Checkliste Chirurgie - Beck-Shop

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Checkliste Chirurgie
von
Felix Largiadèr, Hans-Detlev Saeger, Otmar Trentz
Neuausgabe
Thieme 2007
Verlag C.H. Beck im Internet:
www.beck.de
ISBN 978 3 13 522509 8
Zu Inhaltsverzeichnis
schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG
Familienanamnese
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Relevante Erkrankungen und ggf. Todesursachen von Groûeltern, Eltern, Geschwistern, Kindern (Stoffwechselkrankheiten, Malignome).
Vererbbare Krankheiten.
Fremdanamnese
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"
"
"
Bei primär intubierten, desorientierten oder bewusstseinsgestörten Patienten: Angehörige, Hausarzt, Pflegepersonal des Altenheims, andere Zeugen, Notarzt.
Bei Kindern immer zusätzlich (!) die Eltern befragen.
Hinweise für Aggravation, Simulation, Dissimulation?
Vorangegangene
Untersuchungen
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"
"
"
Welcher Arzt hat wann welche Untersuchungen durchgeführt?
Welche Dokumente bringt der Patient mit? Welche können z. B. durch Angehörige
in einer adäquaten Zeit besorgt werden (Post nicht zu empfehlen)? Ggf. sich Befunde
faxen oder mailen lassen.
Was wurde dem Patienten über die Resultate dieser Untersuchungen gesagt?
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Anamnese und Untersuchungstechniken
1.2 Allgemeine körperliche Untersuchung
1.2 Allgemeine körperliche Untersuchung
Vorbemerkung
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"
"
"
"
"
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Die Untersuchung bezieht sich auf den ganzen Menschen und nicht nur auf eine
einzelne Körperregion.
Sprechen Sie mit dem Patienten. Die Beurteilung seiner psychischen und sozialen
Lage gehören zur Untersuchung.
Der Patient sollte bis auf Unterhose und Kliniknachthemd entkleidet sein (Vorbereitung durch Krankenschwester empfohlen; im Idealfall hat diese bereits die Vitalparameter, Gröûe und Gewicht des Patienten notiert, Blut abgenommen und ein
EKG geschrieben).
Es müsste eine Selbstverständlichkeit sein, dass während der Untersuchung niemand in das Zimmer kommt (auch kein Pflegepersonal). Schützen Sie die Privatsphäre Ihres Patienten.
Für die intime Untersuchung einer Patientin eine Krankenschwester als Zeugin
dazubitten.
Alles mitnehmen, was Sie für die Untersuchung brauchen, damit der Ablauf nicht
gestört wird (Stethoskop, Handschuhe, Fingerlinge, Formulare, eventuell: Blutdruckmanschette, Blutentnahmeset, Maûband, Winkelmesser, kleine Taschenlampe, Mundspatel, Taschendoppler mit Gel, Reflexhammer, Vaseline, Papiertücher,
Verbandsmaterial, Abstrichröhrchen, Kamera).
Chirurgische
Basisuntersuchung
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"
Allgemein:
. Allgemein-, Ernährungszustand.
. Besonderheiten bei der Aufnahme, z. B. Desorientiertheit, Vigilanzstörung, Trunkenheit, Aggressivität, Sprachprobleme, Intubation, Polytraumatisierung, u. a.
dokumentieren.
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aus: Largiadèr u. a., Checkliste Chirurgie (ISBN 9783135225098), © 2008 Georg Thieme Verlag KG
Anamnese und Untersuchungstechniken
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1.2 Allgemeine körperliche Untersuchung
Hinweis: Bei alkoholisierten Patienten sollten neben dem Vermerk immer auch
objektivierbare Befunde (z. B. Foetor alkoholicus, unsicherer Strichgang, Blutalkoholspiegel, Alkoholatemwert) aufgeführt werden, damit bei späteren Klagen
nicht das Wort des Arztes gegen das des Patienten steht!
Körpertemperatur: Mit Ort der Messung notieren (z. B. 37,5 °C ax.). Aurikulär =
rektal. In der Viszeralchirurgie grundsätzlich rektal (bei V.a. Appendizitis kombiniert mit axillär) messen.
Blutdruck und Puls: Pulsfrequenz, -füllung (kräftig/fadenförmig?), rhythmisch,
arrhythmisch? Blutdruck (Seitendifferenz?).
Hinweise:
. Das Verhältnis von Manschettenbreite zu Oberarmumfang sollte 0,4:1 betragen.
Bei zu kleiner Manschettenbreite wird ein zu hoher Blutdruck gemessen und
umgekehrt.
. Bei Dialysepatienten, Hemiplegikern und Patientinnen nach Mastektomie: Niemals am Shuntarm, am gelähmten Arm bzw. auf Seite der OP messen!
Haut: Farbe (blass, gerötet, zyanotisch), Schwitzen, Temperatur, Turgor, Intertrigo,
Exanthem oder andere Hautkrankheit? Narben (Überprüfung der Angaben zu vorangegangenen Operationen), frische Wunden, chronische Ulzera, Dekubitus, Hauttumoren, Hämatome, Ödeme, Einstichstellen?
Hinweis: Hautqualität im potenziellen OP-Gebiet ansehen, insbesondere unter
Gipsverbänden (bei Infektion müssen die meisten Elektiveingriffe abgesagt werden)!
Kopf/Hals:
. Ggf. Glasgow Coma Scale (GCS, S.163), Vigilanz.
. Meningismus (Nackensteifigkeit)?
. Nervenaustrittspunkte schmerzhaft?
. Halsvenenstauung (bei 45 ° Oberkörperneigung)?
. Augen: Pupillen seitengleich, auf Licht reagierend, Konjunktiven blass/eingeblutet, Skleren ikterisch/gefäûinjiziert, Exophthalmus, Ptosis, Lidödem?
" Hinweis: Bei Analgosedierung oder Intubation ist die GCS-Prüfung und Pupillenbeurteilung medikamentös verfälscht. Fragen Sie den Notarzt, wie der primäre
Neurostatus am Einsatzort war.
. Mund: Zunge (feucht, trocken, belegt), Zahnstatus/Prothese, Tonsillen, Foetor?
. HWS: Kopf frei beweglich, axialer Stauchungsschmerz, Parästhesien der Finger,
Schluckstörung?
" Hinweis: Bei Polytrauma oder HWS-Verletztem mit deutlicher Klinik Stiffneck
(= steifer Halskragen) bis nach Röntgendiagnostik belassen (S.132)!
. Schilddrüse: Gröûe, Konsistenz, Knoten, Schluckverschieblichkeit? Pathologische
Gefäûe (auskultatorisches Schwirren)? Spezielle Untersuchungstechniken
S. 208.
. Lymphknoten: Präaurikulär, submandibulär, nuchal, zervikal (Vergröûerung,
Verschieblichkeit, Druckdolenz?).
. Gefäûe: A. carotis bds. palpieren und auskultieren (Seitendifferenz, Geräusch?).
Thorax:
. Herz: Herzgeräusch, Luftnot bei Flachlagerung, Ruhedyspnoe, Knöchelödeme?
. Lunge: Atemfrequenz/-tiefe, Beweglichkeit bei Atemexkursionen (seitengleich,
Nachhängen?), Auskultation (Nebengeräusche (feucht/trocken), lokale Abschwächung des Atemgeräusches, z. B. bei Erguss, Pneumothorax, zu tiefe /Fehlintubation, Schwarte)? Ggf. Perkussion (sonor, hypersonor, gedämpft, Lungengrenzen). Krepitation bei Rippenfraktur?
. Mamma: Konsistenz, Knoten, Ausfluss aus Mamille, Hautveränderungen, Lymphknotenschwellung (axillär, infra-/supraklaviculär)?
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aus: Largiadèr u. a., Checkliste Chirurgie (ISBN 9783135225098), © 2008 Georg Thieme Verlag KG
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150°–170°
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35°–60°
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80°–90°
80°–90°
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Anamnese und Untersuchungstechniken
1.2 Allgemeine körperliche Untersuchung
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30°–40°
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g
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i
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Abb. 1.1 . Gelenkmessung (Neutral-Null-Methode)
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Anamnese und Untersuchungstechniken
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1.2 Allgemeine körperliche Untersuchung
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"
"
Abdomen:
. Druckschmerz, Abwehrspannung, Loslassschmerz, Resistenz? Darmgeräusche
(glucksend, rege, metallisch, hochgestellt, abgeschwächt, ¹Totenstilleª)? Hepato-/Splenomegalie? Nabel-/Narbenhernie, Rektusdiastase?
. Harnwege: Blase gefüllt, Nierenlager klopfschmerzhaft, Hinweis auf Inkontinenz,
auffälliger Geruch (Harnwegsinfekt)?
. Leiste: Hernie? Lymphkotenschwellung (DD: Rosenmüller-LK).
