Was ist Aeroelastik und was ist Flattern? Wofür braucht man einen Standschwingungsversuch und was ist eine Flatteranalyse? Wie wird ein Flugzeug zum Luftverkehr zugelassen? Allgemeiner Teil und Einführung: Luft - und Raumfahrzeuge sind Leichtbaukonstruktionen, für die die notwendige Forderung des geringen Gewichts durch eine Optimierung des Materialeinsatzes erreicht wird. Bei der Optimierung des Materialeinsatzes muss gewährleistet sein, dass die optimierte Struktur, extreme, im Betrieb mögliche Belastungsfälle immer noch sicher ertragen kann. Als Begleiterscheinungen solcher gewichtsoptimierter Leichtbaustrukturen treten hohe Elastizität (Verformbarkeit) und Schwingungsanfälligkeit auf. Daher ist es ganz normal, dass sich z.B. Flugzeuge im Flug (d.h. unter Einwirkung der Auftriebskräfte) insbesondere im Bereich der Auftriebsflächen elastisch verformen. Die Aeroelastik ist die ingenieurwissenschaftliche Disziplin, die das Zusammenspiel von elastisch deformierbaren Strukturen und den aerodynamischen Kräften untersucht, die auf diese Strukturen einwirken. Dabei wird nicht nur der Einfluss der statischen Verformung eines Flugzeugs auf dessen Aerodynamik untersucht, sondern im Speziellen auch instationäre Vorgänge (d.h. zeitveränderliche Vorgänge), wie z.B. elastische Schwingungen eines Flugzeugs bei großer Fluggeschwindigkeit und -höhe sowie deren rückwirkender Einfluss auf die Umströmung und Aerodynamik. Was ist Flattern? Das komplexe Zusammenspiel von elastischen Schwingungen eines Flugzeugs, d.h. die Wechselwirkung zwischen Trägheitskräften (Massenkräfte), elastischen Rückstellkräften (Federkräfte) und aerodynamischen Kräften (Luftkräfte) nimmt Einfluss auf die Schwingungscharakteristik eines Flugzeugs. Die Schwingungseigenschaften, die man z.B. an einem Flugzeug am Boden in einem Standschwingungsversuch messen kann, sind weitestgehend durch Einfluss von Massenkräften und elastischen Rückstellkräften geprägt. Diese Schwingungseigenschaften können jedoch durch den Einfluss der Umströmung (d.h. durch die Luftkräfte) im Flug derart verändert werden, dass sich möglicherweise gefährliche Schwingungszustände einstellen können. Das wohl bekannteste aeroelastische Phänomen dieser Art ist das „Flattern“, welches einen Zustand beschreibt, bei dem die Schwingungen der Flugzeugstruktur Energie aus der Umströmung beziehen können, um diese Energie zur Anfachung der Schwingungen zu nutzen. Dadurch können sehr große Schwingungsamplituden entstehen. Beim Flattern ist lediglich eine anfängliche kleine Störung erforderlich um angefachten Schwingungen entstehen zu lassen, wie z.B. eine kleine Deformation durch eine Böe oder durch ein Flugmanöver. Das dauerhafte Einwirken externer Kräfte ist nicht erforderlich ist um große Schwingungen zu erzeugen. Daher werden diese Schwingungen auch als „selbsterregte Schwingungen“ bezeichnet. Wie gefährlich ist Flattern? So gefährlich sich diese Beschreibung des Flatterns sich zunächst anhört, so müssen doch einige Bedingungen erfüllt sein, damit dieses Phänomen überhaupt auftritt. Typischerweise ist die Flattergefährdung eines Flugzeugs konstruktionsabhängig und muss für jedes Flugzeugmuster separat überprüft werden. Verallgemeinert kann aber gesagt werden, dass die Flattergefährdung einer Flugzeugkonstruktion mit zunehmendem Einfluss der aerodynamischen Kräfte zunimmt, also mit zunehmender Fluggeschwindigkeit. Um die Bedingungen für selbsterregte Schwingungen zu schaffen, also die Möglichkeit für die Aufnahme von Energie aus der Umströmung, muss außerdem eine Wechselwirkung von mindestens zwei unabhängigen Eigenschwingungsformen der Flugzeugstruktur gegeben sein. Eine solche Wechselwirkung zweier Eigenschwingungsformen kann z.B. durch eine enge Frequenznachbarschaft entstehen. Dieser so genannte Flattermechanismus kann Energie aus der Umströmung beziehen, indem die Schwingungen des Flugzeugs die Luftkräfte vergrößern, was wiederum zu noch stärken Schwingungen führt. Dieser Vorgang kann sich derart (selbst-) verstärken, dass innerhalb kürzester Zeit eine Gefährdung des Flugzeugs durch extreme Schwingungen besteht. Damit ein Flugzeug für den Luftverkehr zugelassen werden kann, muss unter anderem auch der Nachweis erbracht werden, dass im gesamten Betriebsbereich für