Gefahr aus dem All

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Ralf Blasius · Nadja Podbregar
Armageddon
Ralf Blasius · Nadja Podbregar
Unter Mitwirkung von
Harald Frater und Stefan Schneider
Armageddon
Der Einschlag
Autoren:
Ralf Blasius
Kaiser Friedrich Ring 55
65185 Wiesbaden
Nadja Podbregar
Hoffeldstraße 60
40235 Düsseldorf
Mitwirkende:
Harald Frater
Stefan Schneider
ISBN 978-3-540-37656-9 Springer Berlin Heidelberg New York
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Herstellung: Christine Adolph
Gedruckt auf säurefreiem Papier 30/2133 CA 5 4 3 2 1 0
Inhalt
Einleitung
3
Gefahr aus dem All
7
Die Abwehr
39
Vor dem Impakt
61
Auf der Suche nach dem Dinokiller
87
Der Einschlag
103
Wasser und Feuer
125
Die Dunkelheit
151
Die Kälte
169
Herrschaft der Pilze
189
Die Pflanzen
201
Die Tiere
221
Der Mensch
239
Das Making Of
259
Index
266
Einleitung
Wir wissen nicht, wann oder wo der Meteorit
einschlägt. Alles was wir wissen ist, dass es
passieren wird – vielleicht in einer Million
Jahren, vielleicht schon morgen. Kann es das
Ende der Menschheit bedeuten?
2
Einleitung
Ein gigantischer Komet aus den Tiefen des Alls ist auf Kollisionskurs
mit der Erde. Er wird zu einem denkbar späten Zeitpunkt entdeckt. Nur
wenig Zeit verbleibt der Menschheit, um Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Unter dem enormen Zeitdruck ist die Abwehr zum Scheitern verurteilt,
die benötigte Technik ist noch nicht ausgereift. Es kommt, was kommen
muss: Die Katastrophe nimmt ihren Lauf. Mit der Kraft von 100 Millionen
Megatonnen TNT schlägt das Himmelsgeschoss auf der Erde ein. Ganze
Kontinente werden verwüstet, weltweite Feuersbrünste entfacht. Monatelang wird die Erde in eine dunkle Wolke aus Schutt und Asche gehüllt,
eine globale Eiszeit folgt. Zahlreiche Tier und Pflanzenarten sterben für
immer aus und auch die Menschheit kämpft ums Überleben.
Es handelt sich hier nicht um die Geschichte aus einem Hollywoodfilm, sondern um ein Szenario, dessen Wahrscheinlichkeit ernsthaft
diskutiert wird. Dass die Möglichkeit besteht, zeigt uns die Vergangenheit. Der große Komet von 1997 – Hale-Bopp – wurde nur 18 Monate vor
seinem erdnächsten Punkt entdeckt. In der unglaublichen Größe des Alls
sind solche Objekte nur schwer ausfindig zu machen, auch wenn es sich
wie bei Hale-Bopp um einen sehr hellen und großen Kometen handelt.
Eine Entdeckung eineinhalb Jahre vor einem möglichen Einschlag würde
jedoch selbst für eine gut vorbereitete Abwehrmission nicht annähernd
genug Zeit lassen.
Noch entscheidender ist jedoch, dass Einschläge in der Erdgeschichte
tatsächlich immer wieder stattgefunden haben. Der letzte wirklich große
und gleichzeitig relativ berühmte Asteroideneinschlag fand vor 65 Millionen Jahren statt, am Ende der Kreidezeit. Dass dieses Ereignis mit dem
Ende eines Erdzeitalters zusammenfällt ist kein Zufall. Wahrscheinlich
ist der Brocken aus dem All der ausschlaggebende Faktor, der eine Ära
zu Ende gehen ließ. Viele Tierarten, darunter die prominenten Saurier
starben zu dieser Zeit aus.
Über den mutmaßlichen „Dinokiller“ wurde unter Wissenschaftlern
ausgiebig diskutiert. Noch heute streiten sich die Experten, ob tatsächlich ein Einschlagsereignis die Ursache eines Massensterbens sein
kann. Im Zuge dieser Diskussion wurden viele wissenschaftliche Fakten
mit unglaublich interessanten Details zusammengetragen. Fügt man sie
zusammen, so ergibt sich ein Mosaik, ein spannendes und faszinierendes Bild eines kleinen Ausschnittes unserer Erdgeschichte. Wenn man
nun mit einbezieht, dass im Wiederholungsfalle wir und nicht die legen-
Schon ein Objekt mit
einem Durchmesser von
ein- oder zweihundert
Metern könnte eine
Großstadt zerstören
oder sogar ein kleines
Land. Alan Harris
3
Einleitung
dären Urzeitmonster die Opfer wären, so stößt man auf das Szenario,
das die Grundlage des vorliegenden Buches und des gleichnamigen ZDF
Doku-Dramas ist.
Urzeitliche Katastrophe – versetzt in die Gegenwart
Damals, vor 65 Millionen Jahren,
starben die Dinosaurier aus – würde die
heutige Menschheit eine ähnliche Katastrophe überleben?
4
Warum haben wir dabei nicht einfach die Dinosaurierkatastrophe nacherzählt? Nun, die Katastrophe der Vergangenheit ist wissenschaftlich
äußerst interessant, aber sie betrifft Tiere, die lange ausgestorben
sind. Um die Relevanz dieses Themas gerade in der heutigen Zeit, in der
fast sieben Milliarden Menschen den Planeten bevölkern, vor Augen zu
führen, haben wir uns einen kleinen Trick erlaubt: Wir erzählen die Katastrophe der Vergangenheit so detailgetreu wie möglich nach, aber wir
versetzen sie in die heutige Zeit, lassen sie unter heutigen Bedingungen
stattfinden. Damit wollen wir etwas Entscheidendes erreichen. Es handelt sich nicht um eine Geschichte über längst ausgestorbene Tiere, die
heute wie Fabelwesen wirken. Die Katastrophe ist stattdessen greifbar
und real, kein abstraktes Ereignis in einer weit zurückliegenden, fantastisch anmutenden Vergangenheit, sondern etwas, das uns direkt betrifft
und deshalb auch viel klarer nachzuvollziehen ist.
Das Thema regte schon oft die Fantasie von Geschichtenerzählern an.