. Rektal: Sphinktertonus, Hämorrhoiden, Ekzem, Fisteln, Fissuren, stuhlgefüllte
Ampulle, Stuhlqualität, Blut, Schleim, Eiter? Resistenz, glatte Schleimhaut? Prostatahyperplasie? Druckschmerz (z. B. im Douglas-Raum)?
" Hinweis: Die rektale Untersuchung ist ein Muss bei der Beurteilung einer Unterbaucherkrankung! Nutzen Sie die Seitenlage des Patienten für die anschlieûende
rektale Temperaturmessung (falls noch nicht geschehen).
. Gefäûe: Aortenstoû tastbar? Leistenpulse? Strömungsgeräusche? Portale Umgehungskreisläufe (Spider naevi, Caput medusae)?
Bewegungsapparat:
. Wirbelsäule: Streckhaltung, Beweglichkeit, Form (Kyphose, Skoliose), Klopf-/
Stauchungsschmerz?
. Extremitäten: Freie Beweglichkeit (Gelenkmessung in Neutral-Null-Methode,
siehe Abb. 1.1), Fehlstellungen, Gelenkschwellung, -rötung, -erguss, Ödeme, Ulzera, Narben, Tremor? Temperatur und Umfang im Seitenvergleich.
. Gefäûe: A.-radialis-/Fuûpulse bds. (bei fehlendem peripherem Puls proximale
Arterien, z. B. A. brachialis oder A. poplitea suchen)? Beinvarikosis?
" Beachte: Bei Verletzungen immer periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität (pDMS) prüfen und dokumentieren!
Neurologische Untersuchung:
. Hirnnerven.
. Motorik: Vergleich der groben Kraft in beiden Armen und Beinen. Muskelhypotonie, Paresen, Atrophien, Spastik, Rigor?
. Sensibilität: Hypästhesie, Parästhesie, Temperaturempfinden (Thermästhesie),
Schmerzempfinden, Vibrationsempfinden (Pallästhesie), Lageempfindung.
. Reflexstatus:
± Eigenreflexe: Bizepssehnenreflex (BSR), Trizepssehnenreflex (TSR), Radiusperiostreflex (RPR), Patellarsehnenreflex (PSR), Achillessehnenreflex (ASR),
Analreflex.
± Fremdreflexe: Bauchhautreflexe (3 Etagen: Th 8/10/12).
± Pathologische Reflexe: Babinski.
. Koordination: Ataxie, Tremor?
. Vegetatives System: Blasen- und Mastdarmfunktion, Sexualfunktionen, Schweiûsekretion?
SPraxistipp Anamneseerhebung:
Der Chirurg braucht wesentliche Informationen über:
Das aktuelle chirurgische Krankheitsbild.
" Relevante Nebenerkrankungen, in Bezug auf Indikationsstellung und OP- bzw.
Narkosefähigkeit.
" Beispiel: Die rektale Untersuchung oder die Familienanamnese bei einem jungen
Mann mit einem Arbeitsunfall der Hand ist überflüssig.
Eselsbrücke:
" A = Allergien?
" M = Medikamente?
" P = Patientengeschichte?
" E = Ereignis/Entwicklung der Krankheit?
" L = Letzte Mahlzeit?
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aus: Largiadèr u. a., Checkliste Chirurgie (ISBN 9783135225098), © 2008 Georg Thieme Verlag KG
Technik:
" Entwickeln Sie ein persönliches Anamnese- und Untersuchungsschema.
" Passen Sie dieses dem aktuellen Patienten und seiner Erkrankung an.
" Üben Sie, die Befragung mit der jeweiligen Untersuchung zu kombinieren
(Multi-Tasking).
" Überlassen Sie bei ambulanten Patienten detaillierte Ganzkörperchecks und
Abklärungen ohne akute Dringlichkeit dem Hausarzt.
" Seien Sie trotzdem immer hellhörig und aufmerksam!
" Zufallsbefunde (z. B. eine verdächtige Hautveränderung) sollten sie sichtbar in
der Akte notieren, sodass sie dem Hausarzt im Entlassungsbrief mitgeteilt wird
(bedenken Sie dabei, dass Sie den Brief ggf. nicht selber schreiben!). Weisen Sie
den Patienten auf den Befund hin, ohne ihn zu verunsichern. Er soll den neuen
Aspekt im Rahmen der poststationären Nachsorge mit seinem Hausarzt besprechen.
1.3 Spezielle Untersuchungstechniken
"
Zu den speziellen Untersuchungstechniken siehe bei den einzelnen Organsystemen.
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Anamnese und Untersuchungstechniken
1.3 Spezielle Untersuchungstechniken
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aus: Largiadèr u. a., Checkliste Chirurgie (ISBN 9783135225098), © 2008 Georg Thieme Verlag KG
Der chirurgische Stationsalltag
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2.1 Patientenaufnahme
2 Der chirurgische Stationsalltag
2.1 Patientenaufnahme
Optimale
Vorbereitung des stationären Aufenthaltes
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Sichtung aller bereits vorliegenden Befunde (Arztbriefe, Krankenakten, Untersuchungsergebnisse, Röntgenbilder etc.); ggf. Nachforderung (Überspielen von Originaldaten in PACS etc.)
Koordinierung der vor der stationären Aufnahme ambulant durchzuführenden Diagnostik.
Vorstellung des Patienten in der anästhesiologischen Prämedikationsambulanz.
Zuweisung eines festen OP-Termines.
Vorbereitung der poststationären Betreuung (ggf. als integrierte Versorgung).
Elektive
Patientenaufnahme
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"
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"
"
Im Vorfeld optimale Organisation und Planung der ambulanten Vordiagnostik und
Vorbereitung des Patienten (s. o.).
Begrüûung, Anamnese (S. 3) und körperliche Untersuchung des Patienten (S. 5).
Aufklärung des Patienten über seine Erkrankung, die anvisierte Therapie und mögliche Therapiealternativen. Steht die OP-Indikation und das operative Verfahren
bereits fest ® OP-Aufklärung und Einwilligung (S. 97).
Tipp: Nehmen Sie sich für dieses erste Aufklärungsgespräch Zeit. Der Patient wird es
Ihnen danken, indem er sie zu späteren Zeitpunkten nicht ständig um weitere Gespräche bittet.
Anordnungen treffen und dokumentieren (!).
Hinweis: Nach der Aufnahme eines Patienten müssen erste wichtige Entscheidungen getroffen werden (Tab. 2.1). Besondere Umstände sollten (Blindheit/Taubheit)
unbedingt dem Personal mitgeteilt werden!
.
Tabelle 2.1 Wichtige Entscheidungen nach der Aufnahme
.........................................................................................
Nahrungskarenz
z. B. präoperativ, V.a. Ileus
spezielle Ernährungsvorschriften
z. B. Diabetiker, parenterale Ernährung (S. 77)
Bettruhe
z. B. Lungenembolie (S. 116)
OP-Vorbereitung
z. B. Abführmaûnahmen (S. 100), Bereitstellung von
Blutkonserven
sofort zu beginnende
Therapiemaûnahmen
Thromboseprophylaxe (S. 103), Schmerztherapie
(S. 86), Infusionstherapie (S. 75)
Notfallaufnahme
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Beachte: Eine schnelle und effektive Diagnostik und Therapieentscheidung stehen
im Vordergrund, da häufig dringlicher Handlungsbedarf, (ggf. OP ® Patient nüchtern lassen!) ggf. sogar akute Lebensgefahr besteht.
Notfallmanagement:
. Venösen Zugang legen und Notfall-Labor abnehmen (Tab. 7.2, S.138).
. Notfalldiagnostik: Sonographie, Röntgen, ggf. CT, ggf. EKG.
. Oberarzt und Station informieren.
aus: Largiadèr u. a., Checkliste Chirurgie (ISBN 9783135225098), © 2008 Georg Thieme Verlag KG
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. Konsiliarische Mitbetreuung organisieren (Gynäkologie, Urologie): Ausschluss relevanter Differenzialdiagnosen.
. Therapieentscheidung: OP-Indikation festlegen (vital, absolut, relativ, siehe S. 96),
ggf. Blutkonserven bestellen, Aufklärung und Einverständnis (S. 97).
Hinweis: In der Abteilung erstellte Clinical Pathways (CP) erleichtern das Notfallmanagement enorm und geben dem Patienten und dem weniger erfahrenen Kollegen Sicherheit.
2.2 Stationsvisite
Grundlagen
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"
Ziel: In der kurzen Zeit müssen bei jedem Patienten relevante Probleme erkannt und
die wichtigsten diagnostischen und therapeutischen Schritte für den betreffenden
Tag eingeleitet werden.
Vorbereitung:
. Sichtung der Befunde vom Vorabend.
. Erkundigungen nach Besonderheiten aus dem Dienst (diensthabender Arzt/Pflegepersonal).
. Problematische Wunden ggf. vom Pflegepersonal für die Visite exponieren lassen
(während der Wartezeit mit feuchten Kompressen und sterilem Tuch abdecken),
sodass das weitere Prozedere im Team diskutiert werden kann.
