Universität Konstanz Fachbereich Mathematik und Statistik Wintersemester 2013/2014 Markus Schweighofer Lineare Algebra I §11.3 Diagonalisierung symmetrischer und hermitescher Matrizen Definition 11.3.1. Sei V ein Vektorraum mit Skalarprodukt und f ∈ End(V ). Dann heißt f selbstadjungiert (auch symmetrisch oder hermitesch, ersteres vorwiegend im Fall K = R und letzteres vorwiegend im K = C), wenn hf (v), wi = hv, f (w)i für alle v, w ∈ V . Beispiel 11.3.2. Die orthogonale Projektion PU ∈ End(V ) auf einen endlichdimensionalen Unterraum U eines Vektorraums mit Skalarprodukt V [→11.2.16] ist selbstadjungiert. In der Tat: Wegen V = U + U ⊥ [→8.2.1] reicht es zu beobachten, dass für alle u1 , u2 ∈ U und v1 , v2 ∈ U ⊥ gilt hPU (u1 +v1 ), u2 +v2 i = hu1 , u2 +v2 i = hu1 , u2 i und hu1 +v1 , PU (u2 + v2 )i = hu1 + v1 , u2 i = hu1 , u2 i. Definition 11.3.3. Eine Matrix A ∈ Kn×n heißt selbstadjungiert (im Fall K = R auch symmetrisch, im Fall K = C auch hermitesch), wenn fA ∈ End(Kn ) selbstadjungiert ist. Satz 11.3.4. Sei V ein Vektorraum mit Skalarprodukt und ONB v = (v1 , . . . , vn ). Sei f ∈ End(V ). Dann gilt: f selbstadjungiert ⇐⇒ M (f, v) selbstadjungiert. Beweis. Es gilt f = vecv ◦fM (f,v) ◦ coordv [→7.1.1] und daher f ◦ vecv = vecv ◦fM (f,v) . Da v eine ONB ist, ist vecv nach 11.2.24 ein Isomorphismus von Vektorräumen mit Skalarprodukt. Es gilt daher f selbstadjungiert ⇐⇒ ∀v, w ∈ V : hf (v), wi = hv, f (w)i ⇐⇒ ∀x, y ∈ Kn : hf (vecv (x)), vecv (y)i = hvecv (x), f (vecv (y))i ⇐⇒ ∀x, y ∈ Kn : hvecv (M (f, v)x), vecv (y)i = hvecv (x), vecv (M (f, v)y)i ⇐⇒ ∀x, y ∈ Kn : hM (f, v)x, yi = hx, M (f, v)yi ⇐⇒ M (f, v) selbstadjungiert Proposition 11.3.5. Seien K ein kommutativer Ring, m, n, r ∈ N0 , A ∈ K m×n und B ∈ K n×r . Dann gilt: (a) (AB)T = B T AT (b) (AB)∗ = B ∗ A∗ falls K = K 1 Beweis. (a) Schreibt man A = (aij )1≤i≤m,1≤j≤n , B = (bjk )1≤j≤n,1≤k≤r , so gilt n n X X 7.2.1 7.2.1 (AB)T = aij bjk = bjk aij = B T AT . 9.1.21 j=1 (b) Ist K = K, so gilt n X 7.2.1 (AB)∗ = (aij bjk )∗ 9.1.21 j=1 9.1.21 j=1 1≤k≤r,1≤i≤m 1≤k≤r,1≤i≤m n X 4.2.7 = b∗jk a∗ij j=1 1≤k≤r,1≤i≤m 7.2.1 = B ∗ A∗ . 9.1.21 1≤k≤r,1≤i≤m Lemma 11.3.6. Sei A ∈ Kn×n und x, y ∈ Kn . Dann gilt hA∗ x, yi = hx, Ayi. Beweis. hA∗ x, yi 11.1.3(a) = 11.3.5 (A∗ x)∗ y = x∗ (A∗ )∗ y = x∗ Ay 11.1.3(a) = hx, Ayi Proposition 11.3.7. Für A ∈ Kn×n gilt A selbstadjungiert ⇐⇒ A∗ = A. Beweis. A selbstadjungiert 11.3.3 11.3.1 ⇐⇒ ∀x, y ∈ Kn : hAx, yi = hx, Ayi 11.3.6 ⇐⇒ ∀x, y ∈ Kn : hAx, yi = hA∗ x, yi ⇐⇒ A = A∗ Lemma 11.3.8. Sei A ∈ Kn×n selbstadjungiert und λ ∈ C mit χA (λ) = 0. Dann gilt λ ∈ R. Beweis. Wir können K = C annehmen. Dann ist λ ein Eigenwert von A [→10.1.2, 10.1.3(e)], das heißt es gibt x ∈ Cn \ {0} mit Ax = λx. Es folgt λhx, xi 11.1.1(4) = 11.3.3 hx, λxi = hx, Axi = hAx, xi 11.3.1 11.1.1(2) = hλx, xi = λ∗ hx, xi und daher λ = λ∗ nach 11.1.1(6). Satz 11.3.9. 