U. BREHM: 5 Konvexgeometrie 5-1 Polarität und Dualität Definition: Sei A ⊆ IR d . Dann sei m r A∗ : = x ∈ IR d ∀a ∈ A: x , a ≤ 1 . A∗ heißt die Polarmenge von A. Satz 5.1: Sei A ⊆ IR d . Dann gilt: 0) A ⊆ B ⇒ A∗ ⊇ B∗ , 1) = {0}) (cl konv( A ∪ {0}))∗ A∗ cl konv( A∗ ∪= 2) A∗∗ = cl konv( A ∪ {0}) , 3) A∗∗∗ = A∗ , 4) A beschränkt ⇔ 0∈( A∗ ) , 5) A∗ beschränkt ⇔ 0∈(konv A) . Sei ( Ai )i ∈I mit Ai ⊆ IR d . Dann gilt: 6) FG A IJ H K i ∈I ∗ = ( Ai∗ ) . i i ∈I 7) Falls 0∈ Ai und falls die Ai abgeschlossen und konvex sind, dann gilt: FG A IJ H K i ∈I i ∗ FG H IJ K = cl konv ( Ai∗ ) . i ∈I Beweis: 0) offensichtlich 1) 0 ∈ A∗ klar, A∗ ist nach Definition Durchschnitt von abgeschlossenen Halbräumen, also abgeschlossen und konvex. A∗ = ( A ∪ {0})∗ klar; A∗ = ( A )∗ klar; A∗ = (konv A)∗ : Seien a1, a2 ∈ A , λ ∈ 0, 1 , x , a1 ≤ 1 , x , a2 ≤ 1 , dann ist x , λ a1 + (1 − λ ) a2 = λ x , a1 + (1 − λ ) x , a2 ≤ 1 . 2) Sei wegen 1) o.B.d.A. A = cl(konv( A ∪ {0})) , d.h. A abgeschlossen und konvex und 0∈ A . Sei x ∈ A , dann x , y ≤ 1 für alle y ∈ A∗ , also x ∈ A∗∗ , also A∗∗ ⊇ A . Falls x ∈IR d \ A , dann gibt es eine Hyperebene H, die x und A echt trennt. 0∉ H , da 0∈ A . m Also gibt es y ∈IR d mit A ⊆ z ∈ IR d r z, y < 1 , x, y > 1 . Also y ∈ A∗ , also x ∉ A∗∗ , also A∗∗ ⊆ A , insgesamt A∗∗ = A . 5-2 U. BREHM: Konvexgeometrie 3) Klar mit 1) und 2). 4), 5) Es gilt offenbar Bε ( 0)∗ = B1 ( 0) : Mit 0), 1), 2) gilt nun ε ∗ Bε (0) ⊇ A ⇒ B1 (0) ⊆ A ⇒ Bε (0) ⊇ A∗∗ ⊇ A , also gilt 4). ε ∗ B1 (0) ⊇ A ⇒ Bε (0) ⊆= A∗∗ cl konv( A ∪ {0}) ⇒ B ε (0) ⊆ konv A ⇒ B2 (0) ⊇ A∗ , ε ε 2 also gilt 5). 6) Klar nach Definition. 7) folgt aus 6) durch Anwendung von ∗ und Ai = Ai∗∗ nach 2) und Voraussetzung. ∗ Ai i ∈I ∗ 2) ∗ ∗ ( ( Ai ) ) i ∈I ∗∗ 6) ∗ ( Ai ) i ∈I 2) cl konv ( Ai∗ ) (nach 1) ist 0∈ Ai∗ ) i ∈I m Beispiele: {0}∗ = IR d , ( IR d )∗ = {0} , für a ≠ 0 ist {a}∗ = x ∈ IR d � r x , a ≤ 1 ein abgeschlosse- ner Halbraum, der 0 als inneren Punkt hat. Wenn H ein abgeschlossener Halbraum ist, mit O ∈ H , dann gibt es x ∈IR d \{0} mit H ∗ = konv{0, x} . x A B H H a 31 H∗ a A∗ sei jeweils der Punkt 0 H H∗ D D∗ B∗ 1 ( λ X )∗ = X∗ λ C C∗ E E∗ Achtung: X ∗ hängt entscheidend von der Wahl des Ursprungs 0 ab, d.h. einer Translation von X entspricht keine affine Transformation von X ∗ (sondern eine projektive Transformation). U. BREHM: Konvexgeometrie 5-3 Folgerung 5.1: Sei P eine abgeschlossene konvexe Menge und 0∈ P , also P∗∗ = P . Dann gilt: 1) P ist ein Polytop ⇔ P∗ ist eine polyedrische Menge und 0∈ int P∗ . 