Zeitplan: In der Chirurgie finden die Stationsvisiten i. d. R. früh und kurz vor der
morgendlichen Abteilungsbesprechung und den geplanten Operationen statt. Ausführlichere Erläuterungen und Aufklärungen sollten im Rahmen eines Einzelgesprächs ohne Zeitdruck, ggf. gemeinsam mit den Angehörigen, am Nachmittag
erfolgen.
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Der chirurgische Stationsalltag
2.2 Stationsvisite
Prozedere
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"
Die Visite immer gemeinsam mit dem Pflegepersonal gestalten (meist Stationsleitung
und Bereichspflege). Wenn möglich sollten evtl. vorhandene Verbands- bzw. Stomaschwestern, Physiotherapeuten und/oder Mitarbeiter des Sozialdienstes für einen
schnellen Informationsfluss und kompetente Entscheidungen miteinbezogen werden.
Die Häufigkeit einer Oberarztvisite richtet sich nach den Erfordernissen der Abteilung, sollte aber mindestens zwei Mal pro Woche die Regel sein. Ein kurzer täglicher
Informationsaustausch mit dem zuständigen Oberarzt, insbesondere zu Problemfällen und bei Unsicherheiten sollte fester Bestandteil der ¹Stationskulturª sein.
Eine 2. Visite am Nachmittag ist zwar in vielen Kliniken üblich, aber häufig reicht es
aus, sich auf die ¹Problemfälleª der Station, die Neuaufnahmen und die zur OP am
Folgetag vorgesehenen Patienten zu konzentrieren. Bei den anderen Patienten
reicht eine ¹Kurvenvisiteª (= Durchgehen der Verlaufskurven und Neubefunde).
Diese sollte immer gemeinsam mit dem für den Bereich verantwortlichen Pflegepersonal erfolgen. Viele Fragen (z. B. zur Medikation) können gut an der Akte geklärt
werden. Der Stationsarzt entscheidet dann, welche Patienten er doch persönlich
sehen sollte. Im Zweifelsfall und gerade zu Beginn der chirurgischen Laufbahn ist
eine zweite Visite unbedingt zu empfehlen.
Tipp: Um sich später das Schreiben des Arztbriefes zu erleichtern, ist es ratsam,
jeden Tag kurz einige Angaben zum Krankheitsverlauf in der Akte zu dokumentieren.
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Der chirurgische Stationsalltag
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2.3 Dokumentation
2.3 Dokumentation
Bedeutung
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Über 30 Prozent der täglichen Arbeitszeit verbringen ¾rzte mittlerweile mit
administrativen Tätigkeiten. Der chirurgisch tätige Arzt steht seinen Patienten deswegen durchschnittlich 2,6 Stunden pro Arbeitstag weniger zur Verfügung (1990
, 1,5 h).
Der zeitliche Aufwand für Dokumentation beträgt im Mittel ca. 120 min für patientenbezogene und 40 min für administrative Daten.
Patientenakte
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"
Jeder Arzt hat die Pflicht, die Behandlung seiner Patienten zu dokumentieren.
Die Patientenakte kann in Papierform oder als elektronische Patientenakte (®
Sammlung und Verwaltung aller Befunde eines Patienten [aktuelle und frühere
Erkrankungen/Therapien] an einer Stelle) geführt werden.
Eintragungen (in Stichworten) erfolgen durch den behandelnden Arzt oder das
Pflegepersonal. Während der Visite kann die Notiz an das begleitende Pflegepersonal delegiert werden, der Arzt muss sie später kontrollieren und gegenzeichnen.
Hinweis: Bei problematischen Krankheitsverläufen ist es aus forensischen Gründen
empfehlenswert, nachvollziehbare Aufzeichnungen zu Entscheidungsabläufen und
Gründen anzufertigen. Die genaue Dokumentation von Uhrzeit und Datum ist dabei
essenziell.
Inhalt: Anamnese, klinische Untersuchungsergebnisse, Laborwerte und sonstige
Befunde, Diagnose(n), Daten/Zeiten der Behandlung(en), Medikamenten- und Rezeptverordnungen, Anweisungen an die Pflege, Aufklärung und Einwilligung (S. 97),
Narkoseprotokoll und Operationsbericht (S.12), Arztbrief (S. 25), besondere Zwischenfälle und therapeutische Besonderheiten.
Bei einem ärztlichen Behandlungsfehler steht der Patient in der Darlegungs- und
Beweispflicht. Eine fehlerhafte oder unvollständige Dokumentation ist zwar an sich
kein Behandlungsfehler, stellt für den Patienten aber eine Beweiserleichterung dar:
Ein Behandlungsfehler kann als bewiesen angesehen werden, wenn die Behandlung
nicht nachvollziehbar dokumentiert wurde. Zumindest zieht eine fehlende Dokumentation aber eine Beweislastumkehr nach sich, d. h. die Beweislast liegt nun beim
Arzt: Er muss nun trotz fehlender Dokumentation beweisen, dass er die Behandlung
korrekt durchgeführt hat.
Merke: Was nicht dokumentiert ist, ist offiziell nicht passiert bzw. wurde nicht
gemacht!
Operationsbericht
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Jeder Eingriff muss von dem verantwortlichen Operateur wahrheitsgemäû in einem
OP-Bericht dokumentiert werden.
Der OP-Bericht muss so verfasst werden, dass ein nicht an der OP beteiligter Kollege
Indikation und Ablauf der OP nachvollziehen kann.
Tipp: Zu Beginn der chirurgischen Laufbahn ist das Lesen von OP-Berichten erfahrener Kolleginnen und Kollegen im Vorfeld sinnvoll!
Es empfiehlt sich, den OP-Bericht im Anschluss an den Eingriff zu verfassen (gleicher
Tag!).
Inhalt:
. OP-Indikation.
. Detaillierter OP-Ablauf: Einige Operationen zeichnen sich durch besonders sensible Abläufe aus, die exakt und ausführlich beschrieben werden müssen (z. B. die
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Darstellung des N. laryngeus recurrens und dessen Lokalisation mittels Neuromonitoring auf den operierten Seiten bei der Schilddrüsenoperation).
. Hilfreich sind Operationsskizzen, die den Situs im Falle einer späteren Revision
häufig am besten wiedergeben und dem folgenden Operateur seine Planung
deutlich erleichtern.
Hinweis: Besondere Bedeutung hat der OP-Bericht im Rahmen einer gutachterlichen
Beurteilung einer Behandlung.
Arztbrief
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Jeder Patient sollte am Tag seiner Entlassung aus dem Krankenhaus einen Arztbrief
ausgehändigt bekommen. Dieser sollte an den einweisenden bzw. weiterbehandelnden Kollegen adressiert sein und die Unterschriften des Stationsarztes, des
jeweiligen Oberarztes oder Chefarztes tragen.
Ist aus organisatorischen Gründen ein kurzfristiges Korrekturlesen aller Unterschreibenden nicht möglich oder liegen entscheidende Befunde zum Zeitpunkt
der Entlassung noch nicht vor (z. B. Histologie), kann dem Patienten auch ein ¹vorläufigerª Arztbrief ausgehändigt werden. Die ausstehenden Befunde müssen hier
aber erwähnt werden und der Brief eindeutig als ¹vorläufigª gekennzeichnet sein.
Aufbau eines Arztbriefes:
. Diagnosenliste (Diagnosen und Verdachtsdiagnosen): Gliederung nach der Bedeutung für den aktuellen stationären Aufenthalt.
. Anamnese und Aufnahmebefund.
. Durchgeführte Diagnostik, Konsiliaruntersuchungen.
. Durchgeführte Operationen.
. Histologische Befunde.
. Therapie und Verlauf.
. Empfehlung zur weiteren Behandlung/Therapie (z. B. Angaben zum Fädenziehen,
Laborkontrollen, Thromboseprophylaxe).
. Entlassungsmedikation.
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Der chirurgische Stationsalltag
2.4 Formulare
2.4 Formulare
Rezept
(gültige Regelung für Deutschland)
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"
Kassenrezepte dürfen nur von ¾rzten und Abteilungen ausgestellt werden, die eine
dafür vorgesehene Abrechnungsnummer (KV-Nummer) besitzen. Privatrezepte
können von jedem approbierten Arzt ausgestellt werden.
I.d.R. sollten Rezepte innerhalb eines Monats eingelöst werden. Einzelne Krankenkassen haben dafür jedoch abweichende Regelungen. Privatrezepte sind prinzipiell
3 Monate gültig.
Inhalt eines Rezepts:
. Vollständig ausgefüllter Rezeptkopf mit Daten, Krankenversicherung des Patienten und Ausstellungsdatum.
. Name des Arzneimittels, Arzneiform (Tbl., Supp. etc.), Menge und Packungsgröûe
(N1 ± N3).
" Hinweis: Möglichst den Freinamen (aut-idem = oder das Gleiche) benutzen (Ausnahmen: s. u.).
