Informationsumsatz in technischen Systemen, Band 3 Messen, Steuern, Regeln - MSR Ein studienbegleitendes Lehrbuch für den Bereich einer allgemeinbildenden Technik Jürgen Wehling 2 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 In diesem Werk werden Themen behandelt, die mit Elektrizität zu tun haben. Beachten Sie daher bitte die VDO-Vorschriften. Der Autor haftet nicht für Schäden, die durch unsachgemäße Handhabungen erfolgen und übernimmt auch keine Haftung für Schäden aller Art, die aus einer Umsetzung der angeführten Beispiele resultieren. Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr. Der Autor distanziert sich von den genannten Links im Internet. Erste Auflage, Stand 28.07.2017 ISBN 978-3-00-057250-0 Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. In diesem Zusammenhang gelten die Bedingungen http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/ von creative commons (siehe: You are free: to Share - to copy, distribute and transmit the work Under the following conditions: Attribution - You must attribute this work to Juergen Wehling (with reference to the author). Noncommercial - You may not use this work for commercial purposes. No Derivative Works - You may not alter, transform, or build upon this work. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 3 Vorwort Das vorliegende Werk ist Teil einer sechsbändigen Reihe zum Informationsumsatz in technischen Systemen. Sie besteht aus drei Standardwerken und drei Ergänzungswerken. Die Standardwerke sind: - Band 1: Analog- und Digitaltechnik - Band 2: Hardwarenahe Programmierung und Rechnerverbundsysteme - Band 3: Messen, Steuern, Regeln (MSR) Die drei Ergänzungswerke vertiefen die Inhalte der Standardwerke durch Übungen, Praktika, Lösungsvorschläge und Projektarbeiten: - Band 1a: Analog- und Digitaltechnik - Übungen aus Theorie und Praxis mit Lösungen - Band 2a: Hardwarenahe Programmierung und Rechnerverbundsysteme - Übungen aus Theorie und Praxis mit Lösungsvorschlägen - Band 3a: Messen, Steuern, Regeln MSR - Übungen aus Theorie und Praxis mit Lösungsvorschlägen sowie ausgewählte Projektarbeiten Alle Werke entstanden durch Anregungen von Lehrveranstaltungen. Sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und sind bewusst so nivelliert, dass sich nicht nur Studierende der entsprechenden Fachrichtungen angesprochen fühlen sollten: mit Band 1 soll der Einstieg in die Gebiete der Analog- und Digitaltechnik erleichtert werden. Band 2 baut auf den Grundlagen der Analog- und Digitaltechnik auf und zielt auf eine Programmierung von Mikrocontrollern (bspw. ATMega328). Zusätzlich werden durch den Einsatz von SoC-Hardware (bspw. Raspberry) Rechnerverbundsysteme im Rahmen einer Hausautomation angesprochen. Band 3 widmet sich hauptsächlich dem Gebiet der Regelungstechnik und baut so eine Schnittmenge zu den beiden vorhergehenden Bänden auf. Die Gesamtheit der Werke ist so konzipiert, dass immer wieder auf einfache Grundlagen zurückgegriffen werden kann, wenn es um komplexere Betrachtungsweisen aus dem Bereich MSR geht. Auf diese Weise sollte sich bei einer Betrachtung aller drei Bände dann das eigentliche Hauptanliegen, nämlich eine Förderung heuristischer Strukturelemente beim Lernenden, erschließen lassen. Durch die ergänzenden Bände 1a bis 3a soll den Lernenden Raum gegeben werden, die eigenen Vorstellungen zu durchdenken und letztlich auch in eigener Art und Weise zu realisieren. Ihnen können so Wege gezeigt werden, individuelle Lern- und Problemlösestrategien durch erweiterte Ansätze positiv zu beeinflussen. Die Bände 1 bis 3 stehen als pdf-Dateien zur Verfügung und sind in diesem Format kostenfrei. Die Bände 1a bis 3a stehen nicht als pdf-Dateien zur Verfügung, sondern werden ausschließlich in personalisierter, kostenpflichtiger Druckform geliefert (so diese denn schon erstellt sind). Hierzu wenden Sie sich bitte an [email protected] . Bedingt durch die kleine Auflage dieser Werke, ist eine andere Verfahrensweise leider nicht möglich. Jürgen Wehling 4 Dorsten, im April 2017 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Inhaltsverzeichnis: ABBILDUNGSVERZEICHNIS ............................................................................................................................... 9 TABELLENVERZEICHNIS ...................................................................................................................................15 1 MESSEN ..................................................................................................................................................17 1.1 MESSEN ELEKTRISCHER GRÖßEN .................................................................................................................. 17 1.1.1 Messprinzip ...................................................................................................................................... 17 1.1.2 Messmethode .................................................................................................................................. 18 1.1.3 Messverfahren ................................................................................................................................. 18 1.1.4 Messeinrichtung .............................................................................................................................. 22 1.1.5 Messfehler ....................................................................................................................................... 23 1.1.6 Grenzen für Messungen ................................................................................................................... 25 1.1.7 Messgeräte ...................................................................................................................................... 