Agrobiodiversität - Bundesamt für Naturschutz

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 Hintergrundinfo
CBD‐COP 10/ Agrobiodiversität/ Thema Agrobiodiversität – TOP VI.1 Bonn, 1. Oktober 2010: Definition Agrobiodiversität ist ein weitgefasster Begriff, der alle Komponenten der Biologischen Vielfalt umfasst, die von unmittelbarer Relevanz für Ernährung und Landwirtschaft sind und in ihrer Gesamtheit das sogenannte Agroökosystem bilden. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Bestandteile der biologischen Vielfalt, die der menschlichen Ernährung und der Deckung weiterer Grundbedürfnisse des Menschen dienen, wie z.B. nachwachsende Rohstoffe, erneuerbare Energieträger, Wasserversorgung und Luftreinhaltung. Zur Agrobiodiversität zählt die (genetische) Vielfalt der Kulturpflanzen (einschließlich ihrer Wildformen), nutzbaren Bäume und Sträucher, Nutztiere, jagdbaren und sonstigen nutzbaren Wildtiere, Fische und anderer nutzbarer aquatischer Lebewesen sowie nutzbaren Mikroorganis‐
men und sonstigen niederen Organismen. Ebenfalls Bestandteil der Agrobiodiversität sind die Komponenten der Biologischen Vielfalt, die Ökosystem‐Dienstleistungen fördern, wie Nährstoffkreisläufe, Bodenbildung und ‐erhaltung, Regulierung von Schädlingen und Krankheiten, Samenverbreitung, Bestäubung, Regulierung der Bodenerosion, des Wasserhaushalts und des Klimas. Weiterhin werden abiotische Faktoren dazugerechnet, die die Agrobiodiversität beeinflussen können, wie lokale klimatische und chemische Faktoren sowie physische Strukturen und Funktionen des Ökosystems. Agrobiodiversität besitzt auch eine ausgeprägte sozioökonomische und kulturelle Dimension. Agrarökosysteme sind stark abhängig von menschlichen Handlungsentscheidungen. Ihre Entwicklung reflektiert nicht nur Umweltbedingungen, sondern auch lokales Wissen, Traditionen, ökonomische Rahmenbedingungen und den Einfluss neuer Ideen und wissenschaftlicher Entdeckungen. Agrarökosysteme sind nicht begrenzt auf die unmittelbare Fläche landwirtschaftlicher Aktivitäten. Sie schließen die gesamte Region mit ein, die durch diese Aktivitäten beeinflusst werden. Die Pressesprecher Franz August Emde
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meisten dieser Agrarlandschaften bestehen aus einem Mosaik von kultivierten und nicht kultivierten Lebensraumelementen, wie Hecken, Randstreifen, Feldwegen und Überresten natürlicher Vegetation. Charakteristisch für Agrarökosysteme mit einer hohen Agrobiodiversität sind das Alter der Kulturlandschaft, das Vorhandensein eines substanziellen Anteils nicht bewirtschafteter Flächen, eine hohe Diversität an Landschaftselementen und Produktionsverfah‐
ren, sowie einem moderaten Einsatz von Dünge‐ und Pflanzenschutzmitteln. Warum ist der Erhalt der Agrobiodiversität wichtig? Der Umgang mit der Agrobiodiversität wird unsere Zukunft bestimmen. Die Verfügbarkeit neuer und bereits bekannter, durch unterschiedlichste Eigenschaften ausgezeichnete Arten, aber auch der Erhalt von Ökosystem‐Dienstleistungen ist von herausragender Bedeutung, um den aktuellen ökonomischen und ökologischen Herausforderungen wie dem Klimawandel, der Verknappung von Energieressourcen, sich wandelnden Verbraucherwünschen und veränderter Marktsituation aktiv zu begegnen. Darüber hinaus bedeutet der Verlust an Agrobiodiversität den Verlust von kulturellem Erbe. Gewachsene Kulturlandschaften sind Bestandteil der regionalen Identität und besitzen damit einen besonderen Erlebnis‐ und Erholungswert. Eine hohe Agrobiodiversität