Wenn man Begriffe wie Einschlag, Asteroid oder Komet in die InternetSuchmaschinen eingibt, so hat man normalerweise eine Trefferquote
im Millionenbereich. Es gibt jede Menge Fans von apokalyptischen
Szenarien, die sich mehr oder weniger wissenschaftlich mit der Frage
auseinandersetzen. So herrscht oft eine verwirrende Vielfalt von Darstellungen, die Spanne ist breit, man findet unterschiedlichste Thesen
zu Herkunft, Wahrscheinlichkeit und den Folgen eines Einschlags.
Dies liegt auch an dem sehr großen Interpretationsspielraum, den
uns die Hinweise aus der Vergangenheit lassen. Geologen lesen das,
was wir heute wissen, aus den Schichten des Untergrunds in aller Welt.
Oft sind nur ungefähre Zeitangaben möglich und je weiter man in der
Zeit zurückgeht, desto gröber wird die Darstellung. Andererseits ist es
schon eine ganze Menge, was wir gerade über diese Katastrophe von
vor 65 Millionen Jahren wissen: dass ein Einschlag stattgefunden hat,
der Erdbeben, Tsunami, Feuerstürme und letztendlich auch langwierige
Klimaveränderungen auslöste. Die detailreiche Faktensammlung schreit
geradezu nach einem sinnvollen Aufbereiten, einem Zusammentragen
und Einordnen. Und zwar nicht in der fantastischen Art eines Hollywoodfilmes. Sondern mit der größtmöglichen Genauigkeit. Um dem Thema
und seinem stofflichen Anspruch gerecht zu werden. Wenn man sich
nach dem Sehen des Films und der Lektüre dieses Buches der Antwort
auf die Frage „Kann ein Impakt zahlreiche Tier- und Pflanzenarten auf der
Erde ausgelöscht haben?“ ein Stück weit genähert hat, dann haben wir
einen guten Teil unserer Mission erfüllt.
Wenn wir nebenbei noch ein wenig Bewusstsein für mögliche Gefahren, die uns von jenseits unseres gewohnten Horizonts drohen, schaffen, dann ist das ein weiterer Schritt.
Schließlich ist der Himmel über uns noch immer nicht vollständig und
systematisch untersucht. Es fehlt noch immer in großem Maße an einer
systematischen Aufarbeitung und Einschätzung der Impaktrisiken und
damit zusammenhängend an einer Strategie für den Fall der Fälle. Letztendlich hat ein Einschlag von der Größe des Dinokillers eine sehr geringe
Wahrscheinlichkeit. Ein Einschlag eines Brockens von wenigen 100
Metern Durchmesser ist da – auch in den nächsten 100 Jahren– schon
wahrscheinlicher. Und beretis dieser könnte bei der heute herrschenden
Bevölkerungsdichte eine große Katastrophe nach sich ziehen.
Wir haben bewusst für einen Teil des FIlms und des Buchs die Form
der Erzählung gewählt, ohne dabei zu reißerisch werden zu wollen. Ein
gewisses Maß an Spekulation und erzählerische Freiheit haben wir dabei
uns erlaubt. Alles andere sind wissenschaftliche Fakten oder zumindest
Theorien, die von den weltweit führenden Wissenschaftlern auf diesem
Gebiet aufgestellt worden sind.
Besonders hilfreich war dabei eine exklusiv für „Armageddon – Der
Einschlag“ ins Leben gerufene Wissenschaftskonferenz mit zehn weltweit führenden Spezialisten auf dem Gebiet der Astronomie, der Klimaund der Katastrophenforschung. Dieses Treffen, das es uns ermöglichte,
die Konfrontation verschiedener wissenschaftlicher Ansätze mitzuerleben, hat sehr viel zu der Stichhaltigkeit und zur Brisanz des vorliegenden
Buches beigetragen.
So haben wir einerseits versucht mit unseren fiktionalen Handlungsteilen möglichst eng an der wissenschaftlichen Faktenlage zu bleiben
und zum anderen den wissenschaftlichen Teil leicht verständlich und
spannend aufzubereiten. Die kurzen Erzählteile am Anfang der einzelnen Kapitel sind bewusst so gewählt, dass sie ergänzend zu den wissenschaftlichen Fakten eine gewisse Betroffenheit schaffen und die Perspektive öffnen. Es geht um ein Ereignis, dass Jahrmillionen vor unserer
Zeit stattfand. Es geht aber auch darum, dass es tatsächlich auf unserem
Planeten stattgefunden hat. Da wo wir heute leben waren vor 65 Millionen die Dinosaurier. Heute gibt es sie nicht mehr. Bleibt zu hoffen, dass
uns ein ähnliches Schicksal vorerst erspart bleibt.
Zehn hochrangige Wissenschaftler
verschiedenster Fachdisziplinen
diskuierten auf der anlässlich des Films
initiierten Konferenz miteinander.
© Nadja Podbregar
5
Gefahr aus dem All
Kaum jemand würde ein Flugzeug
besteigen, wenn ihm klar wäre, das alle paar
tausend Flüge ein Absturz passiert. Dennoch
unternehmen wir nichts, um das gleich große
Risiko eines Meteoriteneinschlags zu
verringern. Clark Chapman
6
Nur 21 Monate
vor einer möglichen Kollision
mit der Erde wird
der 12 Kilometer
große Komet
entdeckt.
Gefahr aus dem All
Mauna Kea, Hawaii 06.11.2008
Noah Boyle wirft einen nervösen Blick Richtung
Himmel. Eigentlich ist ihm klar, dass es dort nichts
Besonderes zu sehen gibt. Aber seit er weiß, dass der
Komet auf die Erde zusteuert, ist es ihm eine seltsame
Gewohnheit geworden. Immer dann, wenn ihm einfällt,
dass der Brocken irgendwo da oben sein muss.
Auch in der Nacht ist dieser eher unscheinbar, für das
bloße Auge nur mit Mühe zu erkennen. Dabei ist er
nur noch etwa 100 Millionen Kilometer von der Erde
entfernt, ungefähr auf der Höhe des Mars. In den
unendlichen Dimensionen des Weltalls sozusagen
direkt nebenan. Hale-Bopp hatte 1996 bei einer ähnlichen Entfernung ein beeindruckendes Schauspiel am
Nachthimmel geliefert. Er schien damals heller als
jeder Stern und sein Schweif erstreckte sich weit über
das Firmament. Aber Hale-Bopp war auch mehr als
viermal so groß wie der Killerkomet. Der hatte sich nur
ganz unauffällig genähert.
