Ergebnisse und Komplikationen der primären Strahlentherapie des

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Aus der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
des Marienhospitals Herne
Universitätsklinik der Ruhr-Universität-Bochum
Direktor: Prof. Dr. med. G. Schaller
Ergebnisse
und
Komplikationen
der
primären
Strahlentherapie
des
Uterusmalignoms. Tumor-Darstellung im vaginalen Ultraschall als Methode für die
Therapieplanung der Afterloading - Strahlentherapie.
INAUGURAL – DISSERTATION
zur
Erlangung des Doktorgrades der Medizin
einer
Hohen Medizinischen Fakultät
der Ruhr-Universität Bochum
vorgelegt von
Christiane Heuser, geb. Nullmeier
aus Bielefeld
2003
Dekan:
Prof. Dr. med. G. Muhr
Referent:
Prof. Dr. med. G. Schaller
Koreferent:
Prof. Dr. med. W. Burchert
Tag der mündlichen Prüfung: 29.07.2003
meinen Eltern gewidmet
INHALTSVERZEICHNIS
1.
EINLEITUNG
S.
1.1. Epidemiologie des Uterusmalignoms
01
1.1.1. Das Zervixkarzinom
01
1.1.2. Das Endometriumkarzinom
03
1.1.3. Das Uterussarkom
05
1.2. Strahlenbiologische Grundlagen
06
1.3. Historische Entwicklung der intrakavitären Strahlentherapie
12
1.4. Kombinierte Strahlentherapie
16
1.4.1. Intrakavitäre Brachytherapie (Afterloading)
16
1.4.2. Perkutane Teletherapie
18
1.5. Strahlenfolgen
1.5.1. Blutbildveränderungen
20
1.5.2. Hautreaktionen
20
1.5.3. Reaktionen der inneren Geschlechtsorgane
21
1.5.4. Reaktionen der Blase und der ableitenden Harnwege
22
1.5.5. Reaktionen des Dünn- und Dickdarmes
24
1.5.6. Gefäss-Reaktionen
25
1.5.7. Strahleninduzierte Neoplasien
25
1.6. Diagnostische Methoden
26
1.6.1. Gynäkologische Untersuchung
26
1.6.2. Staging-Untersuchungen
26
1.6.3. Sonografie
27
1.6.4. Computertomografie
28
1.6.5. Magnetresonanztomografie
29
1.7. Heutige Therapie-Standards
2.
19
30
1.7.1. Therapie des Zervixkarzinoms
30
1.7.2. Therapie des Endometriumkarzinoms
33
1.7.3. Therapie des Uterussarkoms
37
FRAGESTELLUNG
39
2.1. Patientencharakteristik
39
2.2. Therapiemodalitäten
39
2.3. Ergebnisse der primären Strahlentherapie
39
2.4. Komplikationen der primären Strahlentherapie
39
2.5. Einsatz der Vaginalsonografie beim Tumorstaging und
40
in der Planung der Afterloading-Therapie
3.
4.
MATERIAL UND METHODEN
41
3.1. Studiendesign
41
3.2. Indikationsstellung zur primären Strahlentherapie
41
3.3. Patientinnen
41
3.4. Untersuchungen und Verlaufskontrollen
42
3.5. Afterloading-Therapie mit Buchler- und Sauerwein-Gerät
42
3.6. Perkutane Teletherapie mittels Linearbeschleuniger
44
3.7. Statistische Methoden
45
3.8. Methodenkritik
45
ERGEBNISSE
47
4.1. Patientencharakteristik
47
4.2. Therapiemodalitäten
53
4.3. Ergebnisse der primären Strahlentherapie
57
4.4. Komplikationen der primären Strahlentherapie
68
4.5. Einsatz der Vaginalsonografie beim Tumorstaging und
77
in der Planung der Afterloading-Therapie
5.
DISKUSSION
80
5.1. Patientencharakteristik
80
5.2. Therapiemodalitäten
86
5.3. Ergebnisse der primären Strahlentherapie
92
5.4. Komplikationen der primären Strahlentherapie
103
5.5. Einsatz der Vaginalsonografie beim Tumorstaging und
114
in der Planung der Afterloading-Therapie
6.
SCHLUSSFOLGERUNG
120
7.
ZUSAMMENFASSUNG
122
LITERATURVERZEICHNIS
125
DANKSAGUNG
137
LEBENSLAUF
138
1.
EINLEITUNG
1.1.
Epidemiologie des Uterusmalignoms
Bei den malignen Tumoren des Uterus werden in der Hauptsache zwei Formen
unterschieden: Das Zervixkarzinom entsteht in der Regel aus einer cervicalen
intraepithelialen Dysplasie (CIN); das Korpuskarzinom nimmt vom Stratum functionale des
Endometriums seinen Ursprung. Korpussarkome sind dagegen sehr selten.
1.1.1.
Das Zervixkarzinom
Das Zervixkarzinom ist mit einer Inzidenz von 16 Erkrankungen pro Jahr und 100.000
Frauen das zweithäufigste Genitalkarzinom der Frau (85). In 90-95 % aller Fälle handelt
es sich um Plattenepithelkarzinome, in 5-10 % um Adenokarzinome. Seltene,
prognostisch ungünstige histologische Formen sind neuroendokrine und klarzellige/seröspapilläre Karzinome. In seiner Entwicklung folgt das Zervixkarzinom einer Dysplasie (CIN)
– Carcinoma in situ - Karzinom – Sequenz. Die Zervixdysplasie ist eine fakultative
Präkanzerose, die sich vollständig zurückbilden oder mit einer Latenz von etwa 10 Jahren
in ein invasives Karzinom übergehen kann (107). Das invasive Karzinom breitet sich
kontinuierlich auf die Scheidenwand, ins paravaginale und parametrane Gewebe und auf
das Korpus uteri aus. Im Spätstadium infiltriert es Blasen- und Rektumschleimhaut, führt
zu Blasen- und Rektumscheidenfisteln und ummauert die Ureteren, so dass es zu einer
Hydronephrose kommen kann. Lymphogene Metastasen finden sich früh in den
parametranen Lymphknoten und den Lymphknoten der Fossa obturatoria, als nächste
Station in den iliakalen und paraaortalen Lymphknoten. Bei weiterem Fortschreiten
werden Metastasen auch mediastinal und in den Skalenuslymphknoten beobachtet. In
fortgeschrittenen Stadien treten hämatogene Metastasen auf, die dann vor allem Lunge,
Leber, Knochen und Gehirn befallen. Klinisch tritt das Zervixkarzinom anfangs kaum in
Erscheinung,
in
fortgeschrittenen
Stadien
kann
es
zu
Meno-/Metrorrhagien,
Hypermenorrhoe oder Kontaktblutungen kommen. Häufig führt eine verdächtige ZervixZytologie zur Diagnose. Hinweise für einen sehr ausgedehnten Tumorprozess sind
Schmerzen im kleinen Becken, im Kreuzbein und Lendenbereich sowie Lymphödeme der
Beine.
Die Prävalenz der CIN hat in den letzen zwei Jahrzehnten ein Wachstum erfahren und
liegt derzeit bei 3-5% (128) mit einer Inzidenz von 15 bis 17/105 (77), wobei vorwiegend
Frauen im gebärfähigen Alter betroffen sind. Das Durchschnittsalter der Patientinnen
steigt mit dem Stadium: Beim mikroinvasiven Karzinom im Stadium Ia nach FIGO
(Fédération Internationale de Gynécologie et d'Obstétrique, Tabelle 1) liegt es bei 40, im
fortgeschrittenen Stadium IV bei 60 Jahren (85). Der Altersgipfel für eine CIN liegt bei 28
Jahren, das Carcinoma in situ erreicht einen Altersgipfel bei 35 Jahren, das invasive
Karzinom bei 60-64 Jahren (77). Inzidenz und Mortalität des Zervixkarzinoms haben
innerhalb der letzten 20 Jahre stark abgenommen, auch wenn nur ca. 60 % der 25 – 40jährigen Frauen die Krebsvorsorgeuntersuchungen wahrnehmen. Von den über 60jährigen Frauen gehen lediglich 17% zu den Vorsorgeuntersuchungen. Bekannte
Risikofaktoren für das Auftreten eines Zervixkarzinoms sind frühe sexuelle Aktivität,
wechselnde Sexualpartner, mangelnde Sexualhygiene, Infektion mit humanen Papilloma
Viren (HPV) des Typs 16, seltener Typ 18, 31 oder anderen HPV-Typen, und
Zigarettenrauchen. Vor allem die Infektion mit HPV wird für das Entstehen von zervikalen
dysplastischen und neoplastischen Veränderungen verantwortlich gemacht (3,128). Dabei
spielt offenbar nicht nur die Infektion mit HPV, sondern auch eine genetische Disposition
eine wichtige Rolle (Allen 2000), welche tumorinduzierenden HPV-Viren ermöglicht, an
bestimmte zelluläre Tumor-Suppressor-Proteine zu binden und diese zu zerstören (124).
Die Prävalenz des Vorkommens von HPV bei CIN und Zervixkarzinom liegt bei ca. 90%
gegenüber 10-20% in der Gesamt-Population (128).
Die Stadieneinteilung nach FIGO (Tab. 1) entspricht weitestgehend der klassischen TNMKlassifikation nach Tumorausdehnung, Lymphknotenstatus und Metastasen.
Tabelle 1: FIGO – und TNM- Klassifikation des Zervix-Karzinoms
FIGO
0
I
Ia
Ia1
Ia2
Ib
Ib1
Ib2
II
IIa
IIb
III
TNM
T0
Tis
T1
T1a
T1a1
T1a2
T1b
T1b1
T1b2
T2
T2a
T2b
T3
IIIa
IIIb
T3a
T3b
IVa
IVb
T4
M1
N
N0
N1
N2-3
N4
Erläuterung
Kein Anhalt für Primärtumor
Carcinoma in situ
Karzinom begrenzt auf den Uterus
Mikroinvasives Karzinom, kann nur histologisch diagnostiziert werden
Invasionstiefe max. 3mm, Oberflächenausdehnung max. 7mm
Invasionstiefe 2-5mm, Oberflächenausdehnung max. 7mm
Klinisch erkennbare Läsion, mikroskopisch größer als Ia
Klinisch erkennbare Läsion, nicht größer als 4cm
Klinisch erkennbare Läsion, größer als 4 cm
Uterus ist überschritten, Beckenwand und unteres 1/3 der Vagina nicht erreicht
Nur die Vagina, nicht die Parametrien befallen
Parametrien oder Parametrien und Vagina befallen
Befall der Parametrien bis zur Beckenwand und /oder Befall des unteren 1/3 der
Vagina und/oder Hydronephrose oder stumme Niere
Befall des unteren Drittels der Vagina
Befall der Parametrien bis zur Beckenwand und/oder Hydronephrose oder
stumme Niere
Infiltration von Blasen- und/oder Rektumschleimhaut
Metastasen außerhalb des kleinen Beckens
Keine LK-Metastasen
Regionäre LK-Metastasen (bis Leistenband / Aortenbifurkation)
wird nicht angewendet
LK-Befall oberhalb der Aortenbifurkation / unterhalb des Leistenbandes
Anders als bei TNM handelt es sich bei den FIGO-Stadien um eine klinische Einteilung,
für deren Festlegung Untersuchung in Narkose, i.v.-Urogramm, Zystoskopie und
Rektoskopie sowie Röntgen des Thorax berücksichtigt werden. Weitere bildgebende
Verfahren wie Computertomografie, Magnetresonanztomografie, Knochenszintigrafie,
Abdomensonografie, Lymphangiografie sowie weitere Gefäßdarstellungen haben keinen
Einfluß auf die Stadieneinteilung. Auch die postoperative Histologie wird nicht
berücksichtigt, wenn auch Therapieentscheidungen maßgeblich davon abhängen.
Die 5-Jahres-Ueberlebensrate (5-JUER) liegt für alle Patientinnen zwischen 55 und 59%
(85,128). Im Stadium Ia nach FIGO findet man eine 5-JUER von 95%, im Stadium Ib von
77%, im Stadium II von 55%, im Stadium III von 32% und im Stadium IV von 5% (41).
1.1.2.
Das Endometriumkarzinom
Das Endometriumkarzinom ist eine Erkrankung der Frau in der Postmenopause. Die
Inzidenz liegt bei 25 pro Jahr und 100.000 Frauen (76) und macht damit 10% aller
weiblichen Malignome aus (41.) In 60% der Fälle findet sich ein typisches endometrioides
Adenokarzinom; weitere histologische Tumortypen sind das prognostisch sehr ungünstige
serös-papilläre Adenokarzinom, das klarzellige und das muzinöse Adenokarzinom, das
sehr seltene Plattenepithelkarzinom (57) und gemischte Typen sowie das undifferenzierte
Karzinom. Das Endometriumkarzinom wächst infiltrierend ins Myometrium und gewinnt
dort Anschluß an das Lymphsystem. Vom Fundus uteri aus breitet es sich per
continuitatem weiter aus in Tuben und Ovarien, distalwärts werden Zervix und Vagina und
von dort die Parametrien infiltriert. Lymphogene Metastasen befallen zuerst die pelvinen
und inguinalen und meist sekundär die paraaortalen Lymphknoten. Bei Befall des inneren
Myometriumdrittels
finden
sich
in
5%
resp.
3%
pelvine
und
paraaortale
Lymphknotenmetastasen (113); bei Befall des äußeren Myometriumdrittels finden sich in
ca. 30% pelvine und paraaortale Lymphknotenmetastasen (85, 113). Eine hämatogene
Metastasierung findet selten und spät in Lunge und Leber statt. Das wichtigste klinische
Symptom, das grundsätzlich einen Karzinomausschluß zur Folge haben sollte, ist die
Postmenopausenblutung.
Bei
prämenopausalen
Frauen
kommt
es
zu
Blutungsunregelmäßigkeiten wie Metrorrhagien und prä- und/oder postmenstruellem
Spotting.
Vor
dem
Auftreten
von
Blutungen
kann
ein
korporaler
Fluor
mit
therapieresistenter Kolpitis senilis zur Verdachtsdiagnose eines Endometriumkarzinoms
führen.
Seinen Altersgipfel erreicht das Korpuskarzinom zwischen 65 und 70 Jahren (85, 76).
80% der Fälle treten in der Postmenopause auf. Bei Frauen unter 40 Jahren gehört das
Korpuskarzinom mit 2,5% der Fälle zu den seltenen Diagnosen (41). In den letzten 2
Dekaden hat die Inzidenz des Korpuskarzinoms eine ständige Zunahme erfahren (57) mit
einer hohen Inzidenz in den westlichen Industrienationen Europas und Nordamerikas.
Diese demografische Verteilung führte dazu, das Auftreten des Korpuskarzinoms u.a. mit
dem Ernährungsverhalten zu assoziieren.
Die Entstehung des Endometriumkarzinoms wird durch ein gestörtes Östrogen –
Gestagen – Gleichgewicht mit Ausbildung eines Hyperöstrogenismus begünstigt. Der
Hyperöstrogenismus basiert auf anovulatorischen Zyklen, aber auch vermehrter
Östrogenbildung
im
Fettgewebe
bei
Adipositas,
Östrogen-Monotherapie
in
der
Perimenopause oder auch selten östrogenproduzierenden Ovarialstromatumoren oder Hyperplasien (107). Auf diesem Boden entstehen auch die Endometriumhyperplasien
Grad I-III. Man unterscheidet die glandulär-zystische Hyperplasie (Grad I), die
adenomatöse Hyperplasie (Grad II) und die atypische adenomatöse Hyperplasie (Grad
III). Insbesondere die atypische adenomatöse Hyperplasie (einfach und komplex) zeigt
eine starke Tendenz, in ein invasives Karzinom überzugehen und wird daher auch als
Präkanzerose bezeichnet. Die histologische Abgrenzung zu einem hochdifferenzierten
Adenokarzinom kann schwierig sein (107). Das Risiko, nach einer z.T. mehrjährigen
Latenzzeit an einem invasiven Karzinom zu erkranken, wird für die einfache atypische
Hyperplasie mit 5-10% angegeben, für die komplexe atypische Hyperplasie mit 30% (76).
Beim Korpuskarzinom spielt außerdem der Hormonrezeptorstatus eine wichtige Rolle.
Hormonabhängige Endometriumkarzinome sind meist hochdifferenziert und reich an
Östrogen- und Progesteronrezeptoren. Hormonunabhängige Karzinome sind meist
schlecht differenziert oder entdifferenziert und haben wenige oder gar keine
Progesteronrezeptoren. Sie sind damit der Hormontherapie nicht zugänglich und haben
eine wesentlich ungünstigere Prognose als rezeptorpositive Karzinome. Untersuchungen
ergaben eine direkte Korrelation zwischen der Hormonrezeptordichte und der im Gewebe
enthaltenen Lipidperoxidase (9). Der mögliche Stellenwert in der Karzinogenese ist noch
unklar.
Das Risiko, an einem Endometriumkarzinom zu erkranken, wird sogar als proportional
zum Ausmaß der Adipositas beschrieben (118). Ebenso wie die nicht Gestagenkombinierte Hormonersatztherapie in der Perimenopause erhöht auch der zunehmende
Einsatz von Tamoxifen, eines bei der Therapie des Mamma-CA eingesetzten AntiÖstrogens mit östrogener Restwirkung, die Inzidenz des Endometriumkarzinoms (41,
128). Diabetes mellitus und arterielle Hypertonie, Nulliparität, späte Menopause und eine
positive Familienanamnese sind weitere Risikofaktoren.
Die Stadieneinteilung (Tab. 2 und 3) des Endometriumkarzinoms geschieht nach dem
Beschluss der FIGO seit 1988 hauptsächlich operativ (Staging-Laparotomie) und
postoperativ am OP-Präparat. Ausgenommen sind medizinisch inoperable Patientinnen,
bei denen mittels fraktionierter Abrasio eine Differenzierung der Stadien I und II erfolgt.
Zur weiteren Beurteilung wird die transvaginale Sonografie eingesetzt. Zum Ausschluss
oder
der
Diagnose
von
Fernmetastasen
gehören
Röntgen
des
Thorax
und
Abdomensonografie zum festen Staging-Programm.
Die Prognose des Korpuskarzinoms hängt wesentlich vom Progesteron-Rezeptor-Status
und von der Infiltrationstiefe ins Myometrium ab: Ist das Myometrium weniger als 1/3
infiltriert, liegt die 5-JUER bei 90%, bei weniger als 2/3 Infiltration überleben 67% 5 Jahre,
sind
über
2/3
infiltriert,
liegt
die
5-JUER
bei
33%
(41).
Die
Gesamt-5
Jahresüberlebensrate liegt mit 70% höher als beim Zervixkarzinom (85). Unterteilt nach
Stadien überleben im Stadium I nach FIGO 85% der Patientinnen 5 Jahre, im Stadium II
70%, im Stadium III 49% und im Stadium IV 19%.
Tabelle 2: Chirurgisch - pathologische FIGO – und TNM - Klassifikation des Endometrium-Karzinoms.
Abweichungen der klinischen (prätherapeutischen) Klassifikation in Klammern (nur noch anzuwenden bei
primärer Bestrahlung).
FIGO
0
I
Ia
(p)TNM
(p)Tis
(p)T1
(p)T1a
N
N0
N0
N0
Ib
(p)T1b
N0
Ic
II
IIa
IIb
III
IIIa
(p)T1c
(p)T2
(p)T2a
(p)T2b
(p)T3
(p)T3a
N0
N0
N0
N0
N0/N1
N0
IIIb
IIIc
IVa
(p)T3b
(p)T3c
(p)T4
N0
N1
Any N
IVb
(p)M1
Any N
1.1.3.
1-5%
Erläuterung
Carcinoma in situ
Tumor begrenzt auf Corpus uteri
Tumor begrenzt auf Endometrium
(Cavum uteri 8cm oder weniger in der Länge)
Tumor infiltriert innere Hälfte des Myometriums
(Cavum uteri mehr als 8cm in der Länge)
Tumor infiltriert weiter als innere Hälfte des Myometriums
Tumor infiltriert Zervix, breitet sich jedoch nicht jenseits des Uterus aus
endozervikale glanduläre Tumorausdehnung
Tumorinvasion in das Zervixstroma
Tumorausdehnung über den Uterus hinaus, auf das kleine Becken begrenzt
Infiltration der Uterusserosa u./o. Adnexe, u./o. positive intraoperative
peritoneale Zytologie
Tumorinfiltration der Vagina
Infiltration von pelvinen bzw. paraaortalen LK
Infiltration von Blasen- u./o. Rektumschleimhaut, bzw. Wachsen des Tumors
über das kleine Becken hinaus
Fernmetastasen (einschließlich Lymphknotenmetastasen, andere als
pelvine und paraaortale LK)
Das Uterussarkom
der
malignen
Uterustumoren
sind
Sarkome.
Grundsätzlich
lassen
sich
histopathologisch mesenchymale Tumoren und ihre verwandten Läsionen und gemischt
epitheliale/mesenchymale Tumoren unterscheiden. Neben weiteren Formen kommen vor
allem das Leiomyosarkom, das Stromasarkom und das Karzinosarkom (maligner
Müllersche Mischtumor) vor. Ein Leiomyosarkom wird in 1% als Zufallsbefund nach
Myomentfernung diagnostiziert. Das Karzinosarkom ist den gemischt epithelialen /
mesenchymalen Tumoren zugehörig. Es gilt als besonders aggressiv, tritt aber mit 1-2%
an allen malignen Uterustumoren selten auf. Abgesehen vom Low-Grade-Leiomyosarkom
wachsen die Uterussarkome rasch infiltrierend in die Uteruswand, zeigen eine große
Zerfallsneigung und verursachen frühzeitig Blutungen. Das Karzinosarkom wurde
mehrfach mit erhöhten Werten von alpha-Fetoprotein in Verbindung gebracht (102,117).
Die Uterussarkome neigen zu hämatogener Metastasierung, setzen aber auch häufig
pelvine Lymphknotenmetastasen. Mit 50-70%iger Rezidivrate innerhalb der ersten 5
Jahre haben Leiomyosarkome und Karzinosarkome die ungünstigste Prognose von allen
Uterussarkomen. Karzinosarkome metastasieren überwiegend intraabdominell; bei
Leiomyosarkomen finden sich häufig Lungenmetastasen.
Klinisch verdächtig für die Diagnose des Uterussarkoms sind ein schnelles Wachstum des
Uterus und/oder eines schon bekannten Myoms sowie jede postmenopausale
Uterusvergrößerung (85). Während der Altersgipfel für das Leiomyosarkom bei 52 Jahren
liegt, sind Patientinnen, die an einem Stromasarkom oder einem Karzinosarkom des
Uterus erkranken, mit 62 Jahren im Schnitt deutlich älter. Die 5-JUER für alle
Uterussarkome liegt mit 53% deutlich unter der des Endometriumkarzinoms (85).
Tabelle 3: Stadieneinteilung der Uterussarkome
Stadium I
Stadium II
Stadium III
Stadium IV
1.2.
Tumor beschränkt auf Corpus uteri
Tumorausdehnung auf Cervix uteri
Tumorausbreitung über den Uterus hinaus, jedoch nicht jenseits des kleinen Beckens
extrapelvine Metastasierung
Strahlenbiologische Grundlagen
Die Bestrahlung von malignen Tumoren unterliegt dem ständigen Kompromiss, a) eine
möglichst hohe Strahlendosis auf das Tumorvolumen zu geben, um das neoplastische
Gewebe zu zerstören, und b) die Strahlendosis, die das gesunde umgebende Gewebe
trifft, so niedrig wie möglich zu halten, um schwere Strahlenschäden zu vermeiden.
Ionisierende Strahlung wird unterteilt in die Korpuskularstrahlungen Alpha- (α-), Beta- (β-),
Elektronen-, Protonen- und Neutronenstrahlung sowie die Photonenstrahlungen Röntgenund Gamma- (γ-) Strahlung. Die elektrisch neutralen Strahlungen (Röntgen-, γ- und
Neutronen-Strahlen) ionisieren indirekt dadurch, dass sie in der Materie geladene
Teilchen erzeugen, welche wiederum ionisieren und dadurch Sekundärelektronen bilden.
Die übrigen, elektrisch geladenen Strahlungen, haben direkt ionisierende Eigenschaften.
Am Ende eines Ionisierungsprozesses steht die Bildung von chemisch wirksamen
Radikalen, welche bei lebendem Gewebe die Funktionen der Zelle beeinträchtigen und
dadurch
eine
Zellschädigung
oder
Zellvernichtung
bewirken.
Die
Energie
der
verschiedenen Strahlenarten wird bei gleicher Energiedosis in unterschiedlicher
Konzentration an die Zelle übertragen. Schnelle Elektronen-, Röntgen- und γ-Strahlen
sind locker ionisierende Strahlen, die beim Durchgang durch die Zelle einige Dutzend
Ionisationen verursachen. Wird der Zellkern getroffen, entstehen nur wenige Schäden an
der DNA, welche größtenteils enzymatisch repariert werden können. Treffen dagegen
dicht ionisierende, schwere α-Teilchen oder Neutronenstrahlung auf die DNA, werden
durch Tausende von Ionisationen meist irreparable Schäden verursacht. Grund dafür ist
die Massendifferenz: Ein Neutron hat etwa die 2000fache Masse eines Elektrons, ein αTeilchen die 4fache Masse eines Neutrons und ist damit 8000mal so schwer wie ein
Elektron. Der Unterschied wird kenntlich gemacht durch den linearen Energietransfer
(LET [KeV/µm]), welcher der Rate des Energieverlustes pro Einheit des Weges entspricht.
Bei höheren Energiedosen von einigen Gray verursacht auch locker ionisierende
Strahlung eine Vielzahl von DNA-Schäden. Der LET spielt dann eine untergeordnete
Rolle.
Bei der Entstehung ionisierender Strahlungen gehen Atomkerne (Nuklide) unter Abgabe
von Energie spontan, ohne äußere Einwirkung wie Temperatur oder Druck, in andere,
energieärmere Kernzustände über. Die freiwerdende Energie wird in Form von Teilchen
oder elektromagnetischer Strahlung abgegeben. Dieser Prozess wird als Radioaktivität
bezeichnet. Man unterscheidet bei der Kernumwandlung den α- (Alpha-)Zerfall, den β(Beta-)Zerfall, den Positronenzerfall und den Elektroneneinfang.
In der vorliegenden Arbeit ist das Radionuklid
radioaktiven Zerfall von
192
Iridium von Bedeutung. Beim
192
Iridium wird hochenergetische elektromagnetische Strahlung in
Form von γ-Strahlung dadurch ausgesendet, dass angeregte Kernzustände in einen
energieärmeren Grundzustand übergehen. Anders als bei α- und β-Zerfall werden keine
Teilchen emittiert. Bei der Emission von γ-Quanten bleibt die Massenzahl des zerfallenden
Kerns gleich. Die Energie des Tochterkerns ist um den durch das Photon
abtransportierten Energieanteil und die Masse um das Masse-Energie-Äquivalent des
Photons
verringert.
Das
Maximum
der
γ-Strahlung
und
anderer
ultraharter
Photonenstrahlung liegt einige Millimeter in der Tiefe. Der sog. Dosisaufbau-Effekt (Abb.
1). wird durch Tiefendosiskurven beschrieben.
Abb. 1:
Dargestellt sind einige für die Strahlentherapie charakteristische Tiefendosis (TD)- Kurven,
Feldgröße 100cm². Quelle: Krimmel, K., Rübe, C. (114).
Ionisierende Strahlen verursachen Strahlenschäden an der DNA durch Bildung von
Radikalstellen, an die sich molekularer Sauerstoff anlagern und so den Schaden fixieren
kann. Einzelstrang- oder Doppelstrangbrüche entstehen, indem die Phosphatesterbindung gespalten oder Zucker zerstört oder Purin- und Pyrimidinbasen abgespalten
werden. Ist nur eine Seite des DNA-Strangs betroffen und der komplementäre Strang
intakt, so ist eine Reparatur des Schadens wahrscheinlich. Auch wenn beide DNAStränge betroffen sind, die geschädigten Orte aber weit genug entfernt voneinander
liegen, kann der Schaden repariert werden. Werden beide Stränge an eng benachbarten
Stellen geschädigt, kommt es zur Durchtrennung des Molekül-Fadens. In der Folge sind
Replikation und Transkription gestört. Auf diese Weise entstehen Genmutationen und
Chromosomenaberrationen. Neben der DNA können auch andere Zellbestandteile wie
Lipide, Proteine, Saccharide und insbesondere auch die Biomembranen durch
ionisierende Strahlung geschädigt werden. Chromosomenaberrationen, die lichtmikroskopisch in der Metaphase erfasst werden können, werden im Sinne einer
biologischen Dosimetrie zur Abschätzung der Strahlenexposition des Menschen
verwendet. Die Häufigkeit der strahleninduzierten Aberrationen ist eine linearquadratische Funktion der Dosis (47).
Ionisierende Strahlen führen durch Chromosomenschädigung entweder zum Zelltod oder
zu nicht letalen Schäden. Die so genetisch veränderten Körperzellen können Ursprung
maligner Neoplasien sein; werden Keimzellen betroffen, können daraus Erbkrankheiten
entstehen. In beiden Fällen spricht man von stochastischen Strahlenschäden. Die
applizierte Dosis bestimmt dabei nicht die Schwere einer Erkrankung, sondern die
Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens. Eine Schwellendosis für das Auftreten von
stochastischen Schäden existiert nicht.
Nach Bestrahlung mit sehr hohen Strahlendosen gehen alle Zellfunktionen zugrunde, die
Zelle stirbt den Interphasetod. Durch vergleichsweise niedrige Dosen von einigen Gray
werden in erster Linie Zellen mit hoher Teilungsrate wie Schleimhautepithelien und
unbegrenzter Proliferationsfähigkeit wie Stammzellen oder Tumorzellen geschädigt. Den
Verlust der Eigenschaft zur unbegrenzten Proliferation bezeichnet man als reproduktiven
Zelltod. Auch die Apoptose, der programmierte Zelltod, kann nach Bestrahlung verstärkt
beobachtet werden. Zu einer Störung des Zellzyklus führen bereits Dosen von 1 Gy. Die
vier Phasen des Zellzyklus M-(Mitose-)Phase, G1-Phase, S-(Synthese-)Phase und G2Phase sind unterschiedlich strahlensensibel. Es kommt zu einer Akkumulation der Zellen
in der strahlensensiblen G2-Phase des Zellzyklus und damit zu einer Synchronisation der
Zellzyklen eines bestrahlten Gewebes. Für HeLa-Zellen (Zellen eines stark wachsenden
Zervix-Karzinoms, die zu experimentellen Zwecken weiter gezüchtet werden) wurde der
Effekt beschrieben, dass eine Reduktion der Dosis-Rate zu vermehrtem Zelltod führte
(46): Während die Dosis von 1,54 Gy/h einen Stillstand innerhalb des Zellzyklus erzeugte,
konnte bei 0,37-0,54 Gy/h ein Fortschreiten des Zyklus bis zum Erreichen der G2-Phase
beobachtet werden. Eine Fortführung der niedrig dosierten Bestrahlung hatte in dieser
Phase vermehrten Zelltod zur Folge. Höhere Strahlendosen bewirken weiterhin eine
Verlangsamung der Synthesephase. Zur Mitoseverzögerung von 1 Stunde ist ca. 1 Gy
erforderlich. Generell führt eine Bestrahlung mit ionisierenden Strahlen zum mitotischen
Zelltod: Nach einer oder wenigen Mitosen geht die Zelle während des Teilungsvorganges
zu Grunde.
Zur Quantifizierung des Zelltods können Dosis-Wirkungs-Kurven herangezogen werden,
die das Verhältnis der Überlebensrate gegenüber der applizierten Strahlendosis
beschreiben. Locker ionisierende Strahlen haben auf Säugetierzellen in niedriger
Dosierung von wenigen Gray einen geringeren Effekt pro Gray als in höheren Dosen. Bei
der grafischen Darstellung ergeben sich daraus sog. Schulterkurven. Die „Schulter“ liegt
im Bereich der niedrigen Dosierungen von 1-2 Gy und spiegelt den biologischen
Reparaturvorgang subletaler Schäden an der DNA wieder (Abb. 2). Die Dosis-WirkungsKurve der Bestrahlung von Säugetierzellen mit dicht ionisierenden Strahlen hat einen
exponentiellen, steileren Verlauf. Dabei besteht prinzipiell kein Unterschied zwischen
malignem und gesundem Gewebe (81).
Abb. 2:
Dosis-Wirkungs-Kurve für locker ionisierende Strahlung mit „Schulter“ in der halblogarithmischen
Darstellung. D0 zeigt diejenige Dosis an, durch die im angenähert geraden Kurvenverlauf die
Population der noch überlebenden Zellen auf 37% reduziert wird. Quelle: Lissner et al. (81).
Wird eine fraktionierte Bestrahlung mit niedrigen Einzeldosen locker ionisierender
Strahlung wie ultraharter Röntgen- oder Elektronenstrahlung oder γ-Strahlen durchgeführt
und ist die Dauer des bestrahlungsfreien Intervalls so gewählt, dass sich subletal
geschädigte Zellen erholen können, so besitzt die Dosis-Wirkungs-Kurve für jede
Fraktionierungsdosis eine neue „Schulter“. Die Neigung dieser Dosis-Wirkungs-Kurve
verläuft flacher (Abb. 3). Das bedeutet, dass zum einen eine höhere Gesamtdosis
erforderlich wird, um Tumorgewebe effektiv zu bestrahlen: Je stärker die Fraktionierung,
desto höher ist die erforderliche Gesamtdosis. Andererseits kann sich das gesunde
Gewebe der benachbarten Organe regenerieren. Für das Verhalten der kranken und
gesunden
Zellen
im
Rahmen
einer
fraktionierten
bestrahlungsfreien Intervall vier Mechanismen beobachtet:
Bestrahlung
werden
im
•
Reparatur von subletalen Schäden
•
Redistribution der Zellen in die unterschiedlichen Phasen des Zellzyklus durch
Progression im Zellzyklus nach initialer partieller Synchronisation
•
Repopulierung durch Proliferation der überlebenden Zellen und Rekrutierung bisher
ruhender Zellen
•
Reoxygenierung
nach Applikation
einer
Bestrahlungsfraktion;
die
Sauerstoff-
versorgung der bisher hypoxischen Tumorzellen sowie des umgebenden gesunden
Gewebes verbessert sich häufig und führt so zu einer erhöhten Strahlensensibilität
(81).
Abb.3:
Dosis-Wirkungs-Kurve bei fraktionierter Bestrahlung. Die subletal geschädigten Zellen können sich
im Fraktionierungsintervall erholen, so dass jede Dosisfraktion eine neue Schulter besitzt.
Quelle: Lissner et al. (81).
Abb. 4:
Dosis-Wirkungs-Kurve für die Bestrahlung von Säugetierzellen mit γ-Strahlen unterschiedlicher
Dosisleistung. Quelle: Lissner et al. (81).
Auch die Dosisleistung, die geleistete Dosis pro Expositionszeit, hat einen Einfluß auf den
Verlauf der Dosis-Wirkungs-Kurve bei Verwendung locker ionisierender Strahlung. Je
niedriger die Dosisleistung, desto flacher verläuft die Dosis-Wirkungs-Kurve, so dass bei
niedriger Dosisleistung eine Erholung der Zellen während der laufenden Bestrahlung
erfolgt (Abb. 4). Ein zeitunabhängiger Restschaden resultiert aber immer. Dosisleistung
und Fraktionierung haben keinen Einfluß auf die Bestrahlung mit dicht ionisierenden
Strahlen. Eine Erholung ist hier nicht möglich.
Für
die
Wirkung
locker
ionisierender
Strahlung
mit
niedrigem
LET
ist
der
Oxygenierungszustand der Zellen entscheidend. Unter anoxischen Bedingungen ist die
Strahlenwirkung um den Faktor 2-3 geringer als bei einem venösen pO2 von 40mmHg.
Die höhere biologische Wirksamkeit durch Anwesenheit von Sauerstoff beruht auf der
Bildung von Sauerstoffradikalen und der Fixierung der Strahlenschäden durch
Peroxidbildung. Maligne Tumoren sind oft inhomogen vaskularisiert. Die schlecht
vaskularisierten, hypoxischen Gewebeanteile reagieren strahlenresistent auch im
Vergleich mit dem gut durchbluteten gesunden Gewebe in der Umgebung. Dieser
„Sauerstoff-Effekt“ kann zu einem Therapieversagen bei der Bestrahlung maligner
Tumore führen. (109). Bestrebungen, die Oxygenierung vor Bestrahlung zu erhöhen und
die Strahlensensibilität hypoxischer Zellen zu verbessern, sind ebenso in der Entwicklung
wie Versuche, die Strahlenempfindlichkeit des umgebenden Normalgewebes durch
Radikalfänger wie Cysteamin, Thioharnstoff oder Sulfhydrylverbindungen zu verringern
(81). Sulfhydrylverbindungen gelten als natürliche Strahlenprotektoren und sind vermehrt
in der strahlenunempfindlichen S-Phase, vermindert im strahlensensiblen Bereich der G2und M-Phase des Zellzyklus zu finden.
Abhängig vom Tumortyp, dem umgebenden Gewebe, der Dosis und der Fraktionierung
einer Bestrahlung steigt mit der Heilungsrate auch die Komplikationsrate. Wird die Dosis
abgesenkt, sinkt die Komplikationsrate bei jedoch gleichzeitig zunehmender Rezidivrate.
Bei den behandlungsbedingten Komplikationen handelt es sich in der Strahlentherapie um
deterministische (nicht-stochastische) Strahlenschäden. Diese akuten und chronischen
Strahlenreaktionen treten je nach Differenzierungsgrad eines Gewebes dosisabhängig
auf.
Als Beispiel für eine akute Strahlenreaktion sei das Strahlensyndrom nach Dosen von 5 –
12 Gy mit Symptomen wie Fieber, Durchfällen, Erbrechen, Blutungen, Haarausfall,
Infektionen und Resorptionsstörungen, Ulzera in Mund, Rachen und Gastrointestinaltrakt
genannt. Bei sehr hohen Strahlendosen (> 20 Gy) treten cerebrovaskuläre Symptome mit
Hirnödem, Hirnnekrosen und Funktionsstörungen des Zentralnervensystems und des
Herz-Kreislaufsystems in Erscheinung und führen nach 30-50 Stunden zum Tod. Für den
Menschen liegt die LD50, die Dosis, die in 50% der Fälle ohne intensivmedizinische
Maßnahmen zu einem letalen Ausgang führt, bei einer Ganzkörperdosis von 3-4 Gy.
Für das Auftreten chronischer Schäden spielt die Strahlenwirkung auf das Gefäßsystem
eine wichtige Rolle. Durch die Strahlenwirkung wird in verschiedenen Organsystemen ein
Fibrosierungsprozess in Gang gesetzt. Spätfolgen einer Strahlentherapie können z.B. die
durch Strahlenpneumonitis hervorgerufene Lungenfibrose oder Fibrosierungsprozesse im
Subkutangewebe sein. Auch die Zellen des Gefäßbindegewebes werden von diesem
Fibrosierungseffekt erfasst. Resultat ist eine rigidere Gefäßarchitektur (Gefäßsklerose)
und eine verminderte Blutversorgung der betroffenen Gewebe im Sinne einer
obliterierenden Vaskulitis (116). Der radiogene Effekt auf das Gefäßendothel führt
außerdem zu einer Lumenminderung und zum Verschluss von Gefäßen (125). Zu klinisch
fassbaren Folgen dieser späten „Gewebeantwort“, wie z.B. einer Kolitis infolge
mangelnder Vaskularisierung, kommt es z.T. erst Jahre nach der Strahlentherapie.
Nach HALL (47) stehen diese Spätfolgen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem
gesamten Zell-Turn-Over: Haut und Schleimhäute sowie Knochenmark gehören zu den
sich schnell teilenden Geweben mit einem hohen Turn-Over an Zellen. Die
Strahlenreaktion tritt daher schnell – abhängig von der Dosis – nach Stunden oder Tagen
auf. Nervengewebe, Lungen- oder Nierengewebe teilen sich langsam und haben eine
niedrige Turn-Over Rate. Der Verlust an teilungsfähigen, noch nicht voll differenzierten
Parenchymzellen kann Monate, z. T. erst Jahre nach der Strahlenexposition manifest
werden. Die zeitliche Differenz der Strahlenreaktion verschiedener Gewebe ist nach HALL
eine Funktion der unterschiedlichen Zell- Turn-Over- Raten und nicht allein auf die
Fibrosierung des Gefäßbindegewebes zurückzuführen. Die Strahlentoleranz eines
Gewebes hängt davon ab, ob hinreichend reifende Zellen überleben, um die
Organfunktion zu erhalten (47). Ob die Spätfolgen nach Strahlentherapie primär auf
Gefäß- und Bindegewebsschäden oder auf eine Schädigung der parenchymatösen
Stammzellen zurückzuführen sind, wird weiterhin diskutiert.
1.3.
Historische Entwicklung der intrakavitären Strahlentherapie
Schon bald, nachdem RÖNTGEN am 30. November 1895 die X-Strahlen und ihren
photografischen Effekt entdeckt hatte, begann man, den therapeutischen Nutzen
ionisierender Strahlen zu erkennen. Ab 1897 wurden Röntgenstrahlen zur Therapie von
Hautkrankheiten eingesetzt. Dabei wurden harte und weiche Röntgenstrahlen willkürlich
verwendet. Diese Bezeichnung entstand aus der Beobachtung, dass „weiche“ Strahlen
niedriger Energie weniger Penetrationsvermögen besitzen als "harte" Strahlen höherer
Energie und daher die Strukturen auf Röntgenbildern unschärfer abzeichnen. KIENBÖCK
wies 1900 die biologische Wirksamkeit nach. (74, 105). Anfang des 20. Jahrhunderts
wurden erste biologische Untersuchungen hinsichtlich der Strahlenempfindlichkeit der
Gewebe unternommen. PERTHES erkannte 1903 die Abhängigkeit der Strahlenwirkung
von der Proliferationstätigkeit eines Gewebes. 1906 formulierten BERGONIE und
TRIBONDEAU das Gesetz, auf dem schließlich die Krebsbehandlung basierte: " XStrahlen wirken desto intensiver auf die Zellen: 1. je größer deren Vermehrungstätigkeit
ist, 2. je länger die Mitose dauert, 3. je weniger definitiv ihre Morphologie und Funktion
festgelegt ist" (105). Aufgrund vieler Ausnahmen wird das Gesetz heute nicht mehr als
allgemeingültig anerkannt.
Abb. 5:
Intrakavitäre Strahlentherapie um 1902
Quelle: LEDERMAN, M. „The early history of radiotherapy 1895-1939 (74).
ALBERS-SCHOENBERG führte die Bestrahlung in die gynäkologische Therapie ein
(105). Um 1904 wurden erste Röntgenröhren zur intrakavitären Anwendung entwickelt
sowohl für den Einsatz beim Larynx-Karzinom als auch zur Therapie des Zervix- und des
Rektum-Karzinoms. Um das Zervixkarzinom strahlentherapeutisch zu behandeln, wurde
ein Spekulum in die Scheide eingeführt. Die Beine der
Patientin auf
dem
Behandlungstisch wurden mit Seilen an einem Gestänge an der Zimmerdecke fixiert.
Perineum, Gesäß und Oberschenkel wurden durch eine Platte geschützt, in die ein Loch
für die Röhre eingelassen war (Abb. 5). Durch die unbequeme Körperstellung und lange
Bestrahlungszeiten war die Behandlung sehr belastend für die Patientin. Da außerdem
die Strahlung nur sehr ungenau appliziert werden konnte, wurde von dieser Methode der
intrakavitären Strahlentherapie zunächst wieder Abstand genommen.
In der allgemeinen Anwendung wurde die Röntgenröhre in möglichst kurzer Entfernung
vom zu bestrahlenden Körper oder Areal positioniert oder hatte direkten Kontakt zur Haut,
ohne dass ein Filter zwischen Röhre und Körper gebracht wurde. Die Existenz von Streuund Sekundärstrahlung war ebenso wie das Abstandsquadratgesetz noch unbekannt. Die
Angaben zur Strahlendosis beruhten in den Anfängen der Strahlentherapie auf
Schätzungen. 1928 wurde international das Röntgen als Dosiseinheit eingeführt. Die
Ionendosis Röntgen mit 1R=C/kg (Coulomb durch Kilogramm) stellte seitdem die
fundamentale Größe in der Dosimetrie dar und durfte noch bis 1985 zur Kennzeichnung
von Strahlendosen verwendet werden. Erst 1981 wurde das "Röntgen" durch die
Einführung der Energiedosis Gray mit 1Gy=1J/kg (Joule durch Kilogramm) abgelöst.
Die von der Haut absorbierten Strahlendosen konnten seit 1920/21 mit Hilfe von
Ionisationskammern gemessen werden. Für die perkutan applizierte Teletherapie ebenso
wie für die intrakavitäre Brachytherapie wurde es gleichermaßen wichtig, auch die
Tiefendosis zu kennen. Bereits 1920 entwarfen FRIEDRICH und GLASSER in
Deutschland
erstmals
Isodosenkurven.
Isodosen
beschreiben
die
räumliche
Dosisverteilung verschiedener Strahlungen und damit die Abschwächung der Strahlung
mit Entfernung von der Strahlenquelle. Alle Punkte, die auf einer Isodosenfläche liegen,
erhalten die gleiche Strahlendosis. Isodosenkurven (Abb. 6 u. 7) stellen Schnittlinien von
Isodosenflächen
dar
und
sind
heute
ein
fundamentales
Element
in
der
Bestrahlungsplanung.