sichert die zukünftigen Lebensgrundlagen des Menschen, da durch sie beispielsweise ein breiter Genpool zur Nutzung erhalten werden kann. Die Konzentration auf wenige Hochleistungsrassen, ‐arten oder ‐sorten birgt hingegen Ertragsrisiken z.B. durch geringe Krankheitsresistenz oder Umwelttoleranz sowie die Gefahr der Inzuchtdepression, d.h. eines Absinkens von Vitalität, Fruchtbarkeit oder Leistung. Mit dem Verlust an genetischer Vielfalt gehen Optionen für zukünftige Züchtungsarbeit unwiederbringlich verloren. Das erschwert die Anpassung an unvorhersehbare Krankheitsgefahren oder sich ändernde Umweltbedingungen wie den Klimawandel. Zusätzlich zu der Notwendigkeit zum Schutz domestizierter Arten erhält der Schutz der „beglei‐
tenden biologischen Vielfalt“ in Agrarlandschaften wachsende Priorität. Kulturlandschaften können große Populationen an wild lebenden Tier‐ und Pflanzenarten Lebensraum bieten. Dazu gehören auch wandernde Arten wie Zugvögel, bei denen das Agrarökosystem einen wichtigen saisonalen Lebensraum darstellt. Genauso wie viele domestizierte Tiere und Pflanzen von der Weiterführung traditioneller Landnutzungsformen abhängig sind, sind auch viele wild lebende Arten angewiesen auf diese Bewirtschaftungsformen. Ziel muss es sein, durch nachhaltige Nutzung stabile landwirtschaftliche Ökosysteme zu schaffen, die den Bedürfnissen der Menschen, der Natur, dem Leben im ländlichen Raum und den wirtschaftenden Betrieben nachkommen. Der Schutz der Agrobiodiversität adressiert Themen wie Nahrungsmittelsicherheit, Traditionen, Kultur, Identität, aber auch Schutz der Natur als intrinsischen Wert. Daher sind Schutzbemühungen oft nur erfolgreich durch einen Ansatz, der die ganze Landschaft und assoziierte Bewirtschaftungssysteme umfasstund ihre essentiellen Komponenten in Strategien zum Schutz der Agrobiodiversität berücksichtigt. Bedrohungssituation und Konfliktfelder Von den ca. 34.000 Pflanzenarten auf der Erde sind rund 30.000 für den Menschen potenziell nutzbar, rund 7.000 werden derzeit in irgendeiner Weise vom Menschen genutzt. Seit dem 19. Jahrhundert hat sich das Spektrum genutzter Kulturpflanzenarten und besonders der genutzten Sorten stark reduziert. Heutzutage spielen für die menschliche Ernährung weltweit nur rund 150 Pressehintergrund - Agrobiodiversität zum 1. Oktober 2010 – Seite 3
Arten eine bedeutendere Rolle. Mit nur 30 Pflanzenarten wird derzeit nahezu der gesamte Kalorienbedarf der Weltbevölkerung erzeugt, sie liefern 95 % der pflanzlichen Nahrungsmittel. Die Ernten von nur drei "Haupternährern" ‐ Weizen, Reis und Mais decken 50 % des weltweiten Energiebedarfs der Menschheit. Besonders in Industrieländern wie Deutschland werden alte Sorten kaum noch angebaut. Schätzungen zufolge beläuft sich hier die Generosion seit Beginn des 20. Jahrhunderts auf über 90%. Ähnlich verhält es sich bei den Nutztieren: weltweit sind in den vergangenen hundert Jahren 1.000 der anerkannten 6.500 Nutztierartenrassen ausgestorben. Die Landwirtschafts‐ und Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) warnt vor dem Aussterben von 2.000 weiteren hoch bedrohten Rassen und macht darauf aufmerksam, dass derzeit sogar Woche für Woche im Schnitt zwei Rassen verschwinden. Die Ursachen für den Verlust von Agrobiodiversität sind vielfältig. Indirekte Ursachen sind der demographische Wandel (Bevölkerungswachstum mit anwachsendem Bedarf an Nahrungsmitteln und Rohstoffen), die Globalisierung der Wirtschaft mit ihren Markt‐ und Handelskräften, Konsumentenentscheidungen, sowie politischen, institutionellen und rechtlichen Rahmenbedin‐