Noah geht zurück zum Wagen. Er hat nur wenig Zeit,
um ein paar dringende Reparaturen an einer der weit
draußen liegenden Messstationen vorzunehmen. Auf
dem trockenen, vulkanischen Untergrund des Mauna
Auf unserer Erde leben fast 7 Milliarden Menschen. Ein
Komet so groß wie der Dinosaurierkiller bedroht jeden
einzelnen.
7
Gefahr aus dem All
Der junge amerikanische Astronom Noah Boyle vom
Observatorium in Hawaii war einer der ersten, die den
Kometen nach seiner Entdeckung genau unter die Lupe
nahmen.
8
Kea drehen die Reifen beim Start leicht durch. Und
Noah ist unter Hochspannung. Der Wagen steht in
einer dichten Staubwolke, bevor er dem Gipfel des
Berges entgegen rast.
Die mondähnliche Felslandschaft des hawaiianischen Vulkangebirges fliegt an ihm vorbei. Noahs Ziel,
das NASA-Observatorium, liegt auf fast 4.100 Metern
Höhe. Aber die „Mauna Kea Observatory Access Road“
zieht sich in endlosen Schleifen bergauf. Der Motor des
Wagens keucht, er hat seine Leistungsgrenze erreicht.
Tausend Gedanken rasen Noah gleichzeitig durch
den Kopf. Ein Komet auf Kollisionskurs mit der Erde,
niemals hätte er damit gerechnet. Was der Menschheit
bevorsteht, ist nichts weniger als die schlimmste Katastrophe ihrer Geschichte. Kein Astronom vor ihm hatte
jemals die Gelegenheit, so ein unglaubliches Ereignis
hautnah mitverfolgen zu können. Seine Stimmung
schwankt zwischen panischer Angst und der neugierigen Erwartung eines Wissenschaftlers.
Aber noch ist es nicht soweit. Noch besteht die
geringe Chance, dass die Katastrophe abgewendet
werden kann. Überstürzt haben die internationalen
Raumfahrtagenturen in einer beispiellosen Gemeinschaftsaktion ein Abwehrprojekt auf die Beine gestellt.
Zugegeben – die Chancen auf Erfolg sind minimal.
Aber so konnte man den Menschen ein Ziel geben. Das
war wichtig.
Heute ist nun der entscheidende Tag. Die Raumsonde hat den Kometen erreicht. Sie soll mit dem
Brocken kollidieren und dabei eine atomare Sprengladung zünden. Auf eine vollständige Zerstörung
des zwölf Kilometer großen Riesen wagt niemand zu
hoffen. Aber vielleicht kann er durch die Explosion
um wenige Grad abgelenkt werden. Wenige entscheidende Grad in seinem Kurs, die ihn in letzter Sekunde
doch noch an der Erde vorbei ziehen lassen. Noah
weiß, dass die Mission zu diesem späten Zeitpunkt
eigentlich zum Scheitern verurteilt ist. Und doch hofft
er, so wie alle anderen.
„Noah, es geht los!“ Aus dem gleichförmigen
Rauschen des Walkie-Talkies tönt die vertraute Stimme
von Shiang, Noahs engster Mitarbeiterin. Er wirft einen
Blick auf seine Armbanduhr.
„Ja. in zehn Minuten. Keine Sorge, bin gleich da.“
Aus den Unterlagen auf dem Beifahrersitz greift
er einige Computerausdrucke mit Zahlenkolonnen
heraus, klammert sie auf dem Lenkrad fest und liest
sie während der Fahrt.
Nur etwas mehr als 600 Tage ist es her, dass ein
Amateurastronom mit einem relativ kleinen Teleskop
den Kometen entdeckt hat. Eigentlich schon fast ein
Wunder. Damals war er noch fast zwei Milliarden Kilometer von der Erde entfernt, seine Helligkeit äußerst
schwach.
Und dabei nähert sich der seltsame Brocken,
bereits seit langem der Erde – unaufhaltsam. Das
Risiko eines solchen Ereignisses wurde unter Fachleuten immer als gering eingeschätzt. So war die Überwachung des Himmels von je her ziemlich lückenhaft
und nicht besonders gut organisiert.
„Es musste ja so kommen“, Noah schüttelt in
Gedanken den Kopf. Astronomen wie er, die sich mit
einem möglichen kosmischen Unfall beschäftigen,
galten immer als Außenseiter. Keiner nahm sie wirklich ernst, schon gar nicht die Politiker. Für die war
die nächste Wahl immer wichtiger als ein Brocken aus
dem All, der vielleicht in hundert oder auch in tausend
Jahren einmal auf die Erde fallen könnte. Und dann
kam der Komet tatsächlich aus einer Richtung mit der
niemand gerechnet hatte.
Die Straße ist zu Ende. Noah hat die Kuppeln der
Sternwarte erreicht und keine Zeit zu verlieren. Er
springt aus dem Wagen und hastet die Treppen zum
Eingang hinauf. Als er die dunklen Räume betritt, ist
er zunächst fast blind. Auf einem Monitor schwebt
das thermographische Bild des Kometen vorbei. Ein
paar Frauen und Männer starren angespannt auf eine
improvisierte Wand aus Fernsehern, die auf einem
Tisch übereinander gestapelt sind. Bilder aus allen
Regionen der Welt flimmern über die Schirme. Zurzeit
zeigen sie fast alle die gleichen Szenen: Computeranimationen von einer Sonde, die durchs All fliegt,
Auf dem legendären Mauna Kea, dem höchsten Berg von
Hawaii, steht das größte Observatorium der Welt. Die
Wissenschaftler hier sind zwar nicht mit der Abwehrmission betraut, sie können aber Daten sammeln und nützliche Hinweise liefern. Astronom Noah Boyle muss sich
beeilen, um rechtzeitig zur Abwehrmission im Observatorium zu sein.
9
Gefahr aus dem All
„Normalerweise setze ich lieber auf die Wissenschaft als
auf Gott. Aber in diesem Fall sollten wir beten, dass es
klappt!“ Shiang, Noahs engste Mitarbeiterin, zweifelt am
Gelingen der notdürftig organisierten Abwehrmission.
10
und nervöse Menschen im Kontrollzentrum der ESA in
Darmstadt.
Aus dem allgemeinen Lärm dringt die bekannte
Stimme eines Nachrichtenmoderators an Noahs Ohr:
„.... Vor sechs Monaten ist die Sonde gestartet, die
unseren Planeten retten soll. Zwölf Monate nach der
Entdeckung des Kometen.“
Vor einem der Computermonitore sitzt Shiang. Die
Anspannung steht ihr ins Gesicht geschrieben. Als
Noah erscheint, lächelt sie gedankenverloren. Schnell
räumt sie ihre Tasche und das Walkie-Talkie von dem
Stuhl neben sich.
