Supply Chain Management und Logistik - Beck-Shop

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Supply Chain Management
1.1
Abgrenzung Supply Chain Management und
Logistik
Die Beseitigung politischer Schranken, der vereinfachte weltweite Transport von Daten
und Material sowie die fortschreitende technologische Reife vieler Produkte haben den
Wettbewerb härter gemacht. Eine mögliche Antwort auf diese neuen Herausforderungen ist das ganzheitliche Management logistischer Strukturen und Abläufe, da exakt in
diesen Bereichen in den Unternehmen ein Großteil der Kosten entsteht und in diesen
Bereichen der Kundenservice stark beeinflusst werden kann. Unternehmen haben in
den letzten Jahren erkannt, dass das Produkt und die Produktqualität als Hauptdifferenzierungsmerkmal an Bedeutung verloren haben. Das bedeutet, dass der Kunde nicht nur
eine umfassende Dienstleistung über die komplette Produktlebensdauer, sondern ganz
allgemein auch Flexibilität und Schnelligkeit erwartet. Unternehmen haben aber auch
gelernt, sich auf Ihre tatsächlichen Stärken und Kernkompetenzen zu besinnen. Man hat
begriffen, dass es potentielle Partner gibt, die bestimmte Dienstleistungen besser und
günstiger erbringen können als dies im eigenen Unternehmen der Fall ist. Warum soll
man diese Tatsache nicht ausnutzen und ein Partnernetzwerk bilden, das jedem Vorteile
bringt und die eigene Wettbewerbsfähigkeit steigert?
Der Begriff Supply Chain Management bedeutet wörtlich übersetzt »LieferantenKetten-Management«, womit der Unterschied zur klassischen Logistik bereits deutlich
wird: Man bildet hier Kompetenznetzwerke und versucht, die Prozesse nahtlos vom
Rohstoff bis zum Endkunden – über alle Beschaffungs- und Absatzstufen hinweg – zu
steuern. Damit stehen nicht mehr einzelne Unternehmen im Wettbewerb zueinander,
sondern die Leistungsfähigkeit dieser Kompetenznetzwerke. Mit Kompetenznetzwerken sind hier nicht nur Rohstoff- und Teilelieferanten gemeint, sondern auch Entwicklungsingenieure, Konstrukteure und die Vertriebsmitarbeiter.
Derzeit ist noch keine allgemein anerkannte Definition vorhanden, wir legen im Folgenden die vom Council of Supply Management Professionals (CSCMP) verwendete
Version zugrunde: Supply Chain Management beinhaltet die Planung und das Managen
aller Aktivitäten, die mit Beschaffung, Einkauf, Logistik und Transformation (Produktion) zu tun hat. Wichtig zu verstehen ist, dass dies auch die Koordination und Kooperation mit Partnern, wie Channel Partner, Lieferanten, Third-Party Service Provider
und Kunden beinhaltet. Zusammengefasst: Supply Chain Management integriert den
Markt mit der Lieferkette innerhalb und zwischen den Firmen.
Obwohl der Logistikbegriff bereits seit dem Altertum im militärischen Bereich Verwendung fand, wurde er erst in den 1950er Jahren in den USA in die Betriebswirt-
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schaftslehre übernommen. Der wirtschaftliche Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg, aber auch der daraus entstehende internationale Wettbewerb erforderte
veränderte Organisations- und Produktionsabläufe und führte damit zu einer rasanten
Entwicklung der Logistik, die durch die fortschreitende Globalisierung noch weiter verstärkt wurde.
Was bedeutet aber der Begriff »Logistik«? Auch für diesen Schlüsselbegriff existiert
eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen – wir legen in diesem Buch folgendes
Begriffsverständnis zugrunde: Logistik umfasst die gesamte Informations- und Warenflusskette vom (internationalen) Beschaffungs- bis hin zum (internationalen) Verbrauchermarkt. Logistik hat damit dafür zu sorgen, dass eine Senke, also ein Empfangspunkt,
gemäß seines Bedarfs
앫
앫
앫
앫
앫
앫
die richtige Ware,
in der richtigen Menge,
der richtigen Qualität,
im richtigen Zustand,
zum richtigen Zeitpunkt
und zu minimalen Gesamtkosten
erhält – unter Logistikern werden diese Punkte unter dem Begriff Six Sigma subsummiert.