gungen, aber auch Entwicklungen in Wissenschaft und Technik sowie kulturelle und religiöse Auslöser von Veränderungen. Der Klimawandel, die Verfügbarkeit von Ressourcen (beispielsweise Wasser), Übernutzung, Nährstoffbelastung und Landnutzungsveränderungen sind direkte Ursachen des Verlustes. Die Effekte globalisierter Märkte auf die Agrobiodiversität waren bisher durchweg negativ. Vorschriften zur Standardisierung von Saatgut und Agrarprodukten (Handelsklassen) behindern beispielsweise die Produktion und Vermarktung von Nutzorganismen, die diese Standards nicht erfüllen können. Die Globalisierung ist aber auch mit Änderungen im Ernährungs‐ und Nachfrage‐
verhalten verbunden. Konsumenten erwarten das ganze Jahr hindurch billige Produkte in gleichbleibender Qualität und Aussehen. Das kann nicht von kleinen traditionell mit größerer Agrobiodiversität wirtschaftenden Betrieben gewährleistet werden. Bevölkerungswachstum führt zu wachsendem Druck auf Kultur‐ und Naturräume. Die Umwand‐
lung von nicht, oder nur extensiv genutzten Wildnisgebieten in landwirtschaftliche Nutzfläche führt dabei zu weiteren Verlusten an Biodiversität. Aber nicht nur Pflanzen, Tiere und Lebens‐
räume verschwinden, sondern auch traditionelle Kulturen, beispielsweise durch Abwanderung der ländlichen Bevölkerung in Städte und einem damit verbundenen Arbeitskräftemangel in traditionellen Landnutzungssystemen. Ein Beispiel für diesen Verlust kultureller Identität ist die Zerschneidung und der damit einhergehende Schwund saisonaler Wanderrouten von Weidevieh (Transhumanz). Die moderne Landwirtschaft als Treiber von Landnutzungsveränderungen hat durch Intensivie‐
rung, Rationalisierung, Spezialisierung und Konzentration der Produktion maßgeblich zur Verringerung der biologischen Vielfalt bei Kultur‐ wie bei Wildpflanzen in Deutschland beigetra‐
gen. Wirkungen auf die biologische Vielfalt sind dabei von den Veränderungen bei Düngung, Pflanzenschutz, Fruchtfolgen und Flurbereinigung ausgegangen. Besonders die Nivellierung der Anbausysteme sowie der Einsatz von einigen wenigen Hochleistungssorten führten zum Artenverlust. Alte Sorten sind oftmals nicht oder nicht mehr geschützt und damit nicht mehr handelbar. Der Austausch des Saatguts und die notwendige züchterische Weiterbearbeitung der Sorten werden hierdurch wesentlich eingeschränkt, da finanziell nicht (mehr) rentabel. Neben dem Sortenschutz bedingt auch die Einhaltung von Produktionsstandards und die Teilnahme an Qualitätsmanagementsystemen eine Vereinheitlichung der angebauten Sorten und Bewirtschaf‐
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tungsweisen. Moderne Landwirtschaft beeinflusst die Biodiversität aber auch außerhalb des Agrarökosystems durch nicht nachhaltige Nachfrage nach Wasser, Überweidung, übermäßigem Einsatz von Dünge‐ und Pflanzenschutzmitteln und Verschmutzung und Eutrophierung von Landschaften als Folgeerscheinungen. Ein neues Konfliktfeld hat sich im Rahmen der „neuen Herausforderungen“ der europäischen Agrarpolitik mit dem vermehrten Anbau von Energiepflanzen aufgetan. Ökologische und landschaftsästhetische Funktionen werden durch die Begleiterscheinungen verengter Energie‐
fruchtfolgen (großflächiger Anbau von Raps und Mais) zusätzlich beeinträchtigt. Agrobiodiversität erhalten Rolle der Agrobiodiversität in der CBD Im Jahr 1996 hat die Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention ein Arbeitspro‐
gramm zu Agrobiodiversität aufgestellt. Es zielt darauf ab, die positiven Wirkungen landwirt‐
