Reise ins Innerste der Materie – Eine Einführung in die Teilchenphysik Christian Kiesling Max-Planck-Institut für Physik und Ludwig-Maximilians-Universität Max-Planck-Institut für Physik (Werner-Heisenberg-Institut für Physik) Aufgabe: Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Elementarteilchenphysik und der Astroteilchenphysik Was ist Teilchenphysik? Suche nach den kleinsten Bausteinen der Materie und Erforschung ihrer Eigenschaften BeschleunigerExperimente Verständnis der Kräfte („Wechselwirkungen“) zwischen diesen Teilchen Verständnis der Beziehung zwischen Mikro- und Makrokosmos Wissenschaftliche Struktur des Instituts: Experimente mit kosmischen Strahlen Teilchentheorie Experimente zu kosmologischen Fragen Die Struktur der Materie im Überblick Kristall 1 cm Molekül 10-7 cm Atom 10-8 cm Atomkern 10-12 cm Proton Neutron 10-13 Quark < Elektron 10-16 cm cm Die Größe der Atome ist durch den mittleren Abstand der Elektronen vom Kern bestimmt Größenvergleich : Kern: Atom: Kirsche Fußballfeld Die Masse des Atoms ist im Kern konzentriert Massenverhältnis : Elektron 1 ( 0.5 MeV) Proton 2000 (938 MeV) Wie beobachten wir Objekte verschiedener Größe ? Astrophysik Teleskope Große Objekte Große Instrumente Kleine Objekte Große Instrumente ! Beschleuniger und Detektoren Teilchenphysik „Beobachtung“ = Streuexperiment Beispiel: Das Sehen als Streuprozess Beobachter + “Detektor” d Objekt gestreutes Licht λ Lichtquelle Streuung (= “Sehen”) nur, wenn λ < d (Wellenlänge des Lichts muss kleiner als das zu untersuchende Objekt sein) kleine d - kleine λ λ = Wellenlänge des (sichtbaren) Lichts ( ~ 1 / 100 000 cm) Mit optischen Methoden: Moleküle, Atome nicht mehr „sichtbar“, (erst recht nicht Atomkerne und deren Bausteine) Frage: Lässt sich die Wellenlänge des „Lichts“ verkürzen ? Eigenschaften des Lichts Das Licht ist eine Welle ! ??? λ = Wellenlänge des Lichts Beugungsmuster eines Lichtstrahls an einem Gitter Max Planck (SchwarzkörperStrahlung) Albert Einstein (Photo-Effekt) Teilchen-Natur der Welle Sichtbares Licht: Energie E = 1 eV Das Licht ist ein Teilchen ! „Lichtquant“ Teilchen und Wellen Das Teilchen ist eine Welle ! „Materiewelle“ Wellen-Natur des Teilchens Beugungsbild eines Elektronstrahls an einem Kristall Louis de Broglie λ = 1 / Energie E Welle-Teilchen-Dualismus Quantenmechanik Werner Heisenberg Streu-Experimente zur Strukturanalyse der Materie Quantenmechanik: Energie E = 1 / λ kleine Strukturen - große Energien E Geladene, hochenergetische Teilchen als “Lichtquelle” Elektronen, Protonen, Kerne Vorteil: geladene Teilchen können in elektrischen Feldern beschleunigt werden hohe Energien Beispiel: Elektronenmikroskop (bis einige keV) (Elektronen als Strahlenquelle) heute: 920 GeV (Protonen) (Elektronen bis 104 GeV) „RiesenMikroskope“ Beschleuniger Materie aus Energie Stoßprozesse hochenergetischer Teilchen : I) Anfangszustand E2 E1 „Strahl“ II) Kollision Wechselwirkung „Target“ (Objekt) Gesamtenergie in der Kollision: E1 + E2 Neue (massive) Teilchen und deren Antiteilchen werden aus der kinetischen Energie der Stoßpartner im Anfangszustand erzeugt III) Endzustand „neue“ Teilchen 3 Phasen E = m c2 Die Einstein‘sche