Universität Regensburg Institut für Anorganische Chemie - Lehrstuhl Prof. Dr. A. Pfitzner Demonstrationsversuche im Sommersemester 2010 Betreuung: Dr. M. Andratschke Referenten: Johannes Pausch, Martin Wild, Magdalena Pöhnl 26.05.2010 Flüssiger Stickstoff 1. Das Element Stickstoff Stickstoff ist der Hauptbestandteil der Luft. Etwa 78 Vol.-% der Luft entfallen auf Stickstoff (vgl. Abbildung 1), was ungefähr 99 % des insgesamt auf der Erde vorkommenden Stickstoffs ausmacht. Auch spielt Stickstoff eine wesentliche Rolle für den Menschen. Im menschlichen Organismus ist er vor allem ein wichtiger Baustein der Proteine. [1, 2] Abbildung 1: Zusammensetzung der Luft (nach [2]) Seinen deutschen Namen erhielt das Element aufgrund seiner Eigenschaft, Flammen und Lebewesen zu ersticken. Das Elementsymbol N geht auf den lateinischen Namen Nitrogenium (Salpeterbildner) (von altgriech. νιτρον „Laugensalz“ und altgriech. γενος „Herkunft“) zurück. [1, 3] Stickstoff ist ein farb-, geschmack-, und geruchsloses Gas. In der Natur liegt Stickstoff in molekularer Form, als N2, vor. Der Aufbau des Moleküls sieht wie folgt aus: N N Die Dreifachbindung, die das Molekül zusammenhält, ist dafür verantwortlich, dass Stickstoff bei normalen Temperaturen sehr reaktionsträge ist. Stickstoff ist daher selbst die beständigste Stickstoffverbindung. Um das Molekül in seine Atome zu zerlegen, bedarf es der sehr hohen Energie von 945,33 kJ. Bei Zimmertemperatur liegt Stickstoff als Gas vor. Erst bei einer Temperatur von -195,82 °C (77,33 K) geht er in flüssigen Stickstoff über. 1 Bei -209,99 °C (63,16 K) schließlich erreicht Stickstoff seinen Erstarrungspunkt/ Schmelzpunkt. [1] Stickstoff wird im gasförmigen Zustand in grünen Stahlflaschen aufbewahrt. Um mit flüssigem Stickstoff arbeiten zu können, ist die Verwendung speziell isolierter Gefäße, sogenannter Dewar-Gefäße (siehe Abbildung 2), von Nöten. Dewar Gefäße sind verspiegelte, doppelwandige, evakuierte Glasgefäße. Sie dienen dazu, die Temperatur des flüssigen Stickstoffs niedrig zu halten, sodass der Stickstoff flüssig bleibt. [4, 5] Abbildung 2: Dewar-Gefäße [4] Die technische Darstellung des Stickstoffs erfolgt ausschließlich aus der Luft. Dazu wird wird Luft nach dem sogenannten Linde-Verfahren fraktionierend destilliert. Dieses Verfahren wurde Ende des 19. Jahrhunderts von C. v. Linde und unabhängig davon von W. Hampson entwickelt und später durch G. Claude weiter verbessert. Dabei muss zunächst die Luft verflüssigt werden. Bei diesem Schritt bedient man sich des „Joule-ThomsonEffekts“. J. P. Joule und W. Thomson erkannten 1852, dass sich komprimierte reale Gase unterhalb der Joule-ThomsonTemperatur bei einer Entspannung abkühlen. Die gereinigte Luft wird zunächst also auf 200 bar komprimiert. Die komprimierte Luft wird dann durch eine Reihe von Kühlern geleitet, die die Luft bereits etwas vorkühlen. Am Drosselventil angekommen, wird die Luft dann auf 20 bar entspannt, wodurch sie sich schlagartig Abbildung 3: Schema zum Linde-Verfahren [6] abkühlt. Die so abgekühlte Luft wird dann in einen Wärmeaustauscher geleitet, wo sie dazu genutzt wird, die nachströmende Luft vorzukühlen, die nach Kompression, Wasserkühlung und Entspannung auf eine tiefere Temperatur abgekühlt wird. Erst nach mehrmaligem Durchlaufen dieses Zykluses verflüssigt sich ein Teil der Luft, der dann fraktionierend destilliert wird. Dabei nutzt man die unterschiedlichen Siedepunkte der einzelnen Bestandteile aus: Sauerstoff besitzt einen Siedepunkt von -183 °C, während Stickstoff bei -196 °C siedet. Auf diesen Weg wird daher gleichzeitig auch Sauerstoff gewonnen. [1] Schematisch ist dieses Verfahren in Abbildung 3 dargestellt. 