JURIST ISCHE F AKULTÄT LEHRSTUH L FÜ R DEUT SCHES, EU RO PÄISCHE S, INTE RN ATION ALES ARB EITSRECHT UND BÜRGE RLICH ES RECHT Lohnfindung zwischen Gleichberechtigung und Tarifautonomie Vortrag auf der Auftaktveranstaltung zum Equal-Pay-Day am 30. November 2011 Professor Dr. Martin Franzen, Universität München I. Einleitung 1. Darstellung der Problematik Das Thema „Lohnfindung“ wird in der sozialwissenschaftlichen Forschung als ein möglicher Ursachenkomplex für die konstatierte Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern ausgemacht 1. Der richtige Lohn für eine Tätigkeit ist das Ergebnis eines Preisbildungsprozesses am Markt im Wege von Verhandlungen. Der richtige Lohn ist damit das Ergebnis eines Verhandlungsprozesses zwischen demjenigen, der die Tätigkeit nachfragt – dem Arbeitgeber, und dem demjenigen, der sie erbringen möchte, dem Arbeitnehmer. Dieses Verhandlungsverhältnis ist wegen der strukturellen Überlegenheit des Arbeitgebers im Arbeitsvertrag gestört. Daher tritt zusätzlich zur individuellen Vertragsaushandlung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die kollektive Lohnverhandlung zwischen Gewerkschaft als Vertreter der Arbeitnehmer und Arbeitgeberverbänden oder einzelnen Arbeitgebern hinzu. Grundrechtlich wird dieses System durch die Garantie der Tarifautonomie in Art. 9 Abs. 3 GG abgesichert. Der Prozess der Lohnfindung ist also für die meisten Arbeitsverhältnisse den Tarifvertragsparteien, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden bzw. einzelnen Arbeitgebern, anvertraut. In meinem Vortrag will ich das Verhältnis von Geschlechtergleichberechtigung und Tarifautonomie bei der Lohnfindung beleuchten. Nicht sprechen werde ich über die Lohnfindung im individuellen Verhandlungsprozess, die insbesondere im übertariflichen und außertariflichen Bereich – also etwa bei Führungskräften – eine große Rolle spielt. Das wäre ein eigenes Thema. 2. Ein Fall aus der Rechtsprechung des BAG (BAG 10. 12. 1997 – 4 AZR 264/96) 1 Siehe näher BMFSFJ, Dossier Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern in Deutschland, 2009, S. 25 ff. Dienstgebäude Prof.-Huber-Platz 2, Zimmer 256 80539 München Öffentliche Verkehrsmittel U-Bahnstation Universität E-Mail: [email protected] LUDWIG- MAXIMILIAN S-U NIVERSIT ÄT MÜNCHE N Die Problematik kann man SEITE 2 VON 12 veranschaulichen anhand eines Sachverhalts, den das Bundesarbeitsgericht im Jahr 1997 beurteilen musste 2. Den Sachverhalt gebe ich allerdings etwas verkürzt und vereinfacht wieder: Die Klägerin war Sozialpädagogin mit Fachhochschulabschluss. Alle Arbeitnehmer mit Fachhochschulabschluss waren in dieselbe Vergütungsstufe des damaligen BAT eingruppiert. Allerdings konnten Ingenieure mit Fachhochschulabschluss beim beruflichen Aufstieg schneller höhere Fallgruppen derselben Vergütungsstufe erreichen als alle anderen Berufsgruppen mit demselben Abschluss. Der schnellere berufliche Aufstieg der Ingenieure war dem Umstand geschuldet, dass die Ingenieure in der Gewerkschaft vergleichsweise gut organisiert waren und entsprechende Forderungen innergewerkschaftlich zur Sprache gebracht haben 3. Die genannte Regelung führte dazu, dass die Klägerin eine geringere Monatsvergütung erhielt als ein Ingenieur mit Fachhochschulabschluss bei einer im Übrigen gleichen Situation. Die Klägerin sah darin eine mittelbare Ungleichbehandlung wegen ihres Geschlechts. Dabei war unstreitig, dass Sozialpädagogen mit Fachhochschulabschluss ganz überwiegend Frauen sind, während bei Ingenieuren das männliche Geschlecht deutlich überwiegt. Bei diesem Fall bewegt man sich im Bereich der Bewertung der Arbeit – nämlich der Tätigkeit von Sozialpädagogen und Ingenieure, beide mit Fachhochschulabschluss. Diese Bewertung haben hier die Tarifvertragsparteien des BAT – also öffentliche Arbeitgeber und die damaligen Gewerkschaften ÖTV und DAG (heute ver.di) - vorgenommen. Wir befinden uns also ebenfalls im Bereich der Tarifautonomie. Tarifautonomie bedeutet Freiheit zur Selbsthilfe, aber auch Last der Selbsthilfe 4. Und in diesem Fall haben offenbar die Ingenieure diese Last stärker wahrgenommen als andere Berufsgruppen mit vergleichbarer Ausbildung. Wie hat das BAG den Fall gelöst? Das BAG war der Auffassung, dass Sozialpädagogen und Ingenieure mit Fachhochschulabschluss „gleichwertige Arbeit“ verrichten. Die Klage scheiterte allerdings an der nach Auffassung des BAG unzutreffenden Bildung der Vergleichsgruppen. Die Klägerin hätte nicht nur die Sozialarbeiter und Ingenieure, sondern die Ingenieure und alle anderen Arbeitnehmergruppen mit Fachhochschulabschluss vergleichen müssen 5. Bei diesen Vergleichsgruppen gab es keine signifikanten Unterschiede in der Verteilung der Geschlechter 6. 