. Einnahmeverordnung für den Patienten (1 ´ täglich o.¾.).
. Adresse und Berufsbezeichnung des Arztes, eigenhändige Unterschrift.
" Hinweis: Bei Ausfüllen per Hand: Es ist nur ein Stift respektive eine Handschrift
zulässig.
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aus: Largiadèr u. a., Checkliste Chirurgie (ISBN 9783135225098), © 2008 Georg Thieme Verlag KG
Der chirurgische Stationsalltag
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2.4 Formulare
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Aut-idem-Regelung: Der Arzt verschreibt auf seinem Rezept nicht mehr ein bestimmtes Medikament, sondern den Wirkstoff, die Dosierung und die Arzneiform.
Aufgabe des Apothekers ist es, aus einer Gruppe entsprechend gleichwertiger Medikamente das preisgünstigste Arzneimittel auszuwählen.
. Grundsätzlich gilt: Die Rezeptierung mit der Angabe aut-idem kann und sollte
immer erfolgen.
. Ausnahmen (Ankreuzen!): Chronische Erkrankungen und Dauermedikation,
gleichzeitige Einnahme vieler verschiedener Medikamente, Gefahr der Fehleinnahme durch wechselnde Herstellerpräparate.
Beachte: Nie zu groûe Mengen verordnen! Rücksprache mit dem weiterbehandelnden Hausarzt!
Betäubungsmittelrezept (BtM-Rezept)
(gültige
Regelung für Deutschland)
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Hinweis: Medikamente, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, bedürfen gesonderter Rezepte. Ob ein Medikament unter das BtM-Gesetz fällt, ist in der Roten
Liste (violette Seiten) nachzulesen. Hier finden sich auch die verschreibbaren
Höchstmengen.
In der Praxis werden BtM-Rezepte, in der Klinik BtM-Anforderungsscheine verwendet.
BtM-Anforderungsscheine dürfen nur von leitenden ¾rzten einer Abteilung oder
eines Krankenhauses ausgefüllt werden. Die Dokumentation der Anforderungen,
die Weitergabe an die Station (Stationsarzt) und die Abgabe an den Patienten
muss lückenlos sein. Eine monatliche Kontrolle (z. B. durch den BtM-Verantwortlichen der Klinik) ist vorgeschrieben.
Ein BtM-Rezept wie auch ein BtM-Anforderungsschein sind 3-teilige Formulare: Teil
I und II gehen an die Apotheke, Teil III bleibt beim Arzt und muss 3 Jahre lang
aufbewahrt werden (auch fehlerhaft ausgefüllte und nicht verbrauchte BtM-Formulare). Der Verlust eines BtM-Rezepts muss sofort an die Bundesopiumstelle gemeldet werden.
Auf einem BtM-Rezept dürfen 2 verschiedene BtM verschrieben werden (in Einzelfällen darf der Arzt bei Patienten in Dauerbehandlung mehr als 2 BtM auf einem
Rezept verschreiben; das Rezept ist mit dem Buchstaben ¹Aª zu kennzeichnen).
Inhalt eines BtM-Rezepts:
. Daten und Krankenkasse des Patienten.
. Ausstellungsdatum: Nach dem Tag der Ausstellung ist das Rezept maximal 7 Tage
gültig.
. Arzneimittelbezeichnung, Arzneiform und Menge (in Gramm, Milliliter oder
Stückzahl).
" Hinweis: Der Arzt muss bei der Verschreibung in der Regel die vorgegebene
Höchstmenge (Gesamtmenge eines BtM, die einem Patienten innerhalb von 30
Tagen verschrieben werden darf) beachten. In Ausnahmefällen (Patienten in Dauerbehandlung) kann er hiervon abweichen, das BtM-Rezept muss mit dem Buchstaben ¹Aª gekennzeichnet werden.
. Gebrauchsanweisungen für den Patienten.
. Name, Anschrift, Berufsbezeichnung und Telefonnummer des Arztes.
. Eigenhändige Unterschrift!
BtM-Verordnung im Notfall: Im Notfall kann ein BtM auch auf einem ¹normalem
Rezeptª verschrieben werden, dieses muss dann mit dem Wort ¹Notfallverschreibungª gekennzeichnet werden. Ein mit dem Buchstaben ¹Nª gekennzeichnetes BtMRezept muss am selben Tag in der Apotheke nachgereicht werden.
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aus: Largiadèr u. a., Checkliste Chirurgie (ISBN 9783135225098), © 2008 Georg Thieme Verlag KG
Verschreibung
von Hilfsmitteln
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Merke: Jeder gesetzlich Krankenversicherte hat Anspruch auf die Versorgung mit
Hilfsmitteln ( § 33 SGB V). Hierzu gehören u. a. Prothesen, Orthesen, Seh- und Hörhilfen, Rollstühle.
Voraussetzungen für die Kostenerstattung durch die gesetzlichen Krankenkasse: Hilfsmittel sind notwendig, um den Erfolg einer medizinischen Behandlung
zu sichern, sie helfen einer Behinderung vorzubeugen oder sie auszugleichen.
Hinweise zur Verschreibung von Hilfsmitteln:
. Eintragen der Ziffer ¹7ª im Hilfsmittelfeld des Kassenrezepts.
. Angabe von Diagnose, Anzahl, Bezeichnung und Art der Herstellung des Hilfsmittels.
. Sie sollen nicht zusammen mit einem Arzneimittel auf dem gleichen Rezept
verordnet werden.
. Angabe der Zeitdauer, für die das entsprechende Hilfsmittel benötigt wird,.
Hinweis: Hilfsmittel sind nicht budgetiert.
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Der chirurgische Stationsalltag
2.4 Formulare
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
(Regelung
gilt nur für Deutschland)
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"
Gesetzlich krankenversicherte Patienten, die nach ihrer stationären Behandlung
vom Hausarzt weiterbetreut werden, erhalten zur Entlassung keine AU-Bescheinigung! Diese wird vom weiterbehandelnden Arzt ausgestellt. Für die Zeit des Krankenhausaufenthaltes erfolgt automatisch eine Meldung an die Krankenkasse. Sollte
ein Arbeitgeber auf einer Bescheinigung bestehen, so reicht eine formlose Mitteilung, dass sich der betreffende Patient in stationärer Behandlung befindet.
AU-Bescheinigungen bestehen immer aus 3 Seiten:
. Seite 1: Für Arbeitgeber (ohne Diagnose!).
. Seite 2: Für die Krankenkasse.
. Seite 3: Für Krankenakte (verbleibt in der Klinik).
Angaben auf der AU-Bescheinigung:
. Patientenangaben mit Kostenträger.
. Diagnose (Ausnahme: Seite 1, s.o.).
. Beginn und voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit.
. Bei (Arbeits-)Unfall: Angaben zum Unfallhergang und den Folgen.
Beim Ausfüllen immer darauf achten, ob es sich um eine Erst ± oder Folgebescheinigung handelt. Für Privatpatienten kann das gleiche Formular benutzt werden.
Ablehnung einer Behandlung/Entlassung auf Wunsch
(in
der Schweiz z. T. anders geregelt)
.........................................................................................
"
"
Patienten aufklären (möglichst in Anwesenheit der Angehörigen) und schriftlich
dokumentieren (® vorgefertigte Erklärungsbögen).
Beachte: Die Unterzeichnung der Erklärung durch den Patienten ist obligat. Verweigert er die Unterschrift, sollten Zeugen des Gespräches benannt werden und diese
mitunterzeichnen.
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aus: Largiadèr u. a., Checkliste Chirurgie (ISBN 9783135225098), © 2008 Georg Thieme Verlag KG
Der chirurgische Stationsalltag
2
2.4 Formulare
SZwangsunterbringung:
Regelung in den einzelnen Bundesländern nach dem PsychKG.
Voraussetzungen:
" Uneinsichtigkeit des Patienten in die Notwendigkeit der Behandlung.
" Der Patient stellt für sich selbst oder andere eine erhebliche Gefahr dar, die nicht
durch andere Maûnahmen (z. B. ambulante Behandlung) abgewendet werden
kann.
Die Abschätzung der Selbst- oder Fremdgefährdung obliegt dem Arzt. Hierfür
muss der Arzt den Patienten gründlich untersuchen, um anschlieûend ein ärztliches Zeugnis auszustellen. Wenn verfügbar, sollte hierzu ein Facharzt für Psychiatrie hinzugezogen werden.
Die Beantragung der Zwangsunterbringung erfolgt über eine Ordnungsbehörde
(abhängig vom Bundesland: Polizei oder Gesundheitsamt) beim Amtsgericht. Die
erforderlichen Telefonnummern sollten in jeder Klinik griffbereit sein.
" Beachte: Im Ausnahmefall kann ein Patient auch ohne richterliche Entscheidung sofort zwangseingewiesen werden. In diesem Fall muss die richterliche
Entscheidung jedoch unverzüglich, spätestens aber bis zum Ablauf des folgenden Tages, eingeholt werden.
