Interpellation 2244 Kaufmann, Bern (SP) 18 Kantonale

Werbung
I 024/2000
VOL
5. Juli 2000 43C
Interpellation
2244
Kaufmann, Bern (SP)
Mitunterzeichner:
18
Eingereicht am:
31.01.2000
Kantonale Agrarpolitik, Ammoniak-Emissionen und Waldüberdüngung
Der Regierungsrat wird angesichts der Tatsache, dass die Waldschäden im Kanton Bern
nicht nur wegen des Orkans „Lothar“, sondern langfristig auch wegen der übermässigen
Luftschadstoffe weiterhin zunehmen, gebeten, die folgenden Fragen zur künftigen Berner
Landwirtschaftspolitik zu beantworten.
Zur Landwirtschaftspolitik vor allem deshalb, weil rund zwei Drittel der heutigen
Stickstoffdeposition in den Wäldern (insbesondere Ammoniak) aus der Landwirtschaft
stammt. Ein Drittel stammt vor allem als NOX aus den Abgasen des
Motorfahrzeugverkehrs.
Die Überdüngung unserer Wälder mit Stickstoffverbindungen ist heute die Hauptursache
von Waldschäden. Das hielt im Mai 1999 auch der Berner Regierungsrat in seinem 19.
Bericht zu den Waldschäden eindrücklich fest. Genannt wurden damals explizit: „Dadurch
verlieren die Wälder an Stabilität und werden empfindlicher gegenüber Trockenheit und
Windwurf“!
1. Ist sich der Regierungsrat bewusst, dass die Reduktion des Stickstoffs-In- und Outputs
aus der Landwirtschaft (sowohl als Nitrate als auch als Ammoniak) zu den wichtigsten
Ansatzpunkten einer langfristigen Luftreinhalte- und Waldpolitik gehört?
2. Ist der Regierungsrat auch der Auffassung, dass deshalb die neue Bernische
Landwirtschaftspolitik nicht ausreicht und noch gezielter auf die Reduktion des
Stickstoff-In- und Outputs ausgerichtet werden muss?
3. Welche Instrumente für eine solche Politik erwägt der Regierungsrat? Reicht die reine
Informationspolitik aus? Braucht es neue Vorschriften über die Lagerung und
Ausbringung von Hofdüngern und Stickstoffdüngern? Braucht es die Verstärkung des
gesetzlichen Instrumentariums, z.B. durch gezielte Ausrichtung der staatlichen
Landwirtschaftsbeiträge nur noch für den Biologischen Landbau? Braucht es (auf Eidg.
Ebene) sogar Lenkungsabgaben auf Stickstoffdüngern?
Es wird Dringlichkeit verlangt.
Antwort des Regierungsrats
Abgelehnt: 03.02.2000
2
Zu Frage 1
Der Regierungsrat ist sich durchaus bewusst, dass die Reduktion des AmmoniakStickstoffs zu einer langfristigen Luftreinhalte- und Waldpolitik gehört. Der Kanton Bern
berücksichtigt im Rahmen des Vollzugs der Luftreinhalte-Verordnung mit dem
überarbeiteten lufthygienischen Massnahmenplan der 2. Generation im Sinne einer
gesamtheitlichen Luftreinhaltung auch das Problem des übermässigen Stickstoffeintrags in
empfindliche Ökosysteme. In allen Verursacherbereichen werden Massnahmen zur
weitergehenden Reduktion der Emissionen von Stickoxiden eingeleitet. Aus Ammonium
entstehendes Ammoniak entweicht als Gas in die Luft und wird später zum grössten Teil
wieder auf der Erde abgelagert. Empfindliche Ökosysteme, wie zum Beispiel der Wald,
können durch diesen Stickstoffeintrag aus der Luft geschädigt werden. Die Emissionen
von Ammoniak sind in der Schweiz mit 50 -55 Kilotonnen Stickstoff pro Jahr
mengenmässig bedeutsam. Die Landwirtschaft ist nur einer von vielen AmmoniakEmittenten, aber mit rund 90% der Emissionen der wichtigste. Waldböden sind aufgrund
der ihr eigenen Bodenbildungsprozesse empfindlicher auf Stickstoffbelastungen als dies
bei landwirtschaftlich genutzten Böden der Fall ist. Nährstoffungleichgewichte - vor allem
hohe Stickstoffgehalte und tiefe Phosphor- bzw. Kaliumgehalte im Boden - können eine
erhöhte Anfälligkeit der Bäume gegenüber Parasiten bewirken. Bei Buchen mit einem von
Natur aus hohen Stickstoff/Kalium-Verhältnis im Laub zeigte sich - aufgrund neuerer
Untersuchungen - ein vermehrtes Absterben von Trieben. Auch andere Baumarten wurden
bei Versuchen durch die erhöhten Stickstoffgaben in ihrer Wuchskraft direkt oder indirekt
beeinträchtigt wurden.
