Einführung in die stochastische Finanzmathematik

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Vorlesungsnotizen
Einführung in die stochastische
Finanzmathematik
Hanspeter Schmidli
Mathematisches Institut
der Universität zu Köln
INHALTSVERZEICHNIS
iii
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung ins State-Pricing
1
1.1. Arbitrage und State-Prices . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1.2. Risikoneutrale Wahrscheinlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
1.3. Optimaler Nutzen und Preise von Aktiven . . . . . . . . . . . . . . .
3
1.4. Äquilibrium, Pareto-Optimalität, vollständige Märkte . . . . . . . . .
6
1.5. Pareto-Optimalität und der repräsentative Händler . . . . . . . . . .
7
2. Modelle in diskreter Zeit
10
2.1. Der Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
2.2. Martingale und Arbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
2.3. Vollständige Märkte und Optionspreise . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
3. Optimales Stoppen und Amerikanische Optionen
17
4. Stochastische Analysis
21
4.1. Das stochastische Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
4.2. Die Itô-Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
4.3. Stochastische Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
4.4. Der Ornstein–Uhlenbeck-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
4.5. Mehrdimensionale Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 39
5. Das Black–Scholes-Modell
41
6. Preise und partielle Differentialgleichungen
51
7. Zinsratenmodelle
55
7.1. Obligationen und Obligationsoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
7.2. Klassische Zinsratenmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
7.2.1.
Das Vasicek-Modell
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
7.2.2.
Das Cox–Ingersoll–Ross-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
7.2.3.
Das Heath–Jarrow–Morton-Modell . . . . . . . . . . . . . . . 66
7.3. Obligationen mit Kreditrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
7.4. Zinsswaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
iv
INHALTSVERZEICHNIS
8. Forwards and Futures
74
8.1. Forwards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
8.2. Futures
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
9. Portfolio Theorie
78
9.1. Markowitz-Diversifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
9.2. Markowitz-Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
9.3. Portfolio-Selektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
9.3.1.
Optimaler Nutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
9.3.2.
Das Benchmark-Portfolio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
9.3.3.
Kontrolle der Shortfallwahrscheinlichkeit . . . . . . . . . . . . 82
9.4. Indexmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
9.5. Kapitalmarktgleichgewicht: Capital-Asset-Pricing-Model . . . . . . . 84
9.5.1.
Das Marktindexmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
9.5.2.
Portfoliotheorie mit einer sicheren Anlage . . . . . . . . . . . 85
9.5.3.
Capital-Asset-Prising-Model (CAPM) . . . . . . . . . . . . . 86
9.6. State-Price-beta-Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
10.Risikomasse
89
10.1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
10.2. Akzeptanzmengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
10.3. Darstellung von konvexen Risikomassen . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
11.Weitere Aspekte
101
11.1. Aktien mit Dividendenzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
11.2. Devisenoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
11.3. Kombination von Optionspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
11.3.1. Straddles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
11.3.2. Strangles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
11.3.3. Spreads . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
11.3.4. Butterflies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
11.4. Spezielle Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
INHALTSVERZEICHNIS
v
11.4.1. Asiatische Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
11.4.2. Optionen auf Futures . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
11.4.3. Optionen auf Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
11.4.4. Barrieren-Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
11.4.5. Digitale Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
11.5. Portfolio Insurance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
A. Stochastische Prozesse und Stoppzeiten
109
A.1. Stochastische Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
A.2. Stoppzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
A.3. Prozesse von beschränkter Variation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
A.4. Quadratische Variation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
B. Die Brownsche Bewegung
116
C. Martingale
118
D. Änderung des Masses
125
E. Trennung von konvexen Mengen
126
F. Gronwalls Lemma
126
Literatur
128
Index
129
vi
INHALTSVERZEICHNIS
1. EINFÜHRUNG INS STATE-PRICING
1.
1
Einführung ins State-Pricing
In diesem Kapitel betrachten wir eine Periode. Das heisst, wir können nur zu den
Zeitpunkten 0 und 1 handeln. Im weiteren arbeiten wir mit einem Raum, wo die
Welt nur eine endliche Anzahl möglicher Zustände hat. Das heisst, zum Zeitpunkt
1 gibt es nur eine endliche Anzahl möglicher Preise.
1.1. Arbitrage und State-Prices
Es gibt S ∈ IIN verschiedene Zustände der Welt, {1, 2, . . . , S}. Ein Agent kann in
N ∈ IIN Aktive investieren. Die Preise zur Zeit Null sind im Vektor q = (qi ) zusammengefasst, wobei qi den Preis des Aktivs i bezeichnet. Die N × S Matrix D
bezeichnet die Preise zur Zeit 1. Das ist, Dij ist der Preis des Aktivs i, falls j der
richtige Zustand der Welt ist. Der Zeilenvektor θ bezeichnet ein Portfolio. Der Agent
kauft θi Einheiten des i-ten Aktivs. Ein negatives θi bedeutet, dass der Agent den
Aktiv verkauft, ihn aber erst zum Zeitpunkt 1 ausliefert (Forward). Der Kaufpreis
des Portfolios ist dann θq. Die möglichen Werte des Portfolios zum Zeitpunkt 1 sind
θD, wobei die j-te Koordinate den Wert bezeichnet, falls j der richtige Zustand der
Welt ist.
Definition 1.1. Ein Portfolio θ heisst Arbitrage, falls θq ≤ 0 und θD > 0
(mindestens eine Koordinate ist streng positiv) oder θq < 0 und θD ≥ 0.
Falls es Arbitrage gibt, ist es möglich, Geld zu generieren. Da in so einem Fall alle
Agenten das Arbitrageportfolio kaufen wollen, würde sich der Preis sofort ändern.
Eine Arbitrage kann in einem funktionierenden Markt nur kurzzeitig existieren. Wir
können daher annehmen, dass es keine Arbitrage gibt.
Satz 1.2. Es gibt genau dann keine Arbitrage, wenn ein Vektor ψ ∈ IRS mit streng
positiven Koordinaten existiert, so dass q = Dψ.
Definition 1.3. Ein Vektor ψ, der die Bedinungen aus Satz 1.2 erfüllt, heisst
State-Price-Vektor.
Beweis.
gilt
Nehmen wir an, es gebe einen State-Price-Vektor ψ. Ist nun θq ≤ 0, so
θDψ = θq ≤ 0 .
2
1. EINFÜHRUNG INS STATE-PRICING
Da ψ nur streng positive Koordinaten hat, impliziert θD ≥ 0, dass θD = 0. Ist
θq < 0, folgt θDψ < 0. Also gibt es eine streng negative Koordinate von θD.
Definieren wir nun M = {(−θq, θD) : θ ∈ IRN } and K = IR+ × IRS+ . Keine
Arbitrage ist äquivalent mit K ∩ M = {0}. Die Mengen M und K \ M sind beide
konvex. Daher gibt es eine lineare Funktion F : IRS+1 → IR (Lemma E.1), so dass
F (z) < F (x) für alle z ∈ M und alle x ∈ K \ M . Da M ein linearer Unterraum ist,
muss F auf M verschwinden. Also gibt es α ∈ IR und ψ ∈ IRS , so dass F (v, c) =
αv + cψ. Da F (v, c) > 0 für alle (v, c) ∈ K \ M gilt, ist α > 0 und ψj > 0 für alle
j. Für θ ∈ IRN erhalten wir
−αθq + (θD)ψ = F (−θq, θD) = 0 .
Somit folgt, dass ψ/α ein State-Price-Vektor ist, da θ beliebig ist.
Nehmen wir an, wir wollen den Preis eines neuen Aktivs (z.B. einer Option)
bestimmen. Die Werte zum Zeitpunkt 1 sind durch einen Vektor d gegeben. Soll keine
Arbitragemöglichkeit geschaffen werden, muss also ein State-Price-Vektor existieren.
So ein State-Price-Vektor muss auch State-Price-Vektor im Markt ohne den neuen
Aktiv sein. Also sind alle möglichen Preise zur Zeit 0 durch die Formel dψ gegeben,
wobei ψ ein State-Price-Vektor des Marktes ohne den neuen Aktiv ist. Ist d nicht
linear abhänging von den Zeilen von D, wird die Menge der möglichen State-PriceVektoren verkleinert.
1.2. Risikoneutrale Wahrscheinlichkeiten
Wir versehen nun den Markt mit einem Wahrscheinlichkeitsmass IIP. Sei pj die Wahrscheinlichkeit, dass der Zustand j der richtige Zustand ist. Da alle Zustände möglich
P
sein sollen, muss pj > 0 gelten. Sei ψ ein State-Preis-Vektor, und ψ0 = Sj=1 ψj .
Definieren wir das Wahrscheinlichkeitsmass IIP∗ , das den Zuständen die Wahrscheinlichkeiten ψ̂j = ψj /ψ0 zuordnet. Dann sind die Masse IIP und IIP∗ äquivalent. Es
gilt
S
X
qi
=
Dij ψ̂j = IIE∗ [Di ] ,
ψ0
j=1
wobei die Zufallsvariable Di den Wert des i-ten Aktivs bezeichnet.
Nehmen wir nun an, es sei möglich ein Portfolio θ zu konstruieren, so dass
θ D = (1, 1, . . . , 1). Ein solches Portfolio würde unabhänging vom Zustand der Welt
1. EINFÜHRUNG INS STATE-PRICING
3
zum Zeitpunkt 1 den Wert 1 haben. Der Wert zum Zeitpunkt 0 ist dann
θ q = θ Dψ = ψ0 .
Der Preis einer risikolosen Einheit ist damit ψ0 , das heisst ψ0 ist ein risikoloser
Diskontierungsfaktor. Somit ist qi = ψ0 IIE∗ [Di ] der diskontierte erwartete Wert des
i-ten Aktivs. Aus diesem Grunde nennt man das Mass IIP∗ risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmass.
Wird ein neuer Aktiv mit Auszahlung d zum Markt dazugefügt, so kann der
Preis des Aktivs durch ψ0 IIE∗ [d] ausgedrückt werden, wobei d den Preis des neuen
Aktivs bezeichnet.
1.3. Optimaler Nutzen und Preise von Aktiven
Wir nehmen nun an, dass es ein Portfolio θ̂ mit der Eigenschaft θ̂D > 0 gibt.
Das heisst, es gibt eine Möglichkeit so zu investieren, dass man im Zeitpunkt 1
keine Schulden hat, und in mindestens einem Zustand der Welt nicht alles Kapital
verloren hat. Ein Agent ist definiert durch eine streng wachsende Nutzenfunktion
U : IRS+ → IR und ein Einkommen e ∈ IRS+ . Der Agent handelt mit den N Aktiven,
was wir durch ein Portfolio θ darstellen. Da der Agent nicht mehr Geld ausgeben
kann, als er hat, muss die Bedingung θq ≤ 0 erfüllt sein. Den Betrag −θq konsumiert
der Agent zur Zeit 0. Das Kapital im Zeitpunkt 1 ist daher in der Menge
X (q, e) = {e + θD ∈ IRS+ : θ ∈ IRN , θq ≤ 0} .
Insbesondere muss der Agent so investieren, dass er im Zeitpunkt 1 keine Schulden
hat.
Der Agent will nun seinen erwarteten Nutzen optimieren. Er versucht somit ein
Portfolio θ ∗ zu finden, so dass
U (e + θ ∗ D) =
sup U (c) .
(1.1)
c∈X (q,e)
Ein solches Portfolio muss θ ∗ q = 0 erfüllen. Ansonsten gibt es ein λ > 0, so dass
(θ ∗ + λθ̂)q ≤ 0. Da (θ ∗ + λθ̂)D > θ ∗ D und U wachsend ist, kann θ ∗ nicht optimal
sein.
Die Existenz eines optimalen Portfolios hängt mit der “keine Arbitrage” Eigenschaft zusammen.
4
1. EINFÜHRUNG INS STATE-PRICING
Proposition 1.4. Wenn die Gleichung (1.1) eine Lösung hat, kann keine Arbitrage existieren. Falls U stetig ist und keine Arbitrage existiert, dann hat (1.1) eine
Lösung.
Beweis. Nehmen wir an, dass θ ∗ existiert. Sei θ̃ eine Arbitrage. Dann ist λθ̃q ≤ 0
für alle λ > 0. Die Funktion
λ 7→ U (e + (θ ∗ + λθ̃)D)
ist wachsend in λ, da U streng wachsend ist und θ̃D ≥ 0 gilt. Somit muss θ̃D = 0
gelten, da sonst θ ∗ nicht existieren könnte. Somit gilt θ̃q < 0. Es gibt daher ein
λ > 0, so dass (θ̃ + λθ̂)q ≤ 0. Wir schliessen, dass
(θ ∗ + θ̃ + λθ̂)D > θ ∗ D .
Da U streng wachsend ist, ist dies ein Widerspruch. Somit kann keine Arbitrage
existieren.
Nehmen wir nun an, dass U stetig ist, und dass es keine Arbitrage gibt. Es ist
klar, dass X (q, e) abgeschlossen ist. Sei
Y = {θ ∈ IRN : e + θD ∈ IRS+ , θq ≤ 0} .
Die Menge Y ist abgeschlossen und konvex. Da 0 ∈ Y ist λθ ∈ Y falls θ ∈ Y und
λ ∈ [0, 1]. Sei nun {θ n } eine Folge in Y, so dass kθ n k → ∞. Dann gibt es eine
Teilfolge von {θ n /kθ n k} die konvergiert, sagen wir gegen θ 0 . Die Folge λθ n /kθ n k
konvergiert dann gegen λθ 0 . Daher ist λθ 0 ∈ Y für alle λ > 0. Dies ist nur möglich,
falls θ 0 q ≤ 0 und θ 0 D ≥ 0. Da es keine Arbitrage gibt, gilt θ 0 D = 0. Wir schliessen,
dass X beschränkt ist. Somit ist X (q, e) kompakt. Also ist U ∗ = sup{U (c) : c ∈
X (q, e)} endlich. Da U stetig ist, existiert c∗ , so dass U (c∗ ) = U ∗ . Die Menge
{θ : θq ≤ 0} ist abgeschlossen. Der Beweis oben zeigt, dass es ein Portfolio θ̄ gibt,
so dass c∗ = e + θ̄D. Dies ist die Lösung der Gleichung (1.1).
Satz 1.5. Nehmen wir an, es gebe eine Lösung zu (1.1), so dass c∗ = e + θ ∗ D > 0
streng positive Koordinaten hat. Sei ∂U (c∗ ) die Ableitung von U in c∗ , und nehmen
wir an, dass sie existiert und dass die partiellen Ableitungen verschieden von Null
sind. Dann gibt es eine Zahl λ > 0, so dass λ∂U (c∗ )> ein State-Price-Vektor ist.
Beweis. Da U wachsend ist, gilt ∂U (c∗ ) ≥ 0. Sei θ ein Portfolio mit Preis θq = 0.
Wir definieren die Funktion
gθ (α) = U (c∗ + αθD) .
1. EINFÜHRUNG INS STATE-PRICING
5
Die Funktion hat ein Maximum in α = 0. Daher gilt θD∂U (c∗ )> = 0. Da dies für
jeden Vektor θ orthogonal zu q gilt, gibt es ein µ ∈ IR\{0}, so dass D∂U (c∗ )> = µq.
Da es, siehe Proposition 1.4, keine Arbitrage gibt, impliziert θ̂D > 0, dass θ̂q > 0.
Aus
µθ̂q = θ̂D∂U (c∗ )> > 0
folgt, dass µ > 0. Für λ = 1/µ erhält man
q = λD∂U (c∗ )> .
Da die partiellen Ableitungen strikt positiv sind, ist λ∂U (c∗ )> ein State-PriceVektor.
Korollar 1.6. Sei U konkav und differenzierbar. Dann ist ein c∗ ∈ X (q, e) mit der
Eigenschaft c∗ = e + θ ∗ D > 0 mit streng positiven Koordinaten und mit θ ∗ q = 0
genau dann optimal, wenn es ein λ > 0 gibt, so dass λ∂U (c∗ )> ein State-PriceVektor ist.
Beweis. Ist c∗ optimal, dann folgt die Aussage aus Satz 1.5. Für die entgegengesetzte Richtung nehmen wir an, es gebe ein θ, so dass U (c∗ + θD) ≥ U (c∗ ) und
c∗ + θD ∈ X (q, e). Dann ist θq ≤ 0. Da U konkav ist, gilt
d
∗
0≤
= θD∂U (c∗ )> = λ−1 θq ≤ 0 .
U (c + µθD)
dµ
µ=0
Das heisst, U (c∗ +µθD) hat ein Maximum in µ = 0. Daher gilt U (c∗ +θD) = U (c∗ ).
Ein Spezialfall ist der erwartete Nutzen. Sei pj die Wahrscheinlichkeit, dass j
der richtige Zustand der Welt ist. Sei u : IR+ → IR eine streng wachsende Funktion.
Der erwartete Nutzen ist definiert als
U (c) =
S
X
pj u(cj ) = IIE[u(c)] .
j=1
Ist u differenzierbar, dann ist ∂U (c) = (pj u0 (cj ))j . Gibt es eine optimale Lösung c∗
der Gleichung (1.1), dann existiert ein λ > 0, so dass
qi = λ
X
j
Dij pj u0 (c∗j ) .
6
Schreiben wir ψ0 =
1. EINFÜHRUNG INS STATE-PRICING
P
j
pj u0 (c∗j ) = IIE[u0 (c∗ )] und ψ̂j = pj u0 (c∗j )/ψ0 , erhalten wir
qi = λψ0 IIE∗ [Di ] = λψ0
S
X
ψ̂j Dij .
j=1
Wir können dies als diskontierten erwarteten Profit unter dem Mass IIP∗ interpretieren.
1.4. Äquilibrium, Pareto-Optimalität, vollständige Märkte
Nehmen wir and, es gebe m Händler, die alle durch eine Nutzenfunktion U i und
Einkommen ei definiert sind.
Definition 1.7. Ein Äquilibrium für die Ökonomie {(U i , ei ), D} sind Variablen
(θ 1 , . . . , θ m , q) ,
so dass für jeden Händler i ei + θ i D ≥ 0 gilt, und θ i die Funktion U i (ei + θD)
P
unter der Nebenbedingung θq ≤ 0 maximiert, so dass i θ i = 0.
Ein Markt heisst vollständig, falls {θD : θ ∈ IRN } = IRS . Ein Markt heisst
unvollständig, falls er nicht vollständig ist.
P
Sei e = i ei das Gesamteinkommen.
Definition 1.8. Eine Konsumverteilung (c1 , . . . , cm ) ∈ (IRS+ )m heisst zulässig,
falls c1 + · · · + cm ≤ e. Eine zulässige Konsumverteilung heisst Pareto-optimal,
falls für jede zulässige Konsumverteilung (ĉ1 , . . . , ĉm ) mit U i (ĉi ) ≥ U i (ci ) für alle i
gilt, dass U i (ĉi ) = U i (ci ) für alle i.
Es gibt einen Zusammenhang zwischen vollständigen Märkten und Pareto-Optimalität.
Proposition 1.9. Sei der Markt vollständig, und (θ 1 , . . . , θ m , q) ein Äquilibrium.
Dann ist die Konsumverteilung (e1 + θ 1 D, . . . , em + θ m D) Pareto-optimal.
P
Beweis. Da j θ j D = 0, ist die Konsumverteilung zulässig. Proposition 1.4 impliziert, dass es keine Arbitrage gibt. Nehmen wir an, es gebe eine zulässige Konsumverteilung (ĉ1 , . . . , ĉm ), so dass U i (ĉi ) ≥ U i (ei +θ i D), und dass die Ungleichung
für mindestens ein i streng ist. Da der Markt vollständig ist, gibt es einen Vektor
P i
i
i
(θ̂ ), so dass ĉi = ei + θ̂ D. Da die Konsumverteilung zulässig ist, gilt i θ̂ D ≤ 0.
P i
Aus der Optimalität folgt, dass θ i q = 0 und i θ̂ q > 0, da sonst ein j existieren
P i
würde, für das θ j nicht optimal wäre. Aber dann ist − i θ̂ eine Arbitrage. Daher
muss die Äquilibrium-Konsumverteilung Pareto-optimal sein.
1. EINFÜHRUNG INS STATE-PRICING
7
Proposition 1.10. Nehmen wir an, dass ein State-Price-Vektor ψ existiert. Der
State-Price-Vektor ist genau dann eindeutig, wenn der Markt vollständig ist.
Beweis. Nehmen wir an, dass der Markt vollständig ist, und dass φ ein StatePrice-Vektor ist. Dann gibt es ein θ, so dass θD = (φ − ψ)> . Also gilt
(φ − ψ)> (φ − ψ) = θD(φ − ψ) = θ(q − q) = 0 .
Daher ist φ = ψ.
Nehmen wir an, dass der Markt unvollständig ist. Dann hat nicht jede Gleichung
θD = c eine Lösung θ. Das bedeutet, dass es eine nichttriviale Lösung φ ∈ IRS der
Gleichung Dφ = 0 gibt. Aber dann gibt es ein λ > 0, so dass ψ − λφ echt positive
Koordinaten hat. ψ − λφ ist dann ein State-Price-Vektor.
1.5. Pareto-Optimalität und der repräsentative Händler
Für λ ∈ IRm
+ definieren wir die Nutzenfunktion
Uλ (x) =
sup
c1 +···+cm ≤x
ci ∈IRS
+
m
X
λi U i (ci ) .
(1.2)
i=1
Hilfssatz 1.11. Sei U i konkav für alle i. Eine Konsumverteilung (c1 , . . . , cm ),
die zulässig ist, ist genau dann Pareto-optimal, wenn es ein λ ∈ IRm
+ mit streng
1
m
positiven Koordinaten gibt, so dass (c , . . . , c ) die Gleichung (1.2) an der Stelle
x = e = c1 + · · · + cm löst.
Beweis.
Sei (c1 , . . . , cm ) Pareto-optimal. Definieren wir die Mengen
U = {y ∈ IRm : yi ≤ U i (z i ) − U i (ci ), für ein z zulässig}
0
und J = IRm
+ \ {0}. Dann gilt U ∩ J = ∅. Seien y und y zwei Vektoren in U und
α ∈ (0, 1). Dann gilt
i
i
i
αy i + (1 − α)y 0 ≤ αU i (z i ) + (1 − α)U i (z 0 ) − U i (ci ) ≤ U i (αz i + (1 − α)z 0 ) − U i (ci ) ;
das heisst, U ist konvex. Auch J ist konvex. Somit gibt es einen Vektor λ ∈ IRm , der
eine lineare Funktion z 7→ λz definiert, so dass λy < λz für jedes beliebige Paar
y ∈ U und z ∈ J (Lemma E.1). Da 0 ∈ U gilt λz > 0 für z ∈ J und λ hat strikt
positive Koordinaten. Da 0 ein Randpunkt von J ist, folgt λy ≤ 0 für alle y ∈ U.
Daher löst (c1 , . . . , cm ) die Gleichung (1.2).
Sei nun (c1 , . . . , cm ) eine Lösung von (1.2). Sei (ĉ1 , . . . , ĉm ) zulässig, so dass
U i (ci ) ≤ U i (ĉi ). Als Lösung von (1.2) muss U i (ci ) = U i (ĉi ) für alle i gelten. Daher
ist (c1 , . . . , cm ) Pareto-optimal.
8
1. EINFÜHRUNG INS STATE-PRICING
Proposition 1.12. Seien für alle i die Nutzenfunktionen U i konkav und streng
wachsend. Nehmen wir an, dass der Markt vollständig ist, und dass (θ 1 , . . . θ m , q)
ein Äquilibrium sei. Dann gibt es ein λ ∈ IRm
+ mit streng positiven Koordinaten,
P i i i
1
m
so dass Uλ (e) = i λ U (c ), wobei (c , . . . , c ) die Äquilibrium-Konsumverteilung
ist. Weiter gilt, dass (0, q) ein Äquilibrium für den Einzelhändlermarkt {(Uλ , e), D}
ist.
Beweis. Da ein Äquilibrium existiert, gibt es keine Arbitrage (Proposition 1.4),
und es existiert ein State-Price-Vektor ψ (Satz 1.2). Jeder Händler will seinen Nutzen
U i (ci ) = U i (ei + θD)
maximieren unter der Nebenbedingung
0 ≥ θq = θDψ = (ci − ei )ψ .
Da der Markt vollständig ist, kann jedes ci ∈ IRS+ erzeugt werden. Ohne Einschränkung der Allgemeinheit können wir ei > 0 annehmen, da sonst ci = 0 gelten
würde. Die Lösung maximiert die Funktion
U i (ci ) − αi (ci − ei )ψ
für ein αi ∈ IR. Da U i streng wachsend ist, folgt αi > 0. Sei λi = 1/αi . Für jede
zulässige Konsumverteilung (x1 , . . . , xm ) haben wir
m
m
m
m
X
X
X
X
i i i
i i i
i
i
λ U (c ) =
λ U (c ) −
c −e ψ =
λi U i (ci ) − αi (ci − ei )ψ
i=1
≥
≥
i=1
m
X
i=1
m
X
i=1
i
i
i
i
i
i
λ U (x ) − α (x − e )ψ =
i=1
m
X
i
i
i
λ U (x ) −
i=1
m
X
i
i
x −e ψ
i=1
λi U i (xi ) .
i=1
Dies beweist den ersten Teil. Nehmen wir an, es gebe ein x ∈ IRS+ , so dass Uλ (x) >
Uλ (e) und (x − e)ψ ≤ 0. Dann muss es eine Konsumverteilung (x1 , . . . , xm ) geben,
P
P
P
so dass i xi = x, i λi U i (xi ) > i λi U i (ci ) und
m
m
m
X
X
X
i i i
i
λ α x ψ = xψ ≤ eψ =
cψ=
λi αi ci ψ .
i=1
i=1
i=1
Aber dann gilt
m
m
X
X
λi U i (xi ) − αi (xi − ei )ψ >
λi U i (ci ) − αi (ci − ei )ψ ,
i=1
i=1
was ein Widerspruch ist, da es einen Händler i geben muss, so dass ci seinen Nutzen
nicht maximiert.
1. EINFÜHRUNG INS STATE-PRICING
9
Korollar 1.13. Falls, zusätzlich zu den Annahmen von Proposition 1.12, e > 0
streng positive Koordinaten hat, und Uλ in e differenzierbar ist, dann kann λ so
gewählt werden, dass ∂Uλ (e)> ein State-Price-Vektor ist. Das heisst,
q = D∂Uλ (e)> .
Beweis. Aus Korollar 1.6 folgt, dass es ein µ gibt, so dass µ∂Uλ (e)> ein StatePrice-Vektor ist. Ersetzen wir λ durch λ/µ, folgt die Aussage.
10
2.
2. MODELLE IN DISKRETER ZEIT
Modelle in diskreter Zeit
Wir arbeiten nun auf einem messbaren Raum (Ω, F). Wir nehmen in diesem Kapitel
an, dass der Raum Ω endlich ist.
2.1. Der Markt
Wir nehmen an, dass es d + 1 Aktiven gibt, mit Preis S n = (Sn0 , Sn1 , . . . , Snd )> zur
Zeit n. Der Preisprozess ist {Fn }-adaptiert. Wir nehmen an, dass F0 = {∅, Ω},
das heisst, man hat keine Information im Zeitpunkt 0. Wir nehmen einen endlichen
Zeithorizont N an, das heisst I = {0, 1, . . . , N }. Wir nehmen daher auch an, dass
FN = F, das heisst, im Zeitpunkt N kennt man die ganze Information. Wir nehmen
weiter an, dass Sn0 > 0 für alle n.
Der Aktiv {Sn0 } heisst risikoloser Aktiv, die anderen riskante Aktiven. Der
Einfachheit halber normieren wir S00 = 1. Wir verwenden den risikolosen Aktiv zum
Diskontieren, βn = 1/Sn0 , und setzen S̃ni = βn Sni .
Eine Handelsstrategie ist ein vorhersehbarer Prozess φ = {(φ0n , . . . , φdn )}. φin
bezeichnet die Anzahl Einheiten des Aktiv i, die im Intervall (n − 1, n] im Portfolio
gehalten werden. φ muss vorhersehbar sein, da man zur Zeit n − 1 über die Anzahl
entscheiden muss. Der Wert des Portfolios zur Zeit n ist
Vn (φ) = φn S n =
d
X
φin Sni .
i=0
Der diskontierte Wert ist
Ṽn (φ) = βn φn S n = φn S̃ n .
Definition 2.1. Eine Handelsstrategie heisst selbstfinanzierend, falls
φn S n = φn+1 S n .
Selbstfinanzierend kann auch auf folgende Arten ausgedrückt werden.
Hilfssatz 2.2. Folgende Aussagen sind äquivalent:
i) Die Strategie φ ist selbstfinanzierend.
2. MODELLE IN DISKRETER ZEIT
11
ii) Für jedes n gilt
Vn (φ) = V0 (φ) +
n
X
φj ∆S j ,
j=1
wobei ∆S j = S j − S j−1 .
iii) Für jedes n gilt
Ṽn (φ) = V0 (φ) +
n
X
φj ∆S̃ j ,
j=1
wobei ∆S̃ j = S̃ j − S̃ j−1 = βj S j − βj−1 S j−1 .
Beweis.
Übung.
Proposition 2.3. Zu jedem vorhersehbaren Prozess {(φ1n , . . . , φdn )} und für jedes F0 -messbare V0 gibt es einen eindeutigen Prozess φ0 , so dass die Strategie φ
selbstfinanzierend ist mit Startwert V0 .
Beweis.
Selbstfinanzierend bedeutet, dass
Ṽn (φ) =
φ0n
+
d
X
φin S̃ni
= V0 +
i=1
n X
d
X
φij ∆S̃ji ,
j=1 i=1
da ∆S̃j0 = 0. Daher ist φ0n eindeutig. Dass {φ0n } vorhersehbar ist, folgt aus
φ0n
= V0 +
n−1 X
d
X
j=1 i=1
φij ∆S̃ji
−
d
X
i
φin S̃n−1
.
i=1
Wir haben keine Einschränkung gemacht, dass immer eine positive Anzahl Aktiven im Portfolio sein müssen. φ0n < 0 bedeutet, dass man sich “Geld” leiht, um
das Portfolio zu erwerben. φin < 0 nennt man eine kurze Position. Das bedeutet,
dass man einen Forward Vertrag eingeht. Das heisst, man verspricht in Zukunft
−φin Aktiven zu liefern, und erhält die Prämie dafür heute. In unserem Markt sind
kurze Positionen erlaubt. Der Wert eines Portfolios darf aber nicht negativ werden,
das heisst, ein Händler muss immer seinen Verpflichtungen nachkommen können.
12
2. MODELLE IN DISKRETER ZEIT
Definition 2.4. Eine Strategie φ heisst zulässig, falls sie selbstfinanzierend ist
und falls Vn (φ) ≥ 0 für alle n. Eine Strategie φ heisst Arbitrage, falls sie zulässig
ist, V0 (φ) = 0 und VN (φ) > 0.
Der (diskontierte) Gewinn ist definiert als
G̃n (φ) =
n X
d
X
φij ∆S̃ji .
j=1 i=1
2.2. Martingale und Arbitrage
Hilfssatz 2.5. Ein Markt erlaubt Arbitrage genau dann, wenn es einen vorhersehbaren Prozess (φ1 , . . . , φd ) gibt, mit G̃N > 0.
Beweis. Falls es Arbitrage gibt, hat die entsprechende Handelsstrategie die behauptete Eigenschaft. Nehmen wir an, es gebe einen vorhersehbaren Prozess mit
G̃N > 0. Gilt G̃n (φ) ≥ 0 für alle n, dann haben wir eine Arbitrage gefunden. Sei
n := sup{k < N : IIP[G̃k (φ) < 0] > 0}. Sei A = {G̃n (φ) < 0}. Wir definieren
die Strategie ψj = 1IA 1Ij>n φj . Dann erhalten wir G̃j (ψ) = 1IA 1Ij>n (G̃j (φ) − G̃n (φ)).
Daher gilt G̃N (ψ) > 0. Wir haben also eine Arbitrage konstruiert.
Satz 2.6. Es gibt keine Arbitrage genau dann, wenn es ein äquivalentes Mass IIP∗
gibt, so dass der diskontierte Preisprozess S̃ ein Martingal unter IIP∗ ist.
Beweis. Nehmen wir an, dass es ein äquivalentes Martingalmass gibt. Sei φ eine
selbstfinanzierende Strategie mit V0 (φ) = 0 und VN (φ) ≥ 0. Dann ist
Ṽn (φ) =
n
X
φj ∆S̃ j
j=1
ein IIP∗ -Martingal; das heisst, IIE∗ [VN (φ)] = V0 (φ) = 0. Da die Masse äquivalent sind,
gilt auch IIP∗ [VN (φ) ≥ 0] = 1, und damit IIP∗ [VN (φ) = 0] = 1. Das Gleiche muss
auch unter IIP gelten.
Nehmen wir an, dass es keine Arbitrage gibt. Zu jedem vorhersehbaren Prozess
assozieren wir die Zufallsvariable G̃N (φ). Bezeichnen wir den Raum
dieser Variablen mit V. V ist dann ein konvexer Unterraum des Vektorraumes der
Zufallsvariablen. Da Ω nur endlich viele Elemente hat, gilt IIE[X 2 ] < ∞ für alle
X ∈ V. Sei Γ der Raum der echt positiven Zufallsvariablen. Dann gilt Γ ∩ V = ∅.
{(φ1j , . . . , φdj )}
2. MODELLE IN DISKRETER ZEIT
13
Somit gibt es eine Zufallsvariable λ, die eine lineare Funktion X 7→ IIE[λX] definiert,
so dass IIE[λX] > IIE[λY ] für alle X ∈ Γ und Y ∈ V (Satz von Hahn–Banach,
Verallgemeinerung von Lemma E.1). Da V ein Unterraum ist, muss IIE[λY ] = 0
gelten für alle Y ∈ V, und somit IIE[λX] > 0 für alle X ∈ Γ. Da damit
IIE[λλ− ] = −IIE[(λ− )2 ] ≤ 0 ,
schliessen wir, dass λ ≥ 0. Da IIE[λ] = IIE[1λ] > 0, haben wir λ > 0. Da auch
IIE[λ1Iλ=0 ] = 0, schliessen wir, dass IIP[λ > 0] = 1. Wir dürfen nun annehmen, dass
IIE[λ] = 1. Das Mass IIP∗ [A] = IIE[λ1IA ] ist daher äquivalent. Da IIE[λG̃N (φ)] = 0,
schliessen wir aus Lemma C.3, dass S̃ ein Martingal ist.
2.3. Vollständige Märkte und Optionspreise
Ein bedingter Anspruch ist eine positive Funktion der Variablen {S n : 1 ≤ n ≤
N }. Wir nennen einen Anspruch europäisch falls es nur eine Funktion von S N ist.
i
i +
Beispiele sind die Call-Option h = (SN
− K)+ oder die Put-Option h = (K − SN
) .
Optionen können aber auch vom Preis in mehreren Zeitpunkten abhängen, wie zum
P
i
+
Beispiel die Asiatische Option h = (k −1 N
j=N −k+1 Sj − K) .
Definition 2.7. Ein bedingter Anspruch h heisst erreichbar, falls es eine zulässige Strategie φ gibt, mit der Eigenschaft, dass VN (φ) = h. Ein Markt heisst vollständig, falls jeder bedingte Anspruch erreichbar ist.
Bemerkung. Ist ein Markt arbitragefrei, dann genügt es, eine selbstfinanzierende
Strategie zu finden, die den Schlusswert h hat. Da {Ṽn (φ)} ein IIP∗ -Martingal ist,
gilt Ṽn (φ) = IIE∗ [h̃ | Fn ]. Damit ist Ṽn (φ) ≥ 0. Da die Masse äquivalent sind, gilt
diese Eigenschaft auch unter IIP. Das heisst, φ ist eine zulässige Strategie.
Dass ein Markt arbitragefrei sein sollte, kann ökonomisch begründet werden.
Dass ein Markt vollständig sein sollte, entbehrt jeder theoretischen Grundlage. Die
Vollständigkeit ist aber eine nette Eigenschaft, die die Theorie einfacher macht. Viele
der Modelle, die in der Praxis verwendet werden, haben diese Eigenschaft.
Satz 2.8. Ein arbitragefreier Markt ist genau dann vollständig, wenn es ein eindeutiges äquivalentes Mass IIP∗ gibt, unter dem die diskontierten Preise Martingale
sind.
14
2. MODELLE IN DISKRETER ZEIT
Beweis. Nehmen wir an, der Markt sei arbitragefrei und vollständig. Sei h eine
FN -messbare Zufallsvariable. Dann gibt es eine Strategie φ, die h reproduziert. Da
φ selbstfinanzierend ist, gilt
N
X
h
=
Ṽ
(φ)
=
V
(φ)
+
φj ∆S̃ j .
N
0
0
SN
j=1
Seien nun IIP1 und IIP2 zwei äquivalente Martingalmasse. Dann gilt
IIE1
h h i
h h i
=
V
(φ)
=
II
E
.
0
2
0
0
SN
SN
Da h beliebig ist gilt IIP1 = IIP2 auf FN = F.
Nehmen wir nun an, der Markt sei arbitragefrei und unvollständig. Es gibt dann
ein äquivalentes Martingalmass IIP∗ (Satz 2.6). Sei V der Unterraum der Zufallsvariablen der Form
N
X
φn ∆S̃ n ,
U0 +
n=1
wobei U0 F0 -messbar, und {φn } vorhersehbar ist. Definieren wir das Skalarprodukt
X · Y = IIE∗ [XY ]. Es gibt eine Zufallsvariable h ≥ 0, die nicht erreichbar, und
damit nicht in V ist. Daher gibt es eine Zufallsvariable X 6= 0, die orthogonal
zu V ist, das heisst IIE∗ [XY ] = 0 für alle Y ∈ V. Da der Raum endlich ist, ist
kXk∞ = supΩ |X| < ∞. Da 1 ∈ V, ist IIE∗ [X] = 0. Definieren wir das äquivalente
Mass
h
X i
∗
IIP1 [A] = IIE 1 +
1IA ,
2kXk∞
so gilt
IIE1
N
hX
i
φn ∆S̃ n = 0
n=1
für jeden vorhersehbaren Prozess {φn }. Somit ist (Hilfssatz C.3) {S̃ n } ein IIP1 Martingal. Da X 6= 0, ist IIP1 verschieden von IIP∗ .
Nehmen wir nun an, dass der Markt arbitragefrei und vollständig ist. Dann gibt
es ein eindeutiges Martingalmass IIP∗ . Für einen bedingten Anspruch h gibt es dann
eine Strategie {φ}, die h reproduziert. Wir haben, dass {Ṽn (φ)} ein IIP∗ -Martingal
ist. Daher gilt
i
h
0 ∗ h Vn (φ) = Sn IIE
F .
0 n
SN
2. MODELLE IN DISKRETER ZEIT
15
Der Wert der Strategie ist daher eindeutig durch h bestimmt. Die Hedging-Strategie
ist auch eindeutig bestimmt,
Ṽn (φ) − Ṽn−1 (φ) = φn ∆S̃ n .