schaftlicher Praktiken auf die Vielfalt der Agrarökosysteme zu fördern, sowie ihr Zusammenspiel mit anderen Ökosystemen zu stärken und negative Auswirkungen zu minimieren. Außerdem soll der Schutz und die nachhaltige Nutzung von genetischen Ressourcen gewährleistet werden, die für die Nahrungsmittelproduktion wertvoll sind. Im Rahmen des Arbeitsprogramms wurden auch drei internationale Initiativen lanciert, die sich den Bestäubern, der biologischen Vielfalt in Böden und der Vielfalt im Bereich der Nahrungsmittel und Ernährung widmen. Für die COP‐10 in Japan wurden verschiedene Themenbereiche von besonderer Relevanz identifiziert, wie beispielsweise die nachhaltige Nutzung von Agrobiodiversität zur Anpassung an den Klimawandel und als Beitrag zur Welternährung, die on‐farm, in‐situ und ex‐situ Erhaltung von Agrobiodiversität, Patentierungsfragen sowie die Auswirkungen des Biomasseanbau auf die biologische Vielfalt in Agrarökosystemen, aber auch die Aufnahme des Themenbereichs „Schutz und nachhaltige Bewirtschaftung von „high nature value‐farmland“ (HNV)“, also von Landwirt‐
schaftsflächen mit hohem Naturwert. Maßnahmen Landwirte können nicht alle Faktoren beeinflussen, die den Erhalt der Agrobiodiversität beeinflus‐
sen. In vielen Fällen verlangt es nach einer komplexen Mischung aus rechtlichen, politischen und sonstigen unterstützenden Maßnahmen, einschließlich gesicherten Land(nutzungs)rechten, einem sicheren Zugang zu Produktionsmitteln, wie Wasser und Saatgut, Agrar‐
Umweltmaßnahmen, wie z.B. die Förderung des ökologischen Landbaus, Marketing und Markenbildung für lokale Produkte, sowie deren Entwicklung, Zertifizierung und Qualitätskontrol‐
le, Bewusstseinsbildung bei den Verbrauchern und der Förderung von Angeboten des ländlichen Tourismus, also Maßnahmen, die dazu angelegt sind, traditionelle Landnutzungssysteme und die Agrobiodiversität auf der sie beruhen zu unterstützen. Die ordnungspolitische Regulierung des Einsatzes von Dünge‐ und Pflanzenschutzmitteln ist eine der wichtigsten Möglichkeiten der Regierungen Einfluss zu nehmen, um Agrobiodiversität zu erhalten. Für einen erfolgreichen Agrobiodiversitätsschutz ist jedoch auch soziales Engagement eine wichtige Voraussetzung, das heißt das Vorhandensein von ländlichen Gemeinschaften, die traditionelle Landnutzungssysteme wertschätzen und sie an geänderte Rahmenbedingungen Pressehintergrund - Agrobiodiversität zum 1. Oktober 2010 – Seite 5
anpassen können. Wichtig ist auch ein Markt für die Produkte, die aus diesen traditionellen Landnutzungssystemen kommen und in denen die Produktionskosten nicht die einzige Rolle spielen. Im Zusammenhang mit dem Erhalt der Agrobiodiversität werden meist zuallererst die in‐situ, on‐
farm und ex‐situ Erhaltungsmaßnahmen genannt, mit denen versucht wird , einem Verlust an genetischer Agrobiodiversität entgegenzuwirken. In‐situ‐Erhaltung Die Erhaltung im natürlichen Lebensumfeld (In‐situ) ist gemäß CBD "die Erhaltung von Ökosyste‐
men und natürlichen Lebensräumen sowie die Bewahrung und Wiederherstellung lebensfähiger Populationen von Arten in ihrer natürlichen Umwelt bzw. im Falle von domestizierten Arten in der Umgebung, in der sie ihre besonderen Eigenschaften entwickelt haben". Die Erhaltung im natürlichen Lebensumfeld ermöglicht die Anpassung der zu schützenden Lebewesen an die sich ändernden Umweltbedingungen. Sie ist die einzige Möglichkeit zur Erhaltung der großen Mehrzahl an Wildpflanzen und zur Bewahrung eines großen Artenreichtums bei gleichzeitiger Garantie einer weiteren evolutionären Entwicklung. Es sollte hierbei eine ausreichende Anzahl von Individuen sowie eine möglichst große Anzahl an Lebensräumen vorhanden sein. Krankhei‐