Die Stickstoff-Überdüngung natürlicher und naturnaher Oekosysteme ist nicht nur auf die
Emissionen aus der Landwirtschaft, sondern auch auf die Emissionen von Stickoxiden aus
dem Verkehr sowie aus Industrie und Haushalt zurückzuführen. Damit die kritischen
Eintragsgrössen empfindlicher Oekosysteme nicht mehr überschritten werden, müssen
sowohl im Nichtagrar- wie im Agrarsektor weitere Massnahmen ergriffen werden. Die
Hauptreduktion im Nichtagrarsektor wurde mit gutem Erfolg durch die Einführung der
Katalysatortechnik bei Benzinmotoren eingeleitet.
Ammoniak-Verluste aus der Landwirtschaft lassen sich nicht verhindern, aber vermindern.
Ein Reduktionspotential kurz- bis mittelfristig von 30% und langfristig von 40% wird von
den Fachleuten als durchaus realistisch erachtet. Durch einfache Massnahmen bei der
Lagerung der Gülle, der Wahl des Zeitpunktes und der Art des Hofdüngeraustrages lassen
sich markante Verbesserungen erzielen.
Die Nitratsituation hat sich, laut Aussage des Kantonalbernischen Labors, in den letzten
Jahren stetig verbessert. Der letztjährige Jahresbericht belegt, dass 1999 nur noch in drei
Gemeinden das Trinkwasser der öffentlichen Versorgung beanstandet werden musste.
Anderseits ist aufgrund von Einzelmessungen bekannt, dass zunehmend mehr Nitrat (über
40 mg/l) von Quellgebieten aus Waldarealen stammt.
Zu Frage 2
Gemäss Bernischem Landwirtschaftsgesetz (KLwG) kann der Kanton Massnahmen zur
Verringerung der Belastung von Gewässern und Luft durch Emissionen aus der Landwirtschaft unterstützen. Weiter kann er die umweltgerechte Lagerung und Verwendung des
Hofdüngers fördern (Art. 19 KLwG). Bis anhin wurden keine direkten Massnahmen
ergriffen, welche sich unmittelbar auf die oben genannten gesetzlichen Grundlagen
abstützen. Mit der Förderung der Sanierung von Hofdüngeranlagen über
Strukturverbesserungsbeiträge und im Rahmen der Bildung und Beratung wird der
Problematik aber Rechnung getragen. Zudem wird die Neuorientierung der Agrarpolitik
und deren Wirkung auf den Stickstoffhaushalt aufmerksam verfolgt. Die Einführung der
Direktzahlungen mit ökologischen Auflagen 1994 wird gemäss Schätzungen des
Bundesamtes für Landwirtschaft bis 2002 die umweltrelevanten Stickstoffemissionen um
rund ein Viertel reduzieren (1994: 96'000 Tonnen; 2002: 74'000 Tonnen Stickstoff). Die
neue Agrarpolitik 2002 wird voraussichtlich zu einer weiteren Reduktion führen. So ist die
Erfüllung des ökologischen Leistungsnachweises – eine zentrale Auflage für die
Gewährung von Direktzahlungen – mit einer ausgeglichenen Stickstoff-Bilanz verbunden.