Daraus lässt sich die Strategie {φn } berechnen. Es ist zu bemerken, dass wir die
Vorhersehbarkeit nicht zeigen müssen. Durch die Vollständigkeit des Marktes wissen
wir, dass es eine vorhersehbare Strategie gibt, die die obige Formel erfüllt. Die Lösung
muss also diese Strategie sein. In einem nicht vollständigen Markt können wir aber
nicht sicher sein, dass eine Lösung {φn } der Gleichung auch vorhersehbar ist. Weiter
ist zu bemerken, dass IIP keine Rolle spielt. Man muss nur das Mass IIP∗ kennen, um
den Preis zu bestimmen.
Proposition 2.9. Ist in einem vollständigen und arbitragefreien Markt der Preis
0
| Fn ], dann gibt
des bedingten Anspruchs h zur Zeit n verschieden von Sn0 IIE∗ [h/SN
es eine Arbitrage (im um h vergrösserten Markt).
0
Beweis. Nehmen wir an, der Preis Vn0 sei strikt höher als Sn0 IIE∗ [h/SN
| Fn ]. Dann
kann man den bedingten Anspruch verkaufen, die Strategie φ̂n anwenden, wobei
φ̂ik = φik für i ≥ 1, k ≥ n und φ̂0k = φ0k + (Vn0 − Vn (φ))/Sn0 . {φk } ist die Replikationsstrategie von h. Es ist einfach zu sehen, dass die Strategie selbstfinanzierend ist.
Der Wert der Strategie zum Schlusszeitpunkt ist
h+
0
(Vn0 − Vn (φ))SN
>h,
Sn0
und man hat einen sicheren Gewinn, nachdem man die Verpflichtung h bezahlt hat.
Ein ähnliches Argument kann man im Falle Vn0 < Vn (φ) verwenden.
Betrachten wir nun eine amerikanische Option. Das ist ein adaptierter positiver Prozess {Zn }. Bei einer amerikanischen Call Option haben wir Zn = (Sni − K)+ ,
bei einer amerikanischen Put Option haben wir Zn = (K − Sni )+ . Der Halter der
Option kann zu jedem Zeitpunkt n bestimmen, ob er die Option ausübt, oder wartet. Wenn der Halter die Option zum Zeitpunkt n ausübt, erhält er den Betrag Zn .
Die Option kann aber nur einmal ausgeübt werden.
Es ist klar, dass zum Zeitpunkt N der Wert der Option UN = ZN ist. Zum
Zeitpunkt N − 1 haben wir die Möglichkeit, die Option auszuüben, was den Wert
ZN −1 hat. Man kann auch mit der Ausübung warten. Dies hat den gleichen Wert,
wie der bedingte Anspruch ZN . Da im vollständigen Markt ZN repliziert werden
16
2. MODELLE IN DISKRETER ZEIT
kann, kann der Halter ohne Risiko sich für den höheren Wert im Zeitpunkt N − 1
entscheiden. Das heisst, der Wert der amerikanischen Option im Zeitpunkt N − 1
ist
0
0
UN −1 = max{ZN −1 , SN
E∗ [ZN /SN
| FN −1 ]} .
−1 II
Durch Induktion erhalten wir den Wert zur Zeit n
0
Un = max{Zn , Sn0 IIE∗ [Un+1 /Sn+1
| Fn ]} .
Sei nun Ũn = Un /Sn0 der diskontierte Wert der amerikanischen Option.
Proposition 2.10. Der Prozess {Ũn } ist ein IIP∗ -Supermartingal. Es ist das kleinste Supermartingal das Z̃n = Zn /Sn0 dominiert.
Beweis.
Es ist klar, dass {Ũn } Z̃n dominiert. Aus
Ũn = max{Z̃n , IIE∗ [Ũn+1 | Fn ]} ≥ IIE∗ [Ũn+1 | Fn ]
folgt auch die Supermartingaleigenschaft.
Sei nun {Mn } Supermartingal das Z̃n dominiert. Dann gilt MN ≥ Z̃N = ŨN .
Nehmen wir an, dass Mn ≥ Ũn . Dann gilt
Mn−1 ≥ IIE∗ [Mn | Fn−1 ] ≥ IIE∗ [Ũn | Fn−1 ] .
Somit haben wir
Mn−1 ≥ max{Z̃n−1 , IIE∗ [Ũn | Fn−1 ]} = Ũn−1 .
Somit dominiert {Mn } den Prozess {Ũn }.
3. OPTIMALES STOPPEN UND AMERIKANISCHE OPTIONEN
3.
17
Optimales Stoppen und Amerikanische Optionen
Wir arbeiten nun mit einem beliebgigen Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, F, IIP∗ ). Betrachten wir einen adaptierten Prozess {Zn } und definieren wir UN = ZN , und
Un = max{Zn , IIE∗ [Un+1 | Fn ]} für n ≤ N − 1. Wir wissen (Proposition 2.10), dass
{Un } das kleinste Supermartingal ist, das {Zn } dominiert. Der Prozess {Un } heisst
Snell-Hülle des Prozesses {Zn }.
Hilfssatz 3.1. Betrachten wir die Stoppzeit ν0 = inf{n ≥ 0 : Un = Zn }. Dann ist
der Prozess {Uν0 ∧n } ein Martingal.
Beweis.
Da ZN = UN ist ν0 ≤ N . Wir schreiben
Uν0 ∧n = U0 +
n
X
1Iν0 ≥j ∆Uj .
j=1
Somit ist
Uν0 ∧(n+1) − Uν0 ∧n = 1Iν0 ≥n+1 ∆Un+1 .
Falls ν0 ≤ n, dann ist IIE∗ [Uν0 ∧(n+1) − Uν0 ∧n | Fn ] = 0. Falls ν0 > n, so ist Zn < Un .
Das heisst
Uν0 ∧n = Un = IIE∗ [Un+1 | Fn ] = IIE∗ [Uν0 ∧(n+1) | Fn ] ,
was die Martingaleigenschaft beweist.
Wir bezeichnen nun mit Tn die Menge aller Stoppzeiten mit Werten in [n, N ].
Korollar 3.2. Die Stoppzeit ν0 hat die Eigenschaft dass
U0 = IIE∗ [Zν0 ] = sup IIE∗ [Zν ] .
ν∈T0
Beweis.
Da {Uν0 ∧n } ein Martingal ist haben wir
U0 = IIE∗ [Uν0 ∧N ] = IIE∗ [Uν0 ] = IIE∗ [Zν0 ] .
Für ein beliebiges ν ∈ T0 ist {Uν∧n } ein Supermartingal (Satz C.5). Daher gilt
U0 ≥ IIE∗ [Uν∧N ] = IIE∗ [Uν ] ≥ IIE∗ [Zν ] .
18
3. OPTIMALES STOPPEN UND AMERIKANISCHE OPTIONEN
Wir interpretieren T0 als alle möglichen Strategien, die ein Halter der Option
anwenden kann. Wir sehen dann, dass ν0 eine optimale Strategie ist.
Falls man sich zum Zeitpunkt n befindet, zeigt ein ähnliches Argument, dass
Un = sup IIE∗ [Zν | Fn ] = IIE∗ [Zνn | Fn ] ,
ν∈Tn
wobei νn = inf{j ≥ n : Uj = Zj }.
Satz 3.3. Eine Stoppzeit ν ist genau dann optimal, falls Zν = Uν und {Uν∧n } ein
Martingal ist.
Beweis. Ist Zν = Uν und {Uν∧n } ein Martingal, dann folgt wie im Beweis von
Korollar 3.2, dass ν optimal ist. Sei ν optimal. Dann gilt
U0 = IIE∗ [Zν ] ≤ IIE∗ [Uν ] .
Da {Uν∧n } ein Supermartingal ist, muss das Gleichheitszeichen gelten, und es folgt,
dass IIE∗ [Zν ] = IIE∗ [Uν ]. Da Uν ≥ Zν bedeutet dies, dass Uν = Zν . Da {Uν∧n } ein
Supermartingal ist, gilt
U0 ≥ IIE∗ [Uν∧n ] ≥ IIE∗ [Uν ] ,
siehe Satz C.5. Also ist
IIE∗ [Uν∧n ] = IIE∗ [Uν ] = IIE∗ [IIE∗ [Uν | Fn ]] .
Da aber Uν∧n ≥ IIE∗ [Uν | Fn ], gilt Uν∧n = IIE∗ [Uν | Fn ], und wir haben die Martingaleigenschaft bewiesen.
Da {Un } ein Supermartinal ist, hat es eine Doob-Zerlegung (Satz C.10) Un =
Mn − An .
Proposition 3.4. Die grösste mögliche optimale Stoppzeit ist
νmax = inf{n : An+1 6= 0} ∧ N .
Beweis. Da {An } vorhersehbar ist, ist νmax eine Stoppzeit. Da Uνmax ∧n = Mνmax ∧n
folgt, dass {Uνmax ∧n } ein Martingal ist. Weiter gilt
Uνmax =
N
−1
X
1Iνmax =j Uj + 1Iνmax =N UN
j=0
=
N
−1
X
j=0
1Iνmax =j max{Zj , IIE∗ [Uj+1 | Fj ]} + 1Iνmax =N ZN .
3. OPTIMALES STOPPEN UND AMERIKANISCHE OPTIONEN
19
Da für νmax = j < N Aj = 0 gilt und Aj+1 > 0, erhalten wir
IIE∗ [Uj+1 | Fj ] = Mj − Aj+1 = Uj − Aj+1 < Uj .
Wir schliessen, dass Uj = Zj , das heisst Uνmax = Zνmax . Somit ist νmax optimal. Sei
nun ν eine optimale Stoppzeit. Da {Uν∧n } ein Martingal ist und M0 = U0 , haben
wir
U0 = IIE∗ [Uν∧n ] = IIE∗ [Mν∧n ] − IIE∗ [Aν∧n ] = U0 − IIE∗ [Aν∧n ] .
Also ist IIE∗ [Aν∧n ] = 0, das heisst Aν∧n = 0. Somit ist
ν ≤ inf{n : An+1 > 0} = νmax .
Nehmen wir nun an, dass {Xn } eine homogene Markovkette auf einem endlichen
Raum E ist. Das heisst, es gibt eine Funktion P : E × E → [0, 1], so dass
IIP[Xn+1 = y | X0 = x0 , . . . , Xn = xn ] = P (xn , y) .
P
Insbesondere gilt
y∈E P (x, y) = 1. Die Preise der Aktiven seien von der Form
S n = S(Xn ) für eine Funktion S : E → IRd+1 . Nehmen wir nun an, Zn = ψ(n, Xn ).
Dann ist die Snell-Hülle gegeben durch Un = u(n, Xn ), wobei u(N, x) = ψ(N, x)
und, für n ≤ N − 1, u(n, x) = max{ψ(n, x), P u(n + 1, x)}. Wir definieren hier
P
P f (x) = y∈E P (x, y)f (y).
Kehren wir nun zu einem arbitragefreien und vollständigen Markt zurück. Wir
haben gesehen, dass der Preis einer amerikanischen Option durch die Formel
Un = Sn0 sup IIE∗ [Zν /Sν0 | Fn ]
ν∈Tn
gegeben ist. Die Doob-Zerlegung ist Ũn = M̃n − Ãn . Da der Markt vollständig ist,
0
gibt es eine selbstfinanzierende Strategie φ, so dass VN (φ) = SN
M̃N . Wir erhalten
Ṽn (φ) = IIE∗ [ṼN (φ) | Fn ] = IIE∗ [M̃N | Fn ] = M̃n .
Damit ist
Ũn = M̃n − Ãn = Ṽn (φ) − Ãn .
Definieren wir An = Sn0 Ãn , erhalten wir
Un = Vn (φ) − An .
20
3. OPTIMALES STOPPEN UND AMERIKANISCHE OPTIONEN
Diese Strategie ist gut für den Verkäufer der Option. Er erhält die Prämie U0 , und
hat dann immer den Wert Vn (φ) = Un + An ≥ Un ≥ Zn . Der Verkäufer kann
also jederzeit seiner Verpflichtung nachkommen. Der Halter der Option kann eine
optimale Stoppzeit ν wählen. Dann ist Aν = 0 und der Verkäufer macht keinen Gewinn. Investiert der Käufer in das Portfolio −φ, hat er zu jedem Zeitpunkt vor νmax
den Wert −Un . Verwendet er eine optimale Stoppzeit, dann hat das Portfolio zum
Stoppzeitpunkt den Wert −Uν = −Zν , was genau dem Wert der Option entspricht.
Stoppt der Käufer nicht optimal, macht der Verkäufer einen Gewinn.
Beispiel 3.5. Nehmen wir an, Sn0 sei deterministisch und wachsend. Wir betrachten eine amerikanische Call-Option Zn = (Sn1 − K)+ . Für den diskontierten Wert
der europäischen Call-Option erhalten wir
1
1
c̃n = βN IIE∗ [(SN
− K)+ | Fn ] ≥ IIE∗ [S̃N
− βN K | Fn ] = S̃n1 − βN K .
Daher gilt cn ≥ Sn1 −βN Sn0 K ≥ Sn1 −K. Da cn > 0, haben wir cn ≥ (Sn1 −K)+ . Somit
ist der Wert der europäischen Option mindestens so gross, wie die Auszahlung der
amerikanischen Option. Da ν = N eine mögliche Strategie ist, gilt auch
cn ≤ sup Sn0 IIE∗ [βν (Sν1 − K)+ | Fn ] ,
ν∈Tn
und somit haben wir Gleichheit. Wir schliessen daraus, dass An = 0 und νmax =
0
1
N . Damit ν0 6= νmax muss gelten, dass SN
E∗ [(SN
− K)+ | FN −1 ] = cN −1 =
−1 βN II
1
+
1
(SN
E∗ [(SN
− K)+ | FN −1 ] ≥
−1 − K) . Aus Jensens Ungleichung schliessen wir II
0
1
+
(SN
βN −1 SN
−1 − K) , also
1
+
1
0
+
(SN
−1 − K) ≥ (SN −1 − KSN −1 βN ) .
0
0
1
+
Dies ist nur möglich, falls SN
−1 = SN oder (SN −K) deterministisch ist. Das heisst,
1
1
0
0
entweder gilt IIP∗ [SN
≤ K | FN −1 ] = 1 oder SN
ist FN −1 -messbar und SN
−1 = SN .
4. STOCHASTISCHE ANALYSIS
4.
21
Stochastische Analysis
4.1. Das stochastische Integral
Rt
Nehmen wir an, wir wollen das Integral 0 Ws dWs definieren, wobei W eine standard Brownsche Bewegung ist. Wir könnten versuchen, das Integral über RiemannSummen zu definieren. Wir betrachten zwei Möglichkeiten,
An =
n
X
Wti−1 (Wti − Wti−1 )
i=1
und
Bn =
n
X
Wti (Wti − Wti−1 ) ,
i=1
wobei ti = it/n. Dann ist
n
n
X
X
An + Bn =
(Wti + Wti−1 )(Wti − Wti−1 ) =
Wt2i − Wt2i−1 = Wt2 .
i=1
i=1
Weiter gilt
Bn − An =
n
X
(Wti − Wti−1 )2 .
i=1
Aus dem Beweis von Hilfssatz B.4 wissen wir, dass limn→∞ Bn − An = t. Wir schliessen, dass
lim An = 21 (Wt2 − t)
n→∞
und
lim Bn = 12 (Wt2 + t) .
n→∞
Wir können daher nicht einfach das stochastische Integral über Riemann-Summen
definieren.
In der Praxis wird man in einem Markt ein Portfolio zu einem Zeitpunkt t festlegen und in einem Zeitpunkt s > t wieder ändern. Da man nur die Information
bis zum Zeitpunkt t verwenden kann, werden wir die Riemann-Summen {An } zur
Definition verwenden.
Wir beginnen mit einem stückweise konstanten adaptierten Prozess {Yt }. Für Y
ist es natürlich, das Integral
Z
t
Ys dWs =
0
N
t −1
X
i=0
Yτi (Wτi+1 − Wτi ) + Yt (Wt − WτNt )
22
4. STOCHASTISCHE ANALYSIS
zu definieren, wobei Nt = max{i : τi ≤ t}. Der so definierte stochastische Prozess
Rt
{ 0 Ys dWs } ist stetig, und hat die folgende wichtige Eigenschaft. Sei τn0 = inf{t ≥
R τ 0 ∧t
Rt
0 : | 0 Ys dWs | > n}. Dann ist { 0 n Ys dWs } ein Martingal.
Hilfssatz 4.1. Seien {Xt } und {Yt } zwei stückweise konstante Prozesse und W
Rt
eine Brownsche Bewegung. Dann sind { 0 Ys dWs } und {Mt } lokale Martingale,
wobei
Z t
Z t
Z t
Mt =
Xs dWs −
Ys dWs
0
0
Ys Xs ds .
(4.1)
0
Sind {Xt } und {Yt } beschränkt, so sind {
Rt
0
Ys dWs } und {Mt } Martingale.
Beweis. Nehmen wir zuerst an, dass supt≥0 {max{|Xt |, |Yt |}} ≤ C < ∞. Sei s < t.
Fügen wir die Stoppzeiten t und s zu {τi } und ordnen die Stoppzeiten, so können
wir annehmen, dass es ein k = k(ω) gibt, so dass τk = t, und dass es ein ` = `(ω)
gibt, so dass τ` = s. Wir bemerken zuerst, dass
IIE
−1)∧n
h (NtX
Yτi (Wτi+1 − Wτi )
i=1
n X
n
X
=
2 i
= IIE
n
h X
2 i
Yτi 1Iτi <t (Wτi+1 − Wτi )
i=1
IIE[Yτi 1Iτi <t Yτj 1Iτj <t (Wτi+1 − Wτi )(Wτj+1 − Wτj )] .
i=1 j=1
Ist i < j, so erhalten wir
IIE[Yτi 1Iτi <t Yτj 1Iτj <t (Wτi+1 − Wτi )(Wτj+1 − Wτj )]
= IIE[Yτi 1Iτi <t Yτj 1Iτj <t (Wτi+1 − Wτi )IIE[Wτj+1 − Wτj | Fτj ]] = 0 .
Das anlaoge Resultat gilt für i > j. Somit erhalten wir
IIE
−1)∧n
h (NtX
Yτi (Wτi+1
n
2 i X
− W τi )
=
IIE[Yτ2i 1Iτi <t (Wτi+1 − Wτi )2 ]
i=1
=
i=1
n
X
IIE[Yτ2i 1Iτi <t IIE[(Wτi+1 − Wτi )2 | Fτi ]]
i=1
=
n
X
IIE[Yτ2i 1Iτi <t (τi+1 − τi ) | Fτi ] ≤ C 2 t .
i=1
Somit ist
bar.
R τn ∧t
0
Yv dWv quadratisch integrierbar, und damit gleichmässig integrier-
Wir haben dann
i Z s
i
hZ t
hZ t
IIE
Yv dWv Fs =
Yv dWv + IIE
Yv dWv Fs .
0
0
s
4. STOCHASTISCHE ANALYSIS
23
Wir haben weiter
Z t
N
∞
t −1
X
X
Yv dWv =
Yτi (Wτi+1 − Wτi ) =
Yτi 1Iτi <t (Wτi+1 − Wτi ) ,
s
i=Ns
i=Ns
Wegen der gleichmässigen Integrierbarkeit gilt
∞
i X
hZ t
IIE
Yv dWv Fs =
IIE[Yτi 1Iτi <t (Wτi+1 − Wτi ) | Fs ] ,
s
i=Ns
Wir erhalten
IIE[Yτi 1Iτi <t (Wτi+1 − Wτi ) | Fs ] = IIE[Yτi 1Iτi <t IIE[(Wτi+1 − Wτi ) | Fτi ] | Fs ] = 0 ,
und damit
IIE
t
hZ
s
Also ist
Rt
0
i
Yv dWv Fs = 0 .
Ys dWs ein Martingal.
Wir haben
Z t
i
i Z s
hZ t
hZ s
Yv dWv Fs = 0 ,
Xv dWv IIE
Xv dWv
Yv dWv Fs =
IIE
0
s
0
s
und
IIE
hZ
t
Z
Xv dWv
s
0
s
i
Yv dWv Fs = 0 .
Somit müssen wir
IIE
hZ
t
Z
Z
t
Xv dWv −
Yv dWv
s
t
s
s
Yv Xv dv Fs = 0
zeigen. Sei nun {τn } die wachsende Folge der Sprungzeiten von beiden Prozessen
X und Y , und nehmen wir weiterhin an, dass t und s zu den Stoppzeiten gehören.
Wegen der Hölder-Ungleichung haben wir
Z t
i 2
hZ t
hZ t
2 i hZ t
2 i
IIE Yv dWv
Xv dWv ≤ IIE
Yv dWv
IIE
Xv dWv
.
Tk ∧t
Tk ∧t
Tk ∧t
Tk ∧t
Die rechte Seite kann beliebig klein gemacht werden. Wenn wir also die Summe
durch die endliche Summe ersetzen, können wir den Fehler beliebig klein machen.
Dies bedeutet, dass wir Summe und Erwartungswert vertauschen dürfen.
Wir erhalten
Z t
i
hZ t
IIE
Yv dWv
Xv dWv Fs
s
s
=
∞ X
∞
X
i=Ns j=Ns
IIE[Yτi Xτj 1Iτi <t 1Iτj <t (Wτi+1 − Wτi )(Wτj+1 − Wτj ) | Fs ] .
24
4. STOCHASTISCHE ANALYSIS
Ist i < j, so erhalten wir
IIE[Yτi Xτj 1Iτi <t 1Iτj <t (Wτi+1 − Wτi )(Wτj+1 − Wτj ) | Fs ]
= IIE[Yτi Xτj 1Iτi <t 1Iτj <t (Wτi+1 − Wτi )IIE[Wτj+1 − Wτj | Fτj ] | Fs ] = 0 .
Das analoge Resultat gilt für j < i. Weiter gilt für i = j
IIE[Yτi Xτi 1Iτi <t (Wτi+1 − Wτi )2 | Fs ] = IIE[Yτi Xτi 1Iτi <t IIE[(Wτi+1 − Wτi )2 | Fτi ] | Fs ]
= IIE[Yτi Xτi 1Iτi <t (τi+1 − τi ) | Fs ] .
Also
IIE
hZ
s
t
Z
Yv dWv
s
t
∞
i X
IIE[Yτi Xτi 1Iτi <t (τi+1 − τi ) | Fs ]
Xv dWv Fs =
i=Ns
= IIE
hZ
t
i
Xv Yv dv .
s
Damit ist M ein Martingal.
Sind X und Y nicht beschränkt, betrachten wir die Stoppzeiten τn0 = inf{t ≥
R t∧τ 0
0 : max{|X(t)|, |Y (t)|} ≥ n}. Es folgt, dass { 0 n Ys dWs } und {Mt∧τn0 } Martingale
Rt
sind. Daher sind { 0 Ys dWs } und {Mt } lokale Martingale.
Rt
Rt
Wir sehen, dass {( 0 Ys dWs )2 − 0 Ys2 ds} ein lokales Martingal ist, falls Y
stückweise konstant ist. Da wir diese Eigenschaft auch erwarten, wenn wir die DefiniRt
tion des stochastischen Integrals ausdehnen, brauchen wir die Bedingung 0 Ys2 ds <
∞ für alle t. Wir nennen die Klasse aller Prozesse, die diese Bedingung erfüllen L2loc .
Da wir annehmen, dass alle Prozesse cadlag sind, sind alle Prozesse in dieser Klasse.
R∞
Die Klasse der Prozesse mit 0 IIE[Xs2 ] ds < ∞ nennen wir L2 .
Wir wollen nun die Prozesse in L2 durch beschränkte stückweise konstante Prozesse approximieren.
Hilfssatz 4.2. Sei X ∈ L2 . Dann gibt es eine Folge {X n } von beschränkten
stückweise konstanten Prozessen, so dass
i
hZ ∞
lim IIE
(Xsn − Xs )2 ds = 0 .
(4.2)
n→∞
0
Beweis. Sei H der Raum aller beschränkten Prozesse aus L2 , für die die Aussage
gilt. Konvergiere Y n ∈ H nach Y punktweise und beschränkt. Dann gibt es ein mn ,
4. STOCHASTISCHE ANALYSIS
25
Rn
so dass 0 (Ysmn − Ys )2 ds < n−1 . Ist Y n ∈ H, dann gibt es einfache Prozesse {Y n,k },
so dass (4.2) für {X k = Y mn ,k } und X = Y mn gilt. Wählt man einen Index k(n), so
R ∞ m ,k(n)
− Ysmn )2 ds] < n−1 , dann gilt
dass IIE[ 0 (Ys n
hZ n
i
lim IIE
(Ysmn ,k(n) − Ys )2 ds = 0 ,
n→∞
0
m ,k(n)
1Is≤n } und X = Y .
da (a + b)2 ≤ 2(a2 + b2 ). Somit gilt (4.2) für {Xsn = Ys n
Also ist Y ∈ H. Da die konstanten Funktionen und 1IA 1ITn ≤t<Tn+1 für A ∈ FTn
stückweise konstante Prozesse sind, enthält H nach dem monotonen Klassentheorem
alle beschränkten Prozesse.
Sei nun X unbeschränkt. Dann gibt es Folgen von einfachen Prozessen {X n,k }
R∞
die X1I|X|≤n approximieren. Da IIE[ 0 Xs2 1I|Xs |>n ds] → 0, folgt mit der obigen Konstruktion, dass X die Behauptung des Hilfssatzes erfüllt.
Wir können nun ein stochastisches Integral auf ganz L2 definieren.
R
Satz 4.3. Sei X ∈ L2 . Dann gibt es einen eindeutigen Prozess X dW , so dass
für jede Folge {X n } von beschränkten stückweise konstanten Prozessen, die
1
i 2
X hZ n
n
2
(Xs − Xs ) ds
IIE
<∞
(4.3)
0
n
erfüllt, für alle T > 0 gilt, dass
Z t
Z t
n
sup Xs dWs −
Xs dWs → 0
0≤t≤T
0
0
R
fast sicher und in L2 (IIP). X dW ist ein stetiges quadratisch integrierbares Martingal. Weiter, ist Y ∈ L2 , dann ist
Z
∞
|Xs Ys | ds ≤
0
nZ
0
∞
Xs2
Z
ds
∞
Ys2
ds
o1
2
,
(4.4)
0
und (4.1) ist ein Martingal.
Bemerkung.
Wegen Hilfssatz 4.2 gibt es immer eine Folge, die (4.3) erfüllt. 26
4. STOCHASTISCHE ANALYSIS
Sei {X n } eine Folge von einfachen Prozessen, die (4.3) erfüllt. Dann ist
Z t
i
Z t
hX
n+1
n
IIE
sup Xs dWs −
Xs dWs Beweis.
0≤t≤T
n
0
0
2 21
Z t
X n
n+1
≤
IIE sup (Xs − Xs ) dWs 0≤t≤T
n
≤
X
0
Z T
2 21
(Xsn+1 − Xsn ) dWs 4IIE 0
n
1
X Z T
2
n+1
n 2
=2
IIE
(Xs − Xs ) ds
n
0
1
X Z T
2
n+1
n
2
[(Xs − Xs ) − (Xs − Xs )] ds
=2
IIE
n
0
1
X Z T
2
n
2
(Xs − Xs ) ds
≤8
IIE
<∞,
n
0
wobei wir die Proposition C.9 sowie (a + b)2 ≤ 2(a2 + b2 ) verwendet haben. Somit
R
R
ist X n dW eine Cauchyfolge, und damit konvergiert X n dW gleichmässig auf
R
beschränkten Zeitintervallen gegen einen Prozess X dW fast sicher. Wegen der
Rt
gleichmässigen Konvergenz, ist IIE[( 0 Xs dWs )2 ] < ∞, und der Grenzprozess ist
stetig. Weiter gilt mit Hilfe des Lemmas von Fatou
Z t
Z t
2 n
Xs dWs IIE sup Xs dWs −
0≤t≤T 0
0
Z t
2 Z t
m
n
Xs dWs = IIE lim sup Xs dWs −
m→∞ 0≤t≤T 0
0
Z t
Z t
2 n
m
≤ lim IIE sup Xs dWs −
Xs dWs m→∞
0≤t≤T 0
0
Z T
2 hZ T
n
m
n
m 2
≤ lim 4IIE (Xs − Xs ) dWs = lim 4IIE
(Xs − Xs ) ds
m→∞
m→∞
0
0
hZ T
n
2
= 4IIE
(Xs − Xs ) ds ,
0
und die Konvergenz ist somit auch in L2 (IIP). Falls X = 0, dann muss der GrenzproR
zess auch 0 sein, und daher hängt X dW nicht von der gewählten Approximation
mit stückweise konstanten Prozessen ab.
Es gilt
IIE
hZ
0
t
(Xsn )2
hZ t
i
hZ t
i
n
2
2
ds ≤ 2 IIE
(Xs − Xs ) ds + IIE
(Xs ) ds
i
0
0
4. STOCHASTISCHE ANALYSIS
27
Der erste Term ist beschränkt, da er für n → ∞ nach 0 konvergiert, der zweite
Rt
ist unabhängig von n. Somit folgt, dass 0 Xsn dWs für jedes feste t gleichmässig
integrierbar ist. Weiter ist
Z t
Z t
Z t
2 2 n
n
Xs dWs
IIE
Xs dWs
= IIE
(Xs − Xs ) dWs +
0
0
0
Z t
2 hZ t
2 n
n
+ IIE
≤ 2 IIE
(Xs − Xs ) dWs
Xs dWs
0
0
hZ t
i
hZ t
i
n
2
2
≤ 16 IIE
(Xs − Xs ) ds + IIE
(Xs ) ds
0
0
und damit, wenn man n gegen Unendlich gehen lässt,
Z t
2 i
hZ
hZ t
2
Xs dWs
(Xs ) ds ≤ 16IIE
IIE
≤ 16IIE
0
∞
i
(Xs )2 ds < ∞ .
0
0
Rt
Da damit { s Xun dWu } gleichmässig integrierbar ist, folgt
Z t
i
i
hZ t
h
Xu dWu Fs = IIE lim
Xun dWu Fs
IIE
n→∞
s
s
i
hZ t
Xun dWu Fs = 0
= lim IIE
n→∞
und damit
R
s
X dW ein quadratisch integrierbares Martingal.
(4.4) ist ein klassisches Resultat aus der Analysis. Seien nun {X n } und {Y n }
Folgen von beschränkten stückweise konstanten Prozessen, die X und Y approxiR∞
R∞
mieren. Aus (4.4) folgt 0 (Xsn − Xs )Ysn ds → 0 und 0 Xs (Ysn − Ys ) ds → 0,
R∞
woraus 0 (Xsn Ysn − Xs Ys ) ds → 0 folgt. Wie oben gesehen, sind die Prozesse
R n
R
Rt
X dW Y n dW und 0 Xsn Ysn ds gleichmässig integrierbar. Somit ist
Z t
Z t
Z t
i
i
hZ t
h
n
Xu dWu
Yu dWu Fs = IIE lim
IIE
Xu dWu
Yun dWu Fs
n→∞
s
s
s
s
Z t
i
hZ t
= lim IIE
Xun dWu
Yun dWu Fs
n→∞
s
s
i
hZ t
Xun Yun du Fs
= lim IIE
n→∞
s
i
i
hZ t
hZ t
n n
Xu Yu du Fs .
= IIE
lim Xu Yu du Fs = IIE
s n→∞
Dies beweist, dass (4.1) ein Martingal ist.
s
Bevor wir das Integral ausdehnen, benötigen wir ein Resultat über das gestoppte
Martingal.
28
4. STOCHASTISCHE ANALYSIS
Hilfssatz 4.4. Sei X ∈ L2 und τ eine Stoppzeit. Dann gilt
Z t
Z τ ∧t
Xs 1Iτ >s dWs .
Xs dWs =
0
0
Beweis.
Wir haben
hZ t
2 i
hZ t
i
hZ
2
IIE
Xs 1Iτ >s dWs
= IIE
Xs 1Iτ >s ds = IIE
0
0
τ ∧t
Xs2
i
ds .
0
Weiter haben wir aufgrund des Stoppsatzes
Z t
hZ τ ∧t
i
hZ τ ∧t
hZ t
ii
IIE
Xs dWs
Xs 1Iτ >s dWs = IIE
Xs dWs IIE
Xs 1Iτ >s dWs Fτ ∧t
0
0
0
Z τ ∧t0
hZ τ ∧t
i
= IIE
Xs dWs
Xs 1Iτ >s dWs
0
0
hZ τ ∧t
i
hZ τ ∧t
i
2
2
Xs 1Iτ >s ds = IIE
Xs ds .
= IIE
0
Daraus folgt
IIE
hZ
τ ∧t
t
Z
Xs dWs −
0
Xs 1Iτ ≥s dWs
0
2 i
=0,
0
was die Behauptung beweist.
Wir wollen im weiteren das Integral auf L2loc ausdehnen. Definieren wir Tn =
RT
Rt
inf{t : 0 Xs2 ds > n}, so ist 0 n Xs2 ds integrierbar, und Tn → ∞.
Satz 4.5. Sei X ∈ L2loc . Dann gibt es einen eindeutigen stochastischen Prozess
R
Rτ
X dW , so dass, falls τ eine Stoppzeit ist, so dass IIE[ 0 Xs2 ds] < ∞, so gilt
R τ ∧t
Rt
R
Xs dWs = 0 Xs 1Iτ >s dWs . X dW ist dann ein stetiges lokales Martingal. Ist
0
weiter Y ∈ L2loc , so ist (4.1) ein lokales Martingal.
R T ∧t
Rt
Beweis. Wählen wir Tn wie oben, können wir 0 n Xs dWs = 0 Xs 1ITn >s dWs
R T ∧t
definieren. Aus Hilfssatz 4.4 folgt, dass für m > n das Integral 0 n Xs 1ITm >s dWs
Rt
R
mit 0 Xs 1ITn >s dWs übereinstimmt. Damit können wir also X dW definieren. Ist
Rτ
nun τ eine Stoppzeit, so dass IIE[ 0 Xs2 ds] < ∞, so erhalten wir
Z
Tn ∧t
Z
Xs 1Iτ >s dWs =
0
t
Z
Xs 1Iτ >s 1ITn >s dWs =
0
Z
=
Xs dWs .
0
Xs 1ITn >s dWs
0
Tn ∧(τ ∧t)
τ ∧t
4. STOCHASTISCHE ANALYSIS
29
Lassen wir n → ∞, sehen wir, dass die verlangte Bedingung gilt. Ist Y ein beliebiger
Rτ
Rt
Prozess, so dass Yτ ∧t = 0 Xs 1Iτ >s dWs für jede Stoppzeit τ mit IIE[ 0 Xs2 ds] < ∞,
so erhalten wir
Z
Z
Tn ∧t
t
Xs dWs ,
Xs 1ITn >s dWs =
YTn ∧t =
0
0
R T ∧t
und Y muss mit dem konstruierten Prozess übereinstimmen. Da 0 n Xs dWs ein
R
Martingal ist, ist X dW ein lokales Martingal. Ist Y ∈ L2loc , so wählen wir die
Rt
Rt
Stoppzeiten τn = inf{t : min{ 0 Xs2 ds, 0 Ys2 ds} > n}. Dann ist Mτn ∧t ein Martingal, und damit M ein lokales Martingal.
Wir weiten nun die Definition des stochastischen Integrals auf Martingale der
Rt
R
Form Nt = 0 Xs dWs aus. Wir wollen Y dN konstruieren. Wir wollen zeigen,
R
R
R
dass aus der analogen Konstruktion wie X dW folgt, dass Y dN = Y X dW .
Hilfssatz 4.6. Sei Y ein stückweise konstanter Prozess. Dann gilt
∞
X
Z
t
Yτk (Nτk+1 ∧t − Nτk ∧t ) =
Ys Xs dWs .
0
k=0
Beweis. Ist X ein stückweise konstanter Prozess, so können wir annehmen, dass
X und Y die selben Stoppzeiten benutzen. Also gilt
∞
X
Yτk (Nτk+1 ∧t − Nτk ∧t ) =
∞
X
Yτk Xτk (Wτk+1 ∧t − Wτk ∧t ) =
Ys Xs dWs .
0
k=0
k=0
t
Z
Sei nun X ∈ L2 . Wählen wir eine Folge von stückweise konstanten Prozessen X n ,
Rt
die X approximiert. Setzen wir Ntn = 0 Xsn dWs . Nehmen wir zuerst an, dass Y
durch eine Konstante c beschränkt ist.
Wir haben dann
IIE
∞
hX
Z
t
Yτk (Nτk+1 ∧t − Nτk ∧t ) −
Ys Xs dWs
2 i
0
k=0
n
≤ 3 IIE
∞
hX
2
Yτk (Nτk+1 ∧t − Nτk ∧t − Nτnk+1 ∧t + Nτnk ∧t )
k=0
+
+
∞
X
k=0
Z t
0
Yτk (Nτnk+1 ∧t
−
Nτnk ∧t )
Ys (Xsn − Xs ) dWs
Z
−
2 io
0
t
Ys Xsn
dWs
2
30
4. STOCHASTISCHE ANALYSIS
Der mittlere Term ist Null, und die beiden anderen Terme konvergieren gegen Null,
wenn man mit n → ∞ geht. Also gilt auch in diesem Fall die Behauptung. Ist nun
Y nicht beschränkt, so erhalten wir für Tm = inf{t : |Yt | > m}
Z Tm ∧t
∞
X
Yτk (Nτk+1 ∧Tm ∧t − Nτk ∧Tm ∧t ) =
Ys Xs dWs .
0
k=0
Lassen wir m → ∞ gilt auch in diesem Fall die Behauptung. Für einen beliebigen
Rt
Prozess X ∈ L2loc sei Tn = inf{t : 0 Xs2 Ys2 ds > n}. Dann erhalten wir
Z Tn ∧t
∞
X
Ys Xs dWs .
Yτk (Nτk+1 ∧Tn ∧t − Nτk ∧Tn ∧t ) =
0
k=0
Lassen wir n → ∞, folgt die Behauptung.
Wir definieren nun L2 (N ) als die Klasse der Prozesse Y ∈ L2loc , so dass gilt
R∞ 2 2
IIE[ 0 Ys Xs ds] < ∞.
Satz 4.7. Sei Y ∈ L2 (N ). Dann gilt für jede Folge Y n von stückweise konstanRt
R∞
ten Prozessen, so dass IIE[ 0 (Ysn − Ys )2 Xs2 ds] → 0, dass sup0≤t≤T { 0 Ysn dNs −
Rt
Y X dWs } fast sicher und in L2 (IIP) nach Null konvergiert.
0 s s
Beweis.
Aus
h
IIE sup
0≤t≤T
t
nZ
Z
Ysn
0
Ys Xs dWs
o2 i
0
nZ
h
= IIE sup
0≤t≤T
≤ 4IIE
t
dNs −
t
Ysn Xs
Z
dWs −
Ys Xs dWs
o2 i
0
0
T
hnZ
t
(Ysn
− Ys )Xs dWs
o2 i
hZ T
i
= 4IIE
(Ysn − Ys )2 Xs2 ds
0
0
2
folgt die Konvergenz in L (IIP). Weiter gilt für n 6= m
Z t
nZ t
o2 n
m
IIE sup
Ys dNs −
Ys dNs
0≤t≤T
0
0
Z t
nZ t
o2
n
≤ 2IIE sup
Ys Xs dWs −
Ys Xs dWs
0≤t≤T
0
+
0
nZ
0
t
Ysm Xs
t
Z
dWs −
Ys Xs dWs
o2 i
0
hZ T
i
hZ T
i
n
2 2
≤ 8 IIE
(Ys − Ys ) Xs ds + IIE
(Ysm − Ys )2 Xs2 ds .