Das Begriffsverständnis war in den letzten Jahrzehnten einem starken Wandel unterworfen. In Abbildung 1 ist erkennbar, dass sich die frühere Denkweise sehr stark auf die
Leistungsfähigkeit des eigenen Unternehmens und den erforderlichen unternehmensinternen Produktions- und Informationsfluss bezogen hat und nur der direkte
Vorlieferant betrachtet wurde, also ein zu enge Sichtweise.
BESCHAFFUNGSLOGISTIK
PRODUKTIONSLOGISTIK
Beschaffungsmarkt
Beschaffungsplanung
Materialbedarfsplanung
DISTRIBUTIONS LOGISTIK
Absatzmarkt
Produktionsund
Logistikplanung
Absatzplanung
Produktions--und Materialflusssteuerung
(Wertschöpfung)
Zulieferer
Beschaffung
Produktion
Distribution
Entsorgung
Recyclingmaterial
Abfallstoffe
Abnehmer
ENTSORGUNGSLOGISTIK
Abb. 1
Strategisches und strukturelles Entscheidungsfeld Logistik
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(Informations und Materialfluss)
1.2 Grundstruktur einer Supply Chain ______________________________________________ 13
Für die hier dargestellte Logistik innerhalb eines Unternehmens wird heute vielfach der
Begriff Intralogistik verwendet. Dieser deckt alle Prozesse vom Einkauf, über den
Wareneingang bis hin zum Fertigwarenlager und der Distribution ab. In Teilen der Literatur wird auch die Produktion unterhalb der Intralogistik eingegliedert. Es ist aber hier
eine klare Abgrenzung zwischen den Prozessen innerhalb und außerhalb eines Unternehmens gegeben.
1.2
Grundstruktur einer Supply Chain
Zunächst soll geklärt werden, welche Akteure es in einer Supply Chain geben kann und
welche Probleme bei einer Supply Chain auftreten können, um dann anschließend
Methoden und Ansätze kennenzulernen, die zur Problemlösung beitragen.
Abbildung 2 zeigt den Grundaufbau einer einfachen Supply Chain. Die Struktur der
Supply Chain hat Auswirkungen auf die Gesamtkosten. Eine größere Anzahl an Firmen
in diesem Netzwerk erhöht die Komplexität und die Unsicherheit. Auf der anderen Seite
können aber Kosten gespart und der Service optimiert werden, wenn spezialisierte Firmen Aufgaben in der Supply Chain übernehmen. Um Kosten zu reduzieren und das
Servicelevel zu verbessern, müssen in logistischen Netzen alle Partner berücksichtigt
werden und eng zusammenarbeiten. Links vom OEM (Original Equipment Manufacturer) wird »Inbound« genannt, die rechte Seite als »Outbound« bezeichnet.
LIEFERANTEN
TRANSPORT
OEM
TRANSPORT
DISTRIBUTION
VERTRIEB
KUNDEN
Abb. 2
Die Grundstruktur einer Supply Chain
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TRANSPORT
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Original Equipment Manufacturer (OEM)
Er bildet das zentrale Element der Supply Chain. Ein OEM definiert sich dadurch, dass
dieser Produkte unter seinem Namen an Endverbraucher vertreibt. Typischerweise kontrolliert der OEM signifikante Teile der Supply Chain. Er bestimmt, welche Lieferanten
zuliefern, welche Partner in Richtung Kundenlieferung eingesetzt werden und wie mit
all diesen Firmen zusammengearbeitet werden soll. Dennoch muss der OEM nicht
unbedingt die dominante Firma in einer Supply Chain sein. In vielen Industrien ist
momentan sogar zu beobachten, dass die Zulieferer eine immer dominantere Rolle einnehmen.
Im Inbound-Bereich gibt es nun Standardlieferanten und Systemlieferanten. StandardLieferanten liefern Komponenten und werden insbesondere bezüglich Preiswettbewerbsfähigkeit, Qualität und verfügbarer Kapazität beurteilt. Üblicherweise wird angestrebt für eine Komponente mehr als einen Lieferanten zu gewinnen. Dieses Konzept
wird »Multi Sourcing« genannt. Kennzeichnend ist auch, dass keine intensive Zusammenarbeit auf der Entwicklungsseite stattfindet und somit bei Problemen ein Austausch
eines Standardlieferanten leicht vollzogen werden kann und dass zudem die Zusammenarbeit zeitlich begrenzt ist. Im Gegensatz hierzu sind Systemlieferanten zu sehen.
