Quantitative BWL [Teil Finanzwirtschaft] Themenübersicht 1. Portfoliotheorie und Portfoliomodelle 1.1. Grundbegriffe: Rendite, Risiko, Wahrscheinlichkeitstheorie 1.2. Erwartungswert-Varianz-Portfoliotheorie 1.3. CAPM 1.4. Evaluierung von Finanzinstrumenten basierend auf CAPM 2. Optionen 2.1. Optionsbegriff 2.2. Bewertung von Optionen 2.2.1. Binomialbäume (Arbitragestrategien, AF-Bedingungen) 2.2.2. Black-Scholes Modell 2.3. Simulationen (plus möglicherweise Hedging) 1 Portfoliotheorie und Portfoliomodelle Ein Portfolio 1 ist eine Gesamtheit von Objekten, welche sich in einem bestimmten Verhältnis an dem Gesamtwert des Portfolios beteiligen. An dieser Stelle ist ein Portfolio im finanzwirtschaftlichen Sinne zu verstehen, daher sind unter den in einem Portfolio eingeschlossenen Objekten diverse Finanzinstrumente bzw. „Finanztitel“ (assets) zu verstehen. Der Portfoliobegriff beschränkt sich also keineswegs auf Aktien. Dementsprechend können in ein Portfolio Finanzinstrumente aller Art eingeschlossen werden (darunter z.B. Anleihen, Optionen, Swaps oder andere Derivate, oder sogar Bargeld in einer bestimmten Währung, oder etwa Anteile an diversen realen Projekten). Jeder Finanztitel hat einen Preis. Der Preis mag nicht konstant bleiben. Er mag sich also im Laufe der Zeit verändern. 2 Als Investor kann ich also den Finanztitel in einem bestimmten Zeitpunkt zu dem aktuellen Preis kaufen und zu einem späteren Zeitpunkt zu dem später aktuellen Preis verkaufen. Oder kann ich mir den Finanztitel heute ausborgen, ihn zum aktuellen Preis verkaufen und später zu dem je aktuellen Preis kaufen, um ihn zurückzugeben. Ein solches Verhalten nennt man Short selling. 1 http://de.wikipedia.org/wiki/Portfolio : allgemeine Definition: eine Sammlung von Objekten eines bestimmten Typs bzw. in der Finanzwelt: Bündel von Investitionen, das im Besitz einer Institution oder eines Individuums ist. http://financial-dictionary.thefreedictionary.com/Portfolio : The group of assets - such as stocks, bonds and mutuals - held by an investor http://www.investorwords.com/3741/portfolio.html : A collection of investments all owned by the same individual or organization. These investments often include stocks, which are investments in individual businesses; bonds, which are investments in debt that are designed to earn interest; and mutual funds, which are essentially pools of money from many investors that are invested by professionals or according to indices. 2 Eine mögliche Entwicklung des Preises eines Finanztitels wird in der Grafik 1 dargestellt. Es wurden reale Daten verwendet; Quelle http://finance.yahoo.com/ 2 3 2,5 Nokia General El. ING Groep 2 1,5 1 0,5 0 Aug.05 Feb.06 Aug.06 Feb.07 Aug.07 Feb.08 Aug.08 Grafik 1: Beispiel für die Entwicklung der Aktienkurse Rendite Entsprechend der Preisänderung des gerade gehaltenen Finanztitels erzielt der Investor eine Rendite (return). Die Rendite wird hier als der prozentuelle Anteil der Preisänderung (des Gewinns) relativ zum ursprünglichen Preis (zum investierten Kapital) definiert. Mathematisch ausgedrückt: rt = Pt − Pt −1 P = t − 1 ⇔ Pt = Pt −1 (1 + rt ) Pt −1 Pt −1 (1) Dabei entspricht rt der in Periode t erzielten Rendite, wobei Pt den zum Zeitpunkt t bestehenden Preis repräsentiert. Nehmen wir nun an in einer Zeitperiode von t = 0 bis t = T (also in einer Periode der Länge T) erhöht sich der Preis einer Aktie von P0 zu PT, wobei insgesamt eine Rendite von rT erzielt wird: PT = P0 (1 + rT ) (2) 3 Die Rendite rT kann daher also auch als ein Zinssatz bei einem Sparvertrag mit einer einmaligen Verzinsung (nach T Zeiteinheiten) interpretiert werden. Der Preis einer Aktie unterliegt jedoch ständigen Änderungen. Daher ist der Vergleich mit einer einmaligen Verzinsung nach T Perioden nicht ganz adäquat (äquivalent). Erfolgt die Wertänderung (Verzinsung) immer nach einem Intervall der Länge Δt, kommt es von 0 zu T zu n = T/Δt Wertänderungen. Sei nun rT [n] die Rendite bzw. der Zinssatz (von 0 zu T), die bei n Wertänderungen bzw. bei einer n-maligen Verzinsung heranzuziehen ist, so dass im Endeffekt eine Gesamtrendite von rT erzielt wird. Die Rendite bzw. der Zinssatz in jedem Intervall der Länge Δt beträgt daher also rT /n. Unabhängig von der Anzahl der Preisänderungen bzw. Verzinsungsperioden wissen wir, dass der Preis zu t = 0 P0 und der Preis zu t = T PT beträgt. Die Gesamtrendite (von 0 bis T) ist also immer gleich, unabhängig von der Länge des Verzinsungsintervalls Δt bzw. der Anzahl der Verzinsungsperioden n. Jedoch ist bei einem höheren n ein geringeres rT [n] zu verrechnen, da wegen dem intensiveren Zinseszinseffekt trotzdem die gleiche Gesamtrendite bzw. Verzinsung erzielt wird. Um rT [n] genau zu bestimmen kann man daher aus dem folgenden Verhältnis ausgehen: ⎛ rT [ ] ⎞ ⎟⎟ ) = PT = P0 ⎜⎜1 + n ⎝ ⎠ n P0 (1 + rT [ n =1] n (3) Wie bereits erwähnt tendiert bei Aktien (sowie vielen anderen Finanzinstrumenten) Δt → 0, d.h. n → ∞. Die entsprechende Rendite rT [ n →∞ ] , vereinfachend bezeichnet als rT s als stetige Rendite, kann man berechnen, indem man das Limit von dem Ausdruck (3) betrachtet ⎧⎪ ⎛ r [ n ] ⎞ PT = lim ⎨ P0 ⎜⎜1 + T ⎟⎟ n→∞ n ⎠ ⎪⎩ ⎝ n ⎫⎪ ⎛ PT s s ⎬ = P0 exp(rT ) ⇔ rT = ln⎜⎜ ⎪⎭ ⎝ P0 ⎞ ⎟⎟ ⎠ (4) Wird nun etwa die stetige Rendite oder die einmalige Rendite angewandt, kommt es von 0 zu T zu der gleichen Wertänderung 4 P0 (1 + rT [ n =1] ) = PT ⎡ ⎛ P ⎞⎤ P s P0 exp(rT ) = P0 exp ⎢ln⎜⎜ T ⎟⎟⎥ = P0 T = PT P0 ⎣ ⎝ P0 ⎠⎦ (5) Die stetige Rendite ist jedoch basierend auf der Natur der Wertentwicklung von Aktien sowie anderen Finanztiteln für diese viel geeigneter, daher wird bei der Behandlung von Finanztiteln üblicherweise die stetige Rendite angewandt. Die