Antrag
zur Anschlussheilbehandlung (AHB)
.........................................................................................
"
"
"
Voraussetzungen:
. Der Patient ist rehabilitationsfähig bzw. rehabilitationsbedürftig.
. Er leidet an einer Erkrankung aus dem AHB-Indikationskatalog.
Die AHB beginnt entweder sofort im Anschluss an den stationären Krankenhausaufenthalt (Direktverlegung), spätestens jedoch 14 Tage nach Entlassung. Die Behandlung muss aber abgeschlossen sein! Bei geplanter Chemo- oder Radiotherapie
kann eine AHB erst nach deren Abschluss angetreten werden.
Hinweis: In der Regel übernimmt der Sozialdienst des Krankenhauses die Formalitäten. Der behandelnde Arzt muss einen Befundbericht (meist Vordrucke) erstellen,
der gemeinsam mit dem Antrag des Patienten zum Rentenversicherungsträger
(Kostenträger!) gesandt wird.
Transportschein
(in der Schweiz z. T. anders geregelt)
.........................................................................................
"
"
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Ohne Transportschein keine Kostenübernahme der Krankenkasse! Der Transportschein muss vollständig ausgefüllt (aktuelle Diagnose!) und vom behandelnden
Arzt unterzeichnet sein! Die medizinische Indikation für einen Transport muss
gegeben sein (Prüfung durch den Unterzeichnenden), da die gesetzliche Krankenkasse die Kosten ansonsten nicht übernimmt.
Medizinische Indikationen:
. Für Fahrten zur ambulanten Behandlung: Hier muss vorher das Einverständnis
der Krankenkasse eingeholt werden (Ausnahmen: BG [S.19] und gesetzliche Unfallversicherung). Bezahlt werden z. B. Fahrten, die in einem Zusammenhang mit
einer bestimmten, häufig durchzuführenden und für den Patienten notwenigen
Behandlung stehen (z. B. Dialysetherapie). Patienten mit Schwerbehindertenausweis (aG, BI oder H) bzw. Pflegestufe 2 und 3 haben ebenfalls Anspruch auf einen
Krankentransport.
. Immer übernommen werden Rettungsfahrten zum Krankenhaus (auch ohne stationäre Behandlung), Krankentransportfahrten, bei denen aus medizinischen
Gründen eine fachliche Betreuung notwenig ist, Fahrten zu einer vor- bzw. nachstationären Behandlung bzw. Fahrten zu einer ambulanten Operation anstelle
einer sonst notwendigen Krankenhausbehandlung.
aus: Largiadèr u. a., Checkliste Chirurgie (ISBN 9783135225098), © 2008 Georg Thieme Verlag KG
Todesbescheinigung
(Leichenschauschein)
.........................................................................................
"
Siehe S.123.
Anforderung von Röntgenuntersuchungen
(gilt
nicht für die Schweiz)
.........................................................................................
"
"
"
Um eine Untersuchung mit Röntgenstrahlen für einen Patienten anordnen zu dürfen, muss der jeweilige Arzt die Fachkunde im Strahlenschutz besitzen! Wer diese
nicht besitzt, darf auch eine einfache Röntgenuntersuchung nicht anordnen oder
eine entsprechende Anforderung unterschreiben! (§ 24 Abs. 3 RöV). Dies ist im
klinischen Alltag oft organisatorisch schwierig umzusetzen, daran geht aber kein
Weg vorbei.
Konsequenz: Schnellstmöglich die erforderlichen Kurse zum Erwerb der Sach- und
Fachkunde für das jeweilige Fachgebiet ablegen und solange die Anforderungen von
berechtigten Kolleginnen oder Kollegen unterzeichnen lassen! Alles andere ist vom
Gesetzgeber nicht erlaubt.
Angaben, die der Röntgenschein enthalten muss:
. Patientendaten (inkl. Station und Angaben zu evtl. vorhandenen Voraufnahmen).
. Anamnese und Diagnose/Verdachtsdiagnose.
. Bei Frauen Angaben über eine evtl. Schwangerschaft.
. Hinweis auf Kontrastmittelallergien.
. Eindeutige Fragestellung: Klare Angaben, welche Informationen man sich von
der geforderten Röntgenaufnahme erwartet und was genau untersucht werden
soll (z. B. Röntgen-Thorax a.p. bei fieberhaften Temperaturen und V.a. Aspiration
bei Z. n. abdominothorakaler Ösophagusresektion bei Ösophaguskarzinom).
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Der chirurgische Stationsalltag
2.5 Codierung erbrachter Leistungen/DRG
2.5 Codierung erbrachter Leistungen/DRG
Allgemeines
.........................................................................................
"
Die Kodierung erfolgt in der Regel über eine von der Klinik zur Verfügung gestellte
Software (SAP, ORBIS etc.). Wichtig ist, dass der Stationsarzt versteht, dass seine
Leistung und die seiner Klinik ausschlieûlich in diesen DRG abgebildet werden. Was
nicht oder nur unzureichend dokumentiert und kodiert wurde, wird von den Krankenkassen nicht vergütet. Er hat damit eine Schlüsselfunktion und die damit verbundene Erlösverantwortung. Im Idealfall werden die Kodierungen klinikintern von
professionellen Mitarbeitern des medizinischen Controllings oder DRG-Beauftragten kontrolliert und nach Rücksprache eventuell optimiert.
Hauptdiagnose
.........................................................................................
"
"
"
Jeder Patient erhält eine Hauptdiagnose. Sie wird am Ende des Klinikaufenthaltes
festgelegt und entspricht derjenigen Diagnose, die hauptsächlich für den stationären Aufenthalt verantwortlich war.
Damit muss diese Diagnose nicht der Einweisungsdiagnose (z. B. durch den Hausarzt) oder der Aufnahmediagnose (zum Zeitpunkt der Aufnahme und Ersteinschätzung) entsprechen. Bei zwei oder mehr Diagnosen, die diese Definition pauschal
erfüllen, muss durch den behandelnden Arzt entschieden werden, welche am ehesten der Definition entspricht und für den gröûten Ressourcenverbrauch verantwortlich war.
Die Hauptdiagnosen werden in verschiedene Hauptbehandlungsgruppen (sog.
major diagnostic Categories, MDCs) unterteilt. Diese Hauptbehandlungsgruppen
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aus: Largiadèr u. a., Checkliste Chirurgie (ISBN 9783135225098), © 2008 Georg Thieme Verlag KG
Der chirurgische Stationsalltag
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2.5 Codierung erbrachter Leistungen/DRG
werden entsprechend der jeweils durchgeführten Behandlung (operativ, medizinisch oder sonstige) in Unterbehandlungsgruppen unterteilt (Basis-DRGs).
Nebendiagnosen
.........................................................................................
"
"
"
"
Nebendiagnosen sind definiert als eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder
gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt. Sie muss entweder zu einer therapeutischen oder diagnostischen Maûnahme geführt haben oder es muss aus ihr ein erhöhter Betreuungs-,
Pflege- und/oder Überwachungsaufwand resultieren.
Nebendiagnosen werden entsprechend ihrem Schweregrad (CCL ± Complication
and Comorbidity Level, CCL 0 ± 4) eingeteilt.
Beachte: Für ein und dieselbe Nebendiagnose können in unterschiedlichen BasisDRGs unterschiedliche CCL-Werte vergeben werden.
Die kodierten Nebendiagnosen führen unter Umständen zu einer Steigerung der
Schwere des behandelten Falles (PCCL ± Patient clinical Complexity Level= patientenbezogener Gesamtschweregrad, PCCL 0 ± 4). Dieser PCCL fasst die einzelnen
Schweregrade (CCL, s. o.) der Nebendiagnosen zusammen und kann damit zu
einem Mehrerlös führen. Daher muss deren Kodierung begründbar und sie selbst
im Krankheitsverlauf respektive Arztbrief dokumentiert sein.
Praktisches
Vorgehen
.........................................................................................
"
DRGs werden als 4-stellige Kombination aus Buchstaben und Ziffern angegeben:
Siehe Tab. 2.2.
. Einstufung des Patienten in die Hauptbehandlungsgruppe.
. Zuordnung zu einer Basis-DRG innerhalb der Hauptbehandlungsgruppe.
. Angabe des Ressourcenverbrauches (zusammengesetzt aus den Schweregradwerten der Nebendiagnosen), mit der die DRGs innerhalb einer Basis-DRG unterschieden werden (= Kennzeichnung: A ± E, wobei A den höchsten Ressourcenverbrauch beschreibt, Z = keine Unterteilung).
.
Tabelle 2.2 DRGs
.........................................................................................