Ein entscheidender Beitrag für die Entwicklung der Strahlentherapie war die Entdeckung
der Radioaktivität durch BEQUEREL 1896. 1898 fanden Pierre und Marie CURIE diese
spontane Form von Strahlung bei den Elementen Polonium und Radium. Ab 1904 wurde
Radium erfolgreich in der Therapie von Hautepitheliomen eingesetzt. 1934 erfolgte die
Entdeckung der künstlichen Radioaktivität durch die CURIES. Die kurze Halbwertszeit
geeigneter Isotope brachte gegenüber natürlicher Radioaktivität enorme Vorteile in der
Handhabung.
Mit Hilfe der Dominici-Röhre wurde die unerwünschte Alpha- und Beta-Strahlung des
Radiums absorbiert und reine Gammastrahlung emittiert. DOMINICI hatte eine Röhre
entwickelt, die Radiumsulfat in einer versiegelten Platinzelle von 1/10 mm Dicke enthielt.
Die
Methode
wurde bis zur
Herstellung von Radium-„Nadeln“
oder
-„Seeds“
weiterentwickelt und um 1905 durch ABBÉ erstmals für eine direkte Tumor-Spickung
verwendet. Die Methode der Gewebespickung fand weite Verbreitung. Für diese
interstitielle Form der Kontakt- oder Brachytherapie wurden später unter anderem
192
Iridium-Drähte,
198
Gold-Seeds und
125
Jod-Seeds hergestellt und zur permanenten oder
temporären Implantation verwendet (81).
In den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde das Zervixkarzinom bereits
erfolgreich mit radioaktiven Spickungen nach der sog. Pariser Methode behandelt. Später
folgte
die
Entwicklung
von
Applikatoren
zur
intravaginalen
und
intrauterinen
Strahlentherapie. Nach dem Manchester-System, einem intrauterin gelegenen Stift und
zwei parazervikal gelegenen Ovoiden, wurde die Dosisleistung gemäß Isodosenkurven
nach zwei festgelegten Punkten A und B berechnet. Bis heute wird A als der Punkt
definiert, der zwei Zentimeter lateral und kranial des Orificium externum der Portio liegt
und bei nicht vergrößerter Zervix dem Kreuzungspunkt von Ureter und A. uterina
entspricht.
Punkt
B
ist
drei
Zentimeter
lateral
davon
im
Bereich
der
Obturatoriuslymphknoten gelegen und entspricht der Beckenwand. Beim Korpuskarzinom
wurden nach der Heyman-Packtechnik Kapseln in das Cavum uteri gebracht. Bei einer
durchschnittlichen Dosisleistung von 0,5 Gy/h lag die Bestrahlungsdauer einer Fraktion
bei 24-72 Stunden. Nicht zu vermeidende Bewegungen der Patientin konnten eine
Verlagerung des Applikators bewirken und erzeugten damit Ungenauigkeiten in der
Dosisberechnung.
1960 wurde von HENSCHKE das Nachladeverfahren (Afterloading) in die gynäkologische
Kontakttherapie
eingeführt
(40).
Dadurch
verbesserte
sich
insbesondere
der
Strahlenschutz des medizinischen Personals. Weiterhin konnte eine drastische
Verkürzung der Behandlungsdauer auf Stundenlänge erreicht und damit weiteren
Komplikationen durch Immobilisation (z.B. Thrombose) vorgebeugt werden. Eine präzise
Bestrahlungsplanung und Dosierung war gewährleistet. Die zyklische Bewegung kleinster
Strahlenquellen zur individuellen Anpassung der räumlichen Dosisverteilung entwickelte
HENSCHKE 1966 (40).
In den frühen 70er Jahren etablierte sich das von HENSCHKE vorgestellte System der
Afterloading-Kurzzeittherapie (high-dose-rate) mit gleich guten und bei einigen Stadien
auch
besseren
Ergebnissen
im
Vergleich
zur
konventionellen
low-dose-rate
Brachytherapie (39). Dennoch bestand bis in die 90er Jahre hinein ein konventionelles
Therapieprotokoll zur Bestrahlung von Zervixkarzinomen aus einer kombinierten
perkutanen Teletherapie und einer intrakavitären low-dose-rate (LDR) Brachytherapie.
Um eine Gesamtstrahlendosis von 25 – 70 Gy in 2 Fraktionen zu erreichen, mussten die
Patientinnen bei Dosisraten von 0,4-1,2 Gy/hr immer noch stunden- bis tagelang liegen
(11). Die Vorteile der Afterloading-Kurzzeittherapie waren offensichtlich: Verkürzung der
Bestrahlungszeiten auf wenige Minuten ein- bis zweimal pro Woche in 5 oder mehr
Fraktionen; in der Regel Verzicht auf Allgemeinnarkose; Reduktion der Krankenhaustage
und die Möglichkeit zur ambulanten Bestrahlung, dadurch Minimierung der Risiken der
Hospitalisierung; bei gleicher Dosisrate Verbesserung der räumlich-dosimetrischen
Anpassung von intrakavitärer Afterloading-Therapie und perkutaner Hochvoltbestrahlung,
damit höhere Tumoreffektivität und weniger Spätfolgen; für die Klinik höherer
wirtschaftlicher Nutzen durch die effektivere Ausnutzung der Geräte ohne erhöhten
personellen oder finanziellen Aufwand.
1.4.
Kombinierte Strahlentherapie
1.4.1. Intrakavitäre Brachytherapie
Unter Brachytherapie versteht man eine Kontaktbestrahlung mit Hilfe umschlossener
Radionuklide. Das Radionuklid wird in unmittelbare Nähe des zu bestrahlenden Gewebes
resp. des Tumors oder sogar in den Tumor hineingebracht. Über Jahrzehnte wurde
226
Radium mit einer Halbwertszeit T1/2 von über 1600 a und einer mittleren Gammaenergie
E von 0,83 MeV standardmäßig in der Kontakttherapie des Uterusmalignoms eingesetzt.
Aufgrund seiner geringen Dosisleistung ist die Verwendung von
226
Radium wenig
praktikabel. Für die Kurzzeit-Afterloadingtherapie werden heute die Radionuklide
137
Caesium (T1/2 30,0a, E 0,662 MeV),
60
Kobalt (T1/2 5,27a, E 1,17 MeV) und
192
Iridium mit
einer Halbwertszeit von nur 73,8 d und einer Gammaenergie von 0,38 MeV verwendet.
192
Iridium bietet den Vorteil einer hohen spezifischen Aktivität, also einer hohen Anzahl an
radioaktiven Zerfällen gleicher Energie pro Zeiteinheit, und ist seit Jahren erfolgreich in
der high-dose-rate-Brachytherapie im Afterloading-Verfahren im Einsatz.
Zur intrakavitären Bestrahlung von Zervix- und Korpuskarzinom wird ferngesteuert eine
punktförmige Strahlenquelle in einen zuvor ins Cavum uteri positionierten Applikator
gebracht.
Je
nach
Ausdehnung
und
Lokalisation
des
Tumorgewebes
wird
computerunterstützt ein Rhythmus festgelegt, mit dem der Iridiumstrahler sich nun
schrittweise oder oszillierend im Applikator bewegt. Er wird während dieses Vorganges
bereits schrittweise zurückgezogen. Die Dauer einer Fraktion liegt bei 5-6 Minuten. Die
Dosis, welche pro Fraktion appliziert wird, bezieht sich auf den Punkt A 2 cm kranial und
lateral des Orificium externum der Zervix oder auf die Uterus- oder Tumoroberfläche. Die
Abschwächung der Strahlung gemäß Abstandsquadratgesetz (danach nimmt die
Dosisleistung im Falle der wechselwirkungsfreien geradlinigen Ausbreitung der Strahlung
von einer Punktquelle proportional zum Quadrat des Abstandes von der Quelle ab) lässt
sich gut mit Hilfe von Isodosenkurven beschreiben (Abb. 6). Für die Bestrahlung mit γStrahlen ist ein rascher Dosisabfall charakteristisch. Die Isodosenverteilung gibt auch
Aufschluss über die Strahlendosen der gefährdeten Organe wie Blase und Rektum sowie
über mögliche Überschneidungen mit perkutan bestrahlten Feldern. Bei Verwendung von
Einwegapplikatoren, das sind Zylinder mit einem Applikatorkanal, die eine homogene,
längliche Form aufweisen, resultieren Isodosenverläufe, die symmetrisch zirkulär um die
Längsachse des Zylinders laufen und die entsprechend der Position des Uterus im
kleinen Becken eine Abknickung beschreiben können. Werden Dreiwegeapplikatoren
verwendet, die aus einer intrauterinen Sonde und zwei vaginalen Ovoiden bestehen,
resultiert
eine
birnenförmige
Verteilung
der
Isodosen.
Zur
Vermeidung
von
Überdosierungen wird üblicherweise eine Messsonde mit mehreren Messpunkten ins
Rektum sowie eine Messsonde in die Blase gelegt. Dabei birgt die Blasensonde die
Gefahr aufsteigender Infektionen und liefert aufgrund der variablen Sondenlage z.T.
unzuverlässige Werte (111).
Abb. 6:
Beispiel für einen Isodosenverlauf bei der intrakavitären Strahlentherapie im AfterloadingVerfahren. Die Isodosenwerte sind in Gy angegeben. Die zentrale Dosis beträgt 50Gy, die
Isodosenlinie, die das Zielvolumen einschließt, liegt bei 8Gy.
Quelle: Medizinische Physik Marienhospital Herne, Strahlentherapie 1996
1.4.2.
Perkutane Teletherapie
Ziel der Teleradiotherapie ist es, mittels ultraharter Photonenstrahlung tiefsitzende
Tumore zu behandeln, ohne das darüberliegende Gewebe zu schädigen. Dafür ist
ultraharte Photonenstrahlung mit Energien über 1 MeV erforderlich. In den Anfängen der
perkutanen Strahlentherapie wurden sog. „Radium packs“ verwendet, 4 -6 cm messende
Boxen, welche Röhrchen mit 25 -30 mg Radium bis zu einer Gesamtmenge von 1g
Radium enthielten und in 5 – 6 cm Abstand zum Gewebe gebracht wurden. In den Jahren
1917-1919 war die „Radium-Bombe“ in Gebrauch, welche zumindest durch eine 6mm
Bleischicht geschützt war. GRIMMETT setzte 1948 in Houston die Verwendung von
Radiokobalt (60Co) mit einer Halbwertszeit von 5,3 Jahren für die Teleradiotherapie um.
Diese Telekobalttherapie zur Behandlung tiefsitzender Tumore in Form von ultraharter
Gammastrahlung wurde über 20 Jahre lang standardmäßig verwendet. Auch die weniger
harte Strahlung von radioaktivem Cäsium (124Cs) fand lange Zeit Verwendung und
verdrängte zusammen mit
60
Co die konventionelle Röntgentherapie. Seit den 70er Jahren
wurden in Teilchenbeschleunigern Elektronen beschleunigt, die nach Abbremsen eine
hochenergetische Röntgen-Strahlung aussandten. Nachdem zunächst Kreisbeschleuniger
zur
Anwendung
kamen,
findet
moderne
Strahlentherapie
heute
mit
dem
Linearbeschleuniger statt. Mittels Linearbeschleuniger wird Elektronenstrahlung künstlich
erzeugt und kontrolliert emittiert. Die Eindringtiefe der Strahlung in das Gewebe wird
bestimmt von der Strahlenenergie. Bei Bestrahlung mit beispielsweise 10 MeV liegt das
Dosismaximum einige Zentimeter in der Tiefe. Die Hautoberfläche wird dadurch geschont,
bei der Bestrahlung des kleinen Beckens werden Lymphknoten und Parametrien an
definierter Stelle getroffen.
Die Strahlenquelle befindet sich bei der Teletherapie in mindestens 10cm Abstand zum
Patienten. Feldzahl, Feldgröße und Felderanordnung werden individuell angepasst. Nach
den unterschiedlichen Applikationsmöglichkeiten unterscheidet man Stehfeldbestrahlung
(Einzelfeld-, Gegenfeld- und Mehrfelderbestrahlung) und Bewegungsbestrahlung (Pendeloder Rotationsbestrahlung). Die bei der Bestrahlung des kleinen Beckens häufig
angewendete Boxtechnik ist eine Drei- oder Vierfelder-Bestrahlung, die unter Schonung
gefährdeter Organe eine homogene Bestrahlung des Zielvolumens erlaubt. Appliziert
werden zwischen 1,5 und 2 Gy pro Fraktion über ca. 25-30 Fraktionen bis zu einer
Gesamtdosis
von
45-50
Gy.
Üblicherweise
erfolgte
die
Bestrahlung
an
5
aufeinanderfolgenden Tagen in der Woche.
Der kritische Bereich bei der kombinierten intrakavitären und perkutanen Bestrahlung liegt
an Überschneidungspunkten mittlerer Isodosen bzw. Isovolumina. Die gefährdeten
Organe können mit Hilfe unterschiedlichster Filter aus Schwermetall „ausgeblockt“
werden, was eine Änderung im Isodosenverlauf zur Folge hat (Abb.7). Mit dieser Methode
kann an Risikoorganen eine Dosisreduktion von 75-90% erreicht werden.
Abb. 7: Isodosenverläufe bei üblicher Stehfeldbestrahlung. a) Mit ultraharter 15-MeV-Röntgenbestrahlung,
Fokus-Oberflächen-Abstand 100cm, Feldgröße 10cm * 10cm. b) Mit Co-60-Gammastrahlung,
Quelle-Oberflächen-Abstand 80cm, Feldgröße 8cm * 10cm, Keilfilter/45°. Die angegebenen Zahlen
beziehen sich relativ auf das Dosismaximum (100%). Quelle: Lissner et al. (81)
1.5.
Strahlenfolgen
Im Rahmen der akuten Strahlenreaktion kann es nach Applikation von 20-30 Gy zu
Erkrankungen der Haut, der inneren Geschlechtsorgane, insbesondere der Vagina, der
Blase und der ableitenden Harnwege und des Darmes sowie des blutbildenden
Knochenmarkes, aber auch der Nervenplexus und der Gefäße kommen. Spätreaktionen
an diesen Organen treten nach 6 Monaten bis zu 10 Jahre und später nach
abgeschlossener Strahlentherapie auf. Sie bedeuten für die Patientin oft eine erhebliche
Einschränkung der Lebensqualität. Für sehr junge Karzinompatientinnen kann nach
Ablauf von Jahrzehnten das Risiko strahleninduzierter Neoplasien relevant werden.
1.5.1. Blutbildveränderungen
Bei der Strahlentherapie der Organe des kleinen Beckens entfällt auch eine gewisse
Strahlendosis auf das blutbildende Knochenmark, so dass Blutbildveränderungen möglich
sind. Die Symptome des sog. „Strahlenkaters“ sind Müdigkeit, Abgeschlagenheit,
Übelkeit, Erbrechen, Schwindel und Kopfschmerzen. Sie spiegeln das Ausmaß der durch
die Bestrahlung verursachten Myelodepression wieder und treten hauptsächlich gegen
Ende der Strahlentherapie auf. Entsprechend ihrer Lebensdauer im peripheren Blut tritt
zuerst eine Verminderung der Granulozyten (Überlebenszeit 2-3 Tage) und der
Thrombozyten ein. Ein Abfall des Hämoglobins zeigt sich bei einer Erythrozyten Lebensdauer von 120 Tagen erst nach 2-3 Monaten.
Tabelle 4: Gradeinteilung der akuten Strahlenreaktion des Blutbildes.
Grad 0
Grad I
Grad II
Grad III
Grad IV
keine Veränderungen
Leukozyten
Thrombozyten
Neutr. Granulozyten
Hämoglobin
Hämatokrit
Leukozyten
Thrombozyten
Neutr. Granulozyten
Hämoglobin
Hämatokrit
Leukozyten
Thrombozyten
Neutr. Granulozyten
Hämoglobin
Leukozyten
Thrombozyten
Neutr. Granulozyten
3
3.000 – 4.000/mm
3
90.000-130.000/mm
3
1.500-1.900/mm
9,5-11g/dl
28-32%
3
2.000-3.000/mm
3
50.000-90.000/mm
3
1.000-1.500/mm
< 9,5g/dl
< 28%
3
1.000-2.000/mm
3
25.000-50.000/mm
3
500-1.000/mm
Erythrozytentransfusion erforderlich
3
< 1.000/mm
3
< 25.000/mm oder spontane Blutung
3
< 500/mm oder Sepsis
Bei der strahlenbedingten Übelkeit werden Metoclopramid, Triflupromazin und seltener 5HT3-Rezeptor-Antagonisten (z.B. Ondansetron)
eingesetzt.
Eine Behandlung mit
Zytokinen wird sehr selten und nur bei ausgeprägten Leukozytopenien < 0,5/nl resp.
500/mm³ erforderlich. Bei Anämien mit Hämoglobinwerten < 9,5g/dl erfolgt üblicherweise
die Gabe von Erythrozytenkonzentraten. Dies ist auch für eine gute Oxygenierung der
bestrahlten Gewebe erforderlich.
1.5.2. Hautreaktionen
Hautreaktionen treten bereits nach Applikation geringer Dosen einer perkutanen
Bestrahlung auf. Die Basalzellen der Epidermis gehören zu den strahlensensiblen, sich
schnell teilenden Zellen. In Abhängigkeit von der Strahlendosis zeigt sich bereits nach 1
bis 4 Tagen auf der Hautoberfläche ein Früherythem, welches sich wieder zurückbildet
und 8 bis 10 Tage später durch ein Späterythem ersetzt wird. Die Größe des Erythems
entspricht der Fläche der Bestrahlungsfelder. Nach ca. 6 Wochen erscheint eine
verstärkte Pigmentierung und Schuppung der Haut. Eine feuchte Epitheliolyse kann an
besonders beanspruchten oder feuchten Körperstellen auftreten. Bei der Strahlentherapie
im Bereich des kleinen Beckens ist die Leistenregion besonders gefährdet.
Fibroblasten des Bindegewebes und Endothelzellen der Gefäße gehören zu den
strahlenresistenteren, sich langsam teilenden Zellen. Die Spätreaktionen der Haut stehen
daher primär nicht mit den Frühreaktionen in Zusammenhang. Der charakteristische
Spätschaden der Kutis wird als Radioderm bezeichnet und ist durch Atrophie, fleckige
Hyper- und Depigmentierung, Teleangiektasien und Sklerosierung von Kutis und Subkutis
gekennzeichnet. Im Bereich des subkutanen Fettgewebes führt die radiogene Fibrose zu
Lymphödem und Sekundärschäden an Nerven und Gefäßen. Der Dosisaufbau-Effekt
bewirkt je nach Strahlenenergie eine Verlagerung des Dosismaximums 0,5 cm bis 2,5 cm
in die Tiefe, so dass die Hautoberfläche geschont wird.
Tabelle 5: Gradeinteilung der akuten Strahlenreaktion der Haut
Grad 0
Grad I
Grad II
Grad III
keine Veränderungen
Erythem
Candida-Intertrigo der Leisten, neu aufgetreten
Narbendehiszenz
nässendes Ekzem
fleckige, feuchte Epitheliolyse
Konfluierende, feuchte Epitheliolyse außer in Hautfalten
eindrückbares Ödem
Ulkus
Blutung
Nekrose
1.5.3. Reaktionen der inneren Geschlechtsorgane
Die akute Reaktion der Vagina sowohl auf die perkutane als auch auf die intrakavitäre
Bestrahlung zeigt sich als eine einfache Entzündung der Vaginalschleimhaut mit Erythem
(Mukositis/Kolpitis, Grad I), zum Teil auch mit fleckigen, serösen oder blutigen
Auflagerungen und Schmerzen. Eine konfluierende, fibröse Entzündungsreaktion führt zu
einer Stenosierung des Zervikalkanals (Grad II) und kann die Ausbildung von Sero-,
Hämato- oder Pyometra sowie schwere Schmerzzustände zur Folge haben. Verklebt der
Zervikalkanal, wird für die nächsten Afterloading-Applikationen eine Dilatation und
Applikator-Einlage in Narkose erforderlich. Bei höhergradigen Strahlenreaktionen treten
Strahlenulzera, Blutungen und Nekrosen (Grad III) auf. Abzugrenzen davon sind bereits
prätherapeutisch vorhandene Veränderungen.
Als Spätfolge der intrakavitären Strahlentherapie treten Schleimhautulzera, BlasenScheiden-Fisteln und Rektum-Scheiden-Fisteln auf, die eine operative Sanierung
erforderlich machen. In etwa 60% (111) kommt es zu Verkürzungen und Stenosierungen
der Vagina durch eine strahlenbedingte Fibrose. Sexualleben und Partnerbeziehung der
Frauen werden durch die Therapie stark belastet. Die Hälfte der weiterhin sexuell aktiven
Frauen leidet unter Kohabitationsbeschwerden (72, 73, 111) infolge mangelnder
Lubrifikation, in 21% auch anatomisch bedingt. Häufig findet sich eine herabgesetzte
Kohabitationsfrequenz aus nicht organischen Gründen (73): aus Angst vor einem Rezidiv
durch den Geschlechtsverkehr (32%), aus Angst vor Schmerzen (30%) oder aufgrund von
Libidoverlust (37%). Aufklärende Gespräche vor und nach Karzinomtherapie könnten zur
Verminderung dieser Folgen für die psychosoziale Integrität der Frauen einen Beitrag
leisten. Für eine bessere Gleitfähigkeit beim Geschlechtsverkehr, der 6 Wochen nach
Beendigung der Radiatio wieder aufgenommen werden kann, sind Parafin-TriglyzeridEmulsionen hilfreich. Die Mukositis lässt sich gut mit lokalen Therapeutika wie PanthenolSalben
behandeln.
Ovarialfunktion
Auch
durch
die
östrogenhaltige
Strahlenwirkung
Cremes
erlischt,
werden
kommt
eingesetzt.
bei
Da
die
klimakterischen
Beschwerden auch die orale Hormonersatztherapie zum Einsatz.
Tabelle 6: Gradeinteilung der akuten Strahlenreaktion der Geschlechtsorgane
Grad 0
Grad I
Grad II
Grad III
keine Veränderungen
Kolpitis
entzündliche Schwellung / Erythem
leichte, nicht therapiebedürftige Schmerzen
Verklebung des CK und konsekutiv Hämatometra
milde therapiebedürftige Schmerzen
Verklebung der Vagina
Ulkus
Blutung
Nekrose
schwere, betäubungsmittelpflichtige Schmerzen
1.5.4. Reaktionen der Blase und der ableitenden Harnwege
Bei der Akutreaktion der Blase ist die Strahlenzystitis vorherrschend, die bei etwa 10%
der Patientinnen während der kombinierten Strahlentherapie auftritt. Die klinische
Symptomatik der akuten radiogenen Zystitis entspricht der einer bakteriellen Infektion mit
Dysurie, Pollakisurie, häufig auch Mikro- oder Makrohämaturie. Urodynamische
Messungen haben ergeben, dass während und kurze Zeit nach Bestrahlung des kleinen
Beckens insbesondere die Compliance der Blasenwand signifikant vermindert ist (30, 31,
131). Einige Autoren beschreiben eine Verminderung des maximalen Uroflow
(Miktionsvolumen/sec) ebenso wie der Blasenkapazität (31). Auch der maximale urethrale
Verschlussdruck sinkt (30), der Harndrang steigt (Grad I). In manchen Fällen tritt eine
Harninkontinenz auf (Grad II). Behr (6) interpretierte das Auftreten der Dranginkontinenz
und der urozystometrischen Veränderungen im Sinne einer Strahlenfibrose der
Blasenwand (6). Eine Streßinkontinenz hatte in der Regel bereits vor Bestrahlung
bestanden.
Zusätzlich zu den Beschwerden der einfachen Zystitis kann es zu analgetikapflichtigen
Blasenkrämpfen und Schmerzen im kleinen Becken kommen (Grad II). Eine begleitende
Blasenatonie und/oder eine bakterielle Infektion kann die Symptomatik auslösen oder
verstärken. Eine Blasensonde zur Dosismessung bei der Afterloading-Therapie begünstigt
die Keimaszension. Hb-relevante Hämaturien, evtl. mit Transfusionspflichtigkeit, eine
Blasenabflussstörung durch Strikturen oder Verklebungen der Urethra oder ein akuter
Blasenverschluss, Blasen-Ulzera und –Nekrosen sind akute schwere Strahlenreaktionen
(Grad III).
Die hämorrhagische Strahlenzystitis kann chronifizieren (Grad I) und kommt im
Spätverlauf in 2-5% der Fälle vor. Bei einer Blasendosis von 60 Gy entwickelt sich
innerhalb von 5 Jahren nach Radiatio in 5% eine radiogene Schrumpfblase, bei einer
Blasendosis von 80 Gy in 50% (Rubin 1975). Häufig beschrieben wird eine postradiogene
Verdickung der Harnblasenwand. Das Auftreten von Blasen-Scheiden-Fisteln (Grad III) ist
außer von der Blasen-Dosis auch von Tumorlokalisation und –größe abhängig und kommt
häufiger vor bei Tumoren, die in Richtung Blase infiltrieren. In diesen Fällen besteht die
Indikation zur operativen Versorgung mit externer Harnableitung. Memon (87) berichtete
über
den
Einzelfall
einer
vesicouterinen
Fistel
20
Jahre
nach
intrakavitärer
Strahlentherapie eines Zervixkarzinoms. Seltener treten Ureterstrikturen auf, die in der
Folge zu aufsteigenden Infektionen und lebensbedrohlichen Komplikationen (z.B. Urämie,
Urosepsis) führen können. Die Ureteren liegen in dem Überschneidungsbereich der
perkutanen und intrakavitären Radiatio und sind daher gefährdet. Eine Stauungsniere
nach primärer gynäkologischer Strahlentherapie ist dennoch seltener auf eine
postradiogen bedingte Ureterstriktur als auf ein Tumorrezidiv verdächtig (111).
Bei radiogener Ureterstriktur wird endoskopisch eine Ureterschiene eingelegt oder die
Patientin mit einer perkutanen Nephrostomie zur Harnableitung versorgt. Bei dysurischen
Beschwerden nach Strahlentherapie muss eine bakterielle Beteiligung der Zystitis
ausgeschlossen
und ggf.
resistenzgerecht
antibiotisch
behandelt
werden.
Eine
krampflösende und analgetische Behandlung kann mit Spasmolytika und einer
Kombination aus Phenazopyrimidin und Nitrofurantoin (Urospasmon) erfolgen. Die
radiogen bedingte Blasenatonie reagiert günstig auf das Cholinergikum Carbachol.
Tabelle 7: Gradeinteilung der akuten Strahlenreaktion der ableitenden Harnwege
Grad 0
Grad I
Grad II
Grad III
keine Veränderungen
Nykturie / Pollakisurie doppelt so häufig wie vor Therapie
Dysurie, Druck auf der Blase, nicht therapiebedürftiger Harndrang
akute Zystitis
postradiogene Verdickung der Harnblasenwand
chronische Zystitis
neu auftretende Harninkontinenz
radiogene Schrumpfblase
Hämaturie
Harnverhalt + Schmerzen
Ureterstrikturen, konsekutiv Harnaufstau
Blasenscheidenfistel
Ulkus
Urethrastenose
Urosepsis
1.5.5. Reaktionen des Dünn- und Dickdarmes
Bei der kombinierten Strahlentherapie sind vor allem Rektum, Colon sigmoideum, Zökum
und Dünndarm gefährdet. Rektum und Sigma sind ebenso im kleinen Becken verankert
wie das terminale Ileum und das Zökum. Proximalere Dünndarmanteile können zwar auch
in das Bestrahlungsfeld vorfallen, aufgrund der Dünndarmperistaltik werden jedoch nicht
bei jeder Fraktion die gleichen Darmanteile betroffen, wenn sie nicht durch Adhäsionen
fixiert sind. Doch auch die proximalen Dünndarmabschnitte sind an der akuten
Strahlenreaktion beteiligt. Durch den hohen Zell-Umsatz des Zottenepithels mit einer
Regenerationszeit von 48 Stunden reagiert der Dünndarm mit kurzer Latenzzeit auf eine
Bestrahlung. Diarrhöen, Meteorismus, lang anhaltendem Völlegefühl und krampfartigen
abdominellen Schmerzen (Grad I)
und Tenesmen sind die Folge.
Die sog.
Strahlenenteritis des terminalen Ileums führt zu Malabsorptionsstörungen und einem
Verlust an Gallensäuren aufgrund gestörter Rückresorption. Ist das terminale Ileum stark
geschädigt, kann es im Spätverlauf aufgrund der eingeschränkten Vitamin B12Resorption zu einer makrozytären Anämie kommen (116). Die radiogen bedingte
Rektosigmoiditis und die Strahlenproktitis, evtl. vergesellschaftet mit neu aufgetretener
Stuhlinkontinenz, komplettieren das Bild. Je nach Schweregrad kann es zu Blut- und
Schleimabsonderungen kommen. Gegebenenfalls wird eine parenterale Ernährung
erforderlich (Grad II). Bei Darmatonie kann ein akuter oder subakuter paralytischer Ileus
auftreten,
der
zusammen
mit
Fistelbildungen,
Perforationen
und Hb-relevanten
gastrointestinalen Blutungen zu den schweren Akut-Reaktionen (Grad III) zählt.
Bis zu einem Jahr nach Radiatio, in Einzelfällen auch später, kann sich eine
gefäßbedingte Ischämie des Darmes entwickeln. Dabei degenerieren die Arteriolen, die
die Darmschleimhaut versorgen. Durch Zottenatrophie kommt es zum klinischen Bild
einer chronischen Kolitis resp. Proktitis oder Sigmoiditis (ca. 7%, 111). Durch
Fibrosierungen und ischämische Nekrosen der Submukosa entstehen Ulzerationen,
Stenosen und Perforationen mit Fistelbildungen (Grad III). Rektovesicale Fisteln und
Fistelbildungen zwischen Rektum und Dünndarm oder zwischen Rektum und Sigma
müssen primär operativ saniert werden. Bei rektovaginalen Fisteln ist in der Regel Anlage
eines Anus praeter erforderlich, der ggf. nach Ausheilung zurückverlegt werden kann.
Auch 10 Jahre nach Strahlentherapie kann ein radiogen bedingter Ileus auftreten, dem in
der Regel häufig rezidivierende Subileus-Zustände vorausgehen. Die Liste der
Differentialdiagnosen ist lang und es ist fraglich, ob eine solche Spätkomplikation immer in
den richtigen Kontext gerückt wird.
Zur Milderung der Frühsymptomatik sollten die Patientinnen 5-6mal täglich eine
ballaststoffarme Kost erhalten, damit der Zottenabrieb durch ballaststoffreiche Speisen
nicht noch gefördert wird. Blähende Speisen, Rohkost, scharfe Gewürze und Nikotin
sollten vermieden werden. Bei Raucherinnen fand sich eine höhere Nebenwirkungsrate
insbesondere der irreversiblen Schädigungen sowie schlechtere Heilungsraten (68). Zur
Behandlung der Diarrhö wird regelmäßig Loperamid, selten Tinctura opii eingesetzt. Die
Behandlung
der
Strahlenproktitis
entspricht
der
chronisch
entzündlicher
Darm-
erkrankungen. Lokale Antiphlogistika, Kortikoidschaum, Mesalazin- und SulfasalazinKlystiere sind im Einsatz.
Tabelle 8: Gradeinteilung der akuten Strahlenreaktion der Verdauungsorgane
Grad 0
keine Veränderungen
Grad I
nicht behandlungsbedürftige Diarrhö
Missempfinden, leichter Schmerz
Grad II
behandlungsbedürftige Diarrhö
behandlungsbedürftiger Schmerz
Stuhlinkontinenz, neu aufgetreten
geblähter Bauch
Proktitis, Kolitis
Grad III
subakuter oder akuter Ileus
Blutungen
Ulzera
Rektum-Scheiden-Fistel
Stenosierung
1.5.6. Gefäss-Reaktionen
Auf
die
radiogen
Spätkomplikationen
bedingten
Gefäßschädigungen
verschiedener
Organsysteme
und
wurde
die
daraus
bereits
in
folgenden
Kapitel
1.3.
eingegangen. Bei der kombinierten Strahlentherapie von Malignomen des kleinen
Beckens kommt es gehäuft zum Auftreten von Beinödemen, die venöser oder
lymphatischer Genese sein können. Sohn (120) beobachtete bei Patientinnen im
Langzeitverlauf nach Bestrahlung der Beckenorgane eine Häufung an Insuffizienzen der
Venenklappen des Beinvenensystems. Dafür werden ein Ödem der Venenwand und eine
Verschlechterung der Venenfunktion als ursächlich angesehen.
1.5.8. Strahleninduzierte Neoplasien
Die strahleninduzierten Neoplasien können für Patientinnen, die nach Strahlentherapie
lange Zeit krankheitsfrei überleben, zu einem relevanten Risiko werden und erfordern
regelmäßige Kontrolluntersuchungen auch der inneren Organe und des Blutes.
Inskip (58) zeigte für die USA, dass nach Strahlentherapie nicht neoplastisch bedingter
Blutungsunregelmäßigkeiten zwischen 1925 und 1965 die Lebenserwartung sank und die
Rate an krebsbedingten Todesfällen im Vergleich zur übrigen Bevölkerung zunahm. 10
Jahre nach der Bestrahlung war die Morbidität für Patientinnen mit Blasen- und
Uteruskarzinomen um über 100% erhöht. Weiterhin kam es zu einem gehäuften Auftreten
von Leukämien (90) und Kolon-, Nierenzell- und Pankreaskarzinomen. (Inskip 1990). Den
Fall eines malignen Melanoms der Zervix uteri nach vorangegangener Strahlentherapie
eines Zervixkarzinoms berichtete Benson (7).
1.6.
Diagnostische Methoden
zur Beurteilung von Zervix- und Korpuskarzinomen
Für die klinische Einteilung der gynäkologischen Tumore nach dem FIGO-Staging-System
sind folgende Untersuchungen indiziert: Palpation, auch in Narkose, Inspektion,
Kolposkopie, fraktionierte Abrasio, Hysteroskopie, Zystoskopie, Prokto-/Rektoskopie, i.v.Urogramm und Röntgen-Aufnahmen der Lunge und des Skeletts.
Die modernen bildgebenden Verfahren wie Vaginal- und Abdomen-Sonografie,
Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT) haben einen festen
Stellenwert im Rahmen der Zusatzdiagnostik, insbesondere zur Beantwortung der Frage
nach einem Lymphknotenbefall, in der Therapieplanung und im Therapieverlauf.
1.6.1. Gynäkologische Untersuchung
Die gynäkologische Untersuchung gilt für die prätherapeutische Stadieneinteilung des
Zervixkarzinoms
nach
wie
vor
als
„golden
standard“.
Im
Rahmen
der
Speculumuntersuchung und der Kolposkopie wird die Inspektion von Zervix und Vagina
vorgenommen und der Tumoraspekt sowie die Ausdehnung eines Zervixtumors in die
Vagina hinein beschrieben und die Tumorgrenzen ggf. durch Biopsien dokumentiert.
Die
bimanuelle
Untersuchung
wird
zur
Beschreibung
von
Uterusgröße,
Uterusbegrenzung, Tumorausdehnung in die Parametrien und bis zur Beckenwand und
übergreifende Prozesse auf Tuben und Ovarien herangezogen. Dabei ist die klinische
Erfahrung des Untersuchers, der auch die Verlaufsuntersuchungen durchführen sollte,
entscheidend. Ist die Untersuchung für die Patientin zu belastend oder ist ohnehin ein
diagnostischer Eingriff geplant (z.B. eine fraktionierte Abrasio bei endozervikaler
Ausbreitung), kann die gynäkologische Untersuchung auch in Narkose erfolgen. Ein
histologischer Karzinomnachweis durch Probeentnahme ist für die Diagnosestellung
essentiell.
Wesentlich
für
die
Diagnose
und
prätherapeutische
Stadieneinteilung
des
Endometriumkarzinoms bei primär strahlentherapierten Patientinnen ist neben der
klinischen Untersuchung die vaginalsonografische Darstellung des Endometriums sowie
der myometralen Infiltration von Endometriumtumoren. Die Diagnose erfolgt durch den
histologischen Tumornachweis mittels fraktionierter Abrasio.
1.6.2. Staging-Untersuchungen:
Eine intravenöse Pyelografie ist erforderlich zum Ausschluss von Ureterstenosen bzw.
einer
Ureterinfiltration.
Zystoskopie
und
Rektoskopie
werden
durchgeführt
zum
Ausschluss oder auch Nachweis eines Tumoreinbruchs in Harnblase oder Rektum. Hier
können an makroskopisch auffälligen Stellen direkt Proben für die histologische
Aufarbeitung entnommen werden. Eine Röntgenuntersuchung des Thorax in zwei Ebenen
ist zum Ausschluss von Lungenmetastasen erforderlich. Bei Knochenschmerzen sind
Röntgenuntersuchungen und eine Szintigrafie des Skelettsystems indiziert. Sonografische
Untersuchungen komplettieren die prätherapeutische Diagnostik.
1.6.3. Sonografie
Die
Abdomen-Sonografie
wird
bei
gefüllter
Harnblase
mit
einem
3-3,5
MHz
Sektorschallkopf durchgeführt und ist untersuchungsbedingt bei adipösen Patienten
erschwert. Im Rahmen der Staging-Untersuchungen des Uterusmalignoms erhalten die
Patientinnen routinemäßig eine abdominale Ultraschall-Untersuchung, die der Frage nach
intraabdominellen
Metastasen
insbesondere
der
Leber
und
der
paraaortalen
Lymphknoten nachgeht. Eine Beteiligung der Ovarien, die beispielsweise in 30% der
Uterussarkome auftritt, kann möglicherweise frühzeitig diagnostiziert werden, ebenso wie
begleitender Aszites. In 15% der Endometriumkarzinome tritt ein Ovarialkarzinom als
Zweitkarzinom
auf.
Im
Falle des Endometriumkarzinoms können evtl.
Uterus-
Inhomogenitäten und Organvergrößerungen dargestellt werden. Beim Zervixkarzinom
gelingt eine Tumordarstellung nur in weit fortgeschrittenen Stadien großer Malignome, die
sich abdomensonografisch dann nicht mehr zuordnen lassen (10), in ihrer Ausdehnung
nach kranial und lateral aber gut darstellbar sind.
Der vaginale Ultraschall wird mit einem > 5MHz Vaginal-Sektorschallkopf durchgeführt
und kann bei Virgines und Frauen mit atrophischer Vagina nur bedingt eingesetzt werden.
Die vaginale Untersuchungstechnik bietet ein hohes Auflösungsvermögen und zeigt die
Organe des kleinen Beckens in ihrer natürlichen Lagebeziehung zueinander. Bei der
Darstellung des Uterus im sagittalen Längsschnitt kann eine Lagebestimmung
(antevertiert / anteflektiert / gestreckt / retrovertiert / retroflektiert) und Größenmessung
(Länge und a.p.-Durchmesser, Kavumlänge) durchgeführt werden. Das Endometrium ist
in
seiner
Höhe
sowie
Abgrenzbarkeit
zum
Myometrium
zu
beurteilen.
Eine
Endometriumhöhe von postmenopausal > 8-10mm und ein prozentualer Anteil des
Endometriums am Uterus-a.p.-Durchmesser > 30-33% gelten als pathologisch. Echoarme
und echoreiche, homogene und inhomogene, gut abgrenzbare und schlecht abgrenzbare
Binnenstrukturen werden unterschieden. In der Beurteilung der äußeren Uteruskontur im
Längs- und Querschnitt sind Unregelmäßigkeiten, Doppelbildungen und die Abgrenzung
zu den benachbarten Organen Blase und Rektum wichtig. Die Ovarien können mit A. und
V. iliaca interna als Leitstrukturen aufgesucht werden und sollten in 3 Durchmessern in 2
Ebenen beschrieben werden, Seitendifferenzen und Strukturauffälligkeiten inbegriffen. Die
Tuben sind im Normalzustand nur im Adnexabgang darstellbar.
Umschriebene pathologische Prozesse sollten in ihrer Organzugehörigkeit, Größe und
Ausdehnung, ebenfalls in 3 Durchmessern in 2 Ebenen, dokumentiert werden. Weiteren
Aufschluss geben die Berandung, Abgrenzbarkeit, Verschieblichkeit (hier insbesondere
der Darmschlingen), Komprimierbarkeit und die Mobilität. Zystische und septale
Strukturen lassen sich ebenfalls differenzieren. Auch die Parametrien sind einer
Beurteilung durch den vaginalen Ultraschall zugänglich und können für die Planung einer
Radiatio entscheidend sein. Das Endometriumkarzinom ist sonografisch charakterisiert
durch regelmäßige, echogene Strukturen mit z.T. zystischen Veränderungen (45). Studien
zur Einschätzung der Myometriuminfiltration (1/3, 2/3, 3/3 des Myometriums infiltriert oder
organüberschreitendes Wachstum) eines histologisch nachgewiesenen Endometriumkarzinoms ergaben bereits 1987 eine 70%ige (33) bis 80%ige (35, 45, 75)
Übereinstimmung der Infiltrationstiefe mit den postoperativ untersuchten UterusPräparaten. Dabei wird die Infiltrationstiefe tendenziell eher überschätzt (16, 75). Im Falle
der Uterussarkome findet sich im vaginalen Ultraschall ein stark heterogenes Bild mit
einem Muster nebeneinander liegender echogener und echoarmer Bereiche. Beim
Zervixkarzinom liegt ein anderes Verhältnis klinischer Einschätzbarkeit vor, da es gut
einzusehen ist und eine Verdachtsdiagnose ab dem Stadium Ib in der Regel
makroskopisch gestellt werden kann. Zur Bestimmung des Tumorvolumens, der
Ausdehnung ins Korpus uteri und zur Beurteilung der Parametrien ist aber auch hier die
Vaginalsonografie unerlässlich. Im sonografischen B-Bild zeigen sich echogen veränderte
Strukturen, die in sich homogen oder inhomogen erscheinen und gelegentlich von einem
echoleeren Randsaum begrenzt sein können (45).
Bestrebungen,
ein
Tumorstaging
für
das
Zervixkarzinom
routinemäßig
mittels
transrektalen Ultraschalls durchzuführen (28), haben sich nicht durchgesetzt. Zervix und
Parametrien lassen sich in ihrer anatomischen Lage zu Blase und Rektum gut darstellen,
wenn die Blase gefüllt ist. Der transrektale Ultraschall kommt jedoch in der
gynäkologischen Diagnostik nur bei speziellen onkologischen Fragestellungen zum
Einsatz.
Bei ausgedehntem Karzinomwachstum können zum Teil Lymphknotenmetastasen der
Skalenusregion am Hals aufgezeigt werden, die der Palpation nicht zugänglich sind.
1.6.4. Computertomografie (CT)
Durch die transversale Schichtführung mit einer Schichtdicke von ca. 5-10 mm kann der
Retroperitonealraum computertomografisch ohne Überlagerungen dargestellt werden. Die
untersuchungsbedingt
limitierte
Auflösung
macht
die
Lymphknotengruppen
des
Retroperitoneums (iliacale, paraaortale und parakavale Lymphknoten) ab einer Größe von
0,5-1 cm darstellbar. Kriterium für die pathologische Lymphknoten-Vergrößerung ist ein
Durchmesser >/= 1,5 cm. Der Uterus ist gegenüber Blase und Rektum gut abgrenzbar mit
einem hypodens gegenüber dem Myometrium erscheinenden Cavum uteri. Endometrium,
Myometrium, Ovarien und Parametrien sind jedoch nicht sicher voneinander zu
differenzieren. Kommt es ab dem Stadium IIb des Zervixkarzinoms zur Tumorinfiltration
der Parametrien, so lassen sich die parametrane Auftreibung und eine kontinuierliche
flächenhafte weichteildichte Infiltration in ca. 50% im CT nachweisen (32). Bessere
Ergebnisse werden auch mit dem Spiral-CT nicht erreicht (133). Eine Unterscheidung
zwischen
Tumorgewebe
und
entzündlichem
Infiltrat
ist
nicht
sicher
möglich.
Tumorinfiltrationen von Rektum, Blase und Vagina sind aufgrund der fehlenden
Sagittalebene ebenfalls nicht immer sicher nachweisbar. Die Stadien I bis IIa des
Zervixkarzinoms
sind
der
CT
nicht
zugänglich.
Bezüglich
der
parametranen
Tumorinfiltration des Endometriumkarzinoms gelten die gleichen Kriterien wie für das
Zervixkarzinom. Die Stadien I und II zeigen computertomografisch geringe pathologische
Veränderungen, eine Unterscheidung kann schwierig sein. Das organüberschreitende
Stadium III äußert sich in einer Auftreibung des Uterus und einer möglichen
Unterbrechung der äußeren Uteruskontur. In der Diagnostik von Beckenwandrezidiven mit
Infiltration der Beckenmuskulatur, die sich aufgrund ihrer hohen Lage der Palpation
entziehen, hat die CT einen hohen Stellenwert. In Studien wurde das Auftreten von
Lokalrezidiven bei klinischem Rezidivverdacht computertomografisch zu 85% richtig
erkannt, mit 3% an falsch positiven und 3% an falsch negativen Ergebnissen infolge
eingeschränkter Beurteilbarkeit post radiationem (53).
Aufgrund der Transversalschichtbildgebung eignet sich das Computertomogramm gut zur
Bestrahlungsplanung.
