Kapitel 1 Offene Güter- und Finanzmärkte Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 1 Offene Güter- und Finanzmärkte 1.1 Offene Gütermärkte Offene Güter- und Finanzmärkte 1.2 Offene Finanzmärkte 1.3 Schlussfolgerungen und Ausblick Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 2 Offene Güter- und Finanzmärkte Die drei Dimensionen der Offenheit: 1. Offene Gütermärkte. Freihandelsbeschränkungen umfassen Zölle und mengenmäßige Handelsbeschränkungen (Quoten). Offene Güter- und Finanzmärkte 2. Offene Finanzmärkte. Kapitalverkehrskontrollen beschränken die internationale Übertragung von Finanzaktiva (etwa den Kauf ausländischer Wertpapiere). 3. Offene Faktormärkte. Möglichkeit der Unternehmen, auszuwählen, Prof. Dr. Ansgar Belke wo sie ihre Produktionsstätten errichten (Internationale Direktinvestitionen). Außerdem freie Arbeitsplatzwahl der Arbeitskräfte (Freizügigkeit). Ein Beispiel dafür ist die Europäische Union (EU) mit dem Binnenmarkt. Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 3 1.1 Offene Gütermärkte US Außenhandel relativ zum BIP US-Exporte und Importe als Anteil am BIP, 19702011 20 Offene Güter- und Finanzmärkte 15 Exporte und Importe, die 1970 ungefähr 5% des BIP ausmachten, betragen 2008 rund 16% (Importe) bzw. 13% (Exporte) des BIP. Prof. Dr. Ansgar Belke 10 5 0 Q1 1970 Q1 1978 Q1 1986 Exporte Q1 1994 Q1 2002 Q1 2010 Importe Quelle: Datastream Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 4 Exporte und Importe Deutsche Warenimporte und Warenexporte als Anteil am BIP, seit 1970 deutscher Außenhandel relativ zum BIP 60 Offene Güter- und Finanzmärkte 50 40 30 20 10 0 Q1 1970 Q1 1978 Q1 1986 Exporte Q1 1994 Q1 2002 Q1 2010 Importe Quelle: Datastream Seit Beginn der 70er Jahre haben sich die Anteile der Warenexporte und Warenimporte am BIP in etwa verdoppelt. Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 5 Exporte und Importe Die Entwicklung von Warenimporten und Warenexporten in Deutschland lässt sich folgendermaßen charakterisieren: Deutschland handelt fast doppelt so viel mit dem Rest der Offene Güter- und Finanzmärkte Welt wie vor 40 Jahren (gemessen als Anteil am BIP) . Prof. Dr. Ansgar Belke Obwohl Warenimporte und Warenexporte demselben Trend folgen, übertreffen die Exporte die Importe. Die deutsche Handelsbilanz weist also einen Überschuss auf. Auch der Anteil am weltweiten Warenexport ist hoch. 2009 betrug er ca. 9%. Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 6 Exporte und Importe Der Anteil des Handelsbilanzüberschusses am BIP variierte während der letzten 40 Jahre stark. Drei Zeitpunkte fallen auf: 1980 erreichte der Handelsbilanzüberschuss nur 0,6% des BIP. Der Offene Güter- und Finanzmärkte Rückgang des Handelsbilanzüberschusses findet seine Begründung in den erhöhten Ölpreisen während der Ölkrise. Anfang der 90er Jahre haben die Importe im Zuge der deutschen Wiedervereinigung zugenommen, die Exporte gleichzeitig abgenommen. Im Jahr 2007 ergab sich ein Rekordüberschuss in der Handelsbilanz. Das Verhältnis von Handelsbilanzüberschuss zu BIP lag bei 8,8%. Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 7 Offene Güter- und Finanzmärkte Exporte und Importe Ein guter Indikator für Offenheit einer Volkswirtschaft ist der Anteil der Gesamtproduktion, der aus handelbaren Gütern besteht. Güter also, die mit ausländischen Gütern entweder in heimischen oder ausländischen Märkten konkurrieren. Die Außenhandelsquote misst die (durchschnittliche) Summe aus Exporten und Importen als Anteil an der gesamten Produktion (dem BIP). Schätzungen haben ergeben, dass die handelbaren Güter heute ca. 60% der Gesamtproduktion in den USA ausmachen. Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 8 Offene Güter- und Finanzmärkte Exporte und Importe Prof. Dr. Ansgar Belke Quelle: Deutsche Bundesbank, MB März 2010; S. 19 Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 9 Exporte und Importe Tabelle 18-1 Außenhandelsquoten für ausgewählte OECD-Staaten, 2010 Offene Güter- und Finanzmärkte Außenhandelsquoten (%), Warenhandel 2010 Land Importe Exporte Belgien 83,38 86,84 Deutschland 32,42 38,74 Japan 12,91 14,1 Niederlande 66,09 73,4 Großbritannien 24,71 17,97 USA 13,31 8,87 Quelle: OECD Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 10 Exporte und Importe Offene Güter- und Finanzmärkte Determinanten für die Unterschiede in den Außenhandelsquoten sind die geographische Lage und die Landesgröße. Länder können eine Außenhandelsquote von größer als 100% aufweisen, weil Exporte und Importe auch den Export und Import von Zwischenprodukten beinhalten. Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 11 Die Wahl zwischen in- und ausländischen Gütern Offene Güter- und Finanzmärkte Wenn Gütermärkte offen sind, müssen einheimische Konsumenten nicht nur ihre Konsum- und Sparentscheidung treffen. Sie müssen auch noch entscheiden, ob sie inländische oder ausländische Güter kaufen. Im Zentrum dieser zweiten Entscheidung steht der Preis der inländischen Güter relativ zu dem Preis der ausländischen Güter - der reale Wechselkurs. Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 12 Nominale Wechselkurse Nominale Wechselkurse zwischen zwei Währungen lassen sich auf zwei ganz unterschiedliche Arten definieren: Offene Güter- und Finanzmärkte Die Mengennotierung: Sie gibt an, wie viele Einheiten der ausländischen Währung man für eine Einheit der inländischen Währung bezahlen muss. Bsp.: 1,25 $ = 1 €. Die Preisnotierung: Sie gibt den Preis für eine Einheit der ausländischen Währung in Einheiten inländischer Währung an [€ je $=1/E]. Bsp.: 1 $ = 0,80 € Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 13 Nominale Wechselkurse Betrachten wir den Wechselkurs in Mengennotierung [E=$ je € ] zwischen Euro und Dollar (aus Sicht des Euroraums) : Offene Güter- und Finanzmärkte Eine Aufwertung des Euro bedeutet, dass man für einen Euro mehr Dollar-Einheiten bekommt. Gleichermaßen bedeutet eine Aufwertung des Euro, dass der Wechselkurs steigt. Eine Abwertung des Euro bedeutet, dass man für einen Euro weniger Dollar-Einheiten bekommt. Gleichermaßen bedeutet eine Abwertung des Euro, dass der Wechselkurs sinkt. [Die Preisnotierung [€ je $=1/E] ist invers zur Mengennotierung] Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 14 Nominale Wechselkurse Der nominale Wechselkurs zwischen Euro und Dollar, seit 1970 2,0 1,8 1,6 Dollar pro Euro Offene Güter- und Finanzmärkte 1,4 1,2 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 Jan. 70 Jan. 75 Jan. 80 Jan. 85 Jan. 90 Jan. 95 Jan. 00 Jan. 05 Jan. 10 Quelle: Datastream Ein Anstieg des Wechselkurses bedeutet eine Aufwertung des Euro relativ zum Dollar. Der Wechselkurs verläuft sehr schwankungsanfällig (volatil). Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 15 Vom nominalen zum realen Wechselkurs Auf den Devisenmärkten können starke Schwankungen des nominalen Wechselkurses beobachtet werden. Offene Güter- und Finanzmärkte Bedeutet eine Aufwertung des Euro zwangsläufig, dass Europäer sich real mehr Güter leisten können? Es kommt auf die reale Kaufkraft an! Hierzu muss auch die Entwicklung der Inflationsraten berücksichtigt werden! Wie hoch ist der reale Preis von Exporten und Importen? Exportgüterpreise P: in €; Importgüterpreise P* in Fremdwährung ($) Exporte müssen zum Wechselkurs E in Dollar umgerechnet werden: P E Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 16 Vom nominalen zum realen Wechselkurs Nominaler Wechselkurs E: Der relative Preis verschiedener Währungen (etwa: $/€, $/Yen, €/Yen) Offene Güter- und Finanzmärkte Realer Wechselkurs = P E/ P * : Preis inländischer Güter in Einheiten ausländischer Güter Anstieg von : verteuert inländische Güter – reale Aufwertung im Inland Wert der Nettoexporte