Fluggeschwindigkeit und –höhe kein Flattern auftreten kann. Ein solcher Nachweis wird typischerweise für verschiedene Beladungs- und Betankungszustände gefordert, welche aus schwingungstechnischer Sicht Extremzustände für den Betrieb des Flugzeugs markieren. (Bitte beachten: Flattern ist nur ein Punkt von vielen der bei der Zulassung nachgewiesen werden muss! Weiter unten steht dazu noch ein Hinweis.) Was ist eine Flatteranalyse und was ist ein Standschwingungsversuch? Die Flatteranalyse ist ein Hilfsmittel um die Schwingungsgefährdung eines Flugzeugs zu prüfen. Sie benötigt als Grundlage ein so genanntes modales Modell der Flugzeugstruktur, welches die Schwingungseigenschaften des Flugzeugs in Form von Eigenfrequenzen, Eigenschwingungsformen, Dämpfungsmaßen und modalen Massen beschreibt. Ein solches modales Modell des Flugzeugs kann entweder von einem Simulationsmodell abgeleitet werden (z.B. von einem Finite Elemente Modell), oder aus den Ergebnissen eines Standschwingungsversuchs aufgebaut werden, der an einem realem Flugzeug durchgeführt wird. Um die Schwingungsanfälligkeit eines Flugzeugs für reale Flugzustände überprüfen zu können, muss das modale Modell des Flugzeugs um ein Aerodynamik-Modell ergänzt werden, welches die einwirkenden Luftkräfte in Abhängigkeit der Flugzeugeigenschwigungen beschreibt. Die Flatteranalyse nutzt ein solches gekoppeltes Modell aus modalen Schwingungseigenschaften und Aerodynamik um die Stabilität des Schwingungsverhaltens für den gesamten Bereich von Fluggeschwindigkeit und Flughöhe für verschiedene Betankungs- und Beladungszustände zu analysieren. Wie wird ein Flugzeug zum Luftverkehr zugelassen? Wenn als Ergebnis der Flatteranalyse hervorgeht, dass eine Flattergefährdung besteht, dann können entweder konstruktive Veränderungen vorgeschlagen werden, die der Flattergefährdung entgegenwirken. Alternativ kann der Bereich der zulässigen Fluggeschwindigkeit eingeschränkt werden, um eine Annäherung an die kritische Fluggeschwindigkeit zu vermeiden, bei der das Flattern auftritt. Zeigt die Flatteranalyse keine Gefährdung durch Flattern und sind auch alle anderen geforderten Nachweise erbracht (z.B. Festigkeit, Lebensdauer, elektrische Systeme, Triebwerke, etc.), dann kann eine vorläufige Verkehrszulassung durch die Zulassungsbehörden (LBA oder EASA) erteilt werden. Eine vorläufige Verkehrszulassung kann noch nicht als generelle Zulassung zum Luftverkehr verstanden werden. Es ist viel mehr eine Erlaubnis um mit der Flugerprobung des Flugzeugs beginnen zu dürfen. Konnten während der Flugerprobung die Ergebnisse der Flatteranalyse bestätigt werden, d.h. es traten während der Flugerprobung keine gefährlichen Schwingungen auf, dann kann durch die Zulassungsbehörden die Zulassung des Flugzeugmusters zum Luftverkehr erteilt werden. Alle weiteren baugleichen Flugzeuge (d.h. dem Flugzeugmuster entsprechenden Exemplare) sind dann ebenfalls zum Luftverkehr zugelassen. Auch HALO darf nicht Flattern! Alle zum Luftverkehr zugelassenen Flugzeugmuster haben einen solchen Zulassungsprozess durchlaufen (bei dem das Flattern nur ein Aspekt von vielen ist). Das gilt auch für das Flugzeugmuster G550 von Gulfstream. Allerdings sind für die Nutzung von HALO als Flugzeug für die Atmosphärenforschung einige Modifikationen erforderlich, die von der ursprünglichen Zulassung als Geschäftreiseflugzeug mit großer Reichweite nicht abgedeckt sind. Der Anbau von Außenlastbehältern unter den Flügeln bietet zum Beispiel die Möglichkeit zum Betrieb von großen Messinstrumenten außerhalb der Flugzeugkabine. Für den Betrieb des Flugzeugs bedeutet das einen großen Eingriff in die Aerodynamik und auch eine starke Änderung der Massenverteilung. Dadurch ist zu erwarten, dass das Schwingungsverhalten entsprechend stark beeinflusst wird, sodass dieses in einem aufwendigen Standschwingungsversuch ermittelt werden muss. Die Ergebnisse des Standschwingungsversuchs stellen die Basis für die anschließenden Flatteranalysen bereit, mit deren Hilfe die Flattergefährdung von HALO geprüft werden muss. Diese am Institut für Aeroelastik in Göttingen durchzuführenden Arbeiten bedeuten einen wesentlichen Meilenstein für die Zulassung von HALO zum Luftverkehr und somit zur Nutzung als Flugzeug für die Forschung.