3. Gang der Überlegungen Entsprechend dem Titel des Vortrags will ich zunächst einige Grundsätze der „Lohnfindung“ darstellen (unter II). Daran schließen sich in der gebotenen Kürze 2 BAG 10. 12. 1997 – NZA 1998, 599; dazu Feldhoff, ZTR 1999, 207 ff. Siehe die Angaben bei BAG 10. 12. 1997 – 4 AZR 264/96 – NZA 1998, 599, 602. 4 Rieble, RdA 2011, 36, 41. 5 BAG 10. 12. 1997 – NZA 1998, 599, 604. 6 Im Ergebnis zustimmend Feldhoff, ZTR 1999, 207, 212. 3 LUDWIG- MAXIMILIAN S-U NIVERSIT ÄT MÜNCHE N Ausführungen zu den rechtlichen SEITE 3 VON 12 Grundlagen und Problemfelder des Themas „Gleichberechtigung“ an (unter III) sowie des Themas „Tarifautonomie“ an (unter IV). Danach sind einige Folgerungen zu ziehen (unter V). II. Lohnfindung Um den richtigen Lohn für eine Tätigkeit zu finden, muss man diese bewerten. Die Arbeitsbewertung orientiert sich heute im Wesentlichen an den Arbeitsanforderungen. Von der Methode her lassen sich das Verfahren der analytischen Arbeitsbewertung und der summarischen Arbeitsbewertung unterscheiden 7. Bei der analytischen Arbeitsbewertung werden die einzelnen Arbeitsanforderungen aufgespaltet und jeweils bewertet, etwa nach den Kategorien „Fachkönnen“, „Belastung“, „Verantwortung“ und „Umgebungseinflüsse“ 8 oder nach den Kategorien „Wissen und Können“, „Denken“, „Handlungsspielraum“, „Kommunikation“ und „Mitarbeiterführung“ 9. Nach einem sogenannten Stufenwertzahlverfahren wird dann das Anforderungsniveau bezüglich der einzelnen Kriterien anhand einer Tabelle in Punkten ermittelt, diese werden addiert und nach einem Schlüssel wird die Entgeltgruppe ermittelt 10. Die summarische Arbeitsbewertung verzichtet demgegenüber auf die Aufspaltung der verschiedenen Arbeitsanforderungen, sondern bewertet diese in ihrer Gesamtheit. Die einzelnen Entgeltgruppen werden nach den Arbeitsanforderungen gebildet. Beispiel 11: Arbeitsanforderungen verlangen Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie durch eine kurze Unterweisung erworben werden können (Entgeltgruppe 1); Arbeitsanforderungen verlangen Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch eine einschlägige mindestens dreijährige abgeschlossene Berufsausbildung erworben werden können (Entgeltgruppe 5). Der summarischen Arbeitsbewertung wird aus Sicht der Gender-Forschung vorgeworfen, sie biete wegen der Gesamtbetrachtung zu viel Spielraum für Interpretationen und könne daher Rollenstereotypen 7 Vorschub leisten 12. Außerdem würden typische Merkmale von Näher dazu und zum folgenden: Feldhoff, Der Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit, 1998, S. 147 ff.; Kreßel, in Münchener Handbuch zum Arbietsrecht, 2. Aufl. 2000, § 66 Rn. 41 ff. 8 Sogenanntes Genfer Schema, aufgestellt auf der internationalen Konferenz für Arbeitswissenschaft in Genf 1950, siehe näher Kreßel, in Münchener Handbuch zum Arbietsrecht, 2. Aufl. 2000, § 66 Rn. 43. 9 So etwa der Entgeltrahmen-Tarifvertrag (ERA) der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie vom September 2003, siehe § 6 ERA Metall-BW in Verbindung mit den Anhängen. 10 Vgl. den Entgeltrahmen-Tarifvertrag (ERA) der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie vom September 2003, siehe § 6 ERA Metall-BW in Verbindung mit den Anhängen. 11 Entgeltrahmen-Tarifvertrag (ERA) der bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom November 2005, siehe § 3 ERA Metall-Bay in Verbindung mit dem Katalog von Orientierungsbeispielen. 