0
Rt
0
Somit ist 0 Ysn dNs ein Cauchyfolge. Der Grenzwert kann nur
Somit ist die Konvergenz auch fast sicher.
Rt
0
Ysn Xs dWs sein.
4. STOCHASTISCHE ANALYSIS
31
Hilfssatz 4.8. Sei Y ∈ L2 (N ) und τ ein Stoppzeit. Dann gilt
Z t
Z τ ∧t
Ys dNs =
Ys 1Iτ >s dNs .
0
Beweis. Wir haben
Z
Z τ ∧t
Ys dNs =
0
0
τ ∧t
Z
Ys Xs dWs =
0
t
Z
Ys 1Iτ >s Xs dWs =
0
t
Ys 1Iτ >s dNs .
0
Rt
Wir definieren L2loc (N ) als die Klasse aller Prozesse Y , für die 0 Ys2 Xs2 ds < ∞
für alle t.
Rt
R τ ∧t
Satz 4.9. Sei Y ∈ L2loc (N ). Dann ist 0 Ys 1Iτ >s dNs = 0 Ys Xs dWs für jede
Stoppzeit τ , so dass {Xt 1Iτ >t } ∈ L2 (N ).
Beweis.
Wir haben für {Xt 1Iτ >t } ∈ L2 (N )
Z
Z t
Z t
Ys 1Iτ >s Xs dWs =
Ys 1Iτ >s dNs =
Xs Ys dWs .
0
0
0
τ ∧t
Damit haben wir
Rt
0
Ys dNs als
Rt
0
Ys Xs dWs konstruiert.
4.2. Die Itô-Formel
Definition 4.10. Ein stochastischer Prozess der Form
Z t
Z t
Xt = X0 +
Ys dWs +
Zs ds
0
0
heisst Itô-Prozess, wenn die Integrale wohldefiniert sind, X0 F0 -messbar ist, und
Y und Z adaptiert sind.
Hilfssatz 4.11. Ein Itô-Prozess hat eine eindeutige Zerlegung.
Beweis.
Falls es zwei Zerlegungen (Y 1 , Z 1 ) und (Y 2 , Z 2 ) gibt, dann ist
Z t
Z t
1
2
(Ys − Ys ) dWs =
(Zs2 − Zs1 ) ds
0
0
ein stetiges lokales Martingal von beschränkter Variation. Aus Hilfssatz C.15 schliessen wir, dass beide Seiten Null sind. Daher ist Z 1 = Z 2 . Da
hZ t
i
hZ t
2 i
1
2 2
IIE
(Ys − Ys ) ds = IIE
(Ys1 − Ys2 ) dWs
=0
0
folgt
Rt
(Ys1
0
−
Ys2 )2
0
1
2
ds = 0 und Y = Y .
32
4. STOCHASTISCHE ANALYSIS
Es ist nun möglich, das stochastische Integral hinsichtlich eines Itô-Prozesses zu
definieren
Z t
Z t
Z t
Us dXs =
Us Ys dWs +
Us Zs ds .
0
0
0
Statt einer Brownschen Bewegung können wir auch p unabhängige Brownsche Bewegungen betrachten. Wir können dann Itô-Prozesse
Xt = X0 +
p Z
X
i=1
t
Ysi
dWsi
t
Z
+
Zs ds
0
0
betrachten. Haben wir zwei Itô-Prozesse X 1 und X 2 , dann definieren wir den Prozess
1
2
hX , X it =
p Z
X
i=1
t
Ys1,i Ys2,i
Z
ds =
0
t
>
Y 1s Y 2s ds ,
0
wobei Y j = (Ysj,1 , . . . , Ysj,p ). hX 1 , X 2 it hat folgende Interpretation.
Hilfssatz 4.12. Seien Xt1 und Xt2 zwei Itô-Prozesse. Wir setzen tnk = tk2−n . Dann
konvergiert
2n
X
(Xt1nk − Xt1nk−1 )(Xt2nk − Xt2nk−1 ) = hX 1 , X 2 it .
lim
n→∞
k=1
Beweis. Stoppen wir, wenn max{|Xtk |, |Ytk |, |Ztk |, k = 1, 2} den Wert m erreicht
und lassen dann m → ∞, so genügt es die Aussage zu beweisen, wenn alle Prozesse
beschränkt sind. Nennen wir die entsprechende Konstante c. Es genügt die Aussage
Rt
für die einzelnen Terme zu beweisen. Ist Xt2 = 0 Zs2 ds, so ist wegen der Stetigkeit
von Xt1 der Pfad Xt1 gleichmässig stetig. Sei ε > 0. Für n gross genug, ist damit
|Xt1nk − Xt1nk−1 | < ε. Damit ist
Z t
2n
2n
X
X
1
1
2
2
2
2
|Xtnk − Xtnk−1 | → ε
|Zs | ds .
(Xtnk − Xtnk−1 )(Xtnk − Xtnk−1 ) < ε
k=1
k=1
0
Da ε beliebig war, ist der Grenzwert 0. Die Aussage gilt auch, wenn der erste Prozess
von beschränkter Variation ist.
Rt
Sei nun Xtk = 0 Ysk dWsk für zwei unabhängige Brownsche Bewegungen Wtk .
4. STOCHASTISCHE ANALYSIS
33
Wir finden (mit Hilfe einer Approximation des stochastischen Integrals)
2n
o2 i
hnX
IIE
(Xt1nk − Xt1nk−1 )(Xt2nk − Xt2nk−1 )
k=1
n
=
=
≤
n
2 X
2
X
IIE[(Xt1nk − Xt1nk−1 )(Xt2nk − Xt2nk−1 )(Xt1n` − Xt1n`−1 )(Xt2n` − Xt2n`−1 )]
k=1 `=1
2n
X
IIE[{(Xt1nk − Xt1nk−1 )(Xt2nk − Xt2nk−1 )}2 ]
k=1
2n
X
c4 (t2−n )2 = c4 t2 2−n .
k=1
Letzteres ist summierbar. Mit Hilfe der Chebychev-Ungleichung und dem Borel–
Cantelli-Lemma folgt, dass
2n
X
1
1
2
2
(Xtnk − Xtnk−1 )(Xtnk − Xtnk−1 ) > ε
k=1
nur endlich oft auftritt. Somit konvergiert dies ebenfalls nach Null.
Rt
Seien nun Xtk = 0 Ysk dWs für eine Brownsche Bewegung W . Da
n
2
X
(Xt1nk − Xt1nk−1 )(Xt2nk − Xt2nk−1 )
k=1
n
=
1
4
2
X
{[(Xt1nk
+
Xt2nk )
−
(Xt1nk−1
+
Xt2nk−1 )]2
−
[(Xt1nk
−
Xt2nk )
−
(Xt1nk−1
−
Xt2nk−1 )]2
i
k=1
und
Z
t
Ys1 Ys2
ds =
0
1
4
Z
t
[(Ys1 + Ys2 )2 − (Ys1 + Ys2 )2 ] ds ,
0
genügt es die Aussage für X = X 1 = X 2 zu beweisen. Da M definiert in (4.1) ein
Martingal ist, ist
Z tnk
h
i
2
IIE (Xtnk − Xtnk−1 ) −
Ys2 ds = 0 .
tn
k−1
Weiter erhalten wir wegen der Martingaleigenschaft
IIE
2n
hnX
k=1
2
(Xtnk − Xtnk−1 ) −
Z
tn
k
tn
k−1
n
Ys2
ds
o2 i
=
2
X
k=1
Z
hn
2
IIE (Xtnk − Xtnk−1 ) −
tn
k
tn
k−1
Ys2 ds
o2 i
.
34
4. STOCHASTISCHE ANALYSIS
Rv
Betrachten wir der Einfachheit halber nun IIE[(Xv2 − 0 Ys2 ds)2 ]. Wegen der
Martingaleigenschaft ist dies
Z vkm
Z v
2m
2 i
2 i X
h
h
2
2
2
2
.
Ys2 ds
=
Ys ds
IIE (Xvkm − Xvk−1
IIE Xv −
m ) −
0
m
vk−1
k=1
Pm
m 1
m ≤s<v m , so ist der letzte Erwartungswert
Approximieren wir Ys durch 2k=1 Yvk−1
Ivk−1
k
Z
m
h
2 i
vk
IIE (Xv2km − Xv2k−1
Ys2 ds
m ) −
m
vk−1
2
2
−m
2
m Yv m (Wv m − Wv m ) + Y m (Wv m − Wv m ) − Y m 2
v}2 ] .
= IIE[{2Xvk−1
vk−1
vk−1
k
k−1
k−1
k
k−1
m
Bedingen auf Fvk−1
gibt
IIE
h
(Xv2km
−
Xv2k−1
m )
Z
vkm
−
m
vk−1
Ys2 ds
2 i
2
−m
−2m 2
= IIE[4Xv2k−1
v + 2Yv4k−1
v ].
m Yv m 2
m 2
k−1
Wir können Ysi durch c abschätzen. Weiter haben wir
m
hZ vk−1
i
2
2
m
IIE[Xvk−1
E
Ys ds ≤ c2 vk−1
≤ c2 v .
m ] = II
0
Damit erhalten wir
Z
h
2
2
IIE (Xvkm − Xvk−1
m ) −
vkm
m
vk−1
Also ist
IIE
h
Xv2
Z
−
Ys2
v
Ys2
ds
ds
2 i
2 i
≤ (4 · 2−m + 2 · 2−2m )c4 v 2 .
≤ (4 + 2 · 2−m )c4 v 2 .
0
Unterteilen wir also im ursprünglichen Ausdruck das Intervall in 2m Unterintervalle,
wobei m > n, so erhalten wir
Z tnk
2n
2n
hnX
o2 i X
2
2
IIE
(X̃tnk − X̃tnk−1 ) −
Ỹs ds
≤
(4 + 2 · 2−m )c4 (2−n t)2
tn
k−1
k=1
k=1
= (4 + 2 · 2−m )c4 2−n t2 ,
wobei wir mit Ỹ und X̃ die Approximationen bezeichnen. Da die linke Seite nicht
von m abhängt, können wir m gegen Unendlich gehen lassen, und erhalten damit
Z tnk
2n
hnX
o2 i
2
2
n
n
IIE
(Xtk − Xtk−1 ) −
Ys ds
≤ 4c4 2−n t2 .
k=1
tn
k−1
Verwenden wir wieder die Chebychev-Ungleichung und das Borel–Cantelli-Lemma,
so erhalten wir wie im Falle von unabhängigen Brownsche Bewegungen die Behauptung.
4. STOCHASTISCHE ANALYSIS
35
Proposition 4.13. (partielle Integration) Seien X 1 und X 2 Itô-Prozesse.
Dann gilt
Z t
Z t
2
1
1 2
1 2
Xs dXs +
Xs1 dXs2 + hX 1 , X 2 it .
Xt X t = X0 X 0 +
0
0
Wir haben für tk = tk2−n
Beweis.
n
Xt1 Xt2
−
X01 X02
=
2
X
n
Xt1k−1 (Xt2k
k=1
−
Xt2k−1 )
+
2
X
Xt2k−1 (Xt1k − Xt1k−1 )
k=1
+
2n
X
(Xt1k − Xt1k−1 )(Xt2k − Xt2k−1 ) .
k=1
Diese Terme konvergieren gegen die gesuchten Integrale.
Das nächste Resultat, bekannt unter dem Namen Itô-Formel, ist wichtig in
Anwendungen.
Satz 4.14. Seien X = (X 1 , . . . , X n )> Itô-Prozesse hinsichtlich einer p-dimensionalen Brownschen Bewegung. Sei f : IRn+1 → IR eine Funktion, die stetig differenzierbar ist bezüglich der ersten Variablen und zweimal stetig differenzierbar ist
bezüglich der andern Variablen. Dann ist f (t, X t ) ein Itô-Prozess und
Z t
n Z t
X
∂
∂
f (s, X s ) ds +
f (s, X s ) dXsi
f (t, X t ) = f (0, X 0 ) +
i
∂s
∂x
0
i=1 0
Z
n
t
2
X
∂
+ 12
f (s, X s ) dhX i , X j is .
i
j
∂x x
i,j=1 0
Beweis. Die Formel gilt trivialerweise für f (t, x) = c ∈ IR, f (t, x) = t und
f (t, x) = xi . Nehmen wir an, die Formel gilt für f (t, x) und g(t, x). Die partielle
Integration ergibt dann
Z t
f (t, X t )g(t, X t ) = f (0, X 0 )g(0, X 0 ) +
g(s, X s ) df (s, X s )
0
Z t
+
f (s, X s ) dg(s, X s ) + hf (·, X)g(·, X)it .
0
Wir haben
Z tX
n X
n
∂
∂
f (s, X s ) j g(s, X s ) dhX i , X j is .
hf (·, X)g(·, X)it =
i
∂x
0 i=1 j=1 ∂x
36
4. STOCHASTISCHE ANALYSIS
Setzen wir alle Terme zusammen, erhalten wir, dass die Itô-Formel auch für das Produkt f (t, X t )g(t, X t ) gilt. Weiter, konvergiert f n (t, x) nach f (t, x), so dass auch die
Ableitungen konvergieren und beschränkt sind, so gilt die Formel auch für f (t, x),
falls sie für f n (t, x) gilt. Da die Formel für alle Polynome gilt, und sich jede stetige
beschränkte Funktion durch Polynome gleichmässig approximieren lässt, gilt sie damit für alle beschränkten Funktionen, deren erste und zweite Ableitung beschränkt
sind. Wir können die Prozesse so stoppen, dass die Funktionen und die Ableiungen
beschränkt sind. Daher gilt die Aussage auch für die behaupteten Funktionen. Die letzte Summe in der Itô-Formel erscheint wegen der quadratischen Variation.
Für einen Itô-Prozess schreiben wir kurz
dXt = Yt dWt + Zt dt .
Die eindimensionale Itô-Formel können wir dann schreiben als
df (t, Xt ) = fx (t, Xt )Yt dWt + (ft (t, Xt ) + fx (t, Xt )Zt + 12 fxx (t, Xt )Yt2 ) dt .
Beispiel 4.15. Ist f (t, x) = x2 , finden wir
Z t
Z t
Z t
2
1
Wt =
2Ws dWs + 2
2 ds = 2
Ws dWs + t .
0
Dies führt zur Formel
Rt
0
0
0
Ws dWs = 21 (Wt2 − t).
4.3. Stochastische Differentialgleichungen
Seien b : IR+ × IR → IR und σ : IR+ × IR → IR+ zwei Funktionen. Wir sagen, X ist
eine Lösung der stochastischen Differentialgleichung
dXt = σ(t, Xt ) dWt + b(t, Xt ) dt ,
falls
Z
Xt = X 0 +
t
Z
σ(s, Xs ) dWs +
0
und die Integrale wohldefiniert sind.
t
b(s, Xs ) ds
0
(4.5)
4. STOCHASTISCHE ANALYSIS
37
Satz 4.16. Seien b und σ stetige Funktionen, so dass es ein K ∈ IR gibt, mit
i)
|b(t, x) − b(t, y)| + |σ(t, x) − σ(t, y)| ≤ K|x − y| ,
ii)
|b(t, x)| + |σ(t, x)| ≤ K(1 + |x|) ,
für alle x, y. Falls IIE[X02 ] < ∞, gibt es im Interval [0, T ] eine eindeutige Lösung zu
(4.5) mit Anfangswert X0 . Diese Lösung erfüllt IIE[sup{|Xt |2 : 0 ≤ t ≤ T }] < ∞.
Beweis. Betrachten wir die Klasse E der adaptierten Prozesse X auf [0, T ], die
IIE[sup{|Xt |2 : 0 ≤ t ≤ T }] < ∞ erfüllen. Ausgestattet mit der Norm kXk =
1
IIE[sup{|Xt |2 : 0 ≤ t ≤ T }] 2 ist E ein Banachraum. Dann ist die Abbildung Φ,
Z t
Z t
Φ(X)t = X0 +
σ(s, Xs ) dWs +
b(s, Xs ) ds
0
0
wohldefiniert. Das stochastische Integral ist ein Martingal, da E ⊂ L2 . Es folgt damit
aus den Annahmen und aus Proposition C.9, dass Φ(X) ∈ E.
Mit Hilfe von (a + b)2 ≤ 2(a2 + b2 ) schliessen wir für X, Y ∈ E,
Z t
2
2
|Φ(X)t − Φ(Y )t | ≤ 2 sup (σ(s, Xs ) − σ(s, Ys )) dWs 0≤t≤T 0
Z t
2 + sup (b(s, Xs ) − b(s, Ys )) ds .
0≤t≤T
0
Aus Proposition C.9 schliessen wir
2
h
IIE[|Φ(X)t − Φ(Y )t | ] ≤ 2IIE sup
0≤t≤T
Z
t
|b(s, Xs ) − b(s, Ys )| ds
2 i
0
hZ
T
(σ(s, Xs ) − σ(s, Ys ))2 ds
h0
i
2 2
2
≤ (2K T + 8K T )IIE sup |Xt − Yt |2
+ 8IIE
i
0≤t≤T
2
2
2
= (2K T + 8K T )kX − Y k2 .
Falls T klein genug ist, sagen wir T ≤ T0 , ist Φ eine Kontraktion. Daher gibt es
eine eindeutige (in E) Lösung auf [0, T ∧ T0 ]. Da IIE[XT20 ] < ∞, können wir nun
Prozesse betrachten, die auf [0, T0 ] mit X übereinstimmen (wir nehmen T > T0 an).
Wir schliessen dann mit dem gleichen Argument, dass es eine eindeutige Lösung auf
[0, T ∧ 2T0 ] gibt. Vollständige Induktion ergibt eine eindeutige Lösung auf [0, T ].
Es bleibt zu zeigen, dass die Lösung eindeutig ist in der Klasse der Itô-Prozesse.
Dazu zeigen wir, dass eine Lösung in E sein muss. Sei X eine Lösung von (4.5).
38
4. STOCHASTISCHE ANALYSIS
Sei τn = inf{s : |Xs | > n} und f n (t) = IIE[sup{|Xs |2 : 0 ≤ s ≤ t ∧ τn }]. Da
(a + b + c)2 ≤ 3(a2 + b2 + c2 ) erhalten wir (wie oben)
hZ t∧τn
2 i
hZ t∧τn
i
n
2
f (t) ≤ 3 IIE[X0 ] + IIE
|b(s, Xs )| ds
+ 4IIE
σ 2 (s, Xs ) ds
0
0
hZ t∧τn
2 i
hZ t∧τn
i
2
≤ 3 IIE[X0 ] + IIE
K(1 + |Xs |) ds
+ 4IIE
K 2 (1 + |Xs |)2 ds
0
0
Z t
i h
2
2
2
2
ds
1 + IIE sup |Xv |
≤ 3 IIE[X0 ] + 2(K T + 4K )
0≤v≤s∧τn
0
Z t
2
2
2
f n (s) ds .
= 3(IIE[X0 ] + 2T K (T + 4)) + 6K (T + 4)
0
Aus Gronwalls Lemma F.1 finden wir
f n (T ) ≤ 3(IIE[X02 ] + 2T K 2 (T + 4))(1 + exp{6K 2 (T + 4)T }) .
Da diese Konstante nicht von n abhängt, folgt aus monotoner Konvergenz, dass
X ∈ E.
4.4. Der Ornstein–Uhlenbeck-Prozess
Betrachten wir die folgende stochastische Differentialgleichung
dXt = −cXt dt + σ dWt ,
X0 = x. Dann sind die Bedinungen des Satzes 4.16 erfüllt, und es gibt eine eindeutige
Lösung X. Der Prozess heisst Ornstein–Uhlenbeck-Prozess. Aus der Itô-Formel
schliessen wir, dass Yt = Xt ect die folgende Differentialgleichung erfüllt,
dYt = cXt ect dt + ect dXt = σect dWt .
Daher ist Yt = x + σ
Rt
0
ecs dWs , und
Xt = xe
−ct
+ σe
−ct
Z
t
ecs dWs .
(4.6)
0
Der Mittelwert ist somit IIE[Xt ] = xe−ct und die Varianz ist
Z t
1 − e−2ct
2 −2ct
Var[Xt ] = σ e
e2cs ds = σ 2
.
2c
0
Man kann einfach zeigen, dass X ein Gauss-Prozess ist. Lassen wir t → ∞, sehen
wir, dass die Verteilung schwach gegen eine Normalverteilung mit Mittelwert 0 und
4. STOCHASTISCHE ANALYSIS
39
Varianz σ 2 /(2c) konvergiert. Starten wir in X0 mit dieser Verteilung, so haben wir
einen stationären Prozess.
Der Ornstein–Uhlenbeck-Prozess hat die Eigenschaft, dass er immer versucht
zum Wert 0 zurückzukehren. Je weiter der Prozess von 0 entfernt ist, desto stärker
ist die Drift gegen 0.
4.5. Mehrdimensionale Differentialgleichungen
Sei W eine p-dimensionale Brownsche Bewegung. Gegeben seien Funktionen b :
IR+ × IRn → IRn und σ : IR+ × IRn → IRn×p , sowie eine n-dimensionale F0 -messbare
Zufallsvariable X 0 . Dann betrachten wir die n-dimensionale stochastische Differentialgleichung
dX t = σ(t, X t ) dW t + b(t, X t ) dt .
(4.7)
Dies ist für jede Koordinate eine stochastische Differentialgleichung, und die Lösung
muss das System der Differentialgleichungen erfüllen.
Ähnlich wie im eindimensionalen Fall kann man folgenden Satz beweisen. Wir
bezeichnen mit |x| die Euklidsche Norm in IRn und mit |σ| die Euklidsche Norm in
IRn×p .
Satz 4.17. Nehmen wir an, dass b und σ stetige Funktionen sind, die
i)
|b(t, x) − b(t, y)| + |σ(t, x) − σ(t, y)| ≤ K|x − y| ,
ii)
|b(t, x)| + |σ(t, x)| ≤ K(1 + |x|) ,
erfüllen, und dass IIE[|X 0 |2 ] < ∞. Dann gibt es eine eindeutige Lösung X von (4.7).
Weiter gilt, dass für alle T , IIE[sup{|X s |2 : 0 ≤ s ≤ T }] < ∞.
Betrachten wir wieder der Einfachheit halber den eindimensionalen Fall. Da dXt
eine Funktion von t, Xt und dWt ist, erwarten wir, dass die Zukunft der Lösung X
nicht von der Vergangenheit abhängt. Das heisst, wir vermuten, dass die Lösung ein
Markov-Prozess ist. Dies ist in der Tat der Fall. Nehmen wir an, dass t < s, und
dass der Prozess bis zum Zeitpunkt t beobachtet wurde. Dann ist IIE[Xt2 ] < ∞, und
es gibt einen eindeutigen Prozess Y , der die Gleichung
Z t+v
Z t+v
Yv = Xt +
σ(u, Yu−t ) dWu +
b(u, Yu−t ) du
t
t
erfüllt. Da Yv = Xt−v die Gleichung auch erfüllt, hat man ein heuristisches Argument, dass die Verteilung von Xs nur von Xt , und nicht von Ft abhängt. Einen
formalen Beweis findet man in [7].
40
4. STOCHASTISCHE ANALYSIS
Satz 4.18. Seien die Bedinungen des Satzes 4.17 erfüllt und sei X die Lösung von
(4.7). Dann ist X ein starker Markov-Prozess.
Wir haben folgendes
Korollar 4.19. Seien die Bedinungen des Satzes 4.17 erfüllt und sei X die Lösung
von (4.7). Seien f (x) und r(t, x) ≥ 0 messbare Funktionen. Dann gibt es für jedes
s < t eine messbare Funktion φ(x), so dass
i
h Rt
IIE e− s r(v,X v ) dv f (X t ) Fs = φ(X s ) .
5. DAS BLACK–SCHOLES-MODELL
5.
41
Das Black–Scholes-Modell
Wir arbeiten auf einem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, F, IIP) mit einer Brownschen
Bewegung W auf dem Interval [0, T ] und der natürlichen Filtration {Ft }. Wir nehmen der Einfachheit halber an, dass F = FT .
Wir betrachten nun einen Markt, in dem ein risikofreier Aktiv S 0 existiert, der
der Differentialgleichung
dSt0 = rSt0 dt
genügt. Wir setzen S00 = 1. Dann gilt St0 = ert . Im Weiteren gibt es einen riskanten
Aktiv S, der die stochastische Differentialgleichung
dSt = σSt dWt + µSt dt
erfüllt. Da man normalerweise eine Prämie für das Risiko bezahlt, können wir annehmen, dass µ > r. Dies ist aber für unsere Betrachtungen ohne Bedeutung. Wir
nehmen an, dass S0 > 0.
Wir können die Gleichung durch St teilen und dadurch die Variable St von den
Variablen t und Wt separieren. Im Falle einer klassischen Differentialgleichung würde
man dann eine Lösung für log St erhalten. Wir betrachten daher den Prozess Yt =
log St . Da wir nicht wissen, dass St > 0 für alle t, stoppen wir zuerst den Prozess
zur Zeit τε = inf{t : St < ε}. Aus der Itô-Formel schliessen wir für t ≤ τε
1
1 2
1
2
µSt − 21
σ
(S
)
dt = σ dWt + (µ − 21 σ 2 ) dt .
dYt = σSt dWt +
t
St
St
(St )2
Diese Gleichung ist nun einfach zu lösen, Yt = Y0 + σWt + (µ − 21 σ 2 )t, und daher
St = S0 exp{σWt + (µ − 21 σ 2 )t} .
Insbesondere gilt die Formel auch, wenn wir ε → 0 gehen lassen. Wir müssen somit
nicht in τε stoppen. Wir sehen, dass St lognormal verteilt ist.
Wir wollen nun den Begriff “selbstfinanzierend” auf das Black–Scholes Modell
übertragen. Ein Portfolio ist ein Prozess {φt } = {(φ0t , φt )}, der angibt wieviele
Einheiten des risikolosen und des riskanten Aktivs man zur Zeit t hält. Der Wert
des Portfolios ist dann
Vt = φ0t St0 + φt St .
Selbstfinanzierend bedeutet ja, dass man weder Geld konsumiert, noch Geld dazufügt, also
dVt (φ) = φ0t dSt0 + φt dSt .
42
5. DAS BLACK–SCHOLES-MODELL
Rt
Die stochastischen Integrale auf der rechten Seite sind wohldefiniert, falls 0 |φ0s | ds <
Rt
∞ und 0 (φs )2 ds < ∞. Wir brauchen also die folgende Definition.
Definition 5.1. Eine selbstfinanzierende Strategie ist ein adaptierter Prozess
φ, so dass
Z T
(|φ0t | + (φt )2 ) dt < ∞ ,
i)
0
φ0t St0
ii)
+ φt St =
φ00 S00
Z
+ φ0 S0 +
t
φ0s
dSs0
Z
0
0
für alle t ∈ [0, T ].
t
φs dSs
+
Betrachten wir die diskontierten Prozesse S̃t0 = 1 und S̃t = e−rt St , sowie den diskontierten Wert Ṽt (φ) = e−rt Vt (φ). Dann können wir die Definition wie folgt schreiben.
Hilfssatz 5.2. Sei φ ein adaptierter Prozess, so dass
ist genau dann selbstfinanzierend, wenn
Z t
Ṽt (φ) = V0 (φ) +
φs dS̃s .
RT
0
(|φ0t | + (φt )2 ) dt < ∞. φ
0
Beweis.
Sei φ selbstfinanzierend. Dann gilt
dṼt (φ) = −rṼt (φ) dt + e−rt dVt (φ) = −r(φ0t S̃t0 + φt S̃t ) dt + e−rt (φ0t dSt0 + φt dSt )
= φ0t dS̃t0 + φt dS̃t = φt dS̃t .
Die Umkehrung folgt ähnlich.
Wir konstruieren nun ein äquivalentes Mass.
Proposition 5.3. (Girsanovs Theorem) Sei L = exp{−(µ − r)WT /σ − 12 (µ −
r)2 T /σ 2 }. Definieren wir das äquivalente Mass IIP∗ [A] = IIE[L1IA ] auf FT . Dann
ist Wt∗ = Wt + (µ − r)t/σ für 0 ≤ t ≤ T eine Brownsche Bewegung unter IIP∗ .
Insbesondere ist {S̃t } ein Martingal unter IIP∗ .
Beweis.
Der Prozess {Wt∗ } ist stetig und W0∗ = 0. Der Prozess
Lt = exp{−(µ − r)Wt /σ − 12 (µ − r)2 t/σ 2 } = IIE[L | Ft ]
ist ein IIP-Martingal. Für A ∈ Ft gilt dann IIP∗ [A] = IIE[Lt 1IA ], siehe (D.1), und
IIP∗ [A | Fs ] = IIE[Lt 1IA | Fs ]/Ls für s ≤ t, siehe (D.2).
5. DAS BLACK–SCHOLES-MODELL
43
Betrachten wir nun einen Zuwachs von {Wt∗ }. Dann gilt für β ∈ IR, 0 ≤ t <
t + s ≤ T und θ = (µ − r)/σ,
∗
IIE∗ [exp{β(Wt+s
− Wt∗ )} | Ft ]
= IIE[exp{β(Wt+s − Wt + θs) − θ(Wt+s − Wt ) − 21 θ2 s} | Ft ]
= IIE[exp{(β − θ)(Wt+s − Wt )}] exp{(βθ − 21 θ2 )s}
= exp{ 12 (β − θ)2 s + (βθ − 12 θ2 )s} = exp{ 12 β 2 s} .
∗
− Wt∗ unabhängig von Ft und normalverteilt
Wir haben somit gezeigt, dass Wt+s
mit Mittelwert 0 und Varianz s ist. Daher ist W ∗ eine Brownsche Bewegung.
Da
S̃t = S0 exp{σWt + (µ − 12 σ 2 − r)t} = S0 exp{σWt∗ − 21 σ 2 t} ,
folgt sofort, dass S̃ ein IIP∗ -Martingal ist.
Definition 5.4. Eine Strategie φ heisst zulässig, falls sie selbstfinanzierend ist,
und Vt (φ) ≥ 0 für alle t oder IIE∗ [(supt Vt (φ))2 ] < ∞. Eine Strategie φ heisst Arbitrage, falls sie zulässig ist, V0 (φ) = 0, VT (φ) ≥ 0 und IIP[VT (φ) > 0] > 0.
Im diskreten Fall genügte es anzunehmen, dass VT (φ) ≥ 0. Falls es keine Arbitrage
gab, war dann automatisch Vt (φ) ≥ 0 für alle t. Dies ist hier nicht mehr der Fall.
Beispiel 5.5. Das Startkapital sei V0 (φ) = 0, und wir definieren dann folgende
1
Strategie: φt = σ −1 (1 − t)− 2 1Iτ >t /S̃t , wobei τ = inf{t > 0 : Ṽt (φ) > 1}. Wir haben
Z t
Z t
Z t∧τ
1
∗
φs dS̃s = σ
φs S̃s dWs =
(1 − s)− 2 dWs∗ .
Ṽt (φ) =
0
0
0
Rt
Wir setzen θt = σ 2 0 φ2s S̃s2 ds = − log(1 − (t ∧ τ )). Wir wählen {φ0t } so, dass die
Strategie selbstfinanzierend wird. Die Strategie ist wohldefiniert, falls τ < 1. Es ist
einfach zu zeigen, dass Ṽ1−e−t (φ) eine standard Brownsche Bewegung ist. Daher ist
IIP∗ [τ < 1] = 1 = IIP[τ < 1] und die Strategie ist wohldefiniert. Da Ṽ1 (φ) = 1, hätten
wir eine Arbitrage, falls wir nur verlangen würden, dass V1 (φ) ≥ 0.
Das folgende Resultat ist oft nützlich.
Satz 5.6. (Martingal-Repräsentationstheorem) Sei {Ft } erzeugt durch die
W
Brownsche Bewegung W , und F = t≥0 Ft . Sei M ein quadratisch integrierbares
44
5. DAS BLACK–SCHOLES-MODELL
Martingal (das heisst, supt≥0 IIE[Mt2 ] < ∞). Dann gibt es einen adaptierten Prozess
R∞
{Ht } mit IIE[ 0 Ht2 dt] < ∞, so dass
Z
Mt = M0 +
t
Hs dWs .
0
Bemerkung. Es ist hier wichtig, dass die Filtration nur durch die Brownsche
Bewegung erzeugt wird.
Satz 5.7. Im Black–Scholes-Modell gibt es keine Arbitrage.
Beweis.
Sei φ eine zulässige Strategie mit V0 (φ) = 0 und VT (φ) ≥ 0. Dann ist
Z t
Z t
Ṽt (φ) = V0 (φ) +
φs dS̃s = V0 (φ) +
φs σ S̃t dWs∗
0
0
ein lokales IIP∗ -Martingal. Nehmen wir die quadratische Integrierbarkeit an. Dann
folgt, dass {Ṽt (φ)} ein IIP∗ -Martingal ist. Wir haben 0 = V0 (φ) = IIE∗ [ṼT (φ)]. Nehmen wir die Positivität an. Dann ist {Ṽt (φ)} ein Supermartingal (Hilfssatz C.14).
Also erhalten wir
0 = V0 (φ) ≥ IIE∗ [ṼT (φ)] ≥ 0 .
Somit IIP∗ [ṼT (φ) = 0] = 1. Da IIP und IIP∗ äquivalent sind, gilt auch IIP[ṼT (φ) = 0] =
1. Somit gibt es keine Arbitrage.
Wie im diskreten Fall nennen wir h = f (S) einen bedingten Anspruch, wobei
f : IR[0,T ] → IR+ ein positives Funktional ist. Der Einfachheit halber wird h im
Zeitpunkt T ausbezahlt.
Satz 5.8. Im Black–Scholes-Modell ist jeder bedingte Anspruch h mit der Eigenschaft IIE∗ [h2 ] < ∞ reproduzierbar, das heisst, es gibt ein zulässiges Portfolio φ, so
dass VT (φ) = h. Der Wert dieses Portfolios (und damit der Preis) ist gegeben durch
Vt (φ) = IIE∗ [e−r(T −t) h | Ft ] .
Beweis.
Da
Ṽt (φ) = IIE∗ [e−rT h | Ft ]
5. DAS BLACK–SCHOLES-MODELL
45
ein quadratisch integrierbares Martingal ist, gibt es nach dem RepräsentationstheoRt
rem einen Prozess H, so dass Ṽt (φ) = V0 (φ)+ 0 Hs dWs∗ . Setzen wir φt = Ht /(σ S̃t ),
lässt sich φ0t konstruieren, so dass φ eine selbstfinanzierende Strategie ist. Es gilt
Rt
Rt
Rt
φ dS̃s = 0 Hs dWs∗ . Wegen der quadratischen Integrierbarkeit, ist { 0 φs dS̃s }
0 s
ein Martingal. Wir haben dann
VT (φ) = erT ṼT (φ) = erT IIE∗ [e−rT h | FT ] = h ,
das heisst, dass h reproduzierbar ist. Aus der Martingaleigenschaft folgt
Vt (φ) = ert Ṽt (φ) = ert IIE∗ [e−rT h | Ft ] = IIE∗ [e−r(T −t) h | Ft ] .
Da damit Vt (φ) ≥ 0, ist die Strategie zulässig.
Falls h = f (ST ), haben wir Vt (φ) = e−r(T −t) IIE∗ [f (ST ) | Ft ]. Da ST lognormalverteilt ist, erhalten wir
Z ∞
√
1
2
−r(T −t)
Vt (φ) = e
f (St exp{σz T − t + (r − 12 σ 2 )(T − t)}) √ e−z /2 dz
2π
−∞
Z ∞
1 2
n
−r(T −t)
[v − log St − (r − 2 σ )(T − t)]2 o
e
f (ev ) exp −
dv . (5.1)
= p
2σ 2 (T − t)
σ 2π(T − t) −∞
Wir sehen, dass Vt (φ) = f (t, St ) für eine Funktion f : IR2+ → IR+ . Setzen wir
d1/2 =
log x/K + (r ± 21 σ 2 )(T − t)
√
,
σ T −t
erhalten wir die sogenannte Black–Scholes-Formel. Eine einfache Rechung ergibt für
die Call Option f (ST ) = (ST − K)+ den Wert der Strategie
f (t, x) = xΦ(d1 ) − Ke−r(T −t) Φ(d2 ) .
Die Put-Option f (ST ) = (K − ST )+ hat den Wert
f (t, x) = Ke−r(T −t) Φ(−d2 ) − xΦ(−d1 ) .
Mit Φ(x) bezeichnen wir die Verteilungsfunktion der Standard-Normalverteilung.
Der Erfolg der Black–Scholes-Formel rührt daher, dass der Driftparameter µ
keine Rolle spielt. Es spielt also keine Rolle, was der einzelne Agent glaubt. Man
braucht nur die Volatilität σ zu schätzen. Das macht man normalerweise, in dem
man σ aus historischen Daten schätzt. Eine andere Möglichkeit wäre, Optionspreise
in die Black–Scholes-Formel einzusetzen, und dann nach σ aufzulösen.
46
5. DAS BLACK–SCHOLES-MODELL
Setzt man Optionspreise in die Black–Scholes-Formel ein, dann heisst das erhaltene σ implizierte Volatilität. Man kann sich jetzt verschiedene Laufzeiten
der Option ansehen. Es stellt sich heraus, dass sich die implizierte Volatilität mit
der Laufzeit ändert. Verbindet man die Punkte, erhält man eine konvexe Kurve.
Man kann sich die implizierte Volatilität auch als Funktion des Ausübungspreises
K ansehen. Auch hier erhält man eine konvexe Kurve. Diese Kurve nennt man
Volatility-Smile. Der Grund dafür ist, dass das Black–Scholes-Modell nicht ganz
der Realität entspricht. Es gibt (wenige) Tage, wo die Börse grosse Sprünge macht.
Im weiteren ist die Volatilität nicht konstant. Für diese Unsicherheiten verlangt der
Markt auch eine Prämie.
Nehmen wir an, dass Vt (φ) = f (t, St ), und dass f (t, x) zweimal stetig nach x
differenzierbar ist, und einmal stetig nach t. Dies ist der Fall, wenn h = f (ST ),
wie man aus (5.1) erkennen kann. Setzen wir f˜(t, x) = f (t, xert )e−rt . Dann ist der
diskontierte Wert des bedingten Anspruchs
Ṽt (φ) = f˜(t, S̃t ) .
Aus der Itô-Formel schliessen wir dann
Z t
Z t
∗
[f˜t (s, S̃s ) + 12 σ 2 S̃s2 f˜xx (s, S̃s )] ds .