2. Verwendung des flüssigen Stickstoffs [3] Allgemein wird Flüssigstickstoff in der Kryotechnik verwendet, wo er dem Kühlgut seine Verdampfungswärme entzieht. 2 Flüssiger Stickstoff findet relativ vielfältige Verwendung. So wird er u. a. dazu eingesetzt, um biologisches Material oder medizinische und biologische Proben zu lagern. Dabei nutzt man die Tatsache aus, dass durch das Schockgefrieren die Zellstruktur nicht zerstört wird (siehe 3.1). Im Bereich der Hochtemperatursupraleiter wird Flüssigstickstoff dazu verwendet, um den supraleitenden Zustand herzustellen. Auch als Medikament im weitesten Sinne findet Stickstoff im flüssigen Aggregatzustand Anwendung. So werden Warzen mithilfe von Flüssigstickstoff vereist. Ein weiteres Einsatzgebiet ist die sogenannte Promession oder auch „Stickstoffbestattung“, die in Deutschland verboten ist. Dabei wird der Leichnam in flüssigem Stickstoff eingefroren und dann zu einem Pulver zermahlen. Dieses Pulver wird getrocknet und in einer Urne beigesetzt. Der „Vorteil“ dieser Bestattungsart ist die geringere Verwesungsdauer im Gegensatz zur klassischen Holzsargbestattung. 3. Versuche ACHTUNG: Flüssiger Stickstoff kann schwere Erfrierungen verursachen. Laborkittel und Schutzbrille tragen! Schmuck und andere thermisch leitende Gegenstände vor dem Experimentieren abnehmen! 3.1 Schockgefrieren [5, 7, 8] Geräte: Chemikalien: Sonstiges: Dewar-Gefäß, Brett, Nagel Flüssiger Stickstoff Banane, Blume, Würstchen Durchführung: Der flüssige Stickstoff wird in das Dewar-Gefäß gegeben. Die Blume das Würstchen und die Banane werden eine Weile in den Stickstoff getaucht. Danach wird die Blume mit der Hand zerschlagen. Das Würstchen wird auf den Tisch geschlagen. Mit der Banane wird ein Nagel in ein Holzbrett getrieben. Beobachtung: Die Blume zerspringt in viele kleine Teile. Auch das Würstchen reagiert nach der Behandlung mit Stickstoff in gleicher Weise. Die Banane hingegen zerbricht nicht so leicht. Mit ihr ist es möglich, einen Nagel in ein Brett zu treiben. Erklärung: Durch die rasche Abkühlung gefriert die Zellflüssigkeit. Allerdings bilden sich keine größeren Eiskristalle, sodass die Zellstruktur nicht beschädigt wird. Im gefrorenen Zustand lassen sich die Gegenstände leicht durch Krafteinwirkung zerstören. Die Blume und das Würstchen zerspringen aufgrund ihres dünnwandigen Aufbaus. Die Banane hingegen besitzt eine deutlich kompaktere Masse, weshalb es sogar möglich ist, mit ihr zu hämmern. 3 3.2 Volumenänderung [5, 7, 8] Geräte: Luftballon, Dewar-Gefäß, Kältehandschuhe Chemikalien: Flüssiger Stickstoff Durchführung: Der Luftballon wird aufgeblasen und verknotet. Anschließend taucht man den Luftballon in den flüssigen Stickstoff. Beobachtung: Der Ballon schrumpft im flüssigen Stickstoff deutlich zusammen. Lässt man ihn bei Raumtemperatur liegen, so dehnt er sich wieder auf die ursprüngliche Größe aus. Erklärung: Die im Ballon enthaltene Luft kondensiert. Die Siedetemperaturen der Hauptbestandteile der Luft, Sauerstoff und Stickstoff, werden durch die Kühlung mit flüssigem Stickstoff deutlich unterschritten. Dadurch verflüssigt sich die Luft. Da eine Flüssigkeit weniger Volumen einnimmt als ein Gas, schrumpft der Ballon zusammen. Bei Raumtemperatur verdampft die flüssige Luft wieder und der Ballon dehnt sich aus. Dieses Phänomen lässt sich auch mithilfe der idealen Gasgleichung erklären. Diese besagt, dass das Produkt aus Druck p und Volumen V gleich dem Produkt aus der Stoffmenge n, der Temperatur T und der idealen Gaskonstante R sein muss (p*V = n*R*T). Verändert sich nun die Temperatur, so muss sich, konstanten Druck vorausgesetzt, das Volumen des Stoffes verändern, damit die ideale Gasgleichung erfüllt bleibt. 