12 Siehe etwa Feldhoff, Der Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit, 1998, S. 148 ff.; Krell, in Ranftl/Buchinger/Gschwandtner/Meggeneder (Hrsg.), Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, 2002, S. 121, 125; Ranftl, in Ranftl/Buchinger/Gschwandtner/Meggeneder (Hrsg.), Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, 2002, S. 14 f. LUDWIG- MAXIMILIAN S-U NIVERSIT ÄT MÜNCHE N SEITE 4 VON 12 Frauenberufen und –tätigkeiten nicht einbezogen 13. Aus dieser Sicht wird die analytische Arbeitsbewertung bevorzugt. Allerdings sollen auch hier Ungleichbehandlungen möglich sein, etwa bei der Auswahl der Anforderungskriterien/Merkmale und deren Gewichtung, aber auch bei der Zuordnung der Geldbeträge zu den einzelnen Entgeltgruppen 14. Vor diesem Hintergrund werden vor allem drei Anforderungen an diskriminierungsfreie Arbeitsbewertung gestellt: Das Arbeitsbewertungssystem muss transparent sein; es müssen die gleichen Bewertungsmaßstäbe für alle Beschäftigten verwendet werden; die verwendeten Kriterien müssen in ihrer Gesamtheit dazu geeignet sein, der Art und dem Wesen der (konkreten) Arbeit Rechnung zu tragen 15. III. Gleichberechtigung 1. Normative Vorgaben des deutschen und europäischen Rechts Die Gleichheit des Entgelts von Frauen und Männern bei gleicher und gleichwertiger Arbeit ist aufgrund zahlreicher Rechtsvorschriften des europäischen und nationalen Rechts in formaler Hinsicht gewährleistet. Zu nennen ist auf der europäischen Ebene Art. 157 AEUV (ex-Art. 141 EG) sowie Art. 4 S. 1 RL 2006/54/EG 16. Beide Bestimmungen untersagen die unmittelbare und mittelbare Ungleichbehandlung von Frauen und Männern im Rahmen des Arbeitsentgelts bei gleicher und gleichwertiger Arbeit. Art. 4 S. 2 RL 2006/54/EG bestimmt darüber hinaus ausdrücklich, dass ein System beruflicher Einstufung, welches zur Festlegung des Arbeitsentgelts verwendet wird, auf für männliche und weibliche Arbeitnehmer gemeinsamen Kriterien beruhen und so beschaffen sein muss, dass Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts ausgeschlossen werden. Im innerstaatlichen Recht wird diese Rechtslage zunächst durch § 8 Abs. 2 AGG sichergestellt, welcher die Verbotsregelungen der § 1 AGG, § 2 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 7 AGG voraussetzt 17. Diese Vorschriften sind in Bezug auf die Gleichbehandlung von Frauen und Männern an die Stelle von § 611a BGB und § 612 Abs. 3 BGB getreten, welche seit den 1980er Jahren die Gleichbehandlung von Frauen und Männern im Arbeitsleben und in Entgeltfragen grundsätzlich gewährleistet haben. 13 Vgl. Feldhoff, Der Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit, 1998, S. 201 f. Siehe dazu ausführlich Feldhoff, Der Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit, 1998, S. 160 ff. ; Krell, in Ranftl/Buchinger/Gschwandtner/Meggeneder (Hrsg.), Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, 2002, S. 121 ff.; Tondorf, in Ranftl/Buchinger/Gschwandtner/Meggeneder (Hrsg.), Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, 2002, S. 23 ff. 15 Siehe etwa Ranftl, in Ranftl/Buchinger/Gschwandtner/Meggeneder (Hrsg.), Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, 2002, S. 16. 16 Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. EU L 204/23). 17 Siehe nur Wendeling-Schröder, in Wendeling-Schröder/Stein, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 2008, § 8 Rn. 34. 14 LUDWIG- MAXIMILIAN S-U NIVERSIT ÄT MÜNCHE N SEITE 5 VON 12 Die geschilderten normativen Vorgaben des deutschen und europäischen Rechts gelten auch für die Tarifvertragsparteien. Art. 157 AEUV richtet sich nicht nur an die Mitgliedstaaten, sondern ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unmittelbar anwendbar im innerstaatlichen Rechtsraum 18 und gilt daher auch für Tarifverträge. Dasselbe gilt für das im AGG niedergelegte Entgeltgleichheitsgebot 19. 2. Problemfeld „mittelbare Ungleichbehandlung“ Im Rahmen der Arbeitsbewertung Ungleichbehandlungen selten, weil und das Lohnfindung Geschlecht sind in aller unmittelbare Regel kein Anknüpfungskriterium ist und dies überdies offenkundig unzulässig wäre. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt daher auf dem Problemfeld der mittelbaren Ungleichbehandlung 20. Eine mittelbare Ungleichbehandlung im Sinne der genannten Regelungen liegt vor, wenn eine Regelung zwar nicht unmittelbar an das Geschlecht Vorteile anknüpft, sondern vielmehr neutrale Kriterien verwendet, welche aber typischerweise überwiegend bei einem Geschlecht vorliegen. Eine dementsprechende Legaldefinition enthalten § 3 Abs. 2 AGG und Art. 2 Abs. 1 lit. b RL 2006/54/EG. Eine solche mittelbare Benachteiligung kann allerdings durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt sein, wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind (§ 3 Abs. 2, 2. Hs. AGG, Art. 2 Abs. 1 lit. b a. E. RL 2006/54/EG). Das Hauptproblem bei der rechtlichen Darlegung mittelbarer Ungleichbehandlung besteht darin, die richtigen