Große Automobilfirmen statten sich mit fünf bis sieben Systemlieferanten aus, welche
die Anzahl an Standardlieferanten durch Bündelung stark reduzieren, da sie ganze
Module und nicht nur einzelne Komponenten zuliefern. Die Zusammenarbeit ist langfristig ausgelegt und die Kooperation beginnt bei der gemeinsamen Entwicklung der
Module, die dann in das Endprodukt des OEM einfließen. Hier handelt es sich also um
strategische Partnerschaften, wo beide Parteien sehr stark aufeinander angewiesen sind.
Diese Partnerschaften sind auf dem gleichen Level, eine Dominanz eines Partners ist
nicht typisch, da sich beide Firmen gegenseitig erfolgreicher machen möchten.
In der Fachsprache wird die Position eines Lieferanten durch das englische Wort
»tier« festgelegt. Ein 1-tier (»first tier«) Lieferant ist direkt mit der eigenen Firma verbunden. Ein 2-tier Lieferant ist der Lieferant eines 1-tier Lieferanten usw. Diese Betrachtungsweise ist insofern relevant, da die Position direkt aussagt, wie eng und relevant die
Beziehung ist. Die Performance eines 1-tier Lieferanten hat direkte Auswirkung auf die
Performance der belieferten Firma. Dies erklärt, dass in den letzten Jahren immer mehr
Wert darauf gelegt wurde, Transparenz innerhalb der Supply Chain zu schaffen – also
zu verstehen, wie pünktlich die Lieferungen der Vorlieferanten sind. Diese Transparenz
ermöglicht dann ein viel früheres Eingreifen, wenn in der Supply Chain Probleme auftreten. Diesem Sachverhalt wurde Rechnung getragen, indem heutige ERP-Systeme
Module anbieten, mit welchen die Supply Chain Performance bis tief in die Supply
Chain hinein gemessen werden kann. Alle Partner greifen dann auch auf diese zentrale
Datenbank zur Berechnung der Vorhersagen ein.
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Lieferanten
1.2 Grundstruktur einer Supply Chain ______________________________________________ 15
Dienstleister und Contract-Manufacturer
Sofern eine der produzierenden Firmen die Fertigung an eine andere Firma vergibt
(Outsourcing), werden diese Fertigungsdienstleister (Contract-Manufacturer) genannt.
Diese Firmen bieten die Dienstleistung »Fertigung« an und produzieren für einen Lieferanten die Komponenten oder für den OEM das Produkt. Diese Firmen kommen vor
allem dann ins Spiel, wenn die Fertigung selbst keinen Wettbewerbsvorteil mehr
darstellt und diese Art der Fertigung am Markt erhältlich ist. Fertigungsdienstleister
können Synergieeffekte nutzen, wenn sie ähnliche oder gleiche Fertigungsabläufe für
verschiedenen Kunden nutzen. Dann ergibt sich ein Kostenvorteil und durch die Spezialisierung dieser Partner kann auch effektiver und qualitativ hochwertiger gearbeitet
werden. Dienstleister werden gerne nach folgenden fünf Kategorien unterschieden:
앫 First Party Logistics Provider (1PL Provider) sind Einzeldienstleister, die regional
Zwischenhändler, Einzelhändler und Value Added Reseller (VAR)
Diese Art von Firmen auf der Outbound-Seite haben Vertriebsaufgaben zu übernehmen. Zwischenhändler (Wholesaler) versorgen die große Menge an Einzelhändler
(Retailer), die Einzelhändler wiederum an die Endkunden. Solche Firmen sind dann
relevant, wenn der OEM oder auch ein großer Zulieferer keine Vertriebserfahrung
bezüglich des Marktes hat.
Insbesondere der Einzelhandel hat die Aufgabe des direkten Kontaktes zum Endkunden. Er ist geographisch präsent, kennt die Kunden, deren kaufrelevante Erwartungshaltungen und Geschäftskultur. Oft werden diese Partner benötigt, wenn neue Märkte
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beschränkte operative Transport- und Logistikdienstleistungen anbieten. Meist sind
sie spezialisiert auf bestimmte Güter oder Frachtarten oder Branchen (z.B. Fuhrunternehmen, Wertguttransporte, Hafenbetriebe, Lagerhausgesellschaften).