ten, Parasiten und andere Gefährdungspotentiale können so nicht plötzlich den ganzen zu schützenden Bestand gefährden. Direkt genutzte Wildarten und verwandte Arten von domesti‐
zierten Arten können demnach auch durch Instrumente des Naturschutzes erhalten werden, beispielsweise durch die Identifikation von Agrobiodiversitäts „Hotspots“ (high nature value‐
farmland (HNV)) und ihrem Schutz durch Vertragsnaturschutzmaßnahmen und der Einrichtung von Großschutzgebieten. Das Biosphärenreservat Rhön ist ein klassisches Beispiel für eine geschützte Kulturlandschaft, die zum Erhalt der Agrobiodiversität beiträgt. Gerade im Bezug auf die in‐situ‐Erhaltung der Agrobiodiversität kommt der engen Kooperation von Naturschutz und Landwirtschaft damit eine hohe Bedeutung zu. On‐farm‐Erhaltung Die on‐farm‐Erhaltung ist eine Sonderform der in‐situ‐Erhaltung für domestizierte Pflanzen und Tiere, deren Erhalt meist nur mit Hilfe traditioneller bäuerlicher und gärtnerischer Bewirtschaf‐
tungsweisen gewährleistet ist. Die on‐farm‐Erhaltung erfolgt durch Anbau und Nutzung der betreffenden Arten und Sorten bzw. der Haltung von Rassen in landwirtschaftlichen Betrieben. Im Gegensatz zur konservierenden Erhaltung z.B. in Genbanken handelt es sich hier um eine dynamische Erhaltung, die die Fortsetzung evolutionärer Prozesse ermöglicht. Mit der on‐farm‐
Erhaltung verbindet sich auch die Chance, wertvolle Kulturlandschaften zu schützen, zu pflegen und zu entwickeln. Hilfreich für das Gelingen von on‐farm‐Maßnahmen ist die Vernetzung der Interessen von Naturschutz, Landwirtschaft und Tourismus. Ex‐situ‐Erhaltung Ex‐situ‐Erhaltung ist die Erhaltung von genetischen Ressourcen außerhalb ihrer natürlichen Lebensräume, z.B. durch die Erhaltung von generativem oder vegetativem Vermehrungsmaterial (z.B. Samen, Embryonen, Stecklinge, Zellkulturen). Die Erhaltung kann durch Anpflanzung (z.B. Arboreta oder Reismuttergärten) oder Lagerung unter kontrollierten Bedingungen (bei niedriger Temperatur, ggf. In‐vitro‐Kultur, als Kryokonserve und bei geringer Luftfeuchtigkeit) erfolgen. Ex‐
situ‐Sammlungen sind für den Erhalt der genetischen Information von Kulturpflanzen und auch Ackerwildkräutern unverzichtbar. Sie enthalten im Durchschnitt 60% der vorhandenen Variati‐
onsbreite der wichtigsten Kulturpflanzen. Die Reproduktion des eingelagerten Materials stellt die Hauptschwierigkeit bei der Ex‐situ‐Erhaltung dar. Pressehintergrund - Agrobiodiversität zum 1. Oktober 2010 – Seite 6
Auf Spitzbergen sollen in der größten Saatgutbank der Welt 4,5 Millionen Samen für 1.000 Jahre eingelagert werden. Auch Deutschlands größte Saatgutbank, das Institut für Kulturpflanzenfor‐
schung (IPK) in Gattersleben in Sachsen‐Anhalt, lagert Samenmusterduplikate von seinen vorhandenen 150.000 Genbank‐Mustern (Getreide, Leguminosen, Gemüse, Heil‐ und Gewürz‐
pflanzen, Kartoffeln, Futterpflanzen) dort ein. Aktivitäten und Fördermöglichkeiten in Deutschland Der Erhalt der Agrobiodiversität wird im Rahmen von Agrarumwelt‐ und Vertragsnaturschutz‐
maßnahmen finanziell unterstützt. Landwirtschaftliche Betriebe, die in‐situ oder on‐farm Erhaltungsmaßnahmen durchführen, können an den Agrarumweltprogrammen der Länder teilnehmen. Einen guten Überblick über die in den Ländern zur Verfügung stehenden Programme gibt das BfN‐Skript 253 "Kurzfassungen der Agrarumwelt‐ und Naturschutzprogramme". Der Förderpreis Naturschutzhöfe, der 2007 bzw. 2008 vom BfN vergeben wurde, prämierte landwirt‐