Angabe
Hinweise
Hauptbehandlungsgruppe (MDC)
1. Stelle
Enthält die Hauptdiagnose; geordnet nach
Organsystemen oder Ursachen (Ausnahmen:
¹Aª= Sonderfälle, z. B. Transplantation und die
Ziffer ¹9ª= Fehler-DRGs)
Unterbehandlungsgruppe (¹Basis-DRGª)
2. und 3. Stelle
Bezeichnet die Art der Behandlung (operativ,
medizinisch, sonstige)
Schweregrad der DRG
4. Stelle
Gibt den Ressourcenverbrauch an. Kennzeichnung mit den Buchstaben A ± E, Z = keine Unterteilung
.........................................................................................
"
Internet-Adressen: www.g-drg.de, www.dkgev.de, www.mydrg.de
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aus: Largiadèr u. a., Checkliste Chirurgie (ISBN 9783135225098), © 2008 Georg Thieme Verlag KG
2.6 Durchgangsarztverfahren
Grundlagen
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"
"
"
"
"
"
"
"
"
Berufsgenossenschaften (BG): Träger der gesetzlichen Unfallversicherung):
. Versicherte Risiken: Arbeits- und Wegeunfälle, Berufskrankheiten.
. Versicherter Personenkreis: Angestellte Arbeitnehmer (auch geringfügig Beschäftigte), Schüler, Studenten, Kindergartenkinder, Behinderte in anerkannten Werkstätten, ehrenamtlich Tätige, Blutspender, Personen im Zivil- und Katastrophenschutz bzw. Leute, die die Arbeit der Feuerwehr und Polizei im Einsatzfall unterstützen, Ersthelfer bei Unfällen, geladene Zeugen und Personen im Rahmen der
Pflege eines Bedürftigen, Rehabilitanden bei medizinischen- bzw. Reha-Maûnahmen.
. Nicht BG-versichert sind: Beamte und Selbstständige (diese können sich freiwillig
versichern), Schwarzarbeiter.
" Hinweis: Beamte sind über die beamtenrechtliche Unfallfürsorge versichert.
Arbeitsunfall: Plötzliche, von auûen bei einer versicherten Tätigkeit einwirkende
Schädigung auf einen Versicherten während seiner Arbeitszeit. Stürze aus internistischer Ursache (z. B. im Rahmen einer Epilepsie oder orthostatischen Dysregulation) oder Sehnenrisse auf dem Boden vorbestehender degenerativer Veränderungen
nach Bagatelltraumen gelten nicht als Arbeitsunfall. Bei Unfällen unter Alkoholeinfluss sollte man primär einen D-Arzt-Bericht (DAB, S. 21) ausfüllen und der BG die
Entscheidung überlassen, ob sie den Fall anerkennt oder nicht (Blutalkoholgehalt
bestimmen und zusammen mit der klinischen Einschätzung der Trunkenheit auf
dem DAB dokumentieren, S. 29).
Wegeunfall: Unfall auf dem (direkten) Arbeitsweg, der an der Auûenhaustür (auch
bei Mehrfamilienhäusern) beginnt bzw. endet. Manche Umwege sind BG-versichert,
z. B. das Abliefern des eigenen Kindes bei der Tagesmutter, andere nicht (z. B. der
Abstecher in ein Einkaufszentrum nach der Arbeit). Im Zweifelsfall bei der BG nachfragen.
Berufskrankheit: Krankheiten, die durch besondere Einwirkungen verursacht werden, denen bestimmte Personengruppen aufgrund ihrer Arbeit in deutlich höherem
Maûe ausgesetzt sind als andere Menschen. Z. B. eine Bursitis praepatellaris (S.197)
bei Fliesenlegern oder Lungenerkrankungen nach jahrelanger Asbestexposition im
Baugewerbe. Die Berufskrankheit kann dabei Jahre später oder schleichend auftreten. Jeder Verdacht muss umgehend der zuständigen BG zur Prüfung gemeldet
werden.
Durchgangsarzt (D-Arzt): Von den Landesverbänden der gewerblichen Berufsgenossenschaften vertraglich gebundene Fachärzte für Chirurgie mit dem Schwerpunkt Unfallchirurgie.
H-Arzt: Von der BG zur Durchführung einer besonderen Heilbehandlung (s. u.) ermächtigte ¾rzte.
Allgemeine Heilbehandlung: Durchführung vom Hausarzt, z. B. bei Bagatellverletzungen ohne Komplikationen.
Besondere Heilbehandlung: Fachärztliche Betreuung durch einen D-Arzt oder
H-Arzt. " Merke: Eine stationäre Behandlung gilt immer als besondere Heilbehandlung.
Verletzungsartenverfahren: Stationäre Betreuung bei Schwerverletzten in einem
dafür ausgewählten und von den Landesverbänden der gewerblichen Berufsgenossenschaften zugelassenen Krankenhaus.
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Der chirurgische Stationsalltag
2.6 Durchgangsarztverfahren
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aus: Largiadèr u. a., Checkliste Chirurgie (ISBN 9783135225098), © 2008 Georg Thieme Verlag KG
Der chirurgische Stationsalltag
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2.6 Durchgangsarztverfahren
Prozedere
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"
"
"
20
Nach einem Arbeitsunfall ist unter folgenden Bedingungen die Vorstellung beim
D-Arzt Pflicht:
. Die Arbeitsunfähigkeit besteht über den Unfalltag hinaus.
. Der Verletzte muss voraussichtlich länger als eine Woche behandelt werden.
. Es ist eine Verordnung von Heilmitteln erforderlich.
. Es besteht eine unfallbedingte Wiedererkrankung.
Keine Vorstellungspflicht beim D-Arzt:
. Schwerverletzte: Siehe Verletzungsartenverfahren (S.19).
. Patienten mit isolierten Augen- bzw. HNO-Verletzungen: Vorstellung beim Augenbzw. HNO-Arzt.
. Verletzte, die bei einem H-Arzt in Behandlung sind.
. Verletzte mit begründetem V. a. eine Berufskrankheit: Erstattung einer ¹¾rztlichen Berufskrankheitenanzeigeª (Formular im Internet).
. Keine Arbeitsunfähigkeit: Hausarzt.
. Voraussichtliche Behandlungsbedürftigkeit , 1 Woche: Hausarzt.
Aufgaben des D-Arztes:
. Untersuchung und fachärztliche Erstversorgung (ggf. unter Hinzuziehen weiterer
Fachärzte).
" Hinweis: Assistenzärzte arbeiten immer unter Aufsicht eines D-Arztes. Der
D-Arzt kann Tätigkeiten delegieren, haftet aber für alles. Jeder D-Arzt-Bericht
muss vom D-Arzt des Hauses unterschrieben werden.
. Sofortige Berichterstattung an die BG mittels eines D-Arzt-Berichts (Formular ¹F
1000ª zur Dokumentation von Unfalltag/-zeitpunkt, Unfallhergang, Untersuchungsbefund, Diagnostik, Diagnosen, Therapie). Siehe Praxistipp, S. 21.
" Hinweis: Bei Verletzungen von Kopf, Hand und Knie oder bei einem elektrischen
Stromunfall bzw. einer schweren Verbrennung muss ein Ergänzungsbericht (spezielle Formulare) ausgefüllt werden.
. Steuerung des Heilverfahrens: Entscheidung aufgrund der Art und Schwere der
Verletzung, ob ein allgemeines Heilverfahren (S. 20) oder ein besonderes Heilverfahren (S. 20) erforderlich ist.
" Merke: Eine allgemeine Heilbehandlung wird vom Hausarzt durchgeführt. Der
Patient kann aber vom zuständigen D-Arzt im Rahmen einer Nachschau jederzeit
in ein besonderes Heilverfahren übernommen werden. Letzteres erfolgt immer
durch den D-Arzt und endet mit Rückerlangen der Arbeitsfähigkeit. Eine Übernahme in eine allgemeine Heilbehandlung ist nicht möglich.
. Durchführen der besonderen Heilbehandlung und fortlaufende Berichterstattung
an die BG (zu Behandlungsverlauf, Komplikationen, Behandlungsende) in Form
von ¹Zwischenberichtenª.
. Ausstellen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (S.15).
. Verordnen von: Arzneimitteln, Krankenbeförderung, Heilmitteln (z. B. Krankengymnastik/physikalische Therapie, erweiterte ambulante Physiotherapie, berufsgenossenschaftliche stationäre Weiterbehandlung, arbeitsplatzbezogene Therapie zum Training von Fertigkeiten, die am Arbeitsplatz gefordert sind zur Reintegrierung in den Beruf, z. B. Heben schwerer Gegenstände, Bohren, Leiter steigen),
Hilfsmitteln (S.15), häuslicher Krankenpflege, privater Haushaltshilfe, Betriebshilfe.
. Zur Wiedereingliederung in das Berufsleben bei länger andauernder Arbeitsunfähigkeit ® ABE (= Arbeits- und Belastungserprobung = stufenweise, sich steigernde Beschäftigung im Unfallbetrieb über 3 ± 6 Wochen mit möglicher Verlängerung bei entsprechender Begründung).