앫 Second Party Logistics Provider (2 PL Provider) sind Dienstleister die in einem größeren geographischen Aktionsgebiet das Angebot des 1PL um spezialisierte Logistikdienstleistungen erweitern. Der Verbunddienstleister stellt hierzu eigene und fremde
Ressourcen für Transport, Umschlags- und Lagermanagement zur Verfügung. Oft
werden Rahmenverträge zwischen den Partnern geschlossen und die Aufträge werden dann kurzfristig abgerufen (z.B. Kuriere, Express- und Paketdienste, Frachtdienstleister).
앫 Third Party Logistics Provider (3 PL Provider) sind systemintegrierte, national und
international flächendeckende Dienstleister, die maßgeschneiderte Logistiklösungen
anbieten und genau auf die Prozesse der Auftraggeber abstimmen (auch Übernahme
von ehemaligen Versandabteilungen, Fuhrpark, Lagerbewirtschaftung).
앫 Fourth Party Logistics Provider (4 PL Provider) sind Logistikdienstleister, die sich auf
die Beratung, Planung und Steuerung einer gesamten Warenwirtschaftskette von
Industrie- und Handelsunternehmen spezialisiert haben. Der 4 PL hält keine eigenen
Transport- und Lagerkapazitäten vor, sondern wählt die geeigneten operativen Logistikleistungen aus einer Vielzahl dritter Dienstleister aus. Lead Logistics Provider
(LLP) sind 4 PL Provider mit eigenen operativen Kapazitäten.
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in wenig bekannten Ländern aufgetan werden sollen und über diese Firmen schnell
Zugang zu den politischen und zu den Kunden-Netzwerken geschaffen werden soll. Die
Abhängigkeit zum OEM ist branchenabhängig: Während die Firmen in der Computerindustrie weitgehend eigenständig operieren, hängen sie in der Automobilindustrie eher
am Tropf des OEM. Bei den Einzelhändlern wird wiederum unterschieden in Discounter, die niedrigste Preise am Markt anbieten möchten (z.B. Aldi, Lidl), segmentierte
Einzelhändler, die sich auf bestimmte Produkte fokussieren und eine eingeschränkte
Fachberatung bei starker Preisorientierung anbieten (Media Markt) oder Fachhändler,
die sich über die Beratung differenzieren.
In einigen Fällen gibt es auch Vertriebspartner, die gleichzeitig eine Veredelung der
Produkte des OEM vornehmen. Diese werden Value Added Reseller (VAR) bezeichnet.
In der Automobilbranche sind dies etwa Kfz-Tuner, in der Computerbranche Spezialisten, die Software und Hardware für bestimmte Märkte oder auch kundenspezifisch
anpassen. Diese Firmen haben in der Regel kein eigenes Ladengeschäft.
Kunden
1.3
Was bedeutet Supply Chain Management?
Betrachtet man die wörtliche Übersetzung, also »Lieferanten-Ketten-Management«,
wird deutlich, dass der Begriff Supply Chain Management nicht exakt das ausdrückt,
was eigentlich damit gemeint ist. Supply (Versorgung/Angebot) bezieht sich eher auf die
Beschaffungsseite und den Zufluss von Material. Die Idee des Supply Chain Managements ist aber, dass jeder Prozess auf den Kunden hin ausgerichtet werden sollte. Besser
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Nachdem nun mögliche Partner in einer Supply Chain beschrieben wurden, ist nun
noch der Vertriebsweg zu betrachten. Hier gibt es zwei Möglichkeiten: Der direkte Vertrieb (Direct Channel) und der indirekte Vertrieb (Indirect Channel). Nutzt eine Firma
einen direkten Vertrieb, dann liefert diese die Endprodukte direkt an die Endkunden
aus, die das Produkt nutzen (und nicht einbauen). Dies können Firmenkunden sein, die
eine Maschine kaufen oder Endkonsumenten, also Privatpersonen, die ein Haushaltsprodukt, ein privates Fahrzeug oder einen PC kaufen.
