Erkennung von0 Charm{Zerfallen durch Nachweis von KS im CHORUS{Experiment Diplomarbeit eingereicht von: Doris Eckstein Institut fur Physik Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultat I Humboldt-Universitat zu Berlin Marz 1997 Inhaltsverzeichnis Einleitung 3 1 Physikalische Motivation 5 1.1 Das Neutrino im Standardmodell 1.2 Direkte Massenbestimmung 1.3 Neutrinomischung 1.3.1 Mechanismus der Neutrinomischung 1.3.2 Experimentelle Methoden 1.4 Das Sonnen{Neutrino{Problem 5 8 10 10 13 15 2 Das CHORUS{Experiment 19 3 Charm-Erzeugung in CHORUS 35 4 Grundlagen der Analyse 43 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 Das experimentelle Konzept Der Neutrino-Strahl Das Emulsionstarget Die Szintillationsfaser-Hodoskope Das Magnetspektrometer Das Kalorimeter Das Muonspektrometer Das Triggersystem Aktueller Stand des Experimentes 3.1 Untergrund fur das Tau-Signal 3.2 Charm{Physik 3.3 Strangeness-Erzeugung in Ereignissen mit Charm{Quarks 4.1 Auswahl des Zerfallskanales 19 21 24 25 27 29 30 31 32 35 38 39 43 1 INHALTSVERZEICHNIS 2 4.2 Das sensitive Volumen 45 5 Rekonstruktion der Kaon{Vertices 49 6 Identizierung der KS0 57 Zusammenfassung A Monte-Carlo-Simulation / Analysepaket Literaturverzeichnis 65 67 69 5.1 Ezienz der Vertexrekonstruktion 5.2 Rekonstruktionsezienz der Pion{Spuren 5.3 Rekonstruktionsezienz der KS0 {Vertices 6.1 Selektionskriterien 6.2 Anwendung der Selektionskriterien 49 52 55 57 59 Einleitung Obwohl das Neutrino schon seit 40 Jahren eine groe Rolle in unserem Verstandnis der schwachen Wechselwirkung spielt, sind viele seiner Eigenschaften bis heute unbekannt. In das Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkung gehen Neutrinos als masselose Teilchen ein, in Theorien jenseits des Standardmodells haben sie eine Masse. Dann konnen aber auch, in Analogie zu den Quarks, Zustandsmischungen zwischen Neutrinos der drei Familien auftreten. Eine detailliertere Motivation fur die Durchfuhrung von Oszillationsexperimenten wird in Kapitel 1 dieser Arbeit gegeben. Im CHORUS{Experiment am CERN wird nach ! Oszillationen gesucht. Der Nachweis des Tau{Neutrinos erfolgt uber die inklusive geladene{ Strom{Reaktion N ! X und den darauf folgenden Zerfall des Tauons. Aufgrund dessen kurzer Flugstrecke von im Mittel 1:7 mm wird ein Detektor einer hohen Ortsauosung benotigt. Kernspuremulsionen mit einer Masse von 770 kg dienen als Target und als Spurndungsdetektor. Die Messung der kinematischen Variablen erfolgt mit Hilfe eines elektronischen Detektors, der hinter dem Target angeordnet ist. Der Aufbau der Detektorkomponenten sowie die Nachweismethode fur die Signalreaktion und der aktuelle Stand des Experimentes sind in Kapitel 2 beschrieben. Da die Selektion der Signalreaktion in erster Linie anhand topologischer Kriterien erfolgt, sind Zerfalle, welche eine ahnliche Signatur aufweisen, Untergrund fur das Tau{Signal. Speziell der Zerfall des D , das in der Wechselwirkung von Antineutrinos entstehen kann, spielt eine groe Rolle fur den muonischen Zerfallskanal. In Kapitel 3 wird die Moglichkeit diskutiert, Ereignisse mit Charm{Teilchen durch Strangeness{Nachweis zu erkennen. Dabei wird speziell auf die Moglichkeit des Nachweises von KS0 im CHORUS{Detektor eingegangen. In der untenstehenden Abbildung ist ein rekonstruiertes, vom Detektor aufgezeichnetes Ereignis gezeigt. 3 INHALTSVERZEICHNIS 4 Neben dem Primarvertex sind zwei weitere Vertices zu erkennen, die 2{Korper{ Zerfalle von neutralen Teilchen sind. Dies konnen Zerfalle KS0 ! + sein, auf die in Kapitel 4 eingegangen wird. Die Ezienzen der Rekonstruktion der KS0 {Vertices werden in Kapitel 5 besprochen und die Moglichkeit, diese Teilchen im CHORUS{Detektor zu identizieren, in Kapitel 6. cm Projection Run 1941 Y Event 2928 20 -15.1 GeV 15 10 1.1 GeV .9 GeV -.9 -1.1 GeV 5 0 15 20 25 30 35 40 45 cm Kapitel 1 Physikalische Motivation Die Theorie, welche ein Elementarteilchenphysiker zum Ziel hat, beruht auf einer Vereinheitlichung aller vier fundamentalen Wechselwirkungen. Dem ersten Schritt in diese Richtung, dem Zusammenfugen von elektrischer und magnetischer Wechselwirkung durch Maxwell, folgte in den 60er Jahren ein weiterer. Die von Glashow, Salam und Weinberg postulierte elektroschwache Theorie vereinheitlichte die elektromagnetische und die schwache Wechselwirkung. 1.1 Das Neutrino im Standardmodell Neutrinos wurden 1930 von Wolfgang Pauli postuliert [1]. Es galt, das kontinuierliche Spektrum der Elektronenenergien im Kern{ {Zerfall zu erklaren. Durch die Einfuhrung des Neutrinos konnte dieses Problem gelost werden, da aus einem 2{Korper{Zerfall n ! p e mit bestimmter monochromatischer Elektronenergie nun ein 3{Korper{Zerfall n ! p e mit einem breiten moglichen Energiebereich wurde. Die Wechselwirkung des Neutrinos ist derart schwach, da man es damals nicht nachweisen konnte. Erst 1956 konnten Cowan und Reines [2] die Beobachtung von e bekanntgeben, die durch die Entwicklung von Kernreaktoren sowie die Weiterentwicklung der Detektortechnologien ermoglicht wurde. Seither spielten Neutrinos eine wesentliche Rolle in der Erforschung der schwachen Wechselwirkung, wie z. B. 1973 bei der ersten Beobachtung schwacher neutraler Strome in der Gargamelle Blasenkammer am CERN [3], mit der eine entscheidende Bekraftigung fur die Gultigkeit des Standardmodells erfolgte. Das Standardmodell beschreibt die Phanomene der Elementarteilchenphysik mit 5 6 KAPITEL 1. PHYSIKALISCHE MOTIVATION Hilfe zweier unterschiedlicher Teilchenarten. Die Fermionen { Leptonen und Quarks { sind Spin{ 21 {Teilchen. Bosonen sind Teilchen mit ganzzahligem Spin und sind die Trager der Krafte zwischen den Quarks und Leptonen (siehe folgende Tabelle). Wechselwirkung stark elektromagnetisch schwach Quarks (u c t) Quarks (d s b) gelad. Leptonen (e ) neutr. Leptonen (e ) Mediatoren 8 Gluonen (g) Photon ( ) W ; Z 0 Das Neutrino geht in die Theorie als neutrales, masseloses Fermion ein. Das Vorhandensein von mindestens zwei verschiedenen Neutrinosorten, e und , demonstrierten 1962 Lederman, Schwartz, Steinberger et al. [4]. Diese Entdeckung war der Hinweis darauf, da die geladenen und neutralen Fermionen in Familien auftreten. Die Entdeckung des {Leptons durch Perl et al. [5] und die weiteren Untersuchungen von dessen Zerfall lieen die Existenz eines dritten Neutrinos vermuten. Es ist bisher noch in keinem Experiment direkt, das heit durch seine geladene{Strom{Reaktion (CC-Reaktion), nachgewiesen worden, es gibt jedoch noch weitere indirekte Hinweise auf dessen Existenz. Die bisher genaueste Bestimmung der Anzahl von Familien leichter Neutrinos wurde durch die Analyse der Z 0{Produktion an e+ e {Beschleunigern vorgenommen. Die Zerfallsbreite des Z 0 setzt sich aus den Breiten fur die Zerfalle in Hadronen, geladene Leptonen und die N Neutrinosorten zusammen: = had + 3 l + N . Die hadronische Partialbreite und die fur geladene Leptonen wird gemessen, das Verhaltnis l = ist durch das Standardmodell gegeben. Es wird angenommen, da die sogenannte unsichtbare Breite von den Neutrinos herruhrt. Das kombinierte Ergebnis der drei LEP{Experimente ist [6]: N = 2:991 0:016 1.1. DAS NEUTRINO IM STANDARDMODELL 7 Dies gilt fur Neutrinos, die an das Z 0 koppeln und eine Masse kleiner als 45 GeV besitzen. Damit existieren 3 Neutrinoarten, die mit ihren assoziierten geladenen Leptonen eine Familie bilden: e e L L L Jeder dieser Familien kann eine Quantenzahl zugeordnet werden, die Leptonzahl, welche erhalten ist. Neutrinos nehmen nur an der schwachen Wechselwirkung teil. In dieser ist die Paritat maximal verletzt, und sie koppelt nur an die linkshandige Komponente der Neutrinos und die rechtshandige Komponente der Antineutrinos. Dabei bezeichnet die \Handigkeit" die Chiralitat. Auch die in der schwachen Wechselwirkung gemeinsam mit den Neutrinos erzeugten geladenen Leptonen sind linkshandig. Bei masselosen Teilchen ist die Helizitat, also die Projektion des Spins auf die Impulsrichtung, negativ und identisch mit der Linkshandigkeit. Massive Teilchen, wie die geladenen Leptonen, besitzen nur mit einer Wahrscheinlichkeit von = v=c negative Helizitat. Es ist bis heute noch sehr wenig uber grundlegende Eigenschaften des Neutrinos bekannt. So ist zum Beispiel die Frage, ob sie eine Masse besitzen, bis heute nicht eindeutig zu beantworten. Die Masselosigkeit von Neutrinos steht mit vielen experimentellen Ergebnissen im Einklang, jedoch konnten kleine Massen einige ungeklarte Fragen der Kosmologie und Astrophysik losen. In den Groen Vereinheitlichenden Theorien werden die Neutrinos in Multipletts mit geladenen Leptonen und Quarks zusammengefat. Da diese Teilchen alle eine Masse besitzen, erscheint dies auch fur die Neutrinos als naturlich. Die nachsten Kapitel befassen sich mit den Grenzen fur Neutrinomassen, die mit Hilfe verschiedener Zerfalle und deren Kinematik gewonnen wurden, des weiteren mit Neutrinomischung als moglicher Folge des Vorhandenseins von Massen und mit einer kurzen Betrachtung von Problemen der Physik der Sonne auch in Bezug auf Neutrinomischung. KAPITEL 1. PHYSIKALISCHE MOTIVATION 8 1.2 Direkte Massenbestimmung Es sind in den letzten 30 Jahren viele Experimente durchgefuhrt worden, die auf direktem Wege, das heit aus der Kinematik von Zerfallen, obere Grenzen fur Neutrinomassen setzen. Im folgenden werden die aktuellen Grenzen und die verwendeten Methoden dargestellt. Masse des Elektron{Neutrinos Fur die Elektronneutrinos wurden die Resultate aus dem Studium des { Spektrums des Zerfalles: (Z; A) ! (Z + 1; A) + e + e (1.1) gewonnen. In die Energiebilanz dieses Zerfalles mu die Masse m des Neutrinos einbezogen werden. Die kinetische Energie des Elektrons ist damit von dieser abhangig. Mit Vernachlassigung der kinetischen Ruckstoenergie des Kernes im Endzustand ist das Elektron{Energiespektrum gegeben durch: dN = const p E F (Z; E ) (Q E )p(Q E )2 m2 (1.2) dE Dabei sind E die Elektronenergie, F (Z; E ) die Fermi{Funktion, Q die maximale kinetische Energie des Elektrons bei m = 0 (U bergangsenergie). Es ist ersichtlich, da am Ende des Spektrums das Verhalten fur verschwindende Neutrinomassen und fur Massen groer Null verschieden ist. Am besten ist dies im Kurie{Plot, dem linearisierten Spektrum, zu sehen, das auf folgende Weise durch Transformation erhalten wird: 1 h 2 1 i 21 dN=dE 2 2 K (E ) pEF (Q E ) (Q E ) m 2 (1.3) Abbildung (1.1) zeigt die Begrenzung des Spektrums auf Energien kleiner als Q m . Eine genugende Sensitivitat bezuglich der Masse des Neutrinos ist nur in der Nahe des Endpunktes erreichbar, so da im Experiment das Studium der Zerfalle bis zur Energie E Q notwendig ist. In diesem Bereich wird jedoch die Zahl der Zerfalle dN=dE sehr klein. Ein wesentlicher Aspekt der Selektion des Materials fur ein solches Experiment ist die moglichst groe relative Zahl der Zerfalle im interessanten Bereich, da dann die Empndlichkeit gegenuber kleinen Neutrinomassen groer ist. Dies ist der Fall fur {Zerfalle mit kleinen Q{Werten. 