in €: realer Nettoexport: Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II P NX = P X - P*/E Im NX = X - P*/EP Im = X - Im / Wintersemester 2011/12 Folie 17 Vom nominalen zum realen Wechselkurs Offene Güter- und Finanzmärkte Der Preis eines VW Golf in Deutschland sei 15.000 €. Ein Euro sei 1,25 Dollar wert. Der Preis des VW Golf in Dollar ist demnach 15.000 € x 1,25 Dollar pro Euro = 18.750 $. Wenn ein Cadillac in den USA 30.000 $ wert ist, dann ist der relative Preis des Golfs in Einheiten des Cadillacs gleich 18.750 $ / 30.000 $ = 0,625. Um dieses Beispiel zu verallgemeinern, um es auf alle Güter einer Volkswirtschaft anwendbar zu machen, benutzt man als Preisindex für die gesamte Volkswirtschaft den BIP-Deflator. Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 18 Vom nominalen zum realen Wechselkurs Offene Güter- und Finanzmärkte Die Konstruktion des realen Wechselkurses Der reale Wechselkurs ist gleich dem nominalen Wechselkurs multipliziert mit dem inländischen Preisniveau dividiert durch das ausländische Preisniveau. Der reale Wechselkurs ist der Preis inländischer Güter in Einheiten ausländischer Güter. Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II EP P E = Preis eines Euro in $ P = Preis der deutschen Güter in € EP = Preis der deutschen Güter in $ P* = Preis der amerikanischen Güter in $ Wintersemester 2011/12 Folie 19 Vom nominalen zum realen Wechselkurs Offene Güter- und Finanzmärkte Nach der Definition des realen Wechselkurses in Mengennotierung entspricht eine reale Aufwertung einem Anstieg des realen Wechselkurses . Der Preis der inländischen Güter ausgedrückt in Einheiten der ausländischen Güter steigt (inländ. Güter werden relativ teurer). Eine reale Abwertung entspricht einem Rückgang des realen Wechselkurses . Der Preis der inländischen Güter ausgedrückt in Einheiten der ausländischen Güter sinkt (inländ. Güter werden relativ billiger). Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 20 Vom nominalen zum realen Wechselkurs Realer und nominaler Wechselkurs zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten, seit 1975 1,8 1,6 1,4 Offene Güter- und Finanzmärkte 1,2 1 Nominaler Wechselkurs 0,8 Realer Wechselkurs 0,6 0,4 0,2 0 Jan. 75 Jan. 80 Jan. 85 Jan. 90 Jan. 95 Jan. 00 Jan. 05 Jan. 10 Nominaler und realer Wechselkurs verlaufen nahezu parallel. Langfristig ist eine leichte reale Aufwertung des Euro zu beobachten. Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 21 Von bilateralen zu multilateralen Wechselkursen Deutscher Warenhandel nach Regionen, 2010 Offene Güter- und Finanzmärkte Tabelle 18-2 (aktualisiert) Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 22 Von bilateralen zu multilateralen Wechselkursen Offene Güter- und Finanzmärkte Bilaterale Wechselkurse sind Wechselkurse zwischen zwei Ländern. Multilaterale Wechselkurse sind Wechselkurse zwischen mehreren Ländern. Wenn z.B. der durchschnittliche Preis der deutschen Güter relativ zum Preis der Güter der deutschen Handelspartner betrachtet wird, verwendet man den Anteil der deutschen Exporte und Importe mit einem Land als Gewicht für dieses Land. Damit wird ein multilateraler realer Wechselkurs errechnet. Synonyme für den relativen Preis von ausländischen gegenüber den deutschen Gütern sind: Der reale multilaterale deutsche Wechselkurs. Der deutsche handelsgewichtete reale Wechselkurs. Der deutsche effektive reale Wechselkurs. Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 23 Von bilateralen zu multilateralen Wechselkursen Der reale Außenwert seit 1975 120 Während deutsche Güter bis Mitte der 80er Jahre im Ausland real billiger wurden, wurden sie bis Mitte der 90er Jahre wieder teurer. Insgesamt sind deutsche Güter zwischen 1975 und 1999 im Ausland billiger geworden. Prof. Dr. Ansgar Belke 110 Index, 2005=100 Offene Güter- und Finanzmärkte 115 105 100 95 90 Jan. 75 Jan. 80 Jan. 85 Jan. 90 Jan. 95 Jan. 00 Jan. 05 Jan. 10 Quelle: Datastream Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 24 Kaufkraftparität - Der Big Mac Index Was bestimmt den langfristigen Trend der Wechselkurse? Einfache Überlegung: Offene Güter- und Finanzmärkte Alle Güter sollten weltweit einheitlichen Preis haben Absolute Kaufkraftparität Prägnantes Beispiel: Der Big Mac Index (Economist) Forderung: Preis für einen Hamburger sollte weltweit gleich sein! Einfache Theorie zur Prognose von langfristigen Wechselkursbewegungen Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 25 Kaufkraftparität - Der Big Mac Index Die Wahl zwischen einheimischen Gütern und Importen: Realer Wechselkurs: Relativer Preis eines bestimmen Warenkorbs: Offene Güter- und Finanzmärkte Sei P = Preis für Big Mac in München (in Euro) P* = Preis für Big Mac in New York (in Dollar) E = Nominaler Wechselkurs $/€ Juli 2011 Preis für Big Mac Euroraum: 3,44 €; USA: 4,07 $ Wechselkurs Juli 2011 : E = 1,43 $ je € Preis eines EU-Big Macs, umgerechnet in Dollar: = EP Realer Wechselkurs: = EP /P * E P = 1,43x3,44=4,92 $ = 4,92 / 4,07 = 1,21 >1 Der Preis eines Big Mac ist in München höher als in New York. Um den realen Wechselkurs auf 1 zu senken, müsste der Euro gegenüber dem Dollar abwerten (d.h. E müsste sinken auf P*/P=1,18). Aktuell ist damit der Euro um etwa 21% überbewertet. Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 26 Offene Güter- und Finanzmärkte Kaufkraftparität - Der Big Mac Index Quelle: Economist Juli 2011 Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 27 Kaufkraftparität - Der Big Mac Index Realer Preis: = E P/ P* Langfristiges Gleichgewicht: *=1 Offene Güter- und Finanzmärkte Falls < 1: Inlandsgüter sind „zu billig“ a) Nettoexporte steigen (Exporte billiger, Importe teuer) b) Verschlechterung der Terms of Trade (niedrigerer Lebensstandard) Aus * = E P/ P* = 1 folgt: E* = P * / P Falls E < E* unterbewertete Währung: hohe Nettoexporte; starke Nachfrage nach einheimischer Währung E steigt (Aufwertung) Falls E > E* überbewertete Währung: hohe Nettoimporte; starke Nachfrage nach ausländischer Währung E sinkt (Abwertung) Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 28 Kaufkraftparität - Der Big Mac Index Offene Güter- und Finanzmärkte Absolute Kaufkraftparität (Gesetz des gleichen Preises) Big-Mac Beispiel zeigt, dass absolute Kaufkraftparität zu strikt ist Gilt kurzfristig nicht, da Handelsströme nur langsam reagieren (Transportkosten etc.) Gilt aber auch langfristig nicht, da viele Güter nicht handelbar sind (Wohnungen, Dienstleistungen) keine Preisarbitrage Relative Kaufkraftparität: zielt auf Änderungsraten: E p* p * E p* p Monetäre Erklärung für Wechselkursbewegungen: Wechselkursänderungen bestimmt von Unterschieden der Inflationsraten Strukturelle (reale) Änderungen können aber auch verändern Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 29 1.2 Offene Finanzmärkte Der Kauf und Verkauf ausländischer Wertpapiere ist ein impliziter Kauf oder Verkauf ausländischer Währung – man bezeichnet dies auch als Devisenmarkttransaktion. Offene Güter- und Finanzmärkte Offene Finanzmärkte erlauben es Finanzanlegern, ihr Vermögen besser zu diversifizieren. Indem sie sowohl in- als auch ausländische Finanzaktiva halten, können sie sich besser gegen Risiken (auch Wechselkursveränderungen, Länderrisiken, ..) versichern. Ländern, Handelsbilanzüberschüsse und -defizite aufzubauen. Ein Land, das mehr kauft als verkauft, muss vom Rest der Welt leihen. Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 30 Die Zahlungsbilanz Die Zahlungsbilanz umfasst alle Transaktionen eines Landes mit dem Rest der Welt. Offene Güter- und Finanzmärkte Folgende Tabelle zeigt die deutsche Zahlungsbilanz für das Jahr 2010. Die Tabelle unterteilt sich im Wesentlichen in die Leistungsbilanz und in die Kapitalbilanz. Der Saldo der Kapital- und der Leistungsbilanz betragsmäßig übereinstimmen. Allerdings gibt es Messfehler. Aus diesem Grund existiert in der Zahlungsbilanz der Posten statistische Diskrepanz. Ferner finden im geringen Umfang einmalige Vermögensübertragungen statt. Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 31 Offene Güter- und Finanzmärkte Die Zahlungsbilanz Prof. Dr. Ansgar Belke Die deutsche Zahlungsbilanz, 2010 (Mrd. €) Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 32 Die Zahlungsbilanz Offene Güter- und Finanzmärkte In der Leistungsbilanz werden alle Waren- und Dienstleistungen, die an das Ausland geliefert beziehungsweise aus dem Ausland bezogen werden, die Erwerbs- und Vermögenseinkommen sowie die laufenden Übertragungen erfasst. Die Summe der Nettozahlungen in der Leistungsbilanz kann positiv sein. Dann übersteigen die neuen Zahlungsforderungen die neuen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Ausland in einem Jahr. In diesem Fall hat ein Land einen Leistungsbilanzüberschuss. Wenn diese Summe negativ ist, hat es ein Leistungsbilanzdefizit. Der Saldo der Leistungsbilanz (als Stromgröße) misst die Veränderung des Nettoauslandvermögens bzw. der Nettoauslandsschuld des Inlands gegenüber dem Ausland. Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 33 Offene Güter- und Finanzmärkte Auslandsvermögensstatus Der Auslandsvermögensstatus (AVS) für Deutschland stellt die Höhe und Struktur der deutschen Auslandsforderungen und Auslandsverbindlichkeiten gegenüber dem Rest der Welt zum jeweiligen Stichtag dar. Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 34 Die Zahlungsbilanz Offene Güter- und Finanzmärkte Wenn der Bestand deutscher Kapitalanlagen im Ausland steigt, nennt man dies einen Kapitalexport. Wenn der Bestand ausländischer Kapitalanlagen in Deutschland steigt, nennt man dies einen Kapitalimport. Gilt Kapitalexport > Kapitalimport, spricht man - anders als bei der Leistungsbilanz - von einem Kapitalbilanzdefizit. Grund: Die Kapitalexporte werden im System der doppelten Buchführung mit einem negativen Vorzeichen verbucht. Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 35 Offene Güter- und Finanzmärkte Rolle grenzüberschreitender Faktoreinkommen- BIP versus BNE Quelle: O. Blanchard/ G. Illing „Makroökonomie“; S. 541 Der Saldo grenzüberschreitender Faktoreinkommen bildet die Differenz zwischen dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) und dem Bruttonationaleinkommen (BNE). In Deutschland liegen diese Größen dicht beieinander. Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 36 Leistungsbilanz und Kapitalbilanz Offene Güter- und Finanzmärkte Am Devisenmarkt werden Angebot von/ Nachfrage nach Währungen bestimmt durch: A) Reale Transaktionen (Handelsströme) Handel von Waren und Dienstleistungen Handelsströme werden bestimmt von relativen Preisen: (Realer Wechselkurs) Unterschiede der Inflationsraten beeinflussen internationale Wettbewerbsfähigkeit, falls Wechselkurs sich nicht anpasst B) Kapitalbewegungen (Nettokapitalströme) Kapitalbilanz: Internationale Portfolioentscheidungen abhängig von Zinsunterschieden, Wechselkurserwartungen und Risikoeinschätzungen Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 37 Leistungsbilanz und Kapitalbilanz Offene Güter- und Finanzmärkte Dominanz der Kapitalströme Quelle: Dt. Bundesbank Monatsbericht 1/2002 Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 38 Leistungsbilanz und Kapitalbilanz Offene Güter- und Finanzmärkte Außenhandelsgleichgewicht (Stromgleichgewicht) Handelsströme passen sich nur träge an (Beispiel: Unterbewertung Verteuerung der Importe, Stimulierung der Exporte Aufwertung) Langsamer Prozess, behindert von Transaktionskosten Reale Güterströme bestimmen Wechselkurse nur langfristig Portfoliogleichgewicht (Bestandsgleichgewicht) Internationale Anleger müssen bereit sein, die angebotenen