Sind aber Vertriebspartner wie Händler und/oder Distributoren zwischen OEM und
Endkunden beteiligt, so ist dies ein indirekter Vertrieb. Vor- und Nachteil beider Systeme liegen auf der Hand. Der Direktvertrieb ist dann von Vorteil, wenn der Endkundenkontakt von hoher Relevanz ist und die Firma ein effizientes Vertriebssystem aufgebaut hat (z.B. über das Internet). Dieses System ist dann untauglich, wenn die Firma
keine Kompetenz bei Vertrieb oder Distribution besitzt. Dann ist es besser, sie nutzt
Firmen, die sich genau auf diese Kompetenzen fokussiert haben. Riskant hierbei ist aber,
dass der Endkundenkontakt verlorengeht, der Markt weniger gut eingeschätzt werden
kann und der OEM unter Umständen in Abhängigkeit gerät. In der Computerbranche
ist dies der Fall, in der Automobilbranche haben die Händler eher weniger Einfluss und
sind stark vom Automobilhersteller als festem Vertragspartner abhängig.
1.3 Was bedeutet Supply Chain Management? ______________________________________ 17
wäre also »Demand« (fordern/ verlangen) als »Supply«. Auch muss man sich bewusst
sein, dass es bei einer Supply Chain nicht wirklich um eine Kette (»Chain«) handelt,
sondern um komplexe, weltweite Netzwerke, vergleichbar einem Spinnennetz. Damit
wird klar, dass hier der Begriff »Network« passender wäre. Zusammengesetzt würde
dann aus Supply Chain das Wort Demand Network entstehen. Aufgrund dessen, dass
sich der Begriff Supply Chain aber längst etabliert hat, wird dieser selbstverständlich
auch hier beibehalten. Allerdings schwingt ab jetzt für die Autoren die eigentliche
Bedeutung »Demand Network« mit.
In Abbildung 3 werden die wichtigsten Ströme gezeigt, welche durch Supply Chain
Management zu synchronisieren sind:
앫 Die Physische Kette beschreibt den Materialfluss, beginnt bei der Beschaffung und
endet mit der Auslieferung. Sämtliche Fertigungsprozesse und Rücklieferungen
(Reverse Logistics) werden einbezogen. Dieser Fluss fließt insbesondere von links
nach rechts.
앫 Die Informations-Kette hat die größte Relevanz und bedarf der sorgfältigsten Planung, da ein intelligentes und auf die Bedürfnisse ausgerichtetes Informationsmanagement enorme Einsparungen mit sich bringen kann. Hier werden die Auftragsabwicklung und der Auftragsstatus verfolgt. Dieser Fluss strömt in beide
Richtungen und deckt nicht nur das Kundeninteresse ab, sondern auch die Disposition und Koordination der Prozesse selbst.
앫 Die Finanz-Kette beschreibt die verschiedenen Geldkreisläufe, also den Order-toCash-Cycle vom Auftrags- bis zum Zahlungseingang, sowohl den Einkauf bis hin zur
Bezahlung des Materials als auch die Finanzflüsse für Maschinen, Land und Gebäude
als auch Mitarbeiter. Die Hauptflussrichtung hier ist von rechts nach links.
LEGALE KETTE
PRODUZENTEN
DISTRIBUTOREN
HÄNDLER
PHYSISCHE KETTE
Rücksendungen,
Reparaturen
INFORMATIONSKETTE
Anfragen, Aufträge
FINANZKETTE
Bezahlung
Prozesse
Abb. 3
Organisationsstrukturen
Unterstützende Techniken
KUNDEN
Komponenten,
Endprodukte
Kapazität
Kapazität,
Liefertermine
Kredite,
Zahlungsbedingungen
g g
Supply Chain Management
Daraus ergibt sich folgende Definition: Supply Chain Management ist
앫 das verbindende Element von Waren- und Informationsfluss in der Beschaffung,
Produktion, Lagerhaltung, Distribution und Entsorgung, die durchgängige Gestaltung der gesamten Wertschöpfungskette von den Zulieferern, über die Produktion,
die Distribution bis hin zum Service.
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LIEFERANTEN
18 ___________________________________________________ 1 Supply Chain Management
앫 die Lehre von der schnittstellenübergreifenden Systemgestaltung sowie der Analyse,
Planung, Steuerung und Überwachung der vernetzten raum-zeitlichen Transformationsprozesse von Gütern, Personen und den damit zusammenhängenden Informationen.