9 K(E e- ) 1.2. DIREKTE MASSENBESTIMMUNG mν = 0 mν =/ 0 0 Q- m ν Q E e- Abbildung 1.1: Prinzipdarstellung des linearisierten {Spektrums in der Nahe des Endpunktes fur m = 0 und m 6= 0 Ein intensiv studierter Zerfall ist der des Tritiums. Es besitzt einen kleinen Q{Wert (Q = 18:6 keV ). Eine Gruppe in Mainz [7] benutzt eine Quelle aus molekularem Tritium auf einem Aluminium{Substrat. Im Troitsk{Experiment wird eine Quelle gasformigen Tritiums verwendet, von dieser stammt auch das beste Limit [8] von: me < 4:5 eV (95% C:L:1): Masse des Muon{Neutrinos Fur die Bestimmung der Masse des Muon{Neutrinos benutzt man den Zweikorperzerfall des Pions: + ! + Die beste Bestimmung der Obergrenze fur die {Masse wurde am Paul{Scherrer{ Institut durchgefuhrt [9]. Die Pionen zerfallen in Ruhe, wobei monochromatische 1 C.L. bedeutet condence level, d. h. Signikanzniveau KAPITEL 1. PHYSIKALISCHE MOTIVATION 10 Muonen und Neutrinos entstehen. Der Impuls der Muonen wird mit Hilfe eines Spektrometers gemessen. Die Neutrinomasse ergibt sich dann zu: m2 = m2 + m2 q 2m m2 + p2 Mit dem gemessenen Muonimpuls und mit den Massen fur das Pion und das Muon erhalt man als Obergrenze fur die Masse des Muon{Neutrinos: m < 0:17 MeV (90% C:L:) Masse des Tau{Neutrinos Obergrenzen fur die Masse des resultieren aus Studien von Zerfallen des Tau{ Leptons. Fur diese Analysen sind Zerfallskanale mit moglichst vielen Teilchen im Endzustand am besten geeignet. Der dem verbleibende Phasenraum ist dann gering, was die Sensitivitat bezuglich kleiner Neutrinomassen erhoht. Das bisher beste Limit wurde von ALEPH erzielt [10] nach Analyse von Ereignissen der Art: ! 5 ( 0 ) : Aus einem Ensemble von 152.000 Tau{Zerfallen wurden 25 derartige Ereignisse selektiert. Die Grenze fur die Masse des Tau{Neutrinos wurde mit Hilfe eines zweidimensionalen Likelihood{Fits in der Ebene Hadron{Energie/invariante Hadron{Masse errechnet. Das Ergebnis ist: m < 24 MeV (95% C:L:) 1.3 Neutrinomischung 1.3.1 Mechanismus der Neutrinomischung Schon 1957 hat Pontecorvo [11] die Moglichkeit aufgezeigt, da zwischen den verschiedenen Neutrinoarten Zustandsmischung auftreten kann, falls diese eine Masse besitzen. In diesem Abschnitt wird die Neutrinomischung im Vakuum diskutiert. Die uns bekannten drei Neutrinos | Elektron{Neutrino e, Muon-Neutrino und Tau{Neutrino | sind die Eigenzustande der schwachen Wechselwirkung. 1.3. NEUTRINOMISCHUNG 11 Diese Zustande mussen nicht mit den drei Masseneigenzustanden 1 ; 2 ; 3 identisch sein. Das bedeutet, da ein wechselwirkendes Neutrino l keine wohldenierte Masse besitzt, sondern die U berlagerung der verschiedenen Massenzustande m ist: jl i = 3 X m=1 Ulm jmi : (1.4) Hierbei ist Ulm die unitare Mischungsmatrix analog zur Kobayashi{Maskawa{ Mischungsmatrix im Quarksektor. Betrachtet man die Mischung nur zweier Neutrinotypen, vereinfacht sich obige Formel zu: 1 cos sin = (1.5) 2 sin cos mit dem Mischungswinkel als Parameter. Nimmt man nun an, da man eine Neutrinoquelle besitzt, die zum Zeitpunkt t = 0 am Ort x = 0 ein Neutrino aussendet, so ist dies ein denierter schwacher Eigenzustand, hier . Eine solche Quelle kann zum Beispiel ein Pion sein, das in ein Muon und ein Muon{Neutrino zerfallt. Damit liegt die folgende Situation vor: j(t = 0)i = 1 j1 (t = 0)i = cos j (t = 0)i = 0 j2(t = 0)i = sin Die Ausbreitung im Raum ist charakterisiert durch die Masseneigenzustande, die sich wie ebene Wellen verhalten: j1 (t)i = j1(t = 0)i e i(E1t p~1~x) j2(t)i = j2 (t = 0)i e i(E2t p~2~x) : Druckt man nun die beiden schwachen Eigenzustande mit Hilfe der Masseneigenzustande aus, so ergibt sich: j (t)i = cos2 e i(E1 t p~1~x) + sin2 e i(E2 t p~2~x) j (t)i = sin cos e i(E1 t p~1~x) + sin cos e i(E2 t p~2 ~x) : KAPITEL 1. PHYSIKALISCHE MOTIVATION 12 Wenn man jetzt mit Hilfe eines Detektors im Abstand j~xj = L von der Quelle der { Neutrinos eine Wechselwirkung beobachtet, so ist die Wahrscheinlichkeit, anstelle des ursprunglichen ein Neutrino zu nden, gegeben durch: P ! = j h (t) j (0)i j2 (1.6) E t p L = sin2 2 sin2 2 und die Wahrscheinlichkeit dafur, wieder ein zu erhalten, ist: (1.7) P ! = j h(t) j (0)i j2 = 1 P ! : Man kann die Neutrinos als ultrarelativistisch ansehen, da Neutrinomassen betrachtet werden, die sehr klein (eV bzw. keV{Bereich) gegenuber den Neutrinoenergien (GeV{Bereich) sind. Demnach setzt man (mit h = c = 1) t L, E1 E2 und es kann pi = angenahert werden mit q m2i E2 2 pi E 1 2mEi : Damit erhalt man fur Neutrinos, die eine sehr kleine Masse besitzen und mit nahezu Lichtgeschwindigkeit iegen, aus (1.6) die Wahrscheinlichkeit P ! = sin22 sin2 m22 m21 L : 4E (1.8) Hierin sind m1 und m2 die Eigenwerte der Massenmatrix und demzufolge die Massen der Zustande j1i und j2i. Die Ableitung wird auch in [12] diskutiert. Eine fur Abschatzungen handlichere Formel erhalt man, wenn anstelle der naturlichen Einheiten mit h = c = 1 SI{Einheiten verwendet werden. Mit E in MeV , L in m und der Dierenz der Massenquadrate m22 m21 = m2 in eV 2 kann man die Formel (1.8) schreiben: 2 L 1 : 27 m 2 2 : (1.9) P ! = sin 2 sin E 1.3. NEUTRINOMISCHUNG 13 Die Wahrscheinlichkeit P! weist ein Oszillationsmuster auf, das durch Interferenzen der unterschiedlichen Komponenten der Wellenfunktion (die Masseneigenzustande) entsteht. Sie beinhaltet als Parameter die Mischungsamplitude sin2 2 und die Oszillationslange L0 mit E : L0 = 1:27 (1.10) m2 In einem Abstand L0 =2 nimmt die Wahrscheinlichkeit, ein Neutrino zu beobachten, den Wert sin2 2 an. In einem Abstand L0 ist das beobachtete Neutrino wieder das ursprungliche . Desweiteren ist ersichtlich, da Oszillationen nur fur nichtverschwindende Neutrinomassen und im Falle, da m1 6= m2 und 6= 0; gilt, auftreten konnen. 1.3.2 Experimentelle Methoden Um Neutrinooszillationen experimentell beobachten zu konnen, darf der Abstand von der Quelle der Neutrinos zum Detektor nicht sehr viel kleiner sein als die Oszillationslange (L L0 ), weil sonst das Neutrino in seinem Originalzustand bleibt. Fur groe Abstande (L L0 ) wird das Oszillationsmuster ausgewaschen. Dies ist der Fall, da im Gegensatz zu einem idealisierten Experiment sowohl die Energie der Neutrinos als auch der Ort ihrer Entstehung nicht exakt bekannt sind und somit uber diese Werte gemittelt werden mu. Eine grobe Abschatzung des minimalen m2 Parameters kann vorgenommen werden mit jm2min j 1:E27min x ; max wobei xmax der maximale Abstand des Detektors von der Quelle ist. Die in Tabelle 1.1 angegebenen Werte sind so abgeschatzt. Man kann hieraus ablesen, fur welchen Bereich der Suche nach Neutrinooszillationen die verschiedenen Experimente bzw. Quellen geeignet sind. Es werden zwei grundlegende Arten von Oszillationsexperimenten unterschieden: KAPITEL 1. PHYSIKALISCHE MOTIVATION 14 Quelle Neutrinoart Reaktor Sonne Atmosphare Beschleuniger e e e e e e Emin xmax [m] jm2minj [eV 2 ] 1 MeV 1000 0:2 MeV 1:5 1011 100 MeV 104 bis 107 10 1 GeV 103 10 3 10 12 1 bis 10 3 1 Tabelle 1.1: Die verschiedenen Neutrinoquellen und die erreichbare Sensitivitat Appearance Experimente Bei dieser Methode sucht man nach dem Auftreten einer Neutrinosorte in einem reinen Strahl von {Neutrinos in einem Abstand L von der Quelle. Die Nachweisreaktion fur das entstandene Neutrino kann erst oberhalb einer bestimmten Schwellenergie stattnden, die zur Erzeugung des assoziierten geladenen Leptons und eines Nukleons ausreicht. Deshalb ist eine moglichst groe Neutrinoenergie wunschenswert. Eine weitere Forderung ist, da der Neutrinostrahl frei von , bzw. die Anzahl der im Strahl sehr gering und bekannt ist. Disappearance Experimente Mit Hilfe eines Disappearance Experimentes wird nach dem Verschwinden von Neutrinos aus einem Strahl eben dieser Sorte gesucht. In diesem Fall ist entscheidend, die Intensitat der Quelle sehr genau zu kennen. In einem Detektor im Abstand L von der Quelle wird dann nach einer anormalen Abnahme im Neutrinou geforscht, die nicht auf Akzeptanz{Grunde zuruckzufuhren ist. Disappearance{Experimente konnen auch mit zwei Detektoren durchgefuhrt werden, die den Neutrino{Flu in zwei verschiedenen Abstanden von der Quelle messen. Reaktoren und die Sonne sind mit ihren Kernprozessen intensive Quellen von Elektron{Neutrinos bzw. Antineutrinos. Beide haben aber viel zu kleine Energien, um Muonen oder Tauonen in geladenen{Strom{Reaktionen produzieren zu konnen. Fur diese beiden Quellen kommen also nur Disappearance{Experimente in Frage. Vor allem fur die Sonne gilt, da aufgrund der groen Entfernung die Sensitivitat bezuglich kleiner Dierenzen der Massenquadrate vorhanden ist. An 1.4. DAS SONNEN{NEUTRINO{PROBLEM 15 Beschleunigern und mit atmospharischen Neutrinos sind sowohl Appearance{ als auch Disappearance{Experimente durchfuhrbar. 1.4 Das Sonnen{Neutrino{Problem Die Sonne ist der Stern, der sich durch seine Nahe besonders fur das Studium der in seinem Inneren ablaufenden Prozesse anbietet. Das Standardmodell der Sonne (SSM) [13] beschreibt diese Prozesse. Die Fusionsprozesse, die die Sonnenenergie produzieren, konnen in der folgenden Reaktion zusammengefat werden: 4H ! 4 He + 2e+ + 2e + 26:73MeV Ee (1.11) Sie laufen jedoch in mehreren Einzelschritten ab, die jeweils die Emission von Neutrinos mit verschiedenen charakteristischen Spektren zur Folge haben. Im Mittel wird eine Energie von 0:59MeV von den Neutrinos davongetragen, 26:14MeV in Form von Photonen. Die Spektren der verschiedenen Reaktionszyklen, wie sie vom Standardmodell vorhergesagt werden, sind in untenstehender Abbildung dargestellt. Abbildung 1.2: Das Sonnenneutrino{Spektrum vorhergesagt durch das SSM. Die Energien der Neutrinos variieren uber mehrere Groenordnungen. Sie liegen alle im keV bzw. MeV{Bereich. Neutrinos verlassen das Zentrum der 16 KAPITEL 1. PHYSIKALISCHE MOTIVATION Sonne nahezu ohne zu wechselwirken und sind deshalb in der Lage, uber Prozesse in ihrem Inneren Aufschlu zu geben. Es wurden verschiedene Experimente zur Messung des Sonnenneutrino{ Flusses durchgefuhrt. Das erste wurde schon 1965 von R. Davis in der Homestake{Goldmine in Sud{Dakota aufgebaut. In diesem Experiment werden Neutrinos durch Zahlen der radioaktiven Isotope 37 Ar nachgewiesen, die in der Reaktion 37 Cl + e ! 37 Ar + e entstehen [15]. Diese Reaktion weist eine Schwellenenergie von 0:8MeV auf und ist deshalb auf Neutrinos des 8B und des 7B {Zyklus sensitiv. Das Kamiokande{Experiment [16] in einer Mine in den Japanischen Alpen benutzte das in einem riesigen Wassertank produzierte C erenkov{Licht der Elektronen, welche durch Sonnen{Neutrinos angestoen wurden. Die beobachtete Reaktion ist: e + e ! e + e : Kamiokande war der erste Echtzeit{Detektor in einem Sonnen{Neutrino{ Experiment. Das Experiment hat mit Hilfe der Richtungskorrelation zwischen Neutrino und Elektron eindeutig die Herkunft der Neutrinos von der Sonne nachgewiesen. Die Nachweisschwelle fur die Elektronen liegt mit ca. 8MeV um einiges hoher als bei den anderen Detektionstechniken; damit beschrankt sich die Sensitivitat des Experimentes auf einen Bruchteil des 8B Neutrinospektrums. Die Experimente GALLEX [17] im Gran Sasso Tunnel in der Nahe Roms und SAGE [18] im Kaukasus sind wieder radiochemische Experimente. Diesmal wird Gallium fur die Detektion der Neutrinos verwendet: e + 71 Ga ! 71 Ge + e ; aquivalent zum Chlor{Experiment werden auch hier die radioaktiven Atome des 71 Ge extrahiert und gezahlt. Die Nachweisschwelle dieser Experimente ist sehr niedrig { 0:2MeV . Damit ist der Nachweis von Neutrinos aus allen Sonnen{Zyklen moglich. 1.4. DAS SONNEN{NEUTRINO{PROBLEM 17 Die Flu{Resultate aller dieser Experimente liegen signikant unter den durch das Standardmodell der Sonne vorhergesagten Werten. In untenstehender Tabelle sind alle Ergebnisse zusammenfassend aufgelistet (die Einheit SNU, in der die Neutrinousse angegeben sind, entspricht einer Wechselwirkung pro 1036 Target{ Atome pro Sekunde). Vorhersage Experiment Reaktion Schwelle [SNU] Homestake GALLEX SAGE Kamiokande 37 Cl 71 Ga 71 Ga e 0:8 MeV 0:2 MeV 0:2 MeV 8 MeV 8:0 3:0 131:5+21 17 131:5+21 17 5:7 2:4 Messung [SNU] Anteil 2:55 0:17 0:18 79 10 6 +5 73+18 16 7 2:89+00::22 21 0:35 32% 60% 56% 50% Tabelle 1.2: Resultate der Sonnenneutrino{Experimente Man kann Tabelle (1.2) entnehmen, da das Dezit energieabhangig ist. Eine konsistente Erklarung aller dieser Resultate alleine anhand des Standardmodells der Sonne ist nicht moglich. Die Messungen aller vier Experimente konnten mit Hilfe der Annahme massiver Neutrinos und dem Auftreten von Neutrinooszillationen in Materie erklart werden. In diesem Fall wurden die e{Neutrinos, die im Sonneninnern produziert werden, mit einer energieabhangigen Wahrscheinlichkeit in oder oszillieren, wahrend sie die Sonnenmaterie durchqueren (Mikheyev{Smirnov{Wolfenstein{Eekt [20]). In dieser Theorie durchlaufen alle Elektron{Neutrinos ab einer bestimmten Mindestenergie eine Resonanz und werden so selbst bei kleinen Mischungswinkeln in oder umgewandelt. Setzt man die Gultigkeit des Standardmodells der Sonne voraus, dann gibt die Losung fur kleine Mischungswinkel folgende Massenquadratdierenz (siehe auch Abbildung (1.3)): (1.12) m2e!x 6 10 6 (eV )2: Man nimmt an, da bei Existenz von Neutrinomassen sich die Massenhierarchie der geladenen Leptonen mit me m m auf die Neutrinos ubertragen lat. Dann erhalt man aus obigem Ergebnis der Sonnen{Neutrino{Experimente: m 2:5 10 3eV 18 KAPITEL 1. PHYSIKALISCHE MOTIVATION Abbildung 1.3: Ausschlieungskurve fur die Sonnenneutrino{Experimente Setzt man fur die Neutrinos Massen an, die linear oder quadratisch mit den Quarkmassen skalieren, ergibt sich fur die Tau{Neutrino{Masse der Wert: m 1:::10 eV: Die Frage, ob das beobachtete Sonnenneutrino{Dezit auf astrophysikalischen Eekten oder auf Neutrinooszillationen beruht, wird vielleicht in Zukunft mit Hilfe neuer Experimente zu klaren sein. Superkamiokande hat bereits mit der Datennahme begonnen und weitere, wie SNO und Borexino, werden nachfolgen. Zwei am CERN stattndende Experimente, CHORUS und NOMAD, suchen derzeitig nach dem Phanomen der Neutrinooszillation fur den Kanal ! . Fur den Fall, da Neutrinomischung auftritt, sind diese sensitiv auf Neutrinomassen im Bereich von 10 eV . Diese sind nicht nur interessant als Losung des Sonnenneutrino{Problems; eine Masse in der oben angegebenen Groenordnung konnte auch die Frage nach der kosmologischen dunklen Materie losen [21]. Kapitel 2 Das CHORUS{Experiment 2.1 Das experimentelle Konzept Mit dem CHORUS{Detektor wird die Suche nach Neutrinooszillationen im sogenannten appearance-Modus (siehe Abschnitt 1.3.2) vorgenommen. Das bedeutet, da man nach dem Auftreten eines Neutrinos in einem reinen Strahl von Neutrinos sucht. Der Nachweis der Oszillation eines Muon{Neutrinos in ein Tau{Neutrino erfolgt uber die inklusive geladene{Strom{Reaktion (CC): N ! X: (2.1) Diese mu aus einem Untergrund selektiert werden, der aus {induzierten geladenen{ und neutralen{Strom{Reaktionen besteht. Dazu dienen die spezischen Topologien des Zerfalls des kurzlebigen Tau{Leptons. Es werden die folgenden drei Zerfallskanale studiert: ! (17:4%) ! (h )(n0 ) ! (h+h h )(n0 ) (14:9%) (49:8%) (2.2) In Klammern wurden die Verzweigungsverhaltnisse angegeben. Die typische Topologie der ersten beiden Zerfallskanale, der Knick am Zerfallspunkt des Tau{Leptons kurz hinter dem primaren Vertex, entsteht dadurch, da zum einen das eine sehr kurze Lebensdauer von 3 10 13s besitzt und auerdem alle 19 20 KAPITEL 2. DAS CHORUS{EXPERIMENT Abbildung 2.1: Prinzip der Vertexndung im Emulsionstarget mit Hilfe der Faserhodoskope. Darunter ist die typische Zerfallstopologie des skizziert bis auf ein Tochterteilchen neutral sind. Letztere hinterlassen im Detektor keine Spur, tragen jedoch einen Betrag des Impulses davon, woraus der Knick in der Teilchenspur resultiert. Diese Topologie ist in Abbildung (2.1) skizziert. Aufgrund des sehr kleinen Wirkungsquerschnittes fur Neutrino{Nukleon{ cm2 benotigt man ein Target groer Wechselwirkung von 10 38E [GeV ] nucleon Dichte. Auerdem ist wegen der kurzen Lebensdauer des Tau-Leptons eine sehr genaue raumliche Auflosung um den Vertexpunkt erforderlich. Kernemulsionen bieten beide Eigenschaften und wurden fur CHORUS als kombiniertes Target{ und Spurndungsmaterial gewahlt. Die Kernspuremulsion ist ein integrierender Detektor, das heit, die Spuren aller geladenen Teilchen, die sie durchqueren, werden akkumuliert. Um ein Ereignis wiedernden und dessen Position im Target eingrenzen zu konnen, wurde in Strahlrichtung hinter dem Target ein Spurndungsdetektor, bestehend aus Lagen von szintillierenden Fasern, angebracht. Das Prinzip der Vorhersage der Vertex-Position ist in Abbildung (2.1) dargestellt. Die rekonstruierten Spuren der die Szintillationsfaser {Hodoskope passierenden Teilchen dienen der Voraussage des Austrittspunktes der Teilchen aus den dunnen Zwischenemul- 2.2. DER NEUTRINO-STRAHL 21 sionen (C.S. in Abbildung (2.1)) innerhalb einer Flache von (800 1100)m2. Den semiautomatischen und automatischen Mikroskopen, welche das Target nach Spuren abtasten, dienen diese Positionen als Startpunkt. Die Kombination der in den Zwischenemulsionen gefundenen Spursegmente ergibt eine genauere Vorhersage fur den Austrittspunkt der Teilchen aus dem Emulsionstarget im Bereich von (450 450)m2. Das weitere Abtasten der Spuren fuhrt letztendlich zu einem Vertex, der im Target mit einer Prazision von 1m rekonstruiert werden kann. Fur die Vorselektion moglicher Signalereignisse der drei hauptsachlichen Zerfallskanale ist die Identikation von negativ geladenen Muonen und von Hadronen notwendig. Auerdem erfolgt eine Vorauswahl des Signales gegenuber dem Untergrund zusatzlich zur Topologie auch anhand kinematischer Kriterien. Das Ensemble der moglichen Signalereignisse und somit die Zeit fur das Abtasten der Emulsionen mit Hilfe der Mikroskope kann damit weiter reduziert werden. Der passive Target{Teil des Detektors wurde hierfur erganzt durch einen aktiven elektronischen Teil, der neben den Szintillationsfaser{Hodoskopen noch aus einem Magnetspektrometer, einem Kalorimeter und einem Muonspektrometer besteht. In Abbildung (2.2) ist der CHORUS-Detektor schematisch dargestellt. Die folgenden Abschnitte befassen sich mit dem Aufbau des Experimentes beginnend mit dem Neutrinostrahl.1 2.2 Der Neutrino-Strahl Der polychromatische (Breitband) Neutrinostrahl des CERN wurde fur CHORUS und NOMAD neu aufgebaut. Die Erzeugung der {Neutrinos beginnt mit Protonen des Super Proton Synchrotrons, die in einem Zeitzyklus von 14:4s auf eine Energie von 450GeV beschleunigt werden. Es erfolgen zwei Extraktionen von 6ms Lange, deren zeitlicher Abstand 2:7s betragt. Durch diese Aufteilung der Teilchenpakete wird die thermische Belastung des Beryllium{Targets verringert, auf das die Protonen gelenkt werden. Bis zu 1:5 1013 Protonen pro Extraktion konnen auf das Target geschossen werden. Das Be-Target besteht aus elf aufeinanderfolgenden Staben von je 10cm 1 Eine ausfuhrliche Beschreibung des Aufbaus des Detektors, der Kalibration etc. ist in [22] gegeben. KAPITEL 2. DAS CHORUS{EXPERIMENT 22 Abbildung 2.2: Schematische Darstellung des CHORUS-Detektors Lange und einem Durchmesser von 3mm; die Breite des Protonenstrahls betragt 1:5 mm. Der zwischen den Staben bestehende Abstand von 9cm minimiert die Wiederabsorption sekundarer Teilchen. Diese sind vor allem Pionen und Kaonen K . Neutrinos entstehen dadurch, da ein Teil dieser Mesonen im Flug zerfallt. Fur die Erzeugung der Muon-Neutrinos sind die folgenden Zerfallskanale bedeutend [6]: + ! + (99:99%) K+ ! + (63:51%) K+ ! + 0 (3:18%) (2.3) Fur einen reinen Muon-Neutrino Strahl werden die positiv geladenen Mesonen selektiert. Dafur wurde nach dem von S. Van der Meer entwickelten Prinzip [23] ein System zweier magnetischer Linsen, \Horn" und \Reektor", konstruiert, wodurch positive Mesonen fokussiert und negative Mesonen defokussiert werden. Wie in Abbildung (2.3) dargestellt, iegt der fokussierte Strahl aus Pionen und Kaonen durch einen Zerfallstunnel, der, um die Wechselwirkungen der Mesonen mit Luft zu verhindern, evakuiert ist. Die dort noch nicht zerfallenen K + und + werden in der Eisen-Abschirmung gestoppt. Mit einer mittleren Energie fur die Kaonen von hEK + i = 115GeV und fur die Pionen von hE+ i = 84GeV kann die 2.2. DER NEUTRINO-STRAHL 23 U berlebenswahrscheinlichkeit beider Mesonen nach einer Flugstrecke von 414m abgeschatzt werden mit: PK + = exp P+ = exp 414m (c )K + hEK + i=mK = 61:8% 414m (c )+ hE+ i=m = 91:6%: Die Muonen aus deren Zerfall werden durch einen toroidalen Magneten aus der Strahlrichtung gelenkt oder durch die Abschirmung aus Eisen und Erde absorbiert. He Behaelter Zerfallstunnel Muon-Abschirmung CHORUSDetektor 450 GeV Protonen Be-Target Horn Reflektor Muondetektoren ~ 125 m ~ 290 m ~ 370 m ~ 820 m Abbildung 2.3: Schematische Darstellung des Layout fur den Neutrino-Strahl Die magnetischen Linsen weisen auf der Achse kein Magnetfeld auf, und dieses wirkt auerdem nicht auf neutrale Teilchen (K 0 ; 0). Des weiteren sind neben den in (2.3) angegebenen Zerfallskanalen auch noch Zerfalle des Kaons und des Muons in Elektron{Neutrinos (bzw. Antineutrinos) moglich. Daraus ergibt sich eine Kontamination des Strahls mit , e und e {Neutrinos. Das mit Hilfe einer Monte{Carlo{Simulation berechnete Spektrum der vorhandenen Neutrinosorten ist in Abbildung (2.4) dargestellt. Das Verhaltnis der Komponenten : : e : e ist 1 : 0.04 : 0.007 : 0.0017. Der Anteil prompter im Strahl, die durch den Zerfall DS+ ! + entstehen, ist 5 10 6 [24]. 24 KAPITEL 2. DAS CHORUS{EXPERIMENT Abbildung 2.4: Neutrino-Spektrum und relatives Auftreten der verschiedenen Spezies 2.3 Das Emulsionstarget In Kapitel (2.1) wurde bereits die Wahl von Kernspuremulsionen als Targetmaterial fur das CHORUS{Experiment begrundet. Die Funktionsweise der Emulsion ist vergleichbar mit der eines Schwarz{Wei{Filmes. Das Material ist AgBr in Gelatine, die auf eine Plastikfolie aufgetragen wurde. Ein geladenes Teilchen, das die Emulsion passiert, produziert im Mittel 300 Silberkorner von 1 m Durchmesser pro mm. Um ! Oszillationen zu entdecken oder die bestehenden Ausschlieungsgrenzen verbessern zu konnen, mute bei CHORUS im Vergleich zu vorhergehenden Experimenten [25] die Targetmasse erhoht werden. Das Emulsionstarget hat ein totales Volumen von 206 Litern bei einer Masse von 770kg. Es ist in 4 Stapel unterteilt mit jeweils einer Ausdehnung von (1:42 1:44 0:028)m3. In Strahlrichtung hinter jedem Emulsionsstapel und vor den nachsten Szintillationsfaser{Hodoskopen sind 3 dunne Zwischenemulsionen mit den gleichen lateralen Dimensionen wie das Target aufgebaut (siehe Abbildung (2.5)). 