Mengen an internationalen Assets zu halten. Hohe Kapitalbestände Geringfügige Änderungen der Erwartungen führen zu starken Preisreaktionen Wechselkursbewegungen werden kurzfristig von Kapitalströmen dominiert Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 39 Die Wahl zwischen in- und ausländischen Kapitalanlagen Offene Güter- und Finanzmärkte Die Entscheidung, ob im In- oder Ausland investieren wird, hängt nicht nur von den Zinsunterschieden zwischen den Ländern, sondern auch von den Erwartungen über die zukünftige Entwicklung des nominalen Wechselkurses ab. Prof. Dr. Ansgar Belke Die erwartete Rendite einjähriger deutscher und USamerikanischer Wertpapiere Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 40 Die Wahl zwischen in- und ausländischen Kapitalanlagen Offene Güter- und Finanzmärkte Wenn sowohl deutsche als auch US - amerikanische Anleihen gehalten werden, dann müssen sie bei Risikoneutralität der Investoren den gleichen erwarteten Ertrag liefern. Somit muss die folgende Bedingung erfüllt sein: 1 (1 it ) ( Et )(1 i )( e ) Et 1 t Durch Umstellung der Gleichung ergibt sich die ungedeckte Zinsparität oder einfach Zinsparität: Prof. Dr. Ansgar Belke Et (1 it ) (1 i t )( e ) Et 1 Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 41 Zinssätze und Wechselkurse Offene Güter- und Finanzmärkte Die Beziehung zwischen dem inländischen nominalen Zinssatz, dem ausländischen nominalen Zinssatz und der erwarteten Abwertung der inländischen Währung kann wie folgt formalisiert werden: (1 it ) (1 it ) 1 Ete1 Et / Et Eine gute Annäherung der obigen Beziehung stellt folgende Gleichung dar: Prof. Dr. Ansgar Belke e E t 1 Et it it Et Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 42 Zinssätze und Wechselkurse Offene Güter- und Finanzmärkte e E t 1 Et it it Et Folgender Zusammenhang sollte stets bedacht werden: Die ungedeckte Zinsparität impliziert, dass der inländische Zinssatz dem ausländischen Zinssatz entsprechen muss, abzüglich der erwarteten Aufwertungsrate der inländischen Währung. Falls Prof. Dr. Ansgar Belke E e t 1 E t , dann gilt: Makroökonomik II it i * t Wintersemester 2011/12 Folie 43 Zinssätze und Wechselkurse Offene Güter- und Finanzmärkte Folgender Zusammenhang sollte stets bedacht werden: Die ungedeckte Zinsparität impliziert, dass der inländische Zinssatz dem ausländischen Zinssatz entsprechen muss, abzüglich der erwarteten Aufwertungsrate der inländischen Währung. Beispiel: Wahl zwischen zwei einjährigen Anleihen, Zinssätze für einjährige Wertpapiere: Deutschland mit i = 2%, USA mit i* = 5% • Falls E E E e • Falls Et 1 Et Et 3% : Anleger ist indifferent e t 1 t t 3% : Anleger erwartet, dass sich der Euro um mehr als 3% aufwertet Rendite der deutschen Anleihe höher Kauf der deutschen Anleihe • Falls Ete1 Et Et 3% : Anleger erwartet, dass sich der Euro um weniger als 3% aufwertet Rendite der amerikanischen Anleihe höher Kauf der amerikanischen Anleihe Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 44 Zinssätze und Wechselkurse Offene Güter- und Finanzmärkte Nominalzinsen für Wertpapiere mit einjähriger Laufzeit; Deutschland und Vereinigte Staaten, seit 1975 Die Zinssätze in Deutschland und in den Vereinigten Staaten entwickeln sich relativ ähnlich. Prof. Dr. Ansgar Belke Quelle: O. Blanchard/ G. Illing „Makroökonomie“; S. 545 Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 45 1.3 Schlussfolgerungen und Ausblick Offene Güter- und Finanzmärkte Die Wahl zwischen inländischen und ausländischen Gütern hängt hauptsächlich vom Wechselkurs ab. Die Wahl zwischen inländischen und ausländischen Wertpapieren hängt hauptsächlich von ihren relativen Renditen ab. Dieser wiederum wird von den in- und ausländischen Nominalzinsen und der erwarteten Aufwertungsrate der inländischen Währung determiniert. Prof. Dr. Ansgar Belke Makroökonomik II Wintersemester 2011/12 Folie 46