3
Zu Frage 3
Bei den Ammoniak-Emissionen handelt es sich um ein kantonsübergreifendes Problem,
welches nur mit langfristig ausgerichteten Massnahmen auf Bundesebene erfolgreich
angegangen
werden
kann.
Der
Gestaltungsspielraum
für
kantonale
Bekämpfungsmassnahmen ist beschränkt. Der Regierungsrat ist aber gewillt, diesen
bestmöglich zu nutzen.
Bezüglich Informationen wurden noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. So werden
Landwirte insbesondere mit Merkblättern gezielt informiert. Darüber hinaus sind
Veranstaltungen zum Thema „Verminderung von Ammoniak-Emissionen aus der
Landwirtschaft“ geplant.
Effizientere Massnahmen wie neue Ausbringtechniken von Gülle mit Schleppschläuchen
oder sogenannten Eindrillvorrichtungen, bei denen der Hofdünger sofort in den Boden
eingearbeitet wird, sind mit entsprechend hohen Kosten verbunden. In einzelnen Kantonen
werden diese Massnahmen daher finanziell durch den Staat gefördert.
Schweizweit betrachtet leistet die Massentierhaltung einen grossen Beitrag zur
Ammoniakbelastung der Luft. Die wirksamste Massnahme ist eine Reduktion der
Tierbestände auf diesen Betrieben. Indem zum Erhalt von Direktzahlungen ein
ökologischer Leistungsnachweis, d.h. unter anderem eine ausgeglichene Nährstoffbilanz
vorgewiesen werden muss, wird diese Entwicklung gefördert. Weitergehende
Massnahmen würden jedoch den Zielen der schweizerischen Agrarpolitik, wonach die
Produktionsanteile aufrechterhalten werden sollen, widersprechen. Zudem ist zu betonen,
dass der Kanton Bern vergleichsweise wenig Massentierhaltungsbetriebe aufweist.
Dementsprechend liegt der Tierbesatz pro Hektare landwirtschaftlicher Nutzfläche im
Kanton Bern deutlich tiefer als in anderen Kantonen mit vergleichbaren Strukturen.
Aufgrund des Interpellationstextes könnte der Schluss gezogen werden, mit dem
Biologischen Landbau liesse sich die Ammoniak-Problematik lösen. Der Regierungsrat
weist aber darauf hin, dass die angesprochenen Probleme massgeblich durch die
Tierbestände, die Aufstallungssysteme und insbesondere die Ausbringtechniken von
Hofdüngern beeinflusst werden. Daher ist sowohl die Umstellung auf Bio-Landbau wie
auch die Einführung von Lenkungsabgaben auf Stickstoff-Düngern keine ausreichende
Massnahme zur Lösung der Problematik.
Hinsichtlich der Massnahmen zur Bekämpfung der Ammoniakemissionen bestehen
vielschichtige Zielkonflikte. Grundsätzlich wirkt sich eine Verminderung der
Ammoniakemission negativ auf die Wirtschaftlichkeit der landwirtschaftlichen Produktion
aus. Eine Reduktion der Ammoniakemission durch Gülleverdüngung erhöht den
Energieverbrauch. Eine geringe Ammoniakverflüchtigung bei der Ausbringung von Gülle
resultiert, wenn es regnet. Zu diesem Zeitpunkt sollte jedoch keine Düngung
vorgenommen werden, weil dies zu einer unerwünschten Bodenverdichtung führt.
Schliesslich bestehen je nach Struktur der Landwirtschaftsbetriebe regionale
Unterschiede. Die Komplexität des Problems zeigt, dass es nicht mit einfachen, kurzfristig
ausgerichteten Massnahmen gelöst werden kann.
Im Jahre 2002 soll das eidgenössische Landwirtschaftsgesetz revidiert werden. Zu diesem
Zeitpunkt wird zu prüfen sein, wieweit zusätzliche Massnahmen zur Reduktion der
Ammoniakemissionen notwendig sind.
An den Grossen Rat
Herunterladen