2.4. DIE SZINTILLATIONSFASER-HODOSKOPE 25 Die Speziallagen (SS) werden nach einem Jahr ausgetauscht, die Austauschlagen (CS) zweimal pro Jahr, um den Untergrund fur die Spurerkennung so gering wie moglich zu halten. Die Blocke der Targetemulsion wurden nach zwei Jahren Datennahme ausgetauscht. SS Emulsionstarget Z+Y+ CS YZ SS Z- Y- CS YZ Z+Y+ YZ Z- Y- YZ Abbildung 2.5: Geometrischer Aufbau einer Einheit bestehend aus Emulsion und Faser{Hodoskopen. Zwei dieser Einheiten ergeben die gesamte Target{Region. Die Darstellung ist nicht mastabsgetreu. Um das temperaturabhangige Verwaschen des latenten Bildes (fading) in der Kernspuremulsion moglichst gering zu halten, wurde die gesamte Target{Region in einer Kuhlbox bei einer konstanten Temperatur von 5oC untergebracht. Gleichzeitig werden dadurch A nderungen der Dimension der Emulsion aufgrund thermischer Schwankungen minimiert. 2.4 Die Szintillationsfaser-Hodoskope Die Aufgabe der Spurndungsdetektoren bestehend aus Szintillationsfasern ist es, Teilchenspuren in der Targetregion und um das Magnetspektrometer herum zu nden [26]. 26 KAPITEL 2. DAS CHORUS{EXPERIMENT Die Target{Spurndungsdetektoren Die Target{Region besteht aus zwei hintereinander angeordneten identischen Einheiten, deren Aufbau in Abbildung (2.5) abgebildet ist. Hinter dem jeweils ersten Emulsionsblock ist ein Modul der Spurndungsdetektoren angeordnet, hinter dem zweiten Block benden sich drei Module. Jedes Modul liefert eine Spurinformation in Y, Z, Y', Z' {Projektion. Die Projektionen Y' und Z' sind um +8o (Z +; Y + in (2.5)) bzw. 8o (Z ; Y in (2.5)) gegenuber den Faserorientierungen Y und Z gedreht. Eine Projektion besteht aus Schichten, die jeweils aus sieben Lagen von Szintillationsfasern mit 500 m Durchmesser zusammengesetzt sind. Die Aufgabe der Spurndungsdetektoren im Targetbereich ist es, den richtigen Emulsionsblock zu bestimmen, in dem die Neutrinowechselwirkung stattgefunden hat, und eine genaue Ortsbestimmung der Austrittspunkte der Teilchenspuren aus den Zwischenemulsionen (interface emulsion sheets in Abbildung (2.5)) zu geben. Diese Informationen sind von groer Bedeutung fur das Aunden der Emulsionsspuren mit Hilfe der Mikroskope. Fur den Abstand der Szintillationsfaser{Hodoskope zur Emulsion wurde ein Kompromi gewahlt, um einerseits die U berlagerung von Teilchenspuren bei Ereignissen hoher Multiplizitat zu minimieren, und andererseits Verluste in der Genauigkeit durch Extrapolieren der Spuren{Ortsbestimmung uber zu groe Distanzen zu verringern. Die Spurndungsdetektoren des Magnetspektrometers Drei weitere Detektoren bestehend aus Szintillationsfasern sind Teil des Magnetspektrometers. Ein Modul bendet sich in Strahlrichtung gesehen vor dem Magneten und mit die Ortskoordinaten der Teilchenspur 40cm hinter der Target{Region. Zwei weitere Module sind dahinter angeordnet und dienen der Messung der Ablenkung des Teilchens Informationen uber dessen Ladung und Impuls. Die Spurndungsdetektoren besitzen die Form eines Hexagons. Der Aufbau eines solchen Modules ist in Abbildung (2.6) zu sehen. Es besteht jeweils aus zwei hexagonalen Lagen, die gegeneinander um 60o rotiert sind, und liefert somit eine Messung in 2 Projektionen. 2.5. DAS MAGNETSPEKTROMETER 27 Abbildung 2.6: Aufbau eines Modules der Spurndungsdetektoren im Magnetspektrometer 2.5 Das Magnetspektrometer Das Magnetspektrometer hat die Aufgabe, Informationen uber die Ladung und den Impuls von Teilchen zu liefern. Diese Kenntnis ist wichtig fur die Selektion von Kandidaten fur die Signalreaktionen (2.2) anhand der negativen Vorzeichen der Hadronen und der niederenergetischen Muonen, die das Muonspektrometer nicht erreichen. Zu diesem Zweck wurde ein Magnet zwischen Target und Kalorimeter plaziert. An das Design des Magneten sind verschiedene Bedingungen geknupft. Ein Streufeld wurde die Verwendung elektrostatischer Bildverstarker fur die Szintillationsfaser{Hodoskope verbieten und die Spurndung unnotig erschweren. Zur Erhaltung der Akzeptanz der weiter strahlabwarts aufgebauten Detektoren ist die Lange des Magneten begrenzt. Des weiteren ist die Materialmenge, die die Teilchen durchqueren mussen, zu minimieren. Der gepulste hexagonale Magnet (Abbildung (2.7)) wurde unter Einhaltung dieser Bedingungen gebaut. Er besteht aus sechs gleichseitigen Dreiecken mit 1:5m Seitenlange und wurde in einen Zylinder mit 3:6m Durchmesser und 0:75m Tiefe eingepat. Windungen aus dunnen Aluminiumfolien bedecken die 28 KAPITEL 2. DAS CHORUS{EXPERIMENT Seiten der Dreiecke und produzieren ein homogenes Feld in jeder Dreieckssektion parallel zur Auenseite. Das Feld weist keine radiale Abhangigkeit auf. Abbildung 2.7: Der Hexagonalmagnet Das Material an Vorder{ und Ruckseite entspricht weniger als 4% einer Strahlungslange. Die sechs Speichen des Magneten, die sich an der Grenze zweier benachbarter Dreiecke ergeben, sind tote Zonen fur die Impulsrekonstruktion. Bei Mittelung uber alle geladenen Spuren zwischen 2.5 und 10 GeV=c betragt die Akzeptanz des Magneten 85%. Der Magnetstrom ist, der Zeitstruktur des Neutrinostrahles folgend, gepulst. Es wird ein Feld von 0:12 Tesla erreicht. Der Magnet bendet sich in der Kuhlbox. Vor und hinter dem Hexagonalmagneten benden sich 1 bzw. 2 Module der Szintillationsfaserhodoskope (siehe Kapitel (2.4)). Die Impulsauosung pp des Magnetspektrometers ergibt sich aus einem impulsunabhangigen konstanten Term von 22%, zuruckzufuhren auf Vielfachstreuung im durchquerten Material, und einem impulsabhangigen Term resultierend aus dem Magnetfeld und der Megenauigkeit. Der zweite Term wurde bestimmt zu pp = 3:5% p [GeV=c]. 2.6. DAS KALORIMETER 29 2.6 Das Kalorimeter Eine wichtige Methode bei der Selektion von Ereignissen der Signalreaktionen (2.2) gegenuber den Untergrundreaktionen basiert auf der Messung der unsichtbaren Transversalenergie, die durch die Neutrinos davongetragen wird. Mit Hilfe der Impulskorrelationen in der Ebene senkrecht zum Neutrinostrahl ist eine eektive Unterscheidung moglich. Dafur ist die Kenntnis der kinematischen Variablen von groer Wichtigkeit. Diese Aufgabe verlangt eine hohe Energieund Winkelauosung in der Messung des Hadronschauers durch das Kalorimeter. Auch sollten Spuren von Muonen rekonstruierbar und eine Verbindung mit deren Trajektorien in Muonspektrometer und Magnetspektrometer moglich sein. Ein hochauosendes Kalorimeter wurde gebaut, um diese Bedingungen zu erfullen. Die \Spaghetti"{Technologie des Einbettens szintillierender Fasern in eine Bleimatrix [27] wurde zum ersten Mal in groem Mastab angewandt. Der Aufbau ist in Abbildung (2.8) skizziert. Das Kalorimeter besteht aus 3 Sektoren mit abnehmender Granularitat und zunehmender Breite und Hohe, um die Winkelakzeptanz konstant zu halten. Der erste Sektor (EM) dient der Messung der elektromagnetischen Komponente des Schauers, wahrend die anderen beiden Sektoren (HAD1 und HAD2) die Messung der hadronischen Komponente vervollstandigen. Eine Anforderung an das Kalorimeter war gleiches Verhalten in Bezug auf geladene und neutrale Pionen. Dieses wurde durch ein Blei{Szintillator{Volumenverhaltnis von 4:1 realisiert. Fur die Sektoren EM und HAD1 ist die \Spaghetti"{Technologie angewandt worden, HAD2 wurde in \Sandwich"{Form gebaut, da fur die Detektion der Schauer{Auslaufer eine weniger gute Auosung ausreichend ist. Die totale Lange des Kalorimeters betragt 144 Strahlungslangen und 5.2 hadronische Wechselwirkungslangen und beinhaltet 99% eines Schauers, der durch ein 5 GeV=c Pion produziert wurde. Um die zusatzliche Aufgabe der Muonspurrekonstruktion losen zu konnen, wurden Streamerdetektoren zwischen den Lagen des Kalorimeters eingefugt. Die Auosung des Kalorimeters wurde mit Hilfe von Kalibrationsmessungen mit Elektronen und Pionen verschiedener bekannter Energien bestimmt. Die Energieabhangigkeit der Auosung fur elektromagnetische Energie ist: KAPITEL 2. DAS CHORUS{EXPERIMENT 30 Abbildung 2.8: Das Kalorimeter mit seinen drei Sektoren EM, HAD1 und HAD2 (E ) = (13 :8 0:9)% + ( 0:2 0:4)% p E e E (GeV ) und die Auosung fur hadronische Energie ist: (E ) = (32 :3 2:4)% + (1:4 0:7)% p E E (GeV ) Weitere Angaben konnen [28] entnommen werden. (2.4) (2.5) 2.7 Das Muonspektrometer Die Aufgabe des Muonspektrometers ist die prazise Messung von Energie, Richtung und Ladung der Muonen. Es ist hinter dem Kalorimeter aufge- 2.8. DAS TRIGGERSYSTEM 31 baut, welches fast alle Teilchen auer Muonen mit einem Impuls groer als 1:5 GeV=c herausltert. Dies ist insbesondere in Bezug auf die Selektion von Signalereignissen des Muonkanales aus Reaktion (2.2) wichtig. Das CHORUS Muonspektrometer besteht aus sechs zirkular magnetisierten Eisenmodulen mit 375 cm Durchmesser und 7 Spurndungssektionen, 5 zwischen den Magneten und je eine davor und dahinter. Jedes Magnet-Modul besteht aus 20 Eisenscheiben von 2:5 cm Dicke. Vier Kupferwindungen laufen von einem inneren Loch von 8 cm Durchmesser zum Auenradius. Das Magnetfeld im Eisen erreicht im Mittel 1:65 Tesla. Auerdem benden sich in den Raumen zwischen den Scheiben Szintillatorlagen, die alternierend horizontal und vertikal orientiert sind. Diese liefern Triggersignale, komplettieren die Messung von Hadronschauern, die nicht vollstandig im Kalorimeter enthalten sind und ermoglichen die Bestimmung des Impulses fur Muonen, die im Magnetmodul stoppen. Die Spurndungssektionen bestehen jede aus 1 Driftkammer und 8 Streamerdetektorlagen. Jedes Driftkammermodul ist mit 3 Lagen sensitiver Drahte ausgestattet mit den Orientierungen 0o ; +60o und 60o zur Horizontalen. Die Streamerdetektoren haben einen Drahtabstand von 1 cm und zusatzlich 18 mm breite Kathodenstreifen in einem Abstand von 3 mm. Jede Spurndungssektion gibt so die Messung von 19 Koordinaten, die in Kombination einen Raumvektor fur jede Spur ergeben. Der Impuls wird durch einen Fit dieser Mepunkte entlang der Flugbahn des Muons berechnet. Die Impulsauosung des Spektrometers wurde aus Teststrahlmessungen mit negativen Muonen bestimmt und betragt 19% bei 71 GeV=c. [29] 2.8 Das Triggersystem Die Hauptaufgabe des Triggers ist es, alle durch Neutrinos induzierten Ereignisse im Emulsionstarget zu selektieren und Untergrund durch kosmische Strahlung, Muonen aus dem Strahl und Neutrinowechselwirkungen auerhalb des Targets auszuschlieen. Ein Neutrino{Trigger in der Targetregion ist deniert durch die Treer{Koinzidenz in den Hodoskopen E, T und H, welche sich kurz hinter dem Emulsionstarget vor dem Magnetspektrometer (E und T) bzw. hinter dem Magnetspektrometer (H) benden (siehe Abbildung (2.9)). Dies ist konsistent mit einer Teilchenspur, deren Anstieg tan kleiner als 0:25 ist im Vergleich zur 32 KAPITEL 2. DAS CHORUS{EXPERIMENT