltbedingungen als andere. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 7 Evolutionäre Biologie Selektion I Selektion: Ändert die Zusammensetzung der Phänotypen. I Anzahl der Tiere mit einer höheren Fitness nimmt zu, weil sie relativ mehr Nachkommen haben. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 8 Evolutionäre Biologie Mutationen I Der Zufall produziert Mutationen: Es entstehen neue Phänotypen. I Fitness und Selektion bestimmen den Erfolg der Mutanten. I Die meisten Phänotypen, welche durch eine Mutation entstehen, sind schlecht an die Umwelt angepasst und verschwinden unmittelbar wieder. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 9 Evolutionäre Biologie Mutationen I Von Zeit zu Zeit entsteht ein neuer Phänotyp, der besser an die Umwelt angepasst ist. I Der Mutant kann in eine bestehende Population von Phänotypen eindringen und erreicht einen signifikanten Anteil in der Bevölkerung. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 10 Evolutionäre Biologie Evolutionäre Stabilität I Ein Phänotyp wird evolutionär stabil genannt, wenn keine Mutanten den Phänotypen verdrängen können. I Eine Population heisst monomorph, wenn sie aus nur einem Phänotypen besteht. I Eine Population heisst polymorph, wenn sie aus mehreren Phänotypen besteht. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 11 Übersicht Evolutionäre Spieltheorie Einleitung Evolutionäre Biologie Evoltionäre Spieltheorie Gefangenendilemma Evolutionäre Stabilität für reine Strategien Wiederholtes Gefangenendilemma Chicken Spiel Koordinationsspiele Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 12 Evolutionäre Spieltheorie Idee I Anwendung der evolutionären Biologie auf Strategien. I Strategien werden nicht mehr vom Spieler durchdacht, vielmehr sind sie angeboren. I Fitness und Selektion bestimmen dann den “Erfolg” der Strategie. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 13 Evolutionäre Spieltheorie I Wir nutzen die evolutionäre Spieltheorie, um die Annahme der Rationalität vollständig fallen zu lassen. I Spieler treffen keine bewussten Entscheidungen, da sie die Strategien “erben”. I Spieler müssen daher nicht rational sein: sie müssen die Welt nicht verstehen. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 14 Evolutionäre Spieltheorie “Erben” I Akteure erhalten Strategien mittels nicht-genetischer Prozesse: z.B. Imitation, Erziehung, etc. I Fitness beinhaltet Gewinne, Macht, Prestige usw. und nicht nur das Überleben als solches. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 15 Evolutionäre Spieltheorie I Das Nash-Gleichgewicht wird ersetzt durch zwei Konzepte: I I I Evolutionär stabile Strategie Populationsdynamik Das sind unsere neuen “Prognosetools”. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 16 Evolutionäre Spieltheorie I Der Ansatz der Populationsdynamik betrachtet dynamische Prozesse, die beschreiben wie sich die relative Häufigkeit unterschiedlicher Strategien in einer Bevölkerung im Zeitablauf ändert. I Der Ansatz der evolutionär stabilen Strategien beschreibt einen Zustand, unter dem sich keine alternative Strategie (eine “Mutation”) in der Bevölkerung ausbreiten kann. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 17 Evolutionäre Spieltheorie “Evolutionary Theory of Gravitation” I Question: Why does an apple fall from the tree to the earth? I Answer: Originally, apples that came loose from trees went in all directions. But only those that were genetically predisposed to fall to the earth could reproduce. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 18 Übersicht Evolutionäre Spieltheorie Einleitung Evolutionäre Biologie Evoltionäre Spieltheorie Gefangenendilemma Evolutionäre Stabilität für reine Strategien Wiederholtes Gefangenendilemma Chicken Spiel Koordinationsspiele Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 19 Gefangenendilemma I Bevölkerung besteht aus 2 Phänotypen. I I I Kooperierende: Gestehen nicht. Abweichende: Gestehen. Spieler können Strategie nicht wählen: Sie werden als Kooperierende oder Abweichende “geboren”. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 20 Gefangenendilemma I Um die durchschnittliche Auszahlung (Fitness) einer Strategie zu bestimmen, braucht es ein Modell der Interaktion innerhalb der Bevölkerung. I I Zufälliges Aufeinandertreffen vs. geordnetes Aufeinandertreffen. Wir betrachten das einfachste Modell der Interaktion innerhalb einer Bevölkerung. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 21 Gefangenendilemma I Für jedes Individuum in der Bevölkerung gilt: Die Wahrscheinlichkeit, dass er auf ein Individuum mit einer gegebenen Verhaltensweise trifft, entspricht genau der relativen Häufigkeit dieser Verhaltensweise in der Bevölkerung. I Sei x der Anteil kooperierender Spieler (Phänotyp “nicht gestehen”). Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 22 Gefangenendilemma Spalte Gestehen (1 − x) Kooperieren (x) Gestehen 10 J. , 10 J. 1 J, , 25 J. Zeile Kooperieren 25 J. , 1 J. 3 J. , 3 J. x = Wahrscheinlichkeit auf einen Kooperierenden zu treffen. 1 − x = Wahrscheinlichkeit auf einen nicht Kooperierenden zu treffen. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 23 Gefangenendilemma I Erwartete Freiheitsstrafe für “kooperieren”: 3x + 25(1 − x) = 25 − 22x I Erwartete Freiheitsstrafe für “gestehen”: x + 10(1 − x) = 10 − 9x I Für jedes 0 ≤ x ≤ 1 gilt: 10 − 9x < 25 − 22x 13x < 15 Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 24 Gefangenendilemma Evolutionär stabile Strategie I Die Strategie “gestehen” erwartet eine geringere Haftstrafe für jedes x ∈ (0, 1). I In einer Population in der alle Spieler “gestehen”, kann damit die Mutation “kooperieren” nicht erfolgreich eindringen. I Falls “kooperieren” per Zufall entsteht, wird sie unmittelbar wieder verdrängt. I Die Strategie “gestehen” ist damit evolutionär stabil (ESS) im Gefangenendilemma. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 25 Gefangenendilemma Evolutionär stabile Strategie I Im Gegensatz dazu ist die Strategie “kooperieren” nicht evolutionär stabil. I In einer Population in der alle Spieler die Strategie “kooperieren” anwenden, kann die Strategie “gestehen” erfolgreich eindringen. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 26 Gefangenendilemma Populationsdynamik I Sei x der Anteil Spieler die anfänglich nicht gestehen. Wie ändert sich x über die Zeit? I Da für jedes x “gestehen” eine geringere Haftstrafe erzielt als “kooperieren” wird x über die Zeit abnehmen. I Dieser Prozess hört erst auf, wenn es nur noch Spieler gibt, welche gestehen. I Daher ist nur x = 0 ein Gleichgewicht (stabiler Zustand) der Populationsdynamik. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 27 Übersicht Evolutionäre Spieltheorie Einleitung Evolutionäre Biologie Evoltionäre Spieltheorie Gefangenendilemma Evolutionäre Stabilität für reine Strategien Wiederholtes Gefangenendilemma Chicken Spiel Koordinationsspiele Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 28 Stabilität für reine Strategien I Symmetrischse 2-Personen-Spiel in strategischer From mit m Aktionen. I I Zumeist betrachten wir den Fall m = 2. In biologischen Anwendungen ist die Betrachtung von 2-Personen-Spielen die Regel. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 29 Stabilität für reine Strategien I Auszahlungsfunktion: Verwendet in einer Interaktion ein Spieler die Aktion k, so ist seine Auszahlung u(k, l), wenn sein Gegenspieler die Aktion l verwendet. I Wir betrachten in diesem Abschnitt den Fall, in dem jeder einzelne Spieler eine reine Strategie verwendet, d.h. eine der m Aktionen verwendet. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 30 Stabilität für reine Strategien Definition: Eine Aktion k ist eine evolutionär stabile Strategie, wenn für jede Aktion l 6= k entweder u(k, k) > u(l, k) oder u(k, k) = u(l, k) und u(k, l) > u(l, l) gilt. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 31 Stabilität für reine Strategien I I Es wird eine Situation betrachtet, in der die gesamte Bevölkerung die Aktion k verwendet. Wechselt nun ein Teil ε der Bevölkerung zu einer alternativen Aktion l 6= k, so sind die durchschnittlichen Auszahlungen: I I (1 − ε)u(k, k) + εu(k, l) für die Aktion k. (1 − ε)u(l, k) + εu(l, l) für die Aktion l. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 32 Stabilität für reine Strategien I Die Aktion k erzielt eine strikt grössere durchschnittliche Auszahlung als die Aktion l (und kann diese daher per Annahme aus der Bevölkerung verdrängen), falls (1 − ε)[u(k, k) − u(l, k)] + ε[u(k, l) − u(l, l)] > 0 gilt. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 33 Stabilität für reine Strategien I Die Bedingungen in der Definition einer evolutionär stabilen Strategie sind genau diejenigen, die sichern, dass diese Ungleichung für alle hinreichend kleinen ε > 0 erfüllt sind. I I Gilt u(k, k) > u(l, k), wird die “Mutation” I verdrängt, da der erste Summand strikt positiv und der zweite Summand für hinreichend kleine ε diesen Effekt nicht umdrehen kann. Gilt u(k, k) = u(l, k), so ist der Gesamtausdruck für ε > 0 genau dann strikt positiv, wenn u(k, l) > u(l, l) gilt. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 34 Stabilität für reine Strategien Theorem: Ist k eine evolutionär stabile Strategie, so ist {(k), (k)} ein Nash-Gleichgewicht in reinen Strategien. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 35 Stabilität für reine Strategien I I Das Theorem liefert eine Rechtfertigung für das Konzept des Nash-Gleichgewichts aus evolutionärer Sicht. Die Rechtfertigung ist nur teilweise, da I I nur symmetrische Nash-Gleichgewichte einer evolutionär stabilen Strategie entsprechen können. nicht jedes Nash-Gleichgewicht evolutionär stabil ist. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 36 Stabilität für reine Strategien Theorem: Ist {(k), (k)} ein striktes Nash-Gleichgewicht, so ist k evolutionär stabil. In einem symmetrischen 2-Personen-Spiel ist {(k), (k)} genau dann ein striktes Nash-Gleichgewicht, wenn u(k, k) > u(l, k) für alle l gilt. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 37 Stabilität für reine Strategien I Insbesondere ist {(k), (k)} ein striktes Nash-Gleichgewicht und damit k evolutionär stabil - wenn k eine dominante Aktion ist (Beispiel Gefangenendilemma). Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 38 Übersicht Evolutionäre Spieltheorie Einleitung Evolutionäre Biologie Evoltionäre Spieltheorie Gefangenendilemma Evolutionäre Stabilität für reine Strategien Wiederholtes Gefangenendilemma Chicken Spiel Koordinationsspiele Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 39 Wiederholtes Gefangenendilemma Zwei Wiederholungen I I Wiederholtes Gefangenendilemma (zweimal) Zwei Strategien I I Immer gestehen (A) Tit-for-Tat (T) Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 40 Wiederholtes Gefangenendilemma Spiel für die Strategien A und T Spalte A (1 − x) T (x) A 20 , 20 11 , 35 Zeile T 35 , 11 6,6 x = Wahrscheinlichkeit auf einen T Spieler zu treffen. 1 − x = Wahrscheinlichkeit auf einen A Spieler zu treffen. c 2000 by W.W.Norton & Company Copyright Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 41 Wiederholtes Gefangenendilemma Evolutionär stabile Strategien I {(A), (A)} und {(T ), (T )} sind strikte Nash-Gleichgewichte in reinen Strategien. I A und T sind damit evolutionär stabile Strategien (ESS). Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 42 Wiederholtes Gefangenendilemma Populationsdynamik I Sei x der Anteil der Tit-for-Tat (T) Spieler. I Wie ändert sich dieser Anteil über die Zeit? I Die erwarete Freiheitsstrafe eines A Spielers beträgt 11x + 20(1 − x) = 20 − 9x. I Die erwartete Freiheitsstrafe eines T Spielers ist 6x + 35(1 − x) = 35 − 29x. I Wenn x > 43 : 35 − 29x < 20 − 9x. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 43 Wiederholtes Gefangenendilemma Populationsdynamik I Wenn mehr als 75% der Bevölkerung schon vom Typ T ist, dann hat T eine höhere Fitnesss als A und wird zu 100% anwachsen (x = 1). I Wenn weniger als 75% der Bevölkerung vom Typ T ist, hat A eine höhere Fitness und wird zu 100% wachsen (x = 0). Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 44 Wiederholtes Gefangenendilemma Unfitness 35 Unfitness des Typ T 35 − 29x Unfitness des Typ A 20 − 9x 20 11 6 0 0.75 1 x c 2000 by W.W.Norton & Company Copyright Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 45 Wiederholtes Gefangenendilemma I Ein polymorphes Gleichgewicht existiert, wenn die Bevölkerung exakt zu 75% aus T und zu 25% aus A besteht. I Beide Typen besitzen dieselbe Fitness und vermehren sich proportional. I Dies ist ein Gleichgewicht, es ist aber nicht stabil. I Einführung eines Mutanten eines Typs stürzt das Gleichgewicht. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 46 Übersicht Evolutionäre Spieltheorie Einleitung Evolutionäre Biologie Evoltionäre Spieltheorie Gefangenendilemma Evolutionäre Stabilität für reine Strategien Wiederholtes Gefangenendilemma Chicken Spiel Koordinationsspiele Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 47 Chicken Spiel B Wimp Wimp 0 , 0 A Macho 1 , -1 Macho -1 , 1 -2 , -2 c 2000 by W.W.Norton & Company Copyright Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 48 Chicken Spiel Evolutionär stabile Strategien I Ist Wimp eine ESS? I Wimp ist evolutionär stabil, falls u(Wimp, Wimp) > u(Macho, Wimp). I Es gilt u(Wimp, Wimp) = 0 und u(Macho, Wimp) = 1. I Somit ist Wimp keine ESS. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 49 Chicken Spiel Evolutionär stabile Strategien I Ist Macho eine ESS? I Macho ist evolutionär stabil, falls u(Macho, Macho) > u(Wimp, Macho). I Es gilt u(Macho, Macho) = −2 und u(Wimp, Macho) = −1. I Somit ist Macho keine ESS. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 50 Chicken Spiel Evolutionär stabile Strategien I Jeder Typ hat eine höhere Fitness, wenn er in der Bevölkerung eine Minderheit präsentiert. I Jeder Typ kann somit erfolgreich in eine Bevölkerung eindringen, welche nur aus Spielern mit den anderen Phänotypen besteht. I Die reinen Strategien Wimp und Macho sind damit keine ESS. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 51 Chicken Spiel Evolutionär stabile Strategien I Das Chicken Spiel hat das symmetrische Nash-Gleichgewicht {(0.5, 0.5), (0.5, 0.5)}. I Ist die gemischte Strategie (0.5, 0.5) eine ESS? Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 52 Chicken Spiel Evolutionär stabile Strategien Betrachten wir noch einmal die Definition einer ESS. Definition: Eine Aktion k ist eine evolutionär stabile Strategie, wenn für jede Aktion l 6= k entweder u(k, k) > u(l, k) oder u(k, k) = u(l, k) und u(k, l) > u(l, l) gilt. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 53 Chicken Spiel Evolutionär stabile Strategien Die gemischte Strategie (0.5, 0.5) ist eine evolutionär stabile Strategie falls, u[(0.5, 0.5), i] > u(i, i) wobei i entweder Wimp = (1, 0) oder Macho = (0, 1) ist. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 54 Chicken Spiel Evolutionär stabile Strategien I Es gilt, dass u[(0.5, 0.5), (1, 0)] = 0.5 und u[(1, 0), (1, 0)] = 0. I Es gilt auch, dass u[(0.5, 0.5), (0, 1)] = −1.5 und u[(0, 1), (0, 1)] = −2. I Somit ist (0.5, 0.5) eine ESS. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 55 Chicken Spiel Populationsdynamik I Sei x = Anteil Machos, (1 − x) = Anteil Wimps. I Fitness eines Wimps: 0(1 − x) + (−1)x = −x I Fitness eines Machos: 1(1 − x) + (−2)x = 1 − 3x Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 56 Chicken Spiel Populationsdynamik I Typ Macho hat die höhere Auszahlung, wenn: 1 − 3x > −x, d.h. wenn x < 12 . I Wenn die Bevölkerung also weniger als zur Hälfte aus Machos besteht, haben Machos eine höhere Fitness und der Anteil an Machos nimmt zu. I {(0.5, 0.5)} ist ein polymorphes Gleichgewicht. I Dieses Gleichgewicht ist stabil: Nach einer kleinen Änderung der Anteile gehen die Anteile wiederum auf (0.5, 0.5) zu. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 57 Chicken Spiel Fitness Macho 1 0 0.5 1x −1 −2 Wimp c 2000 by W.W.Norton & Company Copyright Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 58 Chicken Spiel Vergleich mit klassischer Spieltheorie I Klassische Spieltheorie: Das Chicken Spiel hat die drei Nash-Gleichgewichte {(0.5, 0.5), (0.5, 0.5)}, {(1, 0), (0, 1)} und {(0, 1), (1, 0)}. I Evolutionäre Spieltheorie: Die reinen Strategien sind nicht evolutionär stabil. I Die gemischte Strategie evolutionär stabil. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 59 Chicken Spiel Vergleich mit klassischer Spieltheorie I Interpretationen unterscheiden sich: I I In der klassischen Spieltheorie mischen die Spieler. In evolutionären Spielen ist die Bevölkerung eine Mischung aus ihren Phänotypen. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 60 Übersicht Evolutionäre Spieltheorie Einleitung Evolutionäre Biologie Evoltionäre Spieltheorie Gefangenendilemma Evolutionäre Stabilität für reine Strategien Wiederholtes Gefangenendilemma Chicken Spiel Koordinationsspiele Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 61 Koordinationsspiele B T M T 1 , 1 0, 0 A M 0,0 2,2 c 2000 by W.W.Norton & Company Copyright Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 62 Koordinationsspiele Evolutionär stabile Strategien I {(M),(M)} und {(T),(T)} sind strikte Nash-Gleichgewichte in reinen Strategien. I M und T sind damit evolutionär stabile Strategien (ESS). Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 63 Koordinationsspiele Evolutionär stabile Strategien I {( 32 , 13 ), ( 32 , 13 )} ist ein symmetrisches Nash-Gleichgewicht in gemischten Strategien. I Die gemischte Strategie ( 23 , 31 ) ist eine ESS falls, u[( 23 , 13 ), i] > u(i, i) wobei i entweder T = (1, 0) oder M = (0, 1) ist. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 64 Koordinationsspiele Evolutionär stabile Strategien I Da u[( 32 , 13 ), T ] = 23 und u(T , T ) = 1, ist die gemischte Strategie nicht evolutionär stabil. Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 65 Koordinationsspiele Populationsdynamik I T hat Fitness: x · 1 + (1 − x) · 0 = x. I M hat Fitness: x · 0 + (1 − x) · 2 = 2(1 − x). I T hat eine grössere Auszahlung wenn x > I M hat eine grössere Auszahlung wenn x Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 2 3 < 23 66 Koordinationsspiele Populationsdynamik I Sei x > 32 , dann konvergiert x gegen x = 1. I Sei x < 32 , dann konvergiert x gegen x = 0. I Instabiles Gleichgewicht der Populationsdynamik wenn x = 23 . I Instabil: jegliche Mutation von T oder M führt weg von x = 32 . Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 67 Koordinationsspiele Fitness 2 Fitness Typ M 1 Fitness Typ T 0 2 3 1 x c 2000 by W.W.Norton & Company Copyright Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 68 Koordinationsspiele Vergleich mit klassischer Spieltheorie I Klassische Spieltheorie: Drei Nash-Gleichgewichte {(1, 0), (1, 0)}, {(0, 1), (0, 1)} und {( 23 , 31 ), ( 23 , 31 )}. I Evolutionäre Spieltheorie: Die gemischte Strategie ist keine evolutionär stabile Strategie. Die reinen Strategien sind evolutionär stabile Strategien (ESS). Einführung in die Spieltheorie Prof. Dr. Aleksander Berentsen 69