σ S̃s f˜x (s, S̃s ) dWs +
f˜(t, S̃t ) = V0 +
0
0
Da Ṽt (φ) ein Martingal unter IIP∗ ist, muss der Teil mit der beschränkten Variation
verschwinden. Also gilt
Z t
Z t
∗
σ S̃s f˜x (s, S̃s ) dWs = V0 +
f˜x (s, S̃s ) dS̃s .
f˜(t, S̃t ) = V0 +
0
0
Aus Hilfssatz 5.2 schliessen wir, dass die Strategie φt = f˜x (t, S̃t ) = fx (t, St ) selbstfinanzierend ist. Sie reproduziert aber auch den (diskontierten) Wert des bedingten
Anspruchs. Die Anzahl Einheiten, die wir in den risikolosen Aktiv investieren, ist
daher
φ0t = (f (t, St ) − f˜x (t, St e−rt )St )e−rt = (f (t, St ) − fx (t, St )St )e−rt .
Für die europäische Call-Option erhalten wir φt = Φ(d1 ) und φ0t = −Ke−rT Φ(d2 ).
Für die europäische Put-Option erhalten wir φt = −Φ(−d1 ) und φ0t = Ke−rT Φ(−d2 ).
In der Praxis nennt man fx (t, St ) “delta”, und die zweite Ableitung fxx (t, St )
“gamma”. Die Grösse gamma ist ein Mass, wie schnell man Aktien kaufen oder
verkaufen muss, wenn sich der Aktienpreis ändert. Da man in der Praxis Administrationskosten und Steuern bezahlen muss, möchte man gerne ein kleines gamma
5. DAS BLACK–SCHOLES-MODELL
47
haben. Mit “theta” bezeichnet man ft (t, St ), was zusammen mit gamma ein Mass
ist, wie schnell man den risikolosen Aktiv kaufen oder verkaufen muss, siehe (6.1).
Als letzte Grösse hat man df (t, St )/dσ, die Ableitung bezüglich der Voltilität, definiert. Diese Grösse nennt man “vega”. Vega ist ein Mass, wie sensitiv der Preis
hinsichtlich der Volatilität ist. Da man σ schätzen muss, ist vega das Risiko, das
man eingeht, wenn man ein “falsches” σ für die Preisberechnung benutzt.
Betrachten wir nun eine amerikanische Option. Das ist, die Auszahlung wird
durch einen positiven Prozess {ht } bestimmt. Der Halter der Option kann eine
Stoppzeit τ ≤ T bestimmen, und erhält dann den Betrag hτ . In diskreter Zeit
haben wir gesehen, dass der Preis der amerikanischen Option mit einem optimalen
Stoppproblem zusammenhängt. Weiter haben wir gesehen, dass, falls der Halter der
Option nicht optimal stoppt, der Verkäufer der Option einen Gewinn macht. Dieser
Gewinn kann aus dem Portfolio herausgenommen werden, was wir als Konsum von
Kapital interpretieren können.
Definition 5.9. Eine Handelsstrategie mit Konsum ist ein adaptierter ProRT
zess φ, so dass 0 (|φ0t | + φ2t ) dt < ∞ und
Z t
Z t
0
0
0 0
0 0
φs dSs − Ct ,
φs dSs +
φt St + φt St = φ0 S0 + φ0 S0 +
0
0
wobei C ein adaptierter wachsender Prozess mit C0 = 0 ist.
Wir betrachten den Spezialfall ht = ψ(St ), wobei ψ(x) eine lineare obere Schranke
ψ(x) ≤ A + Bx hat, für ein A, B ≥ 0. Wir suchen jetzt eine Strategie φ, so dass
Vt (φ) ≥ ψ(St ) für alle t.
Wie im diskreten Fall bezeichnen wir mit Tt die Klasse der Stoppzeiten mit
Werten in [t, T ].
Satz 5.10. Sei
f (t, x) = sup IIE∗ [e−r(τ −t) ψ(x exp{(r − 12 σ 2 )(τ − t) + σ(Wτ∗ − Wt∗ )})] .
τ ∈Tt
Dann gibt es eine Strategie φ, so dass Vt (φ) = f (t, St ) ≥ ψ(St ). Ist φ0 eine Strategie
mit Konsum mit der Eigenschaft, dass Vt (φ0 ) ≥ ψ(St ), dann gilt Vt (φ0 ) ≥ Vt (φ).
Beweis. Wählen wir die Stoppzeit τ = t, sehen wir dass f (t, St ) ≥ ψ(St ). Da
Ts ⊂ Tt für t ≤ s ≤ T , haben wir für jede Stoppzeit τ ∈ Ts ,
f (t, St )e−rt ≥ IIE∗ [e−rτ ψ(Sτ ) | Ft ] = IIE∗ [IIE∗ [e−rτ ψ(Sτ ) | Fs ] | Ft ] .
48
5. DAS BLACK–SCHOLES-MODELL
Wählen wir eine Stoppzeit τ , so dass f (s, Ss ) ≤ IIE∗ [e−r(τ −s) ψ(Sτ ) | Fs ] + ε. Da
f (t, x) stetig in x ist, kann τ messbar gewählt werden. Der Beweis beruht auf der
gleichmässigen Stetigkeit in einem Intervall. Dann erhalten wir
f (t, St )e−rt ≥ IIE∗ [f (s, Ss )e−rs − ε | Ft ] .
Da ε beliebig ist, haben wir IIE∗ [f (s, Ss )e−rs | Ft ] ≤ f (t, St )e−rt . Somit ist der Prozess {f (t, St )e−rt } ein Supermartingal. Sei nun M ein IIP∗ -Supermartingal mit der
Eigenschaft, dass Mt ≥ ψ(St )e−rt für alle t. Dann gilt für τ ∈ Tt
Mt ≥ IIE∗ [Mτ | Ft ] ≥ IIE∗ [e−rτ ψ(Sτ ) | Ft ] .
Nehmen wir das Supremum über Tt , erhalten wir, dass Mt ≥ e−rt f (t, St ). Daher ist
f (t, St ) die Snell-Hülle von e−rt ψ(St ).
Sei φ0 eine Strategie mit Konsum mit Vt (φ0 ) ≥ ψ(St ). Dann gilt für den diskontierten Wert dieser Strategie
Z t
0
0
−rt 0
φs dS̃s .
Ṽt (φ ) + e Ct = V0 (φ ) +
0
Somit ist {Ṽt (φ0 ) + e−rt Ct0 } ein positives lokales Martingal, das bedeutet ein Supermartingal. Sei τ eine beliebige Stoppzeit. Dann ist
IIE∗ [e−rτ ψ(Sτ )] ≤ IIE∗ [Ṽτ (φ0 )] ≤ IIE∗ [Ṽτ (φ0 ) + e−rτ Cτ0 ] ≤ V0 (φ0 ) .
Nehmen wir das Supremum über alle Stoppzeiten, haben wir V0 (φ0 ) ≥ f (0, S0 ).
Analog erhält man Vt (φ0 ) ≥ f (t, St ).
Es bleibt zu zeigen, dass es eine Strategie φ gibt, so dass Vt (φ) = f (t, St ). Wir
haben die Abschätzung
f (t, St ) = sup IIE∗ [e−r(τ −t) ψ(Sτ ) | Ft ] ≤ sup IIE∗ [e−r(τ −t) (A + BSτ ) | Ft ] ≤ A + BSt .
τ ∈Tt
τ ∈Tt
Da {St e−rt } ein IIP∗ -Martingal ist, ist es von der Klasse DL. Daraus schliessen wir,
dass {f (t, St )e−rt } von der Klasse DL ist. Somit gibt es die Doob–Meyer-Zerlegung
f (t, St )e−rt = M̃t − Ãt , wobei M̃ ein Martingal ist und à ein wachsender vorhersehbarer Prozess ist. Da {f (t, St )e−rt } ein stetiges Supermartingal ist, muss M̃ auch
stetig sein. Da M̃T − ÃT quadratisch integrierbar und positiv ist, kann man zeigen,
dass auch M̃T quadratisch integrierbar ist. Somit gibt es eine Strategie {φ̃t }, mit
Rt
M̃t = M̃0 + 0 φ̃s dS̃s . Setzen wir φ̃0t = M̃t − φ̃t S̃t , erhalten wir eine selbstfinanzierende Strategie. Da M̃ quadratisch integrierbar und positiv ist, ist die Strategie φ
zulässig. Die Strategie φ mit φt = φ̃t und φ0t = φ̃0t − Ãt ist eine Handelsstrategie mit
Konsum Ct = ert At , die den Wert f (t, St ) hat.
5. DAS BLACK–SCHOLES-MODELL
49
Wir können nun aus dem obigen Resultat schliessen, dass eine optimale Stoppzeit
durch τ ∗ = inf{t : f (t, Xt ) = ψ(Xt )} = inf{t : Ãt > 0} gegeben ist.
Betrachten wir nun die Amerikanische Call-Option. Wir vermuten, dass wie im
diskreten Fall, die optimale Strategie darin besteht, bis zum Zeitpunkt T zu warten,
bis man die Option einlöst. Es genügt, den Zeitpunkt 0 zu betrachten. Sei τ eine
Stoppzeit mit Werten in [0, T ]. Dann gilt
IIE∗ [e−rT (ST − K)+ | Fτ ] ≥ IIE∗ [S̃T − e−rT K | Fτ ] = S̃τ − e−rT K ≥ S̃τ − e−rτ K .
Da die linke Seite positiv ist, gilt auch IIE∗ [e−rT (ST − K)+ | Fτ ] ≥ e−rτ (Sτ − K)+ .
Somit ist der Optionspreis IIE∗ [e−rT (ST − K)+ ]. Da IIP∗ [ST > K | Ft ] > 0, ist es
sicher nicht optimal, die Option einzulösen, falls Sτ ≤ K und τ < T . Dann ist im
Falle Sτ > K
S̃τ − e−rT K > S̃τ − e−rτ K
falls τ < T . Das bedeutet, dass τ = T die einzige optimale Stoppzeit ist.
Im Falle der amerikanischen Put-Option gibt es keine geschlossene Formel für
den Optionspreis. Wir können eine obere Grenze finden, falls wir T = ∞ erlauben.
Dann ist der Preis
f (S0 ) = sup IIE∗ [e−rτ (K − Sτ )+ 1Iτ <∞ ] ,
τ ∈T
wobei T die Klasse aller Stoppzeiten ist. Wir wollen nun die Funktion f (x) bestimmen.
Proposition 5.11. Sei γ = 2r/σ 2 und x∗ = Kγ/(1 + γ). Dann ist
K −x,
falls x ≤ x∗ ,
f (x) =
(K − x∗ )(x∗ /x)γ , falls x > x∗ .
Bemerkung. Wir sehen, dass für T = ∞ die optimal Strategie gegeben ist durch
τx∗ = inf{t : St < x∗ }. Für T < ∞ ist die optimale Strategie von der Form τ ∗ =
inf{t ≤ T : St < x∗ (T − t)}, wobei die Funktion x∗ (t) numerisch berechnet werden
muss.
Beweis.
Nach Definition ist die Funktion f gegeben durch
f (x) = sup IIE∗ [(Ke−rτ − x exp{σWτ∗ − 21 σ 2 τ })+ 1Iτ <∞ ] .
τ ∈T
50
5. DAS BLACK–SCHOLES-MODELL
Wir sehen, dass f (x) positiv, fallend und konvex ist, und dass (τ = 0) f (x) ≥
(K − x)+ . Für τ = 1 erhalten wir f (x) > 0. Weiter gilt f (0) = K. Setzen wir
x∗ = sup{x ≥ 0 : f (x) = K − x}. Dann ist 0 ≤ x∗ < K wohldefiniert. Aus der
Konvexität schliessen wir f (x) = K − x für x ≤ x∗ und f (x) > (K − x)+ für x > x∗ .
Wie im Fall T < ∞ gilt es, dass τ ∗ = inf{t : f (St ) = K − St } optimal ist, wobei wir
benutzen, dass f (x) > 0. Somit ist τ ∗ = τx∗ . Wir können also das Problem lösen,
indem wir
φ(z) = IIE∗ [(Ke−rτz − x exp{σWτ∗z − 12 σ 2 τz })+ 1Iτz <∞ ]
berechnen und dann maximieren, wobei τz = inf{t : St < z}. Wir können annehmen,
dass 0 ≤ z < x ≤ K. Aus der Stetigkeit erhalten wir
φ(z) = (K − z)IIE∗ [e−rτz 1Iτz <∞ ] .
Wir bemerken, dass St = x exp{σWt∗ + (r − σ 2 /2)t}. Setzen wir µ = (r − 21 σ 2 )/σ,
können wir schreiben τz = inf{t : Wt∗ + µt < σ −1 log(z/x)}. Man hat für Tb = inf{t :
Wt∗ + µt < b} die allgemeine Formel
p
IIE∗ [e−αTb 1ITb <∞ ] = exp{µb − |b| µ2 + 2α} .
Somit erhalten wir
p
φ(z) = (K − z) exp{µσ −1 log(z/x) + σ −1 log(z/x) µ2 + 2r} = (K − z)(z/x)γ .
Die Ableitung ist
φ0 (z) = x−γ z γ−1 (γ(K − z) − z) .
Daher hat φ(z) das Maximum in x∗ .
6. PREISE UND PARTIELLE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN
6.
51
Preise und partielle Differentialgleichungen
Wir betrachten nun stochastische Prozesse, die durch die stochastische Differentialgleichung
dXt = b(t, Xt ) dt + σ(t, Xt ) dWt
gegeben sind. Die Funktionen b(t, x) und σ(t, x) seien so gewählt, dass sie die Bedingungen des Satzes 4.16 erfüllen. Dann haben wir die folgende
Proposition 6.1. Sei f (t, x) eine zweimal stetig in x und stetig in t differenzierbare Funktion mit beschränkter Ableitung nach x. Sei A der Operator
∂f
∂ 2f
∂f
+ 21 σ 2 (t, x) 2 + b(t, x)
.
∂t
∂x
∂x
Rt
Dann ist der Prozess {f (t, Xt ) − 0 Af (s, Xs ) ds} ein Martingal.
Af (t, x) =
Beweis.
Aus der Itô-Formel schliessen wir, dass
Z t
Z t
∂
σ(s, Xs ) f (s, Xs ) dWs .
Af (s, Xs ) ds = f (0, X0 ) +
f (t, Xt ) −
∂x
0
0
Da
∂f
(s, Xs )
∂x
beschränkt ist, haben wir ein Martingal.
Korollar 6.2. Zusätzlich zu den Annahmen in Proposition 6.1 sei r(t, x) eine
beschränkte stetige Funktion. Dann ist der Prozess
o
n n Z t
r(s, Xs ) ds f (t, Xt )
exp −
0
Z t
o
o
n Z s
r(v, Xv ) dv (Af (s, Xs ) − r(s, Xs )f (s, Xs )) ds
exp −
−
0
0
ein Martingal.
Beweis.
on 6.1.
Die Aussage folgt aus der partiellen Integrationsformel und Propositi
Das obige Resultat gilt auch in mehrdimensionalen Modellen. Sei X ein ndimensionaler Itô-Prozess
dX t = b(t, X t ) dt + σ(t, X t ) dW t ,
wobei W eine p-dimensionale Brownsche Bewegung ist. Wir definieren den Generator
n
n
X
∂f
1X
∂ 2f
∂f
Af (t, x) =
+
aij (t, x)
+
bi (t, x)
,
∂t
2 i,j=1
∂xi xj
∂x
i
i=1
wobei a = (aij )ij = σσ > .
52
6. PREISE UND PARTIELLE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN
Proposition 6.3. Nehmen wir an, dass b(t, x) und σ(t, x) die Bedingungen des
Satzes 4.17 erfüllen, dass f zweimal stetig differenzierbar nach x und einmal stetig
differenzierbar nach t ist, mit beschränkten Ableitungen nach x, und dass r(t, x)
eine stetige beschränkte Funktion ist. Dann ist
o
n n Z t
r(s, X s ) ds f (t, X t )
exp −
Z 0t
n Z s
o
o
exp −
r(v, X v ) dv (Af (s, X s ) − r(s, X s )f (s, X s )) ds
−
0
0
ein Martingal.
Beweis.
Ähnlich wie der Beweis von Korollar 6.2.
In Erweiterungen des Black–Scholes-Modelles muss man oft Ausdrücke der Form
i
o
h n Z T
r(s, X s ) ds f (X T ) Ft
Vt (X t ) = IIE exp −
t
berechnen.
Satz 6.4. Nehmen wir an, dass b(t, x) und σ(t, x) die Bedingungen des Satzes 4.17
erfüllen, und dass r(t, x) eine beschränkte Funktion ist. Sei f (t, x) eine Funktion
die zweimal stetig differenzierbar nach x ist und stetig differenzierbar nach t. Falls
f (t, x) die Gleichung
Af (t, x) = r(t, x)f (t, x)
und die Randbedingung f (T, x) = f (x) erfüllt, und |f (t, x)| ≤ K(1 + |x|2 ) für ein
K > 0 gilt, dann ist f (t, x) = Vt (x). Ist umgekehrt Vt (x) zweimal stetig differenzierbar nach x und stetig differenzierbar nach t, dann erfüllt Vt (x) die Gleichung
AVt (x) = r(t, x)Vt (x).
Beweis. Nehmen wir an, dass f (t, x) die Bedingungen erfüllt. Sei τn = inf{t :
|Xt | > n}. Dann ist nach Proposition 6.3 der Prozess
n n Z t∧τn
o
o
exp −
r(s, X s ) ds f (t ∧ τn , X t∧τn )
0
ein Martingal. Also ist auf {τn > t}
h n Z
f (t, X t ) = IIE exp −
t
T ∧τn
i
o
r(s, X s ) ds f (T ∧ τn , X T ∧τn ) Ft .
6. PREISE UND PARTIELLE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN
53
Der Ausdruck unter dem Erwartungswert ist durch eine quadratische Funktion beschränkt, die nach Satz 4.17 integrierbar ist. Somit ist der Ausdruck unter dem Erwartungswert gleichmässig integrierbar, und Grenzwert und Erwartungswert können
vertauscht werden. Lassen wir n → ∞, folgt die Aussage.
Nehmen wir nun an, dass Vt (x) zweimal nach x und einmal nach t differenzierbar
ist. Dann erhalten wir aus der Itô-Formel
o
n Z t
r(s, X s ) ds Vt (X t )
exp −
0
Z t
n Z s
o
= V0 (X0 ) +
exp −
r(v, X v ) dv (AVs (X s ) − r(s, X s )Vs (X s )) ds
0
+
0
p Z t n
X
X
j=1
0
i=1
n Z s
o
∂V (X s )
dWsj .
exp −
r(v, X v ) dv σij (s, X s )
∂xi
0
Nach der Definition von Vt (x) ist die linke Seite ein Martingal, die stochastischen
Integrale auf der rechten Seite sind lokale Martingale. Daher ist auch das klassische
Integral auf der rechten Seite ein lokales Martingal, stetig und von beschränkter
Variation. Nach Hilfssatz C.15 ist dieses Martingal konstant. Daher gilt AVt (X t ) −
r(t, X t )Vt (X t )) = 0.
Das Problem besteht nun darin, die Gleichung AVt (x) = r(t, x)Vt (x) numerisch
zu lösen. Wir werden hier keine numerischen Verfahren diskutieren. Der interessierte
Leser findet diese Methoden in [10].
Im Black–Scholes-Modell haben wir
Af (t, x) =
∂f
∂ 2f
∂f
+ 12 σ 2 x2 2 + rx
.
∂t
∂x
∂x
Wir müssen also die Gleichung
∂f
∂ 2f
∂f
+ 21 σ 2 x2 2 + rx
− rf (t, x) = 0
∂t
∂x
∂x
(6.1)
mit der Nebenbedingung f (T, x) = f (x) lösen. Man kann sich leicht davon überzeugen, dass die Preise, die wir für die europäischen Call- und Put-Optionen erhalten
haben, die Differentialgleichung erfüllen.
Wir betrachten jetzt noch amerikanische Optionen. Wir wollen die Funktion
i
h n Z τ
o
f (t, X t ) = sup IIE exp −
r(s, X s ) ds f (X τ ) Ft
τ ∈Tt
berechnen.
t
54
6. PREISE UND PARTIELLE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN
Satz 6.5. Nehmen wir an, dass b(t, x) und σ(t, x) die Bedingungen des Satzes 4.17
erfüllen, dass f˜ zweimal stetig differenzierbar nach x und einmal stetig differenzierbar nach t ist, beschränkte Ableitungen nach x hat, und dass r(t, x) eine stetige
beschränkte Funktion ist. Falls
max{Af˜(t, x) − r(t, x)f˜(t, x), f (x) − f˜(t, x)} = 0 ,
f˜(T, x) = f (x) ,
erfüllt ist, dann ist
h n Z
˜
f (t, X t ) = f (t, X t ) = sup IIE exp −
τ ∈Tt
t
τ
i
o
r(s, X s ) ds f (X τ ) Ft .
Beweis. Der Prozess
n n Z t
o
exp −
r(s, X s ) ds f˜(t, X t )
0
Z t
n Z s
o
o
−
exp −
r(v, X v ) dv (Af˜(s, X s ) − r(s, X s )f˜(s, X s )) ds
0
0
ist ein Martingal. Da das Integral negativ ist, folgt, dass
o
o
n n Z t
r(s, X s ) ds f˜(t, X t )
exp −
0
ein Supermartingal ist. Da f˜(t, Xt ) ≥ f (Xt ) ist das Supermartingal grösser als die
Snell-Hülle, und damit
i
o
h n Z τ
˜
r(s, X s ) ds f (X τ ) Ft .
f (t, X t ) ≥ sup IIE exp −
τ ∈Tt
t
Definieren wir nun τ ∗ = inf{t : f˜(t, X t ) = f (X t )}. Dann ist
n n Z t∧τ ∗
o
o
exp −
r(s, X s ) ds f˜(t ∧ τ ∗ , X t∧τ ∗ )
0
ein Martingal. Somit haben wir auf {τ ∗ > t}
i
h n Z τ∗
o
f˜(t, X t ) = IIE exp −
r(s, X s ) ds f˜(τ ∗ , X τ ∗ ) Ft ,
t
wobei wir verwendet haben, dass τ ∗ ≤ T . Somit gilt
i
h n Z τ
o
˜
f (t, X t ) ≤ sup IIE exp −
r(s, X s ) ds f (X τ ) Ft .
τ ∈Tt
t
7. ZINSRATENMODELLE
7.
55
Zinsratenmodelle
7.1. Obligationen und Obligationsoptionen
Bezeichnen wir mit F (t, T ) den Betrag, den jemand zur Zeit T zurückzahlen muss,
der zum Zeitpunkt t sich einen Euro ausgeliehen hat. Nehmen wir für den Moment
an, dass F (t, T ) deterministisch ist. Damit es keine Arbitrage geben kann, muss
F (t, t) = 1 und F (t, s) = F (t, u)F (u, s) für alle 0 ≤ t ≤ u ≤ s gelten. Somit
haben wir log F (t, s) = log F (t, u) + log F (u, s). Es ist daher naheliegend, dass es
eine Funktion r(t) gibt, so dass
nZ s
o
F (t, s) = exp
r(u) du .
t
Die Funktion r(t) heisst Zinsintensität. Da niemand negative deterministische Zinsen akzeptieren würde, können wir annehmen, dass r(t) ≥ 0.
Leiht man zum Zeitpunkt 0 einen Euro aus, ist der Wert dieses Euros zum Zeitpunkt t St0 = F (0, t). Da wir annehmen, dass kein Risiko damit verbunden ist, sollte
man auf einem (sicheren) Bankkonto den gleichen Zins erhalten. Der Wertprozess
S 0 erfüllt somit die Differentialgleichung
dSt0 = r(t)St0 dt .
(7.1)
Eine Null-Coupon-Obligation ist eine Obligation, die keine Zinsen bezahlt und zu
einem bestimmten Zeitpunkt T einen Euro zurückzahlt. Den Preis zum Zeitpunkt t
bezeichnen wir mit P (t, T ). Damit es keine Arbitrage geben kann, muss P (t, T ) =
F (t, T )−1 gelten. Leiht man nämlich den Betrag P (t, T ), erhält man mit Zinsen zum
Zeitpunkt T den Betrag P (t, T )F (t, T ) zurück, was das Gleiche sein muss, wie bei
einer Null-Coupon-Obligation.
Ist nun der Zins stochastisch nehmen wir an, dass {r(t)} stochastisch ist. Der
risikolose Aktiv S 0 erfüllt dann die Gleichung (7.1). Damit der Aktiv wohldefiniert
RT
ist, muss 0 |r(s)| ds < ∞ gelten. Wir bezeichnen weiterhin mit P (t, s) den Wert
zum Zeitpunkt t einer Null-Coupon-Obligation, die zum Zeitpunkt s zurückgezahlt
wird. Es muss daher gelten, dass P (t, t) = 1. Motiviert durch das Black–ScholesModell nehmen wir nun an, dass es ein zu IIP äquvalentes Mass IIP∗ gibt, so dass
56
{exp{−
7. ZINSRATENMODELLE
Rt
0
r(u) du}P (t, s)} ein IIP∗ -Martingal ist. Das impliziert, da P (s, s) = 1,
n Z t
o
nZ t
o
P (t, s) = exp −
r(u) du P (t, s) exp
r(u) du
0
0
h n Z s
o i
nZ t
o
∗
= IIE exp −
r(u) du Ft exp
r(u) du
0
0
h n Z s
o i
= IIE∗ exp −
r(u) du Ft .
t
Der Vollständigkeit halber führen wir noch den Kassakurs ein. Der Kassakurs
R(t, s) ist die Zinsrate, die eine Null-Coupon-Obligation verspricht, das heisst
P (t, s)eR(t,s)(s−t) = 1 .
Somit gilt
R(t, s) = −
1
log P (t, s) .
s−t
Wir machen nun die Annahme, dass die Filtration {Ft } durch eine Brownsche
Bewegung erzeugt wird. Sei LT die Radon–Nikodym-Ableitung dIIP∗ /dIIP. Dann ist
für alle FT -messbaren Variablen X, IIE∗ [X] = IIE[LT X]. Ist nun X Ft messbar, so
haben wir IIE∗ [X] = IIE[Lt X], wobei Lt = IIE[LT | Ft ], siehe (D.1). Wir konstruieren
nun eine Darstellung des Prozesses {Lt }.
Proposition 7.1. Es gibt einen adaptierten Prozess {qt }, so dass
Z t
nZ t
o
1
qs dWs − 2
Lt = exp
qs2 ds .
0
0
Beweis. Sei τn = inf{t : Lt > n}. Da die Filtration durch die Brownsche Bewegung erzeugt wird und P (t, s) unter beiden Massen stetig ist, muss {Lt } auch
stetig sein. Dann ist {Lt∧τn } ein quadratisch integrierbares Martingal. Nach dem
Martingal-Representations-Theorem 5.6 gibt es dann einen adaptierten Prozess H n ,
so dass
Z t∧τ
n
Hsn dWs .
Lt∧τn = 1 +
0
Betrachten wir
Z t∧τn
Z
n+1
1+
Hs dWs = L(t∧τn )∧τn+1 = Lt∧τn = 1 +
0
t∧τn
Hsn dWs ,
0
R t∧τn
so sehen wir, dass 0 (Hsn+1 − Hsn ) dWs = 0. Daher ist auch
hZ t∧τn
i
hZ t∧τn
2 i
n+1
n 2
IIE
(Hs − Hs ) ds = IIE
(Hsn+1 − Hsn ) dWs
=0.
0
0
7. ZINSRATENMODELLE
57
R t∧τ
Da die linke Seite positiv ist, gilt 0 n (Hsn+1 − Hsn )2 ds = 0. Also muss Htn+1 = Htn
auf [0, τn ] gelten. Es gibt somit einen Prozess H, so dass
Z t
Hs dWs .
Lt = 1 +
0
Wir setzen nun qt = Ht /Lt . Die Itô-Formel ergibt
Z t
Z t
1
qs2 ds ,
log Lt =
qs dWs − 2
0
0
was die Behauptung beweist.
Wir erhalten somit das folgende
Korollar 7.2. Der Preis der Null-Coupon-Obligation ist gegeben durch
nZ s
Z s
o i
P (t, s) = IIE exp
qu dWu −
(r(u) + 21 qu2 ) du Ft .
t
Beweis.
t
Dies folgt sofort aus der Formel (D.2) und Proposition 7.1.
Proposition 7.3. Für jeden Auszahlungszeitpunkt s gibt es einen adaptierten Prozess {σts }, so dass
dP (t, s) = σts P (t, s) dWt + (r(t) − σts qt )P (t, s) dt .
(7.2)
Rt
Beweis. Der Prozess {P (t, s) exp{− 0 r(u) du}} ist ein IIP∗ -Martingal. Daher ist
Rt
{P (t, s) exp{− 0 r(u) du}Lt } ein IIP-Martingal. Alle Terme sind strikt positiv, also
gibt es wie im Beweis von Proposition 7.1 einen Prozess {θts }, so dass
Z t
o
n Z t
o
nZ t
s
1
P (t, s) exp −
r(u) du Lt = P (0, s) exp
θu dWu − 2
(θus )2 du .
0
0
0
Damit ist
Z t
nZ t
o
s
P (t, s) = P (0, s) exp
(θu − qu ) dWu +
(r(u) + 12 [qu2 − (θus )2 ]) du .
0
0
Mit Hilfe der Itô-Formel haben wir
dP (t, s) = (θts − qt )P (t, s) dWt + {(r(t) + 21 [qt2 − (θts )2 ]) + 12 (θts − qt )2 }P (t, s) dt
= (θts − qt )P (t, s) dWt + {r(t) − qt (θts − qt )}P (t, s) dt .
Setzt man σts = θts − qt folgt die Behauptung.
58
7. ZINSRATENMODELLE
Bemerkungen.
i) Die stochastische Differentialgleichung hat nicht wie üblich den Anfangswert gegeben, sondern den Schlusswert P (s, s) = 1. Es handelt sich somit um eine
stochastische Rückwartsdifferentialgleichung.
ii) Unter dem Mass IIP∗ ist nach dem Girsanov-Theorem (Verallgemeinerung von
Rt
Proposition 5.3) der Prozess {Wt∗ = Wt − 0 qs ds} eine standard Brownsche
Bewegung. Wir haben dann die stochastische Differentialgleichung
dP (t, s) = σts P (t, s) dWt∗ + r(t)P (t, s) dt .
Das heisst, unter IIP∗ wächst P (t, s) im Schnitt gleich wie der risikolose Aktiv.
iii) Der durchschnittliche infinitesimale Zuwachs von P (t, s) ist unter dem Mass IIP
(r(t) − σts qt )P (t, s). Die Differenz zum risikofreien Aktiv ist −σts qt P (t, s). Dies ist
die Kompensation für die Zinsgarantie, die man übernommen hat. Daher nennt
man qt auch den Risikopreis.
Wir betrachten nun bedingte Ansprüche in diesem Zinsmarkt. Sei ζ < T ein Zeitpunkt und h ≥ 0 ein Fζ -messbarer bedingter Anspruch. Zum Beispiel kann h =
(P (ζ, T ) − K)+ eine Call-Option auf den Preis P (ζ, T ) sein. Wir versuchen nun
diesen bedingten Anspruch zu hedgen. Im Falle der Call-Option scheint es sinnvoll,
mit Null-Coupon-Obligationen zu hedgen.
Wir betrachten wieder Strategien φ = (φ0 , φ), wobei φ0t die Anzahl risikolose Aktiven und φt die Anzahl Null-Coupon-Obligationen bezeichnet, die man zum
Zeitpunkt t im Portfolio hält. Der Wert der Strategie zum Zeitpunkt t ist
nZ t
o
0 0
0
r(s) ds + φt P (t, T ) .
Vt (φ) = φt St + φt P (t, T ) = φt exp
0
Wir nennen ein Portfolio selbstfinanzierend, falls
dVt (φ) = φ0t dSt0 + φt dP (t, T ) .
Damit die Integrale wohldefiniert sind, brauchen wir die Bedingung
Z ζ
(|φ0t r(t)| + (φt σtT )2 ) dt < ∞ .
0
Analog zum Black–Scholes-Modell definieren wir
7. ZINSRATENMODELLE
59
Definition 7.4. Eine (wohldefinierte) Strategie φ heisst zulässig, falls sie selbstfinanzierend ist und Vt (φ) ≥ 0 oder (sup0≤t≤ζ Vt (φ))2 IIP∗ -integrierbar ist.
Proposition 7.5. Sei ζ < T , sup0≤t≤ζ |r(t)| beschränkt und σtT 6= 0 für 0 ≤ t ≤ ζ.
Rζ
Sei h ≥ 0 eine Fζ -messbare Zufallsvariable, so dass h exp{− 0 r(t) dt} quadratisch
integrierbar ist. Dann gibt es eine zulässige Strategie φ, so dass Vζ (φ) = h. Für jede
solche Strategie gilt
o i
h n Z ζ
∗
r(s) ds h Ft .
Vt (φ) = IIE exp −
t
Beweis. Sei φ eine zulässige Strategie mit Schlusswert h. Bezeichnen wir mit dem
Tildezeichen die diskontierten Werte. Dann gilt
dṼt (φ) = φt dP̃ (t, T ) = φt P̃ (t, T )σtT dWt∗ .
Somit ist wegen der quadratischen Integrierbarkeit {Ṽt (φ)} ein Martingal. Insbesondere gilt
h n Z ζ
o i
∗
∗
Ṽt (φ) = IIE [Ṽζ (φ) | Ft ] = IIE exp −
r(s) ds h Ft .
0
Wir haben somit den Wert einer solchen Strategie bestimmt.
Wir müssen somit noch zeigen, dass es eine Strategie gibt. Definieren wir Ṽt wie
oben. Dann haben wir ein quadratisch integrierbares Martingal. Also gibt es einen
Prozess θ, so dass
Z ζ
n Z ζ
o
h exp −
r(s) ds = Ṽ0 +
θt dWt∗ .
0
0
Wir setzen dann
φt =
θt
P̃ (t, T )σtT
und
φ0t = Ṽt −
θt
.
σtT
Diese Strategie ist selbstfinanzierend, Vζ (φ) = h, hat einen positiven Wert, und ist
quadratisch integrierbar. Die Integrierbarkeitsbedingungen sind erfüllt, da supt |r(t)|
beschränkt ist, und Vt und θt2 quadratisch integrierbar sind.
Bemerkung. Falls σtT > 0 für alle t < T , dann kann man zeigen, dass das Martingalmass IIP∗ eindeutig ist. Dies bedeutet, dass der Markt vollständig ist. Insbesondere
kann man jede FT -messbare quadratisch integrierbare Variable hedgen.
60
7. ZINSRATENMODELLE
7.2. Klassische Zinsratenmodelle
7.2.1.
Das Vasicek-Modell
Seien a, b, σ strikt positive Zahlen. Wir definieren {r(t)} durch die stochastische
Differentialgleichung
dr(t) = a(b − r(t)) dt + σ dWt .
Der Prozess {r(t) − b} ist somit ein Ornstein–Uhlenbeck Prozess. Wir möchten, dass
der Prozess die Form
dr(t) = a∗ (b∗ − r(t)) dt + σ ∗ dWt∗
hat, wobei W ∗ eine standard Brownsche Bewegung unter IIP∗ ist. Da dWt = dWt∗ +
qt dt, haben wir
dr(t) = [a(b − r(t)) + σqt ] dt + σ dWt∗ .
Wir schliessen, dass σ ∗ = σ und qt = λ − αr(t). Damit erhalten wir a∗ = a + σα
und b∗ = (ab + σλ)/a∗ .
Da {r(t) − b} ein Ornstein–Uhlenbeck-Prozess ist, haben wir die Darstellung
(4.6)
Z t
−at
−at
−at
r(t) = r(0)e + b(1 − e ) + σe
eas dWs .
0
Daher ist r(t) normalverteilt mit Mittelwert IIE[r(t)] = r(0)e−at + b(1 − e−at ) und
Varianz Var[r(t)] = σ 2 (1 − e−2at )/(2a). Insbesondere hat man IIP[r(t) < 0] > 0.
Dies trifft in der Realität nicht zu, falls r(t) den Zins auf einem Bankkonto bezeichnet. Dann würde man besser alles Geld abheben und zu Hause im Tresor aufbewahren, als das Geld auf der Bank zu belassen. Es kann auch sein, dass der
Preis einer Null-Coupon-Obligation grösser als 1 ist. Auch dann wäre es besser, das
Geld zu Hause aufzubewahren, als in die Obligation zu investieren. Hat man diese
Möglichkeit im Markt (was wir hier ausschliessen), dann wäre der Markt nicht arbitragefrei. Die Möglichkeit r(t) < 0, wenn auch mit kleiner Wahrscheinlichkeit, ist
nicht wünschenswert im Modell. Eine Diskussion dieses Problems findet man in [6].
Um den Preis einer Null-Coupon-Obligation zu berechnen, müssen wir den Ausdruck
h n Z T
o i
∗
P (t, T ) = IIE exp −
r(s) ds Ft
t
RT
berechnen. Wir wollen zuerst die Verteilung von t r(s) ds berechnen. Setzen wir
der Einfachheithalber t = 0. Der deterministische Teil ist
hZ T
i Z T
1 − e−aT
.
IIE
r(s) ds =
r(0)e−as + b(1 − e−as ) ds = bT + (r(0) − b)
a
0
0
7. ZINSRATENMODELLE
61
Der stochastische Teil ist
T
Z
e
−as
s
Z
0
eav dWv ds .
0
Da r(t) stetig und pfadweise beschränkt ist, können wir die Riemannsumme
Z
n
T X −aiT /n iT /n av
e
e dWv
n i=1
0
bilden und n gegen Unendlich gehen lassen. Die einzelnen Summanden sind normalverteilt mit Mittelwert 0, und somit sind die Riemann-Summen normalverteilt mit
Mittelwert 0. Falls die Varianzen konvergieren, konvergiert auch die Verteilung der
Riemannsummen, und der Grenzwert ist eine Normalverteilung. Wir müssen also
RT
die Varianz von 0 r(s) ds berechnen. Dies ist
Var
hZ
T
T
Z
i
Z
r(s) ds =
T
Z
T
Z
Cov[r(s), r(v)] dv ds = 2
0
0
0
Cov[r(s), r(v)] dv ds .
0
Für die inneren Kovarianzen erhalten wir
Z
hZ s
au
2 −a(s+v)
e dWu ,
Cov[r(s), r(v)] = σ e
Cov
0
v
e
au
s
i
2 −a(s+v)
dWu = σ e
0
0
Z
s∧v
e2au du
0
e2a(s∧v) − 1
.
= σ 2 e−a(s+v)
2a
Also ergibt sich
Var
hZ
0
T
i
r(s) ds = σ
2
T
Z
e
0
−as
Z
0
s
eav − e−av
dv ds
a
Z
σ 2 T −as as
= 2
e (e + e−as − 2) ds
a 0
σ2
= 3 {2aT + 1 − e−2aT − 4(1 − e−aT )}
2a
σ2
= 3 (2aT + 4e−aT − e−2aT − 3) .
2a
Unter dem Mass IIP∗ müssen wir a und b durch a∗ und b∗ ersetzen. Der Preis P (0, T )
ist somit der Mittelwert einer Lognormal-Verteilung
n
hZ T
i
hZ T
io
∗
∗
1
P (0, T ) = exp 2 Var
r(s) ds − IIE
r(s) ds .