26 1.2 MESSEN NICHT ELEKTRISCHER GRÖßEN ......................................................................................................... 28 1.2.1 Sensorik............................................................................................................................................ 28 1.3 MESSWERTAUFBEREITUNG UND-ÜBERTRAGUNG ............................................................................................. 42 1.3.1 Operationsverstärker ....................................................................................................................... 42 1.3.2 Signalaufbereitung .......................................................................................................................... 50 1.3.3 Signalverstärkung ............................................................................................................................ 51 1.3.4 Signalauswertung ............................................................................................................................ 53 1.3.5 Interface-Technik ............................................................................................................................. 53 1.3.6 Rechner-Schnittstellen ..................................................................................................................... 55 1.3.7 Umsetzer-Systeme ........................................................................................................................... 56 1.3.8 Analogrechner ................................................................................................................................. 59 2 STEUERN.................................................................................................................................................63 2.1 UNTERSCHIED STEUERN/REGELN ................................................................................................................. 63 2.2 STEUERUNGEN (ÜBERSICHT) ....................................................................................................................... 63 2.2.1 Führungssteuerung (sensorische Schaltung) ................................................................................... 64 2.2.2 Steuerung mit Signal-Rückführung .................................................................................................. 65 2.2.3 Haltegliedsteuerung (Antrieb einer elektrischen Maschine)............................................................ 65 2.2.4 Programmsteuerung ........................................................................................................................ 66 2.2.5 Exkurs Abfüllanlage ......................................................................................................................... 68 3 UNTERSUCHUNG VON ÜBERTRAGUNGSGLIEDERN .................................................................................73 3.1 VERHALTEN BEI PERIODISCHER FUNKTION ...................................................................................................... 74 3.1.1 Komplexe Zahlen in der z-Ebene ...................................................................................................... 74 3.1.2 Komplexe Zahlen in der s-Ebene ...................................................................................................... 75 3.1.3 Kapazitätsberechnung eines Zylinderkondensators in der s-Ebene ................................................. 76 3.1.4 Funktionen in der komplexen Ebene ................................................................................................ 77 3.1.5 Zeigerdiagramme ............................................................................................................................ 78 3.1.6 Übertragungsfunktionen ................................................................................................................. 82 3.1.7 Bode-Diagramm .............................................................................................................................. 83 3.2 DIFFERENTIALGLEICHUNGEN........................................................................................................................ 88 3.2.1 Aufstellen von Differentialgleichungen............................................................................................ 88 3.2.2 Lösen durch Trennen der Veränderlichen ........................................................................................ 89 3.2.3 Lösen durch geeigneten Ansatz ....................................................................................................... 90 3.2.4 Lösen durch Variation der Konstanten nach Lagrange .................................................................... 91 3.2.5 Lösen mittels Laplace-Transformation ............................................................................................ 92 3.2.6 Einfache Anwendungen der Laplace-Transformation...................................................................... 94 4 REGELN ...................................................................................................................................................97 4.1 WIRKUNGSPLÄNE...................................................................................................................................... 98 4.1.1 Reihenstruktur ................................................................................................................................. 99 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 5 4.1.2 Parallelstruktur ................................................................................................................................ 