stetige Rendite ist besonders leicht manipulierbar, vor allem bezüglich der Entwicklung über mehrere Perioden hinweg. Will man etwa die Gesamtrendite von 0 bis T, also rT berechnen, wobei die einzelnen Renditen für die von 0 bis T verlaufenen n Perioden bekannt sind P0 exp(rT ) = P0 exp(r1 ) exp(r2 )... exp(rn ) = P0 exp(r1 + r2 + ... + rn ) = n n = P0 exp⎛⎜ ∑ rt ⎞⎟ ⇒ rT = ∑ rt ⎝ t =1 ⎠ t =1 (6) Dank dieser Additivitätseigenschaft kann man entsprechend einfach auch die mittlere Rendite r von n Renditewerten berechnen P0 [exp(r )]n = P0 exp(r1 ) exp(r2 )... exp(rn ) exp(nr ) = exp(r1 + r2 + ... + rn ) r= (7) 1 n ∑ rt n t =1 Risiko Steht also die Information über den Preis eines Finanztitels zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten zur Verfügung, kann man dessen Rendite in der Periode zwischen den zwei Zeitpunkten berechnen. Dies sind jedoch alles Informationen über die Vergangenheit. Als Investor ist man jedoch selbstverständlich viel mehr daran interessiert, zu wissen, wie sich der Preis des Finanztitels in der Zukunft entwickeln wird, d.h. welche Rendite er mit seiner Investition erzielen wird. Die künftige Preisentwicklung ist jedoch unsicher bzw. mit einem 5 Risiko verbunden. Obwohl der Preis zum jetzigen Zeitpunkt t = 0 bekannt ist, ist der Preis zum Zeitpunkt t = T in der Regel unbekannt und mag im Grunde unendlich viele Werte annehmen. Nicht nur das Zeitspektrum, in dem es zu Preisänderungen kommt ist stetig, sondern auch der Preis selbst ist eine stetige Variable, die also unendlich viele Werte annehmen kann. Der Preis PT ist jedoch doch nicht ganz unsicher. Basierend auf den Daten aus der Vergangenheit lassen sich mit dem Vertrauen, dass einige Eigenschaften aus der Vergangenheit in der Zukunft „nachgemacht“ werden, gewisse Aussagen über den Preis PT treffen. Deren Aussagekraft beruht jedoch ausschließlich auf dem Argument einer gewissen Kontinuität in der Entwicklung. Dementsprechend kann man im Grunde die Wahrscheinlichkeitsverteilung von dem Preis PT oder etwa noch üblicher die Wahrscheinlichkeitsverteilung von der Rendite (dabei lässt sich der Preis anschließend leicht bestimmen, soweit man bereits die Rendite bestimmt hat, da man ja den aktuellen Preis P0 kennt). Basierend auf den Preisdaten im File aktienkurse.xls wurde mit Hilfe der Funktion „Häufigkeit“ die Verteilung von der Rendite der Nestle-Aktie für die Periode Aug 2005 bis Aug 2008 analysiert und wird in der Grafik 2 in Form eines Histogramms dargestellt. Nestle - Histogramm 15 10 5 0 -0,1 -0,025 0,05 0,125 Grafik 2: Histogramm für die Rendite der Nestle-Aktie basierend auf den Daten aus dem File aktienkurse.xls Erwartungswert-Varianz-Portfoliotheorie Bei der Erwartungswert-Varianz-Portfoliotheorie versucht man im Grunde ein Konzept zur Bestimmung optimaler Investitionsentscheidungen zu entwickeln. Dabei verlässt man sich 6 wiederum ausschließlich auf die in der Vergangenheit beobachteten Daten (eigentlich gibt es ja keine anderen). Jedoch zieht man hier nicht die gesamte Wahrscheinlichkeitsverteilung der Finanztitelrenditen in Betracht, sondern man beschränkt sich auf einige wenige aus den Verteilungen abzuleitende Einzelkennzahlen: der Erwartungswert Rendite eines Finanztitels, Varianz bzw. Standardabweichung der Rendite eines Finanztitels sowie Kovarianz zwischen den Renditen zweier Finanztitel. Dabei geht natürlich ein großer Teil der Informationen, die in der gesamten Wahrscheinlichkeitsverteilung enthalten sind, verloren (bzw. wird ignoriert). Jedoch wird dadurch das komplexe Problem viel einfacher und man erhofft sich dabei trotzdem noch wertvolle Aussagen über die optimalen Investitionsentscheidungen liefern zu können. Die Basis für die Erwartungswert-Varianz-Portfoliotheorie ist es also, bei jedem Finanztitel die erwartete Rendite, die Varianz der Rendite sowie die Kovarianzen der Rendite mit den Renditen aller anderen Finanztitel auszurechnen. Bei n Beobachtungen ist der Erwartungswert der Rendite eines Finanztitels i definiert als n ri = Ε(ri ) = ∑ pt ri ,t = t =1 1 n ∑ ri ,t n t =1 (8) Da nun bei Zeitreihen die Wahrscheinlichkeit jeder einzelnen Beobachtung gleich hoch ist, gilt bei n Beobachtungen daher pt = 1/n. Die Varianz der Rendite eines Finanztitels i ist folgendermaßen definiert Var (ri ) = Ε[(ri − ri ) 2 ] (9) Durch eine kleine Umformung lässt sich (13) in einer einfacheren Form (vor allem aus der Sicht der Berechnung) schreiben [ Var ( ri ) = Ε ( ri − ri ) 2 ] = Ε[(ri − ri )(ri − ri )] = Ε(ri 2 ) − 2ri Ε(ri ) + ri 2 = Ε(ri 2 ) − ri 2 (10) In weiterer Folge wird oft eine andere Bezeichnung für die Varianz verwendet, und zwar σ i . 2 Aus der Definition der Varianz ist ersichtlich, dass sie in quadrierten Einheiten der Rendite 7 gemessen wird. Aus diesem Grund ist es oft üblich monotone Transformation der Varianz zu verwenden, die sog. Standardabweichung σi, die sich als zweite Wurzel von der Varianz ergibt σ i = Var (ri ) = σ i 2 (11) Die Standardabweichung wird also in den gleichen Einheiten wie die Rendite gemessen und drückt im Grunde die typische (mittlere) Abweichung der Renditewerte von dessen Erwartungswert aus. Daher ist sie besonders geeignet als eine Maßzahl für das Risiko (die Schwankungen) der Rendite. Die Kovarianz zwischen den Renditen zweier Finanztitel i und j ist definiert als Cov(ri , rj ) = Ε[(ri − ri )(rj − rj )] (12) Ähnlich wie bei der Varianz lässt sich auch dieser Ausdruck nach einer einfachen Umformung etwas gemütlicher schreiben [ ] Cov ( ri , r j ) = Ε ( ri − ri )( r j − r j ) = Ε ( ri r j ) − r j Ε ( ri ) − ri Ε ( r j ) + ri r j = Ε ( ri r j ) − ri r j (13) Für die Kovarianz zwischen den Renditen ri und rj werden wir in weiterer