0
Da r(t) < 0 möglich ist, kann es sein, dass P (0, T ) ≥ 1.
0
62
7.2.2.
7. ZINSRATENMODELLE
Das Cox–Ingersoll–Ross-Modell
Um das Problem mit negativen Zinsraten zu umgehen, haben Cox, Ingersoll und
Ross [1] das folgende Modell vorgeschlagen
p
dr(t) = (a − br(t)) dt + σ r(t) dWt .
Da die Lipschitz-Bedingung nicht erfüllt ist, können wir nicht Satz 4.16 anwenden,
um zu zeigen, dass es eine eindeutige Lösung der stochastischen Differentialgleichung
gibt. Ein Beweis, dass es eine eindeutige Lösung der stochastischen Differentialgleichung gibt, findet man in [4, S. 221].
Wir wollen untersuchen, ob der Prozess Null erreichen kann, falls man mit einem
strikt positiven Wert startet.
Proposition 7.6. Sei r(0) = x > 0 und τy = inf{t : r(t) = y}. Dann gilt
i) Falls 2a ≥ σ 2 , dann gilt IIP[τ0 = ∞] = 1.
ii) Falls 0 ≤ 2a < σ 2 und b ≥ 0, dann gilt IIP[τ0 < ∞] = 1.
iii) Falls 0 ≤ 2a < σ 2 und b < 0, dann gilt IIP[τ0 < ∞] ∈ (0, 1).
Beweis. Sei für 0 < y < x < M < ∞, τyM = τy ∧ τM . Wir suchen nach einem
Martingal der Form {s(r(t))} für eine Funktion s(x). Aus Proposition 6.1 schliessen
wir, dass wir die Gleichung 21 σ 2 xs00 (x)+(a−bx)s0 (x) = 0 lösen müssen. Eine mögliche
Lösung ist
Z
x
2
2
y −2a/σ e2by/σ dy .
s(x) =
1
Dann gilt
2
2
s0 (x) = x−2a/σ e2bx/σ ,
2
2
s00 (x) = [2b/σ 2 − 2a/(σ 2 x)]x−2a/σ e2bx/σ .
Sei nun 0 < y < x < M . Aus der Itô-Formel schliessen wir
s(r(t ∧
τyM ))
Z
t∧τyM
− s(x) =
s0 (r(v))σ
p
r(v) dWv .
0
√
Da auf [y, M ] die Funktionen s0 (v) und v beschränkt sind, ist das stochastische
Integral ein quadratisch integrierbares Martingal. Also haben wir
IIE[{s(r(t ∧
τyM ))
2
2
− s(x)} ] = σ IIE
hZ
0
t∧τyM
i
{s0 (r(v))}2 r(v) dv .
7. ZINSRATENMODELLE
63
√
Die linke Seite ist beschränkt. Da auf [y, M ] sowohl s0 (v) als auch v von Null
wegbeschränkt sind, muss τyM < ∞ gelten. Der Stoppsatz und die Beschränktheit
von s(r(t ∧ τyM )) implizieren (t → ∞)
s(x) = IIE[s(r(τyM ))] = s(y)IIP[τyM = τy ] + s(M )IIP[τyM = τM ] .
Insbesondere haben wir
IIP[τy < τM ] =
s(M ) − s(x)
.
s(M ) − s(y)
Sei zuerst 2a ≥ σ 2 . Dann ist s(0) = −∞. Somit haben wir
s(M ) − s(x)
=0.
y→0 s(M ) − s(y)
IIP[τ0 < τM ] = lim
Also erreicht r(t) den Wert M bevor der Wert 0 erreicht wird. Lassen wir M → ∞
geht auch τM → ∞, und damit haben wir IIP[τ0 < ∞] = 0.
Ist 0 ≤ 2a < σ 2 , so ist s(0) endlich. Also erhalten wir wie oben
IIP[τ0 < τM ] =
s(M ) − s(x)
.
s(M ) − s(0)
Ist zusätzlich b ≥ 0, so haben wir s(∞) = ∞, und damit, wenn wir M gegen
unendlich gehen lassen, IIP[τ0 < ∞] = 1. Ist aber b < 0, so ist s(∞) < ∞, und
IIP[τ0 < ∞] ∈ (0, 1) folgt.
Wir möchten, dass der Prozess {r(t)} unter dem Mass IIP∗ von der gleichen Form
ist,
dr(t) = (a∗ − b∗ r(t)) dt + σ ∗
p
r(t) dWt∗ .
Mit der Brownschen Bewegung W ∗ bekommen wir
p
p
dr(t) = a − br(t) + σ r(t)qt dt + σ r(t) dWt∗ .
p
p
Also haben wir σ ∗ = σ und qt = −α r(t) + β/ r(t). Damit ist a∗ = a + βσ und
b∗ = b + ασ. Da qt nur für r(t) > 0 definiert ist, muss 2a ≥ σ 2 gelten, falls β 6= 0. Da
die Masse äquivalent sein sollen, müssen 2a ≥ σ 2 und 2a∗ ≥ σ 2 gleichzeitig gelten..
Um den Preis der Null-Coupon-Obligation und der Call-Option zu berechnen,
brauchen wir das folgende Resultat.
64
7. ZINSRATENMODELLE
Proposition 7.7. Seien λ, µ ≥ 0 und r(0) = x. Dann gilt
Z t
oi
h n
r(s) ds = exp{−aφλ,µ (t) − xψλ,µ (t)} ,
IIE exp −λr(t) − µ
0
wobei
2
2γet(γ+b)/2
,
log
σ2
σ 2 λ(eγt − 1) + γ − b + eγt (γ + b)
λ(γ + b + eγt (γ − b)) + 2µ(eγt − 1)
ψλ,µ (t) = 2 γt
σ λ(e − 1) + γ − b + eγt (γ + b)
φλ,µ (t) = −
und γ =
p
b2 + 2σ 2 µ.
Bemerkung. Seien {r1 (t)} und {r2 (t)} zwei unabhängige Cox–Ingersoll–RossModelle mit Parametern ai , b und σ, und Anfangswert xi . Die Brownschen Bewegungen bezeichnen wir mit W i . Dann erfüllt {r(t) = r1 (t) + r2 (t)}
s
s
p
p
r1 (t)
r2 (t)
dr(t) = (a1 + a2 − br(t)) dt + σ r(t)
dWt1 + σ r(t)
dWt2 .
r(t)
r(t)
Betrachten wir das Martingal W̃ , definiert als
s
s
r1 (t)
r2 (t)
dW̃t =
dWt1 +
dWt2 ,
r(t)
r(t)
W̃0 = 0 .
Der Klammer-Prozess wird
dhW̃ , W̃ it =
r (t) r (t) 2
1
+
dt = dt .
r(t)
r(t)
Man kann zeigen, dass W̃ eine standard Brownsche Bewegung ist. Somit haben wir
dr(t) = (a1 + a2 − br(t)) dt + σ
p
r(t) dW̃t
ist ein Cox–Ingersoll–Ross-Modell mit Parametern a1 + a2 , b, σ und Anfangswert
x1 + x2 . Daher muss die Laplace-Transformation aus Proposition 7.7 die behauptete
Form haben.
Beweis.
Wir wollen ein Martingal der Form
Z t
n
o
Mt = exp −µ
r(s) ds F (T − t, r(t))
0
7. ZINSRATENMODELLE
65
mit F (0, x) = e−λx konstruieren. Aus Korollar 6.2 schliessen wir, dass wir die Gleichung
−
∂ 2F
∂F
∂F
(t, x) + 12 σ 2 x 2 (t, x) + (a − bx)
(t, x) − µxF (t, x) = 0
∂t
∂x
∂x
mit der Anfangsbedingung F (0, x) = e−λx lösen sollten. Machen wir den Ansatz
F (t, x) = exp{−aφ(t) − xψ(t)}, erhalten wir das System
−ψ 0 (t) = 21 σ 2 ψ 2 (t) + bψ(t) − µ ,
φ0 (t) = ψ(t) ,
mit den Randbedingungen ψ(0) = λ und φ(0) = 0. Die erste Gleichung lässt sich
durch Separation der Variablen lösen, und wir erhalten ψλ,µ (t). Damit lässt sich die
zweite Gleichung lösen, und wir erhalten φλ,µ (t).
Da ψ(t) ≥ 0 und r(t) ≥ 0 ist, ist {Mt } beschränkt. Damit ist {Mt } gleichmässig
integrierbar; das heisst, ein Martingal. Die Behauptung folgt nun aus der Martingaleigenschaft M0 = IIE[MT ].
Setzen wir µ = 0 und damit γ = |b|, erhalten wir die Laplace-Transformierte von
r(t). Wir betrachten nur den Fall b > 0,
2a/σ2
n
o
2betb
2λbx
−λr(t)
IIE[e
]=
exp − 2 bt
σ 2 λ(ebt − 1) + 2ebt b
σ λ(e − 1) + 2ebt b
2
n
o
2a/σ
λbe−bt x
b
exp − 2
=
σ 2 λ(1 − e−bt )/2 + b
σ λ(1 − e−bt )/2 + b
o
n
1
λLζ
=
,
2 exp −
2a/σ
2λL + 1
(2λL + 1)
wobei L = σ 2 (1 − e−bt )/(4b) und ζ = 4xb/(σ 2 (ebt − 1)). Definieren wir
n
1
λζ o
gδ,ζ (λ) =
exp
−
,
(2λ + 1)δ/2
2λ + 1
so sehen wir, dass r(t)/L die Laplace-Transformierte g4a/σ2 ,ζ (λ) hat. Die Funktion
gδ,ζ (λ) ist die Laplace-Transformierte einer verallgemeinerten nicht-zentralen χ2 Verteilung mit δ Freiheitsgraden, und hat die Dichte
fδ,ζ (z) =
e−ζ/2
p
1
−z/2 −δ/4− 2
e
z
I
(
zζ) ,
δ/2−1
1
2ζ δ/4− 2
wobei Iν (z) die modifizierte Besselfunktion erster Ordnung mit Index ν ist,
Iν (z) = 1Iz>0
∞
z ν X
2
n=0
(z/2)2n
.
n!Γ(ν + n + 1)
66
7. ZINSRATENMODELLE
Die Besselfunktionen haben viele nette Eigenschaften und sind in den meisten mathematischen Programmen definiert.
Ist die Zinsrate r(t) und qt wie oben definiert, können wir nun den Preis der
Null-Coupon-Obligation berechnen. Mit a∗ und b∗ wie oben definiert erhalten wir
o i
h n Z T
∗
∗
r(s) ds Ft = exp{−a∗ φ∗0,1 (T − t) − r(t)ψ0,1
P (t, T ) = IIE exp −
(T − t)} .
t
∗
sind, mit γ ∗ =
Die Funktionen φ∗0,1 und ψ0,1
p
(b∗ )2 + 2σ 2 ,
∗
∗
2γ ∗ et(γ +b )/2
2
,
= − 2 log ∗
σ
γ − b∗ + eγ ∗ t (γ ∗ + b∗ )
∗
2(eγ t − 1)
∗
ψ0,1 (t) = ∗
.
γ − b∗ + eγ ∗ t (γ ∗ + b∗ )
φ∗0,1 (t)
Betrachten wir nun eine europäische Call-Option auf den Preis P (ζ, T ), mit ζ < T .
Für den Preis zur Zeit 0 erhalten wir
h n Z ζ
o
i
∗
C0 = IIE exp −
r(s) ds (P (ζ, T ) − K)+
0
h n Z ζ
o
i
∗
r(s) ds (exp{−aφ∗0,1 (T − ζ) − r(ζ)ψ0,1
(T − ζ)} − K)+
= IIE∗ exp −
0
h n Z ζ
o
i
∗
∗
∗
r(s) ds − aφ0,1 (T − ζ) − r(ζ)ψ0,1 (T − ζ) 1Ir(ζ)<r∗
= IIE exp −
0
h n Z ζ
o
i
∗
−KIIE exp −
r(s) ds 1Ir(ζ)<r∗ ,
0
wobei
− log K − aφ∗0,1 (T − ζ)
.
r =
∗
ψ0,1
(T − ζ)
∗
7.2.3.
Das Heath–Jarrow–Morton-Modell
Ein Problem mit den bisher betrachteten Modellen ist, dass die beobachteten Preise
P (0, t) nicht mit den theoretischen Preisen zusammenpassen. Zwar kann man die
Parameter so kalibrieren, dass die realen Preise die theoretischen Preise approximieren. Doch würde man es vorziehen, wenn das Modell die realen Preise reproduzieren
würde. Man muss aber aufpassen. Sind die momentanen Preise falsch, so werden
diese gefestigt und es entsteht eine ökonomische Blase. Beim Platzen dieser Blase
kann die Wirtschaft viel Geld verlieren.
7. ZINSRATENMODELLE
67
Ein Ansatz ist das Modell von Hull und White [3]. Das Vasicek-Modell wird
abgeändert zu
dr(t) = [a(t) − b(t)r(t)] dt + σ(t) dWt .
Statt den drei Konstanten lassen sich so drei Funktionen kalibrieren. Dies ergibt dann
genügend Freiheitsgrade, um das Modell an die beobachteten Preise anzupassen. Die
selbe Idee lässt sich mit dem Cox–Ingersoll–Ross-Modell durchführen,
p
dr(t) = [a(t) − b(t)r(t)] dt + σ(t) r(t) dWt .
Wir wollen hier aber einen anderen Ansatz verfolgen.
d
Definieren wir die Vorwärtsraten f (t, s) = − ds
log P (t, s). Dann können wir den
Preis schreiben als
n Z s
o
P (t, s) = exp −
f (t, v) dv .
t
Es ist dann natürlich, die Zinsrate als r(t) = f (t, t) zu definieren. Im VasicekModell und im Cox–Ingersoll–Ross-Modell kann man sich direkt überzeugen, dass
r(t) = f (t, t). Wir nehmen an, dass die Funktion f (t, s) in beiden Variablen stetig
ist.
Wenn nun t wächst, ändert sich P (t, s) und damit auch f (t, s). Da P (t, s) =
Rs
IIE [exp{− t r(v) dv} | Ft ] wird im Normalfall P (t, s1 ) und P (t, s2 ) sich in die
“gleiche Richtung” ändern. Die Preise P (t, s) und somit die Vorwärtsraten f (t, s)
müssen also abhängig sein. Wir modellieren deshalb
Z t
Z t
σ(f (t, s)) dWv .
(7.3)
α(v, s) dv +
f (t, s) = f (0, s) +
∗
0
0
Damit haben wir die Dynamik definiert, mit der sich die Funktionen s 7→ f (·, s)
verändern. Die Funktionen (t, s) 7→ α(t, s) und r 7→ σ(r) sollen stetig sein.
Wir wollen, dass es ein äquivalentes Mass IIP∗ gibt, unter dem wir die Preise
der Null-Coupon-Obligationen berechnen können. Die Existenz dieses Masses ist
äquivalent damit, dass wir die Dynamik der Preise P (t, s) wie in (7.2) ausdrücken
Rs
können. Sei s fest und Xt = − t f (t, v) dv. Dann gilt P (t, s) = exp Xt .
Hilfssatz 7.8. Es gilt
Z sZ v
Z sZ s
σ(f (w, v)) dWw dv =
σ(f (w, v)) dv dWw .
t
t
t
w
68
7. ZINSRATENMODELLE
Bemerkung. Das Resultat entspricht dem Satz von Fubini. Wäre die Zeit t die
obere Integrationgrenze, wäre der Satz von Fubini falsch. In der Tat, der Prozess
RtRt
RtRs
g(v, s) ds dWv
g(v,
s)
dW
ds
ist
von
beschränkter
Variation,
wogegen
v
0 v
0 0
unbeschränkte Variation hat.
Weiter, da in einem stochastischen Integral der Integrand adaptiert sein muss,
RsRs
würde ein doppeltes stochastisches Integral 0 v H(v, t) dWt dWv keinen Sinn machen.
Beweis. Sei τn = inf{t ≥ 0 : max{supt≤v≤s f (t, v) > n}. Wir haben dann
hZ s Z v
2 i
IIE
σ(f (w, v)) dWw dv
τn ∧t τn ∧t
Z z
Z s Z s hZ u
i
σ(f (w, u)) dWw
σ(f (v, z)) dWv 1Iτn ∧t<z∧u dz du
IIE
=
τ ∧t
τn ∧t
0
0
Z s Z s hZ nu∧z
i
σ(f (w, u))σ(f (w, z)) dw1Iτn ∧t<z∧u dz du
IIE
=
τn ∧t
0
0
hZ s Z s Z u∧z
i
= IIE
σ(f (w, u))σ(f (w, z)) dw dz du
τn ∧t τn ∧t τn ∧t
hZ s Z s Z s
i
= IIE
σ(f (w, u))σ(f (w, z)) dz du dw
τn ∧t w
w
h Z s Z s
2
i
= IIE
σ(f (w, u)) du dw .
τn ∧t
Weiter gilt
hZ
IIE
s
Z
w
s
σ(f (w, v)) dv dWw
τn ∧t
2 i
= IIE
s
hZ
Z
τn ∧t
w
s
σ(f (w, v)) dv
2
i
dw .
w
Und
IIE
hZ
s
Z
u
Z
s
Z
s
i
σ(f (z, v)) dv dWz
σ(f (w, u)) dWw du
τn ∧t z
Z s Z s
hZ u
i
=
IIE
σ(f (w, u)) dWw
σ(f (z, v)) dv dWz 1Iu>τn ∧t du
0
τn ∧t
τn ∧t z
Z s hZ u
Z s
i
=
IIE
σ(f (w, u))
σ(f (w, v)) dv dw1Iu>τn ∧t du
0
τn ∧t
w
Z s
hZ s Z s
i
σ(f (w, u)) du
σ(f (w, v)) dv dw
= IIE
τn ∧t w
w
h Z s Z s
2
i
= IIE
σ(f (w, u)) du dw .
τn ∧t
Zτns∧t
τn ∧t
w
Zusammengefasst
Z
hZ s Z v
IIE
σ(f (w, v)) dWw dv −
τn ∧t
τn ∧t
s
τn ∧t
Z
s
σ(f (w, v)) dv dWw
w
2 i
=0.
7. ZINSRATENMODELLE
69
Also gilt
Z
s
Z
v
Z
s
Z
s
σ(f (w, v)) dWw dv =
τn ∧t
σ(f (w, v)) dv dWw ,
τn ∧t
τn ∧t
w
und lässt man n → ∞,
Z sZ s
Z sZ v
σ(f (w, v)) dWw dv =
σ(f (w, v)) dv dWw .
t
t
t
w
Insbesondere gilt die Behauptung für alle t ∈ Q ∧ [0, s], und da die Prozesse stetig
sind, für alle t ∈ [0, s].
Somit haben wir
Z s
(−f (v, v) + f (v, v) − f (t, v)) dv
Xt =
t
Z s
Z sZ v
Z sZ v
=−
f (v, v) dv +
α(w, v) dw dv +
σ(f (w, v)) dWw dv
t
t
t
t
t
Z s
Z sZ s
Z sZ s
=−
f (v, v) dv +
α(w, v) dv dw +
σ(f (w, v)) dv dWw
t
t
w
t
w
Z t
Z tZ s
Z tZ s
= X0 +
f (v, v) dv −
α(w, v) dv dw −
σ(f (w, v)) dv dWw .
0
0
w
0
w
Wir haben also das stochastische Differential
Z s
Z s
dXt = f (t, t) −
α(t, v) dv dt −
σ(f (t, v)) dv dWt .
t
t
Aus der Itô-Formel erhalten wir
Z s
nZ s
o2 1
α(t, v) dv + 2
σ(f (t, v)) dv
P (t, s) dt
dP (t, s) = f (t, t) −
t
t
Z s
−
σ(f (t, v)) dv P (t, s) dWt .
t
Aus (7.2) und r(t) = f (t, t) schliessen wir
Z s
s
σt = −
σ(f (t, v)) dv
t
und
σts qt
Z
s
α(t, v) dv −
=
t
Also haben wir
Z s
α(t, v) dv =
t
1
2
nZ
t
1
2
nZ
s
σ(f (t, v)) dv
o2
.
t
s
σ(f (t, v)) dv
o2
Z
− qt
s
σ(f (t, v)) dv .
t
70
7. ZINSRATENMODELLE
Differenzieren wir nach s, erhalten wir
Z s
σ(f (t, v)) dv − qt σ(f (t, s)) .
α(t, s) = σ(f (t, s))
t
Setzen wir dies in die Definition (7.3) ein, erhalten wir
Z s
σ(f (t, v)) dv dt + σ(f (t, s)) dWt∗ .
df (t, s) = σ(f (t, s))
(7.4)
t
Das folgende Resultat wurde in [2] bewiesen.
Satz 7.9. Sei σ(x) Lipschitz-stetig und beschränkt. Für jede stetige Funktion φ :
[0, T ] → IR+ gibt es einen eindeutigen stetigen Prozess f (t, s), 0 ≤ t ≤ s ≤ T , so
dass für alle s der Prozess t 7→ f (t, s), 0 ≤ t ≤ s, adaptiert ist, die Gleichung (7.4)
und die Randbedingung f (0, s) = φ(s) erfüllt.
Es ist in [2] gezeigt, dass es für die Funktion σ(x) = x keine eindeutige Lösung gibt.
Daher kann man die Beschränktheit der Volatilität nicht weglassen.
Das Interessante an diesem Modell ist, dass es, wie im Black–Scholes-Modell,
nur nötig ist, die Funktion σ(x) zu bestimmen. Der Drift-Prozess α(t, s) hat auf die
Festsetzung der Preise keinen Einfluss.
7.3. Obligationen mit Kreditrisiko
In der Realität sind Option mit einem Kreditrisiko behaftet. Es ist somit nicht
sicher, dass die Schuld zum Auslaufzeitpunkt wirklich zurückbezahlt wird. Ist τ
der Zeitpunkt, an dem die Insolvenz eintritt, wird der Preis einer Null-CouponObligation
i
h n Z s
o
∗
P (t, s) = IIE exp −
r(u) du 1Iτ >s Ft .
t
Dies ist natürlich kleiner als der Preis der risikolosen Obligation. Der Preisunterschied ist der Preis für das Kreditrisiko.
Eine Möglichkeit, Kreditrisiko zu modellieren sind die Intensitätsmodelle. Man
nimmt an, dass die Verteilung von τ die folgende Form hat
o i
h n Z s
∗
∗
IIP [τ > s | Ft ] = 1Iτ >t IIE exp −
λ(X v ) dv Ft ,
t
wobei λ(x) eine positive Funktion ist, und {X t } ein stochastischer Prozess. Zum
Beispiel kann eine Koordinate von X die Zinsintensität r(t) sein. Oder eine Koordinate kann ausdrücken, wie die Firma durch eine Rating-Agentur beurteilt wurde.
7. ZINSRATENMODELLE
71
Nehmen wir an, dass X und r bekannt sind und betrachten der Einfachheit halber
den Zeitpunkt t = 0. Der Preis der Null-Coupon-Obligation wird dann
o
n Z s
o
n Z s
∗
r(v) dv = exp −
(λ(X v ) + r(v)) dv .
IIP [τ > s | X, r] exp −
0
0
Somit wird der Preis der Null-Coupon-Obligation
o i
h n Z s
∗
(λ(X v ) + r(v)) dv Ft .
P (t, s) = IIE exp −
t
Eine andere Möglichkeit zur Modellierung sind Strukturmodelle. Ein beliebtes Modell ist das Merton-Modell. Nehmen wir an, der Wert einer Firma wird als geometrische Brownsche Bewegung modelliert
Vt = V0 exp{σWt + (µ − 21 σ 2 )t} .
Die risikolose Zinsintensität ist r. Die Firma wird insolvent, wenn Vt < K. Das
bedeutet, dass die Aktionäre die Firma liquidieren, falls Ihr Wert unter K sinkt.
Dann wird der Preis der Null-Coupon-Obligation
P (t, s) = IIE∗ [e−r(s−t) 1Iinf{Vu :t<u≤s}≥K | Ft ]
= e−r(s−t) IIP∗ [inf{σ W̃u + (µ − 21 σ 2 )u : 0 ≤ u ≤ s − t} ≥ log K/Vt | Vt ] ,
wobei W̃ eine unabhängige Brownsche Bewegung ist. Die letzte Formel gilt natürlich
nur auf der Menge {Vt > K}, da sonst die Obligation schon wertlos geworden ist. Der
Prozess {Vt } sollte auch gleichviel Wert sein, wie die Summe aller Aktien. Das heisst,
dass Vt ein Vielfaches des Aktienkurses ist. Somit muss unter dem Martingalmass
σWt + (µ − 12 σ 2 )t = σWt∗ + (r − 21 σ 2 )t
gelten. Man braucht also bloss die Ruinwahrscheinlichkeit einer Brownschen Bewegung mit Drift zu kennen.
Tritt Insolvenz zum Zeitpunkt τ ein, und sind B Obligationen ausstehend, dann
wird der Wert der Obligationen Be−r(s−τ ) sein. Wir nehmen an, dass e−r(s−τ ) B > K.
Dann bekommen die Obligationshalter den Betrag K/B ausbezahlt. In diesem Fall
wird die Formel komplizierter
P (t, s) = IIE∗ [e−r((τ ∧s)−t) min{Vτ ∧s /B, 1} | Ft ] .
Als Verallgemeinerung kann man die Grenze K zeitabhängig wählen, das heisst,
τ = inf{t : Vt < Kt }. In diesem Fall wird die Berechnung von P (t, s) kompliziert,
ausser man wählt Kt = K0 eδt für ein δ ∈ IR. Wir machen hier die Berechnung nicht
explizit.
72
7. ZINSRATENMODELLE
7.4. Zinsswaps
Ein Zinsswap ist eine Abmachung, bei der die Zinsen von zwei unterschiedlichen
Schuldverschreibungen ausgetauscht werden, ohne dass die entsprechenden Schuldverschreibungen ausgetauscht werden. Normalerweise werden ein fester und ein variabler Zinssatz ausgetauscht. Die Swaps können auf zwei Arten verwendet werden:
Falls man Schulden hat, kann man den Zins, den man zahlen muss austauschen.
Falls man ein Darlehen gewährt hat, kann man den Zins, den man erhält, umwandeln. Zum Beispiel, eine Lebensversicherung hat Ihren Kunden einen festen Zinssatz
versprochen. Nun gewährt die Lebensversicherung eine Hypothek zu einem variablen Zinssatz. Um sich gegen eine Zinssenkung abzusichern, geht die Lebensversicherung einen Swap-Kontrakt ein. Die Lebensversicherung zahlt der Gegenpartei
einen variablen Zins, erhält im Gegenzug von der Gegenpartei einen festen Zins. Die
zugrundeliegende Hypothek bleibt aber im Besitz der Lebensversicherung.
Der variable Zinssatz wird oft durch die LIBOR (London Interbank Offered Rate) oder durch die EURIBOR (EURopean Interbank Offered Rate) bestimmt. Diese
Zinssätze basieren auf relativ kurzfristigen Darlehen zwischen Banken, und sind gut
beobachtbar. Wie aber die Erfahrung zeigt, können Bankangestellte die Zinssätze
einfach manipulieren. In vielen Fällen werden die Zinsen des festen Zinssatzes einmal pro Jahr ausgerichtet, die Zinsen des variablen Zinssatzes werden halbjährlich
bezahlt. Die zu bezahlenden Zinsen sind dann jeweils ein halbes Jahr im voraus
bekannt. Das heisst, zu Beginn des Halbjahres werden die Zinsen, die am Ende des
Halbjahres fällig werden, festgelegt.
Seien 0 < t1 < · · · < tn = T die Zeiten, an denen Zinsen fällig werden, und
t0 = 0. Nehmen wir an, dass ein Mass IIP∗ existiert, unter dem die Preise bestimmt
werden. Die risikolose Zinsrate wird mit r(t) bezeichnet, und wir nehmen an, dass
kein Kreditrisiko vorhanden ist. Zum Zeitpunkt tk−1 wird nun die Zahlung festgelegt,
die zum Zeitpunkt tk erfolgen wird. Im Zeitpunkt tk wird also die Zahlung Vk erfolgen. Nehmen wir für den Moment an, dass die Schuld zum Zeitpunkt tk beglichen
wird. Die Schuld im Zeitpunkt tk−1 ist 1. Also muss gelten
h n Z tk
o
i
∗
1 = (1 + Vk )IIE exp −
r(v) dv Ftk−1 = (1 + Vk )P (tk−1 , tk ) .
tk−1
Wir erhalten also
Vk = (P (tk−1 , tk ))−1 − 1 .
7. ZINSRATENMODELLE
73
Der Wert dieser Zahlung zum Zeitpunkt 0 ist dann
o i
h n Z tk
∗
r(v) dv Vk
IIE exp −
0
oi
o
i
h n Z tk
h n Z tk
∗
∗
r(v) dv
r(v) dv (1 + Vk ) − IIE exp −
= IIE exp −
0
0
oi
oi
h n Z tk
h n Z tk−1
∗
∗
r(v) dv
r(v) dv − IIE exp −
= IIE exp −
0
0
= P (0, tk−1 ) − P (0, tk ) .
Der Wert der variablen Zinszahlungen ist also 1 − P (0, T ). Rechnen wir die (nicht
zu bezahlende) Schuld dazu, wird der Wert also 1.
Für die festen Zinszahlungen mit Zins r erhalten wir die Formel
n
X
k=1
h
n Z
IIE r exp −
∗
tk
r(v) dv
oi
=r
0
n
X
P (0, tk ) ,
k=1
wobei wir annehmen, dass tk = kT /n. Der faire Zinssatz wird somit
1 − P (0, T )
r = Pn
.
k=1 P (0, tk )
Der Wert des Zinsswaps zum Zeitpunkt 0 ist dann also, betrachtet vom Empfänger
des festen Zinses,
r
n
X
k=1
P (0, tk ) − 1 + P (0, T ) = (1 + r)P (0, T ) + r
n−1
X
P (0, tk ) − 1 ,
k=1
wobei tk die Zeitpunkte der festen Zinszahlungen bezeichnet.
Man kann auch Optionen auf Swaps kaufen, sogenannte Swaptions. Bei einem
Call-Swaption hat der Käufer das Recht, aber nicht die Verpflichtung, zum Zeitpunkt t einen Swap-Kontrakt als Festratenempfänger einzugehen. Der Stillhalter
verpflichtet sich bei einem Call-Swaption die feste Rate zu bezahlen, und im Gegenzug die variable Rate zu empfangen. Bei einem Put-Swaption hat der Käufer
das Recht, aber nicht die Verflichtung einen Swap als Empfänger der variablen Rate
einzugehen. In beiden Fällen kann man die Festzinsrate als Strike-Preis betrachten.
74
8.
8. FORWARDS AND FUTURES
Forwards and Futures
Wir betrachten in diesem Abschnitt einen generellen Gaussschen Markt. Das heisst,
dass die Filtration durch eine d-dimensionale Brownsche Bewegung erzeugt wird.
Der risikolose Aktiv ist gegeben durch
nZ t
o
0
r(s) ds ,
Zt = exp
0
wobei {r(t)} ein {Ft }-adaptierter Prozess ist. Die Preise werden unter einem äquivalenten Martingalmass IIP∗ berechnet.
8.1. Forwards
Ein Forward ist ein Vertrag, der die Auslieferung eines Produkts zum Zeitpunkt T
regelt, und im Zeitpunkt 0 nichts kostet. Zum Beispiel, wird der Vertrag geschlossen,
dass der Vertragspartner die Aktie ST zum Preis K kauft, muss die Gleichung
h
n Z T
oi
∗
0 = IIE (ST − K) exp −
r(s) ds = S0 − KP (0, T )
0
gelten, also
S0
.
P (0, T )
Will man den Forward nun handeln, ist der Preis zur Zeit t
h
o i
n Z T
S0 P (t, T )
∗
IIE ST −
r(s) ds Ft = St − S0
exp −
.
P (0, T )
P (0, T )
t
K=
In einem generellen Modell vereinbaren die Vertragspartner zum Zeitpunkt t,
dass die FT -messbare Variable W zum Preis Ft verkauft wird. Da der Preis 0 ist,
muss die Gleichung
i
h n Z T
o
∗
IIE exp −
r(s) ds (W − Ft ) Ft = 0
t
gelten. Daher ist
Ft =
IIE∗ [exp{−
RT
IIE∗ [exp{−
t
r(s) ds}W | Ft ]
RT
t
r(s) ds} | Ft ]
=
IIE∗ [exp{−
RT
r(s) ds}W | Ft ]
.
P (t, T )
t
Das ist der Wert der Zahlung W dividiert durch den Preis der Null-Coupon-Obligation. Der Wert des Vertrages zum Zeitpunkt s ist dann
i
h n Z T
o
∗
IIE exp −
r(v) dv (W − Ft ) Fs .
s
8. FORWARDS AND FUTURES
75
Wird der Wahrscheinlichkeitsraum durch eine d-dimensionale Brownsche Bewegung
generiert, so kann man zeigen, dass {Ft } ein Itô-Prozess ist.
Sind zum Beispiel {r(t)} und W unabhängig, so erhalten wir die Formel Ft =
IIE∗ [W | Ft ]. Somit ist in diesem Fall der Prozess {Ft } ein Martingal.
Ein Beipiel für einen Forward ist ein Termingeschäft mit einem Swap. Die Parteien verpflichten sich dann, zum Zeitpunkt T einen Swap mit Laufzeit S (das heisst,
Zahlungen im Intervall (T, T + S) einzugehen).
8.2. Futures
Ein Future ist ein ähnlicher Vertrag wie ein Forward. Hier wird aber zu bestimmten Zeitpunkten der Vertrag justiert, so dass der Wert des Futures wieder 0 wird.
Wir machen nun die vereinfachende Annahme, dass der Future stetig justiert wird,
also dass der Wert über die gesamte Laufzeit 0 ist. Dies bedeutet, dass Dividenden bezahlt werden müssen, um den Wert auszugleichen. Verändert sich der Kurs
des dem Futures zugrundeliegende Aktiv, muss einer der Partner dem andern die
Kursdifferenz erstatten.
Sei W eine FT -messbare Variable, die den “Wert” des Futures beschreibt. Dann
ist der Wert zur Zeit T , ΦT = W . Hat die letzte Dividendenzahlung zur Zeit s
stattgefunden, und ist jetzt Zeit t > s, dann muss der Verkäufer des Futures dem
Halter des Futures den Wert Φt − Φs zur Zeit t bezahlen. Ist dieser Wert negativ,
dann bedeutet dies, dass der Halter Φs − Φt an den Verkäufer bezahlen muss.
Nehmen wir nun an, dass die Dividendenzahlungen stetig stattfinden, und dass
{Φt } ein Itô-Prozess ist:
dΦt = µt dt + σt dWt∗ .
Benutzt man eine Strategie {θt }, das heisst, man hält zum Zeitpunkt t θt Futures
Rt
im Portfolio, dann ist der Gewinn 0 θs dΦs . Zum Zeitpunkt T findet keine Zahlung
mehr statt. Wir nehmen weiter an, dass die Zinsintensität r(t) beschränkt ist.
Rt
Sei βt = exp{− 0 r(s) ds} der Diskontierungsprozess. Da der Wert des Vertrages
zu jedem Zeitpunkt 0 ist, bedeutet dies, dass
i
hZ T
∗
IIE
βs dΦs Ft = 0 .
t
76
8. FORWARDS AND FUTURES
Also haben wir für s ≥ t,
i
i i
hZ s
hZ s
hZ T
∗
∗
∗
IIE
βu dΦu Ft = IIE
βu dΦu + IIE
βu dΦu Fs Ft
0
0
s
i
hZ T
= IIE∗
βu dΦu Ft
0
Z t
i Z t
hZ T
∗
βu dΦu .
βu dΦu + IIE
βu dΦu Ft =
=
0
Somit ist {
Rt
0
0
t
βs dΦs } ein Martingal unter IIP∗ . Aus
Z
t
Z
βs dΦs =
0
t
Z
βs µs ds +
0
t
βs σs dWt∗
0
und Hilfssatz C.15 schliessen wir, dass βt µt = 0. Da βt > 0, muss µt = 0 gelten. Also
ist {Φt } ein Martingal. Wir haben daher
Φt = IIE∗ [ΦT | Ft ] = IIE∗ [W | Ft ] .
Umgekehrt können wir schliessen, dass falls {Φt } ein Martingal ist, dann ist es ein
Itô-Prozess (Martingal Representationstheorem). Sind W und {r(s)} unabhängig,
dann sind Futures- und Forwardpreis identisch.
Nehmen wir an, dass es eine selbstfinanzierende Strategie gibt (Aktive ohne
Futures), die den Wert
o
nZ T
r(s) ds
Zt = W exp
t
reproduziert. Der Wert dieser Strategie zum Zeitpunkt t ist dann IIE∗ [W | Ft ] =
Φt . Wir benutzen nun die folgende Strategie. Zum Zeitpunkt s halten wir θs =
Rs
exp{ t r(v) dv}1Is≥t Futures in unserem Portfolio. Weiter investieren wir den Betrag
Φt in den risikolosen Aktiv, und Dividenden des Futures werden auch im risikolosen
Aktiv investiert. Somit werden eventuelle negative Dividenden auch über die risikolose Investition finanziert. Da der Preis des Futures immer 0 ist, haben wir ab
dem Zeitpunkt t eine selbstfinanzierende Strategie. Der Wert {Vt } der Strategie hat
somit die Eigenschaft
dVs = r(s)Vs ds + θs dΦs .
Aus der Itô-Formel schliessen wir, dass
nZ s
o
Vs = Φs exp
r(v) dv .
t
8. FORWARDS AND FUTURES
77
Somit haben wir
nZ
VT = ΦT exp
t
T
nZ
r(v) dv = W exp
o
T
o
r(v) dv = ZT .
t
Die Strategie, die ZT reproduziert, und die Futures-Strategie müssen also den selben
Wert haben. Daher ist der Wert des Futures eindeutig bestimmt. Wir schliessen auch,
dass der Futures und die Strategie, die ZT reproduziert, den gleichen Geldstrom
erzeugen müssen. Verändern wir die Strategie zu einer Strategie mit Dividenden,
erhalten wir eine Hedging-Strategie für den Futures.
78
9.
9. PORTFOLIO THEORIE
Portfolio Theorie
Wir vereinfachen nun den Markt. Wir definieren die Rendite des i-ten Aktivs
D i − qi
.
Ri =
qi
Falls der Aktiv eine Dividende ausbezahlt, ist die Dividende im Preis Di zur Zeit 1
enthalten.
9.1. Markowitz-Diversifikation
Der Investor basiert seine Entscheidungen nun nur auf den Grössen IIE[Ri ] und
Var[Ri ]. Er bevorzugt grösseren Mittelwert und kleinere Varianz. Beginnen wir mit
der Analyse im Fall, wo es nur zwei Aktiven gibt.