. Falls absehbar ist, dass ein Einsatz im alten Beruf verletzungsbedingt nicht mehr
möglich sein wird ® Einschaltung eines Berufshelfers.
aus: Largiadèr u. a., Checkliste Chirurgie (ISBN 9783135225098), © 2008 Georg Thieme Verlag KG
. Nach Behandlungsabschluss Einschätzung der verbleibenden MdE (= Minderung
der Erwerbsfähigkeit).
. Ausfüllen des KD-10-Formulars. Bei Behandlungsabschluss bzw. zum Zeitpunkt
der letzten ambulanten Vorstellung. Hier wird die Einschätzung der MdE eingetragen.
. Bei verbleibender MdE Begutachtung (S. 22) im Hinblick auf eine Rente.
SPraxistipp Ausfüllen des D-Arzt-Berichts (DAB):
Bei jedem Verletzten sollte man an einen potenziellen Arbeits- oder Wegeunfall
(Verkehrsunfälle!) denken. Da es später extrem mühsam sein kann, fehlende Informationen zu sammeln, ist es ratsam, im Zweifelsfall immer einen DAB auszufüllen. Das Formular kann kopiert und ergänzt durch allgemeine Anamnese (S. 3) und
Ganzkörperuntersuchung (S. 5) als Aufnahmeblatt für die Stationsakte (S.12)
zweitverwendet werden. Oft wissen Patienten gar nicht, dass sie BG-versichert
sind, da sie die Versicherung i.d.R. nicht selber bezahlen. Den Namen der BG kann
man (ggf. am nächsten Arbeitstag) beim Arbeitgeber erfahren oder über die Berufsbezeichnung und den Ort des Firmensitzes ableiten (® delegieren an Sekretärin).
Extrem wichtig ist es, alle Zeiten, Orte, Geschehnisse, Befunde (® ggf. Fotos) und
Beobachtungen genau und lückenlos aufzuschreiben, um die sonst garantiert kommenden Nachfragen der BG zu vermeiden. Sehr viel Wert wird auf die exakte
Angabe des Unfallorts gelegt. Beispiel: Die Beschreibung ¹Im Kaufhaus XYª reicht
nicht, statt dessen sollte dort z. B. angegeben werden: ¹Im Kaufhaus XY im 3. Stock
in der Herrenabteilung unmittelbar vor den Umkleidekabinen an der Kasse 3.ª In
Bezug auf den Unfallvorgang ist es essenziell, detailliert zu dokumentieren, bei
welcher Handlung der Schaden eingetreten ist. Lassen Sie sich ggf. Ihnen unbekannte Arbeitsmaschinen vom Verletzten beschreiben. Berichtet wird grundsätzlich im Konjunktiv (¹Der Patient sei ...ª). Falls der Patient erstversorgt wurde (durch
Kollegen, Hausarzt, Notarzt oder in einem Krankenhaus, das nicht für das Verletzungsartenverfahren zugelassen ist), notiert man in Zeile 4 die wesentlichen
Schritte der bereits durchgeführten Maûnahmen. Stellen Sie an dem Patienten
eine klinische Beeinträchtigung durch Alkohol, Drogen o. ¾. fest, nehmen Sie auf
jeden Fall Blut (und ggf. Urin) ab. Ohne diese Absicherung sollten Sie keinen Verdacht darauf äuûern. Bei der ohnehin penibel auszuführenden Dokumentation des
Verletzungbefundes vermerken Sie explizit, ob die Hautkontinuität durchbrochen
ist und ob periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität (z. B. ¹pDMS i.O.ª)
intakt sind. Konzentrieren Sie sich beim Röntgenbefund auf das wesentliche und
stellen Sie unter Zeile 7 eine ordentliche Liste Ihrer Diagnosen bzw. Ihres Verdachts
(siehe Arztbrief, S.13) zusammen. Jede ärztliche Tätigkeit (Untersuchung, Tetanusimpfung, Infusion, Verband, etc.), die Sie am und mit dem Patienten machen, gehört
stichpunktartig in die Zeile 8. Seien Sie vorsichtig mit voreiligen ¾uûerungen bei
den Angaben, die gegen einen BG-Unfall sprechen. Ein Epileptiker kann natürlich
auch ohne akuten Anfall mit der Hand in eine Kreissäge geraten. Die BG prüft teilweise extrem kritisch, um Ansprüche abzuwehren. Die Ablehnung eines Arbeitsunfalls mit gesundheitlichen Folgen kann für den Patienten das finanzielle Aus
bedeuten. Kreuzen Sie in Zeile 10 nur ¹jaª an, wenn Sie sich 100%ig sicher sind.
Bei einem Verdacht schreiben Sie die betreffende Erkrankung wahrheitsgemäû in
Zeile 9 und lassen Sie die Versicherung darüber entscheiden. Ambulante BG-Patienten kontrolliert man häufiger als ¹normaleª Patienten (® Nachschautermin).
"
2
Der chirurgische Stationsalltag
2.6 Durchgangsarztverfahren
Anhang: Verletzungsartenverzeichnis (Stand 2005): Siehe Tab. 2.3.
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Der chirurgische Stationsalltag
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2.7 Begutachtung
.
Tabelle 2.3 Verletzungsartenverzeichnis (Stand 2005)
.........................................................................................
1
Ausgedehnte oder tiefgehende Verletzungen der Haut und der Weichteile, Amputationsverletzungen, Muskelkompressionssyndrome (S. 565), thermische und chemische
Schädigungen (S. 682)
2
Verletzungen der groûen Gefäûe
3
Verletzungen der groûen Nervenbahnen inkl. Wirbelsäulenverletzungen mit neurologischer Symptomatik
4
Offene oder gedeckte Schädel-Hirn-Verletzungen (ab SHT 2 °, S. 570)
5
Brustkorbverletzungen mit Organbeteiligung
6
Bauchverletzungen mit operationsbedürftiger Organbeteiligung inkl. Nieren und
Harnwege
7
Operativ rekonstruktionsbedürftige Verletzungen groûer Gelenke (mit Ausnahme
isolierter Bandverletzung des oberen Sprunggelenks [S. 630], isoliertem Riss des vorderen Kreuzbands [S. 612] und unkomplizierter vorderer Schulterinstabilität [S. 643])
8
Schwere Verletzungen der Hand
9
Komplexe Knochenbrüche, insbesondere mehrfache, offene und verschobene Frakturen
10
Alle Verletzungen und Verletzungsfolgen mit Komplikationen, fehlendem Heilungsfortschritt und/oder Korrekturbedürftigkeit
2.7 Begutachtung
Grundlagen
(in der Schweiz z. T. anders geregelt)
.........................................................................................
"
"
"
"
"
Auftraggeber: Private Unfallversicherung (PUV), private Rentenversicherungen,
private Krankenversicherungen, gesetzliche Unfallversicherung (GUV)/BG (S.19),
gesetzliche Rentenversicherungen, gesetzliche Krankenversicherung (MDK),
Schlichtungsstelle der ¾rztekammer, Gerichte (Sozial-, Straf-, Zivilgericht), Anwälte.
Hinweis: Auch Unternehmen können über den MDK ein Gutachten in Auftrag geben,
wenn z. B. der Verdacht besteht, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit
vortäuscht.
Gutachter:
. Jeder approbierte Arzt kann Gutachten erstellen.
. Bei Assistenzärzten liest der Chefarzt oder ein Facharzt Korrektur.
. BG-Gutachten: Muss immer von einem D-Arzt Korrektur gelesen und unterschrieben werden.
Ziel:
. PUV:
± Einschätzung der dauernden Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen
Leistungsfähigkeit unter ausschlieûlicher Berücksichtigung medizinischfunktioneller Gesichtspunkte (Invaliditätssgrad) ® Angabe in %.
± Einschätzung der dauernden objektiven Funktionsbeeinträchtigung der betroffenen Gliedmaûe im Vergleich zu einer gesunden Gliedmaûe ® Angabe
in Bruchteilen.
. GUV: Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ® Angabe in %.
" Hinweis: Ab einer MdE von 20 % besteht Rentenanspruch. Trotz Zahlung einer
Rente kann der Verletzte aber weiterhin arbeiten gehen.
Form: Formulargutachten oder freies Gutachten (S. 23).
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"
"
"
"
Zeitpunkt:
. PUV: Frühestens nach Behandlungsabschluss bzw. 1,5 ± 2 Jahre nach dem Unfall.
. GUV:
± Nach Behandlungsabschluss erstmalige Renteneinschätzung.
± Bei zu erwartender Veränderung Gutachten zur Rentennachprüfung.
± Spätestens nach 3 Jahren erstmalige Renteneinschätzung für unbestimmte
Zeit.
Günstige Voraussetzung (nicht zwingend erforderlich): Vorliegende ambulante
bzw. stationäre Behandlungsunterlagen, Röntgenbilder, Befunde mitbehandelnder
¾rzte, ggf. OP-Berichte, Epikrisen.