Folge oft auch eine andere Bezeichnung verwenden, und zwar σ ij . Falls i = j ist die Kovarianz äquivalent mit der Varianz der Rendite des entsprechenden Finanztitels. Dies ist im Grunde bereits aus den Definitionen der Varianz und der Kovarianz ersichtlich. Die Maßeinheiten sind ähnlich wie bei der Varianz die quadrierten Renditeeinheiten. Bei etwas Geduld kann man zeigen, dass die Kovarianz zwischen zwei Renditen eine absolute Unter- und eine Oberschranke hat − σ iσ j ≤ Cov(ri , rj ) ≤ σ iσ j (14) Eine normierte Maßzahl, die als Korrelation ρ ij bezeichnet wird und den Grad der Abhängigkeit zwischen zwei Variablen viel anschaulicher macht, ist folgendermaßen definiert 8 ρ ij = Cov(ri , rj ) σ iσ j (15) Aus (14) folgen automatisch die Schranken für die Korrelation − 1 ≤ ρ ij ≤ 1 (16) Dabei ist bereits aus (12) klar, dass positive Kovarianz und somit auch positive Korrelation auf einen positiven linearen Zusammenhang hindeutet. Umgekehrt natürlich bei negativer Kovarianz bzw. Korrelation. Je höher der Korrelationswert im absoluten Sinne, umso stärker die Abhängigkeit. Bei ρ = 0 gelten die Variablen (hier Renditen) als linear unabhängig. Dies schließt natürlich keine anderen Arten der Abhängigkeit aus. Es wurde nun also besprochen, wie man den Erwartungswert, die Varianz (sowie die Standardabweichung) der Rendite eines Finanztitels, sowie die Kovarianz (sowie die Korrelation) zwischen den Renditen zweier Finanztitel berechnet. Ein Investor muss sich jedoch bei seiner Investition nicht nur auf einzelne Finanztitel beschränken, sondern kann in mehrere Finanztitel auf einmal, also in eine Zusammensetzung bzw. ein Portfolio von Finanztiteln, investieren. Vereinfacht gesagt versucht man im Rahmen der Erwartungswert-Varianz-Portfoliotheorie Portfolios zu finden, die im Bezug auf die vordefinierten Optimalitätskriterien optimal sind. Die einzigen Optimalitätskriterien sind hier nur der Erwartungswert der Rendite und die Varianz bzw. Standardabweichung der Rendite. Bei so einer Kriterienkonstellation versucht man Portfolios zu finden, die eine möglichst hohe erwartete Rendite aufweisen, die zugleich möglichst wenig variiert. Da beide Ziele oft (meistens) im Konflikt stehen, muss man natürlich den Trade-off zwischen den beiden Werten genau definieren, um überhaupt ein entsprechendes Optimum suchen bzw. finden zu können. Das genaue Trade-off-Verhältnis wird später im Detail besprochen. Wie bereits erwähnt setzt sich ein Portfolio aus mehreren Finanztiteln, die sich an dessen Gesamtwert in einem bestimmten Verhältnis beteiligen. Nehmen wir an ein Portfolio setzt 9 sich aus m Finanztiteln, wobei jeder Finanztitel i mit einem Anteil xi an dem Gesamtwert des Portfolios beteiligt ist. Daher muss gelten m ∑ x =1 i =1 (17) i Sei W0 der aktuelle Gesamtwert des Portfolios, dann beträgt der Wert, der im Rahmen des Portfolios in Form von Finanztitel i gehalten wird xiW0 . Bezeichnen wir nun die Rendite, die durch die Preisänderung von Finanztitel i in der Zeit von 0 bis T erzielt wird, mit ri,T bezeichnet dann gilt folgendes für WT, den Wert des gesamten Portfolios zu t = T. ( ) ( m m m m m W = ∑ xiW (1 + r ) = W ∑ xi (1 + r ) = W ∑ xi + ∑ xi r = W 1 + ∑ xi r T i =1 0 i ,T i ,T 0 i =1 0 i =1 0 i =1 i ,T i =1 i ,T ) (18) Die Rendite des Portfolios rp,T lässt sich also als die anteilsmäßige Summe der Renditen der einzelnen Finanztitel ausdrücken m rp ,T = ∑ xi ri ,T (19) i =1 Für den Erwartungswert von rp,T gilt daher Folgendes m m m rp = Ε(rp ) = Ε⎛⎜ ∑ xi ri ,T ⎞⎟ = ∑ xi Ε(ri ) = ∑ xi ri ⎠ i =1 ⎝ i =1 i =1 (20) Oder in Matrix- bzw. Vektoren-Schreibweise 3 rp = x T r = r T x (21) Nun bleibt es noch abzuleiten, wie man die Varianz der Rendite eines Portfolios ausrechnet, also Var ( rp ) bzw. σ p 2 x repräsentiert dabei den Vektor der Anteilswerte bzw. Gewichtungen der Finanztitel 1 bis m; Vektor der erwarteten Renditen der Finanztitel 1 bis m. T steht für das Transponieren. 3 r ist der 10 m ⎡⎛ m ⎤ [ ] Var (rp ) = Ε (rp − rp ) = Ε ⎢⎜ ∑ xi ri − ∑ xi ri ⎞⎟ ⎥ = ⎠ ⎦ i =1 ⎣⎝ i =1 2 = Ε{[( x1r1 + x2 r2 + ... + xm rm ) − ( x1r1 + x2 r2 + ... + xm rm )] } = 2 2 = Ε{[( x1r1 − x1r1 ) + ( x2 r2 − x2 r2 ) + ... + ( xm rm − xm rm )] } = 2 = Ε{[x1 ( r1 − r1 ) + x2 (r2 − r2 ) + ... + xm ( rm − rm )] } = 2 (22) = x1 Ε(r1 − r1 ) + x2 Ε(r2 − r2 ) + ... + xm Ε(rm − rm ) + x1 x2 Ε[(r1 − r1 )(r2 − r2 )] + 2 2 2 + x1 x3 Ε[(r1 − r1 )(r3 − r3 )] + ... + xm−1 xm Ε[(rm−1 − rm−1 )(rm − rm )] = m m = ∑ xi Var (ri ) + ∑ 2 i =1 m m m ∑ xi x j Cov(ri , rj ) = ∑ ∑ xi x j Cov(ri , rj ) i =1 j =1,i ≠ j i =1 j =1 Dieser Ausdruck mag möglicherweise etwas kompliziert aussehen, ist aber im Grunde ziemlich einfach zu berechnen. Er lässt sich viel gemütlicher in der Matrixschreibweise schreiben Var (rp ) = x T Sx (23) Dabei repräsentiert S die Varianz-Kovarianz-Matrix der Renditen der einzelnen Finanztitel. Diese ist definiert als eine mxm-Matrix folgender Form ⎛ σ 11 σ 12 L σ 1m ⎞ ⎟ ⎜ M ⎟ ⎜ σ 21 O S =⎜ M O M ⎟ ⎟⎟ ⎜⎜ ⎝ σ m1 L L σ mm ⎠ (24) Die Ausdrücke (20) bzw. (21) und (22) bzw. (23) zeigen, wie man aus den Informationen über die Renditen der einzelnen Finanztitel die erwartete Rendite sowie die Varianz eines Portfolios von Finanztiteln ausrechnen kann. Mögliche Portfolios: zulässiger Bereich Nehmen wir zwei Finanztitel A und B, dabei sind und B und σA 2 und σB 2 rA bzw. rB die erwarteten Renditen von A die Varianzen der Renditen der beiden Finanztitel. Die Kovarianz 11 zwischen den Renditen von A und B sei mit σ AB bezeichnet. Aus den Varianzen ist das Risiko der beiden Renditen in Form der Standardabweichung σ A bzw. σ B leicht berechenbar. Um sowohl den Erwartungswert als auch das Risiko der Rendite eines Finanztitels gemeinsam