Der Händler kann nun eine Einheit investieren. Er investiert x in den ersten Aktiv
und 1 − x in den zweiten Aktiv. Dann wird seine Rendite R = xR1 + (1 − x)R2 . Sei
ρ die Korrelation der beiden Renditen. Nehmen wir an, dass µ1 ≤ µ2 und σ1 ≤ σ2 ,
wobei µi = IIE[Ri ] und σi2 = Var[Ri ]. Die mittlere Rendite wird
µ = xµ1 + (1 − x)µ2 .
Die Varianz des Portfolios wird
σ 2 = x2 σ12 + (1 − x)2 σ22 + 2ρx(1 − x)σ1 σ2 .
Wir können nun die minimale Varianz suchen (varianzminimales Portfolio)
2[xσ12 − (1 − x)σ22 + (1 − 2x)ρσ1 σ2 ] = 0 .
Dies hat die Lösung
σ22 − ρσ1 σ2
.
σ12 + σ22 − 2ρσ1 σ2
Der Nenner ist Var[R1 − R2 ] und daher, vorausgesetzt dass R1 6= R2 , verschieden
von Null. Somit erhalten wir minimal die Varianz
xVMP =
(σ22 − ρσ1 σ2 )2 σ12 + (σ12 − ρσ1 σ2 )2 σ22 + 2ρσ1 σ2 (σ22 − ρσ1 σ2 )(σ12 − ρσ1 σ2 )
(σ12 + σ22 − 2ρσ1 σ2 )2
(1 − ρ2 )σ12 σ22
= 2
.
σ1 + σ22 − 2ρσ1 σ2
2
σVMP
=
Betrachten wir nun σ 2 als Funktion von ρ. Ableiten ergibt 2x(1 − x)σ1 σ2 . Somit ist
die Funktion wachsend in ρ, falls x ∈ [0, 1], und fallend sonst. Erlauben wir keine
kurze Positionen, bekommen wir ein Bild, falls wir uns die Extremfälle ansehen.
9. PORTFOLIO THEORIE
79
ρ = −1 Man bemerke, dass ρ = −1 nicht für alle Verteilungen von Ri möglich ist.
Wir haben die Varianz
σ 2 = x2 σ12 + (1 − x)σ22 − 2x(1 − x)σ1 σ2 = (xσ1 − (1 − x)σ2 )2 .
Damit ist σ = |xσ1 −(1−x)σ2 |. Also müssen wir x ≤ σ2 /(σ1 +σ2 ) und x ≥ σ2 /(σ1 +σ2 )
unterscheiden. Im ersten Fall haben wir
σ2 − σ
.
x=
σ1 + σ2
Der Mittelwert wird dann
(σ2 − σ)µ1 + (σ1 + σ)µ2
µ=
.
σ1 + σ2
Dies ist eine Gerade, die (µ2 , σ2 ) mit ((µ1 σ2 + µ2 σ1 )/(σ1 + σ2 ), 0) verbindet. Analog
folgt im anderen Fall, dass die Punkte auf der Gerade liegen, die (µ1 , σ1 ) mit ((µ1 σ2 +
µ2 σ1 )/(σ1 + σ2 ), 0) verbindet.
ρ = 1 Man bemerke, dass ρ = 1 nicht für alle Verteilungen von Ri möglich ist. Wir
haben die Varianz
σ 2 = x2 σ12 + (1 − x)σ22 + 2x(1 − x)σ1 σ2 = (xσ1 + (1 − x)σ2 )2 .
Also können wir (falls σ2 > σ1 )
x=
σ2 − σ
σ2 − σ1
schreiben. Der Mittelwert wird daher
(σ2 − σ)µ1 + (σ − σ1 )µ2
.
µ=
σ2 − σ1
Der Mittelwert ist also eine lineare Funktion von σ, das heisst die möglichen Werte
(µ, σ) liegen auf der Gerade, die (µ1 , σ1 ) mit (µ2 , σ2 ) verbindet.
ρ ∈ (−1, 1) Schreiben wir, vorausgesetzt dass µ1 < µ2 ,
µ2 − µ
x=
.
µ2 − µ1
Setzen wir dies in die Varianz ein, erhalten wir
σ2 =
(µ2 − µ)2 σ12 + (µ − µ1 )2 σ22 + 2ρ(µ2 − µ)(µ − µ2 )σ1 σ2
.
(µ2 − µ1 )2
Dies ist eine quadratische Funktion von µ. Die Werte von (µ, σ 2 ) liegen also auf
der Parabel, die durch (µ1 , σ12 ), (µ2 , σ22 ) und das varianzminimale Portfolio geht. Im
Vergleich mit den Funktionen in den Fällen ρ = ±1, müssen wir noch die Wurzel
aus σ 2 nehmen.
80
9. PORTFOLIO THEORIE
9.2. Markowitz-Effizienz
Nehmen wir nun, dass wir N Aktiven im Markt haben. Ein Anleger, der ein Portfolio
nur über Mittelwert und Varianz der Rendite beurteilt, wird dann nur Portfolios
wählen, die für einen festen Mittelwert minimale Varianz haben, oder für eine feste
Varianz maximalen Mittelwert haben. Ein solches Portfolio nennen wir Markowitzeffizient. Im Falle von zwei Aktiven können wir alle Portfolios ausschliessen, die
einen Mittelwert kleiner als den Mittelwert des varianzminimalen Portfolios haben.
Wir betrachten nun das Problem, wie wir ein Portfolio mit festem Mittelwert wählen.
Sei die Kovarianz von Ri und Rj durch σij gegeben. Wir wollen die Varianz
N X
N
X
σij xi xj
i=1 j=1
unter den Nebenbedingungen
N
X
N
X
µ i xi = r ,
i=1
xi = 1
i=1
minimieren. Das bedeutet, dass wir den Ausdruck
1
2
N X
N
X
σij xi xj + ε1 r −
i=1 j=1
N
X
µ i xi + ε2 1 −
i=1
N
X
xi
i=1
minimieren müssen. Leiten wir nach xi ab, erhalten wir
N
X
σij xj − ε1 µi − ε2 = 0 .
j=1
In Vektorform lauten die Gleichungen
Σx − ε1 µ − ε2 e = 0 ,
wobei Σ die Kovarianzmatrix ist, µ = (µ1 , . . . , µN )> und e = (1, . . . , 1)> . Haben
wir keine linearen Abhängigkeiten, ist Σ invertierbar, und
x = Σ−1 (ε1 µ + ε2 e) .
Die Nebenbedingugen ergeben
µ> Σ−1 (ε1 µ + ε2 e) = r ,
e> Σ−1 (ε1 µ + ε2 e) = 1 ,
9. PORTFOLIO THEORIE
81
woraus sich ε1 und ε2 bestimmen lassen. Wir sehen, dass die Lösung linear in r ist.
Wir schliessen daraus, dass sich alle effizienten Portfolios als Linearkombination von
zwei Portfolios auf dem effizienten Rand darstellen lassen.
Unsere Herleitung betrachtete den Fall, wo auch kurze Positionen erlaubt waren.
Falls man keine kurzen Positionen erlaubt, ist die Menge der möglichen Portfolios
kleiner. Falls negative Positionen im global optimalen Portfolio vorkommen, wird
man mindestens einen dieser Aktiven nicht im Portfolio führen.
9.3. Portfolio-Selektion
Markowitz Effizienz sagt uns noch nicht, wie wir ein Portfolio wählen sollen. Wir
haben immer noch alle Portfolios auf dem effizienten Rand zur Verfügung. Wir
wollen nun Möglichkeiten diskutieren, wie man ein solches Portfolio wählen könnte.
9.3.1.
Optimaler Nutzen
Wir haben schon diskutiert, wie man den erwarteten Nutzen optimiert. Da wir
nur Erwartungswert und Varianz zur Verfügung haben, kommt in diesem Fall nur
quadratischer Nutzen in Frage. Wir könnten aber auch andere Funktionen von IIE[R]
und Var[R] verwenden. Wir ändern das Problem leicht ab. Wir suchen ein Portfolio,
so dass
U (R) = IIE[R] − a Var[R] ,
a>0
maximal wird. Oder wir könnten
p
U (R) = IIE[R] − b Var[R] ,
b>0
maximieren. Beachte, dass die oben genannten Funktionen keine Nutzenfunktion im
Sinne der Nutzentheorie sind. Um das Problem zu lösen, könnte man sich auf die
effizienten Portfolios beschränken, da eine Lösung zum obigen Problem notwendigerweise effizient ist. Es ist aber einfacher, das Problem direkt zu lösen.
9.3.2.
Das Benchmark-Portfolio
In der Praxis wird man oft ein Benchmarkportfolio benutzen. Man hat sich bereits
ein Portfolio oder einen Aktienindex vorgegeben. Dieses Portfolio benötigt man zum
Vergleich. Eine Idee könnte sein, dass man die Varianz dieses Portfolios zum Vergleich wählt (das heisst, man will nicht mehr Risiko eingehen, als im BenchmarkPortfolio). Man wählt dann die maximale mittlere Rendite, die die gleiche Varianz
82
9. PORTFOLIO THEORIE
hat, wie das Benchmarkportfolio. Dies dürfte aber in der Praxis nicht der Fall sein.
Dort würde die Rendite ja mit der Rendite des Referenzportfolios verglichen. Somit
wäre es sicherer, das Referenzportfolio zu reproduzieren. So versuchen viele Pensionskassen und Lebensversicherungen zum Beispiel den DAX zu reproduzieren. Solch
ein Portfolio wird in der Regel nicht effizient sein, ausser der Index wurde als ein
effizientes Portfolio konstruiert.
9.3.3.
Kontrolle der Shortfallwahrscheinlichkeit
Eine weitere Methode ist die Shortfallwahrscheinlichkeit. Nehmen wir an, ein Investierungsziel ist vorgegeben. Dann verlangen wir
IIP[R ≤ z] = F (z) ≤ ε ,
also das Ziel muss mindestens mit Wahrscheinlichkeit 1 − ε erreicht werden. Falls
sich die Menge der möglichen Portfolios mit der Menge {F (z) ≤ ε} schneidet, kann
man den Wert (µ, σ 2 ) aus der Menge {F (z) ≤ ε} wählen, der µ maximiert. Man
kann dann hoffen, dass es sich um ein effizientes Portfolio handelt. Dies muss nicht
notwendigerweise der Fall sein.
Die Theorie funktioniert, falls {Ri } multinomial normalverteilt ist. Dann ist auch
R normalverteilt. It Nε das ε-Quantil der Standardnormalverteilung, dann muss
µ + Nε σ > z gelten, oder µ > z − Nε σ. Dies ist eine lineare Bedingung, und, falls
es eine Lösung gibt, ist diese effizient. Die Lösung lässt sich dann einfach graphisch
bestimmen.
Bleiben wir nun im normalverteilten Fall und betrachten mehrere Perioden. Wir
können zwei Kriterien definieren. Als Ziel könnten wir eine mittlere Rendite angeben
i
h1
IIP (R1 + · · · + RT ) ≤ z ≤ ε .
T
Wegen der Parabelform des effizienten Randes schliessen wir, dass wir für alle Perioden das gleiche Portfolio wählen müssen. Wir erhalten damit die Bedingung
√
µ > z − Nε σ/ T .
Falls wir dies mit der gleichen Rendite für eine Periode vergleichen, sehen wir, dass
wir mehr Risiko eingehen können. Oder, wir sehen, dass es möglich ist, eine höhere
Rendite zu verlangen.
9. PORTFOLIO THEORIE
83
Man kann aber auch, für jedes Jahr eine Rendite vorgeben. Falls man nun nur zu
Beginn ein Portfolio wählen darf (zum Beispiel, um Handelskosten zu vermeiden),
und die Renditen in verschiedenen Jahren unabhängig sind, lautet die Bedingung
1
1
T
T
IIP[R > z , . . . , R > z ] =
T
Y
IIP[Rj > z j ] =
Y
(1 − F (z j )) > 1 − ε .
j=1
Ist z j = z konstant, erhalten wir 1 − F (z) > (1 − ε)1/T , was eine andere lineare
Bedinung ist. Eine weitere Möglichkeit ist zu verlangen, dass F (z j ) ≤ εj , das heisst,
wir haben eine Reihe von Bedinungen, die wir stellen. Jede Bedinung stellt eine
Halbebene dar, in der die Lösung liegen muss. Diese Problem löst man am besten
dann graphisch.
9.4. Indexmodelle
Ein Problem ist der Fluch der Dimensionalität. Haben wir N Aktiven über T Perioden beobachtet, haben wir T N Daten. Die zu bestimmenden Parameter sind N
Mittelwerte, N Varianzen und N (N − 1)/2 Kovarianzen, das heisst, N (N + 3)/2 Parameter. Die Anzahl Parameter wächst also quadratisch mit der Anzahl der Aktiven,
die Beobachtungen linear. Das wird statistisch zu einer grossen Unsicherheit führen.
Man braucht daher Modelle, die die Anzahl der Parameter reduzieren. Wie sich eine
Aktie verhält, hängt von äusseren Ökonomischen Faktoren ab. Diese Faktoren lassen
sich oft aus wenigen Aktiven schätzen.
Betrachten wir den Fall von einem Faktor. Nehmen wir an, es gibt ein Indexportfolio RMI , aus dem der Faktor genügend genau geschätzt werden kann. Dieses
2
Portfolio ist durch Mittelwert µMI und Varianz σMI
gegeben. Die andern N Aktiven
sind durch die Gleichung
Ri = ai + bi RMI + εi
gegeben. Die Variablen RMI , {εi } sind paarweise unkorreliert. Wir haben weiter
IIE[εi ] = 0, Var[εi ] = s2i . Es bleiben uns also 3N + 2 Parameter zu schätzen. Je mehr
Faktoren man zulässt, um so mehr Parameter braucht man zu schätzen. Die Anzahl
der Parameter wird aber linear mit N wachsen. Die meisten Modelle begnügen sich
mit drei oder sechs Faktoren.
Wir können jetzt die Erwartungswerte und Varianzen angeben. Für den Erwartungswert erhalten wir
µi = IIE[Ri ] = ai + bi µMI .
84
9. PORTFOLIO THEORIE
Für die Varianz erhalten wir
2
σi2 = Var[Ri ] = b2i σMI
+ s2i ,
und für die Kovarianzen i 6= j
2
.
Cov[Ri , Rj ] = bi bj σMI
Vergleichen wir den Aktiv mit dem Marktindex, erhalten wir
2
Cov[Ri , RRM ] = bi σMI
.
Also ist
bi =
und
ai = µ i −
Cov[Ri , RRM ]
2
σMI
Cov[Ri , RRM ]
µMI .
2
σMI
bi heisst β-Wert der Aktie, ai heisst α-Wert der Aktie.
P
Für ein beliebiges Portfolio R = xi Ri erhält man also Mittelwert
µR =
X
ai x i +
X
bi xi µMI
und Varianz
σR2 =
X
2
x2i b2i σMI
+
X
x2i s2i + 2
X
2
xi xj bi bj σMI
=
X
xi b i
2
2
σMI
+
X
x2i s2i .
i<j
9.5. Kapitalmarktgleichgewicht: Capital-Asset-Pricing-Model
9.5.1.
Das Marktindexmodell
Wir nehmen nun an, dass das Marktportfolio einem realisierbaren Portfolio M entspricht. Wir haben dann
X
RMI =
ci Ri
für Gewichte {ci }. Wir erhalten dann also
hX
i X
2
ci Ri , RMI =
ci Cov[Ri , RMI ] ,
σMI = Cov
oder anders geschrieben
σMI =
X
ci ρ(Ri , RMI )σi ,
9. PORTFOLIO THEORIE
85
wobei ρ(Ri , RMI ) den Korrelationskoeffizienten bezeichnet.
Wir schreiben
σi = ρ(Ri , RMI )σi + (1 − ρ(Ri , RMI ))σi .
Der erste Summand heisst systematisches Risiko, der zweite diversifizierbarbares Risiko. Der Name kommt daher, dass der erste Teil zum Marktrisiko beiträgt.
Die β-Faktoren lassen sich nun als
bi =
ρ(Ri , RRM )σi
systematisches Risiko der Aktie
Cov[Ri , RRM ]
=
=
2
σMI
σMI
Marktrisiko
darstellen. In der Praxis müssen noch die Parameter geschätzt werden. Dies ist ein
lineares Regressionsproblem, das ein Standardproblem in der Statistik darstellt.
9.5.2.
Portfoliotheorie mit einer sicheren Anlage
Wir erlauben nun zusätzlich eine sichere Anlage R0 mit sicherem Zins r0 . Man kann
zum Zins r0 sowohl Geld anlegen als auch sich Geld ausleihen. Mit a bezeichnen wir
den Anteil des Kapitals, das wir in ein Aktienportfolio P anlegen. Somit ist 1 − a
der Anteil, den wir in den sicheren Aktiv investieren. Das heisst,
µ = aµP + (1 − a)r0 = r0 + a(µP − r0 )
und
σ 2 = a2 σP2 .
Schreiben wir a = σ/σP , erhalten wir
µ = r0 +
σ
µP − r0
(µP − r0 ) = r0 +
σ.
σP
σP
Dies ist eine lineare Funktion, die in einem sinnvollen Markt steigend sein sollte.
Setzen wir σ = σP , erhalten wir µ = µP , also das Portfolio P . Somit liegt das
Portfolio P auf dem effizienten Rand. Betrachten wir nun den Gesamtmarkt, und betrachten wir alle möglichen Portfolios, die sich so konstruieren lassen, erkennen wir,
dass der effiziente Rand durch das risikolose Portfolio und das Tangentenportfolio
T des effizienten Randes ohne risikolosen Aktiv gegeben ist, das heisst das Portfolio
T , bei dem die Tangente durch (0, r0 ) den effizienten Rand berührt.
86
9. PORTFOLIO THEORIE
9.5.3.
Capital-Asset-Prising-Model (CAPM)
Nehmen wir nun an, dass wir einen risikolosen Aktiv r0 haben. Mit dem Marktportfolio M bezeichnen wir die Summe aller Aktien am Markt. Der effiziente Rand lässt
sich dann durch ein Tangentenportfolio T und den risikolosen Aktiv beschreiben.
Jeder Investor wählt nun ein effizientes Portfolio Pi . Das heisst, der Anteil λi wird
ins Tangentenportfolio T investiert, der Anteil 1 − λi in den risikolosen Aktiv. Ist Vi
der Wert des Budgets des Händlers i, ist das Nachfrageportfolio
X
λi Vi xT ,
wobei xT den Anlagevektor des Portfolios T bezeichnet. Sei xM der Anlagevektor
des Marktportfolios M , das heisst xM i bezeichnet den Anteil der i-ten Aktie am
Gesamtwert P des Marktes. Damit wir ein Marktgleichgewicht haben muss Angebot
und Nachfrage gleich sein, das heisst
X
λ i V i xT = P x M .
Die beiden Vektoren xM und xT müssen also bis auf eine multiplikative Konstante
gleich sein. Da die Summe der Koordinaten für beide Vektoren 1 ist, müssen die
P
Vektoren identisch sein und P =
λi Vi . Wir haben also, dass das Marktportfolio
M mit dem Tangentialportfolio T identisch ist.
Wir folgern, dass die optimalen Portfolios durch die Gerade
µ = r0 +
µM − r0
σ
σM
gegeben sind. Diese Portfolios sind durch R = (1 − bR )r0 + bR RM gegeben, also
haben wir
µ = (1 − bR )r0 + bR µM = r0 + bR (µM − r0 ) = r0 +
Cov[R, RM ]
(µM − r0 ) .
2
σM
Schreiben wir
µ − r0 = bR (µM − r0 ) ,
können wir µM − r0 als Risikoprämie interpretieren. Der Faktor (µM − r0 )/σM heisst
dann Marktpreis des Risikos. Wir haben also die Formel
Erwartete Rendite = Risikoloser Zins
+ Markpreis des Risikos · systematisches Risiko .
9. PORTFOLIO THEORIE
87
Versuchen wir zum Schluss noch den Preis einer Aktie auszurechnen. Ist V der
zukünftige Preis der Aktie, P der heutige Preis, so haben wir
IIE[V ]
− 1 = IIE[R] = r0 + bR (µM − r0 ) ,
P
oder
P =
IIE[V ]
.
1 + r0 + bR (µM − r0 )
Das ist der diskontierte erwartete Wert zum Zeitpunkt 1. Der Diskontierungsfaktor
ist dabei durch einen Risikozuschlag erhöht. Eine Einheit heute hat so den Wert
1 + r0 + bR (µM − r0 ) zum Schlusszeitpunkt, ist also der Wert einer risikolosen Einheit
plus den Wert des Risikos.
9.6. State-Price-beta-Modelle
Kehren wir zum Einperiodenmodell aus Kapitel 1 zurück. Sei p > 0 in IRS mit echt
positiven Koordinaten ein Wahrscheinlichkeitsvektor. Wir schreiben nun für jeden
Vektor x ∈ IRS die Kurzformel
IIE[x] = px =
S
X
p j xj .
j=1
Nehmen wir an, dass keine Arbitrage existiert. Dann gibt es einen State-Price-Vektor
ψ. Wir schreiben πj = ψj /pj . Dann lässt sich
X
qi =
pj Dij πj
j
schreiben. Der Vektor π heisst dann State-Price-Deflator.
Für x, y ∈ IRS definieren wir die Kovarianz
Cov[x, y] =
S
X
pj xj yj − IIE[x]IIE[y] .
j=1
Die Varianz ist definiert als Var[x] = Cov[x, x].
Sei θ ein Portfolio mit θq 6= 0. Die Rendite ist dann
Rjθ =
(θD)j
−1.
θq
88
9. PORTFOLIO THEORIE
Wir nehmen weiter an, dass es ein risikoloses Portfolio mit konstanter Rendite Rc in
allen Zuständen gibt. So ein Portfolio existiert, falls der Markt vollständig ist. Dann
gilt
P
P
IIE[Rθ ] Sj=1 pj πj − Sj=1 pj πj Rc
IIE[Rθ ]IIE[π] − (1 − IIE[π])
θ
c
=
IIE[R ] − R =
PS
IIE[π]
j=1 pj πj
PS
θ
E[Rθ ]IIE[π]
Cov[Rθ , π]
j=1 pj πj Rj − II
=−
=−
.
IIE[π]
IIE[π]
Das bedeutet, dass die Korrelation mit π einen negativen Effekt auf die erwartete
Rendite hat.
Die Korrelation zwischen x und y ist definiert als
(
√ Cov[x,y]
falls Var[x] Var[y] > 0,
Var[x] Var[y]
Cor[x, y] =
0
sonst.
Da {θD} ein geschlossener Unterraum ist, gibt es immer ein Portfolio θ ∗ , so dass
Cor[θ ∗ D, π] = sup Cor[θD, π] .
θ
Wir bezeichnen mit R∗ die entsprechende Rendite. Dann gilt Var[R∗ ] > 0. Es lässt
sich zeigen, dass
IIE[Rθ − Rc ] = βθ (IIE[R∗ ] − Rc ) ,
(9.1)
wobei
βθ =
Cov[R∗ , Rθ ]
.
Var[R∗ ]
Formel (9.1) heisst State-Price-beta-Modell.
10. RISIKOMASSE
10.
89
Risikomasse
10.1. Einführung
In der Portfoliotheorie haben wir gesehen, wie man ein Portfolio mit Hilfe von Varianz und Mittelwert bewerten kann. Mittelwert und Varianz sind aber keine guten
Indikatoren für ein Risiko. Nehmen wir an, ein Verlust hat einen Mittelwert von 1
und eine Varianz von 3. Nehmen wir an, wir hätten ein Kapital von 6, und wollen
die Wahrscheinlichkeit berechnen, dass dieses Kapital nicht ausreicht. Wählen wir
für den Verlust eine Normalverteilung, so ist die gesuchte Wahrscheinlichkeit 0.19%.
Wählen wir aber eine Paretoverteilung F (x) = 1 − (2/(x + 2))3 , so wird die gesuchte
Wahrscheinlichkeit 1.56%. Dies zeigt, dass Mittelwert und Varianz nicht ausreichen,
um das Risiko zufriedenstellend zu beschreiben.
Wir nehmen nun an, dass die Zufallsvariable X eine finanzielle Position beschreibt. Das heisst, X > 0 ist ein Gewinn und X < 0 ist ein Verlust. Wir bezeichnen
mit X die Klasse aller Zufallsvariablen, mit L∞ ⊂ X die Klasse aller beschränkten
Zufallsvariablen, mit Lp (p ≥ 1) die Klasse der Zufallsvariablen mit IIE[|X|p ] < ∞.
Wir wollen nun der finanziellen Positon X ein regulatorisches Kapital zuordnen. Dies
machen wir, vorerst für L∞ , mit einer Abbildung ρ : L∞ → IR. So eine Abbildung
heisst monoton, falls
ρ(X) ≤ ρ(Y ) falls X ≥ Y .
Dies bedeutet, dass grösserer Verlust zu mehr regulatorischem Kapital führt. Die
Abbildung heisst normiert, falls
ρ(0) = 0 .
Das bedeutet, dass keine finanzielle Position kein regulatorisches Kapital verlangt.
Wir nennen so eine Abbildung translationsinvariant, falls für alle a ∈ IR
ρ(X − a) = ρ(X) + a .
Wenn wir also zusätzlich zu X noch den deterministischen Betrag a auszahlen (oder
−a erhalten), so ändert sich das regulatorische Kapital um den selben Betrag. Es
gilt damit die Formel ρ(X + ρ(X)) = 0.
Definition 10.1. Eine Abbildung ρ : L∞ → IR heisst monetäres Risikomass,
falls sie normiert, monoton und translationsinvariant ist.
90
10. RISIKOMASSE
Die Normiertheit und die Monotonie impliziert, dass für X ≤ 0 ρ(X) ≥ 0 oder für
X ≥ 0 ρ(X) ≤ 0 folgt. Macht man also sicher einen Verlust, so kann man kein
Kapital entnehmen. Ein sicherer Gewinn muss nicht mit Eigenkapital abgesichert
werden.
Beispiel 10.2. In der Finanzindustrie wird oft der Value-at-Risk (V@R) verwendet. Der Value-at-Risk zum Konfidenzniveau α ∈ (0, 1) ist das 1 − α-Quantil der
Verteilung von X, also
V@Rα (X) = inf{x ∈ IR : IIP[x + X ≥ 0] ≥ α} .
Typische Werte für α sind 99% (Basel III) oder 99.5% (Solvency II). Aus der Definition folgt, dass V@R normiert und monoton ist. Weiter haben wir
inf{x : IIP[x + (X − a) ≥ 0] ≥ α} = inf{x − a + a : IIP[(x − a) + X ≥ 0] ≥ α}
= inf{y : IIP[y + X ≥ 0] ≥ α} + a ,
und damit ist V@R auch translationsinvariant.
Hilfssatz 10.3. Ein monetäres Risikomass ist Lipschitz-stetig bezüglich der Supremumsnorm.
Beweis.
gilt
Wir haben X − Y ≤ kX − Y k∞ und damit X ≤ Y + kX − Y k∞ . Also
ρ(Y ) − kX − Y k∞ = ρ(Y + kX − Y k∞ ) ≤ ρ(X) .
Somit ist ρ(Y ) − ρ(X) ≤ kX − Y k∞ . Die Aussage gilt auch, wenn man die Rollen
von X und Y vertauscht. Dies zeigt |ρ(X) − ρ(Y )| ≤ kX − Y k∞ .
Wir wollen nun weitere wünschenswerte Eigenschaften für Risikomasse definieren. Ein Risikomass heisst positiv homogen, falls für alle λ ≥ 0
ρ(λX) = λρ(X) .
Hält man also mehrere Einheiten eines Risikos, so verhält sich das regulatorische
Kapital proportional. Insbesondere hängt ein positiv homogenes Risikomass nicht
von der gewählten Währungseinheit ab. Ein positiv homogenes Risikomass muss
insbesondere normiert sein.
Ein Risikomass heisst subadditiv, falls für alle X, Y ∈ L∞ gilt
ρ(X + Y ) ≤ ρ(X) + ρ(Y ) .
10. RISIKOMASSE
91
Diese Eigenschaft sagt, dass eine Diversifikation zu einem kleineren regulatorischen
Kapital führt. Wäre die Subadditivität nicht erfüllt, so könnte man ein Portfolio in
zwei Portfolios aufteilen, und müsste dadurch weniger Eigenkapital bereit stellen.
Definition 10.4. Ein monetäres Risikomass heisst kohärent, falls es positiv homogen und subadditiv ist.
Eine zur Subadditivität ähnliche Eigenschaft ist die Konvexität. Ein Risikomass
heisst konvex, falls für alle X, Y ∈ L∞ und λ ∈ (0, 1) gilt
ρ(λX + (1 − λ)Y ) ≤ λρ(X) + (1 − λ)ρ(Y ) .
Eine etwas schwächere Eigenschaft ist die folgende. Ein Risikomass heisst quasikonvex, falls für alle X, Y ∈ L∞ und λ ∈ (0, 1) gilt
ρ(λX + (1 − λ)Y ) ≤ max{ρ(X), ρ(Y )} .
Wir haben den folgenden Zusammenhang.
Hilfssatz 10.5. Sei ρ ein monetäres Risikomass. Dann gilt
i) ρ ist genau dann quasi-konvex, wenn ρ konvex ist.
ii) Ist ρ positiv homogen, so ist ρ genau dann kohärent, wenn es konvex ist.
Beweis.
i) Sei ρ quasi-konvex. Wir haben
ρ(λ(X + ρ(X)) + (1 − λ)(Y + ρ(Y ))) ≤ max{ρ(X + ρ(X)), ρ(Y + ρ(Y ))} = 0 .
Somit gilt wegen der Translationsinvarianz
ρ(λX + (1 − λ)Y ) ≤ λρ(X) + (1 − λ)ρ(Y ) .
Also ist das Risikomass konvex.
Sei nun ρ konvex. Für m = max{ρ(X), ρ(Y )} erhalten wir
ρ(λX + (1 − λ)Y ) ≤ λρ(X) + (1 − λ)ρ(Y ) ≤ λm + (1 − λ)m = m .
Somit ist ρ quasikonvex.
ii) Sei ρ kohärent. Dann gilt
ρ(λX + (1 − λ)Y ) ≤ ρ(λX) + ρ((1 − λ)Y ) = λρ(X) + (1 − λ)ρ(Y ) ,
und ρ is konvex. Analog, falls ρ konvex ist,
ρ(X + Y ) = 2ρ( 21 X + 21 Y ) ≤ 2( 12 ρ(X) + 12 ρ(Y )) = ρ(X) + ρ(Y ) .
Also ist ρ subadditiv.
92
10. RISIKOMASSE
Beispiel 10.2 (Fortsetzung).
Für λ > 0 folgt
inf{x : IIP[x + λX ≥ 0] ≥ α} = inf{λx : IIP[λx + λX ≥ 0] ≥ α}
= λ inf{x : IIP[x + X ≥ 0] ≥ α} .
Somit ist V@R positiv homogen. Hingegen ist V@R nicht subadditiv, und damit
nicht konvex, wie folgendes Gegenbeispiel zeigt. Seien Xk unabhängig mit IIP[Xk =
1
1] = κα = 1 − IIP[Xk = 0] für ein 1 < κ < α− 2 . Dann ist V@Rα (Xk ) = −1. Weiter
ist IIP[X1 + X2 = 2] = κ2 α2 < α, IIP[X1 + X2 = 1] = 2κα(1 − κα) und IIP[X1 + X2 =
0] = (1 − κα)2 . Daher ist V@R(X1 + X2 ) ≥ −1 > −2 = V@R(X1 ) + V@R(X2 ). Also
ist V@R nicht subadditiv, und daher auch nicht konvex.
Beispiel 10.6. Ein kohärentes Risikomass ist der Maximalverlust. Sei ρ(X) =
− ess inf X := − inf{x : IIP[X < x] > 0}. Dies kann als Spezialfall V@R1 interpretiert
werden. Die Beweise, dass es sich um ein normiertes, positiv homogenes monetäres
Risikomass handelt, können analog zum V@R geführt werden. Sei nun ρ(X) = x und
ρ(Y ) = y. Dann gilt IIP[X < −x] = 0 und IIP[Y < −y] = 0, da die Verteilungsfunktion
linksstetig ist. Dann ist
IIP[X + Y ≥ −x − y] ≥ IIP[X ≥ −x, Y ≥ −y]
= IIP[X ≥ −x] + IIP[Y ≥ −y] − IIP[{X ≥ −x} ∪ {Y ≥ −y}]
= 2 − IIP[{X ≥ −x} ∪ {Y ≥ −y}] ≥ 2 − 1 = 1 .
Somit ist IIP[X + Y < −x − y] = 0, also ρ(X + Y ) ≤ x + y = ρ(X) + ρ(Y ). Damit
ist das Risikomass subadditiv, und damit auch kohärent und konvex.
Beispiel 10.7. Sei β > 0. Das Exponentialprinzip der Versicherungsmathematik
berechnet eine Prämie nach der Formel ρ(X) = β −1 log IIE[e−βX ]. Dass ρ normiert
und monoton ist, ist klar. Weiter ist
ρ(X − a) = β −1 log IIE[e−β(X−a) ] = β −1 log eβa IIE[e−βX ] = a + β −1 log IIE[e−βX ]
= ρ(X) + a .
Also handelt es sich um ein monetäres Risikomass. Sei
f (λ) = ρ(λX + (1 − λ)Y ) = β −1 log IIE[e−β(λX+(1−λ)Y ) ] .
Wir erhalten
f 0 (λ) = −
IIE[(X − Y )e−β(λX+(1−λ)Y ) ]
,
IIE[e−β(λX+(1−λ)Y ) ]
10. RISIKOMASSE
93
und
n IIE[(X − Y )2 e−β(λX+(1−λ)Y ) ] IIE[(X − Y )e−β(λX+(1−λ)Y ) ] 2 o
−
.
f (λ) = β
IIE[e−β(λX+(1−λ)Y ) ]
IIE[e−β(λX+(1−λ)Y ) ]
00
Der Ausdruck in der Klammer kann als Varianz des Masses
dQ
e−β(λX+(1−λ)Y )
=
dIIP
IIE[e−β(λX+(1−λ)Y ) ]
interpretiert werden, und ist daher positiv. Somit ist f (λ) eine konvexe Funktion.
Ist X − Y nicht deterministisch, so ist f (λ) sogar streng konvex. Insbesondere ist
ρ(λX + (1 − λ)Y ) = f (λ) ≤ λf (1) + (1 − λ)f (0) = λρ(X) + (1 − λ)ρ(Y ) .
Also ist das Risikomass konvex. Setzen wir Y = 0 und X eine nicht-deterministische
Zufallsvariable, so ist wegen der strengen Konvexität
ρ(λX) = f (λ) < λf (1) + (1 − λ)f (0) = λρ(X) + (1 − λ)ρ(0) = λρ(X) .
Also ist das Risikomass nicht positiv homogen, und damit nicht kohärent.
10.2. Akzeptanzmengen
Ein alternativer Zugang zum regulatorischen Kapital ist die Definition von Akzeptanzmengen. Das heisst, wir betrachten eine Teilmenge A ⊂ L∞ von Risiken, die
vom Regulator akzeptiert werden. Wir können dann jedem monetären Risikomass
ρ die Akzeptanzmenge
Aρ = {X ∈ L∞ : ρ(X) ≤ 0}
zuordnen. Für diese X muss nämlich kein zusätzliches Kapital bereitgehalten werden. Die Position 0 sollte zulässig sein, also verlangen wir 0 ∈ A für jede Akzeptanzmenge. Weiter, sollte mit jeder akzeptablen Position auch jede bessere Position
akzeptabel sein. Wir verlangen also, falls X ≤ Y und X ∈ A, so ist auch Y ∈ A.
Definition 10.8. Eine Akzeptanzmenge heisst zulässig, falls 0 ∈ A und falls
X ≤ Y mit X ∈ A, so ist auch Y ∈ A.
Wir erhalten folgende Eigenschaften der durch ρ erzeugte Akzeptanzmenge.
94
10. RISIKOMASSE
Hilfssatz 10.9. Sei ρ ein monetäres Risikomass.
i) Aρ ist eine zulässige Akzeptanzmenge.
ii) Ist X ∈ Aρ und Y ∈ L∞ , dann ist die Menge
{λ ∈ [0, 1] : λX + (1 − λ)Y ∈ Aρ }
abgeschlossen.
iii) Es gilt
ρ(X) = inf{x ∈ IR : x + X ∈ Aρ } .
iv) ρ ist genau dann konvex, wenn Aρ konvex ist.
v) ρ ist genau dann positiv homogen, wenn Aρ ein Kegel ist.
vi) ρ ist genau dann kohärent, wenn Aρ ein konvexer Kegel ist.
Beweis. i) Aus ρ(0) = 0 ≤ 0 folgt, dass 0 ∈ Aρ . Ist Aρ 3 X ≤ Y , so haben wir
ρ(Y ) ≤ ρ(X) ≤ 0, also Y ∈ Aρ .
ii) Aus Hilfssatz 10.3 folgt, dass die Abbildung λ 7→ ρ(λX + (1 − λ)Y ) stetig ist.
Somit muss die Menge {λ ∈ [0, 1] : ρ(λX + (1 − λ)Y ) ≤ 0} abgeschlossen sein.
iii) Da ρ(ρ(X) + X) = 0, folgt dass ρ(X) + X ∈ Aρ und damit ρ(X) ≥ inf{x ∈
IR : x + X ∈ Aρ }. Ist x + X ∈ Aρ , so ist ρ(X) = ρ(x + X − x) = ρ(x + X) + x ≤ x,
und damit ρ(X) ≤ inf{x ∈ IR : x + X ∈ Aρ }.
iv) Sei ρ konvex. Für X, Y ∈ Aρ und λ ∈ (0, 1) haben wir dann
ρ(λX + (1 − λ)Y ) ≤ λρ(X) + (1 − λ)ρ(Y ) ≤ 0 .
Damit ist λX + (1 − λ)Y ∈ Aρ , also Aρ konvex. Sei Aρ konvex und X , Y ∈ L∞ . Da
ρ(X) + X und ρ(Y ) + Y in Aρ sind, ist auch λ(ρ(X) + X) + (1 − λ)(ρ(Y ) + Y ) ∈ Aρ .
Also
−λρ(X)−(1−λ)ρ(Y )+ρ(λX +(1−λ)Y ) = ρ(λ(ρ(X)+X)+(1−λ)(ρ(Y )+Y )) ≤ 0 .
Dies ist äquivalent zur Aussage.
v) Ist ρ positiv homogen und X ∈ Aρ , so ist ρ(λX) = λρ(X) ≤ 0 für jedes
λ ≥ 0. Also ist λX ∈ Aρ , und damit Aρ ein Kegel. Sei nun Aρ ein Kegel und
X ∈ L∞ . Dann ist λ(ρ(X) + X) ∈ Aρ , und damit
−λρ(X) + ρ(λX) = ρ(λ(X + ρ(X))) ≤ 0 ,
10. RISIKOMASSE
95
und damit ist ρ(λX) ≤ λρ(X). Nehmen wir ρ(λX) < λρ(X) an. Dann existiert ein
x < λρ(X), so dass x + λX ∈ Aρ . Dann ist auch λ−1 x + X ∈ Aρ . Insbesondere ist
ρ(X) > λ−1 x = λ−1 x − ρ(X) + ρ(X) = −ρ(λ−1 x + X) + ρ(X) ≥ ρ(X) ,
was ein Widerspruch ist. Also gilt ρ(λX) = λρ(X).
vi) Dies folgt sofort aus Hilfssatz 10.5 ii).