„Danke Shiang.“ Noah erwidert das Lächeln, setzt
sich und kontrolliert die Einstellung einiger Geräte.
Mit leiser, konzentrierter Stimme flüstert Shiang:
„Ich hab die Daten noch mal genau überprüft...“
Beide schauen auf. Die Stimme des Nachrichtensprechers ist wieder lauter geworden:
„“... den Klumpen aus Eis und Geröll zu zerstören.
Der Sprengkörper an Bord der Ariane hat die 800fache Kraft einer Hiroshima-Bombe. Das Projekt, das
unter enormem Druck auf die Beine gestellt wurde, ist
das Resultat einer gemeinsamen Kraftanstrengung der
weltweit besten Wissenschaftler...“
Shiang nickt: „Und trotzdem reicht es nicht.“ Sie
wendet sich zu Noah. „Gut ein Zehntel des Kometen
müssten sie absprengen, um ihn von seinem Weg
abzubringen. Normalerweise setze ich eher auf
wissenschaftliche Fakten als auf Gott. Aber in diesem
Fall sollten wir beten, dass es klappt...“
Der Halleysche Komet ist wegen seiner regelmäßigen Wiederkehr und seines ausgeprägten Schweifs der bekannteste unter den
periodischen Kometen. © NASA
Gefahr aus dem All
Was sagt die Wissenschaft?
„Die Wahrscheinlichkeit durch einen Asteroideneinschlag zu sterben,
ist erheblich höher als die, im Lotto zu gewinnen“. Diese Einschätzung
stammt nicht aus einem HoIlywood-Spielfilm, sondern von dem Astronomen Clark Chapman vom amerikanischen Southwest Research Institute.
Er wurde 1994 von der NASA und dem amerikanischen Repräsentantenhaus gebeten, ihnen die potenzielle Bedrohung durch Meteoriten zu
erläutern. Seine Argumente waren damals immerhin so überzeugend,
dass die NASA wenig später Gelder für das Such- und Überwachungsprogramm „Spaceguard“ bewilligte.
Die Angst vor Meteoriteneinschlägen ist jedoch keine Erfindung der
Neuzeit. Eine diffuse Befürchtung, dass ihnen der „Himmel auf den
Kopf“ oder „Feuer vom Himmel“ fallen könnte, hatten wahrscheinlich
schon unsere frühen Vorfahren. Doch den Zusammenhang zwischen
dem Einschlag eines Himmelskörpers und einer regionalen oder globalen Katastrophe erkannten erst die Gelehrten des 17. Jahrhunderts. Der
Astronom und Kometenforscher Edmond Halley soll in einer Rede vor der
In der Vergangenheit galten Kometen
oft als Warnzeichen und Unglücksboten.
© Historische Zeichnung
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Gefahr aus dem All
Der Asteroid Ida mit seinem Trabanten
Dactyl kreist im Asteroidengürtel
zwischen zwischen Mars und Jupiter.
© NASA/JPL-Caltech
Die Wahrscheinlich-
keit, durch einen
Asteroideneinschlag zu
sterben, ist erheblich
höher als die, im Lotto
zu gewinnen. Clark Chapman
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Royal Society in London als erster darüber spekuliert haben, ob nicht
das Kaspische Meer auf einen Einschlagskrater zurückgehen könnte.
Die ersten handfesten Belege für die möglichen Folgen von Meteoriteneinschlägen, aber auch für die Existenz von potenziell gefährlichen
Himmelskörpern, sollte allerdings noch hunderte von Jahren auf sich
warten lassen: Erst in den 40er-Jahren des letzten Jahrhunderts wurden
die ersten Erdbahn kreuzenden Asteroiden entdeckt und noch später,
Anfang der 1980er, brachten Wissenschaftler einen neu entdeckten
Krater auf der Halbinsel Yucatan und den Einschlag, der ihn verursacht
hatte, erstmals mit dem Untergang der Dinosaurier in Verbindung.
Etwa um diese Zeit begann auch Hollywood, das Thema für sich zu
entdecken. Noch bevor nennenswerte Gelder für eine wissenschaftliche
Erforschung des Impaktrisikos flossen, hatten die Drehbuchschreiber
der Filmindustrie bereits allerlei dramatische Szenarien parat – heldenhafte Abwehr- und Überlebensstrategien inklusive. Die bekanntesten
und erfolgreichsten Beispiele dafür sind die Spielfilme „Deep Impact“
und „Armageddon“. Ganz aus der Luft gegriffen sind solche Szenarien
allerdings nicht: Immerhin gibt es gleich mehrere Himmelskörper, bei
denen zurzeit zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass
sie in nicht allzu ferner Zukunft die Erde treffen könnten. Einer davon,
der Asteroid Apophis, erklomm vor zwei Jahren auf der offiziellen Risikoskala einen noch nie dagewesenen Wert. Inzwischen ist seine für das
Jahr 2036 kalkulierte Einschlagswahrscheinlichkeit zwar deutlich geringer, aber nicht gleich Null…
Doch wie groß ist das Risiko eines Meteoriteneinschlags wirklich? Um
diese Frage zu beantworten, müssen wir zunächst ein wenig zurück in
die Vergangenheit gehen.
Erbe des Sonnensystems
„Die Erde gleicht einer kosmischen Schießbude: Katastrophen, die von
Einschlägen ausgelöst wurden, sind über Jahrmilliarden hinweg Teil
unserer Naturgeschichte“, so fassen Wissenschaftler die Bedrohung
der Erde durch „himmlische Geschosse“ zusammen. Krater wie der
Chicxulub auf der Halbinsel Yucatan oder große Massenaussterben in
der Erdgeschichte wie das Ende der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren
belegen, dass die Erde vor Einschlägen auch großer Himmelskörper keineswegs gefeit ist.
Ganz im Gegenteil. Die Geschichte unseres Planeten und des gesamten
Sonnensystems ist von Beginn an geprägt durch ein Bombardement aus
dem Weltall: Schon in der wirbelnden Staubscheibe,
aus der sich nach und nach die Planeten bildeten,
kam es ständig zu Zusammenstößen: Gesteinsbrocken unterschiedlicher Größe krachten ineinander
und zerbrachen, andere stürzten auf die jungen Planeten herab und ließen diese weiter anwachsen. Die
kosmischen Kollisionen waren damit gewissermaßen
der Motor für die Planetenentstehung.