1 Sei V ein endlichdimensionaler Vektorraum mit Skalarprodukt und f ein selbstadjungierter Endomorphismus von V . Dann gibt es eine ONB von V , die aus Eigenvektoren von f zu reellen Eigenwerten besteht. Insbesondere ist f diagonalisierbar [→10.3.3(b)]. 1 Im Beweis dieses Satzes benutzen wir den Fundamentalsatz der Algebra 4.2.12 [→4.2.13(g)]. 2 Beweis. Induktion nach n := dim V . n = 0 nichts zu zeigen n − 1 → n (n ∈ N) Wir zeigen zunächst mit Hilfe von 10.1.7, dass f einen reellen Eigenwert λ besitzt: Wählt man nämlich eine ONB w von V [→11.2.15] und setzt A := M (f, w), so ist A nach 11.3.4 selbstadjungiert und daher jedes λ ∈ C mit χA (λ) = 0 nach Lemma 11.3.8 sogar aus R. Nun gilt aber χf = χA [→10.1.5, 10.1.9(e)] und es gibt 10.1.6 ein solches λ wegen deg χf = n ≥ 1 nach dem Fundamentalsatz der Algebra 4.2.12. Wir wählen nun einen Eigenvektor u ∈ V zu diesem Eigenwert λ ∈ R. Setze U := span(u). Da f selbstadjungiert ist, gilt f (U ⊥ ) ⊆ U ⊥ , denn ist v ∈ U ⊥ , so gilt hf (v), ui = hv, f (u)i = λhv, ui = 0. Nun ist f |U ⊥ : U ⊥ → U ⊥ , v 7→ f (v) ein selbstadjungierter Endomorphismus des Vektorraums mit Skalarprodukt U ⊥ . Es gilt 1 + dim(U ⊥ ) = 11.2.17 dim(U ) + dim(U ⊥ ) = dim(V ) = n, also dim(U ⊥ ) = n − 1. Nach Induktionsvoraussetzung gibt es eine ONB (v2 , . . . , vn ) von U ⊥ , die aus Eigenvektoren von f zu reellen u Eigenwerten besteht. Setzt man v1 := kuk , so erhält man eine ONB (v1 , . . . , vn ) von V , die aus Eigenvektoren von f zu reellen Eigenwerten besteht. Korollar 11.3.10. 2 Sei A ∈ Kn×n selbstadjungiert. Dann gibt es eine reelle Diagonalmatrix D ∈ Rn×n und eine orthogonale Matrix P ∈ Kn×n mit A = P ∗ DP . Insbesondere ist A diagonalisierbar. Beweis. Wähle mit Satz 11.3.9 eine ONB v von Kn , die aus Eigenvektoren von A zu reellen Eigenwerten besteht. Nach Satz 11.2.26 ist P := M (e, v) [→7.1.10] dann orthogonal und daher 11.2.27(f ) −1 7.2.11 P∗ = P = M (v, e). Also A 7.1.4(e) = 7.2.5 M (fA , e) = M (v, e)M (fA , v)M (e, v) = P ∗ DP, wobei D := M (fA , v) eine reelle Diagonalmatrix ist. 2 Im Beweis dieses Korollars benutzen wir den Fundamentalsatz der Algebra 4.2.12 [→4.2.13(g)]. 3