1.6.5. Magnetresonanztomografie (MRT)
Auch in der MRT lassen sich karzinomatöse und entzündliche Infiltrate kaum
unterscheiden. Das Zervixkarzinom stellt sich in der T2-Wichtung als Tumor hoher
Signalintensität dar und ist gut vom normalen Zervixgewebe zu differenzieren. Bei
histologisch gesichertem Zervix-CA ist ein Magnetresonanztomogramm außerdem zur
Bestimmung von Tumorgröße und –lokalisation hilfreich und kann prätherapeutisch
wichtige Informationen liefern. Im Gegensatz zur CT lässt sich eine Tumorausbreitung auf
Vagina und Parametrien, Beckenwand sowie Blase oder Rektum kernspintomografisch
gut darstellen. Die MRT spielt daher eine wichtige Rolle in der Therapiefindung. Beim
Korpuskarzinom kann mit Hilfe der MRT die Tiefe der Myometriuminfiltration festgestellt
werden, da sich Endometrium und Myometrium gut differenzieren lassen. Das
Endometriumkarzinom stellt sich kernspintomografisch in Form irregulärer Erweiterungen
des Endometriums oder in Form endometrialer Raumforderungen dar. Die oberflächliche
Infiltration des Myometriums zeigt sich als eine Zone geringer Intensität zwischen Endound Myometrium. Bei tiefer myometraler Infiltration finden sich schließlich Tumoranteile
hoher Signalintensität. Da die Häufigkeit von Lymphknotenmetastasen bei Befall des
äußeren Myometriumdrittels mit 40% um mehr als den Faktor 10 höher liegt als bei Befall
des inneren Myometriumdrittels (3%), ist die Differenzierung zwischen oberflächlicher und
tiefer Infiltration für das weitere therapeutische Vorgehen entscheidend. Bezüglich der
Auflösung pathologisch vergrößerter Lymphknoten entsprechen sich MRT und CT (32).
Obwohl die MRT keinen Einfluß auf die Klassifikation der Tumorstadien nach FIGO hat,
wird sie heute häufig im Rahmen des Tumorstaging und des Krankheits-Verlaufs
eingesetzt (34, 130). Ein Vergleich zwischen der klassischen klinischen Untersuchung in
Narkose und einer MRT-Darstellung zeigte bei Zervixkarzinomen mit 67-89% eine höhere
Sensitivität der MRT in Bezug auf die extrazervikale Tumorausdehnung als die Palpation
mit 44%. Allerdings kam es bei der MRT-Untersuchung zu einer höheren Rate an falschpositiven Ergebnissen, so dass eine stadiengerecht richtige Therapieentscheidung in 89%
der palpatorisch untersuchten Patienten, aber nur in 69-84% der kernspintomografisch
untersuchten Patienten gefällt wurde (103).
Im Verlauf nach Strahlentherapie kann die MRT aufgrund der signifikant höheren
Signalintensität zwischen Residual- oder Rezidivtumoren und radiogenen Fibrosen sicher
unterscheiden. Da Fibrosen bis zu 6 Monate nach Strahlentherapie noch deutlich
signalreicher sind als im Spätverlauf, wird empfohlen, eine Verlaufsbeurteilung mittels
MRT erst 6 Monate post radiationem vorzunehmen, um falsch positive Befunde zu
vermeiden (34). In einigen Zentren hat die MRT bereits in die Bestrahlungsplanung
Einzug erhalten (112, 127).
1.7.
Heutige Therapie - Standards
1.7.1.
Therapie des Zervixkarzinoms
Nach histologischer Diagnosesicherung und Graduierung einer CIN oder eines invasiven
Zervixkarzinoms ist zunächst ein prätherapeutisches Staging zur Festlegung des FIGOund des TNM-Stadiums erforderlich. Es muss dann stadienabhängig über ein primär
operatives oder ein primär strahlentherapeutisches Therapiekonzept entschieden werden.
1.7.1.1. Primär operatives Vorgehen
Bei CIN I und II und Befall der Ektozervix wird eine Befund-Kontrolle nach 3 Monaten
durchgeführt. Eine Bestätigung des Befundes CIN I/II der Ektozervix nach 3 Monaten
sowie eine CIN III der Ektozervix sollte eine Biopsie und eine C02-Laservaporisation nach
sich ziehen. Bei Befall der Endozervix erfolgt in allen Fällen die Konisation. Im Stadium 0
(Carcinoma
in
situ)
und
Ia1
nach
FIGO
(Invasionstiefe
max.
3mm,
Oberflächenausdehnung max. 7mm) und ohne ungünstige Prognosekriterien wie
dissoziiertes, netzförmiges Tumorwachstum, Tumorvolumen > 400mm³, Einbruch in
Kapillaren oder Lymphbahnen, schmaler oder nicht beurteilbarer Absetzungsrand, oder
unsichere Messung der Ausdehnung ist die Therapie der Wahl zunächst die Konisation
mit Zervixkürettage. Die Konisation kann als Messerkonisation, mit elektrischer Schlinge
oder als Laserkonisation erfolgen. Das Konisat muss (bei 12 Uhr) mit Faden markiert sein.
Hat
die
Patientin
die
Familienplanung
abgeschlossen
und
ein
ausgeprägtes
Sicherheitsbedürfnis, wird eine einfache vaginale oder abdominelle Hysterektomie
durchgeführt. Im Stadium Ia1 mit ungünstigen Prognosekriterien und im Stadium Ia2
(Invasionstiefe 3-5 mm, Oberflächenausbreitung bis 7mm) erfolgt die Hysterektomie ohne
Resektion der Parametrien, aber mit Entfernung der pelvinen Lymphknoten. In den
Stadien Ib, IIa und IIb ist die Radikal-Operation nach Wertheim-Meigs-Okabayashi
indiziert. Im Stadium IIb kann alternativ eine primäre Radiatio erfolgen. Vorwiegend in
den USA werden Patientinnen mit Zervixkarzinom IIb primär bestrahlt, in Europa und
Japan wird vorwiegend primär operiert. Die Radikaloperation nach Wertheim-Meigs
umfasst die Lymphadenektomie der pelvinen Lymphknoten, der iliacalen Lymphbahnen
und Lymphknoten (Vv. und Aa. iliaca interna, externa und communis), Ausräumung der
Fossa obturatoria bis auf den Beckenboden, Resektion der Ligamenta cardinalia an der
Beckenwand sowie beider Ligamenta sacrouterina, des Uterus und der Parametrien.
Parakolpium und Vagina werden in Abhängigkeit von der Größe des Primärtumors und
Befall der Vagina abgesetzt. Im Stadium IIa wird eine Scheidenmanschette mit einem
Sicherheitsabstand von 2 cm zum Tumor entfernt. Bei primär operativem Vorgehen ist im
Stadium
IIb
zusätzlich
eine
paraaortale
Lymphadenektomie
indiziert.
Bei
prämenopausalen Frauen ist es möglich, die Ovarien zu belassen, bei Patientinnen mit
Adenokarzinom wird die Ovariektomie befürwortet. Bei jungen Frauen und frühen
Karzinom-Stadien (Stadium I) können die Ovarien am Lig. infundibulopelvicum gestielt
aus dem kleinen ins große Becken verlagert und an der Beckenwand oder am
parakolischen Gewebe fixiert werden (Transposition der Ovarien) (89, 106, 123). Im Falle
einer postoperativen Bestrahlung werden sie so geschont und erhalten in 90% bei
alleiniger Afterloading-Therapie und in 60% bei kombinierter Strahlentherapie (89) ihre
Organfunkion. Im Stadium III und IV ist die primäre Radiatio die Therapie der Wahl.
1.7.1.2. Primär strahlentherapeutisches Vorgehen
Im Stadium III und IV und wahlweise im Stadium IIb werden die Patientinnen in aller
Regel mit einer Kombination aus high-dose-rate (HDR) Brachytherapie im Afterloading(Nachlade-)Verfahren
und
perkutaner
Hochvoltbestrahlung
behandelt.
Die
Perkutanbestrahlung geht der Afterloading-Therapie voran oder wird überlappend
durchgeführt. Insgesamt sollte die gesamte Bestrahlungsdauer planmäßig acht Wochen
nicht überschreiten. Nach einem üblichen Therapieschema erhält die Patientin zunächst
eine perkutane Teletherapie bis zu einer Gesamtdosis von etwa 20 Gy mit einer
Fraktionierung von 1 - 5 x 1,5 - 5 Gy pro Woche. Anschließend werden PerkutanBestrahlung und intrakavitäre Afterloading-Therapie parallel durchgeführt. Die perkutane
Teletherapie wird bis zu einer Aufsättigung der Parametrien bis 46 - 50 Gy fortgeführt. Die
intrakavitären Einlagen erfolgen in wöchentlichem Abstand mit Fraktionierungen von 4 - 8
x 5 - 10 Gy (Dosis auf Punkt A). Zeigen sich nach Applikation von 2/3 der geplanten
Strahlendosis keine Zeichen der Remission, liegt möglicherweise eine Strahlenresistenz
vor. Die Möglichkeit einer Operation zur Tumorreduktion muss dann neu diskutiert
werden.
Der Stellenwert einer neoadjuvanten oder adjuvanten Chemotherapie wird derzeit noch in
Studien geprüft. Neuere Ergebnisse (77) zeigen eine deutliche Verbesserung der
Heilungschancen bei einer Kombination aus Strahlentherapie und einer adjuvanten
Chemotherapie mit cisplatinhaltigen Substanzen. Eine mit der Perkutanbestrahlung
parallel durchgeführte Chemotherapie auf Cisplatin-Basis kann vor Afterloading-Therapie
eine signifikant bessere Größenabnahme des Tumors bewirken als die alleinige
Radiotherapie.
Daher
wird
bei
kurativem
Therapieansatz
und
fehlenden
Kontraindikationen gegen Cisplatin (z.B. eine Niereninsuffizienz oder erheblich reduzierter
Allgemeinzustand) eine kombinierte Radiochemotherapie empfohlen. Durch Kombination
mit weiteren Chemotherapeutika außer Cisplatin wurden bisher keine besseren
Ergebnisse erzielt (77).
1.7.1.3. Postoperative Strahlentherapie
Eine alleinige postoperative Nachbestrahlung mittels perkutaner Hochvoltbestrahlung, wie
sie bisher zur Senkung der Lokalrezidivrate bei Vorliegen von Risikofaktoren durchgeführt
wurde, erbringt nach derzeitiger Studienlage (77) nach radikaler Hysterektomie keine
Verbesserung der Überlebensraten. Ebenso wie bei der primären Strahlentherapie kann
aber
durch
Verbesserung
eine kombinierte
der
Radiochemotherapie
Überlebensraten
erreicht
mit
Cisplatin
werden.
Eine
eine
deutliche
postoperative
Radiochemotherapie ist daher indiziert bei parametranem Befall, ungünstigem TumorZervix-Quotient, Lymphknotenbefall, Lymphangiosis carcinomatosa oder R1- oder R2Resektion. Strahlentherapeutisch erfordert dieses Vorgehen eine Homogenbestrahlung
des kleinen Beckens ohne Aussparung des Mittelfeldes mit einer Gesamtdosis von 50-60
Gy an der Beckenwand und kann ggf. ergänzt werden durch eine Bestrahlung der
paraaortalen Lymphknoten bis 35 Gy.
1.7.1.4. Behandlung von Rezidiven
Entscheidend ist die Lokalisation eines Tumorrezidivs (zentral, vaginal, an der
Beckenwand oder im Sinne von paraaortalen oder Fernmetastasen) sowie die Art der
vorangegangenen Behandlung. Bei Rezidiven nach ausschließlich operativem
Vorgehen bewirkt eine kombinierte Radiochemotherapie eine 40%ige Heilungsrate. Ein
tiefsitzendes Scheidenrezidiv kann operativ mittels Kolpektomie oder durch Bestrahlung
behandelt werden. Das Strahlenfeld sollte möglichst weit kaudal liegen, wenn bereits
bestrahlt worden ist, und sich zur Schonung der Gewebe im Grenzbereich möglichst nicht
mit dem ehemaligen Strahlenfeld überschneiden. Ein zentraler Rezidivtumor im kleinen
Becken wird durch eine Radikaloperation entfernt. In den meisten Fällen wird hierfür die
Exenteration des kleinen Beckens erforderlich. Dies beinhaltet neben der radikalen
Hysterektomie und Adnexektomie eine vordere Exenteration mit Entfernung der Blase und
eine hintere Exenteration mit Amputation des Rektums. Die für die Lebensqualität der
Patientin
einschneidende
Operation
erbringt
Heilungsraten
von
30-60%
(77).
Beckenwandrezidive in vorbestrahlten Bereichen lassen sich im Einzelfall operativ
sanieren. Hier findet gelegentlich die interstitielle Strahlentherapie Verwendung. Über den
Einsatz intraoperativer Bestrahlungstechniken liegen noch nicht genügend Daten vor. Bei
Auftreten paraaortaler Metastasen ist in manchen Fällen eine operative Entfernung
möglich. Bei inoperablen Fällen erfolgt in der Regel eine perkutane Hochvoltbestrahlung.
Eine palliative Chemotherapie kann indiziert sein, wenn für lokale Rezidive oder
Lymphknotenmetastasen keine operativen oder strahlentherapeutischen Optionen mehr
gegeben oder zusätzlich Fernmetastasen aufgetreten sind. Die palliative Chemotherapie
sollte aber nur mit dem Ziel der Beschwerdelinderung eingesetzt werden.
Neuere Studien zeigen einen günstigen Einfluß von Vitamin A auf die Erhaltung der
normalen zervikalen Zellfunktion und einen wachstumsverzögernden Effekt auf zervikale
Neoplasien (29). Die lokale oder systemische Applikation von Vitamin A wird zukünftig
vielleicht in die adjuvante Therapie eingebunden werden.
1.7.2. Therapie des Endometriumkarzinoms
Die histologische Diagnosesicherung wird mittels fraktionierter Abrasio geführt. Der
Pathologe erhält das Zervix- und Korpusabradat getrennt. Bei negativem Befund ist ggf.
eine Hysteroskopie zur definierten Gewebegewinnung indiziert. Das Tumorstaging erfolgt
generell operativ, ggf. durch eine Staging-Laparoskopie bei inoperablem Lokalbefund und
am OP-Präparat. Zur Sicherung der Invasionstiefe wird der exstirpierte Uterus während
der Operation an die Pathologie zur Schnellschnittuntersuchung weitergegeben. Auch
therapeutisch wird beim Endometriumkarzinom aufgrund der besseren Ergebnisse
generell eine operative Tumorentfernung angestrebt. In den Stadien I-III ist daher die
operative Behandlung die Methode der Wahl, während in den Stadien IIIb mit Befall der
Vagina und IVa mit Infiltration von Blasen- oder Rektumschleimhaut eine alleinige
Operation meist nicht ausreicht, wenn eine kurative Zielsetzung besteht. Die Ausdehnung
der operativen Maßnahmen erfolgt stadienabhängig (76):
1.7.2.1. Primär operatives Vorgehen
Im Stadium Ia und Ib wird eine abdominelle Hysterektomie mit beidseitiger Adnexektomie
und,
abhängig
vom
Vorhandensein
ungünstiger
Prognosefaktoren,
eine
Lymphadenektomie durchgeführt. Als Risikofaktoren gelten diesbezüglich schlecht
differenzierte (G3) Adenokarzinome, G2-Karzinome anderer Histologie, klarzellige und
seröse
Adenokarzinome,
(Adenoakanthome
und
Adenokarzinome
adenosquamöse
mit
plattenepithelialer
Karzinome)
und
Differenzierung
maligne
epithelial-
mesenchymale Tumoren (Müllersche Mischtumoren). Im Stadium Ic wird die abdominelle
Hysterektomie mit beidseitiger Adnexektomie sowie eine pelvine und ggf. paraaortale
Lymphadenektomie durchgeführt. Ob durch die laparoskopische Adnexektomie und
Lymphadenektomie mit laparoskopisch assistierter vaginaler Hysterektomie gleiche
Ergebnisse erzielt werden können, muss noch gezeigt werden. Im Stadium IIa und IIb
wird die erweiterte radikale Hysterektomie (nach Wertheim-Meigs) mit beidseitiger
Adnexektomie
und
pelviner,
ggf.
paraaortaler
Lymphadenektomie
durchgeführt.
Verbesserte Heilungschancen durch das radikal-operative Vorgehen sind für das Stadium
IIa im Vergleich zur einfachen Hysterektomie nicht gesichert. Im Stadium IIIa wird bei
extrauteriner, intraabdomineller Ausdehnung des Karzinoms neben der abdominellen
Hysterektomie mit Adnexektomie beidseits und Lymphadenektomie pelvin und paraaortal
auch eine Omentumresektion vorgenommen. Im Stadium IIIb mit Ausbreitung auf die
Vagina muss das Vorgehen vom jeweiligen Befund und von der lokalen Operabilität
abhängig gemacht werden. Ist eine operative Sanierung möglich, so wird die erweiterte,
radikale abdominelle Hysterektomie mit Adnexektomie und partieller oder kompletter
Kolpektomie sowie pelviner und ggf. paraaortaler Lymphadenektomie durchgeführt.
Alternativ
kommt
die
Hysterektomie
mit
Tumorexzision
aus
der
Vagina
und
Kontaktbestrahlung der Vagina in Betracht. Bei inoperablem Befund kann eine primäre
Radiatio mit intrakavitärer Brachytherapie und perkutaner Teletherapie erfolgen. Im
Stadium IIIc liegt eine regionale Lymphknotenmetastasierung vor. Es wird daher
ebenfalls die abdominelle Hysterektomie mit Adnexektomie beidseits und pelviner/
paraaortaler Lymphadenektomie durchgeführt. Im Stadium IVa erfolgt in der Regel die
homogene perkutane Bestrahlung des kleinen Beckens, ggf. kombiniert mit einer
Afterloading-Therapie.
Bei
isoliertem
Befall von
Blase
und/oder
Rektum
ohne
Lymphknotenmetastasen und ohne parametrane Ausbreitung kann die vordere und/oder
hintere Exenteration erfolgreich sein. Beim Stadium IVb, durch das Auftreten von
Fernmetastasen charakterisiert, kommen mit palliativer Intention unterschiedliche
Behandlungsmethoden kombiniert zum Einsatz. Die Indikationen für Operation, Radiatio,
Gestagen- und/oder Zytostatika-Therapie müssen vom Einzelfall abhängig gemacht
werden. Dabei ist eine Operation zur Reduzierung der Tumormasse in der Regel
prognostisch günstig. Bei Reduktion des Tumors auf Reste < 2 cm konnte eine
signifikante Verlängerung der Überlebenszeit gezeigt werden (128). Bei hohen oder
stetigen Blutverlusten ist auch eine Hysterektomie aus symptomatischer Indikation zur
Blutstillung effektiv. Ist eine primär operative Therapie aufgrund lokaler Inoperabilität nicht
angezeigt oder unsicher und damit die Indikation für eine primäre Radiatio wahrscheinlich,
kann zur Überprüfung der Operabilität und zum Tumorstaging eine Probelaparotomie
durchgeführt
werden.
Beachtet
werde,
dass
sich
dadurch
der
Beginn
einer
möglicherweise kurativen Strahlentherapie um wenigstens drei Wochen verzögert. Wegen
der Narbenheilung muss dieser Zeitverlust in Kauf genommen werden, bis mit der
Bestrahlung begonnen werden kann.
1.7.2.2. Primär strahlentherapeutisches Vorgehen
Bei lokaler oder medizinischer Inoperabilität kommt die kombinierte Strahlentherapie auch
unter kurativen Gesichtspunkten zum Einsatz. Dabei wird in den Stadien I-III kombiniert
bestrahlt. Im Stadium I kann eine alleinige Afterloading-Therapie (HDR) mit Einzeldosen
von 7,0 – 7,5 Gy bis zu einer Gesamtdosis von mindestens 42 – 45 Gy, bezogen auf die
Uterusoberfläche, durchgeführt werden. Bei 30%igem Risiko pelviner Lymphknotenmetastasierung sollte eine zusätzliche Perkutanbestrahlung erfolgen, wenn Hinweise auf
tiefe myometrale Infiltration und/oder Einbruch ins Lymph- oder Blutgefäßsystem
vorliegen. In den Stadien II bis IIIb ist eine HDR-Brachytherapie mit Einzeldosen von 7,0
– 7,5 Gy, dosiert auf die Uterusoberfläche, bis ca. 30 Gy mit einer zusätzlichen
Perkutanbestrahlung von Uterus und Lymphbahnen des kleinen Beckens bis zu einer
Gesamtdosis von 45 – 50 Gy in Einzeldosen von 1,8 – 2,0 Gy indiziert. Die Beckenwände
sollten mit mindestens 45 Gy aufgesättigt werden. Bei vaginaler Infiltration muss die
gesamte Vagina ins Zielvolumen eingeschlossen werden. Ein Ausblocken der durch das
Afterloading erfaßten Region wird aufgrund der variablen Lage des Uterus kontrovers
diskutiert (128). In den Stadien IIIc und IVa ist die primäre perkutane Bestrahlung des
kleinen Beckens die Therapie der Wahl. Auch eine kombinierte intrakavitäre und
perkutane Bestrahlung kann vorgenommen werden. Dabei bestehen nur geringe
Heilungschancen. Die Therapiemodalitäten sind abhängig vom Alter und Allgemeinzustand der Patientin, von der Tumorlokalisation, seiner Ausdehnung und lymphogenen
Metastasierung, vom Tumorvolumen und von möglichen Zweiterkrankungen. Die Art der
Bestrahlung sowie die Höhe von Einzeldosen und Gesamtdosen muss individuell
diskutiert werden.
1.7.2.3. Postoperative Strahlentherapie
Beim Endometriumkarzinom wird die postoperative Bestrahlung regelhaft eingesetzt,
wenn ungünstige Prognosefaktoren, wie unter 1.6.2.1. erwähnt, vorhanden sind. Dabei
wird eine perkutane Hochvoltbestrahlung nur bei Karzinomen mit sehr hohem
Rezidivrisiko durchgeführt. Die negativen Folgen der Perkutanbestrahlung steigen mit der
Ausdehnung der Lymphadenektomie (76). Im Stadium Ia und Ib wird keine perkutane
Teletherapie, jedoch eine Afterloading-Therapie als sogen. „Scheidenstumpfprophylaxe“
durchgeführt, wenn ungünstige Prognosefaktoren vorliegen. Im Stadium Ic ist eine
postoperative Afterloading-Therapie ebenfalls indiziert. Eine zusätzliche perkutane
Radiatio
erfolgt,
wenn
keine
Lymphknoten
entfernt
wurden.
Nach
kompletter
Lymphadenektomie ist der Benefit für eine perkutane Radiatio nicht erwiesen. Radiogene
Komplikationen, insbesondere des Darmes und Lymphödeme der Beine, treten
demgegenüber gehäuft auf. Im Stadium IIa, IIb und III wird die Entscheidung zur
postoperativen Nachbestrahlung von der Radikalität der Operation sowie vom Ausmaß
der histologisch nachgewiesenen Karzinomausdehnung abhängig gemacht. Wurde ein
Karzinom im Stadium IVa operiert und im Gesunden entfernt, erfolgt eine postoperative
Afterloading-Therapie. Alle anderen Fälle können mit alleiniger Perkutanbestrahlung oder
einer kombinierten Strahlentherapie behandelt werden.
1.7.2.4. Behandlung von Rezidiven
Rezidive des Endometriumkarzinoms aller Stadien treten zu 70% in den ersten drei
Jahren nach Therapie auf. 80% aller Scheidenrezidive treten in den ersten 2 Jahren auf.
Die
vaginalen
Rezidive
können
durch
die
routinemäßige
gynäkologische
Nachsorgeuntersuchung frühzeitig erkannt werden und sind in der Regel einer Therapie
zugänglich. Je nach Lokalisation und Ausdehnung eines Lokalrezidivs kommt eine
operative Entfernung oder eine Strahlentherapie oder eine Kombination aus beidem in
Betracht. Eine zweite Radiatio in einem bereits vorbestrahlten Gebiet ist allerdings
problematisch. Die Ansprechraten sind geringer als bei vorangegangener Operation (128)
und die Nebenwirkungsrate im umgebenden Gewebe höher. Kann weder eine Operation
noch eine Strahlentherapie zur Rezidivtherapie herangezogen werden, sollte eine
Hormontherapie diskutiert werden. Die palliative Gestagentherapie mit z. B. 100-300 mg
Medroxyprogesteronacetat / die p.o. oder 80-160 mg Megestrolacetat / die p.o. ist
abhängig vom Progesteron-Rezeptorstatus.
1.7.2.5. Systemische Therapie
Für die Stadien I und II des Endometriumkarzinoms konnte bisher kein Benefit für eine
postoperative adjuvante Chemotherapie oder adjuvante Hormontherapie gezeigt werden.
Auch bei Vorliegen von prognostisch ungünstigen Faktoren ist der Nutzen einer
medikamentösen adjuvanten Therapie bezüglich des Überlebens nicht nachgewiesen.
Nach Studienlage kann bei diesen Hochrisiko-Patientinnen eine Verbesserung des
rezidivfreien
Überlebens
durch
eine
Dreifach-Zytostatika-Therapie
mit
Cisplatin,
Adriamycin und Cyclophosphamid (PAC-Schema) und auch mit Cisplatin, Epirubicin und
Cyclophosphamid (PEC-Schema) erreicht werden. Die Entscheidung für eine adjuvante
Chemotherapie erfordert eine individuelle Indikationsstellung. Bei histologischem
Nachweis eines serös-papillären Karzinoms konnte für die neoadjuvante Gabe einer
Kombinationstherapie aus Carboplatin und Paclitaxel sowie Doxorubicin, Cisplatin und
Paclitaxel eine erhöhte Ansprechrate gezeigt werden. Ergebnisse zur adjuvanten Gabe
stehen aus. Eine zusätzliche Gestagentherapie blieb bisher ohne nachgewiesenen
Benefit. Für die Stadien III und IV konnten gute Remissionsraten erzielt werden mit einer
Kombination von Epirubicin, Paclitaxel und Cisplatin; eine komplette Auswertung der
Daten steht noch aus (82). Als Standard-Chemotherapie des fortgeschrittenen oder
rezidivierenden Endometriumkarzinoms gilt derzeit die Kombination von Cisplatin und
Doxorubicin. Durch die Kombination dieser beiden Zytostatika kann eine Verbesserung
des rezidivfreien Überlebens, nicht jedoch eine Überlebensverlängerung erreicht werden.
Die Ansprechraten liegen bei 47-60%, die Remissionsdauer bei 9-12 Monaten.
Beim fortgeschrittenen Endometriumkarzinom (Stadien III + IV) oder beim rezidivierenden
Endometriumkarzinom, vor allem bei gut differenzierten Tumoren mit einem hohen
Progesteron-Rezeptornachweis, gilt die neoadjuvante orale Gabe von 200 mg
Medroxprogesteronacetat (MPA) als effektive Therapie.
Bei Auftreten von Fernmetastasen kann eine systemische Therapie mit hochdosierten
Gestagenen wie z.B. 1000 mg Medroxyprogesteronacetat oder Megestrolacetat erfolgen.
Da Metastasen und Rezidivtumoren häufig Progesteronrezeptor-negativ sind, sprechen
nur 20% der behandelten Tumore auf die Gestagentherapie an. Progesteronrezeptorpositive Tumore zeigen Ansprechraten bis 65%. Bei diesen wird eine adjuvante
Tamoxifen- oder Gestagen-Therapie über 1-2 Jahre fortgeführt. Bei entdifferenzierter
Histologie oder raschem Progress des Endometriumkarzinoms kommt auch eine
Chemotherapie mit Adriamycin oder Cyclophosphamid, auch in Kombination mit Vincristin
oder Cisplatin zum Einsatz. Verbindliche Therapieschemata einer Zytostatika-Therapie
existieren auch hier nicht.
1.7.3. Therapie des Uterussarkoms
Das Ansprechen der Uterussarkome auf eine Strahlen- oder Chemotherapie ist relativ
schlecht, so dass unabhängig von der Ausdehnung des Tumors eine Operation mit
abdomineller Hysterektomie und Adnexektomie beidseits eventuell mit Resektion der
Parametrien die Therapie der Wahl darstellt. Ein uteruserhaltendes Vorgehen bei
Patientinnen mit dringendem Kinderwunsch verlangt unabdingbar ein Stadium I und eine
Tumorexstirpation ausreichend weit im Gesunden sowie den histologischen Nachweis
eines Low-Grade-Leiomyosarkoms. Nach abgeschlossener Familienplanung muss dann
die Hysterektomie und Adnexektomie nachgeholt werden. Auch bei prämenopausalen
Frauen sollten beide Ovarien entfernt werden, da in bis zu 30% der Fälle
Ovarialmetastasen gefunden werden. Low-Grade-Stromasarkome weisen in der Regel
einen dichten Östrogen- und Progesteronrezeptor-Anteil auf. Ein Verzicht auf die
Ovariektomie könnte in diesen Fällen das Rezidivrisiko deutlich erhöhen. Der
therapeutische Nutzen der früher häufig durchgeführten ausgedehnten iliacalen und
paraaortalen Lymphadenektomie ist für die Frühstadien nicht erwiesen und für die
Spätstadien der Uterussarkome nicht gegeben.
Von einigen Autoren wird eine Omentumresektion empfohlen. Netzmetastasen können in
3-5% der Uterussarkome nachgewiesen werden (128).
Bei Beckenrezidiven ist der Versuch einer operativen Resektion gerechtfertigt, in wenigen
ausgewählten Fällen ist dies auch bei isolierten Metastasen möglich. In inoperablen
Fällen – lokal oder medizinisch-anästhesiologisch – muss der Einsatz der Strahlentherapie erwogen werden. Bei rezeptorpositiven Tumoren kann man eine hochdosierte
Gestagentherapie einleiten.
2.
FRAGESTELLUNG
Ziel der Studie ist die Deskription einer Population von Patientinnen mit Zervix- und
Endometriumkarzinomen, die einer primären intrakavitären Strahlentherapie (Afterloading)
zugeführt wurden. Der zeitliche Verlauf der Karzinomerkrankung vom Zeitpunkt der
Diagnosestellung an, die Ergebnisse der primären Strahlentherapie in unserem Kollektiv
und die darüber hinaus auftretenden Organkomplikationen sollen aufgezeigt werden. Ein
besonderes Interesse gilt der Herausstellung von strahlenbedingten Komplikationen. Bei
den Patientinnen, bei denen eine vaginale Ultraschalluntersuchung vor und ggf. nach
Afterloading
durchgeführt
wurde,
soll
die
Methode
für
den
Bereich
der
Bestrahlungsplanung beschrieben und die Wertigkeit dieses Verfahrens erörtert werden.
Die gewonnenen Daten dienen als Diskussionsgrundlage für folgende Fragen:
2.1.
Patientencharakteristik:
•
Wie ist die Gruppe der Patientinnen, die eine primäre Radiatio erhielten, in Bezug
auf Alter, Risikofaktoren, Erstsymptomatik, Tumorstadium und histopathologische
Diagnose zu charakterisieren?
2.2.
Therapiemodalitäten:
•
Welche Strahlendosen, Fraktionierungsschemata und adjuvante medikamentöse
Therapien sind bei der alleinigen Afterloading- oder mit perkutaner Teletherapie
kombinierten Strahlentherapie verwendet worden?
2.3.
Ergebnisse der primären Strahlentherapie:
•
Welche Überlebensraten sind nach 2, 3 und 5 Jahren zu ermitteln, eingeschlossen
das stadienabhängige Überleben?
•
Welche Ursachen führen – stadienabhängig – zum Tode?
•
Wie sind die Ergebnisse der lokalen Tumorkontrolle im zeitlichen Verlauf, in
Abhängigkeit vom Stadium und ggf. weiteren Faktoren?
2.4.
Komplikationen der primären Strahlentherapie:
•
Wie hoch ist die Prävalenz an Organkomplikationen im Verlauf nach Radiatio?
•
Lassen sich gemäß der strahlenbiologischen Wirkung akute (Frühkomplikationen)
und chronische Strahlenfolgen (Spätkomplikationen) differenzieren?
•
Wie schwerwiegend sind die strahlentherapiebedingten Komplikationen und in
welchem Maße beeinträchtigen sie die Lebensqualität der Patientinnen?
•
Welche persönlichen, krankheitsbedingten und therapeutischen Risikofaktoren
lassen sich für das Auftreten von strahlentherapiebedingten Komplikationen
erfassen?
2.5.
Vaginaler Ultraschall in der Planung der Afterloading-Therapie:
•
Wie
lassen
sich
Zervix-
und
Korpuskarzinom
beim
vorliegenden
Patientinnenkollektiv metrisch und strukturell darstellen?
•
Kann die Vaginalsonografie im Bereich des Tumorstagings und in der
Bestrahlungsplanung eingesetzt werden, im Vergleich zum „golden standard“
Palpationsbefund?
•
Kann der vaginale Ultraschall zur Verlaufsbeobachtung bei der AfterloadingTherapie und zur Beurteilung des Remissionsverhaltens von Zervix- und
Korpuskarzinomen eingesetzt werden?
3.
MATERIAL UND METHODEN
3.1.
Studiendesign
In einer retrospektiven Studie wurden Patientinnen mit Uterusmalignom erfasst, die von
November 1985 bis Juni 1996 an der Universitätsfrauenklinik des Marienhospitals Herne,
Ruhr-Universität Bochum, einer primären Afterloading-Strahlentherapie zugeführt wurden.
Die Mehrzahl der Patientinnen erhielt begleitend eine perkutane Teletherapie. Die
Datenaufnahme erfolgte mit Hilfe der strahlentherapeutischen sowie der gynäkologischen
Akten. Zur Vervollständigung des Datenmaterials wurde das Tumorregister des
Onkologischen Schwerpunktes Herne-Bochum im Marienhospital Herne herangezogen.
Anhand eines Fragebogens wurden Angaben zur Person, zur Diagnose, Stadium FIGO,
Histologie und Grading, zu früheren Erkrankungen, zu bekannten Risikofaktoren, zur
Erstsymptomatik,
Strahlendosen
zu
und
vaginalsonographischen
Fraktionierungen,
zu
Daten,
zur
Komplikationen
Strahlentherapie
mit
nach
zu
Therapie,
Laborparametern und zum gynäkologischen Untersuchungsbefund dokumentiert. Falls
bekannt, wurden der Sterbezeitpunkt und die Todesursache aufgenommen.
3.2.
Indikationsstellung zur primären Strahlentherapie
Die Indikation zur primären Strahlentherapie wurde nach Kenntnis der histologischen
Diagnose
und
des
Tumorstagings
in
Zusammenarbeit
von
Gynäkologen
und
Strahlentherapeuten sowie unter Einbeziehung von Pathologie, Anästhesiologie und der
internistischen Onkologie des Marienhospitals Herne gestellt. Die Therapieentscheidung
wurde nach folgenden Aspekten gefällt:
1. Therapie der Wahl des lokal nicht operablen Stadium IIb des Zervixkarzinoms
sowie in den Stadien III und IV des Zervixkarzinoms;
2. hohes Alter und/oder reduzierter Allgemeinzustand;
3. medizinische Inoperabilität aufgrund von schweren pulmonalen oder kardialen
Vorerkrankungen;
4. chirurgische
Inoperabilität
bei
Adipositas
permagna
oder
bei
durch
Probelaparotomie festgestellten Adhäsionen,
5. Ablehnung der Operation durch die Patientin.
3.3.
Patientinnen
134 Patientinnen mit Uterusmalignom, die eine primäre Afterloading-Therapie erhielten,
konnten in die Studie aufgenommen werden. Davon hatten 38 Patientinnen ein
Endometriumkarzinom, 96 Patientinnen ein Zervixkarzinom. Bis Juni 1988 wurden 35
Patientinnen mit dem Buchler-Gerät und von September 1988 bis Juni 1996 99
Patientinnen mit dem Sauerwein-Gerät intrakavitär bestrahlt. In 109 Fällen (81,3%) wurde
eine kombinierte Strahlentherapie durchgeführt. Das Follow-up wurde in Form von 6Monats-Abständen evaluiert.
3.4.
Untersuchungen und Verlaufskontrollen
Zu den Staging-Untersuchungen gehörten in der Regel eine Röntgenaufnahme des
Thorax, eine Oberbauchsonografie (OBS), ein intravenöses (i.v.) Urogramm, eine
Zystoskopie, eine Rektoskopie sowie eine Computertomografie (CT) oder eine
Magnetresonanztomografie
(MRT)
des
kleinen
Beckens.
Der
Einsatz
der
Vaginalsonografie zur Planung der Afterloading-Therapie wurde bereits genannt.
Strahlentherapeutische Nachsorgeuntersuchungen wurden in der Regel durch die
strahlentherapeutische Abteilung im Hause durchgeführt. Diese fanden anfangs
vierteljährlich, nach einem Jahr in halbjährlichen und nach 5 Jahren in einjährigen
Abständen statt. Es wurden folgende Parameter überprüft: Beschwerden im Bereich der
Genitalorgane, der ableitenden Harnwege, des Darmes und der Haut, Ödemneigung,
Schmerzen, Allgemein- und Ernährungszustand. In halbjährlichen Abständen fanden
Laborkontrollen statt, von denen Leukozytenzahl (Le), Blutsenkungsgeschwindigkeit
(BSG), Hämoglobinwerte (Hb) und die Werte der Tumormarker CEA, TPA und SCC im
Fragebogen protokolliert wurden. In regelmäßigen Abständen wurden außerdem CT- oder
MRT-Aufnahmen des kleinen Beckens angefertigt. Die gynäkologische Nachsorge
erfolgte durch den behandelnden Frauenarzt. Diese Untersuchungsergebnisse waren
unserer Studie nicht zugänglich.
3.5.
Afterloading-Therapie mit Buchler- und Sauerwein-Gerät
Die Prinzipien der Afterloading-Therapie wurden bereits in Kapitel 1.4.1. erläutert. Die
Afterloading-Geräte befinden sich in strahlengeschützten Räumen und werden mittels
Fernbedienungselementen
außerhalb
des
Bestrahlungsraumes
computer-gestützt
bedient. Der Strahlenschutz des medizinischen Personals ist dadurch gewährleistet. Über
eine Kamera besteht während der Bestrahlung Kontakt zur Patientin.
Für die intrakavitäre Bestrahlung des Zervixkarzinoms werden gerade Sonden mit
unterschiedlich großen Vaginalzylindern verwendet. Der Vaginalzylinder dient nach
Positionierung der Sonde ihrer Fixierung vor der Zervix uteri, wodurch der Vorschub des
Applikators, der Einfluß auf den Isodosenverlauf hat, festgelegt wird. Er hat weiterhin die
Aufgabe, das Vaginalepithel vom Applikator zu distanzieren. Aus diesem Grund wird der
Vaginalzylinder so groß wie möglich ausgewählt. Es wurden Applikatoren mit
Zylinderstärken zwischen 2,0 cm und 3,0 cm verwendet.
Die Bestrahlung des Korpuskarzinoms kann ebenfalls mit geraden Applikatoren
durchgeführt werden. Zur Dosissteigerung im Bereich der Tubenwinkel werden auch an
der Spitze gebogene Sonden verwendet, die bis in die Tubenecken vorgeschoben
werden. Je nach Lokalisation des Tumors und gewünschtem Isodosenverlauf wird die
Sonde alternierend in der rechten und / oder linken Tubenecke plaziert.
Die Sonde wurde am Bestrahlungstag ins Cavum uteri gebracht. Zur Messung der
Strahlenbelastung der gefährdeten Organe erhielten außerdem alle Patientinnen eine
Rektumsonde mit 5 Messpunkten und eine Blasensonde mit einem Messpunkt, welche
äußerlich mit Pflaster an der Haut fixiert wurden. Eine im Anschluss angefertigte
konventionelle Röntgen-Aufnahme des Beckens in zwei Ebenen zeigte Applikator und
Sonden in regelrechter Position. Bei tumor- oder strahlenbedingten Stenosierungen oder
Verklebungen des Zervikalkanals wurden Applikator, Rektum- und Blasensonden nach
Dilatation
in
Narkose
positioniert.
Dabei
kamen
als
Narkoseformen
die
Intubationsnarkose, die Maskenbeatmung und die Spinalanästhesie zum Einsatz.
Für
die
Planung
der
intrakavitären
Bestrahlung
wurden
die
Patientinnen
mit
Zervixkarzinom direkt vor der ersten intrakavitären Einlage, nach 3 abgeschlossenen
Afterloading-Sitzungen und nach Abschluss der Therapie vaginalsonografisch untersucht.
Bei den Patientinnen mit Endometriumkarzinom wurde eine Vaginalsonografie vor und
nach der Therapie durchgeführt. Die dabei erhobenen Daten konnten direkt für die
Bestrahlungsplanung
eingesetzt
werden.
Abbildung
8
zeigt
das
Muster
eines
Bestrahlungsplanungs-Protokolls.
Als Strahlenquelle wurde bei allen 134 Patientinnen das Radioisotop 192Iridium verwendet.
Die punktförmige Strahlenquelle wurde nach Anschluss des Afterloading-Gerätes an den
Applikator
„nachgeladen“
und je
nach
berechneter
Dosisverteilung
schrittweise
zurückgezogen. Bis 06/1988 wurde mit dem Buchler-Gerät standardmäßig mit 6 mal 10
Gy bis zu einer Zieldosis von 60 Gy in wöchentlichen Abständen bestrahlt. Mit dem
Sauerwein-Gerät wurde ab 09/1988 nach einem Standard - Fraktionierungsschema von 6
mal 8 Gy im Abstand von 1 Woche über insgesamt 6 Wochen eine Zieldosis von 48 Gy
appliziert. Die Dosis wurde auf die Zervix- bzw. Uterusoberfläche berechnet. Abweichend
von der Standard - Fraktionierung erhielten zwei Patientinnen (1,5%) nur 1 Einlage, 17
Patientinnen (12,7%) erhielten mehr als 6, maximal 8 Einlagen.
Abb. 8:
Übliches Protokoll zur Planung einer Afterloading-Sitzung mit Angabe von Personalien (hier
nicht gezeigt), Diagnose, sonografischen Messungen und der Zieldosis
Quelle: Medizinische Physik Marienhospital Herne, Strahlenther. 1996
3.6.
Perkutane Teletherapie mittels Linearbeschleuniger
Zur Planung der Perkutanbestrahlung wurde in allen Fällen ein Bestrahlungs-PlanungsCT angefertigt. Bei der perkutanen Teletherapie wurde eine 10 MeV-Elektronenstrahlung
eingesetzt, erzeugt durch einen Linearbeschleuniger.
Grundsätzlich wurde in 2-Felder-Stehtechnik (n = 62; 46,3%) oder in 4-Felder-Technik (n
= 35; 26,1%), der so genannten "Boxtechnik", bestrahlt. 1 Patientin wurde mit nur einem
Feld, 6 Patientinnen mit 3 Feldern und 5 Patientinnen mit 5 Feldern perkutan bestrahlt.
Parametrien und abdominale Lymphknoten wurden mit der Zieldosis 46 Gy aufgesättigt,
mit Einzeldosen von 1,8-2,0 Gy.
3.7.
Statistische Methoden
Zur Auswertung wurden die Daten codiert, in dem Tabellenkalkulationsprogramm Excel
9.0 dargestellt und anschließend in Statistikroutinen exportiert. Zur Darstellung von
zentraler Tendenz und Variabilitätsbreite von gemessenen Parametern (z.B. Body-MassIndex) wurden Mediane, Mittelwerte sowie Minima und Maxima bestimmt. Unterschiede in
der zentralen Tendenz unabhängiger Stichproben wurden mit dem U-Test von MannWhitney geprüft. Für den Vergleich relativer Häufigkeiten wurde der Chi2-Test eingesetzt
(Sachs).
Statistische
Signifikanz
gefundener
Unterschiede
wurde
bei
einer
Irrtumswahrscheinlichkeit von p<0,05 bei zweiseitiger Fragestellung angenommen.
3.8.
Von
Methodenkritik
insgesamt
149
vorgegebenen
Patientinnen,
die
an
einem
Zervix-
oder
Korpuskarzinom erkrankt waren und sich im Zeitraum von November 1985 bis Juni 1996
einer primären intrakavitären Strahlentherapie am Marienhospital Herne unterzogen,
mussten bereits 15 von der Studie ausgeschlossen werden, da der Verbleib der
strahlentherapeutischen Akte nicht auszumachen war. Dadurch reduzierte sich die Zahl
der verwertbaren Datensätze auf 134. In 13 Fällen, die in die Studie aufgenommen
wurden, fehlte Einsicht in die gynäkologische Krankenakte, so dass allgemeine Daten zur
Krankengeschichte sowie Ultraschalldaten lückenhaft blieben. In fünf Fällen waren keine
Verlaufsdaten
nach
Therapie
vorhanden.
Drei
dieser
Patientinnen
hatten
die
Strahlentherapie von sich aus nach ein oder zwei AL – Einlagen abgebrochen und waren
auch nicht zu den Nachsorgeuntersuchungen erschienen. Im vierten Fall wurde die
Nachsorge andernorts durchgeführt. Bei der fünften Patientin lag ein hirnorganisches
Psychosyndrom vor. Diese Patientin erhielt 2 AL – Einlagen zur palliativen Blutstillung und
erschien nicht mehr zur Nachsorge. Aus dieser Konstellation erklärt sich das 6-MonatsFollow-up von n = 129 (96,3%).
Eine mangelnde Patientencompliance bezüglich der Nachsorge begründete das kurze
Follow-up in den meisten übrigen Fällen, so dass nur von 15 überlebenden Patientinnen
Verlaufsdaten über mindestens 5 Jahre vorlagen. Zu diesem Zeitpunkt waren 41
Patientinnen bekanntermaßen verstorben. Der Anteil der Überlebenden nach 5 Jahren lag
nach diesen Zahlen formal bei 27%, demgegenüber in der Literatur ein (krankheitsfreies)
Überleben von bis zu 60% nach 5 Jahren und 5-Jahres-Überlebensraten von 53%
(Zervixkarzinom) bis 59% (Endometrium-karzinom) beschrieben werden (Goerke).
Hinsichtlich der gynäkologischen Befunde in der Nachsorge, die in der Regel von den
niedergelassenen Frauenärzten erhoben wurden, fand sich ein mangelnder Austausch
zwischen niedergelassenem Frauenarzt und Klinik.
Schwierigkeiten bei der Durchführung einer genauen Analyse ergaben sich außerdem
durch die mangelnde oder ungenaue Dokumentation in den Krankenakten. Fragen zur
früheren Anamnese, zur Familienanamnese und zur Berufsanamnese, Angaben zu
Rauchen, Größe und Gewicht sowie Gewichts-verlust, Allgemeinbefinden und Schmerzen
sowie Schmerzlokalisation und Schmerztherapie waren lückenhaft protokolliert.