Nachdem die Staubscheibe sich langsam auflöste
und die Planetenbildung abgeschlossen war, ließ die
Häufigkeit der Einschläge zwar nach, hörte aber nicht
auf. Denn aus der Anfangszeit des Sonnensystems
blieben zahlreiche Gesteinsbrocken übrig, die bis
heute auf mehr oder weniger chaotischen Bahnen
zwischen den Planeten kreisen. Eine leichte Ablenkung reicht aus, um sie auf Kollisionskurs mit einem
anderen Himmelskörper zu bringen. Die kraterübersäte Oberfläche des Mondes zeugt von der Menge
solcher Treffer. Da unser atmosphäreloser Trabant
solchen Einschlägen schutzlos ausgeliefert ist, hinterlassen selbst kleinere Brocken sichtbare Krater.
Vermessungen und Altersbestimmungen dieser
Mondkrater zeigen, dass die Meteoritenhäufigkeit in
unserem Teil des Sonnensystems in den letzten Milliarden Jahren relativ stabil geblieben ist.
Auf der Erde hat man bisher nur rund 170 Krater
– nach einigen Quellen möglicherweise auch etwa
doppelt so viele – eindeutig als durch kosmische
Einschläge verursacht identifiziert. Ihre Größe
reicht von wenigen Metern bis zu mehreren hundert
Kilometern Durchmesser. In den meisten Fällen
allerdings sind sie durch Erosion so abgetragen und
verändert, dass es sogar schwierig ist, ihr Alter genau
zu ermitteln. Dennoch zeigen auch sie, dass die
Geschichte des „himmlischen Bombardements“ noch
lange nicht abgeschlossen ist. Zu diesem Schluss
kommt auch die Europäische Weltraumagentur
ESA. In einem 2004 veröffentlichten Bericht zur
Aus kosmische Geröllmassen bildete sich
unser heutiges Sonnensystem. © MMCD
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Gefahr aus dem All
Die Krateroberfläche des Mondes zeugt von Zusammenstößen mit kosmischen Brocken. © NASA
Die meisten Himmelskörper verglühen
in der Atmsophäre oder verfehlen die
Erde. © SXC
Abschätzung des Risikos und der möglichen Abwehrmaßnahmen gegen
erdnahe Asteroiden („NEOMAP“) erklären die mit der Untersuchung
beauftragten Forscher: „Das Problem, das wir heute haben, entsteht,
weil dieser natürliche Prozess nicht aufgehört hat. Angesichts unserer
dicht besiedelten Welt und hochgradig vernetzten Gesellschaft
würde der Einschlag eines Asteroiden oder Kometen auf der Erde eine
Katastrophe auslösen, die für die Zivilisation weitaus schädlicher wäre,
als jede andere in der Geschichte der Menschheit.“
Fest steht damit: Das grundsätzliche Risiko eines Impakts ist keine Science-Fiction, sondern Realität. Aber bedeutet das auch, dass deswegen
morgen ein „Dinokiller“ einschlagen könnte?
Von Weltraumstaub bis Riesenbrocken
Doch längst nicht jeder auf die Erde treffende Himmelskörper löst gleich
eine regionale oder gar globale Katastrophe aus. Die allermeisten von
ihnen sind sogar absolut harmlos, denn sie sind winzig klein – noch
nicht einmal sandkorngroß. Obwohl ein Großteil von ihnen schon von der
Atmosphäre abgefangen wird, rieselt dieser „Weltraumstaub“ dennoch
ständig auf die Erde hernieder. Hunderte von winzigen Einschlagspuren
auf Sonnensegeln von Satelliten zeugen von der Häufigkeit dieser Mikro-
14
meteoriten. Wissenschaftler der Universität von Washington errechneten, dass die Erde allein durch Materieteilchen von weniger als einem
Millimeter Größe pro Jahr um rund 40.000 Tonnen an Masse zunimmt.
Von Meteoriten von wenigen Millimetern bis einigen Zentimetern
Größe wird die Erde jedes Jahr immerhin noch etwa 19.000-mal getroffen. Beobachtungen der Meteoritenbeobachtungsstation im kanair können das Risiko für solche Einschläge auf
dischen Alberta gehen sogar von
rund eins zu einer Million pro Jahr berechnen.
26.000
Meteoriteneinschlägen
Das entspricht dem Risiko eines Flugzeugabsturzes
dieser Größenordnung aus. Die
dichte Atmosphäre der Erde verbei einem längeren Linienflug. David Morrison
hindert, dass diese Kleinstmeteoriten den Erdboden erreichen – sie verglühen restlos in der Atmosphäre.
Wie häufig die irdische Schutzhülle getroffen wird, zeigen die Leuchtspuren der Sternschnuppen am Sommerhimmel oder der glühende Regen
eines Meteoritenschauers.
Die schützende Wirkung der irdischen Lufthülle reicht immerhin
aus, um Objekte von bis zu zehn Metern Größe bereits in den oberen
Luftschichten zerplatzen zu lassen. Deren Fragmente allerdings erreichen häufig trotzdem den Erdboden und können dann beträchtlichen
Schaden anrichten. 1947 zerplatzte ein Eisenmeteorit von wenigen
Metern Größe über den Sikhote-Alin Bergen im Osten Sibiriens und verursachte einen Schauer von geschätzten 100 Tonnen von Fragmenten.
Diese verteilten sich über eine Einschlagshäufigkeit und die Folgen © MMCD
Fläche von eineinhalb Quadratkilometern und hinterließen rund
zweihundert Krater. Ein Meteorit
dieser Größenordnung trifft nach
Schätzungen von Experten nur
rund einmal alle zehn Jahre die
Erde, in den meisten Fällen gehen
solche Objekte aber weitgehend
folgenlos über den Ozeanen oder
unbewohntem Gebiet nieder.
Immerhin noch alle paar hundert Jahre müssen wir mit einem
Treffer durch einen Meteoriten von
30 bis 100 Metern Größe rechnen.