Ausrüstung: Maûband und Winkelmesser. Praktisch sind Messblätter für obere
bzw. untere Extremitäten, Wirbelsäule und Hand.
Vor jeder Begutachtung empfiehlt sich ein gezieltes Aktenstudium unter den
Gesichtspunkten:
. Art und Ausmaû der Verletzungsfolgen.
. Therapie der Verletzungsfolgen.
. Behandlungsverlauf, Komplikationen und Folgeeingriffe.
Hinweis: Leider bekommt der Gutachter selten die vollständigen Unterlagen von
den Versicherungen bzw. Patienten zur Verfügung gestellt und das eigenständige
Zusammensuchen ist sehr zeitaufwendig. Entscheidend ist letztendlich immer der
aktuelle Untersuchungsbefund.
2
Der chirurgische Stationsalltag
2.7 Begutachtung
Prozedere
.........................................................................................
"
"
"
"
"
Hinweis: Die Untersuchung des Patienten und das Schreiben des Gutachtens findet
auûerhalb der Arbeitszeit statt. Gutachten für die BG müssen innerhalb von 3 Wochen fertig sein, ansonsten gilt: So schnell wie möglich. Die Erstellung eines Gutachtens wird grundsätzlich vergütet. Die Höhe der Vergütung richtet sich nach dem
Auftraggeber und den daraus abzuleitenden Vergütungsrichtlinien (EBM, Gerichtsgutachten etc.).
Einstieg je nach Gutachtenart:
. Formulargutachten: Befragung des Versicherten zu Unfall und Verletzungsfolgen
anhand der in der Gutachtenvorlage vorformulierten Fragen.
. Freie Gutachten: Erfragen von Anamnese, bisherigem Behandlungsverlauf, Vorerkrankungen, Berufsanamnese, sozialer Anamnese und jetzigen Beschwerden.
Detaillierte Befragung zur Beschwerdesymptomatik:
. Ort der Beschwerden: Wo sind sie lokalisiert/ausstrahlend?
. Zeitpunkt: Unter Belastung, in Ruhe, bei bestimmten Bewegungen/Tätigkeiten?
. Schmerzcharakter?
. Lokale Veränderungen wie Hitze, Rötung, Schwellung, Gefühlsstörungen?
. Beeinträchtigung im beruflichen und privaten Leben?
Allgemeine klinische Untersuchung:
. Gröûe, Gewicht, Körperbau, kardiopulmonale Situation.
. Beurteilung der Psyche und Kooperativität, Aggravation?
. Allgemeine Beobachtungen: Gangbild, Schonhaltung, Ausweichbewegungen, Benutzung von Hilfsmitteln, Prothesen, Einlagen.
Erhebung des Lokalbefunds:
. Inspektion: Stand, Gang, Haltung und Bewegungsabläufe, Hautkolorit, Durchblutungssituation, Narben, Wunden, Ulzerationen, Hautausschlag, Hämatom,
Schwellung bzw. Umfangsdifferenz, Varizen, Ödem, pathologische Verschwielung als Zeichen der Mehr- bzw. Fehlbelastung?
. Palpation: Hautfeuchtigkeit/-turgor, Ödem, lokale Temperaturerhöhung, Verschieblichkeit der Narben (Verklebung darunterliegender Strukturen?), Narbenhernie, Faszienlücken?
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Der chirurgische Stationsalltag
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2.7 Begutachtung
. Funktionsbeurteilung:
± Ausmessen der Bewegungsumfänge (Neutral-Null-Methode, S. 7) sowie von
Längen- und Umfangsdifferenzen entsprechend des standardisierten Messprotokolls bei Extremitätenverletzungen bzw. Verletzungen der Wirbelsäule.
± Prüfen von Bandinstabilitäten (Beurteilung immer im Seitenvergleich).
. Allgemeine Funktionstests:
± Obere Extremitäten: Faustschluss, Nacken-, Schürzen-, Spitz- und Feingriff.
± Untere Extremitäten: Einbeinstand, Zehenstand/-gang, Hackenstand/-gang,
Hocken, Knien.
. Spezielle Funktionstests in Abhängigkeit vom verletzten Gelenk. Beispiele:
± Meniskuszeichen bei Knieverletzungen: Steinmann, Apley, Pivot-Shift (S. 613).
± Prüfung der Bandinstabilität bei Knieverletzungen: Vordere und hintere
Schublade (S. 613).
"
"
"
"
Zusatzuntersuchungen bei Verletzungen des Skelettsystems:
. Röntgen (in der Regel gefordert):
± Lokalisation der Fraktur.
± Ausheilungsergebnis: Stellung in beiden Ebenen, Konsolidierung bzw. fehlende Frakturheilung (S. 564)?
± Osteosynthesematerial: Art des Implantats, Lage, Lockerungszeichen, Bruch
des Materials?
± Entzündungszeichen, Weichteilveränderungen/-verkalkungen.
± Kalksalzgehalt des Knochens, degenerative Veränderungen im Gelenkbereich?
" Wichtig: Sind etwaige degenerative Veränderungen nach dem Unfall im Verlauf
progredient? Wenn möglich Voraufnahmen ansehen oder Röntgenuntersuchung
der Gegenseite veranlassen.
. Sonographie/CT/MRT (z. B. bei begleitenden Weichteilverletzungen oder Knochennekrosen): Nur auf spezielle Anforderung oder nach vorheriger Rücksprache
mit der Versicherung (Kostenübernahme?) veranlassen.
Zusatzuntersuchung bei Abdominalverletzungen und fortbestehender Beschwerdesymptomatik: Sonographie des Abdomens.
Zusatzgutachten:
. Erforderlich, wenn Organverletzungen oder Folgezustände (auch von aufgetretenen Komplikationen) vorliegen, die durch andere Fachabteilungen zu beurteilen
sind, z. B. durch Neurologie, Psychiatrie, Innere Medizin (Angiologie, Pulmologie),
Augenheilkunde, HNO, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie.
. PUV: Entsprechend der objektivierbaren Defizite schätzt jede Fachabteilung die
verbleibenden Schäden auf ihrem Gebiet ein, die dann einzeln im Gutachten
aufgeführt werden müssen.
. GUV: Festlegen der Gesamt-MdE.
" Cave: Summation bei Überschneidungen in den Unfallverletzungsfolgen: 20 %
MdE vom Chirurgen bei Unterschenkelfraktur und 10% MdE vom Internisten
wegen der Folge einer Unterschenkelthrombose, ergibt aufgrund einer Überschneidung der Unfallverletzungsfolgen höchstens eine Gesamt-MdE von 25%.
Beurteilung: Bei freien Gutachten abschlieûende Zusammenfassung der verbliebenen Unfallfolgen (dabei nur pathologische Veränderungen aufführen) und Bewertung (Bezifferung anhand von Tabellen) derselben.
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3 Arbeitstechniken im chirurgischen Alltag
3.1 Verbandswechsel (VW) und Wundpflege
Grundlagen
.........................................................................................
Wunde
Analyse
Nekrose (S. 181)
Infektion (S. 181)
Beläge
Debridement
(S. 129)
antibiotische
Therapie (S. 181)
Reinigung
(S. 26)
3
Arbeitstechniken im chirurgischen Alltag
3.1 Verbandswechsel (VW) und Wundpflege
feuchter
Verband (S. 31)
Granulation (S. 180)
operativer
Wundverschluss (S. 778)
Epithelisation
(S. 180)
Narbenreifung (S. 182)
Abb. 3.1 . Wundmanagement: Übersicht der prinzipiellen Schritte
"
"
Internettipp: Deutsche bzw. Schweizer Gesellschaft für Wundbehandlung:
www.dgfw.de oder www.safw.ch. Gute Standards liefert www.wundzentrum-hamburg.de.
Indikationen zum VW:
. Frische OP-Wunde:
± Primär genähte Wunden das erste Mal am 3. postop. Tag verbinden (Ausnahme: Risikoreiche Nähte, z. B. nach offenen Verletzungen).
± Bei offener Wundbehandlung (z. B. nach Abszessinzision) am 1. postop Tag
(S. 552).
± Erster VW der Empfängerregion bei Hauttransplantationen (S. 205) nach frühestens 3 Tagen (vorsichtig!).
. Verschmutzter bzw. durchgebluteter Verband: Sofort wechseln. Bei frischen Wunden (= 0. ± 2. Tag) streng auf Sterilität achten, danach in ¹No-touchª-Technik
(S. 26) vorgehen.
. Chronische Wunde: Bei feuchtem Verbandsregime (S. 31) täglich wechseln, i.d.R.
2- bis 3-mal pro Tag. Bei Okklusionsverbänden (S. 32) oder Vakuumversiegelung
(S. 33) je nach Bedarf (Æ alle 3 ± 4 Tage). " Hinweis: Bei chronischen Wunden
25
aus: Largiadèr u. a., Checkliste Chirurgie (ISBN 9783135225098), © 2008 Georg Thieme Verlag KG
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