Wir haben gesehen, dass wir das Risikomass aus der Akzeptanzmenge zurückgewinnen können. Dies können wir zum Anlass nehmen, ein Risikomass aus einer
beliebigen Akzeptanzmenge zu gewinnen. Sei A ⊂ L∞ eine beliebige zulässige Akzeptanzmenge. Wir definieren
ρA (X) = inf{x ∈ IR : x + X ∈ A} .
Dann gilt
Hilfssatz 10.10. Sei A zulässig und sei ρA (0) = 0.
i) ρA ist ein monetäres Risikomass.
ii) A ⊂ AρA . Gleichheit gilt genau dann, wenn Hilfssatz 10.9 ii) gilt.
Beweis. i) Da X beschränkt ist, gilt X − ess inf X ≥ 0, und damit ist X −
ess inf X ∈ A. Dies bedeutet ρA (X) ≤ − ess inf X < ∞. Nehmen wir ρ(X) = −∞
an. Sei y ∈ IR. Es gibt ein x < y − ess sup X, so dass x + X ∈ A. Damit haben wir
y ≥ y − (ess sup X − X) > x + X ∈ A .
Somit wäre y ∈ A, d.h. IR ⊂ A, was ρA (0) = 0 widerspricht. Somit ist ρ reellwertig.
Die Normiertheit haben wir angenommen. Sei X ≤ Y . Ist x + X ∈ A, so ist auch
x + Y ∈ A. Also gilt
ρA (Y ) = inf{x ∈ IR : x + Y ∈ A} ≤ inf{x ∈ IR : x + X ∈ A} = ρA (X) .
Das Mass ist also monoton. Sei a ∈ IR. Weiter erhalten wir
ρA (X − a) = inf{x ∈ IR : x + X − a ∈ A} = inf{y + a ∈ IR : y + X ∈ A} = ρ(X) + a .
Also ist das Mass auch translationsinvariant.
ii) Nach Definition ist für X ∈ A ρA (X) ≤ 0, also X ∈ AρA . Gilt A = AρA , so gilt
96
10. RISIKOMASSE
Hilfssatz 10.9 ii). Es gelte umgekehrt Hilfssatz 10.9 ii). Sei X ∈
/ A. Nach unserer
Annahme ist 0 < ess sup |X| ∈ A. Dann gibt es ein ε > 0, so dass λ ess sup |X| +
(1 − λ)X ∈
/ A für 0 ≤ λ < ε. Aus der Lipschitz-Stetigkeit erhalten wir
ρA ((1 − λ)X) − ρA (X) ≤ k(1 − λ)X − Xk = λkXk = λ ess sup |X| .
Somit gilt
ρA (X) ≥ ρA ((1 − λ)X) − λ ess sup |X| = ρA ((1 − λ)X + λ ess sup |X|) > 0 .
Damit ist X ∈
/ AρA .
10.3. Darstellung von konvexen Risikomassen
Wir bezeichnen mit M die Menge aller Wahrscheinlichkeitsmasse auf Ω, die absolutstetig zu IIP sind. Mit
Ms = {α1 IIP1 − α2 IIP2 : αk ≥ 0, IIPk ∈ M}
bezeichnen wir die endlichen signierten Masse. Wir können dann hQ, Xi = IIEQ [X]
als eine Abbildung von Ms × L∞ nach IR definieren. Die Abbildung ist bilinear.
Sei ρ : L∞ → IR eine Abbildung. Wir definieren die konjugierte Abbildung
ρ∗ : Ms → IR , Q 7→ sup hQ, Xi − ρ(X) .
X∈L∞
∗
Weiter definieren wir die zu ρ konjugierte Abbildung
ρ∗∗ : L∞ → IR , X 7→ sup hQ, Xi − ρ∗ (Q) .
Q∈Ms
Hilfssatz 10.11. Die Abbildungen ρ∗ und ρ∗∗ sind konvex.
Beweis. Seien Q1 , Q2 ∈ Ms , λ ∈ (0, 1), Q = λQ1 + (1 − λ)Q2 und ε > 0. Dann
ist Q ∈ Ms . Wir können annehmen, dass ρ∗ (Qk ) < ∞, da sonst die Aussage trivial
ist. Sei ρ∗ (Q) < ∞. Wählen wir X, so dass hQ, Xi − ρ(X) > ρ∗ (Q) − ε. Dann ist
ρ∗ (Q) < hQ, Xi − ρ(X) + ε = λ(hQ1 , Xi − ρ(X)) + (1 − λ)(hQ2 , Xi − ρ(X)) + ε
≤ λρ∗ (Q1 ) + (1 − λ)ρ∗ (Q2 ) + ε .
Da ε beliebig war, folgt dass ρ∗ konvex ist. Sei nun ρ∗ (Q) = ∞. Wählen wir a > 0.
Dann existiert ein X, so dass hQ, Xi − ρ(X) > a + ρ∗ (Q1 ) + ρ∗ (Q2 ). Wie oben folgt
dann
a + ρ∗ (Q1 ) + ρ∗ (Q2 ) < hQ, Xi − ρ(X) ≤ λρ∗ (Q1 ) + (1 − λ)ρ∗ (Q2 ) .
Dies ist aber nicht für alle a möglich. Somit muss max{ρ∗ (Q1 ), ρ∗ (Q2 )} = ∞ gelten.
Dass ρ∗∗ konvex ist, folgt analog.
10. RISIKOMASSE
97
Hilfssatz 10.12. Sei ρ : L∞ → IR konvex. Dann ist ρ∗∗ = ρ.
Beweis.
Wir haben
ρ∗∗ (X) = sup hQ, Xi − ρ∗ (Q) = sup {hQ, Xi − sup hQ, Y i − ρ(Y )}
Q∈Ms
Q∈Ms
Y ∈L∞
≤ sup {hQ, Xi − [hQ, Xi − ρ(X)]} = ρ(X) .
Q∈Ms
Für die umgekehrte Ungleichung, bemerken wir, dass die Menge K = {(X, x) ∈
L∞ × IR : ρ(X) ≤ x} konvex ist. Sei Y ∈ L∞ und y = ρ(Y ) − ε für ein ε > 0.
Dann gibt es nach einem Trennungssatz für konvexe Mengen, ein lineares stetiges
Funktional (Q, z) ∈ Ms × IR, so dass
sup hQ, Xi + zx < hQ, Y i + zy .
(X,x)∈K
Wir haben, da (Y, ρ(Y )) ∈ K,
hQ, Y i + zρ(Y ) ≤ sup hQ, Xi + zx < hQ, Y i + zy .
(X,x)∈K
Somit gilt z < 0. Also
ρ∗ (Q/|z|) = sup hQ/|z|, Xi − ρ(X) < hQ/|z|, Y i − y = hQ/|z|, Y i − ρ(Y ) + ε .
X∈L∞
Dies impliziert
ρ(Y ) − ε < hQ/|z|, Y i − ρ∗ (Q/|z|) ≤ ρ∗∗ (Y ) .
Da ε beliebig war, folgt die Aussage.
Wir bezeichnen mit dom ρ∗ = {Q ∈ Ms : ρ∗ (Q) < ∞}.
Satz 10.13. Eine Abbildung ρ : L∞ → IR ist genau dann ein konvexes Risikomass,
wenn
ρ(X) = − inf {IIEQ [X] + α(Q)} ,
Q∈P
wobei ∅ =
6 P ⊂ M und α : P → IR ein Funktional mit inf Q∈P α(Q) = 0. Dabei kann
P = − dom ρ∗ und α(Q) = ρ∗ (−Q) gewählt werden.
Beweis. Nehmen wir ρ(X) = − inf Q∈P {IIEQ [X] + α(Q)} = supQ∈P {−IIEQ [X] −
α(Q)} an. Dann ist ρ nach dem Beweis von Hilfssatz 10.11 konvex. Nach Voraussetzung ist ρ(0) = 0. Monotonie und Translationsinvarianz sind trivial.
98
10. RISIKOMASSE
Sei ρ ein konvexes Risikomass. Dann ist ρ = ρ∗∗ . Sei Q ∈ Ms und Z ∈ L∞ mit
Z ≥ 0, so dass hQ, Zi > 0. Dann ist ρ(tZ) ≤ 0 für alle t ≥ 0 und
ρ∗ (Q) = sup hQ, Xi − ρ(X) ≥ sup thQ, Zi − ρ(tZ) ≥ sup thQ, Zi = ∞ .
X∈L∞
t≥0
t≥0
Ist Q ∈ Ms , so dass es A ∈ F gibt mit Q(A) > 0, so erfüllt 1IA die obigen Bedingungen. Ist also ρ∗ (Q) 6= ∞, so muss −Q ein positives Mass sein.
Sei Q ∈ Ms und Q(Ω) 6= −1. Dann erhalten wir
ρ∗ (Q) ≥ suphQ, ai − ρ(a) = sup a(Q(Ω) + 1) = ∞ .
a∈IR
a∈IR
Somit genügt es Q zu betrachten, so dass −Q ein Wahrscheinlichkeitsmass ist. Somit
folgt die Aussage aus ρ = ρ∗∗ .
Satz 10.14. Eine Abbildung ρ : L∞ → IR ist genau dann ein kohärentes Risikomass, wenn
ρ(X) = − inf IIEQ [X] ,
Q∈P
wobei ∅ =
6 P ⊂ M. Dabei kann P = − dom ρ∗ gewählt werden.
Beweis. Aus Satz 10.13 folgt, dass ρ definiert wie oben ein konvexes Risikomass
ist. Aus der Definition folgt sofort, dass ρ positiv homogen ist. Damit ist ρ kohärent.
Sei nun ρ ein kohärentes Risikomass. Dann gilt die Darstellung aus Satz 10.13.
Sei Q ∈ M. Wir haben nun
ρ∗ (−Q) = sup h−Q, Xi − ρ(X) = sup sup h−Q, λXi − ρ(λX)
λ>0 X∈L∞
X∈L∞
= sup λ sup h−Q, Xi − ρ(X) = sup λρ∗ (−Q) .
λ>0
X∈L∞
λ>0
Somit muss ρ∗ (−Q) ∈ {0, ∞} gelten. Damit kann α(Q) = 0 gewählt werden, was
die Darstellung beweist.
Beispiel 10.15. (Average Value at Risk) Wir definieren den Average-Valueat-Risk
Z 1
1
V@Rβ (X) dβ
AV@Rα (X) =
1−α α
für α ∈ (0, 1). Aus den entsprechenden Eigenschaften des Value-at-Risk folgt, dass
AV@Rα ein positiv homogenes monetäres Risikomass ist. Sei F die Verteilung von
10. RISIKOMASSE
99
−X. Dann haben wir Varβ (X) = F −1 (β). Sei U eine auf (0, 1) gleichverteilte Zufallsvariable. Wir bemerken, dass dann F −1 (U ) die Verteilung von −X hat. Somit
gilt
Z 1
Z 1
1
1
−1
F (β) dβ =
F −1 (β)1Iβ>α dβ
AV@Rα (X) =
1−α α
1−α 0
1
=
IIE[F −1 (U )1IU >α ] .
1−α
Die Variablen F −1 (U ) und 1IU >α haben unter allen Variablen Y und Z, so dass Y
die Verteilung F hat und Z Bernoulli-verteilt ist mit IIP[Z = 0] = 1 − IIP[Z = 1] = α
die maximale Korrelation, da sie komonoton sind. Wir können also
h
Z i
AV@Rα (X) = sup IIE (−X)
1−α
Z
schreiben, wobei Z Bernoulli-verteilt ist. Da IIE[Z/(1 − α)] = 1, ist dies eine Radon–
Nikodym Dichte. Wir können also
P = {Z/(1 − α) dIIP : Z ist Bernoulli (1 − α) verteilt}
wählen. Somit ist
AV@Rα (X) = sup IIEQ [−X] = − inf IIEQ [X] ,
Q∈P
Q∈P
und damit ist AV@Rα kohärent. Eine alternative Darstellung folgt mit P = {Q ∈
dQ
1
M : dII
≤ 1−α
}.
P
Beispiel 10.16. Oft verwendet wird auch der TV@R, der Tail-Value-at-Risk
oder Expected Shortfall. Dieser ist definiert als
TV@Rα (X) = IIE[−X | X ≤ − V@Rα (X)] .
Betrachtet man nur stetige Zufallsvariablen, so ist TV@Rα (X) = AV@Rα (X). In
der Tat ist
1
1
IIE[F −1 (U )1IU >α ] =
IIE[(−X)1IX≤− V@Rα (X) ]
1−α
1−α
= TV@Rα (X) .
AV@Rα (X) =
Im allgemeinen ist TV@R ein positiv homogenes monetäres Risikomass. Das Gegenbeispiel zum V@R zeigt, dass TV@R nicht subadditiv ist. Daher ist TV@R nicht
kohärent.
100
10. RISIKOMASSE
Bemerkung. Wir haben hier nur Risikomasse auf L∞ betrachtet. Eine analoge
Theorie lässt sich für Lp mit 1 ≤ p < ∞ durchführen. In diesem Falle arbeitet man
auf dem Dualraum Lq mit q = p/(p − 1) falls p > 1 und q = ∞ falls p = 1. Ein
konvexes Risikomass ρ auf Lp lässt sich dann darstellen als
ρ(X) = sup IIE[XY ] − ρ∗ (Y ) ,
Y ∈L
wobei L ⊂ Lq .
11. WEITERE ASPEKTE
11.
101
Weitere Aspekte
11.1. Aktien mit Dividendenzahlungen
Betrachten wir das Black–Scholes-Modell. Falls die Aktie nun Dividenden bezahlt,
wird der Wert der Aktie um den Wert der Dividenden grösser sein. Sei {Dt } der
Dividendenprozess. Dann ist der Barwert der Dividenden im Interval (t, T ] zum
Zeitpunkt t
i
hZ T
∗
−r(s−t)
IIE
e
dDs Ft .
t
Somit muss der Aktienkurs folgendermassen gegeben sein
i
hZ T
∗
St = IIE
e−r(s−t) dDs + e−r(T −t) ST Ft ,
t
da man ST als Dividendenzahlung im Zeitpunkt T auffassen kann. Der Wert der
Aktie lässt sich als Wert der zukünftigen Dividendenzahlungen im Intervall (t, ∞)
auffassen.
Berechnet man nun den Wert einer Option, dann muss man den Wert der Dividenden im Interval (t, T ] berücksichtigen; das heisst, modellieren. Diese Dividenden
bekommt man ja nicht ausbezahlt, wenn man die Option hält. Man beachte, dass
Rt
{e−rt St } kein Martingal mehr ist, sondern {St e−rt + 0 e−rs dDs }.
11.2. Devisenoptionen
Eine typische Anwendung von Optionen sind Optionen auf Devisen. Zum Beispiel,
eine grosse deutsche Chemiefirma will eine Firma in den USA übernehmen. Sie
unterbreitet den Aktionären ein Angebot, so dass die Firma in einem halben Jahr
eine Million Dollars benötigt. Nun will sich die deutsche Firma absichern, und kauft
daher eine Option über eine Million Dollars zum Ausübungspreis von 1 Million Euro.
Nun liegt das Riskio bei der Bank, die die Option ausstellt.
Den Wechselkurs {Xt } kann man dann zum Beispiel mit einer geometrischen
Brownschen Bewegung modellieren
Xt = X0 exp{σWt + (µ − σ 2 /2)t} .
Nehmen wir (im deutschen Markt) einen risikolosen Zins mit Intensität r an, erhalten
wir den Optionspreis
e−r(T −t) IIE∗ [(M Xt − K)+ | Ft ] ,
102
11. WEITERE ASPEKTE
L
KP
K
KC
A
Abbildung 11.1: Auszahlungsfunktion des Straddle, Strangle, Spread und Butterfly.
wobei M die Anzahl Devisen im Vertrag bezeichnet. Wir sehen, dass auch hier
die Black–Scholes-Formel gilt. Man bemerke, dass die Absenz von Arbitrage den
Zinssatz im Ausland festlegt. Wir werden dies hier aber nicht beweisen.
11.3. Kombination von Optionspositionen
11.3.1.
Straddles
Ein Straddle ist das gleichzeitige Kaufen einer Call- und Put-Option mit dem
gleichen Ausübungspreis, also mit Auszahlung
(ST − K)+ + (K − ST )+ = max{ST − K, K − ST } = |ST − K| .
11.3.2.
Strangles
Ein Strangle ist auch ein gleichzeitiges Kaufen einer Call- und Put-Option, wobei die Ausübungspreise sich unterscheiden. Dabei ist der Call-Ausübungspreis KC
grösser als der Put-Ausübungpreis KP . Die Auszahlung ist dann
(ST − KC )+ + (KP − ST )+ = max{ST − KC , KP − ST , 0} .
Es ist zu bemerken, dass im Fall KC < KP der Betrag KP − KC immer ausbezahlt
wird. Man könnte diesen Vertrag somit als Kombination der Auszahlung KP − KC
11. WEITERE ASPEKTE
103
mit einem Strangle mit vertauschten Ausübungspreisen betrachten, da
(ST − KC )+ + (KP − ST )+ = (ST − KP )+ + (KC − ST )+ + KP − KC .
11.3.3.
Spreads
Ein Call-Spread ist der Kauf einer Call-Option und gleichzeitige Verkauf einer CallOption mit höherem Ausübungspreis
(ST − K)+ − (ST − A)+ = min{(ST − K)+ , A − K} ,
wobei A > K. So ein Kontrakt schützt den Käufer vor dem Risiko, das er eingeht,
wenn der Markt sich “nomal” verhält. Die Auszahlung kann wegen der Put-CallParität auch mit Put-Optionen und einem Barwert erhalten werden
(K − ST )+ − (A − ST )+ + (A − K) .
Ein Put-Spread ist Kauf und Verkauf von Putoptionen
(A − ST )+ − (K − ST )+ = min{(A − ST )+ , A − K} .
11.3.4.
Butterflies
Ein Butterfly wird durch den Kauf von zwei Call-Optionen mit verschiedenen Ausübungspreisen A und L und dem Verkauf von zwei Call-Optionen mit einem Ausübungspreis K dazwischen erzeugt,
(ST − L)+ + (ST − A)+ − 2(ST − K)+ .
Oft wählt man dabei K = (L + A)/2.
11.4. Spezielle Optionen
Call- und Put-Optionen sowie deren Kombinationen sind etablierte Optionen. Sie
werden an der “normalen” Börse gehandelt. Man nennt diese Optionen auch plain
Vanilla. Daneben gibt es auch nicht-so-übliche Optionen. Diese werden ausserhalb
der “normalen” Börse gehandelt, und man nennt sie over-the-counter, oder kurz
OTC. Wir wollen hier ein paar dieser Optionen vorstellen.
104
11.4.1.
11. WEITERE ASPEKTE
Asiatische Optionen
Eine Voraussetzung der üblichen Modelle ist, dass der Markt genügend liquide ist, so
dass ein einzelner Händler die Preise nicht direkt beeinflussen kann. Aber in vielen
Bereichen ist der Markt nicht genügend liquide. Zum Beispiel, der Aktiv wird nicht
täglich gehandelt, oder der Preis wird durch politische Entscheide bestimmt, oder
ein paar wenige Händler kontrollieren die Preise des zugrundeliegenden Aktivs. Ein
Beispiel eines solchen Marktes ist der Rohölmarkt. Zeichnet man jetzt eine Option
auf so einen Aktiv, kann es sein, dass die eine Partei die Möglichkeit hat, den Preis
zum Zeitpunkt T stark zu beinflussen. Um diesen Einfluss zu verkleinern, nimmt man
daher einen Durchschnittspreis über eine bestimmte Periode statt des Endpreises in
die Option
k
+
1 X
St` − K
,
k `=1
wobei 0 < t1 < · · · < tk = T . Eine Version der Option ist der floating Strike,
k
1 X +
St
,
ST −
k `=1 `
wobei hier tk < T gilt. Die stetigen Versionen der Option sind
1 Z T
+
Ss ds − K
T −t t
und
Z t
+
1
ST −
Sv dv
,
t−s s
wobei 0 ≤ t < T und 0 ≤ s < t ≤ T . Dadurch wird sichergestellt, dass eine
Manipulation des Marktes über einen längeren Zeitraum sehr kostspielig ist.
11.4.2.
Optionen auf Futures
Statt eines Aktivs kann auch der Preis eines Futures (das heisst die Grösse Ft , die
den Dividendenfluss bestimmt) einer Option zugrundeliegen. Optionen auf Futures werden vor allem zur Wertsicherung verwendet. Da das Kaufen und Verkaufen
des Aktivs mit Unkosten verbunden ist, und daher in der Realität eine theoretisch
gute Hedgingstrategie sehr teuer ist, versucht man mit Optionen auf Futures die
Hedgingstrategie zu approximieren. Das Problem ist aber, dass das Anwenden einer
solchen Strategie nur funktionieren kann, wenn faire Futurespreise im Markt existieren. Des Weiteren, muss das Hedging-Portfolio mit dem Portfolio, das dem Futures
unterliegt, stark korreliert sein.
11. WEITERE ASPEKTE
11.4.3.
105
Optionen auf Optionen
Eine weitere Möglichkeit sind Optionen auf Optionen (compound Options). Hier
wählt man als unterliegenden Aktiv eine Option. Sei U > T . Dann lässt sich zum Beispiel als unterliegenden Aktiv eine Call-Option mit Ausübungszeitpunkt U wählen.
Bei einer Call-Option hat dann der Halter das Recht, aber nicht die Verpflichtung
zum Zeitpunkt T die Option mit Ausübungszeitpunkt U für einen bestimmten Preis
A zu kaufen. Der Wert der Option zum Zeitpunkt 0 wird also
o
i
+ i
o h n Z U
h n Z T
∗
∗
+ r(s) ds (SU − K) FT − A
.
r(s) ds IIE exp −
IIE exp −
0
T
Der Vorteil dieser Option ist, dass ihr Preis weniger stark fluktuiert als der Preis
einer gewöhnlichen Option.
11.4.4.
Barrieren-Optionen
Oft benutzt man eine Option nur dazu, um sich vor eher unwahrscheinlichen Ereignissen zu schützen. Daher hat man die sogenannten Barriere-Optionen eingeführt.
Bei diesen Optionen tritt die Option erst in Kraft (oder verliert ihren Wert) falls
der unterliegende Aktiv eine bestimmte Grenze erreicht. Das heisst, nicht nur der
Endwert des Aktivs spielt eine Rolle, sondern der gesamte Pfad.
Sei {St } der Preis des Aktivs, Mt = sup{Ss : 0 ≤ s ≤ t} und mt = inf{Ss :
0 ≤ s ≤ t}. Die Auszahlung eines Up-and-In-Call ist dann (ST − K)+ 1IMT ≥B für
K < B und S0 < B. Man bemerke, dass B ≤ K keinen Sinn macht, da diese
Option einer normalen Call-Option entspricht. Das Gegenstück ist ein Down-andIn-Call, (ST − K)+ 1ImT ≤B S0 > B. Ist B ≤ K, so hat die Option beim Erreichen der
Barriere noch keinen Wert, sondern muss zuerst zum Wert K zurückkehren. Diese
beiden Optionen nennt man Knock-In-Optionen.
Bei einer Knock-Out-Option wird die Option wertlos, falls die Barriere erreicht
wird. Man hat den Up-and-Out-Call (ST − K)+ 1IMT <B für K < B und S0 > B,
und den Down-and-Out-Call (ST − K)+ 1ImT >B für K > B und S0 > B. Analoge
Optionen erhält man auch, wenn man den Call durch einen Put ersetzt. Ob B > K
oder K > B hängt davon ab, welche der Optionen Sinn machen.
Eine Version der Barrieren-Option sind die Knock-Out-Optionen mit Prämie.
In diesem Fall wird eine eine fixe Prämie fällig, falls die Barriere erreicht wird.
Die Barrieren müssen auch nicht konstant über die Zeit sein, sondern können in
verschiedenen Perioden verschieden gewählt werden. Da gibt es auch die Variante,
106
11. WEITERE ASPEKTE
wo die Barriere in einem bestimmten Zeitraum erreicht oder nicht erreicht werden
soll. Also z.B., die Option wird in einem Jahr ausgeübt, aber nur, wenn der Preis
in den Monaten 3-9 die Barriere nicht überschreitet. Weiter gibt es die sogenannten
Tunnel-Optionen. Bei dieser Version gibt es sowohl eine obere wie auch eine untere
Schranke, die nicht erreicht werden sollen. Bei der Pariser-Option muss die Barriere
für eine bestimmte Zeitspanne über-, bzw. unterschritten werden.
Die Berechnung der Optionenpreise sind im allgemeinen recht kompliziert. Für
das Black–Scholes Modell aber, kann man geschlossene Formeln für die Preise erhalten, da die gemeinsame Verteilung von (ST , MT ) und (ST , mT ) berechnet werden
kann, siehe Hilfssatz D.1.
11.4.5.
Digitale Optionen
Ähnlich wie Barrieren-Optionen funktionieren die sogenannten digitalen Optionen.
Bei digitalen Optionen wird ein bestimmter Wert ausbezahlt, falls MT ≥ B oder
mT ≤ B. Hier sind auch Kombinationen möglich, wie z.B. 1IMT ≥B 1ImT >b für ein
b < S0 < B. Hier wird die Option wertlos, falls ein bestimmter Wert unterschritten
wird, erhält aber erst einen Wert, falls eine bestimmte obere Schranke erreicht wird.
11.5. Portfolio Insurance
Ein professioneller Investor muss oft eine Mindestrendite erzielen, z.B. in der Lebensoder Pensionsversicherung. Zu diesem Zwecke muss ein Anlageportfolio abgesichert
werden. Eine einfache Möglichkeit ist, auf einem Teil des Portfolios Put-Optionen zu
kaufen. Der versicherte Teil hat dann den Wert M [ST +(K−ST )+ ] = M max{ST , K},
wobei M die Anzahl Aktien bezeichnet, die versichert sind.
Das Problem mit dieser Strategie ist, dass Put-Optionen im Normalfall nicht so
lange Laufzeiten haben, wie sie der Investor benötigt. Die Black–Scholes-Theorie
erlaubt aber nun, virtuelle Optionen zu erzeugen. Der Wert einer Put-Option ist
nach der Black–Scholes-Formel
Ke−r(T −t) Φ(−d2 ) − St Φ(−d1 ) .
Der Investor muss also KΦ(−d2 ) in den risikolosen Aktiv investieren, und Φ(−d1 )
Aktien verkaufen, das heisst, er sollte Φ(d1 ) Aktien behalten. Verhält sich also der
Markt wirklich wie ein Black–Scholes-Modell, dann würde diese Strategie den Wert
11. WEITERE ASPEKTE
107
max{ST , K} ergeben. Auf diese Weise hat der Investor eine virtuelle Put-Option
erzeugt, die sein Portfolio versichert.
Ein Problem der Portfolio Insurance ist, dass die Strategie stetiges Handeln voraussetzt. Dies ist nicht möglich, da die Börse nicht 24 Stunden an sieben Tagen die
Woche geöffnet ist. Weiter kann wegen der Transaktionskosten nicht stetig gehandelt
werden. Ein weiteres Problem ist, dass das Black–Scholes-Modell nur bedingt den
Markt beschreibt. Es gibt immer wieder “Crashes”, wo die Preise grosse Sprünge
aufweisen. Diese Sprünge können durch politische Ereignisse oder Katastrophen erzeugt werden. Oder es kann auch zu Liquiditätsengpässen kommen, wenn z.B. viele
Computer verkaufen wollen. Dann wird der Preis wegen des grossen Angebots sinken,
und noch mehr Händler, die die Black–Scholes-Formel verwenden, werden verkaufen
wollen.
Um das Risiko von Verlusten bei Preis-Sprüngen zu verkleinern, kann man die
sogenannte Constant-Proportion-Portfolio-Insurance anwenden. Hier teilt man die
Anlageperiode in n kleinere Perioden auf, in denen man ein konstantes Portfolio
hält. Das heisst, man wählt die Handelszeitpunkte 0 = t0 < t1 < · · · < tn = T . Zum
Zeitpunkt 0 hat man das Anfangsvermögen V0 und einen Startfloor F0 = cV0 , wobei
c ∈ (0, 1). Dies ergibt das sogenannte Start-Cushion (Startkissen)
C0 = V0 − F0 = (1 − c)V0 .
Man hat dann einen Wert m ∈ IIN, genannt Multiplikator, der angibt, wie hoch
die Aktienquote ist, die man haben will. Die Start-Exposure wird dann
E0 = mC0 .
Man hat eine Konstante α gewählt, die angibt, welchen Anteil man höchstens in Aktien investieren darf. Diese Konstante kann auch vom Gesetz vorgeschrieben sein.
Für einen dänischen Lebensversicherer gilt zum Beispiel α ≤ 0.7. Für Investmentfonds kann dies auch das Risikoprofil des Anlegers angeben. Der absolute Umfang
der Investition wird dann
A0 = min{mC0 , αV0 } ,
oder der Anteil der in die Aktien investiert wird, beträgt
o
n mC
0
,α .
q0 = min
V0
Zum Umschichtungszeitpunkt tn wird wie folgt verfahren. Man hat den Floor Fn .
Der kann z.B. konstant sein, Fn = F0 , oder er kann nachgezogen sein, Fn = F0 ertn ,
108
11. WEITERE ASPEKTE
das heisst, er folgt einer Mindestverzinsung. Ist das Cushion Cn = Vn − Fn , so wählt
man
o o
n
n mC
n
,α ,0 .
qn = max min
Vn
Liegt man also unter dem Floor, darf nicht in Aktien investiert werden. Je höher
man also über dem Floor liegt, umso mehr wird man in Aktien investieren. Man
sieht nun auch die Rolle von m. Je höher m, umso mehr investiert man in Aktien.
Zum einen ist somit ein grosses m wünscheswert, da man so eine hohe erwartete
Rendite erziehlt. Zum andern will man m klein halten, weil man dadurch das Risiko
vergrössert.
A. STOCHASTISCHE PROZESSE UND STOPPZEITEN
A.
109
Stochastische Prozesse und Stoppzeiten
In dieser Vorlesung arbeiten wir immer auf einem Massraum (Ω, F), der gross genug
ist, um alle definierten Objekte zu tragen. Ist nichts anderes gesagt, ist der Raum
mit einem Wahrscheinlichkeitsmass IIP versehen. Wir nehmen an, dass F vollständig
ist, das heisst, alle Mengen A enthält, für die es ein B ∈ F gibt, so dass A ⊂ B und
IIP[B] = 0.
A.1. Stochastische Prozesse
Wir werden in dieser Vorlesung stochatische Prozesse sowohl in diskreter Zeit als
auch in stetiger Zeit betrachten. Sei daher I = IIN = {0, 1, 2, . . .} (diskrete Zeit) oder
I = IR+ = [0, ∞) (stetige Zeit).
Definition A.1. Ein stochastischer Prozess ist eine Familie X = {Xt }t∈I von
Zufallsvariablen in IRd . Ist I = IR+ so heisst ein stochastischer Prozess cadlag, falls
die Abbildung t 7→ Xt fast sicher rechtsstetig ist und alle Grenzwerte Xt− = lims↑t Xs
existieren. Ist X cadlag, so schreiben wir ∆Xt = Xt − Xt− .
Falls nichts anderes gesagt wird, nehmen wir in dieser Vorlesung an, dass alle stochastischen Prozesse in stetiger Zeit cadlag sind. Im weiteren werden wir den Ausdruck
“fast sicher” weglassen, das heisst, zukünftige Aussagen gelten mit Wahrscheinlichkeit 1.
Definition A.2. Eine wachsende Familie {Ft }t∈I von σ-Algebren mit Ft ⊂ F
heisst Filtration. Wir nehmen an, dass die Filtration vollständig ist, das heisst,
dass F0 alle Mengen A enthält, für die IIP[A] = 0. Ist I = IR+ , so heisst eine
T
Filtration rechtsstetig, falls Ft+ := s>t Fs = Ft . Sei X ein stochastischer Prozess
(in diskreter oder stetiger Zeit). Ein stochastischer Prozess heisst adaptiert, falls
für alle t die Variable Xt Ft -messbar ist. Die kleinste (rechtsstetige) Filtration, so
dass X adaptiert ist, heisst natürliche Filtration und wird mit {FtX } bezeichnet.
Es ist einfach zu sehen, dass Ft+ eine σ-Algebra ist. Nehmen wir den Durchschnitt
aller rechtsstetigen Filtrationen, für die X adaptiert ist, erhalten wir eine rechtsstetige Filtration. Daher existiert {FtX }.
110
A. STOCHASTISCHE PROZESSE UND STOPPZEITEN
A.2. Stoppzeiten
Definition A.3. Sei {Ft } eine Filtration. Eine {Ft }-Stoppzeit ist eine I ∪ {∞}wertige Zufallsvariable T , so dass {T ≤ t} ∈ Ft für alle t ∈ I. Falls die Filtration
gegeben ist, sagen wir kurz Stoppzeit.
Sei I = IR+ . Ist T eine Stoppzeit, dann ist {T ≤ t − 1/n} ∈ Ft−1/n ⊂ Ft und deshalb
[
{T < t} =
{T ≤ t − 1/n} ∈ Ft .
n∈IIN\{0}
Falls {T < t} ∈ Ft für alle t, dann ist für jedes s > t
{T ≤ t} ⊂ {T < s} ∈ Fs .
Daher ist T eine {Ft+ } = {Ft }-Stoppzeit.
Die letzte Aussage gilt nicht für diskrete Zeit. Da {T < t} = {T ≤ t − 1}, gilt
für jede Stoppzeit {T < t} ∈ Ft−1 ⊂ Ft . Wir können aber nicht daraus schliessen,
dass aus {T < t} ∈ Ft folgt, dass T eine Stoppzeit ist. Im Gegenteil, {T ≤ t} =
{T < t + 1} ∈ Ft+1 ist nicht notwendigerweise in Ft .
Sei T = t0 für ein t0 ∈ IR+ . Dann ist
{T ≤ t} = {t0 ≤ t} =
Ω falls t0 ≤ t,
∅
falls t0 > t
und somit {T ≤ t} ∈ F0 ⊂ Ft . Daher ist T = t0 eine Stoppzeit.
Sind S und T Stoppzeiten, dann sind auch S + T , S ∧ T und S ∨ T Stoppzeiten.
In der Tat,
[
({S > u} ∩ {T > t − u}) ∈ Ft ,
{S + T > t} = {S > t} ∪
| {z } |
{z
}
| {z }
0≤u≤t
∈Ft
u∈Q
{S ∧ T ≤ t} = {S ≤ t} ∪ {T ≤ t} ∈ Ft ,
∈Fu ⊂Ft
∈Ft−u ⊂Ft
{S ∨ T ≤ t} = {S ≤ t} ∩ {T ≤ t} ∈ Ft .
Definition A.4. Sei T eine Stoppzeit. Die σ-Algebra der Ereignisse bis zur Stoppzeit T ist
FT = {A ∈ F : A ∩ {T ≤ t} ∈ Ft ∀t ∈ IR+ } .
Man kann zeigen, dass FT wirklich eine σ-Algebra ist.
A. STOCHASTISCHE PROZESSE UND STOPPZEITEN
111
Hilfssatz A.5. Seien S und T Stoppzeiten und A ∈ FS . Dann ist
A ∩ {S ≤ T } ∈ FT .
Insbesondere ist {S ≤ T } ∈ FT . Weiter gilt {S ≤ T } ∈ FS ∩ FT = FS∧T .
Beweis.
Wir schreiben
(A ∩ {S ≤ T }) ∩ {T ≤ t} = (A ∩ {S ≤ t}) ∩{S ∧ t ≤ T ∧ t} ∩ {T ≤ t} .
{z
}
| {z }
|
∈Ft
∈Ft
Wir müssen also noch zeigen, dass {T ∧ t < S ∧ t} ∈ Ft . Dies folgt aus
[
{T ∧ t < S ∧ t} =
q∈Q+
{T ∧ t ≤ q ∧ t < S ∧ t} .
|
{z
}
∈Fq∧t ⊂Ft
Sei A ∈ FT ∧S . Dann folgt aus dem soeben Bewiesenen
A = A ∩ {S ∧ T ≤ T } ∈ FT
und analog A ∈ FS . Sei A ∈ FT ∩ FS . Dann ist
A ∩ {S ∧ T ≤ t} = (A ∩ {S ≤ t}) ∪ (A ∩ {T ≤ t}) ∈ Ft
und A ∈ FT ∧S folgt. Schliesslich gilt
{S ≤ T } = {S ≤ (T ∧ S)} ∈ FT ∧S .
Hilfssatz A.6. Sei X ein adaptierter (cadlag) stochastischer Prozess und B eine
Borel-Menge.
i) Falls I = IIN, dann ist T = inf{t ≥ 0 : Xt ∈ B} eine Stoppzeit.
ii) Falls I = IR+ und B offen ist, dann ist T = inf{t ≥ 0 : Xt ∈ B} eine Stoppzeit.
iii) Sei I = IR+ . Falls B kompakt ist oder falls d = 1 und B = [u, ∞), dann ist
T = inf{t ≥ 0 : Xt ∈ B oder Xt− ∈ B} eine Stoppzeit.
112
Beweis.
A. STOCHASTISCHE PROZESSE UND STOPPZEITEN
i) Wir haben
{T = n} = {Xn ∈ B}
\n−1
\
{Xi ∈
/ B} ⊂ Fn .
i=0
Daher ist {T ≤ n} = ∪ni=0 {T = i} ∈ Fn .
ii) Sei Ω0 = {ω : X(ω) ist cadlag}. Da IIP[Ω0 ] = 1 ist Ω0 ∈ F0 . Daher können wir
Ω = Ω0 annehmen. Wegen der Rechtsstetigkeit und da B offen ist, gilt
[
{Xs ∈ B} ∈ Ft .
{T < t} =
s∈Q∩[0,t)
Daher ist {T ≤ t} = {T < t} ∪ {Xt ∈ B} ∈ Ft und T eine Ft -Stoppzeit.
iii) Für ε > 0 definieren wir die ε-Umgebung Bε = {x : inf{|x − y| : y ∈ B} < ε}.
Da X cadlag ist, gilt
\ [
{T ≤ t} =
{Xs ∈ Bε } ∪ {Xt ∈ B} ∈ Ft .
ε∈Q∩(0,1) s∈Q∩[0,t)
Daher ist T eine Stoppzeit.
Definition A.7. Ein adaptierter stochastischer Prozess {Yt } heisst stückweise
konstanter Prozess, falls er in der Form
Yt =
∞
X
Yτi 1I[τi ,τi+1 ) (t)
i=0
geschrieben werden kann, wobei {τn } eine wachsende Folge von Stoppzeiten ist mit
0 = τ0 < τ1 < . . . und limn→∞ τn = ∞. Die Variablen Yτn sind Fτn -messbar.
A.3. Prozesse von beschränkter Variation
Wir betrachten hier Prozesse in stetiger Zeit.