Ein Einschlag eines solchen Brockens würde eine gewaltige, rund
zwei Megatonnen TNT entspre-
W
15
Gefahr aus dem All
chende Explosion in der oberen Atmosphäre erzeugen, die Zerstörungen
am Boden im Umkreis von mehr als zehn Kilometern nach sich ziehen
könnte. 1908 explodierte ein wahrscheinlich rund 80 Meter großer Asteroid in der Atmosphäre über dem Fluss Tunguska in Zentralsibirien. Die
Schockwellen der Explosion verwüsteten am Boden eine Fläche von gut
2.000 Quadratmetern. Bäume knickten um wie Streichhölzer, Häuserwände wurde eingedrückt. Ein heller Feuerschein soll sogar noch in 500
Kilometern Entfernung sichtbar gewesen sein. Die Wahrscheinlichkeit,
dass ein solcher Impakt noch in diesem Jahrhundert irgendwo auf der
Erde stattfindet, liegt nach Berechnungen des Meteoritenexperten David
Morrison vom Ames Forschungszentrum der NASA bei immerhin rund 40
Asteroid Eros war der erste bekannte
Prozent. Allerdings gilt diese Kalkulation für die gesamte Erdoberfläche,
erdnahe Asteroid. Er ist 33 Kilometer
die
Wahrscheinlichkeit, dass es dabei ausgerechnet dicht besiedelte
lang und ungefähr 13 Kilometer dick.
© NASA
Gebiete oder Städte trifft, ist daher entsprechend geringer.
Noch seltener sind Einschläge von Meteoriten in der Größenordnung
von mehreren hundert bis 1.000 Metern. Hier rechnen die Experten mit
einer Wahrscheinlichkeit von zwischen einem und 0,02 Prozent, dass
es noch in diesem Jahrhundert einen Einschlag
enn die Folgen groß sind, müssen wir
geben wird. Wenn es allerdings tatsächlich krachen sollte, dann richtig: Die Explosion schon
uns auch mit den geringen Wahrscheineines 200 Meter-Boliden würde mehr Energie
lichkeiten auseinander setzen. Clark Chapman
freisetzen als die stärkste existierende thermonukleare Waffe. Ein einen Kilometer großes Objekt könnte genug Zerstörung anrichten, um ein kleineres Land komplett auszulöschen.
Eine Katastrophe globalen Ausmaßes – wie sie in „Armageddon
– Der Einschlag“ dargestellt wird, droht nach Ansicht der Astronomen
bei allen Treffern ab einer Größe von einem Kilometer. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Einschlags ist jedoch in absehbarer Zukunft eher
Der Einschlag eines Zehn-Kilometer
gering: Für ein Objekt eines Durchmessers von drei Kilometer kalkulieren
Asteroiden, wie vor 65 Millionen Jahren,
die Experten nur eine Chance von weniger als 1:50.000, dass sich ein
ist extrem selten. © NASA
solcher Einschlag in diesem Jahrhundert ereignen könnte. Andererseits
handelt es sich dabei, wie Asteroidenforscher David Morrison vom Ames
Forschungszentrum der NASA anmerkt, „um ein extremes Beispiel eines
Risikos mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit, aber dafür potenziell katastrophalen Folgen.“
Aber was heißt das konkret? Was bedeuten diese Wahrscheinlichkeiten für das reale Risiko? Könnte theoretisch trotzdem morgen ein großer Meteorit einschlagen? Um das zu beantworten, muss erstmal eine
weitere Frage geklärt werden: Woher kommen die kosmischen Boliden?
Denn ihre Herkunft und Beschaffenheit entscheidet darüber, ob und
wann ein solches Objekt auf Erdkurs entdeckt werden kann.
W
16
Gefahrenobjekt
Erdbahnkreuzer
Potenziell gefährlich sind alle
Objekte, deren Flugbahn sie
in Erdnähe bringt oder die die
Umlaufbahn der Erde kreuzen.
Diese so genannten Erdbahnkreuzer oder erdnahen Objekte (Near
Earth Objects, NEOs) sind im Prinzip Überreste aus der Frühzeit des
Sonnensystems, unterschiedlich
große Himmelskörper, die bei der
Planetenbildung übrig geblieben
sind und durch spätere Kollisionen weiter zerkleinert oder verändert worden sind. Grundsätzlich
gehören alle Objekte, die die Erde Der Kern eines Kometen besteht meist aus einem Gemisch von Eis und Gestein.
© NASA/JPL-Caltech
treffen könnten, zu einer von zwei
Sorten: Sie sind entweder Asteroiden oder Kometen. Erst wenn sie eingeschlagen sind, werden sie als Meteoriten bezeichnet.
Die Asteroiden haben ihren Ursprung im inneren Sonnensystem
– dort, wo die Hitze der Sonne jede Eisbildung verhinderte und so nur
feste, steinige Körper entstehen konnten. Die Kometen dagegen sind
Reste von Materiehaufen, die sich im äußeren Sonnensystem, jenseits
der Umlaufbahn des Jupiter bildeten. Hier sorgte die große Entfernung
zur Sonne dafür, dass Flüssigkeiten wie Wasser und selbst Gase wie
Methan oder Kohlendioxid zu Eis wurden. Kometen gleichen daher eher
gefrorenen Schneebällen: viel Eis, durchmischt mit Staub und unter- Die Oortsche Wolke umgibt das Sonnensystem wie eine Kometengefüllte Kugel.
schiedlich großen Gesteinsbrocken.
© NASA
Entscheidend für die Einschätzung des Risikos durch diese potenziellen Erdbahnkreuzer ist jedoch noch ein weiterer Unterschied zwischen
Asteroiden und Kometen: Ihr Flugverhalten und die „Reservoire“, von
denen aus sie Kurs auf die Erde nehmen können.
Kometen – eisige Vagabunden auf Erdkurs
Lange Zeit galt die Oortsche Wolke als alleiniger Ursprungsort aller
Kometen. Diese, nach dem Astronomen Jan Hendrik Oort benannte Hülle
aus Eis, Staub und Gesteinsbrocken umgibt das Sonnensystem jenseits
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Gefahr aus dem All
der äußersten Planeten wie eine gewaltige Kugelschale. In ihr bewegen
sich die Kometen normalerweise langsam in ihren Bahnen, bis sie durch
äußere Einflüsse gestört werden. Mögliche Störenfriede wären interstellare Gaswolken oder auch die Bewegungen benachbarter Sterne. Wandern sie nahe genug an der Oortschen Wolke vorbei, könnten einige der
Kometen durch Schwerkrafteinflüsse so stark abgelenkt werden, dass
ihre neue Bahn sie durch das innere Sonnensystem führt und sie so zu
Erdbahn-kreuzenden Kometen werden.