Vergleichsgruppen zu bilden. Das hat der eingangs geschilderte Fall des BAG bereits gezeigt 21. Es müssen jeweils eine Vergleichsgruppe der bevorzugten Arbeitnehmer und eine der benachteiligten Arbeitnehmer bestehen. Ferner muss sich das Geschlechterverhältnis in den jeweiligen Vergleichsgruppen signifikant unterscheiden. Ungleichbehandlung auf Außerdem den ist jeweiligen der Anwendungsbereich Regelgeber beschränkt; der eine mittelbaren mittelbare Ungleichbehandlung kommt daher grundsätzlich nur innerhalb eines Tarifvertrags und nicht tarifvertragsübergreifend in Betracht 22. Nach alledem sind die Voraussetzungen für eine mittelbare Ungleichbehandlung nicht einfach darzulegen und zu beweisen. Diese Last obliegt den sich benachteiligt fühlenden Arbeitnehmern. Häufig wird es den betroffenen Arbeitnehmerinnen an Informationen über die Grundsätze der Arbeitsbewertung etc. fehlen. Außerdem müssen betroffene Arbeitnehmerinnen ihre möglichen Ansprüche selbst notfalls gerichtlich geltend zu machen, 18 Siehe nur Krebber, in Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV-Kommentar, 3. Aufl. 2007, Art. 141 EGV Rn. 5. Zur Bindung der Tarifvertragsparteien an das AGG siehe nur Franzen, in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Aufl. 2011, § 1 TVG Rn. 55; Schlachter, in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Aufl. 2011, § 7 AGG Rn. 3. 20 Ebenso die Einschätzung von Feldhoff, ZTR 1999, 207, 209. 21 BAG 10. 12. 1997 – NZA 1998, 599; siehe oben I 2. 22 Einschränkend aber EuGH 27. 10. 1993 – NZA 1994, 797, wenn dieselben Tarifvertragsparteien mehrere Tarifverträge schließen. 19 LUDWIG- MAXIMILIAN S-U NIVERSIT ÄT MÜNCHE N SEITE 6 VON 12 was Rechtsverfolgungsrisiken etc. bergen kann. Es kommt die psychische Hemmung hinzu, im bestehenden Arbeitsverhältnis Ansprüche gegen den Vertragspartner, den Arbeitgeber, zu erheben. Wenn eine ungerechtfertigte mittelbare Ungleichbehandlung aufgrund von Kriterien der Arbeitsbewertung entsprechenden einmal gerichtlich Kriteriums festgestellt unzulässig. Der wird, Arbeitgeber ist die muss Verwendung dann die des mittelbar ungleichbehandelte Arbeitnehmerin für die Vergangenheit so behandeln wie sie ohne die Ungleichbehandlung stünde (sogenannter Grundsatz der „Gleichbehandlung nach oben“); die benachteiligten Arbeitnehmer müssen grundsätzlich genauso gestellt werden wie die begünstigten 23. Die Tarifvertragsparteien sind also über dieses Vehikel der mittelbaren Ungleichbehandlung einer Kontrolle der Ergebnisse ihres Verhandlungsprodukts, des Tarifvertrags, ausgesetzt. 3. Problemfeld „gleichwertige Arbeit“ Die Regelungen des europäischen und deutschen Rechts zur Geschlechtergleichbehandlung beim Arbeitsentgelt sind nicht nur anwendbar bei „gleicher Arbeit“, sondern weitergehend auch bei „gleichwertiger Arbeit“. Die Gleichwertigkeit normativ vorzugeben ist allerdings extrem schwierig 24. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts muss bei der Konkretisierung des Rechtsbegriffs „gleichwertige Arbeit“ auf den Gegenstand der Arbeitsleistung abgestellt werden. Für die qualitative Wertigkeit einer Arbeit sei unter anderem das Maß der erforderlichen Vorkenntnisse und Fähigkeiten nach Art, Vielfalt und Qualität bedeutsam. Je größer diese Anforderungen sind, desto höher sei der Wert der Arbeit einzuschätzen 25. Darüber hinaus spricht nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts vieles dafür, dass Tätigkeiten mit einem gleichen Ausbildungsabschluss in einem tariflichen Entgeltsystem gleich zu bewerten sind 26 - Sozialpädagogen und Ingenieure mit Fachhochschulabschluss erbringen danach also „gleichwertige Arbeit“ – wie ich in unserem Ausgangsfall dargelegt habe 27. Die Problematik der „gleichwertigen Arbeit“ wird regelmäßig rechtlich relevant nur im Zusammenhang mit einer mittelbaren Ungleichbehandlung. Daher kann hier ebenso ein sachlicher Grund die mittelbare Ungleichbehandlung rechtfertigen, sofern dieser mit der Differenzierung wegen des Geschlechts nichts zu tun hat. Als einen derartigen sachlichen Grund hat der Europäische Gerichtshof grundsätzlich auch die Marktlage als solche anerkannt: „Es ist Sache des nationalen Gerichts, nötigenfalls unter Anwendung des 23 EuGH 7. 2. 1991 – C-184/89 – NZA 1991, 501; a. A. für benachteiligende Entgeltsysteme in Tarifverträgen wegen des damit einhergehenden Eingriffs in die Tarifautonomie Schlachter, Wege zur Gleichberechtigung, 1993, S. 214 f. 24 Zum Problem siehe nur Rieble, RdA 2011, 36, 44 f. 25 BAG 23. 