Neutrinostrahlachse. Die Trigger{Hodoskope bestehen jeweils aus 2 gestaelten Szintillatorlagen. Die Lagen in T und H sind horizontal orientiert und uberdecken eine Flache von (160 160) cm2 bzw. (200 200) cm2. Der vertikal orientierte E{Trigger besteht aus sieben 20 cm breiten Szintillatoren. Durch die Dicke der E{ und T{Hodoskope von nur 1 cm wird der Verlust an Prazision fur die Spurrekonstruktion aufgrund von Vielfachstreuung minimiert. Zwei Meter vor dem Target sind zwei Veto{Hodoskope (V) aufgebaut. Muonen und Ereignisse, die im Betonboden oder vor der Targetregion entstehen, werden so verworfen. Eine sehr gute Zeitauosung ist notwendig, um ruckgestreute Ereignisse nicht zu verlieren. Sie betragt 2 ns . Abbildung 2.9: Anordnung der Trigger{Hodoskope 2.9 Aktueller Stand des Experimentes Das CHORUS{Experiment hat 3 Jahre Datennahme abgeschlossen und in dieser Zeit ca. 5:5 105 geladene{Strom{Reaktionen aufgezeichnet. Es werden weitere ca. 2:2 105 fur 1997 erwartet. In Abbildung (2.10) sind die angestrebte Sensitivitat von CHORUS sowie die aktuellen Ausschlieungsgrenzen fruherer 2.9. AKTUELLER STAND DES EXPERIMENTES 33 Experimente eingezeichnet. Abbildung 2.10: Ausschlieungskurve Nach den ersten beiden Jahren (1994/1995) wurden die Kernspuremulsionen durch neue ersetzt und entwickelt. Die Vorhersagen unter Verwendung des elektronischen Teils des Detektors lieferten die Ausgangsinformation fur die Mikroskope zur Suche nach Ereignissen mit Knicksignatur. Auf diese Weise wurden bisher ca. 10 000 geladene{Strom{Reaktionen untersucht, jedoch kein Kandidat fur die Signalreaktion ! gefunden. Daraus kann fur groe m2 die folgende vorlauge Grenze fur ! Oszillation abgeleitet werden : sin2 2 8 10 3 (90% C:L:): Damit ist bereits die Sensitivitat von CHARM II erreicht. Da erst ein Bruchteil der Ereignisse des muonischen Zerfallskanales untersucht wurde und auch die hadronischen Zerfallsmoden in die Analyse einbezogen werden, scheint die angestrebte Grenze von sin22 2 10 4 erreichbar. Es wurden bisher 15 Ereignisse gefunden, die Kandidaten fur einen muonischen Zerfall des D+{Mesons sind. Ein Beispiel ist in Abbildung (2.11) dargestellt. Die Knicksignatur ist eindeutig zu erkennen und demonstriert, da diese Topologie mit den angewandten Methoden nachweisbar ist. Im elektronischen Teil des Detektors wurden zwei Muonen rekonstruiert, was auf einen Charm{ Zerfall hinweist. KAPITEL 2. DAS CHORUS{EXPERIMENT 34 νµ 0 1000 D+ 2000 3000 4000 µ+ 5000 -500 0 µ− 500 1000 1500 (a) Knicksignatur, gesehen im Emulsionstarget 300 Run Event 1052 3181 16/07/94 21:08:55 PILO 200 EMUL 100 EMU2 RAND 0 STRB -100 TEST -200 PULS E= .7 GeV E = 11.9 GeV Pmu- = 5.9 GeV Pmu+ = 1.2 GeV ALIG CAMB 200 CACC 100 CATT CAQE 0 SPMB -100 SPCC -200 SPTT SPHV -300 -400 -200 0 200 400 600 800 1000 1200 (b) Ereignis im elektronischen Teil des Detektors Abbildung 2.11: Mit dem Mikroskop gesehenes Charm{Ereignis mit Knicksignatur sowie elektronische Detektorinformation Kapitel 3 Charm-Erzeugung in CHORUS 3.1 Untergrund fur das Tau-Signal Im CHORUS{Experiment werden maximal 99 Signalereignisse bei 7:7 105 geladenen{Strom{Reaktionen fur vier Jahre Datennahme erwartet. Dies gilt fur den Fall, da Neutrinooszillationen im Bereich der zur Zeit bestehenden (90% C.L.) Grenzen fur die Parameter von sin2 2 = 5 10 3 und m2 > 40 eV 2 auftreten. Wenn keine Kandidaten beobachtet werden und kein Untergrund existiert, kann die Grenze auf sin2 2 2 10 4 verbessert werden. Deshalb mu der mogliche Untergrund sehr genau bekannt sein. In Tabelle (3.1) sind fur die verschiedenen Zerfallskanale das Verzweigungsverhaltnis (BR), die fur oben genannte Anzahl von CC{Ereignissen und Oszillationsparametern erwartete Zahl der Signalereignisse (NSignal ) sowie die korrespondierende Anzahl der Untergrundereignisse (NBG ) aufgefuhrt. Diese sind dem CHORUS{Proposal [30] entnommen und von 5 105 auf 7:7 105 CC{Ereignisse skaliert worden. Zerfallskanal BR ! ! (n0) ! h h+h (n0 ) Gesamt: 17:4% 49:8% 14:9% 82:1% 35 NSignal 35 45 19 99 NBG 0.42 1.11 1.2 2.73 KAPITEL 3. CHARM-ERZEUGUNG IN CHORUS 36 Die Erkennung der {induzierten Reaktion im CHORUS-Experiment erfolgt in erster Linie anhand der Topologie. Damit erwachst ein potentieller Untergrund aus den Ereignissen, welche auch einen Knick in der negativ geladenen Spur aufweisen und somit als Tau{Zerfall interpretiert werden konnten. Ihr Anteil wird durch zusatzliche Anwendung kinematischer Selektionskriterien verringert [31]. Werden im CHORUS{Experiment Signalereignisse registriert, so mussen Werkzeuge zur Hand sein, die diese mit sehr hoher Sicherheit von Untergrundereignissen abgrenzen. Deshalb ist, obwohl die Anzahl der erwarteten Untergrundereignisse sehr gering ist, eine Untersuchung der verschiedenen Kanale wichtig. Entries Mean RMS 1000 9675 1.671 2.616 800 Eintraege / 0.1 mm Eintraege / 0.1 mm Zu jeder der moglichen Signalreaktionen gibt es spezische Untergrundkanale. Ein bedeutender ist der Zerfall der geladenen D{Mesonen, welche in einer tiefinelastischen geladenen{Strom{Reaktion erzeugt werden. Er spielt fur alle Signalreaktionen mit den entsprechenden Zerfallskanalen eine Rolle. Da die Analyse der von CHORUS bisher aufgezeichneten Ereignisse zuerst den ! Kanal betrit, beziehen sich die folgenden Bemerkungen hauptsachlich auf dessen Untergrund. 500 Entries Mean RMS 400 8794 3.511 5.347 300 600 200 400 100 200 0 0 0 2 4 6 8 10 12 14 Fluglaenge (mm) (a) Fluglange der 0 2 4 6 8 10 12 14 Fluglaenge (mm) (b) Fluglange der D Abbildung 3.1: Flugstrecke der Tau{Leptonen (Signal) und der D{Mesonen (Untergrund) 3.1. UNTERGRUND FU R DAS TAU-SIGNAL 37 Die mittlere Fluglange1 der D {Mesonen betragt ' 3:6mm und liegt in der gleichen Groenordnung wie diejenige fur das Tau{Lepton mit ' 1:7mm. In Abbildung (3.1) ist der Abstand von Entstehungs{ und Zerfallsvertex dieser Teilchen dargestellt.2 Der Zerfall des D+, das in der Wechselwirkung eines Neutrinos entstehen kann, spielt aufgrund des positiven Vorzeichens als Untergrund fur das Tau{ Signal eine untergeordnete Rolle, da selbst in dem Fall, da das primare, negative Muon nicht rekonstruiert wird, das positive Muon zur Identizierung vorhanden ist. Die D {Mesonen allerdings, welche in der geladenen{Strom{Wechselwirkung der Antineutrinos und e aus dem Strahl enstehen, konnen durch ihren Zerfall in ein negatives Muon und ungeladene Teilchen die Signalreaktion des Tau{ Zerfalles in ein negatives Muon und Neutrinos vortauschen. In Abbildung (3.2) ist die Topologie der beiden Zerfalle verdeutlicht. µ (e ) νµ / νe ντ τ µ D µ νµ νµ ντ K0 Abbildung 3.2: Die Signaturen fur Tau{Signal und Charm{Untergrund Der D {Zerfall wird dann falsch als Tau{Zerfall interpretiert werden konnen, wenn das + bzw. das e+ vom Primarvertex nicht nachgewiesen werden. Der Anteil der nicht{identizierten e+ ist mit 50% sehr hoch, die e{Komponente im Strahl ist aber sehr gering. Die Wahrscheinlichkeit, das primare + zu verlieren wahrend das sekundare noch nachgewiesen werden kann, ist 1:9%. Das 1 Der mittlere Impuls des betragt hp i ' 34GeV und der des D ist hpD i ' 21GeV 2 Die Daten sind aus der Jetta{Ereignisdatei gelesen worden, die als Eingabe fur die Detek- torsimulation verwendet werden (siehe auch Anhang A) KAPITEL 3. CHARM-ERZEUGUNG IN CHORUS 38 Verhaltnis R = NUntergrund=NCC fur die beiden Reaktionen [31] ist: eN ! e+ D X nicht detektiert N ! + D X nicht detektiert (neutrale) R = 20 10 8 (neutrale) R = 27 10 8 Der inklusive Zerfall des D{Mesons in ein Muon besitzt ein Verzweigungsverhaltnis von 17:2%, wobei der fur den Untergrund relevante Kanal mit 60% daran beteiligt ist: 2% (neutrale) D 10:! Unter den hier mit \neutrale" bezeichneten Teilchen ist zum einen das Muon-Antineutrino aufgrund der Leptonzahlerhaltung. In 99% der Zerfalle dieses Kanales ist ein K 0 das andere Teilchen. Mit Hilfe des Nachweises des neutralen Kaons konnte damit eine zusatzliche Erkennung des Untergrundes durch Charm{Teilchen versucht werden. 3.2 Charm{Physik Mit der verwendeten Detektortechnologie, den Kernspuremulsionen und dem dahinter angeordneten elektronischen Detektor, ist mit CHORUS nicht nur ein ausgezeichnetes Werkzeug zum Nachweis der Tau-Neutrinos durch deren assoziiertes Lepton gegeben. Die hohe Ortsauosung im Vertexbereich, die mit den Emulsionen erreicht wird, kann auch fur eine Untersuchung anderer kurzlebiger Teilchen, wie Hadronen mit Charm{Quark, verwendet werden. Damit ist ein zusatzliches Forschungsprogramm unabhangig von der Suche nach Neutrinooszillation moglich. In diesem Falle ist eine komplette kinematische 3.3. STRANGENESS-ERZEUGUNG IN EREIGNISSEN MIT CHARM{QUARKS 39 Analyse der Ereignisse wunschenswert. Des weiteren ist mit dem in Kapitel (3.1) erwahnten Zerfallskanal des D+{Mesons in ein Muon, ein Neutrino und ein neutrales Kaon aufgrund der ahnlichen Flugstrecke die Moglichkeit gegeben, die Ezienzen der verschiedenen Selektions{ und Mikroskopierschritte anhand reeller Daten zu studieren. Fur beide Zwecke mussen Kriterien gefunden werden, die eine Selektion von Charm{Ereignissen aus den 7:7 105 geladenen{Strom{Ereignissen erlauben. Die Reaktion N ! D+ X + K 0 (3.1) bietet dazu zwei Moglichkeiten. Die erste, bereits angewandte Methode, ist die Selektion von Ereignissen mit zwei Muonen. Die + besitzen aber eine relativ kleine mittlere Energie von 4 GeV und konnen oft nicht nachgewiesen werden. Eine weitere Erkennungsmoglichkeit ware deshalb wunschenswert. Einen Ansatzpunkt bietet das K 0. Ist dessen Nachweis moglich, dann ist eine Erkennung nicht nur der Reaktion (3.1) erreichbar, sondern auch der Zerfalle anderer Teilchen mit Charm{Quarks. Damit ist neben der Untergrundreduktion eine weitere Motivation vorhanden, die Erzeugnung von Charm{Teilchen im CHORUS{Experiment zu untersuchen. 3.3 Strangeness-Erzeugung in Ereignissen mit Charm{Quarks Die Erzeugung von Charm{Quarks in der tienelastischen (bzw. quasielastischen) Neutrino{Nukleon{Wechselwirkung kann uber die folgenden Prozesse ablaufen: d ! c und s ! c (3.2) und in der Antineutrino{Nukleon{Wechselwirkung uber: d ! + c und s ! + c : (3.3) KAPITEL 3. CHARM-ERZEUGUNG IN CHORUS 40 Die Quark{Eigenzustande der schwachen Wechselwirkung (d0 und s0 ) sind nicht identisch mit denen der starken Wechselwirkung (d und s) und transformieren sich wie folgt: d0 c0 = cos c sin c sin c cos c d ; c (3.4) wobei c 13o der Cabibbo{Winkel ist. Damit sind die Wirkungsquerschnitte fur d{ und d{Quarks proportional zu sin2 c, und die fur s{ und s{Quarks proportional zu cos2c. Im Falle der Neutrinos, Gleichung (3.2), ist der Beitrag von d{ und s{Quark ungefahr gleich, denn die Valenz{d{Quarks besitzen zwar eine groere Wahrscheinlichkeitsdichte gegenuber den See{Quarks, die Reaktion ist jedoch wegen der Proportionalitat zu sin2 c Cabibbo{unterdruckt. Im Falle der Antineutrinos, Gleichung (3.3), verhalt es sich anders, da beide, d{ und s{Quark, aus dem See stammen. Hier dominiert der s{Anteil mit cos2 c gegenuber dem d{Anteil mit sin2 c. See{Quarks entstehen immer als ein qq{Paar, so da bei der Wechselwirkung der Neutrinos mit den s{Quarks stets ein assoziiertes s vorhanden sein wird. Das bedeutet aber auch, da bei der Entstehung von Charm{Teilchen in ungefahr der Halfte der Ereignisse gleichzeitig ein Hadron mit Strangeness S = 1 (fur bzw. ) produziert wird. Bei dem Zerfall von Teilchen mit c (c) Quarks spielt wieder die Cabibbo{ Mischung eine Rolle. Die Kopplung des c (c) an das d (d) Quark ist gegenuber der an das s (s) unterdruckt. Somit uberwiegen die Zerfallskanale mit Strangeness S = 1 im Endzustand fur induzierte Reaktionen und mit S = +1 fur induzierte Charmerzeugungen. Tabelle (3.1) zeigt eine Gegenuberstellung der Anteile an Strangeness{ Teilchen in den geladenen{Strom{Reaktionen einmal ohne Charm{Produktion, einmal nur fur Charm{Ereignisse und fur Charm{Zerfalle mit nur einem geladenen Teilchen. Die Daten sind aus den JETTA{Ereignisdateien gelesen worden (siehe Anhang (A)). In der Tabelle ist mit Primarvertex der Vertex der Neutrino{Wechselwirkung gemeint, wogegen der Sekundarvertex der Zerfall des Teilchens mit c{Quark ist. 3.3. STRANGENESS-ERZEUGUNG IN EREIGNISSEN MIT CHARM{QUARKS 41 Strangeness Erzeugung CC nicht charm 16:8% Primarvertex 54:6% ) 97:1% CC charm 90:1% Sekundarvertex CC D+ ! 