Bei 32 von 98 vaginalsonografierten Patientinnen fehlten die Dokumentationsbögen über
die abschließende Ultraschalluntersuchung in den gynäkologischen Akten. Bei anderen
sind die Unterlagen lückenhaft ausgefüllt.
Bezüglich der Tumormarker CEA, TPA und SCC sowie der Blutsenkungs-geschwindigkeit
BSG konnte aufgrund mangelnder Verlaufsdokumentation keine sinnvolle Analyse
erfolgen. Die Erhebung von Daten zur HPV 16/18 – Infektion bei den Zervixkarzinom
Patientinnen, die ursprünglich in die Studie mit aufgenommen werden sollte, musste
aufgrund fehlender Nachweise vollständig entfallen.
4.
ERGEBNISSE
4.1.
Patientencharakteristik
4.1.1.
Alter, Risikofaktoren
134
Patientinnen mit
Uterusmalignom
wurden
von
11/1985
bis
06/1996 aus
verschiedensten Gründen einer primären Strahlentherapie zugeführt, davon hatten 96 ein
Zervixkarzinom (Cx-CA) und 38 ein Korpuskarzinom (Co-CA). Die Patientinnen waren im
Median 69,5 Jahre alt (Mittel 68,7J, Minimum 32J, Maximum 96J). Das mediane Alter in
der Zervixkarzinom-Gruppe war 66 Jahre (Mittel 65,8J, Minimum 32J, Maximum 95 J),
das mediane Alter in der Korpuskarzinom-Gruppe 78 Jahre (Mittel 76J, Minimum 44J,
Maximum 96J). Die Patientinnen mit Zervixkarzinom waren im Median um 12 Jahre jünger
(Mittel 10,2 Jahre, p < 0,001) als die Patientinnen mit Korpuskarzinom.
Tabelle 9: Patientencharakteristik: Alter, Risikofaktoren
Gesamt n
Cx-CA
Co-CA
134
96
38
69,5 (+/-13,8)
66 (+/-14)
78 (+/-13,4)
120
86
34
Rauchen n (%)
22 (18,3%)
19 (22%)
3 (9%)
Rauchen in Packungen/die
1 (0,25-4)
1 (0,25-1,5)
1 (0,5-4,0)
123
88
35
26,17 (+/- 6,28)
25,88 (+/-6,1)
27,83 (+/-6,6)
123
88
35
76 (61,8%)
51 (58%)
25 (71%)
123
88
35
39 (31,7%)
25 (28%)
14 (40%)
124
87
37
48 (38,7%)
24 (28%)
24 (65%)
124
87
37
64 (51,6%)
39 (45%)
25 (68%)
n
Alter (Median / Stabw)
n
n
BMI [kg/m²] (Median / Stabw)
n
über Normgewicht (BMI > 25) (%)
n
Adipositas (BMI > 30) (%)
n
Diabetes mellitus
n
arterielle Hypertonie
p
p< 0,001
p= 0,09
p~ 1,16
p~ 0,21
p< 0,002
p= 0,02
Von 120 Patientinnen konnte das Nikotinverhalten ermittelt werden. Insgesamt 22
Patientinnen
waren
Raucherinnen,
davon
19
mit
Zervixkarzinom
und
3
mit
Korpuskarzinom. Die Raucherinnen waren mit im Median 8,5 Jahre signifikant jünger (p <
0,002) als die Nichtraucherinnen. Von 123 Patientinnen mit bekanntem Body-Mass-Index
(BMI [kg/m²]) waren mit einem BMI > 25 kg/m² insgesamt 76 adipös. Davon hatten 51 ein
Zervixkarzinom, 25 ein Endometriumkarzinom. Zwischen beiden Gruppen zeigte sich kein
signifikanter Unterschied. Ein Diabetes mellitus trat bei 48 von 124 Patientinnen auf und
war signifikant häufiger bei den Patientinnen mit Endometriumkarzinom zu finden. Eine
arterielle Hypertonie lag bei 64 von 124 Patientinnen vor und kam in der KorpuskarzinomGruppe mit 68% (n = 25 von 38) häufiger vor als in der Zervixkarzinom-Gruppe mit 45% (n
= 39 von 87). Der Unterschied war nicht signifikant.
4.1.2.
Eigenanamnese (frühere Anamnese)
Die Eigenanamnese zeigte, soweit dokumentiert, folgende Resultate: Von 133
Patientinnen befanden sich 118 (88,7%) in der Postmenopause, 15 (11,3%) waren
prämenopausal. Von 124 Patientinnen waren 15 (12,1%) Nullipara. 109 (87,9%) Frauen
hatten zwischen einem Kind und 11 Kindern geboren. Die mittlere Parität lag bei 2,3
Geburten, 44 Frauen hatten mehr als 2, 27 Frauen mehr als 3 Geburten. Von 49 (39,2%)
Vor-Operationen (n-Gesamt = 125) im Abdomen oder im kleinen Becken war 6 mal eine
Sectio caesarea durchgeführt worden, 11 Adnex-Operationen und 28 Darm-Operationen
sowie 4 abdominelle Uterus-Elevationen. Bei einer Patientin war eine ManchesterFothergill-Operation, bei einer anderen eine distale Ureterresektion durchgeführt worden.
Zwei Patientinnen hatten eine suprazervikale Uterusamputation und 3 Patientinnen eine
Adhäsiolyse erhalten. Insgesamt waren 33 Patientinnen einmal operiert worden, 3
Patientinnen 2-mal und 2 Patientinnen 3-mal. Gynäkologisch vorerkrankt gewesen waren
25 von n = 127 Patientinnen (19,7%). Dabei kamen 13 Fälle (10,2%) von Uterus
myomatosus vor. Jeweils zweimal waren aufgetreten: Salpingitis, Zystadenome des
Ovars, Deszensus genitalis, Mastopathie Grad I u. II. Eine Extrauterin-Gravidität sowie
eine Peritonitis waren einmal in der Vorgeschichte zu finden.
Frühere Malignome: In einem Fall war vor der jetzigen Karzinom-Erkrankung ein KolonKarzinom aufgetreten, 3 Patientinnen waren zuvor an einem Mamma-Karzinom erkrankt.
3 Patientinnen hatten eine chronische lymphatische Leukämie (CLL). In einem Fall war
ein Basaliom, einmal ein Nierenzellkarzinom aufgetreten. Eine Patientin hatte zeitgleich
mit einem Zervixkarzinom IVa ein Urothelkarzinom der Blase. Der Vollständigkeit halber
seien auch die 3 Zervixkarzinom-Rezidive an dieser Stelle genannt.
Im Rahmen der Tumortherapie hatten 2 Patientinnen (von n = 128) eine frühere Radiatio
im jetzigen Bestrahlungsfeld erhalten, in 2 Fällen war eine Radiomenolyse durchgeführt
worden und in einem Fall eine Rektum-Scheiden-Fistel strahlentherapeutisch behandelt
worden. Eine Patientin hatte eine Tiefenbestrahlung der rechten Halbseite erhalten. Bei 2
Patientinnen (von n= 128) war eine frühere Chemotherapie dokumentiert.
Tabelle 10: Patientencharakteristik: Anamnese
Gesamt n
Cx-CA
Co-CA
n
134
96
38
n
133
95
38
118 (88,7%)
82 (86%)
36 (95%)
124
88
36
109 (87,9%)
80 (91%)
29 (81%)
125
89
36
49 (39,2%)
51 (57%)
25 (69%)
127
90
37
25 (19,7%)
17 (14%)
8 (23)
131
94
37
13 (10%)
11 (12%)
2 (5%)
128
91
37
6 (4,7%)
4 (4%)
3 (8%)
128
91
37
2 (1,6%)
2 (2%)
0
Postmenopause
n
Parität (1-11)
n
Vor-Operationen
n
Gyn. Vorerkrankungen
n
frühere Malignome
n
frühere Radiatio
n
frühere Zytostase
4.1.3.
p
> 0,05
> 0,05
> 0,05
> 0,05
> 0,05
> 0,05
> 0,05
Erstsymptomatik
Die klinischen Zeichen, die bei den beiden Patientinnen-Gruppen als erstes fassbares
Symptom auftraten und eine weitere diagnostische Abklärung zur Folge hatten, wurden in
Tabelle 11 dargestellt.
Tabelle 11: Erstsymptomatik
Gesamt n
Cx-CA
Co-CA
132
94
38
7 (5,3%)
7 (7%)
0
> 0,05
Blutung
98 (74,2%)
64 (68%)
34 (90%)
= 0,00242
Schmerzen
24 (18, 2%)
20 (21%)
4 (11%)
> 0,05
Ausfluss
17(12,9%)
16 (17%)
1 (3%)
= 0,026
Kollaps/Schwindel
5 (3,8%)
3 (3%)
2 (5%)
Ziehen im Unterbauch
3 (2,3%)
3 (3%)
0
4 (3%)
3 (3%)
1 (3%)
Harninkontinenz
6 (4,5%)
3 (3%)
3 (8%)
Diarrhö
1 (0,8%)
1 (1%)
0
Pollakisurie
3 (2,3%)
2 (2%)
1 (3%)
tiefe Beinvenenthrombose
1 (0,8%)
1 (1%)
0
n
asymptomatisch
Bauchumfangszunahme
p
Von 2 Patientinnen mit Zervixkarzinom war die Erstsymptomatik unbekannt. 7
Patientinnen mit Zervixkarzinom waren vor Erstdiagnose asymptomatisch; hier ergaben
sich Auffälligkeiten bei einer Routineuntersuchung. Im Rahmen der Erstsymptomatik
traten mit 90% (34 von 38) signifikant häufiger Blutungen bei den KorpuskarzinomPatientinnen auf gegenüber 68% (64 von 94) bei den Patientinnen mit Zervixkarzinom.
Bei letzteren war dagegen das Symptom Ausfluss mit 17% (16 von 94) signifikant häufiger
vertreten gegenüber 3% (1 von 38) bei den Fällen mit Korpuskarzinom.
4.1.4.
Stadienverteilung und histopathologische Diagnose
Ein Zervixkarzinom wurde bei 96 (71,6%) von 134 Patientinnen diagnostiziert. Die
Stadienverteilung ist Abb. 9 und Tabelle 12 zu entnehmen:
35%
30%
25%
20%
prozentualer Anteil
15%
10%
5%
id
iv
R
ez
4b
4a
3b
3a
2b
2a
Ib
0%
Ia
prozentualer Anteil
Stadienverteilung beim Zervixkarzinom
Stadien FIGO
Abb. 9: Stadienverteilung des Zervixkarzinoms nach FIGO im Säulendiagramm.
20%
18%
16%
14%
12%
10%
8%
6%
4%
2%
0%
id
iv
R
ez
4b
4a
3c
3b
3a
2b
2a
1c
prozentualer Anteil
1b
1a
prozentualer Anteil
Stadienverteilung beim Korpuskarzinom
Stadien FIGO
Abb. 10: Stadienverteilung des Korpuskarzinoms nach FIGO im Säulendiagramm.
Tabelle 12: Stadienverteilung bei den Patientinnen mit Zervixkarzinom
Stadium FIGO
Ia
Ib
2a
2b
3a
3b
4a
4b
Rezidiv
Gesamt: n = 96
0
19
4
28
4
29
6
3
3
Prozentualer Anteil
0%
20%
4%
29%
4%
30%
6%
3%
3%
Bei den 38 (28,4%) Patientinnen mit Endometriumkarzinom verteilten sich die Stadien
folgendermaßen (Abb. 10, Tabelle 13):
Tabelle 13: Stadienverteilung bei den Patientinnen mit Endometriumkarzinom:
Stadium FIGO
1a
1b
1c
2a
2b
3a
3b
3c
4a
4b
Rezidiv
Gesamt n = 38
5
3
6
7
3
6
4
1
1
2
0
Prozentualer Anteil
13%
8%
16%
18%
8%
16%
11%
3%
3%
5%
0%
Die Altersverteilung der Patientinnen unserer Studie wurde in Tabelle 14 nach Zervix- und
Korpuskarzinom getrennt und in Stadien unterteilt aufgeführt.
Tabelle 14: Stadienabhängige Altersverteilung bei Zervix- und Korpus-Karzinom
Zervix-CA
Zervix-CA
Korpus-CA
Korpus-CA
Stadium FIGO
medianes Alter in Jahren
Stadium FIGO
medianes Alter in Jahren
Ia
69
Ia
Ib
66
Ib
67
IIa
65,5
Ic
69
IIb
68
IIa
68
IIIa
65,5
IIb
69
IIIb
68
IIIa
69
IVa
69
IIIb
68
IVb
72
IIIc
70
Rezidiv
66
IVa
63
IVb
67
Im Stadium 4b (Fernmetastasen) fand sich bei den Zervixkarzinomen je ein Fall von
Lungenmetastasen, Knochenmetastasen und entfernten Lymphknotenmetastasen (N2).
Bei
den
Korpuskarzinomen
wurde
je
ein
Fall
von
Lungenmetastasen
und
Peritonealmetastasen gefunden. Histopathologisch fanden sich bei den Zervixkarzinomen
nach
Probeentnahme
resp.
Konisation
89
Plattenepithelkarzinome
und
6
Adenokarzinome, in einem Fall konnte der histologische Typ retrospektiv nicht ermittelt
werden. Bei den Korpuskarzinomen ergab die Untersuchung des Abradats 2
Plattenepithelkarzinome, 33 Adenokarzinome und 2 Carcino-Sarkome oder Müllersche
Mischtumoren, in einem Fall konnte retrospektiv die Histologie nicht eruiert werden.
Tabelle 15: Histopathologische Typisierung bei Zervix- und Korpuskarzinom
Histologie
Cx-CA (n = 96)
Co-CA (n = 38)
unbekannt
1 (1%)
1 (3%)
89 (93%)
2 (5%)
Adenokarzinom
6 (6%)
33 (87%)
Carcino-Sarkom
0
2 (5%)
Grading
n = 92
n = 36
G1 (hochdifferenziert)
6 (7%)
7 (19%)
G2 (mittelgradig differenziert)
62 (67%)
23 (64%)
G3 (undifferenziert)
24 (26%)
6 (17%)
Plattenepithelkarzinom
4.1.5.
Staging-Untersuchungen
Gemäß der klinischen Stadieneinteilung nach FIGO wurden die Ergebnisse der
prätherapeutisch durchgeführten folgenden Untersuchungen dokumentiert (Tabelle 16):
Röntgen des Thorax in 2 Ebenen, i.v.-Pyelogramm, Zystoskopie, Rektoskopie.
In 8 Fällen konnte zystoskopisch eine Infiltration der Blasenschleimhaut nachgewiesen
werden; 6 davon waren Zervixkarzinome im Stadium 4a, von denen 3 zusätzlich eine
Tumorinfiltration bis in die Darmwand aufwiesen. In einem Fall zeigte ein ZervixkarzinomRezidiv eine Blasenschleimhaut- und eine Rektumschleimhaut-infiltration. In einem
weiteren Fall handelte es sich um ein Korpuskarzinom im Stadium 4a mit
Blasenschleimhautinfiltration.
Tabelle 16: Staging-Untersuchungen
Röntgen des Thorax
n = 124
Normalbefund
118 (95,2%)
pathologischer Befund
6 (5%)
davon Lungenmetastasen
2 (2%)
i.v.-Pyelogramm
n = 113
Normalbefund
99 (87,6%)
einseitige Ureterstenose
5 (4,4%)
beidseitige Ureterstenose
3 (2,7%)
einseitige Hydronephrose
12 (10,6%)
beidseitige Hydronephrose
2 (1,8%)
Blasendachimpression
5 (4,4%)
Zystoskopie
n = 119
Normalbefund
96 (80,7%)
Infiltration der Blasenschleimhaut
8 (6,7%)
Infiltration der Blasenwand
3 (2,5%)
bullöses Ödem der Blasenwand
7 (5,9%)
chronische Zystitis
3 (2,5%)
Balkenblase
1 (0,8%)
Blasen-CA (Urothelzell-CA)
1 (0,8%)
submuköse Hämorrhagien
1 (0,8%)
Rektoskopie
n = 120
Normalbefund
104 (8,7%)
Infiltration der Rektumschleimhaut
1 ((0,8%)
Infiltration der Darmwand
9 (7,5%)
Proktitis / Kolitis
2 (1,7%)
Stenose d. Darmlumens
2 (1,7%)
Hämorrhoiden
2 (1,7%)
4.2.
Therapiemodalitäten
4.2.1.
Primäre alleinige Afterloading- oder kombinierte Strahlentherapie und
adjuvante medikamentöse Therapie
Von 134 Patientinnen mit primärer Radiatio wurden 109 kombiniert mit AfterloadingTherapie und perkutaner Teletherapie behandelt, in 25 Fällen wurde eine alleinige
Afterloading-Therapie
durchgeführt.
4
Patientinnen
mit
einem
ausgedehnten
Zervixkarzinom („frozen pelvis“) der Stadien IIIb (3 Fälle) und IVa (1 Fall) erhielten
zusätzlich eine neoadjuvante Polychemotherapie zur Reduktion der Tumormasse vor
Radiatio. In 2 Fällen wurden 2-3 Zyklen Cisplatin, Bleomycin und Mitomycin neoadjuvant
verabreicht. Eine Patientin erhielt 2 Zyklen Carboplatin, Bleomycin und Mitomycin und
einen Zyklus Carboplatin, Ifosfamid und Etoposid. Die vierte Patientin erhielt einen Zyklus
Cisplatin,
Bleomycin
und
Ifosfamid.
Histologisch
lagen
in
allen
4
Fällen
Plattenepithelkarzinome vor. 7 Patientinnen mit einem Korpuskarzinom der Stadien Ia, Ib,
IIb (je 1 Fall), IIIa (3 Fälle) und IIIc (1 Fall) erhielten eine adjuvante Hormontherapie mit
Medroxyprogesteron (Farlutal ) 1000mg/die. Die 4 Frauen mit Korpuskarzinom IIIa-c
wurden in den Jahren 1986 und 1987 behandelt. In den 3 anderen Fällen wurde keine
perkutane Teletherapie durchgeführt, und zwar im Stadium Ia wegen einer früheren
Radiatio im Bestrahlungsfeld, im Stadium Ib wegen hohen Alters und im Stadium IIb bei
histologischem Nachweis eines Carcino-Sarkoms. Die übrigen Korpuskarzinome waren
histologisch
als
Adenokarzinom
Adenokarzinome
des
Korpus
typisiert
uteri
worden.
hatten eine
2
Patientinnen
gleichzeitige
mit
einem
Tamoxifen-Therapie
(Tamoxifen ) erhalten.
Tabelle 17: Therapiemodalitäten: Art und Dauer der Therapie
Gesamt n
Cx-CA
Co-CA
134
96
38
109 (81,3%)
84 (88%)
25 (66%)
~ 0,0036
25
12 (12%)
13 (34%)
~ 0,0036
neoadjuvante Polychemoth.
4 (3%)
4 (4%)
0
adjuvante Hormontherapie
9 (6,7%)
0
9 (24%)
Dauer der AL-Therapie [d]
36 (+/-13)
36 (+/-12,5)
36 (+/-14,1)
35
26
9
36 (+/-11,9)
36 (+/-10,2)
36 (+/-15,8)
99
70
29
n
kombinierte Bestrahlung
alleiniges Afterloading
p
(Median + Standardabweichung)
•
n
•
Buchler-Gerät [d]
•
n
•
Sauerwein-Gerät [d]
36 (+/-13,3)
36 (+/-13)
36 (+/- 3,4)
Dauer der Teletherapie [d]
n = 109
84
25
43 (+/-22)
43 (+/-20,7)
43 (+/-25,4)
53 (+/-20)
54 (+/-19,2)
52,5 (+/-22,4)
35
26
9
71 (+/-26,01)
71 (+/-22,2)
73 (+/-36,3)
99
70
29
51 (+/-14,7)
51 (+/-14,9)
51 (+/- 14,0)
(Median + Standardabweichung)
Gesamt-Behandlungsdauer
(Median + Standardabweichung)
•
n
•
Buchler-Gerät [d]
•
n
•
Sauerwein-Gerät [d]
= 0,028
[d]
Von 132 Patientinnen erhielten 71 (53,8%) eine analgetische Prämedikation am Tag der
intrakavitären Radiatio. Als prophylaktische Schmerzmittelgabe wurde überwiegend, in 29
Fällen (22%), Dolantin intramuskulär verabreicht, aber auch Fortral, Buscopan und
Temgesic i.m./p.o. oder Tramal- oder Novalgintropfen gegeben. In 19 Fällen (14,4%)
wurde die medikamentöse Therapie alteriert.
Bei der Afterloading-Therapie wurden Applikatoren mit Zylinderstärken von 2,0 bis 3,0 cm
Durchmesser eingesetzt. 19 Patientinnen (14,2%) erhielten einen Zylinder der Stärke 2,0
cm, bei 28 Patientinnen (20,9%) wurde ein 2,3 cm Zylinder verwendet, die Mehrzahl
erhielt mit n=46 (34,3%) einen 2,6 cm Zylinder und in 3 Fällen wurde ein 3,0 cm Zylinder
eingesetzt.
Tabelle 18: Therapiemodalitäten: Bestrahlungsdosen, Fraktionierung
STABW = Standardabweichung
Gesamt n
Cx-CA
Co-CA
134
96
38
6 (+/-1)
6 (+/-1,3)
6 (+/-1,8)
(1-8)
(1-8)
(1-8)
Dosis pro Fraktion AL [Gy] (Median + STABW)
8 (+/-1)
8 (+/-1,3)
8 (+/-0,9)
(Minimum – Maximum)
(8-16)
(8-16)
(8-10)
48 (+/-12)
48 (+/-10,3)
48 (+/-13,5)
(8-70)
(8-64)
(10-70)
Afterloading (AL / Brachytherapie) [n]
Anzahl der AL-Fraktionen (Median + STABW)
(Minimum – Maximum)
Gesamtdosis AL [Gy] (Median + STABW)
(Minimum – Maximum)
35
26
9
60 (+/-13)
60 (+/-9,2)
60 (+/-20,3)
99
70
29
48 (+/-11,1)
48 (+/-10)
48 (+/-13,5)
109
84
25
23 (+/-11)
23 (+/-10,7)
23(+/-11,5)
(Minimum – Maximum)
(5-33)
(5-33)
(15-28)
Dosis pro Fraktion perk. [Gy] (Median + STABW)
2 (+/-0)
2 (+/- 0,09)
2 (+/- 0,1)
(Minimum – Maximum)
(1,5-2)
(1,5-2,0)
(1,8-2,0)
46 (+/-19)
46 (+/-16,8)
46 (+/-23)
(6-58)
(6-58)
(30-56)
Median + Standardabweichung
94 (+/-24)
94 (+/-20,8)
93 (+/-24,7)
(Minimum – Maximum)
(10-126)
(16-118)
(10-126)
35
26
9
105(+/-25,9)
104 (+/-19,2)
105(+/-40,6)
99
70
29
94 (+/-22,0)
94 (+/-20,6)
93 (+/-24,7)
131
93
38
17,32 (+/-3,8)
17,32 (+/-7,4)
17,67 (+/-8,8)
134
96
38
20,05 (+/-6,7)
19,97 (+/-6,3)
20,22 (+/-7,9)
•
n
•
Buchler-Gerät [Gy]
•
n
•
Sauerwein-Gerät [Gy]
Perkutane Teletherapie [n]
Anzahl der perk. Fraktionen (Median + STABW)
Gesamtdosis perkutan [Gy] (Median + STABW)
(Minimum – Maximum)
Gesamtdosis AL + Teletherapie
•
n
•
Buchler-Gerät [Gy]
•
n
•
Sauerwein-Gerät [Gy]
Dosisbelastung Blase [n]
(Median + Standardabweichung) [Gy]
Dosisbelastung Rektum [n]
(Median + Standardabweichung) [Gy]
Die Modalitäten der Strahlentherapie bezüglich der Behandlungsdauer von Afterloading
(AL) und perkutaner Teletherapie, der Gesamtbestrahlungszeit (overall treatment time),
der Fraktionierung und der Strahlendosen sowie der Dosisbelastung von Blase und
Rektum sind den oben angeführten Tabellen 17 und 18 zu entnehmen.
Die AL-Einlagen wurden mit 6 Fraktionen in wöchentlichen Abständen geplant, die
perkutanen Fraktionen in im Median 23 Fraktionen in täglichen Abständen, 5-mal pro
Woche. Üblicherweise wurde mit der perkutanen Radiatio 2 Wochen vor Beginn der ALTherapie begonnen. Die Gesamtbehandlungszeit war bei der Buchler-Gruppe mit 71
Tagen im Median um 20 Tage länger als bei der Sauerwein-Gruppe mit 51 Tagen. Der
Unterschied in der Behandlungsdauer war mit p < 0,001 hochsignifikant. Auch die mittels
Afterloading applizierte Strahlendosis war bei den mit dem Buchler-Gerät (60 Gy) und mit
dem Sauerwein-Gerät (48 Gy) bestrahlten Patientinnen signifikant unterschiedlich (p <
0,05)
4.2.2.
Abbrüche und Unterbrechungen der Radiatio
Insgesamt 25 mal (18,7%) musste die intrakavitäre Bestrahlung abgebrochen werden,
wenn die maximal zulässige Bestrahlungsdosis von 6 Gy an den Risikoorganen Blase und
Rektum
überschritten
wurde.
Bei
23
Patientinnen
(17,2%)
war
jeweils
ein
Bestrahlungsabbruch erforderlich, in 2 Fällen (1,5%) musste zweimal abgebrochen
werden. In den übrigen 109 Fällen waren keine Abbrüche vorgekommen.
In einigen Fällen musste die geplante Afterloading-Sitzung um 1 Woche oder die
perkutane Teletherapie um mehr als 3 Tage verschoben werden. Gründe hierfür waren
krankheitsbedingt von Seiten der Patientin, z.B. eine akute Zystitis, eine akute Diarrhö
oder eine akute AZ-Verschlechterung anderer Genese. Logistische Gründe waren selten:
Eine Aneinanderreihung von Feiertagen, z.B. Weihnachten und Neujahr, oder eine
mehrtägige Wartung der strahlentherapeutischen Einrichtung machten Unterbrechungen
über 3 Tage hinaus selten erforderlich. Das Afterloading musste in 34 Fällen (25,4%)
einmal, in 3 Fällen (2,2%) zweimal verschoben werden. Bei den 109 Patientinnen, die
kombiniert bestrahlt wurden, war eine Unterbrechung der Bestrahlung von mehr als 3
Tagen in 55 Fällen (50,1%) zu verzeichnen. Die mediane Dauer der Unterbrechung lag
bei 10 Tagen (Mittel 13,7d, Minimum 4d, Maximum 70d, STABW. 13,2d).
4.3.
Ergebnisse der primären Strahlentherapie
4.3.1. Follow-up und Überlebensraten
Das Follow-up wurde in Tagen resp. Monaten errechnet. Im Durchschnitt konnten die
Patientinnen über einen Verlaufszeitraum von 23 Monaten nachbeobachtet werden. Dabei
lag die zentrale Tendenz, der Median, bei 14,5 Monaten, Minimum 1 Tag, Maximum 108
Monate, Standardabweichung 24,6 Monate.
Anzahl der Patientinnen
Follow-up, Überleben und Versterben in Abhängigkeit
von der Zeit
160
140
120
100
80
60
40
20
0
verstorben
überlebend
Follow-up
0
6
12
24
36
48
60
72
84
96 108
Zeit [Monate]
Abb. 11: Follow-up, Überleben und Versterben in Abhängigkeit von der Zeit.
Nach dem medianen Follow-up von 14,5 Monaten existierten noch Informationen von 93
der 134 Patientinnen (69,4%), von denen zu diesem Zeitpunkt 18 verstorben waren. Nach
60 Monaten waren noch Informationen von 56 (41,8%) Patientinnen zugänglich, von
denen zu diesem Zeitpunkt 41 verstorben waren. Im gesamten Beobachtungszeitraum
von maximal 108 Monaten verstarben bekanntermaßen 46 von 134 Patientinnen (34%).
Stadienabhängige Überlebensraten nach 2, 3 und 5 Jahren waren daher nur unter der
Annahme zu ermitteln, dass die Todesfälle mit großer Wahrscheinlichkeit bekannt
wurden, während von der überwiegenden Mehrzahl der überlebenden Patientinnen der
weitere Verlauf unbekannt blieb.
Unter der Annahme, dass die Sterbefälle bekannt wurden und die Patientinnen, über
deren Verbleib keine Informationen vorlagen, überlebten, ergaben sich näherungsweise
stadienunabhängige
Überlebensraten
wie
in
Tabelle
19
dargestellt.
Für
das
stadienabhängige Überleben zeigten sich die folgenden, in den Tabellen 20 und 21
dargestellten Resultate. Bei den niedrigen Fallzahlen und dem kurzen medianen Followup lassen sich auf diese Weise nur Tendenzen erfassen.
Tabelle 19: Wahrscheinliches Überleben für alle Stadien:
Zeitverlauf
Follow-up [n]
Verstorben
formale
wahrscheinliche
(gesamt)
Überlebensrate
Überlebensrate
00 Monate
134
0
100%
100%
06 Monate
129 (96,3%)
7
94,6%
94,8%
12 Monate
93 (69,4%)
19
80%
85,8%
24 Monate
84 (62,7%)
32
62%
76,1%
36 Monate
72 (53,7%)
39
46%
70,9%
48 Monate
64 (47,8%)
40
38%
70,2%
60 Monate
56 (41,8%)
43
23%
67,9%
72 Monate
51 (38,1%)
43
16%
67,9%
84 Monate
49 (36,6%)
44
10%
67,2%
96 Monate
48 (35,8%)
44
8%
67,2%
108 Monate
46 (34,3%)
46
0%
65,7%
Tabelle 20: Zervixkarzinom: 2-, 3- und 5-Jahresüberlebensraten (-JUER) nach Stadien getrennt
(näherungsweise); in Klammern dargestellt die Überlebensraten, die statistisch eher unwahrscheinlich sind:
Kursiv markiert wurden die formalen Überlebensraten, die sich im Verlauf nicht mehr änderten.
Zervix-CA
n
1-JUER
2-JUER
3-JUER
4-JUER
5-JUER
FIGO I b
19
100%
100%
95%
95%
90%
(n=19)
(n=19)
(n=18)
(n=18)
(n=17)
97%
91%
88%
84%
78%
(n=31)
(n=29)
(n=28)
(n=27)
(n=25)
FIGO II a+b
32
IIa
4
100%
IIb
28
75%
FIGO III a+b
33
76%
56%
46%
46%
46%
(n=25)
(n=19)
(n=15)
(n=15)
(n=15)
IIIa
4
50%
IIIb
29
45%
FIGO IV a+b
9
100%
89%
89%
89%
89%
(n=9)
(n=8)
(n=8)
(n=8)
(n=8)
IVa
6
83%
IVb
3
100%
Rezidiv
Alle Stadien
3
96
100%
67%
67%
67%
67%
(n=3)
(n=2)
(n=2)
(n=2)
(n=2)
91%
80%
74%
73%
70%
(n=87)
(n=77)
(n=71)
(n=70)
(n=67)
Tabelle 21: Korpuskarzinom: 2-, 3- und 5-Jahresüberlebensraten (-JUER) nach Stadien getrennt
(näherungsweise); in Klammern dargestellt die Überlebensraten, die statistisch eher unwahrscheinlich sind:
Kursiv markiert wurden die formalen Überlebensraten, die sich im Verlauf nicht mehr änderten.
Korpus-CA
N
1-JUER
2-JUER
3-JUER
4-JUER
5-JUER
FIGO I a-c
14
93%
79%
71%
71%
71%
(n=13)
(n=11)
(n=10)
(n=10)
(n=10)
60%
50%
50%
50%
50%
(n=6)
(n=5)
(n=5)
(n=5)
(n=5)
64%
64%
64%
64%
64%
(n=7)
(n=7)
(n=7)
(n=7)
(n=7)
67%
67%
67%
67%
67%
(n=2)
(n=2)
(n=2)
(n=2)
(n=2)
74%
66%
63%
63%
63%
(n=28)
(n=25)
(n=24)
(n=24)
(n=24)
FIGO II a+b
FIGO III a-c
FIGO IV a+b
alle Stadien
10
11
4
38
Unterteilte man das Stadium II noch in IIa und IIb, so ergab sich nach 5 Jahren für das
Stadium IIa eine Überlebensrate von 100% (n = 4 von 4) und für das Stadium IIb eine 5JUER von 75% (n = 21 von 28). Im Stadium III fiel auf die Patientinnen mit FIGO IIIa eine
5-Jahres-Überlebensrate von 50% (n = 2 von 4), bei FIGO IIIb war die 5-JUER 45% (n =
13 von 29). Da im Stadium IV nur 1 Todesfall (Stadium IVa) nach 5 Jahren dokumentiert
werden konnte, bestand eine formale 5-JUER von 83% für das Stadium IVa (n = 5 von 6)
und 100% für das Stadium IVb (n = 3 von3)
Bei beiden Karzinomgruppen konnte im Verlauf von 6-24 Monaten eine signifikant höhere
Sterberate für die fortgeschrittenen Stadien III und IV (p << 0,05) nachgewiesen werden.
Der Anteil der Karzinome im Stadium III an den Verstorbenen war dabei gegenüber allen
anderen Stadien signifikant erhöht (p ~ 0,032). Die Überlebensraten bei den
Zervixkarzinom-Patientinnen mit Stadium IV und mit Rezidiv (kursiv gedruckt)
entsprechen wahrscheinlich nicht der Realität und sind a.e. auf die geringe Fallzahl sowie
ein mangelndes Follow-up zurückzuführen.
4.3.2
Todesursachen
Im Vergleich der beiden Gruppen Zervixkarzinome und Korpuskarzinome zeigte sich ein
höherer Anteil der Korpuskarzinom-Patientinnen an den Verstorbenen, und zwar mit
abnehmender Tendenz im Beobachtungszeitraum (Tabelle 22):
Um der Frage nachzugehen, welche Ursachen zum Tode führten, wurde zunächst
analysiert, in welchen Fällen die Todesursache überhaupt bekannt war.
Die Todesursachen wurden unterteilt in tumorbedingtes Versterben („dead from tumor“),
Versterben anderer Ursache („dead from other causes“) und unbekannte Todesursache
(„dead from unknown cause“) und in Tabelle 23 aufgeführt.
Tabelle 22: Versterben in Abhängigkeit vom Karzinom (Zervix- oder Korpuskarzinom):
Gesamt
Zervix-CA
Korpus-CA
134
96
38
p
06 Monaten
7 (5,2%)
4 (4%)
3 (8%)
> 0,05
12 Monaten
19 (14%)
9 (9%)
10 (26%)
~0,0028
24 Monaten
32 (24%)
19 (20%)
13 (34%)
~0,011
36 Monaten
39 (29%)
25 (26%)
14 (37%)
~0,020
48 Monaten
40 (30%)
26 (27%)
14 (37%)
~0,05
60 Monaten
43 (32%)
29 (30%)
14 (37%)
> 0,05
n
bekannt verstorben
nach [Zeit]
Tabelle 23: Todesursache für Zervix- und Korpuskarzinome
In Klammern wurde der jeweilige prozentuale Anteil den verstorbenen Patienten angegeben.
Todesursache
Verstorben
Zervix-CA
Korpus-CA
P
46 von 134
32 von 96
14 von 38
>0,05
=34%
=33%
=37%
dead from unknown cause
13 (28%)
6 (19%)
7 (50%)
< 0,05
dead from tumor
26 (57%)
20 (63%)
6 (43%)
> 0,05
zentrales Rezidiv / Progress
18
14
4
> 0,05
Beckenwand (BW)-Rezidiv
2
1
1
Fernmetastasen
5
4
1
Tumorkachexie, AZ
1
1
0
7 (15%)
6 (19%)
1 (7%)
Lungenembolie
3
2
1
Herz-Kreislaufversagen
3
3
0
metastasierendes Magen-CA
1
1
0
gesamt
n
dead from other cause
>0,05
Es fiel auf, dass nahezu gleich viele Patientinnen mit Zervixkarzinom (33%, n = 32 von 96)
wie mit Korpuskarzinom (37%, n = 14 von 38) im Beobachtungszeitraum verstarben. Die
Hälfte (n = 7 von 14) aller Todesfälle bei den Korpuskarzinomen konnte retrospektiv nicht
geklärt werden, während in der Zervixkarzinomgruppe nur 18% (n = 6 von 32) aus
unbekannter Ursache verstarben. Dagegen zeigte sich bei den Zervixkarzinomen eine
Rate von 63% (n = 20 von 32) an tumorbedingtem Tod; bei den Korpuskarzinomen waren
dies lediglich 43% (n = 6 von 14). Nur eine Patientin mit Korpuskarzinom verstarb an einer
Lungenembolie ohne unmittelbaren Zusammenhang mit der Grunderkrankung (n = 1 von
14 = 7%); bei den Zervixkarzinomen fanden sich insgesamt 6 Todesfälle anderer Ursache
als der primären Tumorerkrankung.
Eine unklare Zuordnung der Todesursache lag bei drei Patientinnen vor. Eine Patientin
bot entfernte Lymphknoten-Metastasen und eine (Tumor-)Kachexie, litt aber auch unter
einer dekompensierten Herzinsuffizienz mit Pneumonie, welche ebenso gut zum Tode
geführt haben kann wie die Tumorerkrankung. Eine zweite Frau hatte ausgedehnte
paraaortale Lymphknotenmetastasen, eine Duodenalstenose und eine Sigmastenose,
verstarb
jedoch
infolge
eines
Nierenversagens.
Neben
der
progredienten
Tumorerkrankung könnten die Darmstenosen auch strahlenbedingt sein und infolge von
Elektrolytentgleisungen und Exsikkose ein Multiorganversagen nach sich gezogen haben.
Bei der dritten Patientin konnte als Todesursache eine Lungenembolie gesichert werden.
Computertomografisch wurden Tumormassen im Unterbauch beschrieben, es lag aber
auch eine dekompensierte Leberzirrhose vor. Auch hier konnte keine eindeutige
Zuordnung erfolgen. In allen drei Fällen war die Karzinomerkrankung für die schlechte
Prognose sicher mit ausschlaggebend, auch wenn sie nicht unmittelbar zum Tode führte.
Tabelle 24: Todesursache für Zervix und Korpuskarzinome unterteilt nach Stadien
Cx-CA-
Cx-CA-
Cx-CA Cx-CA Cx-CA Co-CA Co-CA Co-CA Co-CA
Tumorstadien
I
II
III
IV
Rez.
I
II
III
IV
dead from unknown
0
2
4
0
0
3
4
0
0
2
4
12
1
1
1
1
3
1
(6%)
(13%)
(38%)
(3%)
(3%)
(7%)
(7%)
(20%)
(7%)
2
1
10
0
1
0
1
3
0
BW-Rezidiv
0
0
1
0
0
1
0
0
0
Fernmetastasen
0
3
0
1
0
0
0
0
1
Tumorkachexie
0
0
1
0
0
0
0
0
0
1
2
3
0
0
0
0
1
0
Lungenembolie
1
1
0
0
0
0
0
1
0
Herz-Kreislauf-
0
0
3
0
0
0
0
0
0
0
1
0
0
0
0
0
0
0
cause
dead from tumor
zentrales
Rezidiv
/
Progress
dead
from
other
cause
Versagen
Magen-CA
4.3.3.
Lokale Tumorkontrolle
Im Rahmen der gynäkologischen bimanuellen Untersuchung vor und nach Radiatio wurde
die Größe des Uterus bewertet. Dabei wurde unterschieden zwischen normal großem,
vergrößertem
und
verkleinertem
(atrophischem)
Uterus.
Nach
Beendigung
der
Bestrahlung war eine Abnahme der Uterusgröße zu verzeichnen (Tabelle 25). Bei den
Patientinnen
mit
Korpuskarzinom
war
die
Größenabnahme
des
Uterus
nach
Strahlentherapie gegenüber dem prätherapeutischen Befund signifikant (p<0,006). Auch
fand sich nach Therapie signifikant häufiger eine normale Uterusgröße im Vergleich zum
prätherapeutischen Status (p<0,03).
Zur Beurteilung der lokalen Tumorkontrolle wurde die gynäkologische Untersuchung
herangezogen. Falls zu den entsprechenden Zeitpunkten während des Follow-ups
sonografische, CT-grafische oder MR-tomografische Dokumentationen vorlagen, wurden
diese Ergebnisse für die Beurteilung der Remission (Vollremission, Teilremission, no
change, Progress, Rezidiv) berücksichtigt. Es wurde zwischen lokaler Tumorkontrolle (=
local control) und fehlender lokaler Tumorkontrolle (= local failure) unterschieden. Dafür
wurden Voll- und Teilremission unter „local control“ zusammengefasst, während no
change, Tumorprogress oder –rezidiv als „local failure“ interpretiert wurden. (Tabelle 26).
Für den Zeitpunkt „Therapieende“ wurde als lokale Tumorkontrolle ein Ansprechen des
Tumors auf die Bestrahlung gewertet, da generell eine Unterscheidung zwischen Vollund Teilremission nicht vor Ablauf von 6 Wochen nach Therapie möglich ist.
Tabelle 25: Uterusgröße und Verlauf
Gesamt n
Cx-CA
Co-CA
p
n
134
96
38
Vor Radiatio / n
127
90
37
Uterus normal groß
60
49 (54%)
11 (30%)
< 0,012
Uterus vergrößert
53
31 (34%)
22 (60%)
<0,010
Uterus atrophisch
14
10 (11%)
4 (11%)
Nach Radiatio / n
116
85
31
Uterus normal groß
71
56 (66%)
15 (48%)
Uterus vergrößert
29
16 (19%)
13 (42%)
Uterus atrophisch
16
13 (15%)
3 (10%)
< 0,0012
Tabelle 26: local control - local failure
Therapieende: n = 134
nach 6 Monaten n = 122 (7 )
nach 12 Monaten n= 74 (19
Gesamt
Cx-CA
Co-CA
Local control
local control
local control
116 von 134
85 von 96
31 von 38
(87%)
(89%)
(82%)
102 von 122
76 von 89
26 von 33
(84%)
(85%)
(79%)
59 von 74
48 von 60
11 von 14
(80%)
(80%)
(79%)
p
> 0,05
> 0,05
> 0,05
Die lokale Tumorkontrolle wurde zum Therapieende weiter unterteilt in „Ansprechen des
Tumors“,
„no
change“-Situation
und
Progression.
Dabei
zeigte
sich
für
die
Zervixkarzinome resp. Korpuskarzinome ein Ansprechen des Tumors in 85 (89%) resp.
31 (82%) Fällen, eine „no change“-Situation fand sich in 8 (8%) resp. 4 (11%) Fällen und
eine Progression war in 3 (3%) resp. 3 (8%) Fällen zu beobachten.
Nach 6 Monaten lag bei insgesamt 89 Zervixkarzinomen und 33 Korpuskarzinomen in 46
(52%) resp. 16 (49%) Fällen eine Vollremisison, in 30 (34%) resp. 10 (30%) Fällen eine
Teilremission vor. Eine „no change“-Situation fand sich zu diesem Zeitpunkt in 4 (5%)
resp. 2 (6%) Fällen und eine Progression in 9 (10%) resp. 5 (15%) Fällen.
Nach 12 Monaten schließlich waren von 60 Patientinnen mit Zervixkarzinom und 14 mit
Korpuskarzinom, die sich im Follow-up befanden, 41 (68%) resp. 9 (64%) in
Vollremission, 7 (12%) resp. 2 (14%) weiterhin in Teilremission, 2 (3%) resp. 1 (7%) in „no
change“, 9 (15%) resp. 1 (7%) aus vorheriger Teilremission, no change oder Progression
weiterhin in Progression, und in jeweils 1 Fall (2% resp. 7%) fand sich ein Rezidiv nach
vorausgegangener Vollremission. Die folgende Tabelle 27 gibt einen Überblick über die
stadienabhängige lokale Tumorkontrolle für Zervix- und Korpuskarzinom zu den o.g.
Zeitpunkten: direkt nach Therapieende, nach 6 und 12 Monaten.
Nach mehr als 12 Monaten lagen noch Daten von weniger als 50% des Gesamtkollektivs
vor, so dass eine sinnvolle Beurteilung über einen Verlauf über 12 Monate hinaus nicht
möglich war.
Tabelle 27: Stadienabhängige lokale Tumorkontrolle
Zervix-CA
FIGO I
FIGO II
FIGO III
FIGO IV
Rezidive
Therapieende
18 von 19
31 von32
27 von 33
7 von 9
2 von 3
95%
97%
82%
78%
67%
nach 6 Monaten
17 von 18
32 von 32
20 von 29
6 von 8
1 von 2
94%
100%
69%
75%
50%
13 von 13
24 von 26
10 von 17
1 von 3
0 von 1
100%
92%
59%
33%
0%
FIGO I
FIGO II
FIGO III
FIGO IV
Rezidive
13 von 14
8 von 10
7 von 11
3 von 3
/
93%
80%
64%
/
11 von 13
7 von 8
6 von 10
2 von 2
85%
88%
60%
/
7 von 9
2 von 3
2 von 2
0 von 0
78%
67%
/
/
nach 12 Monaten
Korpus-CA
Therapieende
nach 6 Monaten
nach 12 Monaten
/
/
Es zeigte sich ein deutliches Gefälle mit hoher lokaler Tumorkontrolle in den frühen
Stadien beider Karzinome und abnehmender lokaler Tumorkontrolle mit der Höhe des
Stadiums und mit der Zeit. So lag beispielsweise im FIGO Stadium III des
Zervixkarzinoms die initiale local control und damit das Ansprechen des Tumors auf die
Strahlentherapie bei 82%, bereits nach1 Jahr aber nur noch bei 59%. Im Vergleich von
Zervix- und Korpuskarzinom lagen die local control - Raten der Korpuskarzinome
geringfügig niedriger. Mit Ausnahme des Stadiums II nach 6 Monaten (p~0,042) waren die
Unterschiede nicht signifikant.
