38 | 39 UNTER DIE LUPE GENOMMEN Tiefe Bohrungen, hohe Risiken TIEFE BOHRUNGEN, HOHE RISIKEN Trinkwasser ist unsere wichtigste Ressource: Da es aus dem Grundwasser im Boden aufbereitet wird, dürfen dorthin keine Schadstoffe gelangen. Genau das könnte aber geschehen, wenn im Münsterland nach Gas gebohrt wird. Überall hört man von ihr, sie ist allgegenwärtig: die Ressourcenknappheit. Rohstoffe wie Kohle und Erdöl werden knapper, die Suche nach neuen Energien ist im vollen Gange. Eine mögliche Lösung zur Überbrückung des drohenden Engpasses ist Erdgas, und zwar direkt vor der Haustür: Experten vermuten, dass auch im Münsterland riesige Mengen davon im Boden schlummern – bislang ungenutzt, doch das soll sich ändern. Das Gas kommt nicht von alleine hoch Energiekonzerne aus Kanada, den USA, Australien und Deutschland wollen durch sogenannte Explorationsbohrungen herausfinden, wo sich die Gasförderung besonders lohnen könnte. Der Profit lockt, doch das Vorhaben ist schwierig umzusetzen: Denn das Gas strömt nicht von alleine in die Tanks, sondern lagert in Zwischenräumen von Gestein und in Kohleflözen – Hunderte Meter unter der Erdoberfläche. Eine spezielle Bohrmethode könnte dieses Problem lösen: Beim sogenannten Fracking wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien durch Bohrlöcher in die Tiefe gepumpt, um in das Gestein Risse zu sprengen und so das Gas fördern zu können. Die Chemikalien sollen dabei sicherstellen, dass Bakterien die Risse nicht sofort wieder schließen. Chemikalien bleiben zum Teil im Boden Doch die geplanten Bohrungen im Münsterland – unter anderem bei Drensteinfurt und Nordwalde – sind umstritten. Neue Erkenntnisse stützen diese Sorgen: Amerikanische Wissenschaftler haben im Trinkwasser von bebohrten Regionen deutlich erhöhte Methan-Werte gemessen. Das entzündliche Treibhausgas ist ein Hauptbestandteil von Erdgas. Auch in der Fracking-Flüssigkeit haben Forscher bedenkliche Stoffe entdeckt, zum Teil sogar krebserregende. Da das Wasser-Chemikalien-Gemisch nach der Bohrung nicht komplett entfernt wird, stellt sich also auch die Frage, was mit diesen Stoffen anschließend im Boden passiert. Diese Ergebnisse beunruhigen auch Trinkwasser-Versorger: Zwar liegt das Gas Hunderte Meter tief unter der Erdoberfläche, während etwa die Stadtwerke in Münster sich an Grundwasser in zwölf bis 35 Metern Tiefe bedienen – doch gesicherte Erkenntnisse darüber, ob und wie Stoffe aus den Tiefen des Erdreichs durch Bohrungen zum Grundwasser gelangen können, gibt es bislang nicht. 40 | 41 UNTER DIE LUPE GENOMMEN Tiefe Bohrungen, hohe Risikenn GRUNDWASSERMODELL MÜNSTERLÄNDER BECKEN Schicht um Schicht: Wasser, Kalk, Gas Das Wasser ist nah: Höchstens 35 Meter müssen die Stadtwerke sich durch eine Schicht aus Sand und Kies bohren, um auf Grundwasser zu stoßen. Das Erdgas, einige Hundert Meter tiefer, ist von diesem Grundwasserspeicher durch den Emscher Mergel getrennt: eine dicke Schicht aus Tonmergelstein, darunter liegt Kalkstein. Etwas tiefer lagert vermutlich das Erdgas – verborgen in zahlreichen Poren und kleinen Zwischenräumen im Untergrund. Um etwa in Drensteinfurt daran zu gelangen, müsste schon für erste Explorationsbohrungen der darüber liegende Gesteinsriegel durchbrochen werden. Teutoburger Wald Münster Drensteinfurt Hellweg-Quellen Soest Grundwasserfließrichtung Kalkstein Tonmergelstein Untergrund Sand und Kies Mögliche Erdgasbohrung Verantwortung vor Profit: Das ist das Credo von Dominik Pollok, Abteilungsleiter Wasserwerke bei den Stadtwerken Münster. Dominik Pollok (33) ist als Abteilungsleiter bei den Stadtwerken für die Wasserwerke zuständig. Im Interview erläutert er die Gefahren, die von Erdgasbohrungen