1 pos: Teilchen + neutrale 99% K 0 CC D ! 1 neg: Teilchen + neutrale 99% K 0 Tabelle 3.1: Prozentualer Anteil der s{Quarks in CC{Ereignissen Strangeness tritt bei nicht{Charm{Ereignissen nahezu immer paarweise auf und ist relativ selten. Ihr Nachweis wurde sich damit zur Kennzeichnung von Charm eignen, da sie dort in 97% der Ereignisse vertreten ist. Das relative Auftreten der Teilchen mit Strangeness aus dem inklusiven c{Zerfall ist: K0 K K+ 44:4% 48:9% 4:5% 2:3% In 10:7% der Ereignisse ohne Charm tritt ein K 0 bzw. ein K 0 auf. Die neutralen K{Mesonen Die neutralen K{Mesonen, welche in elektromagnetischen, starken oder schwachen Prozessen entstehen konnen, besitzen einen denierten Quarkinhalt: K 0 = ds und K 0 = ds und damit denierte Strangeness S = 1 bzw. S = 1. Sie sind die leichtesten Teilchen mit s{Quarks und konnen, da in der elektromagnetischen und der starken Wechselwirkung S erhalten ist, nur schwach zerfallen. In Experimenten wurden die Zerfalle zweier neutraler Kaonen beobachtet [32], KL0 und KS0 , wobei \L" fur \long", das heit langlebig, und \S" fur \short", kurz- lebig, steht. Sie besitzen verschiedene Lebensdauern und pionische Zerfallsmoden: KL0 ! 3 KS0 ! 2 = 5:17 10 8s = 0:89 10 10s 42 KAPITEL 3. CHARM-ERZEUGUNG IN CHORUS und sind nicht identisch mit den Zustanden der starken Wechselwirkung K 0 = ds und K 0 = ds, sondern sind die Zustande der schwachen Wechselwirkung: jKS0 i = jK10i + jK20 i jKL0 i = jK20i + jK10 i : Dabei ist: jK10i = jK20i = p1 (jK 0 i jK 0 i) 2 p1 (jK 0 i + jK 0 i) : 2 und CPjK10 i ! CPjK20 i ! jK10 i jK20 i Mit 6= 0 werden Zerfalle beschrieben, welche CP{verletzend sind. Darauf soll hier nicht weiter eingegangen werden, Naheres kann zum Beispiel in [33] nachgelesen werden. Der angegebene 40%{ige Anteil der K 0 an den Zerfallsprodukten der Charm{ Teilchen teilt sich also zu je 50% auf die KL0 und KS0 auf. Durch ihre sehr unterschiedliche Zerfallslange werden fur beide Teilchenarten verschiedene Nachweismethoden verwendet werden mussen. Die im Folgenden besprochene Untersuchung beschrankt sich auf die Erkennung der KS0 {Komponente im CHORUS{ Detektor. Kapitel 4 Grundlagen der Analyse 4.1 Auswahl des Zerfallskanales Das KS0 besitzt eine kurze Lebensdauer und wird im CHORUS{Detektor das Kalorimeter nur in den seltensten Fallen erreichen. Als neutrales Teilchen ist es in den anderen Detektorteilen nicht direkt nachweisbar. Es besitzt zwei Zerfallsmoden: Ks0 ! + Ks0 ! 0 0 68:6% 31:4% : (4.1) Der Nachweis des Zerfalls in zwei neutrale Pionen ist wiederum wegen der Neutralitat nicht direkt oder nur sehr schwer moglich. Die Entstehung der geladenen Pionen bietet die Moglichkeit des indirekten KS0 {Nachweises. Dies ist ein 2{Korper{Zerfall, weshalb die beiden Pion{Spuren ein \V" bilden und in einer Ebene mit dem Entstehungsvertex des KS0 liegen. In Abbildung (4.1) sind die Impulsverteilungen und die Flugstrecken der Kaonen vom Primarvertex und vom Zerfall der Charm{Teilchen dargestellt. Letztere besitzen im Mittel einen groeren Impuls, iegen demzufolge auch weiter, bevor sie zerfallen. Es interessieren nur die Neutrinowechselwirkungen, welche in den Emulsionsstapeln stattnden. An den Verteilungen der Flugstrecken der Kaonen ist zu erkennen, da ein Hauptteil von ihnen noch innerhalb der Targetregion (Ausdehnung ca. 70cm) zerfallen wird. Es soll untersucht werden, inwiefern man KS0 anhand ihrer Zerfalle in zwei geladene Pionen nachweisen kann. 43 Eintraege / 0.5 GeV Entries Mean RMS 250 1977 5.364 6.354 200 Eintraege / 0.5 GeV KAPITEL 4. GRUNDLAGEN DER ANALYSE 44 30 Entries Mean RMS 25 360 7.471 7.824 20 150 15 100 10 50 5 0 0 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 p (GeV/c) 0 250 Entries Mean RMS 200 1977 28.82 34.14 10 15 20 25 30 35 40 45 p (GeV/c) (b) KS0 {Impuls am Sekundarvertex Eintraege / 2.5 cm Eintraege / 2.5 cm (a) KS0 {Impuls am Primarvertex 5 30 Entries Mean RMS 25 360 40.20 42.07 20 150 15 100 10 50 5 0 0 0 25 50 75 100 125 150 175 200 225 250 Zerfallslaenge (cm) (c) Flugstrecke des KS0 vom Primarvertex 0 25 50 75 100 125 150 175 200 225 250 Zerfallslaenge (cm) (d) Flugstrecke des KS0 vom Sekundarvertex Abbildung 4.1: Impuls und Flugstrecke der Kaonen vom Primarvertex und von Charm{Zerfallen 4.2. DAS SENSITIVE VOLUMEN 45 4.2 Das sensitive Volumen Das Monte{Carlo{Ensemble1 Fur die Analyse mu ein ausreichendes Ensemble von simulierten Ereignissen zur Verfugung stehen. Als Grundlage diente ein JETTA{File mit {induzierten geladenen{Strom{Reaktionen, jedoch angereichert mit KS0 sowohl in Charm{ als auch in nicht{Charm{Ereignissen. Es ist somit kein reprasentatives Ensemble vergleichbar mit den vom CHORUS{Detektor aufgezeichneten Daten, genugt jedoch, um die Rekonstruktion und Topologie der KS0 {Zerfalle zu studieren. Die Detektorsimulation erfolgte mit EFICASS; alle Vertices der Neutrino{ Wechselwirkung wurden in den vier Emulsionsstapeln erzeugt. Die Schwelle fur das Schreiben der Banke fur ein Teilchen mit den Informationen der Monte{ Carlo{\Wahrheit" ist auf 500MeV gesetzt worden. Die Simulation beinhaltet nur den vorderen Teil des Detektors bis zum Eintritt der Teilchen in das Kalorimeter. Die Grundlage der Analyse wird gebildet von 3247 Ereignissen, deren Primarvertex mit Hilfe der Standard{CHORUS{Routine rekonstruiert wurde. Der sensitive Bereich STACK 1 STACK 2 STACK 3 STACK 4 π π o Ks µ ν µ Emulsion Szintillations-Faser-Hodoskope Zerfallsvolumen 60 cm Abbildung 4.2: Die Target{Region 1 Zu den Bezeichnungen der Programme und dem grundsatzlichen Ablauf der Simulationen in CHORUS siehe auch Anhang A KAPITEL 4. GRUNDLAGEN DER ANALYSE 46 In dem Ensemble der 3247 Ereignisse gibt es 3992 KS0 , die sowohl vom Primarvertex als auch vom Zerfall des c{Quarks kommen konnen. Anhand ihrer Zerfalle rekonstruierbar waren nur diejenigen, die innerhalb der Targetregion zerfallen und deren Tochterteilchen die notwendige Anzahl von Treern in den Szintillationsfaser{Hodoskopen erzielen. Ein Teilchen mu, damit seine Spur rekonstruiert werden kann, mindestens drei der Module der Target{ Spurndungsdetektoren durchqueren. Damit kann ein sensitives Volumen deniert werden, innerhalb dessen das zu ndende KS0 zerfallen (oder wechselwirken) mu, und zwar folgendermaen: Eintraege / 3cm transversal y; z 75 cm longitudinal x 30 cm : Entries Mean RMS 250 3992 30.33 52.04 200 150 100 50 0 0 50 100 150 200 250 Position (cm) Abbildung 4.3: Die Position der Kaon{Vertices in longitudinaler Richtung und der Schnitt durch die Begrenzung des sensitiven Volumens In Abbildung (4.2) ist durch eine Box die Begrenzung dieses Bereiches angedeutet. 62% der Kaonen genugen diesen Bedingungen. In Abbildung (4.3) ist die Verteilung der Zerfallsvertices der KS0 gezeigt und der Eekt des Schnittes 4.2. DAS SENSITIVE VOLUMEN 47 angedeutet. Darin ist x = 0 die Mitte der Targetregion zwischen drittem und viertem Emulsionsstapel und die vier Maxima in der Verteilung stehen im Zusammenhang mit den vier Emulsionsstapeln, in denen die Kaonen entstehen. Von den Kaonen innerhalb des sensitiven Bereiches zerfallen 37:5% in zwei geladene Pionen. Dies ist das Ensemble der Ereignisse, auf die sich die weiteren Schritte beziehen werden2 . Unter den zur Verfugung stehenden Ereignissen sind 20 D+ ! + KS0 , wovon 14 Kaonen im sensitiven Volumen und 5 davon in zwei geladene Pionen zerfallen. Aufgrund der geringen Statistik wird dieses Ensemble nicht weiter getrennt betrachtet. 2 Die Ereignisse wurden auch betrachtet, ohne die Rekonstruktion der Primarvertices vor- auszusetzen und ohne die Restriktion im Zerfallsort der Kaons. Dann kann man die Aufteilung folgendermaen zusammenfassen: von 4250 Ereignissen stammen 4833 Kaonen, von denen 43:9% in + und 20% in 0 0 zerfallen, 8:1% hadronisch wechselwirken und in 28% der Ereignisse besitzt das eine Pion einen Impuls kleiner als 500MeV , weshalb die MC{Banke nicht geschrieben werden. 48 KAPITEL 4. GRUNDLAGEN DER ANALYSE Kapitel 5 Rekonstruktion der Kaon{Vertices 5.1 Ezienz der Vertexrekonstruktion Fur die Rekonstruktion der Vertices des Zerfalles der neutralen kurzlebigen Kaonen konnten die vorhandenen Routinen des Rekonstruktions{ und Analysepaketes CHORAL verwendet werden. Eine Bestimmung von Ezienzen fur die Rekonstruktion von Sekundarvertices wurde bisher noch nicht durchgefuhrt. Auf Grundlage der vorhanden Monte{ Carlo{Daten muten somit zuerst Bedingungen deniert werden, unter denen ein Vertex als gefunden bezeichnet werden soll. Zum Vergleich wurden die Vertexpositionen der Monte{Carlo{\Wahrheit" und der Rekonstruktion verwendet. Es wurden die wahren Vertexpositionen mit allen rekonstruierten Sekundarvertices verglichen, von denen zwei geladene Tochterspuren ausgehen. In Abbildung (5.1) sind die Positionen rekonstruierter Vertices im Vergleich zu den durch die Monte{Carlo{Information vorgegebenen Positionen des KS0 {Zerfallsvertex fur die Ebenen senkrecht zur Strahlrichtung (y,z) und in Strahlrichtung (x) gezeigt. Die Verteilungen sind durch Mefehler und durch unkorrelierte Spuren gekennzeichnet. Um den KS0 {Zerfall von U berlagerungen unkorrelierter Spuren zu trennen, wurden folgende Schnitte eingefuhrt: transversal (y; z) 0:2 cm longitudinal (x) 1 cm : 49 Eintraege / 0.01 cm 14 12 Entries Mean RMS Eintraege / 0.01 cm KAPITEL 5. REKONSTRUKTION DER KAON{VERTICES 50 225 -.7933E-02 .1644 10 12 8 6 6 4 4 2 2 0 -0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 Differenz (cm) Eintraege / 0.04 cm (a) Dierenz der y{Koordinaten 225 -.7311E-02 .1736 10 8 0 -0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 Entries Mean RMS 14 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 Differenz (cm) (b) Dierenz der z{Koordinaten 12 Entries Mean RMS 10 225 .3867E-01 .8416 8 6 4 2 0 -2 -1.5 -1 -0.5 0 0.5 1 1.5 2 Differenz (cm) (c) Dierenz der x{Koordinaten (Strahlrichtung) Abbildung 5.1: Vergleich der longitudinalen (x) und transversalen(y,z) Vertex{ Koordinaten fur wahre (MC) und rekonstruierte Positionen. Die eingezeichneten Linien zeigen die gewahlten Schnitte 5.1. EFFIZIENZ DER VERTEXREKONSTRUKTION 51 Nach diesen Schnitten wurden 15% der Zerfallsvertices der KS0 rekonstruiert. Ein Beispiel ist in Abbildung (5.2) gezeigt. Der im Emulsionstarget (graue Balken im Bild) rekonstruierte Primarvertex ist mit einem Kreuz gekennzeichnet. Der zweite Vertex stammt vom Zerfall des KS0 in zwei geladene Pionen, deren Spuren das typische \V" bilden und auf den Primarvertex weisen. Projection Y Run 60001 Event cm 101 4 70 67.5 65 62.5 60 57.5 55 52.5 50 2 -15 -10 -5 0 5 10 15 20 cm Abbildung 5.2: Ein rekonstruierter Vertex des Zerfalles KS0 ! + Eine Ezienz von 15% fur die Kaonen erscheint sehr gering verglichen mit einer Ezienz von 80% fur das Aunden der Primarvertices, wobei die gleichen Schnitte in der Position verwendet wurden. Im weiteren soll eine Erklarung fur diese Diskrepanz und daraus folgend eine bessere Moglichkeit der Rekonstruktion gesucht werden. 