Neu aufgetretene Fernmetastasen resp. Blasen- oder Rektumschleimhautinfiltration post
radiationem wurden in Tabelle 28 dargestellt:
Tabelle 28: neu aufgetretene Fernmetastasen post radiationem (p.r.)
nach 6 Monaten p.r.
nach 6-60 Monaten p.r.
91
72
83 (91%)
55 (76%)
Lunge
2 (2%)
2 (3%)
Leber
3 (3%)
4 (6%)
Peritoneum
1 (1%)
2 (3%)
0
2 (3%)
Knochen
1 (1%)
1 (1%)
Lymphknoten
3 (3%)
7 (10%)
Blaseninfiltration bei Rez.
0
1 (1%)
Rektuminfiltration bei Rez.
0
1 (1%)
n
keine Metastasen
Metastasen in:
Niere
Mit Hilfe der Tabelle 29 wurde untersucht, ob Fernmetastasen oder lokoregionäre
Lymphknotenmetastasen bei Patientinnen mit „local control“ weniger oft auftraten als bei
Patientinnen, die sich zum jeweiligen Zeitpunkt bereits in „local failure“ befanden und
damit ein Fortschreiten des Tumors auch über den Lokalbefund hinaus erwartet werden
konnte.
Dabei zeigte sich, dass zu allen drei Zeitpunkten Patientinnen mit Zervixkarzinom, die gar
nicht oder schlecht auf die Strahlentherapie angesprochen hatten, sich somit im „local
failure“ befanden, signifikant häufiger Fern- und lokoregionäre Lymphknotenmetastasen
entwickelten, und zwar bereits innerhalb der ersten 6 Monate nach Beendigung der
Therapie. Bei Metastasen, die zu einem späteren Zeitpunkt auftraten, zeigten die beiden
Patientengruppen mit und ohne lokale Tumorkontrolle keine signifikanten Unterschiede.
Tabelle 29: Häufigkeit von Metastasen bei Patientinnen in local control und local failure.
Zervix-CA
local control zum
Therapieende
nach
6
Monaten
local control
local control
local failure
local failure
Fern-/LK-
keine
Fern-/LK-
keine
Metastasen
Metastasen
Metastasen
Metastasen
4
58
2
5
p<0,05
3
p=1
p
p.r.
7%
nach 6-60 Monaten
14
p.r.
local control nach 6
Monaten
nach
6
Monaten
local failure
Fern-/LK-
keine
Fern-/LK-
keine
Metastasen
Metastasen
Metastasen
Metastasen
2
55
4
8
p<0,0015
4
p>0,05
P
12
local control nach
12 Monaten
6
Monaten
43%
local failure
local failure
Fern-/LK-
keine
Fern-/LK-
keine
Metastasen
Metastasen
Metastasen
Metastasen
0
44
6
12
p<<0,001
9
p>0,05
p
nach 6-60 Monaten
10
p.r.
33%
13
44%
Korpus-CA
local control zum
Therapieende
6
Monaten
p.r.
nach 6-60 Monaten
local control
local control
local failure
local failure
Fern-/LK-
keine
Fern-/LK-
keine
Metastasen
Metastasen
Metastasen
Metastasen
2
15
0
5
p> 0,05
3
p> 0,05
local failure
p
2
0%
10
17%
Korpus-CA
local control
local control nach 6
Monaten
6
Monaten
p.r.
p.r.
local control
local control nach
12 Monaten
6
Monaten
p.r.
nach 6-60 Monaten
local failure
Fern-/LK-
keine
Fern-/LK-
keine
Metastasen
Metastasen
Metastasen
Metastasen
1
15
1
5
p>0,05
2
p>0,05
p
1
17%
11
8%
Korpus-CA
0
0%
6%
nach 6-60 Monaten
5
36%
12%
p.r.
3
local control
0%
p.r.
38
local control
p.r.
nach
33%
24%
Zervix-CA
nach
25%
local failure
nach 6-60 Monaten
p.r.
1
local control
4%
nach
39
local control
p.r.
nach
29%
26%
Zervix-CA
p
1
33%
local control
local control
local failure
local failure
Fern-/LK-
keine
Fern-/LK-
keine
Metastasen
Metastasen
Metastasen
Metastasen
0
11
2
9
p> 0,05
3
p>0,05
0%
1
9%
18%
10
1
25%
Bei den Frauen mit Korpuskarzinom war zu beobachten, dass die in „local control“
befindlichen Patientinnen weniger häufig Metastasen entwickelten, doch waren die
Unterschiede zur local failure Gruppe zu keinem Zeitpunkt innerhalb des untersuchten
Jahres signifikant.
Bezüglich der histologischen Typisierung in Adeno- und Plattenepithelkarzinom sowie der
Graduierung der Malignität in G1-G3 sollte die Ansprechrate der unterschiedlichen
Histologieformen
auf
die
Bestrahlung
untersucht
werden.
Zum
Zeitpunkt
des
Therapieendes, nach 6 und 12 Monaten zeigten die Plattenepithelkarzinome in 89 %,
resp. 84% und 81% und die Adenokarzinome in 85%, 84 und 86% eine lokale
Tumorkontrolle. Weder im Verlauf der Zeit noch im Vergleich zwischen Plattenepithel- und
Adenokarzinom waren die ermittelten Unterschiede signifikant.
Auch hinsichtlich der Graduierung (Grading) von Plattenepithel- und Adenokarzinomen in
gut differenziert (G1), mittelgradig differenziert (G2) und schlecht oder undifferenziert (G3)
konnte weder nach Therapieende noch nach 6 oder 12 Monaten eine Korrelation mit local
control - oder local failure - Raten nachgewiesen werden. Ein G1-Tumor wurde in 10% (13
von 128 Fällen) diagnostiziert, G2 in 66% (85 von 128 Fällen) und G3 in 23% (30 von 128
Fällen). G1 fand sich mit einem Anteil von 19% bei den Korpuskarzinomen häufiger als
bei den Zervixkarzinomen, G2 war prozentual gleich verteilt und G3 fand sich mit 26% bei
den Zervixkarzinomen häufiger.
Bei der Untersuchung der Gesamtstrahlendosis zeigten die Patientinnen, die >/= 94 Gy
erhalten hatten, eine geringfügig bessere lokale Tumorkontrolle; ein signifikanter
Unterschied war nicht nachweisbar. Die Patientinnen profitierten insgesamt von einer
kurzen Gesamt-Behandlungsdauer von weniger als 54 Tagen, aber auch hier war kein
signifikanter Unterschied zu der länger behandelten Gruppe zu erkennen.
Zur Charakterisierung des Oxygenierungszustandes wurden die Hämoglobinwerte (HbWerte)
vor
und
Remissionsverhalten
nach
Strahlentherapie
untersucht.
Dabei
dokumentiert
zeigte
sich
ein
und
diesbezüglich
insgesamt
das
günstigeres
Remissionsverhalten, also eine bessere lokale Tumorkontrolle, für Patientinnen mit HbWerten größer oder gleich 10g/dl. So befanden sich von den Patientinnen mit einem
prätherapeutisch gemessenen Hb-Wert >/= 10g/dl mit 89%, 84 und 82% in local control
zu den Zeitpunkten direkt nach Therapie, nach 6 und nach 12 Monaten. Zu gleicher Zeit
waren von den Fällen mit einem prätherapeutischen Hb-Wert <10g/dl 70%, 63% und 67%
in local control. Ähnliche Verhältnisse zeigten sich bei posttherapeutisch gemessenen
Hämoglobinwerten mit einer lokalen Tumorkontrolle von 86%, 83% und 82% in der
Gruppe mit Hb-Werten >/= 10g/dl, während von den Patientinnen mit posttherapeutisch
gemessenen Hb-Werten <10g/dl resp. 75%, 71% und 50% in lokaler Tumorkontrolle
waren. In keinem Fall waren die gemessenen Unterschiede signifikant.
Tabelle 30: Lokale Tumorkontrolle bei Zervix- und Korpuskarzinom in Abhängigkeit von verschiedenen
Faktoren
Gesamtlocal control
Therapieende
nach 6 Monaten
nach 12 Monaten
p
116 von 134
102 von 122
59 von 74
p>0,05
86,6%%
83,6%
80%
81 von 91
72 von 86
47 von 58
89%
84%
81%
33 von 39
27 von 32
12 von 14
85%
84%
86%
2
0
0
n=128
n=114
n=70
11 von 13
9 von 11
5 von 6
85%
82%
83%
76 von 85
70 von 78
43 von 52
89%
90%
83%
25 von 30
20 von 25
10 von 12
83%
80%
83%
n=134
n=122
n=74
65 von 73
60 von 71
40 von 50
89%
85%
80%
51 von 61
42 von 51
19 von 24
84%
82%
79%
n=134
n=122
n=74
53 von 62
48 von 60
26 von 34
86%
80%
77%
63 von 72
54 von 62
33 von 40
89%
87%
83%
n=124
n=114
n=67
101 von 114
89 von 106
50 von 61
89%
84%
82%
7 von 10
5 von 8
4 von 6
70%
63%
67%
n=123
n=113
n=69
99 von 115
88 von 106
53 von 65
86%
83%
82%
6 von 8
5 von 7
2 von 4
75%
71%
50%
Histologie
Plattenepithelkarzinom
Adenokarzinom
andere
Grading
G1
G2
G3
Gesamt-Strahlendosis
>/=94Gy
<94Gy
Gesamtbehandlungszeit
>54d
</=54d
Hämoglobinwert prä r.
prä radiationem
>/=10g/dl
prä radiationem
<10g/dl
Hämoglobinwert post r.
post radiationem
>/= 10g/dl
post radiationem
<10g/dl
p>0,05
p>0,05
p>0,05
p>0,05
p>0,05
p>0,05
p>0,05
p>0,05
p>0,05
p>0,05
p>0,05
p>0,05
p>0,05
4.4.
Komplikationen der primären Strahlentherapie
4.4.1. Laborwerte
Eine isolierte Veränderung der Hämoglobin- und Leukozyten-Werte als Folge einer
Bestrahlung zu werten, wenn eine primär maligne Grunderkrankung vorliegt, erschien uns
retrospektiv nicht sicher möglich. Es wurde daher der Verlauf dieser Laborwerte grafisch
dargestellt. Ein möglicher Bezug zur therapiebedingten Rate an Organkomplikationen wird
unter dem noch folgenden Abschnitt 4.4.2 hergestellt.
Hb-Verlauf vor und nach Strahlentherapie
100%
Hb >/= 10g/dl
80%
Hb < 10g/dl
60%
40%
20%
0%
24)
23)
72)
82)
n=1 e (n=1 en (n= en (n=
(
n
t
t
n
d
i
a
a
n
g
n
n
e
iebe erapie h 6 Mo -60 Mo
rap
Th
nac nach 6
The
Zeit
Abb. 12: Verteilung von Hämoglobinwerten (Hb) >/= 10g/dl und < 10g/dl zu den Zeitpunkten Therapiebeginn,
Therapieende, nach 6 Monaten und nach 6-60 Monaten.
Vor Strahlentherapie lag der Hämoglobinwert bei 87,9% der Patientinnen (n = 109 von
124) >/= 10g/dl, 12,2% (n = 15 von 124) hatten relevante Anämien mit Hb-Werten <
10g/dl. Bei Therapieende war der Oxygenierungszustand dieser Population verbessert:
Jetzt hatten 92,7% der Patientinnen (n = 114 von 123) Hb-Werte >/= 10g/dl; in 7,3% der
Fälle (n = 9 von 123) lag der Hb-Wert unter 10g/dl. Nach 6 Monaten wiesen 88% (n = 72
von 82) und nach 6-60 Monaten 71% (n = 51 von 72) Hb-Werte >/= 10g/dl auf, 12% (n =
10 von 82) hatten nach 6 Monaten und 29% (n = 21 von 72) nach 6-60 Monaten HbWerte unter 10g/dl.
Die Leukozytenwerte waren vor Strahlentherapie bei 66,7% der Patientinnen (n = 82 von
123) normwertig, eine Leukozytose bestand in 33,3% der Fälle (n = 41 von 123), eine
Leukozytopenie wurde nicht beobachtet. Demgegenüber zeigte sich bei Therapieende
eine Leukozytopenie bei 12,4% der Patientinnen (n = 15 von 121), wobei keine Gabe von
granulozytenstimulierenden Faktoren notwendig wurde. Nach 6 Monaten und in der Zeit
zwischen 6 und 60 Monaten nach Therapie nahm die Rate der leukozytopenischen Fälle
wieder ab. Nach 6 Monaten waren 6% der Patientinnen leukopenisch, nach 6 bis 60
Monaten insgesamt 5%.
Leukozytenverlauf vor und nach Strahlentherapie
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
normal (3,8-10,5/nl)
Leukozytose (>10,5/nl)
Leukopenie (<3,8/nl)
)
)
61)
82)
121
123
(n= de (n= ten (n= ten (n=
n
n
i
a
a
n
g
Mo n
Mon
piee
iebe
rap Thera ach 6 h 6-60
n
The
c
na
Zeit
Abb. 13: Verteilung von Leukozytenwerten (normal: 3,8-10,5/nl, erhöht: >10,5/nl und erniedrigt: <3,8/nl) zu
den Zeitpunkten Therapiebeginn, Therapieende, nach 6 Monaten und nach 6-60 Monaten.
4.4.2. Organkomplikationen
Die
folgenden
Auflistungen
charakterisieren
die
Morbidität
bezüglich
der
Geschlechtsorgane, der ableitenden Harnwege, des Darmes und der Haut vor, während
und nach Strahlentherapie. Dafür konnten Daten herangezogen werden von 129
Patientinnen vor Therapie, von allen 134 Patientinnen während Therapie und von 122
Patientinnen für den Zeitraum vom Therapieende bis zu 6 Monate nach Therapie und von
74 Patientinnen für den Zeitraum von 12-96 Monaten. Das bedeutet, dass zu irgendeiner
Zeit innerhalb von 12-96 Monaten Kontakt zur Patientin bestand und Daten zu
Komplikationen dokumentiert werden konnten. Die zu den genannten Zeitpunkten
verstorbenen Patientinnen wurden entsprechend nicht einbezogen.
Tabelle 31: Auftreten von Zystitiden und Diarrhöen während der Strahlentherapie
n = 134
Zystitis
Diarrhö
keine
45 (33,6%)
80 (59,7%)
einmalig
35 (26,1%)
36 (26,9%)
intermittierend
47 (35,1%)
15 (11,2%)
7 (5,2%)
3 (2,2%)
ständig
Tabelle 32: Komplikationen der Geschlechtsorgane nach Strahlentherapie
Zeit vor, 6 und 12 - 96 Monate
vor Radiatio
bis 6 Monate p.r.
12-96 Monate p.r.
Frühkomplikationen
Spätkomplikationen
n = 129
n = 122
n = 74
Normalbefund
12 (9,3%)
70 (57,4%)
50 (68%)
Pathologika:
21 (16,3%)
48 (65%)
18 (24%)
Blutungen ex Vagina /
86 (66,7%)
3 (2,5%)
6 (8%)
Kolpitis
32 (24,8%)
40 (32,8%)
8 (11%)
verklebter Zervikalkanal
20 (15,5%)
12 (9,8%)
9 (12%)
5 (3,9%)
10 (8,2%)
4 (5%)
Schwellung/Erythem
0
3 (2,5%)
1 (1%)
Ulzera
0
2 (1,6%)
2 (3%)
uterine Retentionszysten
1 (0,8%)
1 (0,8%)
0
Zystozele
5 (3,9%)
2 (1,6%)
1 (1%)
Rektozele
6 (4,7%)
2 (1,6%)
1 (1%)
nach Strahlentherapie
n
p
ex Zervikalkanal
Hämatometra
verklebte Vagina
Tabelle 33: Komplikationen der Geschlechtsorgane nach Schweregraden
Frühkomplikationen
Spätkomplikationen
122
74
Grad 0
83 (64,3%)
57(77%)
Grad 1
30 (24,6%)
8 (11%)
Grad 2
8 (6,2%)
4 (5%)
Grad 3
8 (6,2%)
5 (7%)
46 (37,7%)
17 (23%)
n Gesamt
Grad 1-3 zusammen
Frühkomplikationen der Geschlechtsorgane: Von den 30 Patientinnen mit leichten
Frühkomplikationen (Grad 1) hatten alle eine Kolpitis, zwei Frauen zusätzlich eine
entzündliche Schwellung mit Erythem im Vaginalbereich, eine hatte noch leichte vaginale
Blutungen. Von den 8 Patientinnen mit mittelschweren Frühkomplikationen (Grad 2) boten
alle 8 einen verklebten Zervikalkanal mit Hämatometrabildung, eine Patientin hatte
zusätzlich ein Erythem, 3 weitere eine Kolpitis. Von den 8 Patientinnen mit schweren
Frühkomplikationen (Grad 3) zeigten alle 7 eine verklebte Vagina und eine Patientin
vaginale Ulzera. Eine Frau hatte zusätzlich einen verklebten Zervikalkanal, eine litt unter
Kolpitis.
Spätkomplikationen
Spätkomplikationen
der
(Grad
Geschlechtsorgane:
1)
entwickelten
Alle
innerhalb
8
von
Frauen
mit
leichten
36
Monaten
nach
Strahlentherapie eine Kolpitis, ohne bereits im Frühverlauf unter Kolpitis zu leiden. Die
mittelschweren Spätkomplikationen und schweren Spätkomplikationen traten sämtlich
innerhalb von 12 Monaten auf. Dabei hatten 4 Patientinnen eine Verklebung des
Zervikalkanals mit Hämatometra (Grad 2). Alle 5 Patientinnen mit Grad 3-Komplikationen
boten eine Verklebung der Vagina. Zusätzlich trat in 4 von den 5 Fällen eine Verklebung
des Zervikalkanals auf, zweimal kam es zu einer vaginalen Blutung, zweimal zu vaginalen
Ulzera.
Tabelle 34: Komplikationen der ableitenden Harnwege nach Strahlentherapie
Zeit vor, 6 und 12 – 96 Monate
vor Radiatio
bis 6 Monate p.r.
12-96 Monate p.r.
Frühkomplikationen
Spätkomplikationen
n = 129
n = 122
n = 74
75 (58,1%)
60 (49,2%)
49 (66%)
Zystitis
23 (17,8%)
36 (27,9%)
10 (14%)
Dysurie
6 (4,7%)
10 (7,8%)
5 (7%)
24 (18,6%)
23 (18,9%)
7 (10%)
Hämaturie / Blutungen
2 (1,6%)
2 (1,6%)
3 (4%)
Nykturie / Pollakisurie
3 (2,3%)
11 (9,0%)
8 (11%)
radiogene Schrumpfblase
0
0
1 (1%)
verdickte Harnblasenwand
0
4 (3,3%)
1 (1%)
Ureterstrikturen
2 (1,6%)
6 (4,9%)
4 (5%)
Harnaufstau
11 (8,5%)
17 (13,9%)
11 (15%)
Blasenscheidenfistel
2 (1,6%)
5 (4,1%)
4 (5%)
Ulcus
0
0
0
Urosepsis
0
0
0
schmerzhafter Harnverhalt
2 (1,6%)
1 (0,8%)
0
Urethrastenose
1 (0,8%)
1 (0,8%)
1 (1%)
nach Strahlentherapie
n
Normalbefund
Pathologika:
Blaseninkontinenz
Tabelle 35: Komplikationen der ableitenden Harnwege nach Schweregraden
Frühkomplikationen
Spätkomplikationen
122
74
Grad 0
80 (65,6%)
51 (69%)
Grad 1
33 (27%)
15 (20%)
Grad 2
7 (5,7%)
1 (1%)
Grad 3
9 (7,4%)
7 (10%)
49 (40,2%)
23 (31%)
n Gesamt
Grad 1-3 zusammen
p
Frühkomplikationen der ableitenden Harnwege: Von den 33 Patientinnen mit leichten
Frühkomplikationen (Grad 1) bekamen 25 eine Zystitis, sieben litten unter Dysurie, neun
unter Pollakisurie und / oder Nykturie, bei drei Frauen fand man eine postradiogene
Verdickung der Harnblasenwand. An mittelschweren Komplikationen (Grad 2) innerhalb
der ersten 6 Monate nach Therapie hatten alle 7 Patientinnen eine neu aufgetretene
Blaseninkontinenz, eine litt zusätzlich an Dysurie, eine andere an Zystitis. Von den 9
Patientinnen mit schweren Frühkomplikationen (Grad 3) trat in allen Fällen ein
Harnaufstau auf, in vier Fällen mit Ureterstriktur, in 4 Fällen ohne nachgewiesene
Ureterstriktur, einmal mit Urethrastriktur. Eine der Frauen hatte weiterhin eine
Blasenscheidenfistel, bei der Patientin mit Urethrastriktur trat zusätzlich schmerzhafter
Harnverhalt auf.
Spätkomplikationen der ableitenden Harnwege: Leichte Spätkomplikationen (Grad 1)
fanden sich bei 15 Patientinnen, davon hatten acht eine rezidivierende Zystitis, vier litten
unter dysurischen Beschwerden, 2 der Patientinnen hatten eine Blaseninkontinenz, die
auch prätherapeutisch schon bestand, sieben litten unter Pollakisurie / Nykturie und eine
Patientin entwickelte nach 24 Monaten eine Blasenscheidenfistel und Harnaufstau bei
lokoregionär fortschreitendem Tumorprozess, so dass dieses Ereignis nicht im Sinne
einer schweren Komplikation gewertet werden konnte. Nur eine Patientin bot eine
mittelschwere (Grad 2) Komplikation. Nach 24 Monaten entwickelte sie eine histologisch
gesicherte chronische Strahlenzystitis mit Steinbildung. Schwere Komplikationen der
ableitenden Harnwege traten im Spätverlauf viermal nach 12 Monaten, zweimal nach 24
Monaten und einmal nach 72 Monaten auf. Fünf der sieben Patientinnen hatten einen
Harnaufstau, davon eine mit Ureter-, eine mit Urethrastriktur, zweimal trat eine
Blasenscheidenfistel auf. In einem Fall kam es zusätzlich zu Hämaturie, einmal zusätzlich
zu einer neu aufgetretenen Blaseninkontinenz, einmal zu Nykturie und / oder Pollakisurie,
und 2 Frauen entwickelten eine radiogene Schrumpfblase.
Frühkomplikationen des Darmes (Tabelle 36): Alle 27 Patientinnen mit frühen
leichtgradigen Komplikationen (Grad 1) hatten eine nicht behandlungsbedürftige Diarrhö.
Bei einer Patientin trat die Diarrhö abwechselnd mit Obstipation auf, eine weitere
verspürte rektales Missempfinden. Von den 20 Patientinnen mit mittelschweren
Komplikationen (Grad 2) entwickelten elf eine behandlungsbedürftige Diarrhöe, vier eine
Proktitis und / oder Kolitis, 5 Patientinnen hatten behandlungsbedürftige Schmerzen. Vier
Patientinnen litten weiterhin unter ausgeprägtem Meteorismus, zwei hatten eine neu
aufgetretene Stuhlinkontinenz, eine Patientin Obstipation. Nicht behandlungsbedürftige
Diarrhö hatten zusätzlich 6 Patientinnen. Bei 2 Frauen lag eine schwere Komplikation
(Grad 3) vor: Eine Patientin entwickelte eine Sphinkterstenose und Obstipation, die zweite
hatte eine schwere, transfusionspflichtige rektale Blutung.
Tabelle 36: Komplikationen des Darmes nach Strahlentherapie
Zeit vor, 6 und 12 – 96 Monate
vor Radiatio
bis 6 Monate p.r.
12-96 Monate p.r.
Frühkomplikationen
Spätkomplikationen
n = 129
n = 122
n = 74
108 (83,7%)
74 (60,7%)
56 (76%)
1 (0,8%)
34 (27,9%)
3 (4%)
0
11 (9,0%)
6 (8%)
3 (2,3%)
2 (1,6%)
4 (5%)
0
2 (1,6%)
7 (10%)
Proktitis / Kolitis
2 (1,6%)
3 (2,5%)
10 (14%)
Schleimhaut-Ulzera
1 (0,8%)
0
1 (1%)
14 (10,9%)
6 (4,9%)
9 (12%)
leichter Schmerz
0
1 (0,8%)
1 (1%)
starker Schmerz
0
3 (2,5%)
1 (1%)
Stenosierung
1 (0,8%)
1 (0,8%)
4 (5%)
geblähter Bauch
2 (1,6%)
3 (2,5%)
3 (4%)
Ileus
0
0
1 (1%)
Rektum-Scheiden-Fistel
0
0
2 (3%)
nach Strahlentherapie
n
Normalbefund
p
Pathologika:
nicht behandlungsbedürftige Diarrhö
behandlungsbedürftige Diarrhö
Stuhlinkontinenz
Blutungen
Obstipation
Tabelle 37: Komplikationen des Darmes nach Schweregraden
Frühkomplikationen
Spätkomplikationen
122
74
Grad 0
80 (65,6%)
60 (81%)
Grad 1
27 (22,1%)
2 (3%)
Grad 2
20 (16,4%)
8 (11%)
Grad 3
2 (1,6%)
4 (5%)
49 (40,2%)
14 (19%)
n Gesamt
Grad 1-3 zusammen
Spätkomplikationen des Darmes: Von den zwei Frauen mit leichten Spätkomplikationen
(Grad 1) litt eine unter nicht behandlungsbedürftiger Diarrhö, die zweite hatte eine rektale
Narbenspange im Sinne einer Rektumstenose, die jedoch asymptomatisch blieb.
Mittelschwere Komplikationen (Grad 2) hatten acht Patientinnen, sechs davon mit Proktitis
und /oder Kolitis, davon zwei mit nicht transfusionspflichtigen Blutungen, eine mit
behandlungsbedürftiger
Diarrhö
einhergehend.
Zwei
weitere
Patientinnen
hatten
außerdem eine behandlungsbedürftige Diarrhö. Eine nicht behandlungsbedürftige Diarrhö
trat zusätzlich bei zwei weiteren Frauen auf, in einem Fall kam es zu neu aufgetretener
Stuhlinkontinenz, zweimal lag Obstipation vor. Schwere Komplikationen (Grad 3) traten in
4 Fällen auf: Drei Patientinnen hatten eine schwere rektale Blutung, zweimal bei
nachgewiesener
Strahlenkolitis,
einmal
bei
behandlungsbedürftiger
Diarrhö
und
geblähtem Abdomen; hier lag möglicherweise auch eine Strahlenkolitis zu Grunde. Bei
einer der Patientinnen kam begleitend eine neu aufgetretene Stuhlinkontinenz dazu. Die
vierte Patientin hatte eine mit starken Schmerzen einhergehende Rektumstenose.
Tabelle 38: Komplikationen der Haut nach Strahlentherapie
Zeit vor, 6 und 12 – 96 Monate
vor Radiatio
bis 6 Monate p.r.
12-96 Monate p.r.
Frühkomplikationen
Spätkomplikationen
n = 129
n = 122
n = 74
119 (92,2%)
86 (70.5%)
67 (91%)
Intertrigo / Erythem
2 (1,6%)
35 (28,7%)
6 (8%)
nässendes Ekzem
0
7 (5,7%)
0
Ulcus (cruris)
4 (3,1%)
0
3 (4%)
Stauungsdermatitis
5 (3,9%)
1 (0,8%)
0
nach Strahlentherapie
N
Normalbefund
p
Pathologika:
Tabelle 39: Komplikationen der Haut nach Schweregraden
Frühkomplikationen
Spätkomplikationen
122
74
Grad 0
87 (71,3%)
67 (91%)
Grad 1
35 (28,7%)
7 (10%)
Grad 2
7 (5,7%)
0
Grad 3
0
0
42 (34%)
7 (10%)
n Gesamt
Grad 1-3 zusammen
Frühkomplikationen der
Haut:
Alle
35
Patientinnen
mit
Reaktionen
leichten
Schweregrades (Grad 1) hatten post radiationem ein Hauterythem im Bestrahlungsfeld.
Bei den 7 Patientinnen mit Grad 2-Komplikationen lag ein nässendes Erythem vor.
Spätkomplikationen der Haut traten in 7 Fällen auf und waren alle leichten
Schweregrades. Alle sieben Frauen entwickelten ein bleibendes Erythem im ehemaligen
Bestrahlungsfeld, eine Patientin litt zusätzlich unter Ulkus cruris. Schwere Komplikationen
im Sinne von feuchter Epitheliolyse, Ulzera oder Nekrosen traten auf der Dermis nicht auf.
Tabelle 40: Komplikationen aller Organe nach Schweregraden:
Frühkomplikationen
Spätkomplikationen
122
74
Grad 0
37 (30,3%)
38 (51%)
Grad 1
48 (39,3%)
13 (18%)
Grad 2
28 (23%)
9 (12%)
Grad 3
16 (13,1%)
14 (19%)
92 (75%)
36 (49%)
n Gesamt
Grad 1-3 zusammen
Die Einordnung der Komplikationen in Schweregrade 1-3 orientierte sich an der WHOKlassifikation der Strahlenreaktionen (Kap. 1.4, Einleitung). Berücksichtigt wurden nur neu
aufgetretene Symptome. Tumorbedingte Symptome, die auf das Fortschreiten der
Grunderkrankung
zurückzuführen
Zusammenfassung
der
waren,
Komplikationen
aller
wurden
nicht
Organe
berücksichtigt.
und
deren
Einteilung
Die
in
Schweregrade beziehen sich pro Fall jeweils auf den höchsten aufgetretenen
Schweregrad.
4.4.3. Prognosefaktoren
Gemäß dem Ziel, Risikofaktoren zu identifizieren, die mit dem Auftreten schwerwiegender
Komplikationen korrelieren, wurde der Einfluß folgender Faktoren auf das Auftreten von
Früh- und Spätkomplikationen untersucht: Alter; Tumorfaktoren wie Tumorlokalisation
(Zervix / Endometrium), Tumorstadien I-IV, Histologie (Plattenepithel- / Adenokarzinom),
Grading; allgemeine Risikofaktoren wie Rauchen, Adipositas, Diabetes mellitus, arterielle
Hypertonie;
gynäkologische
Voroperationen,
Vorgeschichte
gynäkologische
wie
Vorerkrankungen;
Parität
(Nullipara
/
n-Para),
therapiebedingte Faktoren
wie
Afterloading mit Buchler- oder Sauerwein-Gerät, Zylinderstärke des Applikators,
Afterloading
in
Strahlentherapie,
Narkose,
Gesamt-Behandlungszeit,
Gesamtdosis
Perkutanbestrahlung,
Gesamtdosis
der
der
alleinige
Afterloading-Therapie,
kombinierten
oder
kombinierte
Gesamtdosis
Bestrahlung;
bezüglich
der
der
Blasenkomplikationen wurde die Blasendosis, bezüglich der Darmkomplikationen die
Rektumdosis untersucht. Die Auswirkung von Laborwerten auf das Auftreten von Frühoder Spätkomplikationen konzentrierte sich auf Hämoglobin- und Leukozytenwerte. BSGWerte und Tumormarker lagen in aussagekräftiger Anzahl nicht vor. Ultraschalldaten
gingen in Form von Parametriumdicke und Myometriumdicke in die Untersuchung ein.
Korpus- und Zervixvolumen waren in weniger als 40 Fällen zu berechnen, so dass
hierüber keine statistische Aussage getroffen werden konnte.
Die
statistisch
signifikanten
Faktoren
wurden
in
der
folgenden
Tabelle
41
zusammengefasst. Demnach ergaben sich als Faktoren, die mit dem Auftreten
schwerwiegender (Grad 3-) Komplikationen korrelierten: Lokalisation des Tumors auf die
Zervix uteri und Histologie des Plattenepithelkarzinoms sowie ein Hämoglobinwert unter
10 g/dl vor Therapiebeginn. Für das Auftreten von schweren Darmkomplikationen konnte
eine Rektumdosis von kleiner oder gleich 20,05 Gy (!) ermittelt werden. Eine einmalige
oder mehrfache Zystitis während der Radiatio entwickelten Patientinnen, bei denen die
kumulative Blasendosis über dem Median von 17,32 Gy lag, signifikant häufiger als
Patientinnen mit niedrigeren Blasendosen.
Für die übrigen genannten Faktoren konnten keine signifikanten Korrelationen ermittelt
werden.
Tabelle 41: Signifikante Faktoren für das Risiko, schwerwiegende Komplikationen nach kombinierter
Strahlentherapie zu erleiden.
Bei den Strahlendosen wurden die Mediane zu Grunde gelegt.
Frühkomplikationen
Spätkomplikationen
Grad 3
nicht Grad 3
Grad 3
nicht Grad 3
gesamt:
n = 129
gesamt:
n = 74
Zervix-CA
16
77
10
50
früh: p~0,008
Korpus-CA
0
36
3
11
spät: p~0,7
gesamt:
n = 125
gesamt:
n = 72
Plattenepithel
16
72
9
49
früh: p~0,005
Adeno-CA
0
37
3
11
spät: p~0,6
gesamt:
n = 121
gesamt:
n = 67
Hb < 10 g/dl
4
5
0
6
früh: p~0,004
Hb >/= 10 g/dl
12
100
12
49
spät: p~0,22
gesamt:
n = 127
gesamt:
n = 74
2
60
3
29
früh: p~0,15
0
65
0
42
spät: p~0,004
n-Mal
0-Mal
37
30
50
13
p
Lokalisation
Histologie
Hämoglobin vor
Therapie
Darmkomplikationen
Rektumdosis
</= 20,05 Gy
Rektumdosis
>
20,05 Gy
Zystitis
unter
Radiatio
Blasendosis </=
17,32Gy
Blasendosis
17,32Gy
>
p=0,0035
4.5.
Einsatz der Vaginalsonografie beim Tumorstaging und
in der Planung der Afterloading-Therapie
Die in den Tabellen 42 und 43 aufgeführten metrischen Daten zur Darstellung des
Bestrahlungsvolumens bei Zervix- und Korpuskarzinomen wurden bei 94 der 134
Patientinnen vor Therapiebeginn erhoben. Sofern vorhanden konnten die einzelnen
Parameter wie Uteruslänge, Endometriumdicke etc. vor (n=94) und nach Radiatio (n=56)
miteinander verglichen werden. Rein deskriptiv erfolgte die strukturelle Darstellung der
Tumorläsion.
Bezogen auf den Median von 7,3 cm vor und 6,5 cm nach Radiatio war im Verlauf der
Therapie eine signifikante Abnahme (p~0,026) der Uteruslänge bei der Gesamtpopulation
zu verzeichnen. Weiterhin fand sich eine signifikante Abnahme des Portio-Quermaßes bei
beiden Karzinomen (p~0,042), hochsignifikant bei den Zervixkarzinomen (p<<0,005). Die
übrigen Parameter zeigten teilweise eine zu- oder abnehmende Tendenz; eine
signifikante Größenänderung zeigte sich nicht.
Tabelle 42: Prätherapeutische metrische und strukturelle Darstellung der Zervix- und Korpuskarzinome im
vaginalen Ultraschall. Angabe des Median in cm.
Gesamt
Zervix-CA
Korpus-CA
Vor Radiatio
96
67
27
a) Uterus längs (n=96)
7,3
7,0
7,4
b) Kavumlänge (n=82)
5,5
5,0
6,0
c) Sondenlänge (n=101)
5,0
5,0
6,0
d) Endometriumdicke (n=34)
0,8
0,5
1,3
e) Fundus quer (n=91)
4,2
4,1
4,5
f) Fundus a.p. (n=41)
3,9
3,7
4,1
g) Portio quer (n=92)
3,3
3,8
2,7
h) Portio a.p. (n=43)
2,9
3,2
2,7
i) Myometriumdicke (n=63)
1,7
1,7
1,5
j) Parametrium rechts (n=80)
0,9
re/li
re/li
k) Parametrium links
0,8
1,1
0,4
echoarm (n=)
17
11
6
echoreich (n=)
53
33
20
homogen (n=)
32
19
13
inhomogen (n=)
37
24
13
Blase infiltriert (n=91)
8
Rektum infiltriert (n=91)
2
p
p=0,045
Echogenität: (n=70)
p=1
Homogenität: (n=69):
p=0,6
Tabelle 43: Posttherapeutische metrische und strukturelle Darstellung der Zervix- und Korpuskarzinome im
vaginalen Ultraschall. Angabe des Median in cm.
Gesamt
Zervix-CA
Korpus-CA
Nach Radiatio
56
36
20
a) Uterus längs (n=56)
6,5
6,3
6,5
b) Kavumlänge (n=16)
4,9
4,0
6,0
c) Sondenlänge (n=35)
5,0
4,5
5,0
d) Endometriumdicke (n=7)
0,7
0,5
0,8
e) Fundus quer (n=52)
4,3
4,4
4,2
f) Fundus a.p. (n=22)
4,2
3,7
4,6
g) Portio quer (n=43)
2,8
3,0
2,7
h) Portio a.p. (n=19)
2,7
2,6
3,0
i) Myometriumdicke (n=7)
1,8
1,5
3,0
j) Parametrium rechts (n=37)
0,8
re/li
re/li
k) Parametrium links
0,8
0,8
0,6
echoarm (n=)
11
6
5
echoreich (n=)
20
13
7
homogen (n=)
16
10
6
inhomogen (n=)
10
6
4
Blase infiltriert (n=40)
2
Rektum infiltriert (n=40)
0
p
Echogenität: (n=31)
p=0,5
Homogenität: (n=26)
Bei den Zervixkarzinomen wurde zur Anpassung der Afterloading-Therapie zusätzlich
nach der 3. Afterloading-Sitzung eine Vaginalsonografie durchgeführt.
Zur Veranschaulichung der erhobenen Messwerte zeigt die folgende Abbildung 14 die in
den Tabellen genannten Uterus-Maße a-k.
Abb. 14:
Darstellung der in Tabelle 42 und 43 aufgeführten Uterus-Maße a-k.
A: Uterus a.p. B: Uterus quer.
5.
DISKUSSION
5.1.
Patientencharakteristik
5.1.1.
Alter, Risikofaktoren
Der Anteil der Patientinnen mit Zervixkarzinom lag in der vorliegenden Studie mit n = 96
bei 71,6%, der Anteil der Patientinnen mit Endometriumkarzinom mit n = 38 bei 28,4%.
Diese Verteilung entspricht nicht der epidemiologischen Verteilung (Vergl. Kap 1).
Ursache hierfür sind die unterschiedlichen Therapieregime: Ab dem Stadium IIb des
Zervixkarzinoms
ist
eine
primäre
Radiatio
die
Therapie
der
Wahl.
Für
das
Endometriumkarzinom gilt, dass eine primär operative Therapie grundsätzlich günstiger
ist, auch wenn sie nur der Reduktion der Tumormasse dient. Die primäre Strahlentherapie
mit kurativer Zielsetzung kommt daher beim Endometriumkarzinom fast ausschließlich bei
medizinischer Inoperabilität oder Ablehnung der Operation durch die Patientin in etwa
10% der Fälle (110) zum Einsatz.
Der Altersgipfel der Zervixkarzinom-Patientinnen unserer Studie lag mit einem Median
von 66 Jahren (Mittelwert 65,8 Jahre, Range 32-96 Jahre) um 4 Jahre höher als bei den
Zervixkarzinom-Patientinnen der übrigen Bevölkerung (Altersgipfel 60-64 Jahre, Leitlinien,
s. Kap 1). Bei den Korpuskarzinom-Patientinnen lag das mediane Alter mit 78 Jahren
(Mittelwert 76 Jahre, Range 44-96 Jahre) um 12 Jahre höher als bei den ZervixkarzinomPatientinnen unserer Population und um 10,5 Jahre höher als in der übrigen Bevölkerung
(Altersgipfel 65-70 Jahre, 85, 77, s. Kap 1). Verglichen mit anderen Studienkollektiven mit
primärer Radiatio war unsere Population älter. Choy et al. (23) berichteten über ein
medianes Alter von 57 Jahren (22-86) bei 594 primär strahlentherapierten Frauen mit
Zervixkarzinom, bei Delaloye et al. (26) lag das mediane Alter bei 61 Jahren (22-90 Jahre,
n = 360) und bei Greer et al. (43) bei 55 Jahren (34-86 Jahre, n = 38). Deore et al. (27)
berichteten über 203 Fälle von Zervixkarzinomen im Stadium IIIb mit einem medianen
Alter von nur 49 Jahren (24-75 Jahre). Ein mit unserem Kollektiv vergleichbares Alter fand
sich bei Le Pechoux et al. (78) mit einem Median von 64 Jahren (36-87 Jahre) bei 130
Patientinnen mit Zervixkarzinom. Eine hohe Altersstruktur beim primär bestrahlten
Endometriumkarzinom stellten auch Kucera et al. (71) fest: Bei 267 Patientinnen mit
Endometriumkarzinom lag die Altersspanne zwischen 46 und 93 Jahren, das
Durchschnittsalter betrug 71 Jahre. Bei Rose et al. (110) hatten die 64 Patientinnen mit
Endometriumkarzinom ein medianes Alter von 76 Jahren (27-93 Jahre).
Hinsichtlich der Risikofaktoren für das Auftreten eines Zervixkarzinoms (s. Kap. 1.1.)
wurde in der vorliegenden Studie der Anteil der Raucherinnen und der Zigarettenkonsum
in Packungen/die ermittelt. Mit 18,3% (n = 22 von 120) am Gesamtkollektiv und 22% (n =
19 von 86) ausschließlich in der Zervixkarzinom-Gruppe lag der Anteil der Raucherinnen
im gleichen Bereich wie bei Kucera et al. mit 20% (1986, n = 268 von 1304) und
entsprach auch dem Anteil an Raucherinnen (20%) bei Frauen der Normalbevölkerung
der BRD. (122). Bei der primären Strahlentherapie des Zervixkarzinoms vermindert
Rauchen die Heilungschancen und geht mit erhöhten Komplikationsraten einher (68, Kap.
5.4.3).
Für die Entwicklung eines Endometriumkarzinoms sind unter anderem Adipositas,
Diabetes mellitus und arterielle Hypertonie anerkannte Risikofaktoren (41), die in unserer
Studie auf die Häufigkeit ihres Vorkommens und ihre Auswirkungen auf Ergebnisse und
Komplikationen der primären Strahlentherapie hin untersucht wurden. Dabei ist das
Auftreten von Diabetes mellitus und arterieller Hypertonie häufig mit Adipositas und auch
höherem Lebensalter assoziiert (36).
Zur Beurteilung des Nutritionsstatus ist der von uns ermittelte Body-mass-index (BMI)
allgemein anerkannt zur Beschreibung der Beziehung zwischen Körpergröße und
Körpergewicht (119). Um das Ausmaß der Adipositas zu charakterisieren, werden nach
der WHO-Klassifikation 4 Schweregrade unterschieden:
•
Grad 0:
BMI 20-24,9 kg/m² (Normalgewicht)
•
Grad 1:
BMI 25-29,9 kg/m² (Übergewicht)
•
Grad 2:
BMI 30-39,9 kg/m² (Adipositas)
•
Grad 3:
BMI >40 kg/m² (extreme/morbide Adipositas)
Die Gesamtheit der erfassten Karzinom-Patientinnen lag mit ihrem BMI im Bereich
leichten Übergewichts. Bei genauer Betrachtung ergab sich jedoch in der zentralen
Tendenz mit einem BMI von 25,88 kg/m² ein nur leichtes Übergwicht bei den
Zervixkarzinom-Patientinnen und ein deutliches Übergewicht (BMI 27,83 kg/m²) bei den
Korpuskarzinom-Patientinnen. Anders gesagt, trat Adipositas (BMI > 30 kg/m²) in der
Korpuskarzinom-Gruppe mit 40% (n = 14 von 35) häufiger auf als in der
Zervixkarzinomgruppe mit 28% (n = 25 von 88). Gewicht über Norm, also BMI über 25
kg/m², trat bei den Korpuskarzinomen in 71%, bei den Zervixkarzinomen in 58% der Fälle
auf
(p>0,05).
Thagian
(126)
berichtete
in
Strahlentherapie bei medizinisch inoperablem
einer
Untersuchung
zur
Endometriumkarzinom
primären
sogar
über
Adipositas in 92,3% (n = 96 von 104 Fällen), Weiss (132) dagegen nur in 24% (n = 4 von
21 Fällen). Im Vergleich dazu liegt in der erwachsenen Normalbevölkerung der westlichen
Industrieländer Adipositas mit BMI>30kg/m² in ca. 20% vor (52), altersabhängig steigend
und
mit
wachsender
Tendenz.
Nach
Gallagher
ist
das
Risiko,
an
einem
Endometriumkarzinom zu erkranken, bei Frauen mit 9,5 – 23 kg Übergewicht dreimal so
hoch und bei Übergewicht über 23 kg zehnmal so hoch wie bei normgewichtigen Frauen.
Diabetes mellitus Typ I und II lag in unserem Kollektiv in über 38% vor und war bei den
Korpuskarzinom-Patientinnen mit 65% signifikant häufiger vertreten. Weiss (132)
berichtete über 17% Diabetikerinnen (n = 3 von 17) beim primär bestrahlten
Korpuskarzinom. Auch in der Studie von Taghian (126) litten mit 25% (n = 24) deutlich
weniger Frauen mit Endometriumkarzinom an Diabetes mellitus als bei uns, aber auch in
Weiss’ und Thagians Kollektiv fanden sich deutlich mehr Diabetikerinnen als in der
Normalbevölkerung. In den westlichen Industrieländern kommt Diabetes mellitus in 5%
der Gesamt-Population vor, bei über 65-jährigen Männern und Frauen sogar in 10%. Mit
dem Ausmaß der Überernährung steigt auch die Zahl der Typ II-Diabetiker. Die Angaben
zum Vorkommen von Diabetes mellitus bei Korpuskarzinom-Patientinnen schwanken
zwischen 5 und 45%. Das Risiko, an einem Endometriumkarzinom zu erkranken, ist bei
Diabetikerinnen 2- bis 3-fach gegenüber Nicht-Diabetikerinnen erhöht (36).