앫 ein ganzheitliches Managementkonzept, welches – ausgehend vom Endkunden – das
Geschäftsprozess- und unternehmensübergreifende Management von Material-,
Geld- und Informationsströmen in Wertschöpfungsnetzwerken umfasst.
Das Supply Chain Management deckt die in Abbildung 4 dargestellten Felder ab:
Abb. 4
Prozessdesign
von SCStrukturen
Produktdesign
Customer
+
Shareholder
Value
Kooperations
Kooperationsmodelle
Informationst h l i
technologie
TEILEN
N VON RISIKEN
N, VORTEILEN
N
HOL
LISTISCHES V
VERHALTEN
KONTROLLE DER PHYSISC
CHEN FLÜSS
SE,
DER INFORMATIONS- UND
DE
ER FINANZFLÜ
ÜSSE
ABSTIMMUNG VON PROZESS UND PRODUKTDESIGN
TEILEN VON INFORMATIONEN
Themenfelder des Supply Chain Management
Wenn man eine Abgrenzung zwischen dem Supply Chain Management und der Logistik
vornehmen möchte, so trifft vermutlich das Folgende zu:
앫 Supply Chain Management gestaltet und steuert (»managt«) eine verzweigte, hoch-
Dieser Sichtweise folgend, wird deshalb im ersten Teil des Buches intensiv auf das
Thema Supply Chain Management eingegangen und im zweiten Teil das Thema Logistik sehr detailliert behandelt.
Aus funktionaler Sicht kann Supply Chain Management also folgendermaßen
beschrieben werden (vgl. Abbildung 5):
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komplexe Netzwerkstruktur über Unternehmen hinweg und ist deshalb als globale
Strategie zu verstehen.
앫 Logistik beschäftigt sich dagegen eher mit den direkt auf das Unternehmen ausgerichteten Informations- und Warenflüssen und ist damit eher auf lokalen Komponenten ausgerichtet.
1.3 Was bedeutet Supply Chain Management? ______________________________________ 19
Strategische Zielsetzung für die Supply Chain
Supply Chain Organisation
((Gesamt)) Supply
pp y Chain Prozess Design
g
Inbound
Design
Einkaufsprozesse
OEM-Intern
Design
operative Prozesse
Outbound
Design
Distribution
Design der logistischen Netzwerke und Transportflüsse
Design des Supply Chain Controlling
Abb. 5
Die funktionalen Felder des Supply Chain Management
Ein Problem entsteht aus der möglicherweisen hohen Anzahl an Partnern in der Supply
Chain. Jeder Knotenpunkt (Firma) in der Supply Chain erhöht, wie bereits ausgeführt,
die Komplexität und das Risiko. Jede neue Firma stellt eine legale Schnittstelle dar, die
gesteuert werden muss und jede dieser Firmen agiert mehr oder weniger eigenständig.
Wesentlich problematischer ist jedoch, dass jeder zusätzliche Knotenpunkt das
Schwingungsverhalten in der Supply Chain erhöht. Dieses Schwingungsverhalten wird
Peitscheneffekt oder Bullwhip-Effekt genannt und entsteht bei allen dynamischen Systemen, die aus sequenziellen (hintereinander geschalteten) Prozessen bestehen und in
denen voneinander unabhängige Entscheidungen getroffen werden. Dieser Sachverhalt
trifft für jede Supply Chain, aber auch für jeden Fertigungs- oder Logistikprozess zu.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Ändert sich eine Bedingung im System (z.B. der
Absatz am Ende des Prozesses), dann dauert es eine gewisse Zeit bis der zum Absatzmarkt nächstliegende Prozess darauf regieren kann. Dies liegt sowohl an den zeitlichen
Verzögerungen in der Informationsvermittlung als auch dem physischen Nachliefern
von Material. Diese verzögerte Reaktion verursacht eine Überreaktion der folgenden
Prozesse, so dass die Prozesse am Anfang der Kette starke Schwingungen verspüren im
Sinne hoher Nachfrage, obwohl der wirkliche Markt nur sehr wenig schwingt. Vergleichbar ist dies mit einem Stau auf der Autobahn, der entsteht, weil ein Fahrer beim
Bremsen zu spät reagiert und deshalb stärker bremsen muss. Der Folgefahrer reagiert
verzögert (Reaktionszeit) und muss entsprechend noch stärker bremsen. Diese Kettenreaktion pflanzt sich fort bis das erste Fahrzeug zum Stehen kommt. Dieser Peitscheneffekt, wie auch die generelle Unsicherheit bezüglich Markt bzw. der Lieferfähigkeit der
Lieferanten, bedeutet Risiko, welches sich im Problemkreis »Bestände« widerspiegelt
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Was sind die operativen Hauptherausforderungen
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und häufig mit überhöhten Beständen abgefedert wird. Diese Sicherheitsbestände sind
mindestens an jeder Schnittstellen zwischen den Firmen einer Supply Chain, aber sehr
oft auch zwischen den einzelnen Prozessen in der Fertigung einer Firma vorzufinden.