8. 1995 - NZA 1996, 579 = DB 1996, 889, 890. 26 BAG 10. 12. 1997 – NZA 1998, 599, 604 f. bezogen auf Tätigkeiten, für die ein Fachhochschulabschluß notwendig war. 27 BAG 10. 12. 1997 – NZA 1998, 599, 604 f. LUDWIG- MAXIMILIAN S-U NIVERSIT ÄT MÜNCHE N SEITE 7 VON 12 Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzustellen, ob und inwieweit der Mangel an Bewerbern für eine Tätigkeit und die Notwendigkeit, ihnen durch ein höheres Gehalt einen Anreiz zu bieten, einen sachlich gerechtfertigten wirtschaftlichen Grund für den Unterschied im Entgelt der fraglichen Tätigkeit darstellen.“ 28 Bezahlt der Arbeitgeber Arbeitnehmergruppen, die gleichwertige Arbeit verrichten unterschiedlich, weil die höher bezahlte Arbeitnehmergruppe schwerer am Markt gewinnbar ist, differenziert er nicht wegen des Geschlechts. Vielmehr beugt er sich lediglich den Marktmechanismen und will seinen Gewinn maximieren 29. Dies setzt allerdings voraus, dass das höhere Entgelt tatsächlich auf die Mangelsituation an Anbietern der nachgefragten Tätigkeit zurückgeführt werden kann 30. Erkennt man die Marktlage als Grund für eine Differenzierung beim Grundsatz der gleichwertigen Arbeit im Grundsatz an, muss man dies m. E. erst recht tun, wenn die Marktlöhne durch die Tarifvertragsparteien festgesetzt wurden. Damit ist den Tarifvertragsparteien ein gewisser Beurteilungsspielraum im Hinblick auf die Bewertung von Arbeit zuzubilligen, der freilich rechtlich kontrolliert werden muss. Dies entspricht einer gängigen Auffassung in der Literatur 31, die sich ebenfalls auf Rechtsprechung des EuGH stützen kann. Der EuGH führt in einem Urteil aus dem Jahr 1995 aus: „Die Tatsache, dass die Entgeltbestandteile in Verhandlungen zwischen den Kollektivorganisationen oder in Verhandlungen auf lokaler Ebene festgesetzt wurden, kann vom nationalen Gericht als ein Gesichtspunkt bei der Beurteilung der Frage berücksichtigt werden, ob Unterschiede beim durchschnittlichen Entgelt von zwei Gruppen mit Arbeitnehmern auf objektive Faktoren zurückgehen, die nichts mit einer Diskriminierung wegen des Geschlechts zu tun haben“ 32. IV. Tarifautonomie 1. Rechtliche Grundlagen Art. 9 Abs. 3 S. 1 GG gewährleistet die Freiheit, Koalitionen zu bilden und sich in diesen koalitionsgemäß zu betätigen. Ein ganz gewichtiger Bestandteil der Betätigungsfreiheit der Koalitionen stellt die Tarifautonomie dar. Diese umfasst das Recht der Koalitionen, Tarifverträge zu schließen, in denen Regelungen über Löhne und sonstige Arbeitsbedingungen getroffen werden können. Das Bundesverfassungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Koalitionsfreiheit auch die Tarifautonomie 28 EuGH 27. 10. 1993 – NZA 1994, 797 (Enderby). Thüsing, NZA 2000, 570, 574 f.; kritisch Feldhoff, Der Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit, 1998, S. 281 ff. 30 Vgl. Feldhoff, Der Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit, 1998, S. 283; Schlachter, Wege zur Gleichberechtigung, 1993, S. 423 f. 31 Siehe etwa Thüsing, NZA 2000, 570, 575; kritisch hierzu Colneric, Festschrift für Dieterich, 1999, S. 45, 56 f.; Feldhoff, Der Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit, 1998, S. 202 ff. 32 EuGH 31. 5. 1995 – Rs. C-400/93 – EzA Art. 119 EWG-Vertrag Nr. 28. 29 LUDWIG- MAXIMILIAN S-U NIVERSIT ÄT MÜNCHE N SEITE 8 VON 12 schützt, die im Zentrum der den Koalitionen eingeräumten Möglichkeiten zur Verfolgung ihrer Zwecke steht 33. Zu den der Regelungsbefugnis der Koalitionen überlassenen Materien gehören insbesondere das Arbeitsentgelt und die anderen materiellen Arbeitsbedingungen 34. Vorgaben hinsichtlich der Art und Weise der Lohnfindung fallen vor diesem Hintergrund in den Schutzbereich der Tarifautonomie. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil vom 17. Dezember 2009 in Zusammenhang mit der Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD ausdrücklich festgestellt 35: „Die autonome vergütungsrechtliche Bewertung einzelner Tätigkeiten ist integraler Bestandteil der Tarifautonomie. Die Möglichkeit der staatlichen Gewalt einschließlich der Judikative, den Tarifvertragsparteien in diesem Bereich Vorgaben zu machen, sind enge Grenzen gezogen. In Betracht kommen vor allem sozialstaatliche Erwägungen. Dagegen ist nach der Konzeption des Grundgesetzes die Festlegung der Höhe des Entgelts grundsätzlich den Tarifvertragsparteien übertragen, weil dies nach Überzeugung des Verfassungsgebers zu sachgerechteren Ergebnissen als eine staatlich beeinflusste Lohnfindung (vgl. BVerfG 26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85 – BVerfGE 84, 212, 224; 4. Juli 1995 – 1 BvF 2/86 ua. BVerfGE 92, 365, 393). Wenn Tarifvertragsparteien deshalb körperliche und beaufsichtigende Tätigkeiten vergütungsrechtlich unterschiedlich bewerten, liegt dies innerhalb ihrer Regelungsmacht (Senat 17. Dezember 1992 – 6 AZR 91/92 – BAGE 72, 115, 122 f. [= NZA 1993, 708, 710 – Rn. 30]). Dies schließt auch die Befugnis zu Entgeltregelungen ein, die Betroffenen ungerecht und Außenstehenden nicht zwingend sachgerecht erscheinen.“ 36 Die Tarifautonomie kann allerdings beschränkt werden, wenn die Beschränkung durch den Gesetzgeber dem Schutz von Grundrechten Dritter oder anderer mit Verfassungsrang ausgestatteter Rechte oder Rechtsgüter dienen und sich dieser Eingriff als verhältnismäßig darstellt 37. Dabei ist der Grundrechtsschutz nicht für alle koalitionsmäßigen Betätigungen gleich intensiv. Die Wirkkraft des Grundrechts nimmt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in dem Maße zu, in dem eine Materie aus Sachgründen am besten von den Tarifvertragsparteien geregelt werden kann, weil sie nach den Vorstellungen des Verfassungsgebers die gegenseitigen Interessen angemessener berücksichtigen als der Staat. Dies gilt vor allem für die Festsetzung der Löhne und anderer materieller Arbeitsbedingungen. Je gewichtiger der Schutz ist, den Art. 9 Abs. 3 GG gewährt, desto schwerwiegender müssen die Gründe sein, die einen Eingriff rechtfertigen sollen 38. Die Tarifautonomie ist also in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen mit anderen Grundrechten und durch das Grundgesetz geschützten Rechte und Rechtsgüter. Hierzu zählt auch die Verwirklichung der tatsächlichen Entgeltgleichheit von Frauen und Männern. 33 Siehe nur BVerfG 27. 4. 1999 – 1 BvR 2203/93 – AP Nr. 88 zu Art. 9 GG (unter B II 1a). Siehe BVerfG 27. 4. 1999 – 1 BvR 2203/93 – AP Nr. 88 zu Art. 9 GG (unter B II 1a). 35 BAG 17. 12. 2009 – 6 AZR 665/08. 36 BAG 17. 12. 2009 – 6 AZR 665/08 – Rn. 19. 37 Ganz h. M., siehe nur Höfling, in Sachs (Hrsg.), GG, 5. Aufl. 2009, Art. 9 Rn. 128 m. w. N. 38 BVerfG 27. 4. 1999 – 1 BvR 2203/93 – AP Nr. 88 zu Art. 9 GG (unter B II 1c). 34 LUDWIG- MAXIMILIAN S-U NIVERSIT ÄT MÜNCHE N Diese dient der Verfolgung des SEITE 9 VON 12 in Art. 3 Abs. 2 GG niedergelegten Gleichberechtigungsgebots. Dieses ist ein Grundrecht von überragender Bedeutung. Art. 3 Abs. 2 S. 1 GG umfasst als Abwehrrecht den Schutz vor unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierungen wegen des Geschlechts 39. Außerdem enthält Satz 2 des Art. 3 Abs. 2 GG eine staatliche Förderpflicht im Hinblick auf die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Danach wirkt der Staat auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Dieser Verfassungsauftrag belässt dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum und ermächtigt diesen zu Fördermaßnahmen 40. 2. Faktische Grundlagen Tarifautonomie ist zwar verfassungsrechtlich geschützt, verlangt aber faktisch die Selbstorganisation der Betroffenen. Tarifautonomie ist kollektiv ausgeübte (Arbeits-) Vertragsautonomie. Tarifautonomie folgt Marktmechanismus, wie einleitend ich dies damit dem Verhandlungs- beschrieben habe. und Kommt im Verhandlungsprozess keine Einigung zustande, hat die Arbeitnehmerseite das Recht, die Arbeit niederzulegen, um den Preis der Arbeit künstlich zu verknappen und zu verteuern, also Streikrecht und Arbeitskampffreiheit. Dieser Zusammenhang zwischen Tarifautonomie und Arbeitskampf ist für das Verhandlungsergebnis, den abzuschließenden Tarifvertrag, wichtig. Diejenigen Arbeitnehmergruppen, die gut organisiert und besonders streikmächtig sind, werden ihre „Streikrendite“ 41 im innergewerkschaftlichen Verteilungsprozess fordern und durchsetzen wollen und damit Arbeitsbewertung und Lohnfindung beeinflussen. Wird ihnen dies verwehrt – und sei es aus guten Gründen -, werden sie abwandern und sich neu formieren, etwa in Gestalt von eigenständigen Berufsgruppengewerkschaften, wie wir dies derzeit etwa bei den Ärzten, Piloten und Lokomotivführern erleben. Ein Teil der faktischen Entgeltungleichheit, möglicherweise