Ähnlich stellen sich die Verhältnisse bei der arteriellen Hypertonie dar. Mit 51,6% lag bei
mehr als der Hälfte unserer Patientinnen ein Bluthochdruck vor. Bei den KorpuskarzinomPatientinnen fand sich in 68% hoher Blutdruck, wobei der Unterschied zu den
Zervixkarzinom-Patientinnen
(45%)
nicht
signifikant
war.
Die
Korpuskarzinom-
Patientinnen in Thagians Kollektiv (126) hatten in 47,1% (n = 49) eine arterielle
Hypertonie. Von anderen Autoren wird die Inzidenz der arteriellen Hypertonie mit 25-60%
beim Endometriumkarzinom angegeben. Demgegenüber liegt die Prävalenz der
arteriellen Hypertonie in der Normalbevölkerung bei 20%.
5.1.2
Der
Eigenanamnese
epidemiologischen
Altersverteilung
in
Datenlage
unserem
entsprechend
Kollektiv
befanden
(Kap
sich
1.1.)
mit
und
95%
analog
deutlich
zur
mehr
Korpuskarzinom-Patientinnen in der Postmenopause als Zervixkarzinom-Patientinnen
(86%), wobei sich der Unterschied statistisch nicht als signifikant erwies. Das Alter der
Frauen zum Zeitpunkt der letzten Menstruationsblutung konnte retrospektiv nicht mehr
ermittelt werden. Im Sinne der längeren Östrogendominanz wird die Entwicklung des
Endometriumkarzinoms durch ein spätes Eintreten der Menopause begünstigt und wurde
für ein Menopausenalter über 52 Jahren als 2 bis 4-fach so hoch gegenüber dem
Menopausenalter unter 49 Jahren beschrieben (36).
Auch bezüglich der Parität zeigten sich in unserem Patientenkollektiv nicht signifikante
Unterschiede. In der Zervixkarzinom-Gruppe hatten 91% der Frauen 1 oder mehr Kinder
geboren, in der Korpuskarzinom-Gruppe waren dies 81%, 19% der Patientinnen mit
Korpuskarzinom waren Nullipara. Der Anteil der Nullipara bei Endometriumkarzinom
wurde von Gallagher (36) mit 21-34% angegeben; das Risiko, ein Endometriumkarzinom
zu entwickeln, nimmt mit zunehmender Zahl an Schwangerschaften und Geburten ab. Bei
den Zervixkarzinomen wird der gegenteilige Effekt beschrieben. Neben den bereits
genannten Faktoren (Kap 1.1.) wurde immer wieder auf die Multiparität als Risikofaktor
hingewiesen (36). Als gesichert gilt, dass die Entstehung des Zervixkarzinoms
obligatorisch an sexuelle Aktivität gebunden ist (113).
Bezüglich der gynäkologischen Vorerkrankungen fanden sich in beiden Karzinomgruppen
zusammengenommen in 10,2% Uterusmyome, während in der Normalbevölkerung das
Auftreten eines Uterus myomatosus in 20-30% beschrieben wird (41). Praktisch gleiche
Verhältnisse fanden sich für das Auftreten von Ovarialtumoren: 1,5% der Frauen unseres
Kollektivs hatten über Zystadenome des Ovars berichtet. In der Normalbevölkerung
entwickeln 1,5% der Frauen benigne oder maligne Ovarialtumoren (41). Eine Salpingitis in
der Vorgeschichte fand sich in 1,5% der Fälle, wohingegen die Prävalenz bei 10 - 15%
der sexuell aktiven Frauen der Normalbevölkerung liegt (41, 113). Der Unterschied ist im
Rahmen der retrospektiven Anamneseerhebung a.e. als Informationsdefizit zu werten.
Während sich in unserem Kollektiv in 1,5% eine Mastopathie in der Anamnese fand,
kommt es sonst bei 40-50% aller Frauen im Laufe eines Lebens zu mastopathischen
Veränderungen des Brustgewebes; auch hier ist a.e. ein Mangel an Information
anzunehmen.
Was die Erfassung früherer Malignome und deren Therapie angeht, ist aufgrund der
niedrigen Patientenzahl die statistische Auswertbarkeit in Frage zu stellen.
5.1.3. Erstsymptomatik
Bei 7% (n = 7 von 94, n = 2 unbekannt) der Patientinnen mit Zervixkarzinom unseres
Kollektivs war die Diagnose ein Zufallsbefund im Rahmen der Krebsvorsorgeuntersuchung und die Patientin vollkommen asymptomatisch. Von den 38 Patientinnen
mit Korpuskarzinom waren vor Diagnosestellung alle symptomatisch. Das häufigste erste
Symptom war bei beiden Gruppen die vaginale Blutung. Diese bestimmte die
Erstsymptomatik bei den Zervixkarzinomen in 68% der Fälle (n = 64), bei den
Korpuskarzinomen in 90% der Fälle (n = 34) und damit signifikant häufiger (p<0,005).
Zweithäufigstes Symptom war bei beiden Gruppen Unterleibs-Schmerz, welcher bei den
Patientinnen mit Zervixkarzinom in 21% der Fälle (n =20) auftrat, bei den
Korpuskarzinom-Patientinnen in 11% (n = 4) (p > 0,05). Als dritthäufigstes Symptom ist
vaginaler Ausfluss zu nennen, welcher bei den Zervixkarzinomen mit 17% (n = 16)
signifikant häufiger auftrat, als bei den Korpuskarzinomen mit 3% (n = 1) (p < 0,05).
Bei beiden Karzinomarten ist die vaginale Blutung eines der frühesten Symptome; bei
beiden kann die Erstsymptomatik mitbestimmt sein durch vaginalen Fluor individuell sehr
unterschiedlichen Ausmaßes. Während bei den Zervixkarzinomen häufig Kontaktblutungen postkoital oder durch Steigerung des Umgebungsdrucks nach Miktion oder
Defäkation auftreten, handelt es sich bei den Korpuskarzinomen in 80% um eine
Postmenopausenblutung, in 20% bei prämenopausalen Frauen um Meno-/Metrorrhagien
oder Zwischenblutungen. Blutungsunregelmäßigkeiten als Erstsymptom wurden auch von
Bartl et al. (5) mit 90% angegeben, und zwar kontinuierlich zwischen 1952 und 1980.
Blutungsstörungen unklarer Genese und insbesondere postmenopausal auftretende
Blutungen sollten daher den Karzinomausschluß resp. die Diagnose zur Folge haben,
auch wenn nur bis 20% der Postmenopausenblutungen karzinombedingt sind (36).
Weitere Symptome wie die Zunahme des Bauchumfangs (bei uns: 3%), eine neu
aufgetretene Harninkontinenz (bei uns: 4,5%), Pollakisurie (bei uns: 2,3%), Diarrhö (bei
uns: 0,8%) oder eine tiefe Beinvenenthrombose (bei uns: 0,8%) als Erstmanifestation der
Erkrankung sind Hinweise auf ein bereits fortgeschrittenes Tumorgeschehen.
5.1.4. Stadienverteilung und histopathologische Diagnose
Bei der Stadienverteilung des Zervixkarzinoms in unserem Kollektiv fällt auf, dass mit 29%
resp. 30% die Stadien IIb und IIIb, in denen definitionsgemäß die Parametrien befallen
sind, besonders häufig vorkommen. An dritter Stelle steht Stadium Ib mit 20%. Eine
ähnlich geartete Verteilung findet sich bei anderen Autoren (s. Tabelle 44) wieder. Vor
allem die Studiengruppen von Busch et al. (14) und Le Pechoux et al. (78) zeigten die
Verteilung der Tumorstadien ähnlich unserem Kollektiv. Die große Anzahl an IbZervixkarzinomen bei Perez et al. (97) ist a.e. durch die hohe Fallzahl von 1054 zu
erklären und spiegelt die Tatsache wieder, dass zum einen bereits Ende der 80er Jahre
zunehmend frühe Stadien des Zervixkarzinoms diagnostiziert wurden, zum anderen in
den USA die primäre Radiotherapie auch im Stadium Ib routinemäßig eingesetzt wird
(44).
Tabelle 44: Stadienverteilung beim primär bestrahlten Zervixkarzinom im Vergleich
Stadium
Heuser
Perez (97)
Busch (14)
Le Pechoux (78)
Potter (104)
FIGO
D-Herne
US-Washington
D-Göttingen
Jap-Tokyo
A-Wien
2003
1988
1991
1995
2000
n=96
n=1054
n=219
n=130
n=189
Ia
0
0
1 (0,5%)
0 (0%)
2 (1%)
Ib
19 (20%)
353 (33,5%)
44 (20,1%)
21 (16,2%)
11 (5,7%)
IIa
4 (4%)
116 (11%)
26 (11,9%)
5 (3,8%)
11 (5,7%)
IIb
28 (29%)
308 (29,2%)
48 (21,9%)
29 (22,3%)
79 (41,1%)
IIIa
4 (4%)
14 (1,3%)
4 (1,8%)
2 (1,5%)
19 (9,9%)
IIIb
29 (30%)
245 (23,2%)
70 (32%)
68 (52,3%)
59 (30,7%)
IVa
6 (6%)
18 (1,7%)
13 (5,9%)
5 (3,8%)
5 (2,6%)
IVb
3 (3%)
0
13 (5,9%)
0 (0%)
3 (1,6%)
Rezidiv
3 (3%)
0
0
0 (0%)
0
Zervix-CA
Die Stadienverteilung beim Endometriumkarzinom gestaltet sich grundsätzlich anders,
weil die primäre Radiatio hier einen anderen Stellenwert hat. Die Therapie der Wahl beim
Endometriumkarzinom
sollte
grundsätzlich
die
operative
Entfernung
oder
auch
Tumorverkleinerung sein. Die primäre Radiatio kommt also vor allem bei medizinisch
inoperablen Patientinnen zum Einsatz. Das Stadium I, in unserem Kollektiv mit 37% am
häufigsten vertreten, lag auch bei den anderen Autoren (s. Tabelle 45) am häufigsten vor.
Tabelle 45: Stadienverteilung beim primär bestrahlten Endometriumkarzinom im Vergleich.
Stadium FIGO
Heuser
Nguyen (91)
Rose (110)
Thagian (126)
Weiss (132)
Korpus-CA
D-Herne
CAN-Montréal
US-Worcester
F-Nancy
D-Tübingen
2003
1995
1993
1988
1995
n = 38
n = 27
n = 63
n = 104
n = 17
Stadium I
14 (37%)
20 (74%)
35 (56%)
79 (75,9%)
5 (29%)
Ia
5 (13%)
13 (21%)
41(39,4%)
Ib
3 (8%)
22 (35%)
38 (36,5%)
Ic
6 (16%)
Stadium II
10 (26%)
7 (26%)
22 (35%)
15 (14,4%)
8 (47%)
IIa
7 (18%)
IIb
3 (8%)
0
2 (3%)
4 (3,8%)
2 (12%)
0
4 (63%)
6 (5,7%)
2 (12%)
Stadium III
11 (29%)
IIIa
6 (16%)
IIIb
4 (11%)
IIIc
1 (3%)
Stadium IV
3 (8%)
IVa
1 (3%)
IVb
2 (5%)
2
Die Verteilung der histologischen Subtypen gestaltete sich in unserer Population in
typischer Art und Weise. Da dem Zervixkarzinom die CIN-Karzinom-Sequenz zu Grunde
liegt, die aus dem ektozervikalen Plattenepithel entsteht, handelt es sich in der Mehrzahl
der Zervixkarzinome um Plattenepithelkarzinome. Das seltenere Adenokarzinom
entwickelt sich aus dem endozervikalen Drüsengewebe. Histologisch zeigte sich in
unserem Kollektiv in 93% (n = 89 von 96) ein Plattenepithelkarzinom, in 6% (n = 6) ein
Adenokarzinom. Davidson (25) stellte heraus, dass in seinem Patientenkollektiv gleiche
Überlebensraten
für
primär
strahlentherapierte
Plattenepithelkarzinome
und
Adenokarzinome der Zervix uteri bestanden; von den 1600 untersuchten Fällen lag in
1505 Fällen (92,5%) ein Plattenepithelkarzinom, in 95 Fällen (5,8%) ein Adenokarzinom
vor.
Bei den Endometriumkarzinomen dominieren Adenokarzinome unterschiedlichen Reifeund Malignitätsgrades. Das typische endometrioide Adenokarzinom entsteht aus den
Drüsenschläuchen des Endometriums und kommt in 60% der Fälle vor. Bei uns wurde in
33 Fällen (87%) ein Adenokarzinom, in 2 Fällen (5%) ein Plattenepithelkarzinom und
ebenfalls in 2 Fällen ein Carcino-Sarkom beschrieben. Das Carcino-Sarkom muss streng
genommen von den Endometriumkarzinomen getrennt werden, da es sich um einen
Stroma-Tumor handelt, der aber aufgrund der Lokalisation hier zu den Korpuskarzinomen
gezählt wurde. Carcino-Sarkome oder Müllersche Mischtumoren werden in der Literatur in
aller Regel als eigene Entität behandelt (65, Philips). In Taghians Kollektiv (1988) von 104
Endometriumkarzinomen fand sich in 80,7% der Fälle ein Adenokarzinom (n = 84) und in
19,3% der Fälle ein Adenoakanthom (n = 20), was annähernd unserer Verteilung
entspricht. Allerdings beschrieb Thagian eine ganz andere Verteilung des Tumor-Grading:
Während bei uns in 19% (n = 7) ein G1-, in 64% (n = 23) ein G2- und in 17% (n = 6) ein
G3-Tumor vorlag, fand Thagian G1 in 68,3% (n = 71), G2 in 9,6% (n = 10) und G3 in 8,6%
(n = 9). Bei uns konnte in 5% (n = 2) der Fälle von Endometriumkarzinom kein Grading
angegeben werden (Gx), bei Thagian in 13,5% (n = 14). Rose (1993) fand bei 64
Endometriumkarzinomen eine annähernd gleiche Verteilung des Grading: 30% (n = 19)
G1, 33% (n = 21) G2, 36% (n = 23) G3 und 2% (n = 1) Gx.
5.2.
Therapiemodalitäten
5.2.1. Primäre alleinige Afterloading- oder kombinierte Strahlentherapie
Für
die
primäre
kombinierte
Strahlentherapie
des
Zervix-
und
auch
des
Endometriumkarzinoms existieren keine anerkannt optimalen Fraktionierungsschemata.
Die Notwendigkeit einer Bestrahlung ist unumstritten. Während bei den operativen
Verfahren stadienabhängig detaillierte Therapierichtlinien zum Ausmaß der Resektion
gegeben werden (76, 77), herrscht über die Höhe der zu applizierenden Strahlendosis
und ihre Fraktionierung aber Uneinigkeit. Weltweit bestehen in den Abteilungen der
gynäkologischen Strahlentherapie erhebliche Unterschiede zwischen den angewandten
Therapieregimen. Einen Überblick geben die Tabellen 46 und 47 bezüglich des
Zervixkarzinoms und die Tabellen 48 und 49 bezüglich des Endometriumkarzinoms ohne
Anspruch auf Vollständigkeit. Colin Orton nahm in einem Editorial (95) Stellung zu diesem
Dilemma und kam zum dem Ergebnis, dass zur Berechnung eines optimalen
Fraktionierungsschemas zu viele unbekannte individuelle tumorbiologische Parameter
eine Rolle spielen. Nach den verfügbaren klinischen Daten wurden von Orton daher für
die low-dose-rate- (LDR-) Brachytherapie Dosisraten von 0,35-0,85 Gy/h und für die bei
uns verwendete high-dose-rate- (HDR-)-Brachytherapie Dosen pro Fraktion von 4-9 Gy
akzeptiert. Mit zunehmender Dosis pro Fraktion müsse jedoch die totale intrakavitäre
Strahlendosis reduziert werden. Aus einer vergleichenden Übersichtsarbeit von 1991 (94)
über
17.000
Patientinnen
mit
Zervixkarzinom
resultierte
ein
durchschnittliches
Fraktionierungsschema von 5 Fraktionen à 7,5 Gy auf Punkt A, ungeachtet des
Tumorstadiums. Die Untersuchung ergab für Dosen / Fraktion < / = 7 Gy gegenüber
Dosen von > 7 Gy hochsignifikant weniger moderate und schwere Komplikationen bei
vergleichbaren Heilungsraten. Orton wies auch auf die Notwendigkeit der Schonung des
gesunden
Umgebungsgewebes
Perkutanbestrahlung
und
durch
durch
Ausblockung
vaginale
des
Packtechniken
Mittelfeldes
bei
der
bei
der
intrakavitären
Strahlenapplikation hin.
Auch über die zeitliche Abfolge einer kombinierten Brachy- und Teletherapie herrscht kein
Konsensus. Einige Autoren schlagen vor, bei fortgeschrittenen Zervixkarzinomen, d.h. ab
dem
Stadium
IIb,
einhergehend
mit
parametraner
Infiltration,
mit
einer
Perkutanbestrahlung von 20-40 Gy auf das kleine Becken zu beginnen und nachfolgend
eine simultane intrakavitäre und perkutane Radiatio durchzuführen (98, 116). Um den
Zellen des Umgebungsgewebes eine Erholungszeit zu gewähren, wurden z.T. auch 1-2wöchige
Pausen
eingeplant
(96).
Daraus
resultierte
schließlich
eine
längere
Gesamtbehandlungszeit (overall-treatment-time): Pedersen et al. (96) beschrieben nach
einer split-course-Therapie, die von 1978-1983 durchgeführt worden war, eine geplante
Behandlungszeit von 10-12 Wochen. Dagegen lag die Gesamtbehandlungszeit bei Perez
et al. (98) bei 42-48 Tagen, also 6-7 Wochen, und bei Petereit et al. (101) bei median 55
Tagen, also knapp 8 Wochen. Da von vielen Autoren immer wieder eine lange
Gesamtbehandlungszeit über 54 Tage (26, 98) bzw. über 56 Tage (1) als prognostisch
ungünstiger Faktor für Überlebensraten und Lokalrezidiv-Raten genannt wird (19),
erscheint eine möglichst komprimierte overall-treatment-time wünschenswert, in der durch
Anpassung der Strahlendosen und der Fraktionierung bei effektiver Tumortherapie
dennoch eine Erholung des Umgebungsgewebes möglich ist. Petereit et al. (101)
ermittelten eine Verminderung der Überlebensrate von 0,6% pro Tag und eine
Verminderung der lokalen Tumorkontrolle von 0,7% pro Tag mit jedem zusätzlichen
Behandlungstag über 55 Tagen. Dagegen war kein signifikanter Einfluss der overalltreatment-time auf das Auftreten schwerer radiogener Spätfolgen nachweisbar. Kapp et
al. (60) konnten nach Durchführung der kombinierten HDR-Afterloading- und perkutanen
Teletherapie
bei
181
Patientinnen
mit
Zervixkarzinom
aller
Stadien
keinen
Zusammenhang zwischen Behandlungsparametern inklusive der Gesamtbehandlungszeit
und den Endpunkten ihrer Studie, dem krankheitsspezifischen Überleben, dem
rezidivfreien
Überleben,
der
lokalen
Tumorkontrolle
und
dem
Auftreten
von
Fernmetastasen erkennen.
Bei Betrachtung der Tabelle 46 fällt auf, dass sich nicht nur die Strahlendosen pro
Fraktion sowie die Anzahl der Applikationen, sondern insbesondere auch die gesamten
intrakavitär applizierten Strahlendosen zwischen den Abteilungen stark unterscheiden.
Gegenüber der medianen Gesamtdosis von 48 Gy in unserem Kollektiv, die auch der
Zieldosis entsprach, erreichten über ein Drittel der hier dargestellten Arbeitsgruppen eine
intrakavitäre Gesamtdosis 20 – 30 Gy, jeweils ein Viertel erreichten 30 – 40 Gy und 40 –
50 Gy. Nur Perez et al. (98) und Petereit et al. (101) beschrieben eine intrakavitäre
Gesamtdosis von 60 Gy und mehr.
Tabelle 46: Eine Auswahl unterschiedlicher Fraktionierungsschemata bei der primären kombinierten
Strahlentherapie des Zervixkarzinoms: 1. Afterloading.
*1
= Dosis nicht auf Punkt A, sondern auf die Tumor- bzw. Uterusoberfläche
*2
= Dosis auf die Beckenwand nach zentraler Ausblockung bei Parametrienbefall
*3
= LDR = low-dose-rate Brachytherapie
Erst-Autor/
Jahr/
Jahr(e) der
Fall-
Dosis/
Dosis/
Anzahl
Fraktionen
Behandlung
zahl
Punkt A
Fraktion
der
pro
[Gy]
[Gy]
Fraktionen
Woche
48
8
6
1
8-64
8-(16)
(1)-8
31,7
8
2-6
1
20-48
5-18
Herkunft
1
Heuser 2003*
1985-1996
96
D-Herne
Busch 1991 (14)
1979-1986
177
D-Göttingen
Chen 2000 (21)
k.A. = keine Angaben
1992-1995
128
15-28,8
5-7,2
3-4
1
1984-1990
321
30-40
5
6-8
2
1970-1986
594
(40,3)
(20)
2
1
Taiwan-Taipeh
Chiou 1993 (22)
Taiwan-Taipeh
Choy 1993 (23)
Hong Kong
Delaloye 1996
(20-48,1)
1971-1992
360
30
k.A.
k.A.
1
1979-1983
203
22-24
22-24
1
1
1991
22
42
7
6
1987-192
38
41,7
k.A.
1-2
k.A.
1980-1985
153
36-45
6-10
4-6
1
1993-1996
191
19,2-24
3,8-4,8
5
1983-1990
130
20-30
5-6
4-5
1-2
54
20
5
4
2
76
30
6
5
1
253
28,97
208
(25-36)
5-6
5-6
1
45
(30)
3,75
8
1
1959-1989
1224
60-75
(25-37,5)
2-3
0,5-1
1977-1987
209
60*³
1993-1997
189
35-42
7
3-6
1
74
24
(4)
6
2
17.000
37,5
7,5
5
CH-Lausanne (26)
Deore 1991 (27)
India-Bombay
Enzelsberger 1991
A-Wien (30)
Greer 1996 (43)
US-Seattle
Hammer 1991 (49)
A-Linz
Huang 2000 (56)
Taiwan-Kaohsiung
Le Pechoux 1995
Jap-Tokyo (78)
Ogino1995 (93)
1983-1989
Jap-Yokohama
Perez 1995 (98)
US-Washington
Petereit 1995 (101)
US-Madison
Potter 2000 (104)
A-Wien
Shin 1999 (116)
1995-1997
Korea-Seoul
Orton 1991 (94)
Übersicht
US-Detroit
56 Institut.
Tabelle 47: Eine Auswahl unterschiedlicher Fraktionierungsschemata bei der primären kombinierten
Strahlentherapie des Zervixkarzinoms: 2. perkutane Teletherapie.
*2
Dosis auf die Beckenwand
Erst-Autor/
Jahr/
Jahr(e) der
Fall-
Dosis/
Dosis/
Anzahl
Fraktionen
Behandlung
zahl
kleines
Fraktion
der
pro
Becken
[Gy]
Fraktionen
Woche
5
Herkunft
Heuser 2003
1985-1996
84
D-Herne
Busch 1991 (14)
1979-1986
166
1992-1995
128
46
2
23
6-58
1,5-2,0
5-33
42,6
k.A.
30-60
k.A.
2
20-22
4-5
1,8
17-22
5
D-Göttingen
Chen 2000 (21)
Chiou 1993 (22)
54-58*
1984-1990
321
30,6-39,6
2
Taiwan-Taipeh
Choy 1993 (23)
40-44
2
Taiwan-Taipeh
50,4-54*
1970-1986
513
40
1971-1992
360
45
28-30
2,5
16
4
1,8-2,0
25
5
50
2
25
5
45
3
15
3
40
4
10
2
37,8
5,4
7
1
k.A.
k.A.
k.A.
k.A.
k.A.
k.A.
k.A.
k.A.
k.A.
1,8-2,0
22-25
k.A.
2
25
5
1,8-2,0
(23-26)
5
1,8-2,0
5-20
5
Hong Kong
Delaloye 1996 (26)
2
CH-Lausanne
Deore 1991 (27)
55-60*
1979-1983
203
India-Bombay
Enzelsberger 1991
1991
22
42
1987-1992
38
41,4
A-Wien (30)
Greer 1996 (43)
2
US-Seattle
Hammer 1991 (49)
45-60*
2
1980-1985
153
50-60*
1993-1996
191
44-45
A-Linz
Huang 2000 (56)
Taiwan-Kaohsiung
Le Pechoux 1995
1983-1990
127
50,4-59,4*
130
50
Jap-Tokyo (78)
Ogino1995 (93)
2
30-66
1983-1989
253
46,9
1959-1989
1224
10-40
Jap-Yokohama
Perez 1995 (98)
2
US-Washington
Petereit 1995 (101)
50-60*
1977-1987
209
51
1993-1997
189
48,6-50
74
50,4
25-30
1,7
30
5
(1,8)
(28)
(5)
US-Madison
Potter 2000 (104)
A-Wien
Shin 1999 (116)
1995-1997
Korea-Seoul
Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Daten dieser beiden Autorengruppen aus
den Jahren 1959-1989 (Perez) und 1977-1987 (Petereit) stammten. Mit dem Buchler-
Gerät wurden auch in unserem Kollektiv (1985-1988) 60 Gy appliziert (Tabelle 18).
Während in unserer Abteilung jedoch 10 Gy pro AL-Einlage in 6 Fraktionen in
wöchentlichen Abständen appliziert wurden, führte Perez (98) ein Therapieregime mit 2-3
Einlagen à 25-37,5 Gy im Abstand von 1-2 Wochen durch. Etwa zur gleichen Zeit
beschrieb Deore (27) ähnlich hohe Einzeldosen von 22-24 Gy, welche in einer einzigen
Afterloading-Sitzung gegeben wurden. Demgegenüber gestalteten sich die Therapieregime der in Tabelle 46 aufgeführten Arbeitsgruppen in den frühen 90er Jahren
grundsätzlich anders: Strahlendosen pro Fraktion von 7 Gy (21, 30, 104) oder sogar nur
5-6 Gy (78, 93) wurden in 3-6 Fraktionen angewandt. Strahlendosen von 8 Gy pro
Fraktion, wie sie an unserer Klinik appliziert wurden, beschrieben auch Busch (14) für die
Jahre 1979-1986 und Hammer (49) für die Jahre 1980-1985.
Die Bedeutung der Fraktionierung bei ähnlicher Gesamtdosis konnte Deore (27) für die
perkutane Teletherapie aufzeigen: Gemäß der biologischen Strahlenreaktion der Zelle
(Kap.1.2., Abb.3) zeigte sich für das Schema 2 Gy pro Fraktion, 5 Fraktionen pro Woche
mit der in seiner Arbeit höchsten Gesamtdosis von 50 Gy auf das kleine Becken und auf
das Rektum die niedrigste Rate an rektalen Komplikationen (8,2%, n = 5 von 61). Mit
steigender Dosis pro Fraktion ergab sich trotz niedrigerer Gesamtdosis eine kontinuierlich
steigende Komplikationsrate, so dass für das Schema 5,4 Gy einmal pro Woche ein
Maximum an rektalen Komplikationen von 33,33% (n = 14 von 42) zu verzeichnen war.
Die Ergebnisse von Deore (27) spiegeln die in-vitro-Beobachtungen von sog.
„Schulterkurven“ (Abb.3) wieder: Subletal geschädigte Zellen können sich im Intervall bis
zur nächsten Bestrahlung teilweise erholen; dadurch wird eine schonende Bestrahlung
des das Zielvolumen umgebenden Gewebes ermöglicht und die Komplikationsrate
verringert. Die Durchführung der Perkutanbestrahlung mit Dosen pro Fraktion zwischen
1,8 und 2,0 Gy und 4-5 Applikationen pro Woche (21) hat offenbar frühzeitig einen
breiteren allgemeinen Konsens gefunden als die unterschiedlichen Therapieregime der
intrakavitären Brachytherapie und gilt als „konventionelle Bestrahlungsform“ des kleinen
Beckens (84).
Die Datenlage zur primären Strahlentherapie des Korpuskarzinoms ist, da im
Wesentlichen bei den wenigen medizinisch inoperablen Patientinnen indiziert, lückenhaft
und mit Ausnahme der Wiener Gruppe (63, 69) von niedrigen Patientenzahlen geprägt.
Wie
beim
Zervixkarzinom
wurden
in
der
Vergangenheit
sehr
unterschiedliche
Therapieregime angewandt. Abgesehen von den hohen Dosen, über die Thagian (126)
für die Jahre 1975-1984 aus Nancy berichtete, wurden von allen genannten Autoren
Dosen pro Fraktion von 7-10 Gy appliziert, aber mit stark variierender Anzahl der
Fraktionen und mithin der gesamten intrakavitär verabreichten Dosis.
Tabelle 48: Eine Auswahl unterschiedlicher Fraktionierungsschemata bei der primären kombinierten
Strahlentherapie des Endometriumkarzinoms: 1. Afterloading.
*1
= Dosis nicht auf Punkt A, sondern auf die Tumor- bzw. Uterusoberfläche
*2
= Dosis auf die Beckenwand nach zentraler Ausblockung bei Parametrienbefall
*3
= LDR = low-dose-rate Brachytherapie
*3
= nur bei Parametrienbefall
*5
= alleinige Brachytherapie
k.A. = keine Angaben
Erst-Autor/
Jahr/
Jahr(e) der
Fall-
Dosis/
Dosis/
Anzahl
Fraktionen
Behandlung
zahl
Punkt A
Fraktion
der
pro
[Gy]
[Gy]
Fraktionen
Woche
48
8
6
1
10-70
8-10
(1)-8
8,5
4-5
1
Herkunft
1
Heuser 2003*
1985-1996
38
D-Herne
Knocke 1995 (63)
1981-1992
280
34-42,5
1950-1972
1412
(14-20)*
7-10
2
1/2-1/3
1984-1992
27
20
8-10
2-3
1
3
29,56-
2-3
k.A.
3,5
3-6
1
A-Wien
Kucera 1980 (69)
3
A-Wien
Nguyen 1995 (91)
CAN-Montréal
Thagian 1988 (126)
4,4-34
1975-1984
F-Nancy
Weiss 1995 (132)
1987-1993
52
78,6*
52
119,4*
66,91
21
21-60
7-10
D-Tübingen
Tabelle 49: Eine Auswahl unterschiedlicher Fraktionierungsschemata bei der primären kombinierten
Strahlentherapie des Endometriumkarzinoms: 2. perkutane Teletherapie.
Erst-Autor/
Jahr/
Jahr(e) der
Fall-
Dosis/
Dosis/
Anzahl
Fraktionen
Behandlung
zahl
kleines
Fraktion
der
pro
Becken
[Gy]
Fraktionen
Woche
46
2
23
5
30-56
1,8-2,0
15-28
Herkunft
Heuser 2003
1985-1996
25
D-Herne
Knocke 1995 (63)
1981-1992
24
42-56
k.A.
k.A.
k.A.
ab 1972
k.A.
*
4
k.A.
k.A.
k.A.
1984-1992
27
42
k.A.
k.A.
k.A.
1975-1984
52
33,65
2,0
10-25
5
1,8-2,0
k.A.
k.A.
A-Wien
Kucera 1980 (69)
A-Wien
Nguyen 1995 (91)
CAN-Montréal
Thagian 1988 (126)
F-Nancy
Weiss 1995 (132)
20-50
1987-1993
21
45-50,4
D-Tübingen
Grund hierfür könnte ein kurativer Therapieansatz in frühem Stadium unter Umgehung
einer Operation bei medizinisch kritischem Patientengut sein, während in den
fortgeschritteneren Stadien trotz hohen OP-Risikos in der Nutzen-Risiko-Abwägung
vielleicht doch die Entscheidung für die primär operative Sanierung fällt, um die Prognose
zu verbessern.
Eine Evaluierung der perkutan durchgeführten Bestrahlung erscheint bei häufig fehlenden
Angaben zur Fraktionierung kaum möglich. Die perkutane Gesamtdosis auf das kleine
Becken zeigt im Vergleich keine signifikanten Unterschiede zwischen den genannten
Abteilungen.
5.2.2. Adjuvante medikamentöse Therapie:
Eine neoadjuvante Polychemotherapie wurde in unserem Studienkollektiv in 4 Fällen mit
fortgeschrittenem
Zervixkarzinom
durchgeführt
(Kap.
4.2.1.),
und zwar
in
den
Kombinationen Cisplatin-Bleomycin-Mitomycin, Carboplatin-Bleomycin-Mitomycin und
Carboplatin-Ifosfamid-Etoposid. Auf eine statistische Auswertung wurde aufgrund der
niedrigen Fallzahl verzichtet. In Kombination mit der Radiatio haben sich cisplatinhaltige
Chemotherapie-Schemata sowohl in der adjuvanten als auch in der neoadjuvanten Gabe
als wirksam erwiesen (77). Durch die simultane Radiochemotherapie kann eine
Verbesserung der lokalen Tumorkontrolle und der Ansprechraten erreicht werden (128).
Die
Cisplatin-Monotherapie
hat
sich
dabei
als
gleichwertig
gegenüber
einer
Kombinationstherapie erwiesen und sollte dem myelotoxischen Carboplatin bevorzugt
verabreicht werden (77).
Die adjuvante Hormontherapie des Endometriumkarzinoms mit Medroxyprogesteron
wurde bei 7 unserer 38 Korpuskarzinom-Patientinnen durchgeführt. In 2 Fällen wurde
adjuvant Tamoxifen verordnet. Eine signifikante Verbesserung der Überlebensraten oder
des krankheitsfreien Überlebens bei adjuvanter Gestagentherapie konnte auch in
Metaanalysen von randomisierten Studien bisher nicht gezeigt werden. Weiterhin ist mit
zunehmendem Alter eine Verringerung der Ansprechbarkeit zu beobachten (76, 128).
Auch der therapeutische Nutzen von Tamoxifen ist bisher nicht eindeutig nachgewiesen
worden; daher muss die Indikation auch in Zukunft im individuellen Fall überprüft werden.
5.3.
Ergebnisse der primären Strahlentherapie
Im vorangegangenen Kapitel wurde die Variabilität der verschiedenen Therapieregime
aufgezeigt. Um optimale Konzepte zu entwickeln, stellt sich nun die Frage, welche der
zitierten Arbeitsgruppen die besten Ergebnisse erzielte und mit welcher Therapie ein
Minimum an Komplikationen erreicht werden konnte. Die klinischen Resultate der
primären kombinierten Strahlentherapie lassen sich in Form der lokalen Tumorkontrolle im
kleinen Becken sowie anhand von Überlebensraten erfassen.
5.3.1. Follow-up und Überlebensraten
Über die Schwierigkeiten der retrospektiven Datenerhebung wurde bereits berichtet. Mit
einem durchschnittlichen Follow-up von 23 Monaten und median 14,5 Monaten erschien
die Erstellung von Überlebensraten über 1 Jahr hinaus spekulativ, so dass die in Tab. 19
angegebenen „wahrscheinlichen Überlebensraten“ durchaus kritisch betrachtet werden
müssen. Andererseits entsprachen die formal errechneten Überlebensraten (Tab. 19)
sicherlich auch nicht der Realität. Beim Literaturvergleich fiel auf, dass auch andere
Autoren vom Überleben und sogar vom krankheitsfreien Überleben der Patientinnen
ausgingen, wenn die Frauen in der Abteilung nicht mehr vorstellig wurden. Unter diesem
Aspekt erschien es gerechtfertigt, die für unsere Studie erstellten wahrscheinlichen
Überlebensraten direkt mit den Angaben anderer Autoren zu vergleichen. Es sei darauf
hingewiesen, dass insbesondere, wenn ein Zervixkarzinom oder Endometriumkarzinom
nicht primär operiert, sondern primär bestrahlt wird, diese primäre Tumortherapie in der
Regel
in
größeren
Zentren
oder
Universitätskliniken
durchgeführt
wird.
Den
Strahlentherapie-Kliniken werden auch Patienten aus kleineren gynäkologischen
Abteilungen, die selbst nicht über die Möglichkeit der Bestrahlung verfügen, zugewiesen;
nach erfolgter Radiatio wird die Patientin dann in ihr Heimatkrankenhaus, welches u.U.
weit entfernt liegt, zurückverlegt. Über den weiteren Verlauf auch im Falle von
Komplikationen und / oder Rezidiven wird das strahlentherapeutische Zentrum nicht
immer routinemäßig informiert. Auf diese Weise gehen viele Informationen verloren, wenn
keine prospektiven Studien angelegt werden.
Einen Vergleich der unter 5.2. zitierten Studien mit Bezug auf das Zervixkarzinom zeigt
die folgende Tabelle 50 auf.
Nicht von allen unter 5.2. genannten Autoren lagen 5 Jahres-Überlebensraten zum
Vergleich vor. So stellte Greer (43) in seiner Studie 4-Jahres-Überlebensraten von 38
Patientinnen mit Zervixkarzinom IIb und III vor. Während unsere Stadium II-Patientinnen
nach 4 Jahren eine Überlebensrate von 82% zeigten (n = 23 von 28), waren dies bei
Greer 76%, allerdings in Bezug auf das krankheitsspezifische Überleben. Im Stadium III
lebten in unserem Kollektiv noch 46% der Patientinnen nach 4 Jahren, bei Greer waren
dies 53%, ebenfalls bezogen auf das krankheitsspezifische Überleben. Die Ergebnisse
wichen nicht signifikant voneinander ab. Die Strahlendosis der intrakavitären Radiatio lag
bei Greer mit 41,7 Gy ebenso wie die perkutane Strahlendosis mit 41,4 Gy geringfügig
unter der bei uns applizierten Dosis (48 Gy resp. 46 Gy).
Chatani et al. (18) stellten ihre Ergebnisse in Form von 3-Jahres-Überlebensraten dar.
Prospektiv waren 71 Patientinnen mit Zervixkarzinom mit 3-5-mal 7,5 Gy mittels
Afterloading intrakavitär bestrahlt worden gegenüber 67 Patientinnen, die 3-6-mal 6 Gy
erhalten hatten. Für das Stadium I wurde eine 3-JUER von 80% resp. 100% ermittelt (bei
uns: 95%), für das Stadium II 57% resp. 68% (bei uns: 88%) und für das Stadium III 62%
resp. 60% (bei uns: 46%). Eine Vergleichsmöglichkeit mit anderen Studien ist bei
alleiniger Angabe der 3- oder 4-Jahresüberlebensrate jedoch nicht gegeben. Übliche
Angaben anderer Autoren sind Überlebensrate, krankheitsfreies Überleben und lokale
Tumorkontrolle nach 5 und 10 Jahren.
Tabelle 50: Follow-up und 5-Jahres-Überlebensraten (5-JUER) des primär bestrahlten Zervixkarzinoms im
Vergleich
In der zweiten Zeile jeweils in Klammern angegeben die lokale Tumorkontrolle (local control)
*1 = event free survival = krankheitsfreies Überleben (event = local recurrence, metastasis, death)
*2 = ohne Stadium IV
*3 = disease specific survival = krankheitsspezifisches Überleben
Anmerkung zum Follow-up: Heuser: Median 14,5 Mon., Mittel 23 Mon.; Choy: Minimum > 60 Mon.; Delaloye:
Median 13 J.; Hammer: Minimum > 60 Mon.; Le Pechoux: Median 50 Mon.; Perez: Minimum > 36 Mon.,
Potter: Median 34 Mon.
Erst-Autor/
5-JUER
5-JUER
5-JUER
5-JUER
5-JUER
5-JUER
5-JUER
5-JUER
alle
Stad.
Stad.
Stad.
Stad.
Stad.
Stad.
Stad.
Herkunft
Stad.
Ib
IIa
II (b)
IIIa
III (b)
IVa
IV (b)
Heuser 2003
70%
90%
100%
75%
50%
45%
(83%)
(100%)
81%
53%
56%
25%
33%
0%
0%
(90%)
(64%)
67%)
k.A.
(43%)
(0%)
(0%)
84%
77%
67%
k.A.
47%
20%
/
82,1%
72%
50%
51,5%
0%
0%
/
/
Jahr/
D-Herne
Busch 1991 (14)
D-Göttingen
Chiou 1993 (22)
55%
Taiwan-Taipeh
Choy 1993 (23)
90%
Hong Kong
Delaloye
1996
1
86%
62%
44%
61%*
79,3%
62,6%
40,8%
Le Pechoux 95
52%/
88%
82%
47%
Jap-Tokyo (78)
72%
(100%)
(88%)
(84)
(26)
55%*
(94%)
CH-Lausanne
Hammer 1991
2
A-Linz (49)
Ogino 1995 (93)
71,4%
75%
58,8%
66,7%
46,6%
38,5%
7,7%
Jap-Yokohama
(100%)
(90,9%)
(100%)
(87,6%)
(100%)
(73,8%)
(53,8%)
85%
67%
64%
k.A.
40%
18%
/
60%
75%
75%
46%
k.A.
46%
/
/
(80%)
(92%)
(92%)
(76%)
/
Perez
1988/95
(97, 98)
US-Washington
Petereit 1995
(101)
(63%)
US-Madison
3
Potter 2000
68,6%*
77,1%
100%
78%
52,1%
58,6%
53,3%
A-Wien (104)
(77,6%)
(100%)
(100%)
(87%)
(52,7%)
(69,1%)
(60%)
Von allen oben zitierten Arbeitsgruppen wurden 5-Jahres-Überlebensraten aller Stadien
zwischen 52% und 72% angegeben. Die 5-Jahresüberlebensrate aller Stadien betrug bei
uns 70%. Le Pechoux et al. (78) hatten eine Gruppe mit 20 Gy intrakavitär bestrahlt
gegenüber 30 Gy bei der zweiten Gruppe zuzüglich einer perkutanen Radiatio mit median
50 Gy. Die Gesamt-5-Jahres-Überlebensraten unterschieden sich mit den o.g. 52% bei
der 20 Gy-Gruppe und 72% bei der 30 Gy-Gruppe. Daraus ließe sich schließen, dass eine
Applikation von 5 Fraktionen à 6 Gy in wöchentlichen Abständen deutlich effektiver ist als
4 Fraktionen à 5 Gy. Durch eine weitere Dosiserhöhung mit 6 Fraktionen à 8 Gy, wie sie
bei uns durchgeführt wurde, konnten jedoch für das untersuchte Patientinnenkollektiv
keine besseren Resultate erzielt werden.
Auch beim Vergleich der stadienabhängigen 5-Jahres-Überlebensraten fanden sich z.T.
ähnliche Ergebnisse wie bei uns. Z.B. zeigte Choy (23) eine 5-JUER von 90% für das
Stadium Ib (bei uns: 90%), 72% für das Stadium IIb (bei uns: 75%), und 51,5% für das
Stadium IIIb (bei uns: 45%), wobei Choy im Stadium IIIb trotz niedrigerer Gesamtdosis
sogar bessere Resultate erzielte. Vergleichbare Zahlen fanden sich auch bei Potter et al.
(104) mit 77,1% 5-JUER im Stadium Ib, 100% im Stadium IIa, 78% im Stadium IIb, 52,1%
im Stadium IIIa und 58,6% im Stadium IIIb und sogar 53,3% im Stadium IVa. Potter et al.
führten eine Afterloading-Therapie mit bis zu 6 Einlagen à 7 Gy durch bis zu einer
Gesamtdosis von 35-42 Gy, kombiniert mit einer Perkutanbestrahlung bis 50 Gy, was um
4 Gy höher als die mediane perkutane Strahlendosis bei uns war.
Die Angaben aller hier genannten Autoren schwanken zwischen 5-Jahresüberlebensraten
für FIGO Ib: 71,4% bis 90%, für FIGO IIa 53% bis 100%, für FIGO IIb 46-82%, für FIGO
IIIa 25% bis 66,7%, für FIGO IIIb 33% bis 58,6%, für FIGO IVa 0% bis 53,3% und für IVb
0% bis 7,7%. Die für unsere Stadien IVa und IVb aufgeführten Zahlen sind daher nicht
korrekt bei geringer Fallzahl und kurzem Follow-up.
Über die primäre kombinierte Strahlentherapie des Korpuskarzinoms gab es auch bis ins
Jahr 2002 nur wenige Veröffentlichungen. Obwohl Studien in der Vergangenheit immer
wieder zeigen konnten (63, 64, 126), dass hier ein echter kurativer Therapieansatz für
medizinisch inoperable Patientinnen bestand und besteht, waren die Fallzahlen gering
und mit n = 21 (132) und n = 27 Fällen (91) unserer Fallzahl von 38 Patientinnen
innerhalb von 11 Jahren durchaus vergleichbar. Rose et al. (110) konnten in einer FallKontroll-Studie von 64 primär radiotherapierten, medizinisch inoperablen Patientinnen mit
Endometriumkarzinom im Stadium I und II keinen Unterschied bezüglich der
Überlebensraten im Vergleich zu primär operierten und adjuvant bestrahlten Patientinnen
zeigen.
Tabelle
51:
Follow-up
und
5-Jahres-Überlebensraten
(5-JUER)
des
primär
bestrahlten
Endometriumkarzinoms im Vergleich
Erst-Autor/
Jahr/
Min/Median
5-JUER
5-JUER
5-JUER
5-JUER
5-JUER
Follow-up
alle
Stad.
Stad.
Stad.
Stad.
Stad.
I
II
III
IV
63%
71%
50%
64%
67%
58,1%
Ia: 68,5%
48,7%
k.A
Ausschluss
Herkunft
Heuser 2003
14,5 Mon.
D-Herne
(Median)
Knocke 1995 (63)
A-Wien
Ib: 49,9%
Kucera 1980 (67)
49,8%
k.A:
k.A.
k.A.
k.A.