Inzwischen ist klar, dass zumindest eine Art von Kometen, die so
genannten langperiodischen Kometen, tatsächlich aus dieser Wolke
stammen. Sie tauchen nur in sehr großen Zeitabständen – in Perioden
zwischen 200 Jahren und mehreren Jahrmillionen – im inneren Sonnensystem auf. Zu diesem Typ gehört beispielsweise der Komet Hale-Bopp,
der als der „Große Komet von 1997“ für Aufsehen sorgte. Er war einer
der eindrucksvollsten Kometen des 20. Jahrhunderts und konnte über 18
Monate lang sogar mit bloßem Auge gesehen werden.
1996, nur ein Jahr zuvor, hatte ein anderer langperiodischer Komet,
Hale-Bopp war der „große Komet
Hyakutake, die Erde in dem nach kosmische Maßstäben extrem gerinvon 1997“ (oben). Komet Hyakutake
gen Abstand von nur 0,109 Astronomischen Einheiten, also rund einem
passierte die Erde 1996 in einer Entfernung von „nur“ 15 Millionen Kilometern
Zehntel des Abstands Erde-Sonne, passiert. Während seines Flugs durch
(unten). © NASA/JPL-Caltech
das Sonnensystem veränderten die Anziehungskräfte der Gasriesen
Jupiter und Saturn seine Bahn so stark, dass sich seine Umlaufzeit von
rund 8.000 Jahren auf 114.000 Jahre verlängerte.
Doch neben diesen langperiodischen Kometen existiert noch eine
andere Gruppe von „kosmischen Vagabunden“, die so genannten kurzperiodischen Kometen. Sie kehren typischerweise in sehr viel kürzeren
Abständen in Sonnennähe zurück. Drei bis maximal 200 Jahre benötigen
sie für einen Umlauf, ihre Bahn liegt dabei meist komplett innerhalb
des Sonnensystems. Einige von ihnen tauchen sogar
Der Kuipergürtel beherbergt wahrscheinlich mehr als 100
alle fünf bis sieben Jahre in Sonnennähe auf, ihr sonMillionen Himmelskörper verschiedener Größen. © MMCD
nenfernster Punkt (Aphel) liegt dann meist nahe der
Jupiterbahn. Zu diesen gehört beispielsweise auch
der Komet Wild-2, den die NASA-Sonde „Stardust“
im Januar 2004 besuchte. Andere, darunter auch der
Halleysche Komet, brauchen mehrere Jahrzehnte für
einen Umlauf und haben ihren sonnenfernsten Punkt
jenseits der Neptunbahn.
Doch woher kommen Halley und Co.? Die Oortsche
Wolke scheidet bei diesen kurzperiodischen Kometen
aus, da sie viel zu weit außen liegt, um deren häufige
Wiederkehrzeiten erklären zu können. Eine Lösung
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Einige der größten bekannten transneptunischen Objekte des Kuipergürtels im Vergleich – auch Pluto und sein Mond Charon
gehören heute dazu. © GFDL
schlug schon 1951 der amerikanische Astronom Gerard Kuiper für diese
Kometengruppe vor: Seiner Ansicht nach musste es ein zweites, näher
an der Sonne liegendes Kometenreservoir geben, das sich wie ein Ring
aus eisigen Materietrümmern nahe der Neptunbahn erstreckt.
Da die Auflösung auch der stärksten Teleskope lange Zeit nicht ausreichte, um die lichtschwachen Objekte in einer solchen Entfernung
auszumachen, blieb es zunächst bei der Theorie. 1988 jedoch konnten
kanadische Astronomen mithilfe von Computerberechnungen zeigen,
dass die Bahnen der kurzperiodischen Kometen tatsächlich gut mit der
Existenz eines solchen „Kuipergürtels“ zu erklären wären. Ihren Berechnungen zufolge könnten sich 100 Millionen bis zehn Milliarden Kometenkerne in diesem Ring aufhalten. Erst in den 1990er Jahren konnten
leistungsstärkere Teleskope erstmals bis ins Kuipergürtelgebiet blicken
und entdeckten im vorher als leer geltenden Raum tatsächlich Himmelskörper – Kuipers Theorie war damit bestätigt. Inzwischen sind zahlreiche
weitere dieser so genannten transneptunischen Objekte (TNO), eisige
Weltraumbrocken von mehr als 100 Kilometern Durchmesser, beobachtetet worden. Astronomen schätzen ihre Zahl in dem Areal zwischen
30 und 50 astronomischen Einheiten von der Sonne entfernt auf mindestens 70.000. Kleinere Kometenkerne lassen sich zwar nach wie vor
nicht direkt beobachten, doch es scheint kaum mehr Zweifel darüber zu
geben, dass sie dort in großer Zahl vorhanden sein müssen.
Die einzigen Objekte,
die sozusagen aus dem
Nichts auf uns
zukommen können, sind
Kometen. Alan Harris
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Gefahr aus dem All
Heute bekannte Meteoriten-Einschlagskrater auf der Erde (rote Punkte). Die Textfelder charakterisieren die 15 größten. © NASA
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Gefahr aus dem All
Ein Impakt kann bisher
nur auf nicht-perfekte
Art und Weise
vorhergesagt werden,
aber diese ist immerhin
weitaus verlässlicher als
die Prognosen von
Erdbeben oder sogar
Stürmen. Clark Chapman
Diese Falschfarbenaufnahme zeigt
den Kern des Kometen Borrelly (grau)
und die ihn umgebenden „Koma“ aus
Gas und Staub. Die Farben stehen für
Helligkeit (rot: am hellsten; violett: am
dunkelsten). © NASA/JPL-Caltech
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Sogar der Pluto mit seinem Mond Charon könnte angesichts der
neuen Funde im Kuipergürtel in einem ganz neuen Licht erscheinen:
Schon lange rätseln Astronomen über den Ursprung dieses eisigen
Doppelgespanns. Möglicherweise, so nun die Theorie, ist Pluto ein
ursprünglich zum Kuipergürtel gehörender und jetzt in eine Planetenbahn eingeschwungener ruhender Riesenkomet.
Wie gefährlich sind Kometen?
Wie groß ist das Risiko, dass ein Komet auf der Erde einschlägt? Das
hängt davon ab, um welchen Kometentyp es sich handelt: Innerhalb der
Kometen gelten die bisher bekannten gut 150 kurzperiodischen Kometen als eher berechenbar: Sie machen zwar rund sechs Prozent aller erdnahen Objekte aus. Ihre Umlaufbahnen sind jedoch kartiert, ihre Größen
bekannt und viele von ihnen sind eher kleinere Objekte.