betrachten zu können, ist es besonders günstig, die beiden Variablen in einem zweidimensionalen Koordinatensystem darzustellen. Die Grafik 3 bildet ein mögliches Beispiel für die Finanztitel A und B ab. 0,02 E(r) A 0,015 0,01 B 0,005 σ 0 0 0,04 0,02 0,06 0,08 Grafik 3: Erwartungswert und Risiko der Rendite für zwei mögliche Finanztitel In dem Beispiel wurden für Finanztitel A die Daten von der Nokia-Aktie und für B die Daten von der Nestle-Aktie aus aktienkurse.xls verwendet. Falls wir jetzt aus den zwei Finanztiteln ein Portfolio bilden, können wir andere RenditeRisiko-Kombinationen erreichen. Bezeichnen wir nun den Anteil in A mit a, dann folgt aus (17), dass der Anteil in B 1-a sein muss. Die erwartete Rendite des so entstandenen Portfolios ist dann laut (20) rp = arA + (1 − a )rB (25) Aus (22) in Kombination mit (11) folgt wiederum Folgendes für die Standardabweichung des aus zwei Finanztiteln bestehenden Portfolios σ p = a 2σ A + (1 − a ) 2 σ B + 2a (1 − a )σ AB 2 2 (26) 12 Falls wir also a variieren entstehen laufend neue Portfolios, die sowohl einen unterschiedlichen Erwartungswert als auch eine unterschiedliche Standardabweichung annehmen. Würde man nun alle durch die Variierung von a entstehenden Portfolios in dem σr Diagram darstellen, bekommt man eine Kurve, die über die beiden Punkte A und B geht, da ja bei a = 1 das Portfolio genau dem Finanztitel A und bei a = 0 dem Finanztitel B entspricht. Da wir a > 1 bzw. a < 0 nicht ausschließen (d.h. short selling erlaubt), sind auch Portfolios wo rp > max(rA , rB ) bzw. rp < min(rA , rB ) möglich sind. Die möglichen Portfolios sind in der Grafik 4 dargestellt. 0,02 E(r) A B Portfolios 0,015 0,01 0,005 σ 0 0 0,02 0,04 0,06 0,08 0,1 Grafik 4: Mögliche Portfolios (zulässiger Bereich), die alleine aus den Finanztiteln A und B bestehen Der Anstieg von rp in Abhängigkeit von σ p ist unter anderem abhängig von der Kovarianz und somit auch von der Korrelation zwischen A und B, also ρ AB . Man kann den Anstieg einfach berechnen, ausgehend von ∂rp ∂r / ∂a = p ∂σ p ∂σ p / ∂a ∂rp (rA − rB ) a 2σ A + (1 − a ) 2 σ B + 2a(1 − a )σ Aσ B ρ AB = 2 2 2 ∂σ p a (σ A + σ B ) − σ B + (1 − 2a )σ Aσ B ρ AB 2 (27) 2 (28) Dies mag ein komplizierter Ausdruck zu sein scheinen und wir wollen ihn an dieser Stelle nicht zu viel in Detail analysieren. Schauen wir uns jedoch zwei spezielle Fälle an. Fall 1: ρAB 13 = 1 und Fall 2: ρAB = -1. Es ist nicht schwer zu zeigen, dass der Ausdruck (28) in beiden Fällen ein konstanter Wert ist, d.h. unabhängig von dem aktuellen Anteil a. Nach dem Einsetzen in (28) kommt man für den Fall 1 zu ∂rp ∂σ p = rA − rB σ A −σB (29) Falls also die beiden Finanztitel hundertprozentig positiv korreliert wären, würden die daraus zu bildenden möglichen Portfolios eine Gerade zwischen den Punkten A und B bilden. Siehe diesbezüglich die Grafik 5. Im Fall 2 gilt Folgendes für den Anstieg von rp nach σ p r −r r −r ∂r p σ σ B B wenn a < A B B wenn a ≥ = ∨ =− A ∂σ p σ + σ ∂σ p σ +σ σ +σ σ +σ B B B B A A A A ∂r p (30) Die möglichen Portfolios für Fall 2 sind auch in der Grafik 5 dargestellt. 0,02 0,02 E(r) E(r) A B Portfolios 0,015 A B Portfolios 0,015 0,01 0,01 0,005 0,005 σ 0 σ 0 0 0,02 0,04 0,06 0,08 0 0,02 0,04 0,06 0,08 0,1 Grafik 5: Mögliche Portfolios bei einer Korrelation zwischen A und B, Fall 1: ρ = 1, Fall 2: ρ = -1 Bei hundertprozentiger negativer Korrelation kann aus den beiden Finanztiteln offensichtlich ein Portfolio gebildet werden, dessen Rendite keine Schwankungen aufweist und daher also interessanterweise mittels einer geeigneten Kombination von zwei unsicheren Investitionen 14 eine sichere Rendite erzielt werden kann. Dank der vollen negativen Korrelation kann der Verlust von einem Finanztitel mit dem anderen vollständig „gehedgt“ werden. Der entsprechende Anteil a, bei dem ein risikoloses Portfolio entsteht, ist laut (26), sowie etwa laut (30) in Kombination mit der Grafik 5, der folgende aˆ = σB σA +σB ( 31) Üblicherweise ist jedoch die Korrelation zwischen zwei Finanztiteln weder 1 noch –1, sondern folgend aus (16) etwas dazwischen. Die möglichen Portfolios, die dann aus den zwei bestehenden Finanztiteln gebildet werden können, bilden dann eine ähnliche Kurve wie in der Grafik 4. Stehen mehr als zwei Finanztitel zur Verfügung, beschränkt sich die Bildung von möglichen Portfolios nicht nur auf die auf einer Kurve liegenden Punkte, sondern es wird ein Raum von möglichen Punkten in dem σ-r Koordinatensystem durch die diversen Zusammensetzungen von den bestehenden drei bzw. Mehr Finanztiteln erreichbar. Ein solcher zulässiger Bereich (feasible set) wird als Beispiel in der Grafik 6 veranschaulicht. Grafik 6: Mögliche Portfolios (zulässiger Bereich) bei drei Finanztiteln Die vielen Möglichkeiten ergeben sich, indem man jedes Portfolio auf der Kurve zwischen zwei beliebigen Finanztiteln in einem diversen Verhältnis mit dem dritten Finanztitel kombinieren kann. Der „feasible set“ wird entsprechend größer, je mehr Einzeltitel zur 15 Verfügung stehen. Natürlich werden viele weitere Portfolios realisierbar, falls „short selling“ erlaubt ist. Wurden bei der Bildung von dem „feasible set“ alle auf dem Markt existierenden Finanztitel in Betracht gezogen, so muss jeder Investor eines von den in dem „feasible set“ enthaltenen Portfolios investieren. Nimmt man an, dass jeder Investor über die gleichen Informationen über alle auf dem Markt existierenden Finanztitel verfügt, d.h. jeder kennt die erwarteten Renditen, Varianzen etc. der einzelnen Finanztitel, und ist außerdem jeder in der Lage, die notwendigen Berechnungen durchzuführen, und orientiert sich jeder zugleich ausschließlich nach dem Erwartungswert und Risiko (das er ausschließlich in Form der Standardabweichung misst) seiner Investition, so wird jeder sein Portfolio, in das er schließlich investiert, basierend auf dem Trade-off zwischen σ und E(r) auswählen. Der „feasible set“ dargestellt in der Form, dass jedes Portfolio ausschließlich durch seine erwartete Rendite und dessen Standardabweichung repräsentiert wird, bildet dann den Ausgangspunkt für die optimale Investitionsentscheidung eines jeden Investors. Minimum-Varianz-Kurve und Effizienzkurve Obwohl jeder über seine eigenen Risikopräferenzen verfügen mag, können gewisse Portfolios von dem „feasible set“ basierend auf zwei allgemeinen Argumenten ausgeschlossen werden. Portfolios, die etwa horizontal auf dem gleichen Niveau liegen, also die gleiche erwartete Rendite und unterschiedliches Risiko aufweisen, sind alle gegenüber dem Portfolio mit der geringsten Standardabweichung suboptimal. Schließt man diese Portfolios aus, kommt man zu der sog. Minimum-Varianz-Kurve (MV-Kurve). Im Rahmen der MV-Kurve gibt es nun einige Portfolios die mit anderen auf der gleiche vertikalen Ebene liegen, wobei nun also das gleiche Risiko besteht, jedoch die erwartete Rendite unterschiedlich ist. Portfolios mit der geringeren erwarteten Rendite können nun wiederum ausgeschlossen werden. Die resultierende Kurve wird auch als „Effizienzkurve“ (efficient set) bezeichnet, und risikoaverse Gewinn maximierende Investoren müssten bei ihrer Investition im Grunde nur Portfolios, die auf dieser Kurve liegen, auswählen. Ein mögliches grafisches Herleiten der MV-Kurve und der Effizienzkurve ist in der Grafik 7 skizziert. 16 Grafik 7: Minimum-Varianz-Kurve und Effizienzkurve Wie soll man nun numerisch die MV-Kurve bzw. die Effizienzkurve finden, basierend auf den Informationen über die einzelnen Finanztitel? Für die Ermittlung der MV-Kurve gibt es im Grunde zwei Möglichkeiten. I. man kann von diversen Punkten (Konstanten) auf der y-Achse (r-Achse) Tangente an den zulässigen Bereich („feasible set“) bilden. Die Tangentialpunkte liegen nämlich auf der MV-Kurve. II. man kann immer einen Wert für die erwartete Rendite des gesuchten Portfolios fixieren und anschließend unter dieser Nebenbedingung die Varianz minimieren. Im Fall I. besteht folgendes Optimierungsproblem x T (r − c∇) max x x T Sx x T (r − c∇) bzw. min x x T Sx (32) Dabei steht c für die Konstante auf der r-Achse, von der aus die Tangente gezogen werden soll. ∇ ist ein m-Vektor von Einsern. Im Grunde ist der Ausdruck, der zu maximieren bzw. minimieren ist, der Anstieg der Gerade, die vom Punkt (0, c) auf den zulässigen Bereich gezogen wird, also die entsprechende Tangente. Nehmen wir an der maximale bzw. minimale Wert von dem Ausdruck sei bezeichnet mit θ. Dann lässt sich das Problem folgendermaßen lösen 17 max{x T ( R − c∇)} = θ max{x T Sx} R − c∇ = θSx ⇒ x* = S −1 ( R − c∇) (33) Da jedoch noch die Nebenbedingung gem. (17) nicht in Anspruch genommen wurde, müsste man nun das Ergebnis dementsprechend normieren. y* = 1 λ m S ( R − c∇) wobei λ = ∑ xi * = ∇ T x * −1 (34) i =1 Oder man könnte direkt das bereits normalisierte Optimum folgendermaßen schreiben y* = [∇ T S −1 ( R − c∇)]−1 S −1 ( R − c∇) (35) Hier hätte man im Grunde die Bezeichnung y* gar nicht verwenden müssen und das optimale Portfolio mit x* bezeichnen. Für jeden konstanten Wert c kann man nun also ein Portfolio auf der MV-Kurve finden. Um die gesamte MV-Kurve zu ermitteln, müsste man nun das gleiche Verfahren vielmals wiederholen. Jedoch ist dies nicht notwendig, da laut two-fund-theorem von Black folgendes gilt: x3 ∈ MVset wenn x3 = ax1 + (1 − a ) x2 ∧ x1 ∈ MVset , x2 ∈ MVset (36) Das heißt, jedes Portfolio, das auf der MV-Kurve liegt, kann als eine Kombination von zwei anderen Portfolios, die auf der MV-Kurve liegen, gebildet werden. Daher reicht es im Grunde zwei beliebige Portfolios der MV-Kurve zu bestimmen und durch die Variierung von a alle restlichen ermitteln. Im Fall II. ist folgendes Optimierungsproblem zu lösen {x T Sx} s.t. xT r = rˆ ∧ xT ∇ = 1 min x Dabei ist (37) r̂ der fixierte Wert der erwarteten Rendite. Die entsprechende Lagrange-Funktion ist dann L( x, λ1 , λ2 ) = x T Sx − λ1 ( x T r − rˆ) − λ2 ( x T ∇− 1) (38) 18 Differenziert man L nach den entsprechenden Entscheidungsvariablen und führt man anschließend einige (etwas komplexe) Umformungsschritte durch, kommt man schließlich zu ⎤ ⎡ ⎞ ⎛ rˆab − 1 x* = S ⎢arˆr + ⎜⎜ T −1 ⎟⎟(∇ − abr )⎥ ⎝ ∇ S (abr − ∇) ⎠ ⎦ ⎣ −1 wobei a = (r T S −1r ) −1 b = r T S −1∇ (39) Wie bereits erwähnt, genügt es nach dem two-fund-theorem nur zwei Portfolios auf der MVKurve zu finden, da sich anschließend alle anderen als deren Zusammensetzung ergeben. Daher reicht es hier auch den Wert der erwarteten Rendite zwei Mal zu fixieren und je das entsprechende Portfolio mit der minimalen Varianz auszurechnen. Nachdem man die MV-Kurve gefunden hat, ist die Bestimmung der Effizienzkurve ganz klar, denn man schließt einfach nur Portfolios aus, deren erwartete Rendite unter der erwarteten Rendite des sog. Minimum-Varianz-Portfolios (MVP) liegt. Das MVP kann man leicht finden, indem man die Portfolio-Varianz (22) bzw. (23) minimiert, mit der Bedingung gem. (17). In Matrixschreibweise kann das Optimierungsproblem folgendermaßen formuliert werden min {xT Sx} s.t. xT ∇ = 1 x Nach der Aufstellung der Lagrangefunktion T T min L = x Sx − λ ( x ∇ − 1) x (40) und entsprechendem Differenzieren müssen folgende Bedingungen im Optimum erfüllt sein ∂L = Sx − λ∇ = 0 ∂x ∂L = xT ∇ − 1 = 0 ∂λ (41) Nach dem Ausdrücken von x in der ersten Gleichung und dem Einsetzen in die zweite kommt man zu folgendem Ergebnis für λ und schließlich für die Zusammensetzung von MVP 19 λ = (∇ T S −1∇) −1 x* = (∇ S ∇) S ∇ T −1 −1 −1 (42) Dies lässt sich nun leicht mit Hilfe der Funktionen mmult(), minv() und mtrans() im Excel implementieren. Einführung eines risikolosen Finanztitels Bisher haben wir ausschließlich Finanztitel mit einem positiven Risiko betrachtet. In der Realität gibt es jedoch auch die Möglichkeit, das Kapital risikofrei anzulegen, z.B. Sparkonto bei der Bank oder Kauf einer Staatsanleihe. Im Grunde ist mit jeder Investition ein bestimmtes Risiko verbunden, aber bei wenig risikoreichen Anlagen nehmen wir einfach Risikofreiheit an. Falls ein solcher risikoloser Finanztitel in unser Portfoliomodel inkludiert wird, muss er jedenfalls auf der r-Achse platziert sein. Bezeichnen wir die erwartete (sichere) Rendite von einem solchen Titel mit rf. Die Varianz bzw. Standardabweichung von rf ist selbstverständlich 0, d.h. rf ist eigentlich eine Konstante. Ein Portfolio, das mit einem Anteil a an dem risikolosen Finanztitel und mit dem Rest an einem der riskanten Finanztitel beteiligt ist, weist gem. (25) und gem. (26) folgende erwartete Rendite und Risiko auf rp = arf + (1 − a )ri σ p = (1 − a)σ i (43) Die Portfolios, die also durch eine Variierung von a entstehen, bilden also eine Gerade, die den risikolosen Finanztitel (0, rf) mit dem anderen Finanztitel (σi, ri) verbindet. Dies wird in der Grafik 8 veranschaulicht. 20 Grafik 8: Erweiterung des zulässigen Bereichs durch die Einführung von einem risikolosen Finanztitel Der „feasible set“ würde sich nun also durch die Mitbetrachtung des risikolosen Finanztitels um all die neu entstehenden Portfolios erweitern. Aus der Definition der Effizienzkurve folgt nun automatisch, dass die Effizienzkurve in diesem Fall einfach durch die Tangente von dem risikolosen Finanztitel an den ursprünglichen „feasible set“ repräsentiert wird. Der Tangentialpunkt wird als „Marktportfolio“, xM, bezeichnet. Die entsprechende Tangente, also die Gerade, die den risikolosen Finanztitel mit dem Marktportfolio verbindet, wird als Kapitalmarktlinie (capital market line - CML) bezeichnet. Falls alle Investoren voll informiert und gleichzeitig risikoaverse Gewinnmaximierer sind, und das Risiko außerdem ausschließlich basierend auf der Varianz bzw. Standardabweichung messen, werden alle nur in eine Zusammensetzung von dem sog. Marktportfolio und dem risikolosen Finanztitel investieren, also wählen einfach nur ein auf der Kapitalmarktlinie (CML) liegendes Portfolio aus. Wie ist nun aber das Marktportfolio zu bestimmen? Eigentlich ganz einfach, denn da rf einfach nur eine Konstante auf der r-Achse darstellt, können wir zur Ermittlung der Tangente und somit des Tangentialpunktes (hier das „Marktportfolio“) einfach das gleiche Verfahren anwenden, wie beim Fall I. bei der Ermittlung der Portfolios auf der MV-Kurve. Laut (35) kann dann das Marktportfolio folgendermaßen berechnet werden 21 xM * = [∇ T S −1 ( R − rf ∇)]−1 S −1 ( R − rf ∇) (44) Die Kapitalmarktlinie (CML) ist dann folgendermaßen definiert r = rf + Dabei kann der Ausdruck rM − rf σM rM − rf σM σ (45) , der üblicherweise auch als Sharpe-Ratio des Marktportfolios bezeichnet wird, als der Preis (für die Übernahme) des Risikos interpretiert werden. Falls nämlich ein Investor ein um eine Einheit höheres Risiko eingehen will, kann er dabei mit einer um diesen Betrag höheren erwarteten Rendite rechnen. Um die erwartete Rendite um eine Einheit zu erhöhen, muss der Investor wiederum um den entsprechenden inversen Betrag, also σM rM − rf , mehr Risiko eingehen. Die sog. Sharpe-Ratio kann man bei jedem Finanztitel i bestimmen, als si = ri − rf σi . In der Grafik 8 ist die Kapitalmarktlinie (= Tangente von rf an den zulässigen Bereich) angezeigt. Grafik 9: Marktportolio und Kapitalmarktlinie (CML! 22 CAPM Da das Marktportfolio als der Tangentialpunkt von dem Punkt (0, rf) an den zulässigen Bereich definiert ist, muss bei der Unterstellung der bisher erwähnten Annahmen folgendes Verhältnis gelten 4 ri = rf + rM − rf σM 2 σ iM (46) Dies ist die grundlegende Aussage von CAPM (Capital Asset Pricing Model), das also direkt aus der Erwartungswert-Varianz-Portfoliotheorie von Markowitz folgt. Dabei muss (46) für jeden beliebigen Finanztitel gelten. Falls (46) nicht gilt, heißt es, dass xM im Grunde nicht als effizientes Marktportfolio gelten kann, d.h. es gibt Portfolios die bei Kombination mit dem risikolosen Finanztitel das Portfolio xM suboptimal (ineffizient) stellen. Der Ausdruck σ iM 2 σM wird üblicherweise als βi bezeichnet und misst offensichtlich eine Art normierte Kovarianz des Finanztitels i mit dem Marktportfolio. Das Marktportfolio hat offensichtlich ein β von 1. Falls die Schwankungen der Rendite eines Finanztitels überwiegend in die gleiche bzw. entgegen gesetzte Richtung strömen, wie die des Marktes, hat βi einen positiven bzw. negativen Wert. Sind die Schwankungen absolut gemessen stärker als die Schwankungen der Marktrendite, ist βi im Betrag höher als 1 und umgekehrt. Substituiert man σ iM 2 σM mit β i , wird die Gleichung (46) zu ri = rf + (rM − rf ) β i (47) und wird in dieser Form üblicherweise als Wertpapierlinie (security market line – SML) bezeichnet. Dabei setzt sich die erwartete Rendite eines Finanztitels i aus einer sicheren Rendite rf und einer Risikoprämie, die linear und positiv, da rM > rf, abhängig von βi ist. Zur Veranschaulichung wird in der Grafik 9 eine mögliche Wertpapierlinie (SML) skizziert. 