76%*³
100%
70%
40%
k.A.
51,6%
65,7%
37,3%
k.A.
k.A.
A-Wien
Nguyen 1995 (91)
47 Mon.
CAN-Montréal
(Median)
Thagian 1988 (126)
F-Nancy
5J
(Minimum)
Weiss 1995 (132)
26 Mon.
D-Tübingen
(Mittel)
35%
Die Wiener Gruppe um Kucera, Weghaupt, Knocke et al. (63, 64, 67, 70, 71) behandelte
seit
1950
große
Patientenzahlen
und
konnte
über
280
Patientinnen
mit
Endometriumkarzinom berichten, die zwischen 1981 und 1992 einer primären
Strahlentherapie zugeführt wurden (63, 64). Die 5-Jahresüberlebensraten, die erreicht
wurden und die sich auf Endometriumkarzinome im FIGO-Stadium I und II beziehen,
waren vergleichbar mit unseren Ergebnissen (s. Tabelle 51) und wichen nicht signifikant
voneinander ab.
Leider wurden bei Knocke et al. (63) keine Angaben zur applizierten Dosis der perkutanen
Teletherapie gemacht, auch wurden die Stadien III und IV aus den Ergebnissen
ausgeschlossen. Die intrakavitäre Strahlendosis lag mit 34-42,5 Gy leicht unter der bei
uns applizierten Dosis, wobei die Einzeldosis mit 8,5 Gy sogar geringfügig höher war als
in Herne zwischen 1988 und 1996, während bei uns vor 1988 mit 10 Gy pro Fraktion
bestrahlt wurde.
Gute Ergebnisse erzielten Nguyen et al. (91) zur gleichen Zeit mit Einzeldosen in der
gleichen Größenordnung (8-10 Gy), aber nur 2-3 intrakavitären Einlagen. In Kombination
mit der Perkutanbestrahlung wurden von Nguyen Gesamtstrahlendosen von 62 Gy
erreicht. Deutlich schlechtere 5-Jahresüberlebensraten wurden von Thagian (126)
berichtet, vor allem für das Stadium II mit 37% 5-JUER. Das in Nancy 1975 bis 1984
verwendete Fraktionierungsschema für die Afterloading-Therapie (Tabelle 48) wich
erheblich von den sonst verwendeten Therapieregimen ab; hohe intrakavitäre Dosen von
30-60 Gy LDR-Brachytherapie schienen, unabhängig von der daraus resultierenden Rate
an Komplikationen, die Überlebenschancen nicht zu verbessern.
Da die von uns angegebenen Überlebensraten auf der Annahme beruhten, dass trotz
fehlender Informationen im Follow-up im Todesfall die Klinik benachrichtigt worden wäre,
und es sich damit um geschätzte Überlebensraten handelt, wurden keine weiteren
Untersuchungen zu prognostischen Kriterien bezüglich des Überlebens unternommen.
5.3.2. Todesursachen
Bei der Betrachtung der Tabelle 22 (s. S. 61) fiel zunächst die Häufung an unklaren
Todesursachen bei den Korpuskarzinomen (50%) gegenüber signifikant weniger unklaren
Todesursachen (18%) bei den Zervixkarzinomen auf. Die relativ hohe Rate an
tumorbedingtem Versterben bei den Zervixkarzinomen (63%) unterschied sich jedoch
nicht signifikant von den Korpuskarzinomen (43%). Unter den 50% Todesfällen unklarer
Ursache (dead from unknown cause) bei den Korpuskarzinomen ist auch ein erheblicher
Anteil an tumorbedingtem Versterben zu vermuten, so dass hier kein Unterschied
zwischen Zervix- und Korpuskarzinom gemacht werden konnte. Andere Ursachen für das
Versterben als der des primären Tumorgeschehens fanden sich häufiger bei den
Zervixkarzinomen (19%) als bei den Korpuskarzinomen (7%), doch auch dieser
Unterschied war nicht signifikant. Dennoch hätten wir bei den Korpuskarzinomen aufgrund
der deutlich älteren und morbideren Patientinnen eine hohe Zahl an Todesfällen anderer
Ursache wie z.B. Herz-Kreislauf-Versagen vermutet. Dabei muss wiederum berücksichtigt
werden, dass 50% der Todesursachen bei den Korpuskarzinomen retrospektiv nicht
geklärt werden konnten. Auch wurde keine der Todesursachen durch Obduktion
gesichert.
Über die Todesursachen primär radiotherapierter Frauen mit Zervix- und Korpuskarzinom
sind bisher wenige Publikationen erschienen. Kucera (67) berichtete in einer
retrospektiven Studie über 2687 Zervixkarzinome und 949 Korpuskarzinome. Von den
Patientinnen mit Zervixkarzinom verstarben 49,1% (n = 1320) am Tumor gegenüber
35,1% (n = 333) der Patientinnen mit Korpuskarzinom. Die nicht-tumorbedingten
Todesursachen beliefen sich auf 5,4% (n = 145) bei den Zervix- und 15,1% (n = 143) bei
den Korpuskarzinomen. Dagegen starben bei Rose et al. (110) 36% (n = 13 von 36) der
Patientinnen mit primär strahlentherapierten Korpuskarzinomen an interkurrenten, nicht
tumorbedingten Erkrankungen.
Bei der Analyse der Todesursachen für Zervix- und Korpuskarzinom unterteilt nach
Stadien I-IV fiel auf, dass bei beiden Tumorentitäten die Mehrzahl der Patientinnen mit
tumorbedingter Todesursache im Stadium III verstarb; allerdings machten in dieser Studie
das
Stadium
IIIa
und
IIIb
des
Zervixkarzinoms
auch
zusammen
34%
aller
Zervixkarzinome, Stadium IIIa, b und c des Korpuskarzinoms machten zusammen 29%
aller
Korpuskarzinome aus.
Die
Ergebnisse
bezüglich
des
Stadiums
korrekturbedürftig, wie bereits die stadienabhängigen Überlebensraten zeigten.
IV sind
Die parametrane Infiltration im Stadium IIb und IIIb des Zervixkarzinoms scheint jedoch für
Überlebens- und local-control-Raten von Bedeutung zu sein. Benstead (8) wies bereits
früh auf das Ausmaß der parametranen Infiltration als wichtigen Prognosefaktor hin.
Karolewski et al. (61) untersuchten 413 Patientinnen mit Zervixkarzinom ausschließlich
der Stadien IIb und IIIb. Die 5-Jahres-Überlebensrate mit 51% für FIGO IIb und 40% für
FIGO IIIb sowie die local-control-Rate mit 61% für FIGO IIb und 46% für FIGO IIIb
korrelierten mit dem Patientenalter, Z. n. Abort, Stadium sowie Hämoglobin- und
Hämatokrit-Werten.
5.3.3. Lokale Tumorkontrolle
Die lokale Tumorkontrolle als anerkannt wichtiger Parameter zur Verlaufsbeurteilung von
Karzinompatienten und in der Evaluierung von Therapieregimen konnte in dieser Arbeit
nur für den Verlauf eines Jahres erhoben werden; zum Vergleich mit anderen Autoren
wäre wie bei den Überlebensraten eine stadiengetrennte Analyse der lokalen
Tumorkontrolle nach 5 Jahren erforderlich.
Nach 12 Monaten befanden sich 80% (n = 48 von 60) aller im Follow-up befindlichen und
noch nicht verstorbenen Zervixkarzinom-Patientinnen in lokaler Tumorkontrolle. Bei der
Gruppe der Korpuskarzinom-Patientinnen waren dies entsprechend 79% (n = 11 von 14).
In Stadien unterteilt fanden wir bei den Zervixkarzinomen eine 1-Jahres lokale
Tumorkontrolle von 100% für Stadium I, 92% für Stadium II, 59% für Stadium III und 33%
für Stadium IV. Bei den Korpuskarzinom-Patientinnen konnten nach 1 Jahr Stadium III
und IV nicht hinreichend ausgewertet werden, für Stadium I fanden wir eine lokale
Tumorkontrolle von 78%, für Stadium II von 67%.
Die initiale Tumorantwort auf die Bestrahlung sowie das Remissionsverhalten des Tumors
nach 6 und 12 Monaten besaßen in unserer Studie beim Zervixkarzinom mit einer
Signifikanz von p<0,05, p<0,0015 und p<0,001 einen positiven prädiktiven Wert für das
Auftreten von fernen Organ- oder Lymphknotenmetastasen innerhalb der ersten 6 Monate
nach Therapieende (Tabelle 29, S. 68). Beim Endometriumkarzinom war dieser
Zusammenhang nicht eindeutig zu eruieren.
Für beide Karzinome war eine signifikante prognostische Bedeutung mit Bezug auf die
lokale Tumorkontrolle für die Faktoren Histologie (Plattenepithel- / Adenokarzinom),
Grading (G 1-3), Gesamt-Strahlendosis (> / =94 Gy / < 94 Gy), Gesamtbehandlungszeit
(> 54 d / < / =54 d), prä- und posttherapeutischem Hämoglobinwert (> / = 10 g/dl / < 10
g/dl) nicht festzustellen. Es bestand aber eine deutliche Tendenz zu lokalem
Therapieversagen bei Patientinnen mit sowohl prä- als auch posttherapeutisch niedrig
gemessenen Hämoglobin-Werten < 10 g/dl.
Unter der Vorstellung, dass lokale Hypoxie, wiederum bedingt durch einen niedrigen
Hämoglobinspiegel (Hb) im peripheren Blut, insbesondere bei fortgeschrittenem
Zervixkarzinom zu lokalem Therapieversagen führt, untersuchten Girinski et al. (38) 386
Patientinnen mit fortgeschrittenem Zervixkarzinom (FIGO IIb oder III). Dabei zeigten
Patientinnen mit einem wenigstens einmaligen Hb-Wert unter 10 g/dl ein signifikant
höheres Risiko des lokalen Therapieversagens als Patientinnen mit allen gemessenen
Hb-Werten über 10 g/dl. Hong et al. (55) wiesen neben dem Zusammenhang zwischen
Hämoglobinwerten und Tumorremission auch auf die Korrelation zwischen Stadium, Alter
und Tumorgröße und dem Remissionsverhalten hin. In zahlreichen Studien konnte der
negative
Effekt
eines
niedrigen
Hämoglobinspiegels,
ob
prä-,
peri-
oder
posttherapeutisch, auf den Therapieerfolg gezeigt werden (38, 55, 60, 61). Rofstad et al.
(109) sprachen in diesem Zusammenhang von Hypoxie-induzierter Strahlenresistenz und
identifizierten einen Sauerstoffpartialdruck unter 5 mmHg in den Tumorzellen als
signifikanten, unabhängigen prognostischen Faktor für die lokale Tumorkontrolle.
Einige Autoren zeigten für das Zervixkarzinom, dass die initiale Tumorantwort auf die
Bestrahlung als einer der wichtigsten prognostischen Faktoren für das weitere Überleben
und die lokale Tumorkontrolle zu sehen war (1, 2, 96), während beispielsweise bei Busch
(14) das Tumor-Stadium allein prognostischen Wert für die local-control-Raten von 219
Zervixkarzinomen aller Stadien besaß. Kapp et al. (60) konnten an 181 ZervixkarzinomPatientinnen zeigen, dass die initiale Tumorgröße ebenso wie der prätherapeutische
Hämoglobinwert prognostische Signifikanz bezüglich der lokalen Tumorkontrolle besaß,
während
vergrößerte
pelvine
und
/
oder
paraaortale
Lymphknoten
für
das
krankheitsspezifische Überleben und für die Wahrscheinlichkeit von Fernmetastasen
einen hohen Vorhersagewert hatten. Nicht für die lokale Tumorkontrolle, aber für die
Überlebenswahrscheinlichkeit stellte Busch (14) auch das Patientenalter, Stadium, sowie
Histologie und Grading als prognostisch bedeutsame Faktoren heraus. Dagegen konnte
Davidson bei 1600 Zervixkarzinom-Fällen keinen signifikanten Unterschied in der 5Jahresüberlebensrate von Plattenepithel- und Adenokarzinomen ermitteln. Gleichfalls
unterschiedliche Meinungen wurden bezüglich der lokalen Tumorkontrolle und der
Dosisabhängigkeit geäußert. Während Katz (62) keine signifikante Korrelation zwischen
Strahlendosis und lokalem Therapieversagen fand, berichtete Choy (23) über eine
strenge Dosisabhängigkeit der lokalen Tumorkontrolle bis 85 Gy, eine weitere
Ergebnisverbesserung sei bei weiterer Dosissteigerung nicht zu erreichen. 1988
berichtete Perez (97) (n = 1054) über fehlende Korrelation zwischen Strahlendosen und
lokaler Tumorkontrolle; 7 Jahre später, 1995, fanden Perez et al. (98) (n = 1224) eine
signifikante Korrelation zwischen Punkt A-Dosis und lokaler Tumorkontrolle sowie
krankheitsspezifischem Überleben.
Die Ergebnisse bezüglich der lokalen Tumorkontrolle nach fünf Jahren unterschieden sich
in den Untersuchungen von Busch (14) und Kapp (60) lediglich im Stadium IIIb: Busch
zeigte für Stadium Ib 90% lokale Tumorkontrolle, für Stadium IIa 64% und IIb 67%, für
Stadium IIIb 43% und für IV 0%. Kapp zeigte für Stadium Ib 94% lokale Tumorkontrolle,
für Stadium II 66%, für Stadium IIIb 59% und für Stadium IV ebenfalls 0%. Le Pechoux et
al. (78) dagegen ermittelten eine lokale Tumorkontrolle nach 5 Jahren von 100% für
Stadium Ib, 88% für Stadium IIb und 84% für Stadium IIIb und damit hochsignifikant
(p<<0,05) bessere local-control-Raten in allen Stadien. Beim Vergleich der Ergebnisse
und der Fraktionierungsschemata von Le Pechoux mit denen Buschs fiel auf, dass bei der
Afterloading-Therapie beider Arbeitsgruppen vergleichbar hohe Gesamt-AL-Dosen
verabreicht wurden (Tabelle 46), wobei Busch et al. Einzeldosen von 8 Gy, Le Pechoux et
al. dagegen 5-6 Gy verwendeten. In der perkutanen Teletherapie erreichten Le Pechoux
et al. mit median 50 Gy gegenüber 42,6 Gy bei Busch et al. die höheren Strahlendosen.
Profitieren also besonders die Patientinnen mit Zervix-CA im Stadium I bis III von einer
höheren perkutanen Bestrahlung und muss die intrakavitäre Dosis – zumindest die
Einzeldosis von 8 Gy, die auch bei uns verwendet wurde – reduziert werden? Logsdon et
al. (83) zogen aus ihrer Untersuchung an 1096 Patientinnen mit IIIb-Zervixkarzinom die
Folgerung, dass eine aggressive intrakavitäre Brachytherapie kombiniert mit einer
moderaten perkutanen Teletherapie von 40-45 Gy notwendig sei, um das beste Verhältnis
von krankheitsspezifischem Überleben zu niedrigen Komplikationsraten zu erzielen.
Die primäre kombinierte Strahlentherapie des Zervixkarzinoms befindet sich nach diesen
Daten weiterhin im Dilemma. Die u.a. Tabellen 52 und 53 verdeutlichen die Uneinigkeit
der Autoren bezüglich der Wertigkeit prognostischer Faktoren. Insbesondere die
Dosisabhängigkeit von local-control- und Überlebensraten wurden unterschiedlich
beurteilt. Auch aus dem Vergleich der Therapieregime von Studien mit höheren Fallzahlen
untereinander resultiert bisher kein Ergebnis, was eindeutige Empfehlungen hinsichtlich
der Fraktionierung und der Dosierung von Bestrahlungsregimen rechtfertigt.
Eine Einschätzung der Ergebnisse und Fraktionierungsschemata bei der primären
Radiatio des Endometriumkarzinoms erscheint aufgrund der geringen Studienzahlen noch
weitaus
schwieriger.
Knocke
et
al.
(64)
zeigten
an
280
Patientinnen
mit
Endometriumkarzinom I-III eine lokale Tumorkontrolle von 75,4% für alle Stadien, 86% für
Stadium Ia und 68,8% für Ib, 60,5% für Stadium II, keine Angaben für Stadium III.
Überlebens- und local-control-Raten waren abhängig vom Grading. In einer Fall-KontrollStudie untersuchten Rose et al. (110) die Wertigkeit der primären kombinierten Radiatio
an 64 Patientinnen mit medizinisch inoperablem Endometriumkarzinom im Stadium I und
II. Tumorstadium und Grading konnten als prognostische Faktoren bezüglich des
Überlebens identifiziert werden. Die unterschiedlichen Therapieformen – primäre
Operation ohne adjuvante Bestrahlung gegenüber primärer Radiatio – ergaben keine
unterschiedlichen Ergebnisse von statistischer Relevanz. Tumorstadium und Grading als
Prognosefaktoren bestätigte auch Taghian (126, n=104). Die 5-Jahres-local-control-Rate
für die Stadien I und II lagen bei 87,6%. Weiss (132, n = 21) stellte noch einmal heraus,
dass
hohes
Alter,
reduzierter
Allgemeinzustand
und
Begleiterkrankungen
die
Überlebensraten beim primär radiotherapierten Endometriumkarzinom deutlich mindern –
aber alte und multimorbide Patientinnen kommen für eben diese Therapie in Frage.
Tabelle 52: prognostische Faktoren des Zervixkarzinoms mit Bezug auf die lokale Tumorkontrolle
Autor/
Fall-
Jahr
zahl
Alter
Stad.
Histo
FIGO
Gra-
Hb-
ding
Wert
TU-
TU-
Strah-
Gesamt-
Antwort
Größe
len-
Behand-
>4cm
dosis
lungszeit
Abitbol (1)
24
ja
ja
1996
Arthur (2)
89
ja
nein
1995
Busch (14)
219
nein
ja
nein
nein
1991
Chatani
216
ja
ja
1997(19)
Delaloye
360
ja
1991(26)
Girinski
386
ja
ja
428
ja
ja
181
ja
ja
413
ja
ja
424
ja
ja
1989(38)
Hong (55)
nein
ja
1992
Kapp (60)
nein
nein
ja
ja
nein
nein
(nein)
ja
nein
ja
nein
ja
1998
Karolewski
ja
1999 (61)
Pedersen
nein
nein
ja
ja
1995 (96)
Perez `88
1054
- 1995
1224
ja
ja
ja
(97, 98)
Petereit
(101)
1995
209
ja
Tabelle 53: prognostische Faktoren des Zervixkarzinoms mit Bezug auf die Überlebensraten
Autor/
Fall-
Jahr
zahl
Alter
Stad.
Histo
FIGO
Gra-
Hb-
ding
Wert
TU-
TU-
Strah-
Gesamt-
Antwort
Größe
len-
Behand-
>4cm
dosis
lungszeit
Abitbol (1)
24
Ja
ja
ja
ja
1996
Arthur (2)
89
nein
1995
Benstead
ja
nein
ja
1986 (8)
Busch (14)
219
ja
Ja
Ja
ja
1991
Chatani
216
Ja
Ja
Ja
1997 (19)
Davidson
1878
nein
1989 (25)
Delaloye
360
ja
1995 (26)
Hayashi
25
ja
1999 (51)
Hong (55)
428
Ja
Ja
181
ja
ja
413
ja
ja
nein
ja
ja
ja
ja
1992
Kapp (60)
nein
nein
nein
nein
1998
Karolewski
ja
(nein)
1999 (61)
Le Pechoux
130
ja
ja
1995 (78)
Logsdon
983
ja
424
nein
ja
ja
ja
ja
nein
ja
ja
ja
ja
1999 (83)
Pedersen
ja
ja
ja
1995 (96)
Perez
1054
(97, 98)
1224
ja
1988/95
Petereit
1995 (101)
ja
5.4.
Komplikationen der primären Strahlentherapie
5.4.1. Laborwerte
Wie die Grafik in Abb. 12 (S. 68) verdeutlicht, wurde in unserer Studie ein Abfall des
Hämoglobinwertes auf therapiebedürftige Werte unter 10 g/dl erst nach Ablauf von 6
Monaten
beobachtet
und
trat
dann
zu
irgendeinem
Zeitpunkt
innerhalb
des
Beobachtungszeitraums von 5 Jahren auf. Eine strahlenbedingte Anämie als Folge einer
Blutbildungsstörung bei Knochenmarksfibrose oder Knochenmarksdepression müsste bei
einer Erythrozytenüberlebensdauer von durchschnittlich 120 Tagen bereits nach drei
Monaten auftreten und sich in der o.g. Grafik spätestens im 6-Monats-Intervall nach
Therapieende niederschlagen. Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch die Hämoglobinwerte
mit den Werten vor Therapiebeginn identisch. Die zwischenzeitliche Anhebung der
Hämoglobinwerte auf über oder gleich 10 g/dl in 92,7% gegenüber vorher 87,9% der
Fälle ist auf die Gabe von Erythrozytenkonzentraten während des stationären
Aufenthaltes zurückzuführen.
Eine strahlenbedingte Anämie konnte in dieser Studie von einer Tumoranämie oder
tumorbedingten Blutungsanämie nicht klar unterschieden werden. Um Aufschluss darüber
zu bekommen, in welchem Maße bei der kombinierten intrakavitären und perkutanen
Strahlentherapie der Uterusmalignome das blutbildende Knochenmark klinisch relevant
geschädigt wird, müssten routinemäßig bei den Patientinnen Knochenmarkspunktionen
zur zytologisch-histologischen Aufarbeitung durchgeführt werden. Angesichts der
geringen klinischen Relevanz erscheint ein solches Vorgehen jedoch nicht sinnvoll,
insbesondere, da es mit unnötigen Schmerzen und Risiken für die Patientin einherginge.
Abhängig vom Bestrahlungsvolumen und von der applizierten Gesamtstrahlendosis tritt
eine gewisse Schädigung auf; es gelangt jedoch nur ein geringer Anteil des blutbildenden
Knochenmarks
in
das
Bestrahlungsfeld.
Wenn
nicht
schon
vor
Beginn
der
Strahlentherapie eine Blutbildungsstörung bestand, ist nicht davon auszugehen, dass die
Reaktion des Blutbildes von großer klinischer Bedeutung ist. Bei der Betrachtung
strahlenbedingter
Komplikationen
bei
der
Behandlung
des
Zervix-
und
des
Korpuskarzinoms findet die Strahlenreaktion des Blutbildes daher kaum Beachtung. In
vielen Studien konnte zwar der ungünstige Effekt einer Anämie auf das Therapieergebnis
belegt werden (38, 55, 60, 61, 96, vergl. Kap. 5.3), dabei wurden die Ursachen des
Erythrozytenmangels jedoch nicht beleuchtet.
Gleiche Überlegungen gelten auch für den Verlauf der Leukozytenkurve. Hier ist auffällig
(Abb. 13, S. 69), dass vor Beginn der Strahlentherapie in einem Drittel der Fälle eine
Leukozytose bestand, die sicherlich als Ausdruck einer allgemeinen Entzündungsreaktion
im Rahmen des Tumorgeschehens zu werten ist. Eine Leukopenie dagegen trat erstmalig
nach Therapie auf (12,4%) und normalisierte sich sukzessive im weiteren Verlauf. Die früh
zu beobachtende Leukopenie nach Therapieende kann aufgrund der höheren
Strahlensensibilität
der
Leukozyten,
insbesondere
der
Granulozyten,
auf
eine
Myelodepression zurückzuführen sein. Diese immunsupressive Reaktion bedingt den so
genannten „Strahlenkater“, der von einem Teil der Patienten beklagt wird und mit
Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Übelkeit, Erbrechen, Schwindel und Kopfschmerzen
einhergeht.
5.4.2. Organkomplikationen
Aufgrund der zahlreichen und z.T. sehr unterschiedlichen Skalen und Schemata, die zur
Evaluation von Früh- und Spätkomplikationen nach Strahlentherapie herangezogen
werden, lassen sich Studien untereinander oft nur eingeschränkt miteinander vergleichen
(132). Die von der WHO vorgeschlagene Gradeinteilung der akuten Strahlenreaktion
(111) ist organspezifisch und klinisch orientiert. Sie fragt beispielsweise bei der
Gradeinteilung der akuten Strahlenreaktion der urogenitalen Organe nach der Häufigkeit
von Miktion und Nykturie: doppelt so häufig wie vor der Behandlung, weniger als einmal
pro Stunde, stündlich oder häufiger. Damit eignet sie sich zwar für eine prospektive
Befragung, nicht jedoch für eine retrospektive Studie und wird von anderen Autoren selten
angewandt. Die bei uns verwendete Einteilung der Strahlenreaktionen wurde jedoch so
weit wie möglich an das WHO-Schema angelehnt (vergl. S. 20-25).
Andererseits werden strahlenbedingte Komplikationen ebenso als Endprodukt der
strahlentherapeutischen
Behandlung
angesehen
wie
lokale
Tumorkontrolle
und
Überlebensraten (4) und sollten daher entsprechend gewürdigt werden. Dabei ist nicht
unbedingt das pathomorphologische Korrelat zur Strahlendosis als vielmehr die
Einschränkung der Lebensqualität der Patientin nach ihren individuellen Maßstäben
ausschlaggebend.
Als hauptsächliche Risikoorgane werden von den meisten Autoren die „hot spots“ (95)
Blase und Rektosigmoid angesehen (46). Bereits unter laufender Radiatio treten an den
beiden Organsystemen Blase / ableitende Harnwege und Darm zum Teil rezidivierend
Zystitiden und Diarrhöen auf. Sie werden allgemein als harmlos eingestuft, sind
vorübergehender Natur, d.h. sie chronifizieren in der Regel nicht und werden
symptomatisch behandelt. Für die Patientin bedeuten sie dennoch ein akutes
Krankheitsgeschehen. Bei starker Ausprägung können die Reaktionen beider Organe die
Unterbrechung der Strahlentherapie erforderlich machen und sind – da Verzögerungen in
der Therapie (Kap. 5.3.) mit schlechteren Ergebnissen erkauft werden – auch aus
therapeutischer Sicht relevant. Die Gefahr der Zystitis wird durch aufsteigende Infektionen
bei Trägerinnen von Blasenkathetern und durch das Legen der intravesikalen
Blasensonde erhöht. Daher ist es hier besonders wichtig, unter sterilen Bedingungen zu
arbeiten.
Von unseren Patientinnen litten 66,4% (n = 89) einmalig oder rezidivierend unter einer
Blaseninfektion. Durchfall trat bei 40,3% (n = 54) einmalig oder rezidivierend auf (Tab. 31
S. 69). Die median mittels Blasensonde gemessene Blasendosis lag bei 17,32 Gy und
damit 18,4% von der Gesamtstrahlendosis sowie 36% von der intrakavitären
Strahlendosis. Eine Zystitis unter Radiatio trat bei Patientinnen, deren Blasendosis über
17,32 Gy lag, signifikant häufiger auf (p < 0,05), korrelierte also direkt mit der
Strahlendosis. Für die Diarrhöen unter Radiatio konnte eine Korrelation mit der
Strahlendosis nicht festgestellt werden. Die mediane Dosisbelastung des Rektums betrug
20,05 Gy und damit 21,3% von der Gesamtstrahlendosis sowie 44% von der
intrakavitären Strahlendosis.
Hall und Brenner (46) untersuchten die gemessenen Blasen- und Rektumdosen fünf
verschiedener Arbeitsgruppen, wonach die Strahlendosen dieser Risikoorgane zwischen
30% und 50% der applizierten Dosis auf Punkt A betrugen, in Ausnahmen aber auch 75%
und bis zu 100% der Punkt A-Dosis betragen können. In die erstgenannte Marge fielen
mit 36% (Blase) und 44% (Rektum) also auch die bei uns gemessenen und auf die
intrakavitäre Strahlendosis bezogenen Dosen. Ob nun die durchschnittliche, maximale
oder die Gesamtstrahlendosis, die das jeweilige Organ erhalten hat, für Akut- und
Spätfolgen verantwortlich ist und einen Vorhersagewert besitzt, muss weiter diskutiert
werden.
5.4.2.1. Geschlechtsorgane
Bei der Strahlentherapie des Zervix- und des Korpuskarzinoms ist die Vagina als am
nächsten liegendes Organ besonders gefährdet. Als wichtigste Reaktionen sind Kolpitis,
Verklebung des Zervikalkanals mit Ausbildung von Hämatometra, eine Verklebung oder
Stenosierung der Vagina und Ulzerationen zu nennen. Daneben treten Schwellungen und
Erytheme als vorübergehende Effekte auf die Bestrahlung ähnlich der Reaktionen der
Dermis auf.
Kolpitiden traten in unserem Kollektiv innerhalb von 6 Monaten in 33% (n = 40 von 122),
im Spätverlauf in 11% (n = 8 von 74) auf. Die Zuordnung war nicht immer eindeutig, da
auch
prätherapeutisch
im
Rahmen
der
Umgebungsentzündung
bei
malignem
Tumorgeschehen in 25% der Fälle Kolpitiden beobachtet wurden. Eine Verklebung des
Zervikalkanals war insofern von therapeutischer Relevanz, als dadurch eine Dilatation und
Einlage der Applikatorsonde in Narkose erforderlich wurde, falls eine weitere AfterloadingSitzung geplant war. Auch für den Fall, dass sich eine Hämatometra ausgebildet hatte,
musste zur Vermeidung von aszendierenden Infektionen und evtl. erforderlicher
Blutstillung der Zervikalkanal mittels Dilatation wiedereröffnet werden. Ulzerationen, die
bei uns in 2 Fällen auftraten über 6 Monate hinaus andauerten, sind insgesamt selten und
wurden zusammen mit Verklebungen der Vagina zu den Grad 3-, also den schweren
Komplikationen gezählt. Dabei wurde als akute Strahlenreaktion nur eine neu
aufgetretene Verklebung der Vagina gewertet, um die prätherapeutisch bestehende
tumorbedingte Läsion nicht fehlzudeuten. Damit bestanden in 6,2% der Fälle (n = 8 von
122) schwere Komplikationen der Vagina nach Bestrahlung im Frühverlauf, im Spätverlauf
in 7% der Fälle (n = 5 von 74).
Die Stenosierung oder komplette Verklebung der Vagina wurde in der Vergangenheit sehr
unterschiedlich bewertet. Hammer (49) zählte sie zu den Grad 1-Komplikationen, die „nur
für die wenigsten Patienten von klinischer Relevanz (mögliche Dyspareunie)“ sei.
Abgesehen davon, dass Hammer keine Altersangabe zu seinen 153 Patientinnen machte,
ist bei dieser Komplikation nicht unbedingt zu erwarten, dass jüngere Frauen weniger
betroffen sind, auch wenn man von einer besseren Regenerationsfähigkeit des Gewebes
bei jüngeren Menschen ausgehen kann. Lasnik (73) berichtete, dass 50% (n = 24 von 48)
der weiterhin sexuell aktiven Frauen – ungeachtet des Alters – Kohabitationsbeschwerden
angaben, wovon über 20% organisch bedingt waren im Sinne einer Verengung oder
Verkürzung der Vagina. Nach der WHO-Definition verstehen wir unter „Gesundheit“ ein
vollständiges „physisches, psychisches und soziales Wohlbefinden“ (73). Für die
Lebensqualität der Patientinnen als entscheidendem Merkmal der posttherapeutischen
Komplikationen ist ein möglichst von der Erkrankung unbeeinflusstes Sexualleben, das
auch zur Fortführung einer harmonischen Beziehung zum Lebensgefährten beiträgt, von
großer Bedeutung. Die Verkürzung und Verengung der Vagina sollte daher in die Gruppe
der schweren Komplikationen eingeordnet werden. Aus einer solchen Bewertung
resultieren hohe Komplikationsraten für die Vagina: So fanden Potter et al. (104) bei 189
Zervixkarzinom-Patientinnen eine Rate von 30,6% für Grad 3-Komplikationen („shortening
and obliteration“) und 67,6% für Komplikationen aller Schweregrade, nur bezogen auf die
Vagina. Diese Zahlen werden den Patientinnen gerechter als die Verharmlosung von
iatrogenen, therapeutisch bedingten Läsionen.
Um die Strahlendosis am Vaginalepithel zu vermindern, ist es wichtig, hinreichend große
Vaginalzylinder zu verwenden. Durch Retraktion des Vaginalepithels kann die Distanz zur
Applikatorsonde und damit zur Strahlenquelle vermindert werden. Bei vaginaler
Mitbeteiligung
im
Stadium
IIa
und
IIIa
des
Zervixkarzinoms
und
IIIb
des
Endometriumkarzinoms ist allerdings eine therapeutische Bestrahlung der Vagina
erwünscht, d.h. die Vagina wird in das Zielvolumen eingeschlossen.
Ein Strahlenulkus des Vaginalepithels kann sich wie in den 2 genannten Fällen als
resistent gegenüber konservativen Therapieversuchen erweisen und muss je nach
klinischer Problematik gegebenenfalls operativ exzidiert werden.
5.4.2.2. Ableitende Harnwege
Bei der Akutreaktion der Blase auf die Bestrahlung kommt es besonders häufig zu einer
Zystitis. Die Differenzierung zwischen einer radiogenen und nicht-radiogenen Zystitis
erscheint schwierig. Auch ohne Auftreten einer (passageren) Makrohämaturie kann die
Blase strahlengeschädigt sein und Symptome der Zystitis wie starken Harndrang,
suprapubisches Druckgefühl, und Nykturie / Pollakisurie oder auch Harninkontinenz,
insbesondere bei radiogener Schrumpfblase, verursachen. Nykturie und Pollakisurie
können andererseits auch Ausdruck einer Herzinsuffizienz sein, deren Prävalenz bei den
Patientinnen
im
höheren
Lebensalter
nicht
unterschätzt
werden
darf.
Eine
Harninkontinenz anderer Ursache wie z.B. beim Deszensus uteri erschwert die
Differenzierung und wird beim Altersprofil der Zervix- und Korpuskarzinom-Patientinnen in
gleichem Maße wie in der übrigen Bevölkerung vorkommen. Als unmittelbare
Strahlenfolge wurde in unserer Studie daher nur eine neu aufgetretene Harn-(und auch
Stuhl-) Inkontinenz gewertet.
Eine passagere oder persistierende Hämaturie kann wiederum Ausdruck eines
Tumorprogresses mit Infiltration der Blase als auch in selteneren Fällen Ausdruck eines
Zweittumors, etwa eines Blasen- oder Nieren-Karzinoms, oder auch erstes Symptom
einer Nierenparenchymerkrankung sein, die mit dem Uteruskarzinom und der
Strahlentherapie in keinerlei Zusammenhang steht. Eine histologische Sicherung der
Diagnose „Strahlenzystitis“ im Rahmen einer prospektiven Studie wäre daher zur
genauen Differenzierung erforderlich. Über die Prävalenz der Strahlenzystitis bei
strahlentherapierten Zervix- und Endometriumkarzinomen ist wenig bekannt. Die
mangelnde Studienlage ist möglicherweise auf die geringe klinische und therapeutische
Relevanz zurückzuführen: Die Zystitis als Strahlenfolge (Grad 1) wird als banal eingestuft
und kann auch asymptomatisch verlaufen. Von größerer klinischer Relevanz und für die
Lebensqualität der Patientinnen entscheidend erscheinen die daraus resultierenden
Funktionsstörungen, in erster Linie eine neu aufgetretene Stress- oder Urge-Inkontinenz,
oder ein Fistelgeschehen.
In unserem Kollektiv trat in 28% der Fälle (n = 36 von 122, s. Tab. 34 S. 71) eine
entzündliche Reaktion der Blase über das Therapieende hinaus innerhalb der ersten 6
Monate auf. Im Spätverlauf boten 14% (n = 10 von 74) der Patientinnen Reaktionen im
Sinne einer chronischen Strahlenzystitis. In 7,8% (n = 10 von 122) resp. 7% (n = 5 von
74) beklagten die Patientinnen sowohl im Früh- als auch im Spätverlauf aber auch
dysurische Beschwerden, Hämaturie trat in 1,6% (n = 2 von 122) resp. 4% (n = 3 von 74)
und Nykturie / Pollakisurie in 9% (n = 11 von 122) resp. 11% (n = 8 von 74) auf. Eine
postradiogene Verdickung der Harnblasenwand konnte dagegen nur in 3,3% (n = 4 von
122) innerhalb des ersten halben Jahres nachgewiesen werden und fand sich ebenso wie
eine radiogene Schrumpfblase nur in 1% (je n = 1) im Spätverlauf.
Eine Blaseninkontinenz bestand bereits prätherapeutisch bei 18,6% (n = 24 von 129)
unserer Patientinnen und lag 6 Monate posttherapeutisch mit 18,9% (n = 23 von 122) in
gleich hohem Maße, nach 5 Jahren noch in 10% (n = 7 von 74) der Fälle vor. Eine neu
aufgetretene Blaseninkontinenz fand sich dabei in 7 Fällen innerhalb der ersten 6 Monate
und in einem Fall danach. Sie wurden sämtlich als Grad 2-Komplikationen eingeordnet.
Die Problematik der Blaseninkontinenz wurde von Enzelsberger et al. (30) behandelt, die
bei 22 Frauen mit Zervixkarzinom nach primärer Radiatio urodynamische Messungen
durchführten ebenso wie eine Urethro-Zystoskopie und eine Ausscheidungsurografie.
Signifikante Veränderungen zeigten sich bei der Blasencompliance und beim maximalen
Urethraverschlußdruck. Während vor der Bestrahlung 12% der Patientinnen eine
Blasendehnbarkeitsstörung im Sinne einer pathologisch verringerten Blasencompliance
aufwiesen, war dies nach der Therapie bei 23% der Patientinnen der Fall. Der maximale
Urethraverschlußdruck sank im Mittel von 87,1 auf 76,7 cm Wassersäule um 10,4 cm
Wassersäule ab. Die Verminderung der Blasendehnbarkeit, mithin der Wandelastizität,
führt zu einer Dranginkontinenz mit den Symptomen des imperativen Harndrangs, der
Pollakisurie und Nykturie (30, 131). Ein erniedrigter maximaler urethraler Verschlussdruck
geht
dagegen häufig mit
einer
Stressinkontinenz einher.
Eine Zunahme von
Stressinkontinenz oder Blasenentleerungsstörungen wurden aber nicht beobachtet. Behr
et al. (6) konnten bei 134 strahlentherapierten Patientinnen mit Zervixkarzinom ebenfalls
keine Zunahme der Stressinkontinenz beobachten: Bei der Hälfte der Frauen mit bereits
vorbestehender Stressinkontinenz (44%) traten Symptome einer gemischten Stress- und
Dranginkontinenz auf. Analog der Entwicklung der Blasencompliance beobachteten Behr
et al. (6) auch bei zuvor beschwerdefreien Patientinnen eine Zunahme der
Dranginkontinenz mit einem Anstieg von 9% auf 60% 18 Monate post radiationem, 55%
nach 5 und 34% nach zehn Jahren. Die Autoren führten die kontinuierliche Verbesserung
der Blasencompliance und rückläufige Dranginkontinenz im Laufe der Jahre auf ein
(unwillkürliches) Blasentraining von Seiten der Patientinnen zurück. Diese für die
Lebensqualität der Frauen wichtigen, wenn auch nicht wie die Grunderkrankung
lebensbedrohlichen Veränderungen, sind durch eine zunächst ödematöse, später
fibrotische Gewebereaktion zu erklären (6, 125, 131) und gehen einher mit den
morphologischen
Befunden
postradiogenen
Verdickung
des
bullösen
der
Ödems
der
Harnblasenwand,
Blasenschleimhaut,
der
der
porzellanweißen
Harnblasenschleimhaut (131) und der radiogenen Schrumpfblase.
Li et al. (79) untersuchten retrospektiv 378 Fälle von Blasenkomplikationen nach
Strahlentherapie eines Zervixkarzinoms und schlugen vor, die strahlenbedingten
Blasenkomplikationen zu unterteilen in 1. plötzlich auftretende, passagere Hämaturie
(35,7% bei Li et al.), 2. persistierende Hämaturie (63,2% bei Li et al.) und 3. BlasenScheiden-Fistel (1,1% bei Li et al.). Im zeitlichen Verlauf scheint das Maximum der
Blasenkomplikationen zwischen 2 und 5 Jahren post radiationem aufzutreten. Li et al.
fanden 3,4% der Blasenläsionen innerhalb der ersten 2 Jahre, 51,1% zwischen 2 und 5
Jahren und 16,7% zwischen 5 und 10 Jahren. Staehler et al. (121) beobachteten dieses
Phänomen
auch
bei
134
Endometriumkarzinom: 55,9%
Patientinnen
(n =
75) der
mit
primär
strahlentherapiertem
Patientinnen boten postradiogene
Komplikationen der ableitenden Harnwege; dabei war die Komplikationsrate nach 5
Jahren um 68,9% höher als nach 1 Jahr. Die gleiche Beobachtung des zeitlich
verzögerten Maximums der Blasenkomplikationen mit einem Peak zwischen 2 und 3
Jahren nach Strahlentherapie beschrieb bereits Kottmeier 1961 (66).
Da Kottmeiers Untersuchung eine der grundlegenden Arbeiten zum Thema der Blasenund Darm-Schädigungen bei strahlentherapiertem Zervixkarzinom war, auf deren
Schweregradeinteilung eine Reihe weiterer Arbeiten basierten (18), wurden die
Ergebnisse in die u.a. Tabelle 54 aufgenommen.
Bei Kottmeiers Einteilung der Schweregrade muss berücksichtigt werden, dass Grad 1Läsionen als Reaktionen von vorübergehender Natur und daher geringer klinischer
Relevanz angesehen wurden; Grad 2-Läsionen umfassten neben Nekrosen und
Ulzerationen auch mäßiggradige Stenosierungen sowie protrahierte Blutungen und
Schmerzen; in die Kategorie der Grad 3-Läsionen wurden lediglich Fisteln und Stenosen
eingeordnet, die einer operativen Sanierung bedurften. Es wird an dieser Stelle deswegen
auf diese nun 40 Jahre alte klinische Einteilung verwiesen, weil viele Verfasser ähnliche
Bewertungen aufstellen und die bei uns zugrunde gelegte Gradeinteilung, i.W. dem WHOSchema entsprechend, die meisten Läsionen als schwerwiegender betrachtet. Es wurden
beispielsweise Stenosierungen, protrahierte Blutungen, Nekrosen und Ulzerationen
grundsätzlich als Grad 3-Komplikationen verstanden. Es ist also davon auszugehen, dass
Kottmeiers Grad 2- und 3-Läsionen unseren Grad 3-Komplikationen weitestgehend
entsprechen. Im Bereich der ableitenden Harnwege zählten bei uns dazu (n = 9
Patientinnen) Harnaufstau bei Urethrastenose, Harnaufstau bei Ureterstriktur und
Harnaufstau
ohne
nachgewiesene
Ureterstriktur,
Blasenscheidenfisteln
und
schmerzhafter Harnverhalt. Vesikale Ulzera und Fälle von Urosepsis traten nicht auf. Auf
diese Weise ergab sich eine Rate an Komplikationen, alle Schweregrade betreffend, für
Blase und ableitende Harnwege von 40,2% im Frühverlauf innerhalb der ersten sechs
Monate und von 31% im Spätverlauf innerhalb der weiteren 5 Jahre. Schwere
Komplikationen fanden sich im Frühverlauf bei 7,4% der Patientinnen, im Spätverlauf bei
10%.
Tabelle 54: Spätkomplikationen beim primär strahlentherapierten Zervixkarzinom
*1:
Deore: Rektale Komplikationsrate 8,2% bei 5 x 2 Gy, 21,6% bei 3 x 3 Gy, 18,4% bei 2 x 4 Gy und
*2:
LDR-Brachytherapie
*3:
Kottmeier: Blasenkomplikationen Grad 1 = 14,6%, Grad 2 = 5,6%, Grad 3 = 0,6%
33,3% bei 1 x 5,4 Gy pro Woche Perkutanbestrahlung
Kottmeier: Rektumkomplikationen Grad 1 = 14,1%, Grad 2 = 6,8%, Grad 3 = 1,0%.
*4:
Huang: Proktitis-Raten gesamt und Grad 2-4 nach 3 Jahren.
Sehr stark von der perkutanen Strahlentherapie-Dosis abhängige Komplikationsraten: Huang, Logsdon
Autor
Jahr(e) der
Fallzahl
Behandlung
Heuser 2003
1985-1996
74
Dosis/
Grad 1-3
Vagina/
Fraktion
Grad 3
Vulva
8 Gy
49%
19%
D-Herne
Abitbol 1996 (1)
1989
24
Blase
Darm
23%
31%
19%
8%
10%
5%
k.A.
k.A.
k.A.
21%
0
0
39%
11%
28%
5%
1%
3%
24,2%
5,2%
17,3%
k.A.
US-Miami
Chiou 1993 (22)
1984-1990
152
5 Gy
Taiwan-Taipei
Choy 1993 (23)
1970-1986
594
20 Gy
1979-1983
203
22-24 Gy
Hong Kong
1
Deore 1991 * (27)
8,2-33%
India-Bombay
Greer 1996 (43)
2-12%
1987-1992
38
k.A.
US-Seattle
k.A.
14.8%
4
Huang 2000* (56)
1993-1996
191
Taiwan-Kaohsiung
Kapp 1997 (59)
1985-1992
161
10,5%
3,8-4,8
30%
Gy
15%
4,7-8,5
A-Graz /
66%
46%
4,9%
35%
3,7%
0%
3,1%
1,9%
20,8%
22%
0,6%
1%
US-Stanford
Kottmeier 1961 (66)
1953-1954
500
3
S-Stockholm*
Lindegaard 2000
1987-1996
114
k.A.