3.3 Entfärbung anorganischer Substanzen [5, 7, 9] Geräte: 2 Reagenzgläser, Dewar-Gefäß Chemikalien: Schwefel (S), Mennige (Pb3O4), flüssiger Stickstoff Durchführung: In je ein Reagenzglas gibt man einmal etwas Mennige und einmal etwas Schwefel. Die Reagenzgläser werden anschließend in flüssigen Stickstoff getaucht. Dann werden die Substanzen mit den ursprünglichen, unveränderten Substanzen verglichen. Beobachtung: Im Vergleich zu dem Ausgangszustand verändern die Substanzen bei Kühlung mit flüssigem Stickstoff ihre Farbe. Schwefel wird fast weiß, Mennige hellt deutlich auf und wird hellorange. Bei Raumtemperatur nehmen die Substanzen wieder ihre ursprüngliche Farbe an. Erklärung: Durch die starke Abkühlung verändert sich die Lage der Energieniveaus der Elektronen in den Stoffen relativ zum Ausgangszustand. Dadurch wird Licht einer anderen Wellenlänge absorbiert, wodurch es zu einer Farbänderung kommt. 3.4 Leidenfrost`sches Phänomen [5, 7, 9] Geräte: Dewar-Gefäß Chemikalien: Flüssiger Stickstoff 4 Durchführung: Flüssiger Stickstoff wird vorsichtig über die Hand einer Versuchsperson geschüttet. ACHTUNG: Vorher unbedingt Schmuck abnehmen, da es sonst zu Erfrierungen kommen kann!!! Beobachtung: Erklärung: Der Stickstoff perlt ab. Es wird keine Kälte wahrgenommen. Die Oberflächentemperatur der Hand ist deutlich wärmer als die Temperatur des flüssigen Stickstoffs. Trifft dieser auf die Handoberfläche, bildet sich eine Dampfschicht. Diese Schicht wirkt isolierend, weshalb man keine Kälte wahrnehmen kann. Dieses Phänomen ist nach seinem Entdecker J. G. Leidenfrost benannt [10], der dieses Phänomen bei Wassertropfen auf einer heißen Herdplatte beobachtete und beschrieb. 4. Lehrplanbezug Das Thema „Flüssiger Stickstoff“ ist nicht direkt im Lehrplan verankert [11]. Die aufgeführten Versuche können aber als Show-Versuche Anwendung finden, zum Beispiel bei der ersten Chemiestunde, um das Interesse der Schüler am Fach Chemie zu wecken. 5. Verwendete Literatur [1] A. F. Holleman, E. Wiberg, N. Wiberg: Lehrbuch der anorganischen Chemie, 102. Auflage, Walter de Gruyter & Co-Verlag, Berlin, 2007, 499, 500, 651-655 [2] http://de.wikipedia.org/wiki/Luft (Stand: 18.05.2010) [3] http://de.wikipedia.org/wiki/Stickstoff (Stand: 18.05.2010) [4] http://de.wikipedia.org/wiki/Dewargef%C3%A4%C3%9F (Stand: 20.04.2010) [5] Demonstrationsvorträge in Anorganischer Chemie: J. Nosky, S. Dußmann, Flüssiger Stickstoff, 27.06.2007; http://www.chemie.uni-regensburg.de/Anorganische_Chemie/ Pfitzner/demo/demo_ss07/JNSDFlN2.pdf [6] http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/f/f2/Linde-verfahren.svg/424px-Lin de verfahren.svg.png [7] Demonstrationsversuche in Anorganischer Chemie: M. T. Pöllinger, S. Maierhofer; Flüssiger Stickstoff, 16.11.2007; http://www.chemie.uni-regensburg.de/ Anorganische_ Chemie/Pfitzner/demo/demo_ws0708/MPSMflN2.pdf [8] L. R. Summerlin, C. L. Borgrord, J. B. Ealy: Chemical demonstrations, Volume 2, 1988, Amer. Chem. Soc., Washington, DC, USA, S. 20-21 [9] E. Bader, H. Körperth, R. Scheer: Experimentelle Schulchemie, Nichtmetalle (I), AulisVerlag Deubner & Co KG Köln, 1969, S. 130-131 [10] http://de.wikipedia.org/wiki/Leidenfrost-Effekt (Stand: 22.04.2010) [11] http://www.isb-gym8-lehrplan.de/contentserv/3.1.neu/g8.de/index.php?StoryID=26384 &subtemplate=print&supertemplate= 5