52 KAPITEL 5. REKONSTRUKTION DER KAON{VERTICES 5.2 Rekonstruktionsezienz der Pion{Spuren Eine Ursache fur die schlechte Rekonstruktion der Kaon{Vertices kann in der Spurrekonstruktion liegen. Um dies festzustellen, sollten zunachst die Routinen der Vertexrekonstruktion ausgeschaltet werden. Die Monte{Carlo{Informationen zu den Teilchenparametern der Pionen vom KS0 {Zerfall wurden mit den Parametern aller rekonstruierten 3{dimensionalen Spuren verglichen. Die hier zur Verfugung stehenden Groen sind die Anstiege ay und az sowie die Absolutwerte by und bz der Spuren in beiden transversalen Projektionen. Zum Vergleich der Anstiege der Spuren wurden die Dierenzen zwischen Monte{Carlo und rekonstruierten Anstiegswerten wie folgt berechnet: a = q aMC y 2 areko + (aMC y z 2 areko z ) Die Absolutwerte der Teilchenspuren sind die y{ und z{Koordinaten der Extrapolation auf x = 0. Um den Fehler durch Extrapolation uber lange Strecken zu minimieren, wurden die Absolutwerte auf die aus der Monte{Carlo{Information bekannte longitudinale Position des Kaon{Zerfallsvertex extrapoliert und mit den wahren Werten verglichen. Fur die y{Koordinate bedeutet das: MC + breko y = yreko yMC = areko y x y yMC Die Werte fur die z{Koordinate ergeben sich analog. In Abbildung (5.3) sind die Ergebnisse dieser Vergleiche dargestellt. Die Schnitte wurden wie folgt gewahlt: a = 0:03 rad y = z = 0:2 cm Sie sind in Abbildung (5.3) angedeutet. Auf dieser Grundlage wurde die Ezienz der Rekonstruktion der einzelnen Pionspuren untersucht. Das Impulsspektrum aller geladenen Pionen vom Zerfall des KS0 ist in Abbildung (5.4 a) gezeigt. Zu beachten ist, da im Bereich von 0 bis 0:5GeV keine Eintrage zu nden sind, da dort die Monte{Carlo{Banke aus Grunden des Speicherplatzes nicht gefullt werden. Eintraege / mrad 5.2. REKONSTRUKTIONSEFFIZIENZ DER PION{SPUREN 53 45 Entries Mean RMS 40 35 1311 18.65 14.56 30 25 20 15 10 5 0 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 Differenz (mrad) 70 60 Entries Mean RMS 1311 -.1480E-02 .1363 50 40 Eintraege / 0.008 cm Eintraege / 0.008 cm (a) Dierenz der Anstiege (a) 70 60 Entries Mean RMS 1311 -.5950E-03 .1357 50 40 30 30 20 20 10 10 0 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 Differenz (cm) (b) Oset in y{Richtung (y) 0 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 Differenz (cm) (c) Oset in z{Richtung (z ) Abbildung 5.3: Dierenzen der Spurparameter fur Pionen von Kaon{Zerfall. Die gewahlten Schnitte sind mit Hilfe der senkrechten Linien angedeutet. Eintraege / 0.5 GeV/c Entries Mean RMS 500 1852 2.581 2.783 400 Eintraege / 0.5 GeV/c KAPITEL 5. REKONSTRUKTION DER KAON{VERTICES 54 250 Entries Mean RMS 200 1074 2.831 2.897 150 300 100 200 50 100 0 0 0 2.5 5 7.5 10 12.5 15 17.5 20 22.5 25 p (GeV/c) (a) Impuls aller Pionen vom KS0 0 2.5 5 7.5 10 12.5 15 17.5 20 22.5 25 p (GeV/c) (b) Impuls rekonstruierter Pionen vom KS0 Abbildung 5.4: Impuls der Pionen Die Impulsverteilung der rekonstruierten Pionen zeigt Abbildung (5.4 b). Aus beiden Verteilungen wurde die Ezienz der Spurrekonstruktion durch Division berechnet. In Abbildung (5.5) ist diese integriert uber den Bereich bis zu dem jeweiligen Impuls und maximal bis 20GeV dargestellt. Es ist zu erkennen, da die Rekonstruierbarkeit mit dem Impuls zunimmt. Insgesamt wurden fur 58% (= P1Spur ) der aus dem Zerfall des KS0 stammenden + und die Spuren gefunden. Aus der Monte{Carlo{Simulation geht hervor, da 12% der Pionen mit dem Material in der Targetregion wechselwirken und deshalb nicht rekonstruiert werden konnen. Die Halfte davon wird in den Kernspuremulsionen absorbiert.1 Weitere 3% entweichen seitlich aus dem Detektor. 1 Die hadronische Wechselwirkungslange von Neutronen bzw. Protonen in der Emulsi- on ist 39:5 cm. Fur Pionen ergibt sich wegen = A=(N ) (N...Avogadrokonstante und A...Massenzahl), indem man Wirkungsquerschnitte fur 5GeV Protonen und Pionen einsetzt [34], p 3549:5mb mb = 54:8 cm. Da die Pionen im Mittel ca. 3 cm Emulsion durchqueren, kann die Absorptionswahrscheinlichkeit mit 5:3% abgeschatzt werden. Effizienz 5.3. REKONSTRUKTIONSEFFIZIENZ DER KS0 {VERTICES 55 0.6 0.55 0.5 0.45 0.4 0.35 0.3 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 p (GeV/c) Abbildung 5.5: Integrierte Ezienz der Rekonstruktion von Pion{Spuren Die fur die Erkennung des Kaons relevante Zahl ist die Ezienz fur das Aunden beider Pionspuren. Diese betragt P2Spur = 38%. Fur vollkommen unkorrelierte Spuren wurde man als Ezienz P2Spur = (P1Spur )2 = 33% erwarten, fur maximale Korrelation P2Spur = P1Spur = 58%. In Ereignissen mit hoher Spurmultiplizitat oder fur KS0 sehr geringer Energie ist die Wahrscheinlichkeit der Spurrekonstruktion fur beide Pionen sehr gering. In klaren Ereignissen mit wenigen Spuren und fur hohe KS0 {Energien ist zu erwarten, da bei einer gefundenen Spur auch die zweite mit hoher Wahrscheinlichkeit rekonstruiert wird. In diesem Sinne besteht eine Korrelation zwischen den beiden Spuren und die Wahrscheinlichkeit P2Spur ist deshalb nicht das Produkt der Einzelezienzen. 5.3 Rekonstruktionsezienz der KS0 {Vertices Mit dem Ergebnis des vorherigen Abschnittes ist ein Teil der Verluste bei der Rekonstruktion der Zerfallsvertices der KS0 durch Verluste bei der Pionspurndung erklarbar. Auf den gefundenen Spuren der Pionen aufbauend mussen dann die Vertices rekonstruiert werden. Der erste Schritt dieser Prozedur ist der Vergleich der gefundenen 3{ dimensionalen Spuren anhand der Berechnung des minimalen Abstandes eines Spurpaares. Dafur wird fur die 2{Spur{Kombinationen die mogliche Vertexposition bestimmt. In der dazu vorhandenen Routine des CHORAL{Programmes betragt der Schnitt fur den minimalen Abstand 0:2cm. Die Moglichkeit, da dieser zu streng ist und dadurch ein Teil der Vertices verlorengeht, wurde nicht 56 KAPITEL 5. REKONSTRUKTION DER KAON{VERTICES Eintraege / 0.002 cm bestatigt. In Abbildung (5.6) ist zu erkennen, da der minimale Abstand der Spuren kleiner als 0:2cm ist. Deshalb wurde dieser Schnitt weiter verwendet. Entries Mean RMS 100 1436 .3761E-01 .3034E-01 80 60 40 20 0 0 0.05 0.1 0.15 0.2 0.25 0.3 Abstand (cm) Abbildung 5.6: Minimaler Abstand zweier Spuren Die bestimmten Vertexpositionen wurden wieder mit den Kaon{Vertices aus der Monte{Carlo{Information verglichen. Die hierfur verwendeten Parameter und Schnitte sind die gleichen wie die in Abschnitt (5.1) beschriebenen. Mit dieser Methode erhalt man fur die Rekonstruktion der Vertices des KS0 eine Ezienz von 33%, also mehr als eine Verdoppelung zu den ursprunglichen 15%. Ein Teil der Diskrepanz zwischen den Ergebnissen beider Methoden kann wie folgt erklart werden. Die CHORAL{Vertexrekonstruktion wurde fur das Aunden der primaren Vertices der Neutrinowechselwirkung in den Emulsionen optimiert. Deshalb werden Vertices, die sich im Target und am meisten strahlaufwarts benden, bevorzugt. Oft wird fur Kaonen, die kurz hinter dem Primarvertex zerfallen, eine der Spuren zu diesem dazugezahlt und die andere verworfen. Dies erklart 40% der Verluste. Des weiteren werden auch Spuren zu anderen Sekundarvertices hinzugefugt. Kapitel 6 Identizierung der KS0 In diesem Kapitel soll die Moglichkeit untersucht werden, das KS0 anhand topologischer Kriterien zu erkennen. Dabei stehen die rekonstruierten Vertices sowie die Spuren der Pionen zur Verfugung. 6.1 Selektionskriterien Der Zerfall KS0 ist ein 2{Korper{Zerfall, fur die beiden Pionen gilt deshalb im Ruhesystem des Kaons: p~+ = p~ . Das Kaon besitzt jedoch einen Impuls, π+ K so π− Abbildung 6.1: Topologie des 2{Korper{Zerfalles des KS0 weshalb diese Eigenschaft im Laborsystem nicht mehr gilt. Beide Pionen und 57 KAPITEL 6. IDENTIFIZIERUNG DER KS0 58 das KS0 liegen jedoch in einer Ebene (siehe Abbildung (6.1)), und die auf eine Ebene senkrecht zur KS0 {Flugrichtung projizierten Pionspuren schlieen den Winkel ein. 300 Entries Mean RMS 250 327 3.085 .2005 200 150 Eintraege / 0.05 rad Eintraege / 0.05 rad Die Spurrekonstruktion auf Grundlage der Szintillationsfaser{Detektoren kann den Abstand zwischen dem Vertex der Neutrinowechselwirkung und einem Sekundarvertex des Zerfalles kurzlebiger Teilchen nicht auosen, als Information steht nur die rekonstruierte Primarvertexposition zur Verfugung. Damit ist hier keine Moglichkeit der Unterscheidung von KS0 vom Primarvertex gegenuber denen aus dem Zerfall der Charm{Teilchen gegeben. Fur die Berechnung der Richtung des Kaons wurde deshalb immer die Dierenz zwischen Primar{ und KS0 {Zerfallsvertex verwendet. Die aus den Werten der Monte{Carlo{"Wahrheit" gewonnene Verteilung ist in Abbildung (6.2 a) zu sehen. Ein deutliches Maximum um den Winkel ist zu erkennen, sowie kleine Abweichungen aufgrund der beschriebenen Ungenauigkeit. 40 Entries Mean RMS 35 327 2.532 .7459 30 25 20 15 100 10 50 5 0 0 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 Winkel (rad) (a) Winkelverteilung fur Monte{Carlo{ Werte 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 Winkel (rad) (b) Winkelverteilung fur rekonstruierte Werte Abbildung 6.2: Winkel zwischen den beiden Projektionen der Pionspuren Verwendet man sowohl fur die Vertices als auch fur die Pionspuren die Werte aus der Rekonstruktion (siehe Abbildung (6.2 b)), so ergeben Auosungseekte des Detektors eine Verbreiterung der Verteilung. Das Maximum um den Winkel 6.2. ANWENDUNG DER SELEKTIONSKRITERIEN 59 ist zu erkennen, jedoch deutlich weniger abgegrenzt. Eintraege / 1 cm Eine weitere Moglichkeit der Abgrenzung des KS0 {Zerfalles gegenuber anderen rekonstruierten Vertices kann mit Hilfe der typischen Zerfallslange versucht werden. In Abbildung (6.3) ist diese fur die rekonstruierten Kaonen dargestellt. Durch die Bedingung, da die Vertices rekonstruiert wurden, entspricht die Verteilung nicht mehr der in Abschnitt (4.1) dargestellten Flugstrecke und ist zugunsten kleiner Distanzen verschoben. 