für das Grundwasser ausgehen – und warnt davor, bei der Suche nach neuen Rohstoffen die Bedeutung des Lebensmittels Trinkwasser zu vergessen. Herr Pollok, gegen die geplanten Explorationsbohrungen nach Erdgas im Münsterland regt sich Widerstand. Was hat denn das Trinkwasser damit überhaupt zu tun? Unser Trinkwasser beziehen wir aus dem Grundwasser – und das befindet sich nun mal unter der Erde, genau wie das Erdgas. Das Gas liegt viel tiefer als das Wasser, deshalb war das bislang auch überhaupt kein Problem. Das könnte sich aber durch die eventuell geplanten Bohrungen demnächst ändern. NN -1.000 m -2.000 m Sind Gas und Wasser im Untergrund denn nicht voneinander getrennt? Doch, natürlich. Hier in Münster zum Beispiel schottet der sogenannte Emscher Mergel das Grundwasser der oberen Stockwerke von den tiefer gelegenen ab. Diese Gesteinsschicht ist mehrere Hundert Meter dick, aber es gibt keine Belege dafür, dass sie auch flächendeckend dicht ist. An einigen Brunnen im ländlichen Raum sind bereits Methanaustritte bekannt, und niemand weiß bislang, wo sie herkommen. Außerdem kann der Emscher Mergel auch durchbrochen werden – zum Beispiel durch eine Bohrung. Was genau kann dann mit dem Grundwasser passieren? Wenn im Münsterland wirklich Erdgas gefördert werden soll, müsste die Gegend dafür wie ein Schweizer Käse durchlöchert werden. Diese Masse der Bohrungen wäre sehr bedenklich: Wir glauben jedenfalls nicht, dass da alle Löcher wie geplant dicht bleiben. Dann könnte unter anderem salziges Wasser aus tieferen Schichten zu anderen GrundwasserStockwerken gelangen. Ist das auch eine Gefahr für das Trinkwasser in Münster? Wir bedienen uns in Münster am obersten Grundwasser-Stockwerk, dem Münsterländer Kiessandzug. Der liegt nicht so nah am Erdgas wie die tieferen Wasservorkommen. Die Gefahr ist aber, dass durch die Bohrungen die Stockwerke miteinander verbunden werden – und dann kann auch das Grundwasser im Münsterländer Kiessandzug betroffen sein. Die Bohrmethode des „Fracking“ steht besonders in der Kritik. Warum? Beim Fracking wird ein Chemikalien-Cocktail mit hohem Druck in den Boden gepumpt, um für das Gas Förderwege zu schaffen, nämlich kleine Risse im Gestein. Die Gefahr besteht darin, dass wir nicht einschätzen können, wie weit sich die Chemikalien mithilfe dieser Risse ausbreiten können. Möglicherweise können die Chemikalien nach dem Fracking in die oberen Grundwasserstockwerke aufsteigen. Was müssten die Stadtwerke in Münster in einem solchen Fall machen? Unserer Auffassung nach darf es zu solchen Verunreinigungen erst gar nicht kommen. Es muss alles getan werden, diese zu vermeiden. Sollten jedoch tatsächlich Salz oder sogar Chemikalien in unser Grundwasserstockwerk gelangen, müsste das Wasser sehr aufwendig gereinigt werden. Es ist aber grundsätzlich schwierig, kostspielig und im Einzelfall sogar unmöglich, solche Inhaltsstoffe rückstandslos aus dem Grundwasser zu entfernen. Daher ist die jüngste politische Entscheidung unseres Umweltministers, das Fracking auf Eis zu legen. So lange, bis Studien die Wissenslücke um die umstrittenen Fördermethoden schließen. Viele Politiker sehen im Erdgas trotzdem die ideale Energie, um unabhängiger von Atomstrom und Kohlekraft zu werden. Ist das nicht ein sehr wichtiges Ziel? Ja, aber: Wir als Wasserversorger haben eine Verantwortung für die Menschen, auch für die kommenden Generationen. Denn irgendwann sind diese Gasvorkommen erschöpft, Wasser brauchen wir aber weiterhin. Trinkwasser ist und bleibt das wichtigste Lebensmittel, ohne das wir nicht existieren können. Solange wir nicht alle Gefahren beim Bohren nach Erdgas abschätzen können, muss uns diese Verantwortung wichtiger sein.