Formel: Äquivalenz von Masse und Energie Antimaterie Teilchenproduktion Erhaltungssätze Erhaltungssätze Einige Erhaltungssätze und deren Konsequenz für die Teilchenproduktion: Erhaltung der elektrischen Ladung : Gesamtladung Q bleibt erhalten : für jedes Teilchen mit Ladung +1 muss ein Teilchen mit Ladung –1 dazu erzeugt werden Erhaltung der Nukleonzahl : Gesamtnukleonzahl N bleibt erhalten : für jedes Teilchen mit Nukleonzahl +1 muss ein Teilchen mit Nukleonzahl –1 („Anti-Nukleon“) dazu erzeugt werden Symmetrien Nukleon = Proton, Neutron Proton Antiproton P P N = +1 Q = +1 N = -1 Q = -1 M P = 938 MeV M P = 938 MeV Die Welt der Beschleuniger Cornell e + e − 8+8 1979 Brookhaven p 30 1969 A A 100+100 /N 2000 RHIC DESY Hamburg e + e − 5 + 5 1974 e + e − 23+23 1978 e ± p 27+920 1991 e + e − 500+500 201? DORIS PETRA HERA TESLA Serpuchov p 70 1970 Peking e + e − 3+3 1994 Stanford − e 30 1966 SLAC e + e − 4+4 1973 SPEAR “ 15+15 1980 PEP “ 50+50 1988 SLC “ 3+9 1999 PEP-II Fermilab p 500 1974 pp 900+900 1989 SSC Lab p p 20+20 TEV abgebrochen KEK (Tokyo) p 12 1976 + − e e 30+30 1988 3.5+8 1999 CERN, Genf p 28 1959 p 450 1976 pp 270+270 1981 1989 e + e − 50+50 103+103 1996 p p 7 + 7 TeV 2007 PS SPS SPS LEP I LEP II LHC Novosibirsk e + e − 7+7 1980 HERA – das größte Elektronen-Mikroskop der Welt (Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY, Hamburg) HERA Start: 1992 Upgrade in 2001/2 „HERA II“ p : 920 GeV e± e ±: 27.5 GeV ~ 6.3 km Umfang p Auflösung: ~ 10-18 m Im HERA-Tunnel: Oben die Proton-Maschine (supraleitende Magnete), darunter die Elektron-Maschine Ein typischer Teilchendetektor ... p 920 GeV „Zwiebelschalen“-Bauweise um das Strahlrohr von innen nach außen: Spurkammern e 27 GeV [2,3] Kalorimeter (LAr) [4,5] Supraleitende Magnetspule [6] Eisenjoch [10] Muon-Kammern [9] Der „offene“ H1-Detektor (... jeder Draht will „verstanden“ sein) Eine Elektron-Proton Kollision im H1 Detektor … 920 und wie sie gemessen wird Die Teilchen werden nicht direkt beobachtet, sondern durch elektrische Ladungen “sichtbar” gemacht, die in der Detektormaterie von den Teilchen freigesetzt werden. Elektron und Proton kollidieren in der Wechselwirkungszone und produzieren “neue” Teilchen Elektron trifft Proton: ein „Ereignis“ ... Wirklichkeit Modell, Theorie Experiment: Registrieren vieler Ereignisse, Messung der gestreuten Elektronen Befund: Es werden zu viele Elektronen stark abgelenkt (qualitativ ähnlich den Experimenten von Rutherford, 1911) Erklärung: das Proton hat „harte“ Bestandteile, die Sandsack QUARKS Experimente zur Natur der Quarks qq q Wieviele Quarks sind im Proton ? Drei Sind diese Quarks alle identisch? Nein, im Proton (und Neutron) zwei Sorten (u, d ) Welche Eigenschaften haben sie? Drittelzahlige Ladung (+2/3, -1/3) Farbladung (rot, blau, grün) Können Quarks frei existieren ? Noch nie beobachtet, nur als: Was bindet die Quarks aneinander ? ud d oder ud u Eine „eigenartige“ Kraft, die mit dem Abstand der Quarks zunimmt Gegenstand aktueller Forschung, insbesondere bei DESY ... , Gluon d u ... Die Kräfte zwischen den Teilchen Beispiel: Bindung der Elektronen an den Atomkern e γ p elektrische Anziehung (e negativ, p positiv geladen) elektromagnetische Kraft (bewegte Ladungen erzeugen Magnetfeld) elektromagnetisches Feld (J. C. Maxwell, 1865) Quantentheorie (Heisenberg und andere): Energieübertrag in Portionen (“Quanten”) Quanten des el.