4 Bei Interesse an dem Beweis siehe Luenberger; S. 178 23 Grafik 9: Wertpapierlinie (SML) Die Gleichung (47) stellt eine Bedingung für die erwartete Rendite eines Finanztitels i dar. Stichprobenmäßig mag also das Verhältnis nicht jederzeit erfüllt sein, daher lässt sich (47) der Realität entsprechend folgendermaßen schreiben rit = rf + (rMt − rf ) β i + ε it Dabei misst εit den zum Zeitpunkt t aktuellen (48) Fehler der entsprechenden Regressionsgleichung (48). Damit die CAPM-Bedingung (47) erfüllt ist, muss dabei der erwartete Fehler E(εi) gleich Null sein. Aus (48) folgt ein Verhältnis für die Varianz der Rendite des Finanztitels i σ i = β i σ M + Var (ε i ) 2 2 2 (49) Aus (49) ist ersichtlich, dass sich die Varianz der Rendite ri aus zwei Teilen zusammensetzt. Dabei repräsentiert der erste Teil βi σ M 2 2 eine Art Marktrisiko (das durch die Abhängigkeit vom Markt entsteht), üblicherweise bezeichnet als systematisches Risiko (systematic risk) und der restliche Teil Var (ε i ) ein spezifisches (durch die Marktentwicklung unerklärbares) Risiko darstellt, bezeichnet als nichtsystematisches Risiko (non systematic risk). 24 Da das nichtsystematische Risiko mit den anderen Finanztiteln unkorreliert ist, lässt es sich durch Diversifikation des Portfolios eliminieren. Anders kann man das systematische Risiko wegen der Marktbindung mit den auf dem Markt bestehenden Finanztiteln kaum loswerden. Anders als bei CML, bei der σi, also das Gesamtrisiko der Rendite eines jeden Finanztitels betrachtet wird, wird bei SML nur das systematische Risiko des Finanztitels berücksichtigt. Durch das Argument der Diversifikation lässt sich das systematische Risiko als der einzig relevante Teil des Risikos interpretieren. Dabei nimmt man jedoch an, dass eine ausreichende Diversifikation am Markt möglich sei, was in Wirklichkeit nicht immer der Fall ist. Die Orientierung von SML am rein systematischen Risiko lässt sich auch mathematisch leicht zeigen. Aus (49) folgt σ i − Var (ε i ) βi = σM 2 (50) Setzt man (50) in SML ein, erhält man ri = rf + rM − rf σM σ i − Var (ε i ) 2 (51) Dies entspricht völlig der CML, außer dass das Risiko der Rendite des Finanztitels i, σi mit dem um das nichtsystematische Risiko bereinigten Ausdruck wurde. Aus (49) ist außerdem ersichtlich, dass der Ausdruck σ i − Var (ε i ) 2 ersetzt σ i − Var (ε i ) 2 dem Wert β iσ M , also dem durch den Markt determinierten Risiko (dem systematischen Risiko) der Rendite ri entspricht. Aus Einfachheitsgründen überspringen: Man könnte nun beide Funktionen (45) und (51) in Abhängigkeit von σi zeichnen, um den Zusammenhang zwischen CML und SML besser sehen zu können. Dabei müsste (51) ständig unter (45) liegen, falls Var(εi) > 0. Der Anstieg von (51) ist 25 r − rf ∂ri = M σM ∂σ i σi σ i − Var (ε i ) 2 > rM − rf σM (52) Daher würde bei σi → ∞, wobei Var(εi) konstant, also im Grunde bei βi → ∞, die durch SML gemessene erwartete Rendite die von CML am Gesamtrisiko gemessene erwartete Rendite einholen, wobei sich gleichzeitig der Anstieg dem von CML annähern würde. (Beispiel: zeichne dies für einen bestimmten Finanztitel!) Evaluierung von Finanzinstrumenten basierend auf CAPM Die Kapitalmarktlinie bestimmt also das Verhältnis zwischen der erwarteten Rendite eines Finanztitels und dessen Gesamtrisiko σ i , und die Wertpapierlinie bestimmt das Verhältnis zwischen der erwarteten Rendite eines Finanztitels und dessen systematischem Risiko β iσ M . In dieser Hinsicht ist die CML strenger als die SML, denn sie verlangt eine Kompensation (Risikoprämie) nicht nur für das systematische sondern auch für das nichtsystematische Risiko. Liegt also ein Finanztitel über der CML muss er automatisch auch über der SML liegen. Liegt jedoch ein Finanztitel unter der CML, kann er trotzdem noch über der CML liegen. Umgekehrt lässt sich natürlich sagen, dass also ein unter der SML liegender Finanztitel unter der SML liegt, sich automatisch auch unter der CML befinden muss. Dabei kann aber ein Finanztitel, der sich über der SML auffindet, trotzdem noch über oder auch unter der CML liegen kann. Ein mathematischer Beweis samt einer grafischen Darstellung des Zusammenhangs zwischen der relativen Lage eines Finanztitels zur CML und SML ist im Appendix zu finden. Und was bringt es überhaupt, dass man sich Gedanken darüber macht, in welcher Lage sich ein Finanztitel relativ zu den beiden Linien befindet? Nun einerseits kann man auf diese Weise einen Finanztitel evaluieren: Stellt er eine gute bzw. schlechte Investitionsmöglichkeit dar? Ist der Preis von dem Finanztitel korrekt, oder zu hoch bzw. niedrig? Ist der Finanztitel alleine als ein effizientes Portfolio zu verwenden? Andererseits lassen sich auf diese Weise mögliche Fragen über die Gültigkeit von CAPM in der realen Welt beantworten. Außer der Frage über die Effizienz eines Finanztitels alleine, d.h. der Frage, ob ein Finanztitel alleine als ein effizientes Portfolio dienen kann, die basierend auf der Lage relativ zur CML 26 zu beantworten ist, sind alle anderen hier gestellten Fragen grundsätzlich basierend auf der Lage relativ zur SML zu beantworten. Wie kann man nun bestimmen, wo sich ein Finanztitel relativ zu der SML befindet? Nun, wir wissen, dass ein Finanztitel auf der SML liegt, falls er die Gleichung (48) erfüllt. Um auch Fälle betrachten zu können, wo der Finanztitel über bzw. unter der Linie liegen mag, sei nun eine Konstante in der Gleichung mitbetrachtet, die den Unterschied zwischen den beiden Werten repräsentieren soll rit = α i + rf + (rMt − rf ) β i + ε it (53) Dabei entspricht natürlich αi > 0 bzw. αi < 0 der Situation, wo der Finanztitel über bzw. unter der Wertpapierlinie liegt. Zieht man rf von (53) ab, kommt man zu einer viel leichter interpretierbaren Gleichung rit − rf = α i + (rMt − rf ) β i + ε it (54) Dies ist offensichtlich eine einfaktorielle lineare Regressionsgleichung, bei der die sog. Überrendite (excess return) des Finanztitels i