schaftliche Betriebe, die auch einen besonderen Beitrag zum Schutz der Agrobiodiversität leisten. Die vom BfN geförderten Praxishandbücher „Naturschutz im Ökolandbau“ und „Landwirt schafft Vielfalt‐ Naturfördernde Landwirtschaft in der Praxis“ bieten konkrete Handlungsempfehlungen zum Schutz wildlebender Tiere und Pflanzen im agrarischen Lebensraum. Die Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt Die Bundesregierung hat am 7. November 2007 die unter Federführung des Bundesumweltminis‐
teriums erarbeitete Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt beschlossen. Damit liegt in Deutschland erstmals eine umfassende und anspruchsvolle Strategie zur Umsetzung des UN‐
Übereinkommens über die biologische Vielfalt vor, die rund 330 Ziele und rund 430 Maßnahmen zu allen biodiversitätsrelevanten Themen enthält. Die Strategie formuliert zu unterschiedlichen Themenfeldern konkrete Visionen für die Zukunft. Die Vision für die Landwirtschaft lautet: „Die landwirtschaftlich genutzte Landschaft Deutschlands ist geprägt durch die Vielfalt von Agraröko‐
systemen mit ihren standorttypischen Strukturen. Es besteht eine enge Kooperation zwischen Landwirtschaft und Naturschutz. Zusammen mit einer nachhaltigen Landnutzung ist damit eine geeignete Lebensgrundlage für eine Vielzahl von typischen Tier‐ und Pflanzenarten gesichert.“ Seit 2002 existiert in Deutschland ein nationales Fachprogramm zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen landwirtschaftlicher und gartenbaulicher Kulturpflan‐
zen. Es orientiert sich inhaltlich am „Globalen Aktionsplan zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft“ (FAO 1996) und hat zum Ziel, die darin vorgeschlagenen Maßnahmen auf nationaler Ebene umzusetzen. Wesentliche internationale Rahmenbedingungen sind das Internationale Übereinkommen über die biologische Vielfalt und der Internationale Vertrag über Pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (2001). Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat im Februar 2008 seine Strategie zur Agrobiodiversität in einer 83‐seitigen Broschüre mit dem Titel „Agrobio‐
diversität erhalten, Potenziale der Land‐, Forst‐ und Fischereiwirtschaft erschließen und nachhal‐
tig nutzen“ veröffentlicht. Darüber hinaus wird das Informationssystem Genetische Ressourcen (GENRES) vom Informations‐ und Koordinationszentrum für Biologische Vielfalt (IBV) der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) als Informationsplattform zur Agrobiodi‐
versität betrieben. Pressehintergrund - Agrobiodiversität zum 1. Oktober 2010 – Seite 7
Bildmaterial Bildunterschrift: Gemüsesortenvielfalt, Foto: Andreas Kärcher, © BfN Bildunterschrift: Verbindung von Nutzpflanzen und natürlichen Ökosystemen, Foto: Dominic Menzler, © BfN Bildunterschrift: genetische Vielfalt bei Nutztieren ‐ Freilandhaltung von Schweinen, Foto: Dominic Menzler, © BfN Pressehintergrund - Agrobiodiversität zum 1. Oktober 2010 – Seite 8
Bildunterschrift: Altdeutscher Hütehund beim Hüten der Herde, Foto: Andreas Kärcher, © BfN Bildunterschrift: Verlust von Agrobiodiversität durch Intensivierung, Foto: Sabine Stein Bildunterschrift: In‐situ‐Erhaltung von Heckrindern in der Lippeaue, Foto: Uwe Riecken, © BfN Bildunterschrift: On‐farm‐Erhaltung alter Schafrassen und Landschaftspflege, Foto: Dominic Menzler, © BfN 
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