verursacht durch bestimmte Kriterien der Arbeitsbewertung, dürfte auf die unterschiedliche Organisationsquote und besondere Streikmächtigkeit einzelner Berufsgruppen zurückgehen und wird hierdurch vielleicht erklärbar. Das eingangs geschilderte Beispiel aus der Rechtsprechung des BAG 42 mag dies ebenfalls andeuten: Die Ingenieure waren einfach besser gewerkschaftlich organisiert als die Sozialpädagoginnen. V. Folgerungen 1. Ansatzpunkte im geltenden Recht Was folgt aus diesen Tarifvertragsparteien 39 Überlegungen? bereits aus Zunächst eigenem muss Interesse man gehalten Osterloh, in Sachs (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 5. Aufl. 2009, Art. 3 Rn. 259 f. Siehe Heun, in Dreier (Hrsg.), GG, 2. Aufl. 2004, Art. 3 Rn. 104. 41 Rieble, RdA 2011, 36, 41. 42 Siehe oben I 2; BAG 10. 12. 1997 – NZA 1998, 599. 40 sehen, sein dass die werden, LUDWIG- MAXIMILIAN S-U NIVERSIT ÄT MÜNCHE N Arbeitsbewertungen auszugestalten. Auf im Rahmen SEITE 10 VON 12 der Arbeitgeberseite Lohnfindung liegt dies weitestgehend am geschlechtsneutral beschriebenen Grundsatz der Gleichbehandlung nach „oben“: Wenn einmal eine mittelbare Benachteiligung festgestellt wurde, muss der Arbeitgeber die benachteiligten Arbeitnehmer für die Vergangenheit genauso stellen wie die begünstigten. Auf Gewerkschaftsseite besteht zwar das gerade skizzierte Problem der unterschiedlichen Organisationsmacht einzelner Berufsgruppen, was sich vermutlich auf die Lohnfindung auswirkt. Allerdings sind die Gewerkschaften nach ihrem Selbstverständnis – wie dies regelmäßig auch in ihren Satzungen zum Ausdruck kommt - auf die Grundsätze der Gleichbehandlung von Frauen und Männern verpflichtet 43. Klug beratene Tarifvertragsparteien werden sich also im eigenen Interesse zumindest Rechenschaft darüber ablegen, ob sie bei der Aufstellung von Kriterien für die Arbeitsbewertung möglichst geschlechtsneutral vorgegangen sind. Ansatzpunkte für eine solche „Rechenschaftslegung“ der Tarifvertragsparteien kann man bereits dem geltenden Recht entnehmen. Dies geschieht allerdings eher verhalten – zum Beispiel in § 17 AGG. § 17 AGG ist mit „Soziale Verantwortung der Beteiligten“ überschrieben. § 17 Abs. 1 AGG formuliert die Aufgabe, an der Verwirklichung des in § 1 AGG genannten Ziels mitzuwirken, und adressiert diese Aufgabe an die Tarifvertragsparteien, Arbeitgeber, die Beschäftigten und deren Vertretungen. Diese Vorschrift wird allgemein als Programmsatz verstanden, aus dem keine klagbaren Rechte und Pflichten abgeleitet werden können 44. Die Tarifvertragsparteien werden damit für die Zukunft auf ihre Verpflichtungen auf das Gleichbehandlungsrecht hingewiesen, für die Vergangenheit sollten sie bestehende Verträge auf ihre Vereinbarkeit mit dem AGG überprüfen 45. Der Gesetzgeber erwartet von den Beteiligten, dass die Regelung zum Anlass genommen werde, „Personalprozesse in Unternehmen und Betrieben unter dem Gesichtspunkt des Benachteiligungsschutzes zu überprüfen und gegebenenfalls neu zu definieren oder Verhaltenskodizes zu vereinbaren“ 46. Dies betrifft zwar nicht nur, aber auch das Thema „Gleichbehandlung von Frauen und Männern“ und, was die Entgeltfindung im Rahmen von Tarifvertragsverhandlungen angeht, damit auch das Thema „Lohngleichheit“. Diesen Ansatz könnte der Gesetzgeber sachgerecht ausbauen und gegebenenfalls verstärken. 2. Erweiterungen 43 Siehe nur die Satzungen der drei größten Einzelgewerkschaften Deutschlands: Satzung der IG Metall, gültig ab 1. 1. 2008: § 2 Abs. 1 S. 4: „aktive Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern“. Satzung der ver.di, Stand September 2011: § 5 Nr. 2 S. 2: „ver.di setzt sich für die Gleichstellung von Frauen und Männern ein.“; § 5 Nr. 3f: Verwirklichung der „Geschlechterdemokratie und gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Betrieb und Wirtschaft …“. Satzung der IG BCE (Bergbau, Chemie, Energie) vom 14. 10. 2005: § 3 Abs. 3: Eintreten „für Gleichberechtigung von Frauen und Männern“. 44 Siehe Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, 3. Aufl. 2011, § 17 Rn. 1; Schlachter, in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Aufl. 2011, § 17 AGG Rn. 1: „Apell“; Wendeling-Schröder, in Wendeling-Schröder/Stein, AGG, 2008, § 17 Rn. 12. 45 Vgl. Wendeling-Schröder, in Wendeling-Schröder/Stein, AGG, 2008, § 17 Rn. 11. 