Definition A.8. Sei f : IR+ → IR eine cadlag Funktion. Wir definieren die Variation von f als
V (f )t = |f (0)| + lim
n→∞
n
X
|f (tk/n) − f (t(k − 1)/n)| .
k=1
Wir sagen, f hat endliche Variation, falls V (f )t < ∞ für alle t ≥ 0.
Man kann zeigen, dass der Grenzwert in [0, ∞] existiert. Ein stückweise konstanter
Prozess ist immer von endlicher Variation.
A. STOCHASTISCHE PROZESSE UND STOPPZEITEN
113
Hilfssatz A.9. Sei f eine Funktion von endlicher Variation. Dann gibt es ein
eindeutiges Paar (g, h) von positiven wachsenden Funktionen, so dass f = g − h
und V (f ) = g + h.
Beweis.
Wir können annehmen, dass f (0) = 0. Sei
gn (t) =
n
X
1If (ti/n)>f (t(i−1)/n) (f (ti/n) − f (t(i − 1)/n)) ,
i=1
hn (t) =
n
X
1If (ti/n)<f (t(i−1)/n) (f (t(i − 1)/n) − f (ti/n)) .
i=1
Es ist klar, dass gn (t) − hn (t) = f (t), und dass limn→∞ gn (t) + hn (t) = V (f )t .
Wir wollen zeigen, dass gn und hn konvergieren. Die Folgen g2n (t) und h2n (t) sind
wachsend in n und durch V (f )t beschränkt. Daher existieren die Grenzwerte f (t)
und g(t), und es gilt V (f )t = g(t)+h(t). Sei nun kn eine Folge, so dass limn→∞ gkn (t)
existiert. Dann ist
lim hkn (t) = V (f )t − lim gkn (t) .
n→∞
n→∞
Es folgt einfach, dass g2n kn (t) ≥ g2n (t) und h2n kn (t) ≥ h2n (t). Da
lim g2n kn (t) + h2n kn (t) = V (f )t
n→∞
muss jede konvergente Teilfolge gegen g(t), beziehungsweise gegen h(t) konvergieren.
Das gleiche Argument zeigt, dass g2n kn (t) gegen limn→∞ gkn (t) konvergiert. Daher
ist limn→∞ gkn (t) = g(t). Da f cadlag ist, folgt sofort, dass g und h cadlag sind. Es
ist klar, dass g und h wachsend sind.
Sei nun (g0 , h0 ) ein weiteres Paar mit f = g0 − h0 und V (f ) = g0 + h0 . Dann ist
h0 = g0 − f = g0 − g + h
und
g0 = V (f ) − h0 = g + h − (g0 − g + h) = 2g − g0 .
Das beweist, dass g0 = g und h0 = h.
Hilfssatz A.10. Sei f eine Funktion von beschränkter Variation und
A = {(g, h) : g, h wachsende positive Funktionen, f = g − h} .
Sei g0 = inf A g und h0 = inf A h. Dann gilt (g0 , h0 ) ∈ A und V (f ) = g0 + h0 .
114
A. STOCHASTISCHE PROZESSE UND STOPPZEITEN
Beweis. Es ist klar, dass g0 und h0 wachsend sind. Da h = g −f folgt (g0 , h0 ) ∈ A.
Es folgt sofort, dass g0 (0) = (f (0))+ und h0 (0) = (f (0))− . Wir können also im
weiteren annehmen, dass f (0) = 0. Seien nun gn , hn die Funktionen, die im Beweis
von Hilfssatz A.9 konstruiert wurden. Setzen wir αi = g0 (ti/n) − g0 (t(i − 1)/n) und
βi = h0 (ti/n) − h0 (t(i − 1)/n). Dann haben wir
gn (t) =
n
X
1Iαi >βi (αi − βi ) ≤
i=1
n
X
1Iαi >βi αi ≤
n
X
i=1
αi = g0 (t) .
i=1
Daher gilt limn→∞ gn (t) ≤ g0 (t). Somit muss limn→∞ gn (t) = g0 (t) gelten.
Rt
Beispiel A.11. Sei f (t) = 0 α(s) ds eine absolut stetige Funktion. Dann sind
Rt
Rt
g(t) = 0 (α(s))+ ds und h(t) = 0 (α(s))− ds.
A.4. Quadratische Variation
Definition A.12. Sei f : IR+ → IR eine cadlag Funktion. Die quadratische
Variation ist definiert als
2
Q(f )t = f (0) + lim
n→∞
n
X
[f (tk/n) − f (t(k − 1)/n)]2 .
k=1
Wir sagen f hat endliche quadratische Variation, falls Q(f )t < ∞ für alle t.
Man kann zeigen, dass der Grenzwert in [0, ∞] existiert.
Hilfssatz A.13. Sei f eine Funktion von endlicher Variation. Dann ist
X
Q(f )t =
(∆f (s))2 ,
s≤t
wobei ∆f (s) = f (s) − f (s−) und f (0−) = 0.
Beweis. Wir können annehmen, dass f (0) = 0. Nehmen wir zuerst an, dass f
stetig ist. Dann ist f auf [0, t] gleichmässig stetig. Für n gross genug ist |f (ti ) −
f (ti−1 )| < ε, wobei ti = ti/n. Somit haben wir
n
n
X
X
2
[f (tk ) − f (tk−1 )] ≤ ε
|f (tk ) − f (tk−1 )| .
k=1
k=1
Das bedeutet, dass Q(f )t ≤ εV (f )t . Da ε beliebig war, haben wir Q(f )t = 0.
A. STOCHASTISCHE PROZESSE UND STOPPZEITEN
Falls f nicht stetig ist, bemerken wir zuerst, dass V (f )t ≥
lim
ε↓0
X
115
P
s≤t
|∆f (s)|, und
|∆f (s)|1I|∆f (s)|<ε = 0 .
s≤t
Sei
gε (t) = f (t) −
X
∆f (s)1I|∆f (s)|<ε ,
s≤t
das heisst, wir entfernen alle Sprünge, die kleiner als ε sind. Sei hε = f − gε . Dann
ist
(f (tk ) − f (tk−1 ))2 = (gε (tk ) − gε (tk−1 ))2 + (hε (tk ) − hε (tk−1 ))2
+ 2(gε (tk ) − gε (tk−1 ))(hε (tk ) − hε (tk−1 )) .
Wir haben |hε (tk ) − hε (tk−1 )| ≤ V (hε )t und
n
n
X
X
2
|hε (tk ) − hε (tk−1 )|V (hε )t .
(hε (tk ) − hε (tk−1 )) ≤
k=1
k=1
Somit ist
lim
n→∞
n
X
(hε (tk ) − hε (tk−1 ))2 ≤ (V (hε )t )2 .
k=1
Da ε beliebig ist, kann die rechte Seite beliebig klein gemacht werden. Weiter gilt
n
X
|(gε (tk ) − gε (tk−1 ))(hε (tk ) − hε (tk−1 ))| ≤
n
X
|gε (tk ) − gε (tk−1 )|V (hε )t ,
k=1
k=1
woraus
lim
n→∞
n
X
|(gε (tk ) − gε (tk−1 ))(hε (tk ) − hε (tk−1 ))| ≤ V (gε )t V (hε )t .
k=1
Hier kann die rechte Seite auch beliebig klein gemacht werden. Wir schliessen daraus,
dass Q(f )t = limε→0 Q(gε )t . Da f nur endlich viele Sprünge hat, die grösser als ε
sind, folgt dass, für n gross genug, jedes interval (tk−1 , tk ] höchstens einen Sprung
von gε enthält. Damit folgt
X
X
Q(gε ) =
(∆g(s))2 =
1I|∆f (s)|≥ε (∆f (s))2 .
s≤t
Lässt man ε → 0 folgt das Resultat.
s≤t
116
B.
B. DIE BROWNSCHE BEWEGUNG
Die Brownsche Bewegung
Sei I = IR+ .
Definition B.1. Ein (cadlag) stochastischer Prozess B auf IR heisst standard
Brownsche Bewegung, falls
i) B0 = 0,
ii) B unabhängige Zuwächse hat und
iii) Bt+s − Bs normalverteilt mit Mittelwert 0 und Varianz t ist.
Ein d-dimensionaler Prozess B, wobei (B i ) unabhängige Brownsche Bewegungen
sind, heisst d-dimensionale Brownsche Bewegung.
Man kann zeigen (Wiener, 1923), dass es einen Wahrscheinlichkeitsraum gibt, auf
dem eine Brownsche Bewegung existiert. Man kann weiter zeigen, dass eine Brownsche Bewegung stetige Pfade hat, und dass die Pfade nirgends differenzierbar sind.
Hilfssatz B.2. Sei B eine Brownsche Bewegung und Wt = tB1/t falls t > 0. Wir
setzen W0 = 0. Dann ist W eine Brownsche Bewegung.
Beweis.
Wir müssen zuerst zeigen, dass W in 0 stetig ist. Wir haben
n
W1/n
1X
1
(Bi − Bi−1 ) .
= Bn =
n
n i=1
Das starke Gesetz der grossen Zahl zeigt, dass limn→∞ W1/n = 0. Weiter haben wir
1
W1/t = (Bbtc + (Bt − Bbtc )) .
t
Wir müssen daher zeigen, dass t−1 (Bt − Bbtc ) gegen Null konvergiert. Sei {tn } eine Folge, die gegen Unendlich konvergiert. Wir können annehmen (Teilfolge), dass
P∞
√
n=1 Φ(− tn ) < ∞. Dann gilt
√
√
√
tn
IIP[|Btn − Bbtn c | > tn ] = 2Φ − p
≤ 2Φ(− tn ) .
tn − btn c
√
Das Lemma von Borel–Cantelli besagt, dass {|Btn − Bbtn c | > tn } nur endlich oft
eintritt. Dies zeigt, dass limt→0 Wt = 0. Insbesondere ist W cadlag.
B. DIE BROWNSCHE BEWEGUNG
117
Da B unabhängige Zuwächse hat, hängt für s > t der Zuwachs Ws − Wt von der
Vorgeschichte nur von Wt ab. Wir zeigen nun, dass Ws − Wt bedingt auf B1/t eine
N (0, s − t) Verteilung hat. Dann hat insbesondere W unabhängige Zuwächse. Die
gemeinsame Dichte von (B1/t , B1/s ) ist
n y2
(x − y)2 o
1
1
p
exp − 2
+
.
f (x, y) =
1/s 1/t − 1/s
2π 1/s(1/t − 1/s)
Somit wird die bedingte Dichte von B1/s gegeben B1/t = x
s
n
s2
s2 xt 2 o
exp −
y−
.
2π(s − t)
2(s − t)
s
Das heisst, die bedingte Verteilung von B1/s ist eine Normalverteilung mit Mittelwert
tB1/t /s und Varianz (s − t)/s2 . Für die momentenerzeugende Funktion erhalten wir
nun
IIE[exp{r(sB1/s − tB1/t )} | B1/t ] = exp{rstB1/t /s + 21 r2 s2 (s − t)/s2 − rtB1/t }
= er
2 (s−t)/2
.
Somit hat Wt die geforderte Verteilung.
Hilfssatz B.3. Eine Brownsche Bewegung hat in jedem Interval [0, ε] unendlich
viele Nullstellen.
Beweis. Betrachten wir die Brownsche Bewegung W = {tB1/t }. Wir müssen daher zeigen, dass {Wt } auf dem Interval [1/ε, ∞) unendliche viele Nullstellen hat. Da
der Prozess {Wn : n ∈ IIN} eine Irrfahrt ist, folgt − limt→∞ Wt = limt→∞ Wt = ∞.
Da W stetig ist, muss W unendlich viele Nullstellen haben.
Hilfssatz B.4. Die Brownsche Bewegung hat quadratische Variation Q(B)t = t,
und damit unendliche Variation.
Beweis. Sei tk = tk/n. Wir wissen, dass Btk −Btk−1 normalverteilt ist mit Varianz
t/n. Wegen der unabhängigen Zuwächse haben wir für h > k
IIE[{(Btk − Btk−1 )2 − t/n}{(Bth − Bth−1 )2 − t/n}]
= IIE[{(Btk − Btk−1 )2 − t/n}IIE[(Bth − Bth−1 )2 − t/n | Ftk ]] = 0 .
118
C. MARTINGALE
Somit ist
IIE
n
hX
n
2 i
hX
i
(Btk − Btk−1 ) − t
= IIE
{(Btk − Btk−1 )2 − t/n}2 = 2nt/n2 .
2
k=1
k=1
Pn
Wir sehen, dass k=1 (Btk − Btk−1 )2 in L2 , daher fast sicher gegen t konvergiert.
Daher ist Q(B)t = t. Dass V (B)t = ∞ folgt aus Hilfssatz A.13.
C.
Martingale
Definition C.1. Ein (cadlag) Prozess M heisst {Ft }-Submartingal falls
i) M ist adaptiert,
ii) IIE[|Mt |] < ∞,
iii) IIE[Mt | Fs ] ≥ Ms für alle s ≤ t.
M heisst {Ft }-Supermartingal falls {−Mt } ein Submartingal ist. Ist M sowohl
ein Sub- als auch ein Supermartingal, so nennt man M ein {Ft }-Martingal. Wir
sagen kurz (Sub-, Super-)Martingal, falls M ein (Sub-, Super-)Martingal bezüglich
seiner natürlichen Filtration ist.
Beispiel C.2. Sei B eine Brownsche Bewegung und {Ft } die natürliche Filtration.
Dann ist für t ≥ s IIE[Bt | Fs ] = IIE[Bt − Bs | Fs ] + Bs = Bs und B ist ein
Martingal. Der Prozess {Bt2 −t} ist ein Martingal, da IIE[Bt2 −t | Fs ] = IIE[(Bt −Bs )2 |
Fs ] + 2Bs IIE[Bt − Bs | Fs ] + Bs2 − t = Bs2 − s. Sei r > 0. Dann folgt ähnlich, dass
{exp{rBt − r2 t/2}} ein Martingal ist.
Das folgende Kriterium ist oft nützlich.
Hilfssatz C.3. Sei I = IIN. Ein Prozess M ist genau dann ein Martingal, falls
für jeden vorhersehbaren Prozess {Hn } (das heisst Hn ist Fn−1 -messbar) und jedes
N ∈ IIN
N
hX
i
IIE
Hn (Mn − Mn−1 ) = 0
(C.1)
n=1
gilt.
C. MARTINGALE
Beweis.
119
Sei M ein Martingal. Dann gilt
IIE
N
hX
i
Hn (Mn − Mn−1 ) FN −1
n=1
=
=
N
−1
X
n=1
N
−1
X
Hn (Mn − Mn−1 ) + HN IIE[MN − MN −1 | FN −1 ]
Hn (Mn − Mn−1 ) .
n=1
(C.1) folgt nun mit Induktion nach N .
Nehmen wir an, dass (C.1) gilt. Sei A ∈ Fj , j ∈ IIN und Hn = 1IA 1In=j+1 . Dann
gilt IIE[1IA (Mj+1 − Mj )] = 0. Das impliziert IIE[Mj+1 − Mj | Fj ] = 0, und M ist ein
Martingal.
Die folgenden beiden Sätze sind die Hauptresultate über Martingale.
Satz C.4. (Konvergenzsatz) Sei M ein Submartingal, so dass supt≥0 IIE[Mt+ ] <
∞. Dann existiert M∞ = limt→∞ Mt fast sicher. Weiter gilt IIE[|M∞ |] < ∞.
Satz C.5. (optionaler Stoppsatz)
Stoppzeiten. Dann gilt für t > 0
Sei M ein Submartingal und seien T und S
IIE[MS∧t | FT ] ≥ MT ∧S∧t .
Korollar C.6. Sei M ein von unten beschränktes Supermartingal. Dann existiert
M∞ , IIE[|M∞ |] < ∞ und Mt ≥ IIE[M∞ | Ft ].
Beweis. −M erfüllt die Bedingungen des Konvergenzsatzes und somit existiert
M∞ . Weiter gilt
Mt ≥ lim IIE[Ms | Ft ] ≥ IIE[ lim Ms | Ft ] = IIE[M∞ | Ft ] ,
s→∞
s→∞
wobei wir Fatous Lemma verwendet haben.
120
C. MARTINGALE
Beispiel C.7. Seien σ, µ > 0 und Xt = σBt − µt für eine Brownsche Bewegung
B. Da Mt = exp{(2µ/σ 2 )Xt } ein von unten beschränktes Martingal ist, existiert
M∞ . Da wegen den stationären und unabhängigen Zuwächsen von X die Gleichung
Var[Mt+1 | Ft ] = Mt2 Var[M1 ] erfüllt ist, muss M∞ ∈ {0, ∞} gelten. Da IIE[M∞ ]
existiert, ist nur M∞ = 0 möglich. Somit gilt limt→∞ σBt − µt = −∞. Wir sehen,
dass das Martingal nicht gleichmässig integrierbar ist. Nämlich,
lim IIE[Mt ] = IIE[M0 ] = 1 6= 0 = IIE[ lim Mt ] .
t→∞
t→∞
Beispiel C.8. Sei X eine integrierbare Zufallsvariable und Mt = IIE[X | Ft ]. Dann
gilt für t > s
IIE[Mt | Fs ] = IIE[IIE[X | Ft ] | Fs ] = IIE[X | Fs ] = Ms
und M ist ein Martingal.
Weiter gilt
IIE[Mt+ ] ≤ IIE[|Mt |] = IIE[|IIE[X | Ft ]|] ≤ IIE[IIE[|X| | Ft ]] = IIE[|X|] < ∞
und es folgt, dass M∞ existiert. Wir wollen nun zeigen, dass M gleichmässig integrierbar ist, das heisst, dass
lim sup IIE[|Mt |1I|Mt |>n ] = 0 .
n→∞ t≥0
Wir schreiben
IIE[|Mt |1I|Mt |>n ] = IIE[|IIE[X | Ft ]|1I|IIE[X|Ft ]|>n ] ≤ IIE[IIE[|X| | Ft ]1IIIE[|X||Ft ]>n ]
und somit genügt es, positive Zufallsvariablen X zu betrachten. Weiter gilt
IIE[IIE[X | Ft ]1IMt >n ] = IIE[IIE[X1IMt >n | Ft ]] = IIE[X1IMt >n ] .
Sei M = supt Mt < ∞, da M∞ fast sicher existiert. Dann ist
h
i
sup IIE[X1IMt >n ] ≤ IIE X sup 1IMt >n = IIE[X1IM>n ] .
t≥0
t≥0
Da IIE[X1IM>n ] ≤ IIE[X] < ∞, gilt
lim IIE[X1IM>n ] = IIE[X lim 1IM>n ] = 0 ,
n→∞
n→∞
(C.2)
C. MARTINGALE
121
und {Mt } ist gleichmässig integrierbar.
Wir versuchen nun M∞ zu bestimmen. Sei F∞ die kleinste σ-Algebra, so dass
Ft ⊂ F∞ für alle t. Dann ist Mt F∞ -messbar und daher ist M∞ F∞ -messbar.
IIE[M∞ | Ft ] = IIE[ lim Ms | Ft ] = lim IIE[Ms | Ft ] = Mt
s→∞
s→∞
= IIE[X | Ft ] = IIE[IIE[X | F∞ ] | Ft ] .
Da F∞ von den σ-Algebren Fs erzeugt ist, muss die obige Gleichung auch für t = ∞
gelten. Das bedeutet
M∞ = IIE[M∞ | F∞ ] = IIE[IIE[X | F∞ ] | F∞ ] = IIE[X | F∞ ] .
Proposition C.9.
i) Sei M ein Submartingal. Dann gilt für x, T > 0
h
i
IIP sup Mt ≥ x ≤ x−1 IIE[MT+ ] .
0≤t≤T
ii) Ist M positiv oder ein Martingal und IIE[MT2 ] < ∞, dann gilt
h
i
IIE sup Mt2 ≤ 4IIE[MT2 ] .
0≤t≤T
Beweis. i) Da {Mt+ } ein Submartingal ist (Jensens Ungleichung), können wir
annehmen, dass M positiv ist. Sei F ⊂ [0, T ] eine endliche Teilmenge. Setzen wir
τ = inf{t ∈ F : Mt ≥ x}. Dann gilt
IIE[MT ] ≥ IIE[Mτ ∧T ] = IIE[Mτ 1Iτ ≤T ] + IIE[MT 1Iτ >T ] .
Das zeigt
h
i
IIE[MT 1Iτ ≤T ] ≥ IIE[Mτ 1Iτ ≤T ] ≥ xIIP[τ ≤ T ] = xIIP sup Mt ≥ x .
t∈F
Somit gilt IIP[supt∈F Mt ≥ x] ≤ x−1 IIE[MT+ ]. Sei nun F abzählbar. Wir wählen eine
Folge F1 ⊂ F2 ⊂ · · · von endlichen Mengen mit ∪Fn = F . Dann folgt aus monotoner
Konvergenz für y < x,
h
i
h
i
IIP sup Mt ≥ x ≤ lim IIP sup Mt ≥ y ≤ y −1 IIE[MT+ ] .
t∈F
n→∞
t∈Fn
122
C. MARTINGALE
Da y beliebig ist, gilt IIP[supt∈F Mt ≥ x] ≤ x−1 IIE[MT+ ]. Wählen wir F = Q folgt das
Resultat.
ii) Auch hier können wir annehmen, dass M positiv ist, da {|Mt |} ein Submartingal
ist, falls M ein Martingal ist. Sei Z = sup0≤t≤T Mt . Dann ist für x > 0,
Z ∞Z z∧x
Z x
Z x
2
IIE[(Z ∧ x) ] = 2
y dy dFZ (z) = 2
yIIP[Z ≥ y] dy ≤ 2
IIE[MT 1IZ≥y ] dy
0
0
= 2IIE[MT (Z ∧ x)] ≤
0
1
2IIE[MT2 ] 2 IIE[(Z
0
∧
1
x)2 ] 2
.
Hier brauchten wir ein Teilresultat aus dem Beweis von i) in der ersten Ungleichung,
und die Cauchy–Schwarz-Ungleichung in der zweiten Ungleichung. Dies beweist die
Behauptung.
Satz C.10. (Doob-Zerlegung) Jedes Submartingal {Un } in diskreter Zeit hat
eine eindeutige Zerlegung Un = Mn + An , wobei {Mn } ein Martingal ist, und {An }
ist ein vorhersehbarer wachsender Prozess mit A0 = 0.
Beweis.
Da A0 = 0 haben wir M0 = U0 . Aus
An+1 − An = IIE[An+1 − An | Fn ] = IIE[Un+1 | Fn ] − Un
folgt
An+1 = An + IIE[Un+1 | Fn ] − Un ,
und die Zerlegung ist eindeutig. Definieren wir {An } wie oben, so ist {An } wachsend
und vorhersehbar. Für den entsprechenden Prozess {Mn } folgt
IIE[Mn+1 | Fn ] = IIE[Un+1 | Fn ] − An+1 = Un − An = Mn ,
und {Mn } ist ein Martingal.
In stetiger Zeit ist die Zerlegung etwas komplizierter. Wir nennen einen Prozess
X von der Klasse DL, falls für jedes t die Familie {Xt∧τ : τ ∈ T } gleichmässig
integrierbar ist. T bezeichnet die Klasse aller Stoppzeiten.
Satz C.11. (Doob–Meyer-Zerlegung) Sei U ein Submartingal der Klasse DL.
Dann gibt es ein Martingal M und einen wachsenden Prozess A mit A0 = 0, so
dass Ut = Mt + At mit der Eigenschaft, dass für jedes positive Martingal V und jede
Stoppzeit τ
hZ t∧τ
i
hZ t∧τ
i
IIE
Vs− dAs = IIE
Vs− dAs = IIE[Vt∧τ At∧τ ]
0
gilt.
0
C. MARTINGALE
123
Man kann zeigen, dass ein Martingal immer von der Klasse DL ist.
Definition C.12. Ein adaptierter stochastischer Prozess M heisst lokales Martingal, falls es eine aufsteigende Folge von Stoppzeiten {Tn } mit limn→∞ Tn = ∞
gibt, so dass für jedes n {MTn ∧t } ein Martingal ist. Eine solche Folge {Tn } nennt
man Lokalisierungsfolge.
Es ist klar, dass jedes Martingal ein lokales Martingal ist. Die Umkehrung gilt nicht.
Beispiel C.13. Sei X eine Zufallsvariable, die nicht integrierbar ist (IIE[|X|] = ∞),
und B eine Brownsche Bewegung, die unabhängig von X ist. Sei Mt = XBt . Da
IIE[|Mt |] = ∞ ist M kein Martingal. Betrachten wir die Filtration Ft = FtB ∨ σ(X).
Sei Tn = inf{t : |Mt | > n}. Dann ist MTn ∧t beschränkt und daher integrierbar. Wir
haben
IIE[Mt | Fs ] = XIIE[Bt | Fs ] = XBs = Ms .
Daher ist M ein lokales Martingal.
Hilfssatz C.14. Sei M ein von unten beschränktes lokales Martingal. Dann ist M
ein Supermartingal.
Beweis. Wir können annehmen, dass M ≥ 0. Sei {Tn } eine Lokalisierungsfolge.
Wir bemerken, dass IIE[M0 ] existiert. Dann ist für t > s
IIE[Mt | Fs ] = IIE[ lim MTn ∧t | Fs ] ≤ lim IIE[MTn ∧t | Fs ] = lim MTn ∧s = Ms .
n→∞
n→∞
n→∞
Insbesondere ist Mt integrierbar.
Hilfssatz C.15. Ein stetiges lokales Martingal von beschränkter Variation ist konstant.
Beweis. Wir können annehmen, dass M0 = 0. Sei T = inf{t ≥ 0 : |Mt |+V (M )t >
1}. Wegen der Stetigkeit ist |MT | + V (M )T = 1 falls T < ∞. Betrachten wir nun
den Prozess {MT ∧t }. Wegen der Beschränktheit ist dies ein Martingal. Sei ti = ti/n.
Es gilt
IIE[MT ∧ti MT ∧ti−1 ] = IIE[IIE[MT ∧ti | Fti−1 ]MT ∧ti−1 ] = IIE[(MT ∧ti−1 )2 ] .
Daher gilt
IIE[(MT ∧ti − MT ∧ti−1 )2 ] = IIE[(MT ∧ti )2 − (MT ∧ti−1 )2 ] .
124
C. MARTINGALE
Dies impliziert
n
n
hX
i
hX
i
2
2
2
IIE[(MT ∧t ) ] = IIE
(MT ∧ti ) − (MT ∧ti−1 ) = IIE
(MT ∧ti − MT ∧ti−1 ) .
2
k=1
Da
k=1
n
n
X
X
2
(MT ∧ti − MT ∧ti−1 ) ≤
2|MT ∧ti − MT ∧ti−1 | ≤ 2V (M )T ∧t ≤ 2
k=1
k=1
können wir Grenzwert und Integral vertauschen. Wir schliessen, dass
n
i
h
X
IIE[(MT ∧t )2 ] = IIE lim
(MT ∧ti − MT ∧ti−1 )2 = 0 .
n→∞
k=1
Daher gilt MT ∧t = 0. Wir schliessen, dass Mt = 0 für t ≤ T . Insbesondere ist
V (M )T ∧t = 0 und |MT ∧t | + V (M )T ∧t = 0. Das bedeutet, dass T > t. Also ist Mt = 0
für alle t.
Definition C.16. Ein Semimartingal ist ein stochastischer Prozess X von der
Form X = X0 + M + A, wobei M ein lokales Martingal ist und A ein Prozess mit
endlicher Variation mit M0 = A0 = 0.
Beispiel C.17. Sei B eine standard Brownsche Bewegung. Da {Bt2 − t} ein Martingal ist, ist {Bt2 } ein Semimartingal. Betrachten wir nun den Prozess {Bt4 }. Da
IIE[Bt4 | Fs ] = IIE[(Bt − Bs + Bs )4 | Fs ] = 3(t − s)2 + 6(t − s)Bs2 + Bs4 .
Betrachten wir 6
Rt
0
Bv2 dv. Aus Fubinis Theorem schliessen wir
Z s
Z t
i
h Z t
2
2
IIE 6
Bv dv Fs = 6
Bv dv + 6 (Bs2 + (v − s)) dv
s
0
0
Z s
=6
Bv2 dv + 6(t − s)Bs2 + 3(t − s)2 .
0
Wir sehen, dass
Z t
n
o
4
Bt − 6
Bs2 ds
0
ein Martingal ist. Da 6
ein Semimartingal.
Rt
Bs2
0
ds ein Prozess von beschränkter Variation ist, ist {Bt4 }
D. ÄNDERUNG DES MASSES
D.
125
Änderung des Masses
Sei {Ft } eine Filtration und betrachten wir einen endlichen Zeithorizont T . Wir
nehmen F = FT an. Ein äquivalentes Mass IIP∗ ist dann definiert durch eine Radon–
Nikodym-Ableitung LT > 0. Das heisst, ist X FT -messbar, dann haben wir IIE∗ [X] =
IIE[LT X]. Für X = 1 erhalten wir IIE[LT ] = 1.
Ist 0 ≤ t < T und X Ft -messbar, so haben wir
IIE∗ [X] = IIE[LT X] = IIE[IIE[LT X | Ft ]] = IIE[IIE[LT | Ft ]X] .
Betrachten wir das Martingal {Lt = IIE[LT | Ft ]}, haben wir also die Formel
IIE∗ [X] = IIE[Lt X] .
(D.1)
Ist τ eine Stoppzeit, folgt ähnlich für eine Fτ ∧T messbare Variable X, IIE∗ [X] =
IIE[Lτ ∧T X]. Wir bemerken, dass L0 = IIE[LT | F0 ] = IIE[LT ] = 1.
Wir wollen nun die bedingte Erwartung unter IIP∗ finden. Sei A ∈ F = FT und
B ∈ Ft . Dann haben wir
IIP∗ [A ∩ B] = IIE[LT 1IA 1IB ] = IIE[1IB IIE[LT 1IA | Ft ]] = IIE∗ [1IB IIE[LT 1IA | Ft ]/Lt ] .
Wir schliessen, dass
IIP∗ [A | Ft ] = IIE[LT 1IA | Ft ]/Lt .
(D.2)
Ist A ∈ Fs für 0 ≤ t < s < T , so gilt IIP∗ [A | Ft ] = IIE[Ls 1IA | Ft ]/Lt . Ist W eine
Brownsche Bewegung, dann ist Lt = exp{rWt − r2 t/2} ein Martingal. Unter IIP∗
bleibt W0 = 0 und die Pfade sind stetig. Es folgt dann für s < t und x ∈ IR
IIP∗ [Wt − Ws ≤ x | Fs ] = IIE[exp{r(Wt − Ws ) − r2 (t − s)/2}1IWt −Ws ≤x | Fs ]
Z x
1
2
2
e−y /(2(t−s)) dy
=
ery−r (t−s)/2 p
2π(t − s)
−∞
Z x
1
2
=p
e−(y−r(t−s)) /(2(t−s)) dy .
2π(t − s) 0
Somit ist Wt − Ws unabhängig von Fs und normalverteilt mit Mittelwert r(t − s)
Varianz t − s. Dies bedeutet, dass W unter IIP∗ eine Brownsche Bewegung mit Drift
r wird. Also ist Wt∗ = Wt − rt unter IIP∗ eine standard Brownsche Bewegung.
126
E. TRENNUNG VON KONVEXEN MENGEN
Hilfssatz D.1. Sei Xt = σWt +µt eine Brownsche Bewegung mit Drift. Wir setzen
Mt = sups≤t Xt . Dann gilt für a > max{b, 0}
√
2
IIP[Mt > a, Xt ≤ b] = e2µa/σ Φ((b − 2a − µt)/ σ 2 t) ,
wobei Φ(y) die Verteilungsfunktion der standard Normalverteilung bezeichnet.
Beweis. Wir können σ 2 = 1 annehmen. Sei zuerst µ = 0. Sei T = inf{t > 0 :
Wt > a}. Dann ist WT +s − WT eine Brownsche Bewegung, und somit ist auf {T ≤ t}
IIP[Wt − WT ≤ b − a | FT ] = IIP[Wt − WT ≥ a − b | FT ]. Also haben wir
√
IIP[Mt > a, Wt ≤ b] = IIP[Mt > a, Wt ≥ 2a − b] = IIP[Wt ≥ 2a − b] = Φ((b − 2a)/ t) .
Dies ist die Behauptung für µ = 0.
Ist µ 6= 0, so ändern wir das Mass mit dem Martingal
Lt = exp{−µWt − µ2 t/2} = exp{−µXt + µ2 t/2} .
Dann wird X eine Brownsche Bewegung unter IIP∗ . Somit erhalten wir
IIP[Mt > a, Xt ≤ b] = IIE∗ [exp{µXt − µ2 t/2}; Mt > a, Xt ≤ b]
Z b
1 −(y−2a)2 /(2t)
2
e
dy
=
eµy−µ t/2 √
2πt
−∞
Z b
1 −(y−2a−µt)2 /(2t)
2µa
√
=e
e
dy
2πt
−∞
√
= e2µa Φ((b − 2a − µt)/ t) .
Dies beweist die Formel.
E.
Trennung von konvexen Mengen
Hilfssatz E.1. Seien U und V konvexe Mengen in IRn , so dass U ∩ V = ∅. Dann
gibt es eine lineare Funktion f : IRn → IR, so dass f (u) > f (v) für alle u ∈ U und
v ∈V.
F.
Gronwalls Lemma
F. GRONWALLS LEMMA
Hilfssatz F.1.
127
Sei f (t) eine lokal beschränkte Funktion, so dass
Z t
f (s) ds
f (t) ≤ a + b
0
für Konstanten a, b ≥ 0. Dann gilt für alle t,
f (t) ≤ aebt .
Beweis.
Wir können |f (s)| ≤ 1 annehmen. Wir zeigen nun, dass für alle n ∈ IIN
n
X
1
1
k
f (t) ≤ a
(bt) +
(bt)n+1
k!
(n
+
1)!
k=0
gilt. Die Aussage ist für n = 0 trivial. Sei n ≥ 1 und nehmen wir an, die Behauptung
sei für n − 1 bewiesen. Dann erhalten wir
t
Z
f (t) ≤ a + b
0
=a 1+
Z t h X
n−1
1
i
1
f (s) ds ≤ a + b
a
(bt)k + (bt)n dt
k!
n!
0
k=0
n−1
X
k=0
1
1
(bt)k+1 +
(bt)n+1 .
(k + 1)!
(n + 1)!
1
(bt)n+1 für n → ∞ gegen 0 konvergiert. Lassen wir nun
Wir bemerken, dass (n+1)!
n → ∞, folgt die Behauptung.
128
LITERATUR
Literatur
[1] Cox, J.C., Ingersoll, J.E. and Ross, S.A. (1985). A theory of the term
structure of interest rates. Econometrica 53, 385–407.
[2] Heath, D., Jarrow, A. and Morton, A. (1987). Bond pricing and the term
structure of interest rates. Preprint.
[3] Hull, J. and White, A. (1993). One-factor-interest-rate models and the
valuation of interest-rate derivative securitites. J. Financial and Quantitative
Analysis 28, 235–254.
[4] Ikeda, N. and Watanabe, S. (1981). Stochastic Differential Equations and
Diffusion Processes. North Holland, Amsterdam.
[5] Lamberton, D. and Lapeyre, B. (1996). Introduction to Stochastic Calculus Applied to Finance. Chapman & Hall, London.
[6] Rogers, L.C.G (1995). Which model for term-structure of interest should
one use?. In: Davis, M.H.A., Duffie, D., Fleming, W.H. and Shreve, S.E., eds.,
Mathematicial Finance. Springer-Verlag, New York, 93–115.
[7] Rogers, L.C.G. and Williams, D. (1987). Diffusions, Markov Processes
and Martingales. Volume II, Wiley, Chichester.
[8] Schmidli, H. (2008). Einführung in die Stochastik. Vorlesungsnotizen, Universität zu Köln.
[9] Schmidli, H. (2009). Wahrscheinlichkeitstherie I & II. Vorlesungsnotizen,
Universität zu Köln.
[10] Seydel, R. (2002). Tools for Computational Finance. Springer-Verlag, Berlin.
INDEX
129
Index
adaptiert, 109
Akzeptanzmenge
zulässig, 93
amerikanische Option, 15
Anspruch
erreichbar, 13
Äquilibrium, 6
Arbitrage, 1, 12, 43
asiatische Option, 104
Average-Value-at-Risk, 98
bedingter Anspruch, 13, 44
Brownsche Bewegung, 116
Butterfly, 103
cadlag, 109
∆Xt , 109
Doob-Zerlegung, 122
effizient
Markowitz-, 80
endliche quadratische Variation, 114
endliche Variation, 112
erreichbarer Anspruch, 13
europäisch
Anspruch, 13
Option, 13
Expected Shortfall, 99
FtX , 109
Filtration, 109
natürliche, 109
rechtsstetig, 109
floating Strike, 104
Girsanovs Theorem, 42
Gronwalls Lemma, 127
implizierte Volatilität, 46
Itô-Formel, 35
Itô-Prozess, 31
Kassakurs, 56
Klasse DL, 122
kohärentes Risikomass, 91
Konsumverteilung
zulässig, 6
Konvergenzsatz, 119
konvexes Risikomass, 91
lokales Martingal, 123
Lokalisierungsfolge, 123
Markowitz-effizient, 80
Markt
unvollständig, 6
vollständig, 6, 13
Martingal, 118
lokales, 123
Semi-, 124
Sub-, 118
Super-, 118
Martingal Repräsentationstheorem, 43
monetäres Risikomass, 89
monotones Risikomass, 89
natürliche Filtration, 109
normiertes Risikomass, 89
Option
amerikanische, 15
europäische, 13
optionaler Stoppsatz, 119
Ornstein–Uhlenbeck-Prozess, 38
OTC, 103
over-the-counter, 103
Pareto-optimal, 6
plain Vanilla, 103
Portfolio Insurance, 106
positiv homogen, 90
quadratische Variation, 114
endliche, 114
quasi-konvexes Risikomass, 91
130
rechtsstetige Filtration, 109
Repräsentationstheorem, 43
Risikomass
kohärent, 91
konvex, 91
monetär, 89
monoton, 89
normiert, 89
positiv homogen, 90
quasi-konvex, 91
subadditiv, 90
translationsinvariant, 89
risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmass, 3
selbstfinanzierende Strategie, 10, 42, 58
Semimartingal, 124
Spread, 103
State-Price-Deflator, 87
State-Price-Vektor, 1
stochastischer Prozess, 109
Stoppsatz, 119
Stoppzeit, 110
Straddle, 102
Strangle, 102
Strategie
selbstfinanzierend, 10, 42, 58
zulässig, 12, 43, 59
subadditiv, 90
Submartingal, 118
Supermartingal, 118
Swaptions, 73
Tail-Value-at-Risk, 99
translationsinvariant, 89
unvollständiger Markt, 6
Value-at-Risk, 90
Variation, 112
endlich, 112
endliche quadratische, 114
quadratische, 114
vollständiger Markt, 6, 13
Wahrscheinlichkeitsmass
INDEX
risikoneutrales, 3
Zinsswap, 72
zulässig
Konsumverteilung, 6
Strategie, 12, 43, 59
zulässige Akzeptanzmenge, 93
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