2) P ist ein Polytop und 0∈int P ⇔ P∗ ist ein Polytop und 0∈ int P∗ . Beweis: 1) " ⇒ " klar mit Satz 5.1.1, 5.1.4, 5.1.6. " ⇐ " klar mit Satz 5.1.4, 5.1.6. 2) klar mit 1), Satz 5.1.5, sowie Satz 4.6.9. � Bemerkung: Mit Hilfe der Polarität kann man Satz 4.6.10 aus Satz 4.6.9 herleiten (wegen P∗∗ = P ). Definition und Lemma 5.1: Sei K eine kompakte konvexe Menge mit 0∈int K und m r F ∈ L( K ). Bezeichne F : = y ∈ K ∗ y , x = 1fürallex ∈ F . Dann ist Fˆ ∈ L( K ). ∗ = K ∗ , K = ∅ können wir annehmen, dass F eine exponierte Seite von K ist. B e w e i s : Da ∅ ~ ~ Sei x0 ∈rel int F und F : = y ∈ K ∗ y , x0 = 1 . Dann ist F eine exponierte Seite von K ∗ ~ und F ⊆ F . Sei y0 ∈ K ∗ \ F . Dann gibt es x1 ∈ F mit y0 , x1 < 1 . Da x0 ∈rel int F , gibt es x2 ∈ F mit x0 = (1 − λ ) x1 + λ x2 und mit λ∈ [0, 1) , also m r y0 , x0 = (1 − λ ) y0 , x1 + λ y0 , x2 < 1, <1 ≤1 ~ ~ also y0 ∉ F , also F ⊆ F . ~ Insgesamt ist also F = F eine exponierte Seite von K ∗ . � Satz 5.2: Sei K eine kompakte konvexe Menge mit 0∈int K , Fˆ ∈ L( K ∗ ). Dann ist F = F . Die Abbildungen ^ : L( K ) → L( K ∗ ) und ^ : L( K ∗ ) → L( K ) sind bijektiv und antiton (ordnungsumkehrend). Insbesondere ( F1 ∨ F2 )^ = Fˆ1 ∩ Fˆ2 und ( F1 ∩ F2 )^ = Fˆ1 ∨ Fˆ2 . B e w e i s : Zu zeigen F = F . Die übrigen Aussagen sind klar wegen K ∗∗ = K (nachprüfen!). m F = x ∈ K ∗∗ r x , y = 1füralley ∈ F , also wegen K ∗∗ = K ist F ⊆ F . 5-4 U. BREHM: Konvexgeometrie Falls F = ∅ oder F = K ist Behauptung klar. Sei F eine exponierte Seite von K. Dann gibt es eine Stützhyperebene H von K. H = x ∈ IR d x , y0 = 1 mit F = H ∩ K und K ⊆ H − = x ∈ IR d x , y0 ≤ 1 , also y0 ∈ K ∗ m r m r und schließlich y0 ∈ F . Falls x0 ∈ K \ F , dann ist x0 , y0 < 1 , also x0 ∉ F . Damit ist F ⊆ F , also insgesamt F = F . � Definition: Zwei Polytope P1 , P2 heißen kombinatorisch äquivalent oder vom selben kombinatorischen Typ, wenn F ( P1 ) ≅ F ( P2 ), d.h. wenn ihre Seitenverbände isomorph sind. Beachte, dass für ein Polytop P gilt F ( P) = L( P). Ein Polytop P2 heißt dual zu einem Polytop P1 , wenn F ( P1 ) ≅ F ( P2 )op , d.h. wenn der Seitenverband von P1 dual zum Seitenverband von P2 ist. ( F op entsteht aus F durch Umkehren der Ordnungsrelation