durch die Überrendite des Marktportfolios erklärt wird. Dabei stehen αi und βi für die entsprechenden Regressionskoeffizienten. Diese kann man nun leicht berechnen, üblicherweise indem man z.B. die Summe der quadrierten Abweichungen minimiert (die bekannte OLS-Methode). Dabei kommt für βi das bereits bekannte Ergebnis heraus βi = Da E(εi) = 0 folgt für αi σ iM 2 σM α i = ri − [rf + (rM − rf ) β i ] (55) (56) αi wird oft auch mit Ji bezeichnet und repräsentiert den sog. Jensen-Index des Finanztitels i. Falls αi = 0, ist (47) genau erfüllt, d.h. der Finanztitel liegt auf der SML. Bei einem αi > 0 bzw. αi < 0, solange der konkrete Wert auch statistisch signifikant ist, gilt (47) offensichtlich nicht. In beiden Fällen sei es nämlich möglich (solange eine ausreichende Diversifikation zur Eliminierung des nichtsystematischen Risikos möglich ist), durch eine korrekte Strategie ein Portfolio zu bilden, das über der Kapitalmarktlinie (CML) liegt. Die CAPM-Bedingung (46) ist nämlich genau dann erfüllt, wenn das entsprechende Marktportfolio tatsächlich dem Tangentialpunkt von rf an den zulässigen Bereich entspricht. Bei αi > 0 bzw. αi < 0 gilt (46) 27 nicht und daher muss es möglich sein, ein „besseres“ (effizienteres) Portfolio zu bilden, d.h. das aktuelle Marktportfolio ist nicht korrekt und das CAPM hält also nicht. Die erhöhte bzw. gesenkte Nachfrage nach den in dem korrekten Marktportfolio stärker bzw. schwächer vertretenen (relativ zum scheinbar korrekten Marktportfolio) Finanztiteln würde ihren Preis entsprechend erhöhen bzw. senken. Die Tendenz zum Erfüllen der CAPM-Bedingung (Gleichgewicht am Kapitalmarkt) funktioniert daher wie ein gewisser Pricing-Mechanismus für die dort bestehenden Finanztitel. Um den Zusammenhang mit dem Preis eines Finanztitels zu sehen, drücken wir nun die erwatete Rendite eines Finanztitels i in der Preisform aus. Die Gleichung (47), die im Gleichgewicht für jeden Finanztitel i gelten muss, lässt sich nämlich folgendermaßen schreiben Ε( PiT ) − Pˆi 0 = rf + (rM − rf ) β i Pˆi 0 Die Bezeichnung (57) Pˆi 0 steht für den im Gleichgewicht geltenden korrekten Preis des Finanztitels i zum Zeitpunkt t = 0. Nach einer einfachen Umformung kommt man zu Pˆi 0 = Ε( PiT ) 1 + rf + (rM − rf ) β i (58) Dabei ist vor allem der Nenner des Bruches in (58) einer Interpretation wert. Er stellt nämlich einen Abzinsungsfaktor dar, wobei zu dem risikolosen Zinssatz zusätzlich eine Risikoprämie addiert wird, die das systematische (also das nicht diversifizierbare) Risiko des entsprechenden Finanztitels in Betracht zieht. Das CAPM sagt also aus, dass man einen Finanztitel mit einem risikobereinigten Zinssatz bewerten sollte, dessen Höhe ausschließlich auf dem systematischen Risikos des Finanztitels basiert. Der Zähler des Ausdrucks in (58) steht für den erwarteten Preis des Finanztitels i zum Zeitpunkt t = T aus. Diesen kann man anders ausdrücken mit Ε( PiT ) = Pi 0 [1 + α i + rf + (rM − rf ) β i ] (59) 28 Dabei ist Preis Pi 0 der aktuelle Preis vom Finanztitel i, der ja in der Realität nicht dem korrekten Pˆi 0 entsprechen mag, d.h. falls αi <> 0. Setzt man nun (59) in (58) ein, erhält man 1 + α i + rf + (rM − rf ) β i Pˆi 0 = Pi 0 1 + rf + (rM − rf ) β i (60) Es ist nun offensichtlich, dass der aktuelle Preis nur dann korrekt ist, falls αi = 0, also falls der Finanztitel i auf der SML liegt. Ist etwa αi > 0, liegt der aktuelle Preis unter dem korrekten Preis, d.h. der Finanztitel i ist unterbewertet. Da die Investition in den Finanztitel i einen positiven Kapitalwert hat, müsste sich nun bei der Bekanntheit der entsprechenden Information die Nachfrage nach dem Finanztitel i erhöhen. Dies würde zu einer Erhöhung des aktuellen Preises in Richtung Pˆi 0 sowie gleichzeitig zu einer Senkung der erwarteten Rendite und somit einer Senkung von αi in Richtung 0 (Gleichgewicht) führen. Bei einem negativen αi (also bei einem überbewerteten Finanztitel) würde genau das Gegenteil passieren, resultierend in einer Senkung des Preises und einer simultanen Erhöhung von αi in Richtung 0 (Gleichgewicht). 29 Appendix Zusammenhang zwischen CML und SML bezüglich der relativen Lage eines Finanztitels Liegt ein Finanztitel über bzw. unter der Wertpapierlinie (SML), muss sein Jensen-Index größer bzw. kleiner Null sein. Liegt ein Finanztitel über bzw. unter der Kapitalmarktlinie (CML), so ist seine Sharpe-Ratio größer bzw. kleiner als die Sharpe-Ratio von dem Marktportfolio. Nehmen wir nun also an, dass ein Finanztitel über der CML liegt, d.h. si > s M ⇔ ri − rf σi > rM − rf σM ⇔ ri > rf + ( rM − rf )σ i σM (1)’ Laut (56) ist der Jensen-Index definiert wie J i = ri − [rf + ( rM − rf ) β i ] (2)’ Gemäß (51) kann βi geschrieben werden als βi = Wobei σ si σ si σM (3)’ das systematische Risiko des Finanztitels repräsentiert, welches bei stets kleiner (falls der Finanztitel auch ein gewisses nichtsystematisches Risiko aufweist) als σ i . Daher gilt rf + (rM − rf )σ i σM > rf + (rM − rf )σ si σM = rf + (rM − rf ) β i (4)’ Falls also (1)’ erfüllt muss dringend gelten ri > rf + (rM − rf ) β i ⇔ J i > 0 (5)’ 30 Anders jedoch, falls sich jedoch der Finanztitel unter der CML befindet, mag er sich ausgehend von (4)’ sowohl unter als auch über der SML befinden. Bei dem umgedrehten Verhältnis gilt nun laut (4)’ eine entgegen gesetzte Implikation, und zwar, falls sich ein Finanztitel unter der SML befindet, d.h. Ji < 0, muss si < sM gelten, daher muss der Finanztitel automatisch unter der CML liegen. Falls jedoch Ji > 0, ist laut (4)’ die Lage zur CML noch nicht eindeutig, daher mag sowohl si < sM als auch si > sM wahr sein. Die Grafiken 1’)a bis 1’)d veranschaulichen die beschriebenen Implikationen. 31 32