40 Entries Mean RMS 35 327 9.540 11.15 30 25 20 15 10 5 0 0 10 20 30 40 50 60 Flugstrecke (cm) Abbildung 6.3: Zerfallslange des KS0 6.2 Anwendung der Selektionskriterien In dem fur die bisherigen Studien verwendeten Ensemble von Ereignissen, die mindestens ein KS0 enthalten, wurden 327 Kaon{Vertices rekonstruiert. Mit Hilfe der Anwendung der genannten Selektionskriterien mussen diese aus einem Untergrund von 3183 Ereignissen selektiert werden, in denen Vertices aus Kombinationen zweier rekonstruierter Spuren gebildet werden. In Tabelle (6.1) sind die Auswirkungen dreier verschiedener Schnitte bezuglich des Projektionswinkels der beiden Teilchenspuren sowohl fur das Kaon als auch fur die falschen Kombinationen dargestellt. Es ist zu erkennen, da eine KAPITEL 6. IDENTIFIZIERUNG DER KS0 60 Zahl der Ereignisse Projektionswinkel alle > 2:7 rad > 2:8 rad > 2:9 rad KS0 327 211 191 157 64% 58% 48% falsche Kombinationen 3183 2374 74% 2257 71% 2075 65% Tabelle 6.1: Resultate der angewandten Schnitte fur den Projektionswinkel (rekonstruierte Position des Primarvertex verwendet) Zahl der Ereignisse Projektionswinkel alle > 2:7 rad > 2:8 rad > 2:9 rad KS0 327 242 214 188 74% 65% 57% falsche Kombinationen 3183 2310 73% 2180 68% 2024 64% Tabelle 6.2: Resultate der angewandten Schnitte fur den Projektionswinkel (Monte{Carlo{Position des Primarvertex verwendet) signikante Reduktion der falschen Kombinationen nicht erfolgt, diese Schnitte sogar starker auf die relative Anzahl der KS0 wirken. In Tabelle (6.2) wurde anstelle der rekonstruierten Vertexposition die Monte{Carlo{Position verwendet. Dies ist dadurch motiviert, da nach dem Scannen der Emulsionen die Position des Vertex mit einer weit hoheren Genauigkeit (m gegenuber mm) bekannt sein wird. Dennoch ist der Eekt nur leicht verbessert. Aus der Flugstrecke der KS0 , Abbildung (6.3), kann man die Forderung ableiten, da der Abstand des Sekundarvertex vom Primarvertex weniger als 20cm betragen soll. Wendet man dies an, so uberleben 284 KS0 (87%), aber auch 3156 falsche Kombinationen (99%). Im weiteren wird, da kein Eekt der Reduktion falscher Kombinationen erreicht wird, diese Moglichkeit nicht mehr betrachtet. 6.2. ANWENDUNG DER SELEKTIONSKRITERIEN 61 Eine groe Anzahl von falschen Kombinationen tritt in Ereignissen mit einer hohen Spurmultiplizitat auf. Es soll deshalb versucht werden, eine Reduktion dieser Kombinationen mit Hilfe von Isolationskriterien fur die einzelnen Spuren zu erreichen. Dazu wurde ein Routine verwendet, die fur jede Spur die Anzahl der isolierten Spurelemente einmal in den Projektionen Y; Y ; Y + und in den Projektionen Z; Z ; Z + berechnet. Die Isolation ist deniert durch einen minimalen Abstand von 0:2 cm, in dem ein weiteres Spurelement, das zu einer anderen Spur gehort, vorhanden sein darf. Maximal sind pro Spur und Projektion 8 isolierte Spurelemente moglich. Tabelle (6.3) zeigt die Ergebnisse der Anwendung des Schnittes fur die Isolation fur Kaonen und falsche Kombinationen fur 2, 3 und 4 isolierte Spurelemente beider Pionen. Zahl der Ereignisse Isolation (in y und z) keine >2 >3 >4 KS0 327 205 131 82 63% 40% 25% falsche Kombinationen 3183 2875 90% 2320 73% 1781 56% Tabelle 6.3: Resultate der angewandten Schnitte fur die Isolation Auch hier ist zu erkennen, da der Schnitt starker die KS0 {Vertices betrit als die falschen Vertices. Betrachtet man in Kombination sowohl die Anwendung des Schnittes in dem Projektionswinkel (fur rekonstruierte Vertices) als auch die Isolationskriterien, so ergeben sich die in Tabelle (6.4) angegebenen Werte. KAPITEL 6. IDENTIFIZIERUNG DER KS0 62 Zahl der Ereignisse KS0 Isolation Projektionswinkel > > > > 3 3 4 4 > > > > 2:8 rad 2:9 rad 2:8 rad 2:9 rad 327 74 65 42 36 23% 20% 13% 11% falsche Kombinationen 3183 732 23% 596 19% 363 11% 298 9% Tabelle 6.4: Resultate der angewandten Schnitte fur die Isolation und Projektionswinkel (rekonstruierte Werte fur Primarvertex) Zahl der Ereignisse KS0 Isolation Projektionswinkel > > > > > 3 3 4 4 5 > > > > > 2:8 rad 2:9 rad 2:8 rad 2:9 rad 21 13 10 12 10 62% 48% 57% 48% falsche Kombinationen 3419 990 29% 802 23% 607 18% 482 14% 2:9 rad 5 24% 277 8% Tabelle 6.5: Resultate der angewandten Schnitte fur die Isolation und Projektionswinkel fur CC{Ereignisse (rekonstruierte Werte fur Primarvertex) 6.2. ANWENDUNG DER SELEKTIONSKRITERIEN 63 Die bisherigen Daten wurden aus dem mit KS0 angereicherten Daten{ Ensemble gewonnen. Dieses ist jedoch in Bezug auf die Zusammensetzung der Ereignisse nicht vergleichbar mit den vom CHORUS{Detektor aufgezeichneten Daten. Deshalb wurden die Schnitte auch auf ein Ensemble von 3599 CC{ Ereignissen angewandt. Dieses beinhaltet 61 KS0 , welche im sensitiven Volumen in zwei geladene Pionen zerfallen und von denen 21 Vertices rekonstruiert wurden. Diesen stehen 3419 Ereignisse mit falschen Kombinationen gegenuber. Die Ergebnisse sind in Tabelle (6.5) zusammengefat. Schlufolgerung Fur die Rekonstruktion der Vertices des Zerfalles KS0 ! + wurde eine Ezienz von 33% erreicht. Fur eine Kennzeichnung von Ereignissen, die diesen Zerfall des KS0 beinhalten, existiert ein groer Untergrund bestehend aus Kombinationen anderer Spuren zu Vertices. Es wurde nach Moglichkeiten gesucht, diesen signikant zu reduzieren. Auch nach der Anwendung verschiedener Schnitte an einem CC{Ensemble wird deutlich, da eine Kennzeichnung von Ereignissen, in denen ein KS0 in zwei geladene Pionen zerfallt, mit den verwendeten Mitteln nicht moglich ist. Die Bestimmung des Impulses bzw. der Ladung der Pionen konnen eine zusatzliche Information sein, um das Problem des Untergrundes zu losen, war jedoch keine Aufgabe im Rahmen dieser Arbeit. 64 KAPITEL 6. IDENTIFIZIERUNG DER KS0 Zusammenfassung Die Zielsetzung dieser Arbeit war es, die Moglichkeit des Nachweises von KS0 im CHORUS{Detektor anhand des Zerfallskanales KS0 ! + zu untersuchen. Die neutralen kurzlebigen Kaonen sollten als Hilfsmittel zur Reduktion des Untergrundes fur den muonischen Zerfall des Tau{Leptons, dem inklusiven Zerfall des D {Mesons in ein , verwendet werden und als zusatzliche Information zur Analyse von Charm{Ereignissen dienen. In 13:5% der inklusiven c{Zerfalle und speziell in 34% der inklusiven Zerfalle eines D{Mesons in ein geladenes Teilchen tritt der Zerfall KS0 ! + auf. Fur Ereignisse ohne Charm{Quarks trit dies nur auf 3:4% zu. Es wurde festgestellt, da die Ezienz fur die Rekonstruktion des Vertex 0 KS ! + mit Hilfe der Standardroutinen sehr gering ist, und es wurde eine Moglichkeit gefunden, diese von 15% auf 33% zu verbessern. Fur die Abgrenzung der Zerfalle des KS0 gegenuber dem Untergrund aus Kombinationen anderer Spuren wurde jedoch kein Mittel gefunden. 65 Anhang A Monte-Carlo-Simulation / Analysepaket NeutrinostrahlSimulation EreignisGenerator DetektorSimulation Daten von CHORUS simulierte Daten Programmpaket zur Datenanalyse Abbildung A.1: Die Monte-Carlo-Simulation fur CHORUS 67 68 ANHANG A. MONTE-CARLO-SIMULATION / ANALYSEPAKET Die Monte-Carlo-Simulation erfolgt in drei Schritten. An erster Stelle steht die Simulation des Neutrinostrahles mit dem Programm GBEAM. Hierin werden die Protonen im Be{Target zur Wechselwirkung gebracht, Mesonproduktion und deren Zerfall simuliert. Die Simulation resultiert in einem Neutrino, dessen Flavour, der Position des Erzeugungsvertex sowie Energie{ und Richtungsinformationen. Der Ereignisgenerator { JETTA { simuliert fur alle drei Neutrinoarten (e ; ; ) die physikalischen Prozesse der tienelastischen Neutrino{Nukleon{ Wechselwirkung. Man erhalt Informationen uber die entstandene Teilchenart, Impulse, Energien und Vertexpositionen relativ zum Primarvertex. Das Programm der Detektorsimulation heit EFICASS. Es werden die Wechselwirkungen der Teilchen im CHORUS{Detektor simuliert, der Vertex in Abhangigkeit von der Materialdichte plaziert sowie Auosungseekte berucksichtigt. Die Detektorantwort in Form elektronischer Signale wird im selben Format abgespeichert wie die reellen, vom CHORUS{Detektor aufgezeichneten Ereignisse. Zusatzlich steht noch die Monte{Carlo{\Wahrheit" des physikalischen Ereignisses zur Verfugung. Das Programmpaket zur Datenrekonstruktion und Datenanalyse ist CHORAL { CHorus Oine Reconstruction and Analysis Library. Es beinhaltet die Pakete zur Rekonstruktion der Ereignisse (bzw. Spuren) in den einzelnen Detektorkomponenten und verschiedene Analyseprogramme, die vom Benutzer teilweise unabhangig ausgewahlt werden konnen. Des weiteren konnen personliche Programme in diese Struktur eingebunden werden. Literaturverzeichnis [1] W. Pauli, \On the earlier and more recent history of the neutrino", published in K. Winter, Editor, Neutrino physics, Cambridge University Press, (1991) [2] C. Cowan, F. Reines, F. Harrison, H. Kruse and A. McGuire, Science 124, (1956), 103 [3] F. J. Hasert et al., Phys. Lett. B 46, (1973), 121, 138 [4] G. Danby, J. M. Gaillard, K. Goulianos, L. Lederman, N. Mistry, M. Schwartz and J. Steinberger, Phys. Rev. Lett. 9, (1962), 36 [5] M.L. Perl et al., Phys. Lett. B 63, (1976), 466 M.L. Perl et al., Phys. Rev. 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Patzak, Doktorarbeit, Humboldt-Universitat zu Berlin, (1995) [30] CHORUS Collaboration, \A new search for PPE/93{131, (1993) oscillation", CERN{ LITERATURVERZEICHNIS 71 [31] Asmus A. Meyer{Sievers, \Untersuchung uber eine Verbesserung der Sensitivitat fur Neutrinooszillationen und die Messung der Neutrinomasse", Diplomarbeit, (1997) [32] J. H. Christenson et al., Phys. Rev. Lett. 13 (1964), 138 [33] Donald H. Perkins, \Hochenergiephysik", Addison{Wesley publishing conpany, (1990) [34] S. P. Denisov et al., Nucl. Phys. B 61 (1973), 62 72 LITERATURVERZEICHNIS Danksagung Fur die Zeit meiner Diplomarbeit mit der CHORUS{Kollaboration zu arbeiten, war ein groe Erfahrung fur mich. All jenen, die mir in diesem Jahr mit ihrem Rat und ihrer Hilfe zur Seite gestanden haben, mochte ich hiermit danken: Prof. K. Winter, der mir durch seine faszinierende Vorlesung das Gebiet der Elementarteilchenphysik erschlossen hat, mir diese Arbeit ermoglichte und mich mit Ideen und Erfahrungen unterstutzte. Meinem Betreuer Dr. J. Brunner, der mit Geduld viele meiner Fragen beantwortete und durch neue Ideen immer wieder Auswege aufzeigte. Dr. Ch. Weinheimer, dessen kreative Ratschlage in vielen fruchtbaren Diskussionen mein Verstandnis vertieften. Dr. Th. Patzak, von dem ich eine umfassende Einfuhrung in das Gassystem des Detektors erhielt und der mir in der Anfangsphase den Einstieg in das Experiment erleichterte. Aimo Bulte, der mir in der Zeit des Schreibens mit vielen Anregungen geholfen und mit kritischem Blick die Entwurfe gelesen hat. Des weiteren Asmus Meyer{Sievers, Oliver Melzer und Thomas Wol, deren Tips mir oft halfen. Meinen CHORUS{Kollegen, deren Hinweise und Hilfe fur die Arbeit unerlalich waren. Ich mochte mich hier auch ganz herzlich bei meinen Eltern bedanken. Sie haben mir nicht nur das Physikstudium ermoglicht, sondern waren auch immer da, wenn sie gebraucht wurden. Erklarung Hiermit bestatige ich, da ich die vorliegende Arbeit ohne unerlaubte fremde Hilfe angefertigt und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Ich bin mit der Auslage meiner Diplomarbeit in der Bibliothek der HumboldtUniversitat zu Berlin einverstanden. Berlin, 11.03.97