DK-Aarhus (80)
Le Pechoux 1995
11%
1983-1990
Jap-Tokyo (78)
Logsdon 1999 (83)
130
5-6 Gy
41,8%
9%
32,8%
54
5
55%
alle:
alle:
76
6 Gy
37%
1,5%
2,3%
1960-1993
1096
15-68%
1979-1986
77
0,54 Gy/h
64%
17%
42%
Ab 1986
68
1,07 Gy/h
68%
24%
54%
1977-1987
209
16,3%
11,5%
15%
67,6%
23,6%
42,6%
30,6%
2,9%
10%
US-Houston
Rodrigus 1997
NL-Tilburg (108)
= (108)
Petereit 1995 (101)
US-Madison
Potter 2000 (104)
1993-1997
189
7 Gy
A-Wien
Shin 1999 (116)
Korea-Soul
1995-1997
74
4 Gy
11%
Tabelle 55: Spätkomplikationen beim primär strahlentherapierten Endometriumkarzinom
*2:
LDR-Brachytherapie
Autor
Jahr(e) der
Fallzahl
Behandlung
Knocke 1997
1981-1992
280
Dosis/
Grad 1-3
Vagina/
Fraktion
Grad 3
Vulva
Blase
Darm
3,4%
4,5%
8,5 Gy
A-Wien (64)
5,2%
Kucera 1990
1980-1990
267
8,5 Gy
A-Wien (70)
Nguyen 1995 (91)
1984-1992
27
18,7%
10,9%
1,9%
1,1%
0,8%
8-10 Gy
CAN-Montreal
11%
Staehler 1985
11%
134
55,9%
D (121)
Taghian 1988 (126)
1975-1984
104
29-67 Gy
33%
2
F-Nancy *
17,3%
Weiss 1995 (132)
1987-1993
21
7-10 Gy
47%
D-Tübingen
12%
12%
35%
12%
5.4.2.3. Darm
Ähnlich wie zu einer akuten und chronischen Strahlenzystitis als Ausdruck einer
entzündlichen Reaktion der Blasenschleimhaut kommt es nach intrakavitärer und
perkutaner
Radiatio
behandlungsbedürftiger
des
kleinen
oder
nicht
Beckens
im
Bereich
behandlungsbedürftiger
des
Diarrhö.
Darmes
zu
Gefährdete
Darmabschnitte sind wegen der engen Lagebeziehung zum Uterus Rektum und Colon
sigmoideum sowie in das Strahlenfeld vorfallende Dünndarmabschnitte. Nach dem Ort
der strahlenbedingten Läsion lassen sich daher Proktitis / Rektitis / Sigmoiditis und
Enteritis unterscheiden. Schwierig einzuschätzen sind Symptome wie Obstipation, leichter
Meteorismus oder eine Ileus-Symptomatik. Pathophysiologisch kann hier ebenso die
paralytische Strahlenwirkung auf die Nervenplexus wie Adhäsionsbildung nach früheren
Operationen verursachend sein.
Dass Patientinnen mit Voroperationen im Bereich des Abdomens oder des kleinen
Beckens besonders gefährdet sind, konnte mehrfach nachgewiesen werden (115, 4).
Durch Ausbildung von Adhäsionen sind Dünn- und Dickdarmabschnitte zum Teil fixiert.
Diese Patienten profitieren bei der fraktionierten Bestrahlung nicht von dem Effekt, dass
sich die Darmabschnitte durch Peristaltikwellen verschieben und bei jeder neuen
Strahlenapplikation andere Darmabschnitte getroffen werden können.
Die nicht behandlungsbedürftige Diarrhö war in unserer Studie mit 27,9% (n = 34 von 122)
innerhalb der ersten sechs Monate nach der Behandlung die häufigste Komplikation des
Magen-Darm-Traktes. Behandlungsbedürftige Diarrhö trat dagegen nur in 9% (n = 11 von
122) auf (vergl. Tabelle 36, S. 73). Die Diarrhö tritt jedoch nur als Symptom einer
Strahlenenteritis oder einer Strahlenkolitis / -Proktitis auf. Hämorrhagien, SchleimhautUlzera, Schmerzen und Stenosierungen können ebenfalls Ausdruck einer akuten oder
chronischen Strahlenenteritis oder – kolitis sein. Auch hier gilt, dass eine definitive
Diagnose, insbesondere in Abgrenzung zu chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
oder akuten enteritischen Infekten, nur durch endoskopische Untersuchungen, Biopsie
und histologische Aufarbeitung gestellt werden kann. Ist keine Operationsindikation
gegeben, z.B. bei höhergradigen Darmstenosen oder Fistelbildungen, speziell der
Rektum-Scheidenfistel, wird aufgrund des symptomatischen Therapieansatzes meistens
auf eine solche Diagnostik verzichtet. Bei unserer retrospektiven Untersuchung stellte sich
immer wieder die Frage, welche Veränderungen oder Symptome tumorbedingt, welche
strahlenbedingt waren. Eindeutige oder hochwahrscheinlich tumorbedingte Läsionen wie
eine
Rektum-Scheiden-Fistel
bei
progredientem,
lokal
metastasierendem
Tumorgeschehen mit Rektuminfiltration wurden daher nicht als strahlenbedingte
Komplikation gewertet. Innerhalb der ersten 6 Monate nach Therapie traten in 2 Fällen
schwere Darmkomplikationen auf: Eine Patientin hatte eine Hb-relevante rektale Blutung,
die zweite eine symptomatische Sphinkterstenose mit Obstipation. Innerhalb der
folgenden 5 Jahre boten 3 weitere Patientinnen eine Grad 3 - Komplikation im Sinne einer
hämorrhagischen Kolitis.
Verglichen mit anderen Autoren (Tab. 54 und 55) waren die bei uns ermittelten Raten an
Früh- (40,2%) und Spätkomplikationen (19%) des Darmes aller Schweregrade und
speziell der schweren Grad 3 - Komplikationen (1,6%, resp. 5%) im mittleren Bereich
angesiedelt. Die in den Tabellen 54 und 55 genannten Raten beziehen sich dabei
ausschließlich auf Spätkomplikationen. Die geringste Rate an Darm-Läsionen aller
Schweregrade im Spätverlauf zeigte Deore (27) mit 8,2%, gefolgt von Shin (116) mit 11%.
Die höchste Rate lag bei Rodrigus (108) mit 54% und in relativ weitem Abstand dazu bei
Potter
(104)
mit
42,6%
vor.
Die
niedrigste
Rate
an
schweren
(Grad
3-)
Darmkomplikationen ermittelte, ausgenommen Kottmeier (66), Kucera (71) mit 0,8% für
Endometriumkarzinome und für die Zervixkarzinome wiederum Deore (27) mit 2%, gefolgt
von Le Pechoux (78) mit 2,3%, gegenüber Petereit (101) mit 15%. Bei den Ergebnissen
von Deore sind die unterschiedlichen Fraktionierungsschemata, die in Tabelle 47
aufgeführt
wurden
(S.
94)
zu
berücksichtigen.
Bei
einem
perkutanen
Fraktionierungsschema von 5 x 2 Gy, gesamt 50 Gy, fanden sich die wenigsten, bei 1 x
5,4 Gy, gesamt 37,8 Gy die meisten Komplikationen. Den Einfluß der perkutan auf das
kleine Becken applizierten Strahlendosis untersuchte auch Logsdon (83): Bei 1096
Patientinnen mit Zervixkarzinom im Stadium IIIb, die in der Zeit von 1960 bis 1993
strahlentherapeutisch
behandelt
worden
waren,
ergab
sich
bei
perkutanen
Bestrahlungsdosen > 52 Gy eine Rate an schweren Komplikationen von 57-68%, bei
Bestrahlungsdosen zwischen 48 und 52 Gy 28% und bei Dosen < / = 47 Gy 15% und
damit hochsignifikant unterschiedliche Komplikationsraten bei 5 Gy Dosisabweichung.
Auch Huang (56) kam zu dem Ergebnis, dass die Dosis der perkutanen Bestrahlung
entscheidend für das Ausmaß an Komplikationen ist. Bei 191 Patientinnen mit
Zervixkarzinom aller Stadien wurde die perkutane Bestrahlungsdosis (44-45 Gy auf das
gesamte kleine Becken und z.T. mit Booster-Bestrahlungen zwischen 5,4 und 14,4 Gy auf
die Parametrien) mit der Rate an Strahlenproktitis verknüpft. Dabei zeigte sich eine
Strahlenproktitis aller Schweregrade in 51% der Fälle für Dosen von > 54 Gy, 34% der
Fälle für Dosen zwischen 50 und 54 Gy und 12% der Fälle für Strahlendosen zwischen 44
und 45 Gy, unabhängig davon, ob das zentrale Strahlenfeld für die Booster-Bestrahlung
ausgeblockt worden war oder nicht.
Die per Rektumsonde gemessene Rektumdosis kann ebenfalls mit der Komplikationsrate
in Beziehung gesetzt werden. Während bei uns die gemessene akkumulierte
Rektumdosis mit dem Auftreten von schweren Spätkomplikationen negativ korrelierte (p <
0,005), konnte Shin (116) eine positive Korrelation für das Auftreten von rektalen
Komplikationen mit steigender Rektumdosis nachweisen. An dieser Stelle stellt sich
erneut die Frage, ob es sich um eine zufällige Konstellation handelt – was nach unserem
Ergebnis die Aussage statistisch signifikanter Ergebnisse relativiert – oder ob doch eine
einmal erhaltene Maximaldosis für den weiteren komplizierten oder unkomplizierten
Verlauf entscheidend ist.
5.4.2.4. Haut
Die Haut zeigt vor allem nach der Perkutanbestrahlung Reaktionen auf die Therapie,
abhängig von der perkutanen Strahlendosis. Leichtgradige Reaktionen (Grad 1) wie ein
Erythem treten regelmäßig auf, sind in den ersten Wochen nach Therapiebeendigung bei
guter Hautpflege aber rückläufig. Die Mitarbeit und Hautpflege der Patientin sind zu
diesem Zeitpunkt wichtig, um Ekzeme oder sogar Ulzerationen zu vermeiden, die
potentielle Eintrittspforten für Erreger sind. Schwere Komplikationen im Sinne von Ulzera,
Nekrosen oder feuchter Epitheliolyse sind unter therapeutischer Bestrahlung sehr selten.
So konnten wir innerhalb der ersten 6 Monate nach Radiatio bei 28,7% (n = 35 von 122)
der Patientinnen ein Erythem oder eine Intertrigo (Grad 1) dokumentieren, im Verlauf
nach 6 Monaten aber nur noch in 8 % (n = 6 von 74). Ein nässendes Ekzem fand sich
ausschließlich im Frühverlauf in 5,7% (n = 7) der Fälle. Die Prävalenz von
Stauungsdermatosen und Ulzera cruris unterschied sich nicht signifikant von dem
Auftreten vor Therapie.
Angesichts der im Vergleich zu anderen Läsionen geringen Bedeutung dieser
Hautreaktionen und kaum bleibenden Schädigungen findet sich keine Möglichkeit zum
Literaturvergleich.
5.4.3. Prognosefaktoren für das Auftreten von Komplikationen
In unserer Studie an primär strahlentherapierten Zervix- und Endometriumkarzinomen
korrelierten mit dem Auftreten von schweren (Grad 3-) Komplikationen:
•
Plattenepithelkarzinome der Zervix uteri, die gegenüber den Endometriumkarzinomen und den Adenokarzinomen signifikant häufiger von Komplikationen
des Schweregrads 3 betroffen waren
•
Hämoglobinwerte kleiner als 10g/dl vor Beginn der Strahlentherapie
Bei den Patientinnen, die schwere Spätkomplikationen des Darms erlitten:
•
zeigten sich die gemessenen Rektumdosen signifikant unterschiedlich zu den
Rektumdosen bei Patientinnen ohne schwere Darmkomplikationen (p < 0,05).
Allerdings war die Rektumdosis bei den Frauen mit schweren Komplikationen
geringer als bei den Frauen ohne schwere Darmkomplikationen
Bei den Patientinnen, die während der Strahlentherapie eine oder mehrere Zystitiden
entwickelten:
•
lag die kumulative Blasendosis signifikant höher als bei den Patientinnen ohne
Zystitis während Radiatio
Folgende Faktoren sind von anderen Autoren für die Entwicklung von strahlenbedingten
Komplikationen erarbeitet worden, die für die Prognose bedeutsam sind:
•
Gesamtdosis der perkutanen Teletherapie (56, 78, 83)
•
Fraktionierung und Dosis pro Fraktion der perkutanen Teletherapie (27)
•
gemessene Rektumdosis (21, 23, 100, 116, 126) für Darmkomplikationen
•
kalkulierte Rektumdosis (22, 24) für Darmkomplikationen
•
Punkt A – Dosis für Blasen- und Darmkomplikationen (23, 94, 100)
•
keine Korrelation zwischen Strahlendosen und schweren Komplikationen (62)
•
gemessene Blasendosis (126, 31) für Komplikationen der ableitenden Harnwege
•
exzessive Radiotherapie (115)
•
KHK als Begleiterkrankung (Sher 1990)
•
fixierte Dünndarmschlingen (4, 115)
•
Zielvolumen über 300cm³ (129)
•
FIGO-Stadium (21, 59, 80)
•
Rauchen (68)
5.5.
Einsatz der Vaginalsonografie beim Tumorstaging
und in der Planung der Afterloading-Therapie
Über den Einsatz der Vaginalsonografie im Bereich des Tumorstagings, über die
sonografische Beurteilbarkeit des Remissionsverhaltens sowie über den Einsatz in der
Therapieplanung bei der primären Strahlentherapie gynäkologischer Tumoren gibt es
bisher wenig Literatur. Nachdem die Computertomografie sich im Bereich des
Tumorstagings als relativ ungenau erwiesen hat (vergl. Kap. 1.6.4.), erlebte in den letzten
Jahren - insbesondere in der zweiten Hälfte der 90er Jahre, nach Abschluss unserer
Datenerhebung - die Magnetresonanztomografie einen regelrechten Boom. Vorteile: Die
Methode bietet eine hohe Genauigkeit, die Befunderhebung ist am Bild reproduzierbar,
und der Patient erfährt keinerlei Strahlenbelastung. Andererseits ist die Methode nicht bei
allen
Patienten
anwendbar:
Patienten
mit
Metallimplantaten
können
nicht
magnetresonanztomografisch untersucht werden, da die Anwesenheit von Metall das
Magnetfeld ablenkt. Bei einigen Patienten scheitert die Untersuchung an der durch die
enge „Röhre“ ausgelösten Agoraphobie. Dennoch bietet die MRT eine hohe
Verlässlichkeit
und
ist
auch
im
Bereich
der
Uterusmalignome
zu
einer
Standarduntersuchung geworden, die ergänzend zum Tumorstaging (50, 51, 92, 104,
130) und in der Planung der intrakavitären Strahlentherapie eingesetzt wird (86, 112130).
Die einfache, schmerzlose und für die Patientin weniger belastende Vaginalsonografie hat
ihren festen Stellenwert in der klinischen Diagnostik. Für eine Bestrahlungsplanung
kommt sie jedoch kaum zum Einsatz.
Neben
der
Verlässlichkeit
einer
Untersuchungsmethode
gewinnt
in
unserem
Gesundheitswesen der finanzielle Aspekt verschiedener Verfahren zunehmend an
Bedeutung. Daher sei in diesem Zusammenhang auch auf die Kosten der genannten
bildgebenden Verfahren hingewiesen: Eine Computertomografie im Bereich des
Abdomens und / oder des Beckens kostet im 1-fachen Satz nach der Gebührenordnung
für
Ärzte
(54)
€
151,55,
eine
CT
zur
Bestrahlungsplanung
€
58,29.
Eine
Magnetresonanztomografie im Bereich des Abdomens und / oder des Beckens kostet laut
GOÄ € 256,46. Demgegenüber liegen die Kosten für die Ultraschalluntersuchung eines
Organs und bis zu drei weiteren Organen bei € 16,32.
5.5.1. Tumorstaging
Zur Stadieneinteilung des Zervixkarzinoms nach histologisch gesicherter Diagnose gilt
nach dem FIGO-System die bimanuelle Palpation bis heute als Goldstandard. Zur
Beurteilung
der
lokoregionären
Lymphknotenmetastasen
(92)
wurde
Ausdehnung
seit
ihrer
und
zur
Einführung
Detektion
von
zunehmend
die
Magnetresonanztomografie eingesetzt. Sie bietet eine höhere Sensitivität bezüglich der
extrazervikalen Tumorausdehnung (86) und wird z.T. als Methode der Wahl zum
Tumorstaging, zur Beurteilung des Remissionsverhaltens und zur Diagnose von
Rezidiven des Zervixkarzinoms (130) propagiert. Jedoch konnte mit Hilfe der MRT keine
Verbesserung gegenüber der Palpationsuntersuchung bei der stadiengerechten korrekten
Therapieentscheidung erzielt werden (50, 103). Bezüglich des Einsatzes der MRT in der
Bestrahlungsplanung (112) bleibt das Problem der nur näherungsweise kalkulierbaren
Überschneidungen von Isodosenvolumina der Brachy- und der Teletherapie bestehen.
Auch die Stadieneinteilung des primär bestrahlten Endometriumkarzinoms erfolgt nach
histologischer Diagnosesicherung mittels fraktionierter Abrasio durch die Palpation und
wird im Stadium I ergänzt durch die Bestimmung der intrauterinen Sondenlänge. Nach
pathologisch-anatomischen und auch strahlentherapeutischen Gesichtspunkten ist jedoch
die Tumorausdehnung auf Endometrium bzw. Myometrium sowie die Infiltrationstiefe ins
Myometrium, nicht etwa die Größe des Uterus und die Länge des Uteruskavums, für die
Prognose und Therapiefindung entscheidend. Mittels Vaginalsonografie ist eine
Bestimmung der Infiltrationstiefe in das Myometrium möglich und wird zu 80% korrekt
erhoben (17, 42, 75, 114,). Cacciatore et al. (16) zeigten für 93 Endometriumkarzinome
ein sonografisch korrektes Staging in 91%, überprüft durch ein nachfolgendes chirurgischpathologisches
Staging.
Dagegen
korrelierte
die
Uterusgröße
nicht
mit
Myometriuminfiltration und Tumorstadium. Zur Differenzierung zwischen pathologischen
Prozessen
des
Endo-
und
Myometriums
wie
maligner
Tumorinfiltration,
Endometriumhyperplasie, Pyometra oder organisierten Hämatomen können des weiteren
auch bei sonst
inoperablen Patientinnen die Hysterosonografie (45)
und die
Hysteroskopie (35) beitragen.
•
Es ist daher zu fordern, dass die Vaginalsonografie als wenig belastendes,
personell und organisatorisch wenig zeitaufwendiges und kostenkünstiges
Verfahren standardmässig in die prätherapeutische Stadieneinteilung der
Zervixkarzinome und der primär strahlentherapierten Endometriumkarzinome zu
integrieren ist.
5.5.2. Bestrahlungsplanung
Auch zur Planung der Afterloading-Therapie diente bisher die Palpationsuntersuchung
des Uterus als Goldstandard.
Um
für
die
intrakavitäre
und
perkutane
Radiatio
eine
dreidimensionale
Bestrahlungsplanung zu ermöglichen, wurden bei uns zusätzlich für die AfterloadingTherapie ergänzend konventionelle Röntgenaufnahmen mit intrakavitär positioniertem
Applikator durchgeführt. Für die Planung der perkutanen Teletherapie wurde regelmäßig
eine Computertomografie des kleinen Beckens mit transversalen Schichtaufnahmen
angefertigt.
Mit dem Ziel, eine im Vergleich zur klinischen Untersuchung genauere und objektivere
Darstellung des Uterus und des zu bestrahlenden Tumorvolumens zu erlangen, wurden in
unserer Studie die Patientinnen beider Karzinomgruppen mittels Vaginalsonografie
untersucht. Im Vergleich etwa mit einer MRT-Untersuchung ist dabei zu berücksichtigen,
dass Ultraschallmethoden immer einer gewissen Subjektivität durch den Untersucher
unterliegen; durch moderne, hochauflösende Ultraschallgeräte sind pathologische
Strukturen jedoch gut darstellbar und mittels Videodokumentation und / oder magnetooptischer Platte und / oder Dokumentation auf Printmedien auch reproduzierbar.
Die in den Tabellen 42 und 43 (S. 77 / 78) im Median gezeigten erhobenen Daten
erlaubten eine zweidimensionale Darstellung des Uterus mit seinen Anteilen Fundus und
Zervix sowie eine eindimensionale Darstellung des Myometriums und der Parametrien.
Die erhobenen Ultraschalldaten wurden wie in Abb. 8 (S.44) dargestellt direkt in die
Bestrahlungsplanung übernommen. Die zu bestrahlenden Längen bzw. Flächen wurden
also vom vaginalsonografischen Befund in das computergesteuerte BestrahlungsProgramm für die Iridium192 - Afterloading-Therapie integriert; die gynäkologische
Untersuchung wurde als alleinige Grundlage zur Bestrahlungsplanung nur für die 38
Patientinnen herangezogen, bei denen keine Vaginalsonografie durchgeführt werden
konnte. Die Patientinnen mit Zervixkarzinom erhielten nach der dritten AfterloadingEinlage eine erneute Vaginalsonografie zur Anpassung des Isodosenverlaufs an die
veränderte
Tumoranatomie.
Die
abschließende
Ultraschalluntersuchung
beider
Karzinomarten nach Beendigung der Strahlentherapie gab Aufschluss über das
Remissionsverhalten des Tumors und somit das Ansprechen auf die kombinierte
Strahlentherapie. Von initial 96 sonografierten Patientinnen konnte jedoch die
sonografische Abschlussuntersuchung nur bei 56 Patientinnen dokumentiert werden. Im
Vergleich der prä- und posttherapeutischen Ultraschalldaten beobachteten wir eine
deutliche Abnahme der Uterusgröße bzw. -länge sowie eine signifikante Reduktion der
lateralen Zervixausdehnung.
Um eine maximale Gewebeschonung zu erreichen, ist über die Festlegung von
Fraktionierungsschemata
hinaus
(Kap.
5.2.)
eine
optimale
Bestrahlungsplanung
erforderlich, die das Tumorvolumen, das tumortragende Organ und die Risikoorgane im
Umgebungsgewebe in ihrer dreidimensionalen Ausdehnung begreift. Hierfür kann die
Vaginalsonografie einen entscheidenden Beitrag leisten. Es erscheint essentiell, dass es
mit Hilfe der heute möglichen digitalisierten Bildgebung – ob magnetresonanztomografisch oder vaginalsonografisch – möglich sein wird, das zu bestrahlende Zielvolumen
und das tatsächlich bestrahlte Volumen nahezu in Kongruenz zu bringen. Hierfür sind
nach Mock et al. (88) zusätzlich neue Applikatorsysteme erforderlich. Im Falle des
Endometriumkarzinoms entspricht bei der Afterloading-Therapie unabhängig von der
Tumorausbreitung der gesamte Uterus dem Zielvolumen, so dass die zu applizierende
Strahlendosis auf die Uterusoberfläche berechnet wird. Mit herkömmlichen Applikatoren
fanden Mock et al. einen 47%igen (Standard 1-Kanal-Applikatoren) bis 70%igen
(Heyman-Applikatoren) Einschluss des Uterusvolumens in das tatsächlich bestrahlte
Volumen.
Ob die anhand vaginalsonografisch erhobener Daten durchgeführte Bestrahlungsplanung
tatsächlich
eine
Verminderung
der
Strahlenbelastung
an
den
Risikoorganen
gewährleisten kann, muss anhand von randomisierten Studien – Bestrahlungsplanung
mittels Palpationsbefund versus Bestrahlungsplanung mittels Ultraschall, und sicher auch
im kritischen Vergleich mit der MRT– geprüft werden.
•
Für die Afterloading-Therapie ist ein Computerprogramm zu fordern, welches eine
individuelle Anpassung der zu applizierenden Strahlendosis erlaubt: Hierzu könnte
ein in das Computerprogramm integriertes Uterusmodell dienen, welches die
individuellen Maße jeder einzelnen Patientin wie Uteruslänge, Uterussondenlänge,
Ausdehnung des Fundus, des Korpus, des Isthmus und der Zervix und des
Tumors in drei Dimensionen verarbeitet.
•
Die Daten des Bestrahlungsplanungs-CTs, welches für die perkutane Teletherapie
weiterhin
erforderlich
sein
wird,
sollten
(digitalisiert)
in
ein
solches
Computerprogramm übertragbar sein.
•
Das Computerprogramm sollte so konfiguriert sein, dass geplante und bereits
applizierte
Strahlendosen
auf
das
3D-Bild
übertragen
und
so
Überschneidungsflächen bzw. –Volumina zwischen Brachy- und Teletherapie z.B.
durch
farbige
Hervorhebung
visualisierbar
werden.
Anhand
bekannter
Isodosenkurven und Isodosenflächen könnten individuelle Isodosenvolumina in
ihrer topografischen Beziehung zu Risikoorganen dargestellt werden.
•
Zur
Realisierung
eines
solchen
Vorgehens
sind
die
Hersteller
der
Bestrahlungsanlagen in der Pflicht, entsprechende Computerprogramme zu
erstellen.
Girinski et al. schlugen bereits 1987 vor, Ultraschalluntersuchungen als Basis für die
intrakavitäre
Bestrahlungsplanung
von
Zervix-
und
Endometriumkarzinomen
zu
verwenden. Günther und Degenhardt (45) setzten in Hannover die Vaginalsonografie in
ähnlicher
Weise
wie
an
unserer
Klinik
in
der
Bestrahlungsplanung
ein.
Vaginalsonografisch bestimmt wurden die anatomischen Maße Uteruslänge, -dicke und –
breite sowie beim Zervixkarzinom die Infiltrationslänge und –tiefe des Tumors im Bereich
der Zervix, beim Korpuskarzinom Infiltrationslänge und –breite des Tumors im Bereich
des Endometriums, die Infiltrationstiefe im Fundusbereich und an Uterusvorder- und –
hinterwand. Nach diesen Daten wurde ein Isodosenplan mit Dosismaximum im
Tumorbereich ausgewählt. Der jeweils erforderliche Applikator und die Blasensonde
wurden bei gefüllter Blase unter abdominalsonografischer Kontrolle positioniert und so
eine
sichere
Sondierung
ohne
Perforation
gewährleistet.
Eine
zusätzliche
Röntgendiagnostik war nicht mehr erforderlich. Für die intrakavitäre Bestrahlung des
Endometriumkarzinoms hoben Günther / Degenhardt (45) die dosimetrische Bedeutung
der Myometriumdicke im Fundusbereich hervor, da je nach Positionierung der
Applikatorspitze anhand des Isodosenverlaufs die Strahlenbelastung der anliegenden
Darmanteile abgeschätzt werden konnte, die der üblichen Aktivitätsmessung durch die
Rektumsonde nicht zugänglich waren.
Insbesondere für abdominal voroperierte Patientinnen mit potentiellen Adhäsionen ist eine
Abschätzung der Dosis und eine entsprechende Anpassung der Bestrahlungsplanung
wichtig, um die Komplikationsrate in diesem Bereich zu verringern.
5.5.3. Verlaufsbeurteilung - Nachsorge
Der Einsatz der Vaginalsonografie in der Beurteilung des Remissionsverhaltens und in
der weiteren Tumornachsorge sowohl beim Zervix- als auch beim Korpuskarzinom
erscheint nach den obigen Ausführungen logisch und sinnvoll. Insbesondere für das
primär bestrahlte Endometriumkarzinom liegen aber kaum Vergleichsdaten vor. Darüber
hinaus ist die sonografische Beurteilung pathologischer Veränderungen beim bestrahlten
Uterus möglicherweise diffiziler; doch auch der Einsatz anderer bildgebender Verfahren
ist problematisch. Flückiger et al. (34) fanden bei 25 primär bestrahlten und mit MRT
untersuchten Patientinnen mit Zervixkarzinom eine zunächst hohe, im Verlauf jedoch
abnehmende Signalintensität von Strahlenfibrosen. Da sowohl Tumorgewebe als auch
Fibrosen eine hohe Signalintensität im T2-gewichteten Bild aufweisen, war innerhalb der
ersten 6 Monate nach Therapieende die Unterscheidung zwischen Residualtumor bzw.
Rezidiv und Strahlenfibrose im MRT nicht möglich. Erst nach 6 Monaten nahm die
Signalintensität von Fibrosen gegenüber Tumorgewebe signifikant ab. Gerade zur
Beurteilung des Therapieerfolges ist jedoch eine rasche Einschätzung innerhalb der
ersten 2 Monate wichtig, um strahlenresistente Tumore entsprechend aggressiv
behandeln zu können.
Die Ausdehnung der Zervix uteri bei den Zervixtumoren, und insbesondere das laterale
Zervixausmaß, wurden von anderen Autoren immer wieder als wichtiger prognostischer
Faktor genannt (1, 8, 51, 55, 60, 83, 96, 97, 98). Mit dem vaginalen Ultraschall steht somit
eine Untersuchungsmethode zur Verfügung, die nicht nur den lateralen, anteriorposterioren
und
craniocaudalen
Zervix-Durchmesser
millimetergenau
bestimmen,
sondern insbesondere seine Abnahme und damit ein Ansprechen des Tumors auf die
Therapie belegen kann. Folglich könnten Tumore, die nach 2-3 Afterloading-Einlagen
nicht signifikant regredient sind, aggressiver behandelt werden. Mittels adjuvanter
Chemotherapie
wäre
bei
diesen
Patientinnen
möglicherweise
eine
höhere
Strahlensensibilität des Tumorgewebes und damit eine Verbesserung der Ergebnisse
auch großer Tumore zu erzielen, die initial schlecht auf die Bestrahlung ansprechen.
6.
SCHLUSSFOLGERUNGEN
Von einer Vielzahl von Autoren wird eine Verlängerung der Gesamtbehandlungszeit mit
einem Verlust an lokaler Tumorkontrolle und einer Verringerung der Überlebensraten –
zumindest beim gut untersuchten Zervixkarzinom – in Zusammenhang gebracht. Der
nachteilige Effekt einer Therapiezeitverlängerung und damit von geplanten oder
ungeplanten Unterbrechungen in der Strahlentherapie scheint gesichert zu sein.
Regelmäßig geplante Unterbrechungen entstehen bei der perkutanen Teletherapie, die in
der Regel täglich appliziert wird, durch Therapiepausen an den Wochenenden. Die
Bereitschaft, auch samstags und sonntags zu bestrahlen, wird zukünftig diskutiert werden
müssen, denn die Zellbiologie des Tumorgewebes macht vor dem Wochenende nicht halt.
Weiterhin entscheidend für das Therapieresultat ist das initiale Ansprechen des Tumors
und das Stadium der Erkrankung. Eine große Bedeutung kommt der Fraktionierung der
Radiatio zu, während die Höhe der Gesamt-Strahlendosis nicht sicher maßgebend für den
Therapieerfolg ist. Streng dosisabhängig ist jedoch das Ausmaß der Komplikationen
sowohl während der Therapie, in den ersten 6 Monaten danach und im Spätverlauf nach
über 6 Monaten.
Komplikationen während der Strahlentherapie wie Diarrhö oder Zystitis können eine
Therapiepause erzwingen. Die an unserer Klinik bei beiden Formen des Uteruskarzinoms
durchgeführte kombinierte Strahlentherapie zeichnet sich mit 8 Gy pro Fraktion durch
vergleichsweise hohe intrakavitäre Strahlendosen aus. Um eine Verringerung der Rate an
Komplikationen aller Schweregrade und dadurch auch eine kürzere Therapiezeit zu
erreichen, sollte es möglich sein, eine moderatere Strahlentherapie mit geringeren
Einzeldosen durchzuführen. Um den Frauen die größtmögliche Lebensqualität zu
verschaffen, muss vor allem das Ausmaß und die Schwere der Spätkomplikationen
reduziert werden. Wenn damit eine minimale Veränderung der lokalen Tumorkontrolle und
auch der Überlebensrate in Kauf genommen werden muss, sollte dies nach jeweiliger
individueller Situation und im Einvernehmen mit der Patientin und den Angehörigen
diskutiert werden.
Bis
heute
bestehen
national
und
international
keine
anerkannt
optimalen
Fraktionierungsschemata. Insbesondere zum primär strahlentherapierten Zervixkarzinom
sind in der Vergangenheit zahlreiche retrospektive und prospektive Studien durchgeführt
worden, die immer wieder voneinander abweichende Ergebnisse präsentieren. Daher
wäre es zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll, eine Metaanalyse aller verfügbaren Studiendaten
der letzten 30 Jahre getrennt für Zervix- und Endometriumkarzinome durchzuführen. Zur
korrekten
Erfassung
und
Bewertung
der
aufgetretenen
Komplikationen
nach
Strahlentherapie muss ein international einheitlicher Bewertungsmaßstab für die
Gradeinteilung der Strahlenreaktionen der verschiedenen Risikoorgane etabliert werden.
Auf dieser Basis müssen von international anerkannten Gesellschaften (z.B. Europäische
Gesellschaft für Gynäkologie, American College of Obstetricians and Gynecologists)
Leitlinien zur definierten, stadienabhängigen Strahlentherapie für das Zervix- und das
Endometriumkarzinom erstellt und in regelmäßigen Abständen (z.B. alle 10 Jahre)
aktualisiert werden. Klinische Studien sollten als Multicenterstudien mit einem MinimumFollow-up von 5 Jahren unter Einbeziehung der Lebensqualität der Patientinnen geführt
werden.
Die Einführung der Vaginalsonografie in die Planung der intrakavitären Strahlentherapie
hat sich als erfolgreiche Methode erwiesen. Eine Verbesserung der Endpunkte lokale
Tumorkontrolle, Überlebensraten und Komplikationsraten konnte in unserer Studie noch
nicht herausgearbeitet werden. Den Stellenwert des vaginalen Ultraschalls für die
Bestrahlungsplanung zu ermitteln, auch im Vergleich mit der Magnetresonanztomografie,
muss Ziel zukünftiger Untersuchungen sein. Mit dem Anspruch, ein kostengünstiges
Verfahren zu entwickeln, das auch außerhalb der westlichen Industrieländer eine effektive
Therapie nach den Standards europäischer und amerikanischer Gesellschaften
ermöglicht, wird der Einsatz der Vaginalsonografie in der Bestrahlungsplanung weite
Verbreitung finden.
7.
ZUSAMMENFASSUNG
In einer retrospektiven Studie wurden 134 Patientinnen mit Zervix- (n = 96) und
Endometriumkarzinom (n = 38) von 11/1985 bis 05/1996 erfasst, die einer primären HDRAfterloading-Therapie zugeführt wurden. Davon wurden bis Mitte des Jahres 1988 35
Patientinnen mit dem Buchler-Gerät, von da an bis Mitte 1996 99 Patientinnen mit dem
Sauerwein-Gerät bestrahlt. 105 Patientinnen erhielten kombiniert eine perkutane
Teletherapie. Zur Planung der intrakavitären Bestrahlung wurden 96 Patientinnen
vaginalsonografiert und die erhobenen Daten direkt in die Bestrahlungsplanung integriert.
Die Patientinnen mit Zervixkarzinom wurden überwiegend dem stadiengerechten
Therapieregime der Wahl zugeführt, während die Patientinnen mit Endometriumkarzinom
aus überwiegend medizinischen Gründen der Inoperabilität eine primäre Radiatio
erhielten.
Die Studie beschäftigte sich mit der Fragestellung, wie die Gruppe der primär bestrahlten
Patientinnen mit Zervix- und Endometriumkarzinom zu charakterisieren ist, welchen
Modalitäten die strahlentherapeutische Behandlung unterlag, welche Ergebnisse und
welche Komplikationen der primären Radiatio aufgezeigt werden können, und wie der
Einsatz der Vaginalsonografie in der Bestrahlungsplanung und in der Verlaufsbeurteilung
zu bewerten ist.
Bei der vorliegenden Patientenpopulation bestand mit 69,5 Jahren ein hohes medianes
Alter, auch im Vergleich mit anderen Autoren. Dabei waren die Korpuskarzinompatientinnen im Mittel um 12 Jahre älter als die Patientinnen mit Zervixkarzinom. Die
untersuchten Risikofaktoren für die Karzinomentstehung deckten sich mit den Angaben in
der Literatur. Übergewicht trat bei unseren Korpuskarzinom-Patientinnen seltener als bei
anderen Kollektiven auf, Diabetes mellitus und arterielle Hypertonie waren dagegen bei
beiden Karzinomen überdurchschnittlich häufig festzustellen. Die meisten Frauen
befanden sich in der Postmenopause. Bei beiden Karzinomen trat die vaginale Blutung
als häufigstes Erstsymptom in Erscheinung, gefolgt von Unterleibsschmerzen und
vaginalem Ausfluss. Im Hinblick auf die gynäkologische Anamnese waren bedeutende
Unterschiede
zur
Normalbevölkerung
oder
zu
anderen
Studienkollektiven
nicht
verifizierbar.
Die Stadienverteilung unterschied sich nicht wesentlich von anderen Studien. Die histopathologische Diagnose mit überwiegendem Auftreten von Plattenepithelkarzinomen beim
Zervixmalignom
und
Adenokarzinomen
Beschreibungen in der Literatur.
beim
Korpusmalignom
entsprach
den
Im Rahmen der kombinierten Strahlentherapie wurden in 6 Afterloading - Fraktionen in
192
wöchentlichen Abständen jeweils 8 Gy durch das Radioisotop
Iridium auf die
Tumoroberfläche bei den Zervixkarzinomen und auf die Uterusoberfläche bei den
Endometriumkarzinomen appliziert. Mit dem Buchler-Gerät wurden bis 1988 Einzeldosen
von 10 Gy intrakavitär appliziert. Mittels Perkutanbestrahlung wurde das kleine Becken in
durchschnittlich 23 Fraktionen mit 46 Gy überwiegend in 2 Felder-Stehtechnik oder in 4Felder Boxtechnik bestrahlt. Üblicherweise wurde mit der perkutanen Radiatio 2 Wochen
vor Beginn der Afterloading - Therapie begonnen. Die Gesamtbehandlungszeit lag bei der
Buchler-Gruppe bei median 71 Tagen, bei der Sauerwein-Gruppe bei median 51 Tagen.
Es
wurde
eine
mediane
Blasenbelastung
von
17,32
Gy und
eine
mediane
Rektumbelastung von 20,05 Gy gemessen.
Im Zusammenhang mit den Ergebnissen der primären Strahlentherapie lässt sich
sagen,
dass
nach
wie
vor
–
sowohl
beim
Zervixkarzinom,
als
auch
beim
Endometriumkarzinom – keine allgemein anerkannt optimalen Therapieschemata
vorliegen. Die Aussagen zu Überlebensraten und lokaler Tumorkontrolle sind auch bei
vergleichbaren Fraktionierungsschemata in der Literatur widersprüchlich.
Unter der Annahme, dass im Falle des Versterbens einer Patientin die Klinik informiert
wurde, konnte in unserer Studie für die Zervixkarzinome eine wahrscheinliche 5-JahresÜberlebensrate von 70% für alle Stadien und für die Stadien Ib, IIa, IIb, IIIa, IIIb, IVa und
IVb 90%, 100%, 75%, 50%, 45%, 83% und 100% ermittelt werden. Für die
Endometriumkarzinome ergab sich eine 5-Jahres-Überlebensrate von 63% für alle
Stadien und für die Stadien I, II, III und IV 71%, 50%, 64% und 67%. Die errechneten 5Jahresüberlebensraten von 83% resp. 100% für die Stadien IVa und IVb des
Zervixkarzinoms
und
64%
resp.
67%
für
die
Stadien
III
und
IV
des
Endometriumkarzinoms resultierten a.e. aus einem Informationsdefizit. Nach 1 Jahr
befanden sich 80% der Patientinnen mit Zervixkarzinom und 79% der Patientinnen mit
Endometriumkarzinom in lokaler Tumorkontrolle. Die ermittelten wahrscheinlichen
Überlebensraten sowie die 1-Jahres-lokale-Tumorkontrolle sind aufgrund des kurzen
medianen Follow-up von 14,5 Monaten (Mittel 23 Monate) jedoch eingeschränkt
beurteilbar.
Die Komplikationsraten lagen im Frühverlauf bis zu 6 Monate nach Strahlentherapie bei
75% (n = 92) für alle Schweregrade und bei 13,1% (n = 16) für Grad 3 - Komplikationen.
Im Spätverlauf innerhalb der folgenden 5 Jahre traten in 49% der Fälle (n = 36)
Komplikationen aller Schweregrade und 19% der Fälle (n = 14) Grad 3 - Komplikationen
auf. Patientinnen mit Plattenepithelkarzinomen und Patientinnen mit relevanter Anämie
vor Beginn der Bestrahlung waren besonders gefährdet, schwere Komplikationen zu
erleiden.
Die ermittelten Komplikationsraten bewegen sich im mittleren Bereich und weichen von
den Ergebnissen anderer Arbeitsgruppen nicht signifikant ab; insbesondere waren die
Komplikationsraten nicht höher als bei anderen Autoren mit geringeren intrakavitären
Einzeldosen. Allerdings sind Vergleiche aufgrund uneinheitlicher Bewertungsskalen
erschwert. Das Ausmaß vor allem der Spätfolgen macht jedoch die Notwendigkeit einer
erweiterten Protektion der Risikoorgane deutlich, mit dem Ziel, die Lebensqualität der
Patientinnen zu verbessern.
Zu den Faktoren, die für die Prognose der Patientinnen von Bedeutung sind und auch
therapeutisch beeinflusst werden können, gehören nach mehrheitlicher Meinung
Hämoglobin- und Hämatokritwerte, Afterloadingdosis, perkutane Strahlendosis und
Gesamtbehandlungszeit. Alter, Stadium der Erkrankung und Histologie sind ebenfalls
prognostisch bedeutsam, lassen sich zum Zeitpunkt der Diagnosestellung dagegen nicht
beeinflussen. Die Beobachtung, dass unabhängig vom Stadium das Tumorvolumen für
den Behandlungserfolg eine große Rolle zu spielen scheint, sollte Anlass dazu sein,
große Tumore besonders aggressiv, ggf. durch adjuvante Therapiemaßnahmen, zu
behandeln. Weiterhin zeichnet sich ab, dass zur Verbesserung der Ergebnisse bei der
strahlentherapeutischen Behandlung des Zervixkarzinoms die Entwicklung von Agenzien
zur Erhöhung der Radiosensitivität wie z.B. die bessere Oxygenierung von Tumorzellen,
von zunehmender Bedeutung sein wird.
In 96 Fällen wurde prätherapeutisch eine Vaginalsonografie zur Optimierung der
Bestrahlungsplanung durchgeführt und der „golden standard“ Palpationsbefund nur bei
den 38 nicht sonografierten Patientinnen zur Planung der Afterloading-Therapie
verwendet. Beschrieben wurde eine Methode, die die zweidimensionalen Ultraschalldaten
direkt in die Bestrahlungsplanung integriert. Anhand der gewonnen Messdaten wurden
Oszillationszeit und Fahrlänge der Strahlenquelle festgelegt.
Ziel für die Zukunft ist ein Computerprogramm, welches die sonografische Darstellung von
Uterus und Tumor in drei Dimensionen verarbeitet und mit den Daten der perkutanen
Teletherapie abgleicht. Isodosenvolumina und Überschneidungsflächen im Bereich von
Risikoorganen
sollten
zukünftig
visualisierbar
sein
und
eine
Anpassung
des
Bestrahlungsprogramms ermöglichen. Anders als mit der zunehmend eingesetzten
Magnetresonanztomografie stünde auch Ländern außerhalb der Industriegesellschaften
ein kostengünstiges Verfahren für die optimierte Bestrahlungsplanung zur Verfügung.
Der Einsatz der Vaginalsonografie für das Tumorstaging und in der Verlaufsbeobachtung
hinsichtlich des Remissionsverhaltens von Zervix- und Endometriumkarzinomen muss
außerdem diskutiert werden.
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DANKSAGUNG
Herrn Prof. Dr. med. K. Quakernack und Herrn Prof. Dr. med. G. Schaller danke ich für
die Überlassung des Themas der vorliegenden Arbeit.
Herrn Dr. med. V. Jaspers danke ich für die freundliche Unterstützung bei der
Durchführung.
Herrn F. Fallenstein danke ich für die Unterstützung bei der statistischen Auswertung.
LEBENSLAUF
Name:
Christiane Heuser, geb. Nullmeier
Adresse:
D - Benzstr. 21, 42117 Wuppertal
Telefon:
0202 – 30 99 5 38
Geburtsdatum/-ort
18.07.1971 in Bielefeld
Familienstand:
verheiratet mit Jörg Heuser, Facharzt für Pädiatrie
Nationalität:
deutsch
Konfession:
evangelisch
Schulbildung:
08.1978 – 07.1982
Grundschule Wülfer-Bexten, Bad Salzuflen
09.1982 – 06.1991
Gymnasium / Schulzentrum Werl-Aspe, Bad Salzuflen
06.1991
Abitur
Studium:
10.1991 - 11.1998
Studium der Humanmedizin, Ruhr-Universität Bochum
09.1993
Ärztliche Vorprüfung (Physikum)
10.1994 - 09.1995
Zweites Jahr des klinischen Studienabschnitts / Université Claude
Bernard Lyon I, Faculté de Médecine Alexis Carrel, Frankreich
03.1996
Erstes Staatsexamen
03.1997
Zweites Staatsexamen
10.1997 – 09.1998
Praktisches Jahr:
Chirurgie: Hôpital de Montreux, Université de Lausanne, Schweiz;
Innere Medizin: Sunderland Royal Hospital, University of
Newcastle-upon-Tyne, Großbritannien
Gynäkologie und Geburtshilfe: Marienhospital Herne, Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum
11.1998
Drittes Staatsexamen (Ärztliche Prüfung)
Berufliche Weiterbildung:
02.1999 - 08.2000
Ärztin im Praktikum
Medizinische Klinik 2, Klinikum Wuppertal GmbH
08.2000
Vollapprobation
Seit 15.08.2000
Assistenzärztin
Herzzentrum Wuppertal, Medizinische Klinik 3, Klinikum Wuppertal
GmbH, seit 01.01.2003 Helios Klinikum Wuppertal
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