bzw. durch Vertauschen von ∧ und ∨ .) Also: P1 und P2 sind kombinatorisch äquivalent, wenn es eine bijektive Abbildung f : F ( P1 ) → F ( P2 ) gibt mit F1 ⊆ F2 ⇔ f F1 ⊆ f F2 . P1 und P2 sind zueinander dual, wenn es eine bijektive Abbildung f : F ( P1 ) → F ( P2 ) gibt mit F1 ⊆ F2 ⇔ f F1 ⊇ f F2 . Achtung: Man braucht wirklich beide Richtungen in " ⇔ "! Folgerung 5.2: Sei P ein Polytop mit 0∈int P . Dann sind P und P∗ zueinander dual. B e w e i s : Folgt aus Folgerung 5.1.2 und Satz 5.2. � Satz 5.3: Seien F1 eine j-Seite, F2 eine k-Seite eines Polytops P mit F1 ⊆ F2 . Dann ist der Unterverband {F ∈ F ( P) F1 ⊆ F ⊆ F2 } ⊆ F ( P) isomorph zum Seitenverband eines ( k − j −1) -Polytops, das wir mit F2 / F1 bezeichnen. Beachte, dass F2 / F1 nicht ein bestimmtes Polytop ist, sondern als Repräsentant einer Klasse von kombinatorisch äquivalenten Polytopen zu betrachten ist. B e w e i s : Sei F2∗ ein zu F2 duales k-Polytop (z.B. das polare Polytop in aff F2 , wobei 0 ∈rel int F2 ) und F1 die F1 entsprechende ( k − j −1) -Seite in F2∗ . Dann ist F ( Fˆ1 ) ≅ F ( F2∗ ) dual zum gegebenen Unterverband. Nun wähle man F2 / F1 als duales Polytop zu F1 . (Existiert nach Folgerung 5.2.) � U. BREHM: Konvexgeometrie 5-5 Definition: Sei F eine Ecke eines Polytops P. Sei H eine Hyperebene, die F von den übrigen Ecken (exp P ) \ {F} echt trennt. Dann heißt H ∩ P die Eckenfigur von P in F. Mit Satz 3.3.1 ist klar, dass es zu jeder Ecke eine Eckenfigur gibt. Da H keine Ecke von P enthält, trifft H genau die Seiten von P, die F enthalten und zwar auch deren relatives Inneres. Daraus ist leicht zu folgern: Lemma 5.2: Die Eckenfigur H ∩ P eines Polytops P an der Ecke F ist kombinatorisch äquivalent zu P / F . Bemerkung: Lemma 5.2 ermöglicht eine rekursive Konstruktion von F2 / F1 und damit einen anderen Beweis von Satz 5.3. Aufgaben 5.1 Seien K1 ∈ K d1 , K 2 ∈ K d2 mit 0 ∈ int K1 , 0 ∈ int K 2 . Zeigen Sie a) ( K1 × K 2 )∗ =K1∗ ∗ K 2∗ b) 5.2 ( K1 ∗ K 2 )∗ =K1∗ × K 2∗ . Sei f : IRd → IRd eine bijektive lineare Abbildung mit f ( x) = Ax . Bestimmen Sie eine Abbildung g : IRd → IRd , sodass für alle kompakten konvexen Mengen K ⊆ IRd mit 0 ∈ int K gilt: ( f ( K ))∗ = g ( K ∗ ). 5.3 Sei t ∈ IRd . Bestimmen Sie eine Abbildung g : {x x, t > −1} → IRd , sodass für alle kompakten konvexen Mengen K ⊆ IRd mit {0, −t} ⊆ int K gilt: ( K + t )∗ = g ( K ∗ ).