-mag. Feldes = “Photonen” (γ) Maxwell Photonen = Träger der elektromagnetischen Kraft Elektromagnetische Kraft = Austausch von Photonen Vom Modell zur physikalischen Theorie Zugrunde liegendes Bild: Kräfte durch Austausch von Photonen r mathematische Beschreibung e − e Teilchen-AntiteilchenAnnihilation − γ Kopplungsstärke α R. P. Feynman q q „FeynmanDiagramm“ e + e − γ t Quanten-Elektrodynamik: experimentell bestens bestätigt Nahe liegender, allgemeiner Ansatz: P. Dirac Kräfte (“Wechselwirkungen”) = Austausch von Feldquanten q q Die elementaren Wechselwirkungen Gravitation Schwache W.W. Elektromag. W.W. Starke W.W. Schwerkraft Radioaktivität Elektrizität Kernkraft 10-38 10-5 10-2 Reichweite ∞ 10-15 cm ∞ Feldquant “Graviton” W+,W- Photon Effekte α 1 10-13 cm γ Gluon g Elektroschw. Wechselwirkung, Vorhersage des Feldquants Z0 Große Vereinheitlichte Theorien ? “Grand Unified Theories”, Vorhersage von Leptoquarks Theory Of Everything ? (Superstrings ?) Nobelpreis für Physik 2004: Starke Wechselwirkung q q e + g q D. Gross F. Wilczek H. Politzer αS starke Kopplung: “in der Nähe” kleiner ! αS e + e − γ q e − α “unification” Das Periodensystem der Elementarteilchen elektr. Ladung elektr. Ladung Massen der Teilchen (in GeV): 0 0.1 1.5 180 0 -1/3 0 0.1 0.5 5 0 0 >0 >0 >0 91 1.8 80 0 -1 Leptons +2/3 ±1 0.0005 0.1 Bemerkenswerte Symmetrie „Teilchen“: Spin ½ (Fermionen) „Felder“: Spin 1 (Bosonen) „Standardtheorie“ der Elementarteilchen Fehlende Teilchen im Standardmodell ! e + e− S. Glashow A. Salam S. Weinberg Z H 0 W − W+ Massen der Teilchen durch Higgs „erklärbar“ Higgs-Teilchen 110 < M H < 1200 GeV ATLAS-Experiment In LEP Tunnel: Large Hadron Collider Supral. Magnet ab 2007 : pp Kollisionen bei 14 TeV Dunkle Materie in den Galaxien Rotationsgeschwindigkeit ca. 200 km/sec, unabhängig vom Radius Galaktische Scheibe ist in einen “Halo” nicht leuchtender („dunkler“) Materie eingebettet Andromeda-Nebel, etwa 2 Mio Lichtjahre entfernt Neue Form der Materie ? Radio optisch AGN Röntgen Gamma MAGIC Astro-Teilchenphysik Urknall Vereinigung von Teilchen- und Astrophysik Entwicklung des frühen Universums (Kosmologie) nur zu verstehen mit Hilfe der „Anfangsbedingungen“ Teilchentheorie viele offene Fragen Leptonen und Quarks strukturlos, also elementar? „Strings“ ? Vereinheitlichung aller Kräfte ? “Fehlende” Teilchen: Higgs, SUSY, Dunkle Materie ... weitere Feldquanten (“Leptoquarks“) Proton unstabil (> 1032 Jahre) mögliche Erklärung für das “Fehlen“ von Antimaterie im beobachtbaren Universum Astro-Teilchenphysik Urknall Entwicklung des frühen Universums (Kosmologie) nur zu verstehen mit Hilfe der „Anfangsbedingungen“ Teilchentheorie viele offene Fragen Leptonen und Quarks strukturlos, also elementar? „Strings“ ? Vereinheitlichung aller Kräfte ? “Fehlende” Teilchen: Higgs, SUSY, Dunkle Materie ... weitere Feldquanten (“Leptoquarks“) Proton unstabil (> 1032 Jahre) mögliche Erklärung für das “Fehlen“ von Antimaterie im beobachtbaren Universum