Solche Bestände können nur reduziert werden, wenn durch clevere Prozesse und
Produktdesign das Risiko reduziert werden kann. Dasselbe gilt für Zeitpuffer in den
Prozessen. Es gibt jedoch noch eine zweite Form von Beständen, die Umlaufbestände.
Darunter ist Material zu verstehen, welches sich im Fluss durch die Prozesse einer Supply Chain befindet. Je länger die Durchlaufzeit in der Supply Chain ist, desto länger ist
das Material im Eigentum der Firmen der Supply Chain, desto länger muss es also finanziert werden. Eine Erhöhung der Umschlagsgeschwindigkeit innerhalb der Supply
Chain führt zu reduzierten Umlaufbeständen, zu einer verminderten Kapitalbindung
und damit zu geringeren Kapitalkosten.
Das Problem mit den Beständen und den Zeitpuffern ist, dass diese mit hohen Kosten
verbunden sind. Bestandskosten (Lagerhaltungskosten) werden heute mit 15 bis 25 Prozent des durchschnittlichen Bestandswertes pro Jahr angesetzt. Die Kosten für nicht
genutzte Kapazitäten sind einzelfallabhängig, abhängig vom eingesetzten Maschinenkapital und den Arbeitslöhnen. In der Lean-Production-Philosophie werden Bestände
und innerbetriebliche Transporte als Verschwendung angesehen. Jeder dieser Knotenpunkte in der Supply Chain bedeutet auch Transportaufwendungen. Transporte sind
generell als Verschwendung anzusehen und erhöhen die Kosten. Transportprozesse
müssen deshalb sorgfältig überprüft und auf das absolute Minimum reduziert werden.
In einem zweiten Schritt muss ermittelt werden, welches Transportmedium ganzheitlich
gesehen das günstigste ist und damit wie kostenoptimiert transportiert werden kann.
Aber nicht das »billigste« Transportmedium ist zwingend auch das günstigste. Hochwertige Güter werden besser mittels teureren, aber schnelleren Transportmitteln wie
Luftfracht transportiert, da damit Lager- und Umlaufbestände reduziert werden und
damit die Kapitalbindungszeit.
Bevor nun näher auf das Thema eingegangen wird, sollten Best-Practice-Beispiele
zeigen, welche wirtschaftlichen Chancen bzw. Erfolge daraus ergeben können. Dabei
muss betont werden, dass Erfolge nicht nur im Industriebereich erzielt werden können.
Auch im Dienstleistungssektor können Supply Chain- und Logistikkonzepte angewandt
werden.
Dell ist ein beliebtes Beispiel für Supply Chain Management, da Dells Erfolg nicht
unbedingt auf deren Produkte basiert, sondern auf Dells Supply Chain Konzeption, welche hohe Effizienz bei maximalem Kundennutzen ermöglicht. Dells Kernkompetenz
bildet nicht vornehmlich die Produktentwicklung. Es ist die Entwicklung und fortlaufende Verbesserung der Supply Chain bzw. der Logistikarchitektur. Dies hat Dell in den
1990er Jahren fast unschlagbar gemacht, da bekanntlich Produkte eher leicht, Technologien eher schwieriger und Architekturen sehr schwer kopiert werden können. Dell hat
das Supply Chain Management in der Computerindustrie neu definiert. Dells Supply
Chain ist schneller und flexibler und damit robuster gegen Veränderungen, günstiger
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Erfolgsbeispiele
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