Anders dagegen sieht es bei den langperiodischen Kometen aus:
Durch ihre langen Umlaufzeiten können sie völlig überraschend in Erdnähe auftauchen, da es meist keine historische Aufzeichnungen über ihr
Erscheinen gibt und erst recht keine Bahnberechnungen. „Das bedeutet,
dass sie aus dem Nichts auftauchen können. Denn wir waren vor tausend, zweitausend oder mehr Jahren nicht dabei, um die Umlaufbahn
auszurechnen und zu sagen: ‚Aha, im Jahr 2007 wird er wieder vorbei
kommen’“, erklärt der Astronom Alan Harris in der ZDF-Dokumentation.
„Deswegen ist es wie mit Hale-Bopp: Sie sind plötzlich da.“
Und genau das ist das Problem: Denn die Kometen fliegen vergleichsweise schnell: Mit rund 70 Kilometern pro Sekunde rasen sie durch das
innere Sonnensystem – und sind damit zwei- bis dreimal so schnell
wie Asteroiden. Gleichzeitig fangen sie meist erst dann an, sichtbar
zu werden, wenn die zunehmende Wärme in Sonnennähe ihren Eisanteil schmilzt. Sie beginnen „auszugasen“ – ehemals gefrorene feste
Bestandteile werden wieder gasförmig und bilden eine leuchtende Hülle
um den Kometenkern, die Koma. Auch der typische Schweif des Kometen, bestehend aus Gasen und Staub, wird dann erst sichtbar.
Für die Überwachungsprogramme der Astronomen bedeutet dies,
dass ein unbekannter, weil extrem langperiodischer Komet erst sehr
spät entdeckt werden kann. „Hale-Bopp, das letzte große Beispiel dafür,
hatte einen Durchmesser, soweit wir wissen, von etwa 50 Kilometern.
Er war damit vergleichsweise riesengroß. Und er wurde zwei Jahre vor
seinem Vorbeiflug entdeckt. Das ist nicht viel“, so Alan Harris. „Wir sind
inzwischen ein bisschen weiter, da wir jetzt verbesserte Teleskope und
Detektoren mit automatischen, Computer gesteuerten Verfahren für die
Entdeckung beweglicher Objekte haben. Aber auch heute wäre es nicht
möglich, eine Vorwarnzeit von mehr als 20 Monaten zu erreichen. Das ist
einfach nicht machbar.“
Nach Ansicht des Experten besteht auch kaum Aussicht, dass sich
diese Vorwarnzeit in der näheren Zukunft deutlich verlängern könnte, da
die technischen Voraussetzungen dafür fehlen, Objekte unterhalb einer
gewissen Helligkeitsstufe – die Astronomen sprechen hier von Größenklassen oder Magnituden – zu entdecken: „Wir haben jetzt Teleskope,
die runter bis 22 oder 23 Größenklassen gehen können. Und das ist
heute und bleibt wahrscheinlich noch für einige Jahre die Grenze.“
Der „Armageddon“-Komet
Schon die Babylonier beobachteten
den Halleyschen Kometen, wie diese
Tontafel aus dem Jahr 164 vor Christus
bezeugt. Er gehört zu den kurzperiodischen und damit relativ „berechenbaren“ Kometen. © unbekannt
Einen langperiodischen Kometen von rund zwölf Kilometern Durchmesser – wie es das Szenario in „Armageddon – Der Einschlag“ vorsieht
– könnte man nach Harris Berechnungen frühestens in einer Entfernung
von acht astronomischen Einheiten von der Erde entdecken – dem achtfachen Abstand der Erde von der Sonne. Das klingt zwar zunächst viel,
aber wegen seiner hohen Geschwindigkeit würde der Komet diese Entfernung in noch nicht einmal zwei Jahren zurücklegen. Harris: „Mehr Zeit
würden wir in diesem Fall nicht haben. Wir bekommen nur dann mehr
Zeit, wenn wir ein Objekt in seiner Umlaufbahn ständig beobachten können. Diese langperiodischen Kometen tauchen aber plötzlich auf.“ Für
genauere Bahnberechnungen und Abwehrmaßnahmen bliebe da kaum
eine Chance.
Panik ist jedoch deswegen nicht nötig, denn nach Ansicht der Astronomen gehen rund 99 Prozent des Einschlagsrisikos auf der Erde nicht
auf Kometen zurück, sondern auf das Konto von Asteroiden. Langperiodische Kometen tauchen im Vergleich einfach zu selten in Erdnähe auf.
Auch die Überwachungsprogramme der Astronomen konzentrieren sich
daher vor allem auf die Asteroiden.
Asteroiden – Irrläufer im Sonnensystem
Weit mehr als zwei Drittel aller bekannten Meteoriteneinschläge auf der
Erde wurden von Asteroiden verursacht. Diese Himmelskörper stammen
ursprünglich fast alle aus dem Asteroidengürtel zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter. Mehr als 100.000 Objekte, so die Schät-
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Gefahr aus dem All
Dieses Bild simuliert den Blick von der Oberfläche des Asteroiden Toutatis auf die Erde. Er passierte sie im September 2004 in
nur 1,6 Millionen Kilometer Entfernung. © NASA/JPL-Caltech
zungen der Astronomen, kreisen hier um die Sonne. Ihre Größe rangiert
zwischen nur wenigen Meter kleinen Gesteinsbrocken bis hin zu ausgewachsenen Planetoiden wie dem 945 Kilometer großen Ceres. „Es gibt
eine sehr, sehr steile Größenverteilung dieser Objekte, es gibt sehr viel
mehr kleine als große. Denn sie werden im
as Einschlagsrisiko durch Asteroiden ist ein Hauptgürtel zermahlen“, so Harris.
Gefährlich werden diese Objekte der
extremes Beispiel für ein Risiko mit einer sehr
Erde in der Regel nicht – solange sie im
geringen Wahrscheinlichkeit, aber potenziell
Asteroidengürtel bleiben. Doch das ist
katastrophalen Folgen. David Morrison
nicht immer so: „Über lange Zeitperioden
von Millionen von Jahren kann es zu einer Wanderung von Objekten von
diesem Hauptgürtel auf erdnahe Umlaufbahnen kommen“, erklärt Harris. „Es gibt dynamische Prozesse, durch die diese Körper ihre Umlaufbahnen langsam ändern können.“ Der wichtigste dieser „Störenfriede“
ist der Jupiter. Die gewaltige Anziehungskraft des Gasriesen beeinflusst
die Flugbahnen nahezu aller Objekte im Hauptgürtel. In bestimmten
D
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