46 BT-Drucksache 16/1780, S. 39. LUDWIG- MAXIMILIAN S-U NIVERSIT ÄT MÜNCHE N SEITE 11 VON 12 a) Behebung von Informationsdefiziten über die Wirkungsweise der Arbeitsbewertung bei den betroffenen Arbeitnehmerinnen Ein weitergehender Ansatz kann darin bestehen, das soeben beschriebene Problem des Informationsdefizits betroffene bei mittelbarer Arbeitnehmerinnen Ungleichbehandlung stärker in die aufzugreifen. Lage Man versetzen, könnte mittelbare Ungleichbehandlungen durch Vergütungsgestaltungen zu erkennen, und darauf bauen, dass die betroffenen Arbeitnehmerinnen ihre rechtlichen Interessen eigenständig wahrnehmen. Diesem Ziel diente beispielsweise der „Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern“, den das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMAS) im September 2009 vorgelegt hatte. Danach sollte dem Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen eine statistische Entgeltanalyse vorgeschrieben werden. Gegen einen solchen Ansatz spricht aus meiner Sicht folgendes: In Deutschland werden die Grundlagen der Lohnfindung und Arbeitsbewertung weniger auf der Unternehmensebene, als vielmehr auf Branchenebene aufgrund einer Vielzahl von Verbandstarifverträgen von den Tarifvertragsparteien festgelegt. Daher erscheint es sachgerechter, in erster Linie dort und nicht ausschließlich auf Unternehmensebene anzuknüpfen. Außerdem würde ein Vorgehen in der Art des Diskussionsentwurfs des BMAS vom September 2009 letztlich stärker auf juristische Auseinandersetzungen zwischen Arbeitnehmern und ihren Arbeitgebern setzen und damit Unruhe in die Betriebe bringen, obwohl die Lohnfindung dort weithin dort nicht stattfindet. b) Frauenquoten für gewerkschaftliche Tarifkommissionen? Im Zuge der Diskussion über die Einführung von Frauenquoten für den Bereich der Führungskräfte kann man auch daran denken, Frauenquoten für gewerkschaftliche Tarifkommissionen vorzusehen 47. Manche Gewerkschaften – etwa ver.di und IG Metall – sehen freiwillig Frauenquoten entsprechend des Frauenanteils unter den Mitgliedern vor 48. Eine gesetzliche Frauenquote halte ich für einen zu weitgehenden Eingriff in die Koalitionsfreiheit und Organisationsautonomie der Gewerkschaften 49. Außerdem ist nicht wirklich gesichert, ob eine stärkere Beteiligung von Frauen tatsächlich zu einer diskriminierungsfreieren Arbeitsbewertung führen würde. Im Bereich der Betriebsverfassung wurde bekanntlich im Jahr 2001 § 15 Abs. 2 BetrVG eingeführt. Danach muss das Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist, mindestens entsprechend dem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein, wenn der Betrieb mehr als 20 Arbeitnehmern 47 umfasst. Ob diese Vorschrift eine stärkere Fokussierung Dazu Rieble, RdA 2011, 36, 41. Siehe § 20 der Satzung der ver.di, Stand September 2011; § 13 der Satzung der IG Metall vom 1. 1. 2008. 49 Zurückhaltend wohl auch Rieble, RdA 2011, 36, 41, wohlwollender 45: „Insofern wäre zuerst über eine gesetzliche Frauenquote in den Entscheidungsgremien der Gewerkschaften nachzudenken“. 48 der LUDWIG- MAXIMILIAN S-U NIVERSIT ÄT MÜNCHE N SEITE 12 VON 12 Betriebsratsarbeit auf Themen wie Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Männern und Frauen gebracht hat, ist nach meiner Kenntnis noch nicht hinreichend untersucht. VI. Zusammenfassung Die Regeln des deutschen und europäischen Rechts über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Arbeitsentgelt verlangen, dass mittelbare Ungleichbehandlungen wegen des Geschlechts bei gleicher und gleichwertiger Arbeit unzulässig sind, soweit sie nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt werden können und dies in verhältnismäßiger Weise geschieht. Die Lohnfindung in Deutschland obliegt in weitem Maße den Tarifvertragsparteien, die dabei über einen relativ weiten Beurteilungsspielraum verfügen. Die Tarifvertragsparteien sind aber auch an die skizzierten Regeln zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Arbeitsentgelt gebunden. Die hieraus resultierende Konfliktlinie kann folgendermaßen entschärft werden: Die Tarifvertragsparteien sollten sich Rechenschaft darüber ablegen müssen, ob sie bei der Aufstellung von Grundsätzen der Arbeitsbewertung in Tarifverträgen die Problematik der Entgeltunterschiede zwischen Männern und Frauen hinreichend berücksichtigt haben. Ansätze für eine derartige Rechenschaftspflicht im geltenden Recht existieren bereits und lassen sich ausbauen.