99 4.1.3 Kreisstruktur ................................................................................................................................... 100 4.2 REGELSTRECKEN ...................................................................................................................................... 103 4.2.1 P-Strecke ........................................................................................................................................ 103 4.2.2 PT1-Strecke ..................................................................................................................................... 105 4.2.3 PT2-Strecke (nicht schwingfähig).................................................................................................... 107 4.2.4 PT2-Strecke (schwingfähig) ............................................................................................................ 114 4.2.5 I-Strecke ......................................................................................................................................... 121 4.2.6 Strecken mit Totzeit ....................................................................................................................... 127 4.3 STETIGE REGELGLIEDER............................................................................................................................. 128 4.3.1 P-Regelglied ................................................................................................................................... 128 4.3.2 I-Regelglied .................................................................................................................................... 130 4.3.3 D-Regelglied ................................................................................................................................... 133 4.3.4 PI-Regelglied .................................................................................................................................. 134 4.3.5 PD-Regelglied ................................................................................................................................. 139 4.3.6 PID-Regelglied ................................................................................................................................ 143 4.3.7 Vor- und Nachteile stetiger Regelglieder ....................................................................................... 148 4.4 UNSTETIGE REGELGLIEDER ........................................................................................................................ 148 5 REGELKREISE ........................................................................................................................................ 151 5.1 FÜHRUNGS- UND STÖRÜBERTRAGUNGSFUNKTIONEN...................................................................................... 151 5.1.1 Rechnerische Übung zur Führungs- und Störübertragungsfunktion .............................................. 152 5.2 STABILITÄTSBETRACHTUNGEN .................................................................................................................... 152 5.2.1 Das CHR-Verfahren ........................................................................................................................ 152 5.2.2 Das Verfahren nach Ziegler und Nichols ........................................................................................ 152 5.2.3 Das vereinfachte Nyquist-Kriterium ............................................................................................... 153 5.2.4 Pole und Nullstellen ....................................................................................................................... 155 5.3 P-REGELGLIED MIT PT1-STRECKE................................................................................................................ 157 5.3.1 Rechnerische Übung zum vereinfachten Nyquist-Kriterium ........................................................... 161 5.3.2 Stabilitätsbetrachtung für einen P-PT1-Regelkreis ......................................................................... 161 5.3.3 Pole und Nullstellen eines P-PT1-Regelkreises ................................................................................ 161 5.4 I-REGELGLIED MIT PT1-STRECKE................................................................................................................. 161 5.4.1 Rechnerische Übung zur Störübertragungsfunktion ...................................................................... 163 5.4.2 Stabilitätsbetrachtung für einen I-PT1-Regelkreis .......................................................................... 163 5.4.3 Pole und Nullstellen eines I-PT1-Regelkreises ................................................................................. 163 5.5 PI-REGELGLIED MIT PT1-STRECKE............................................................................................................... 163 5.5.1 Rechnerische Übung zur Störübertragungsfunktion ...................................................................... 164 5.5.2 Stabilitätsbetrachtung für einen PI-PT1-Regelkreis ........................................................................ 164 5.5.3 Pole und Nullstellen eines PI-PT1-Regelkreises ............................................................................... 164 5.6 P-REGELGLIED MIT I-STRECKE .................................................................................................................... 164 5.6.1 Rechnerische Übung zur Störübertragungsfunktion ...................................................................... 166 5.6.2 Stabilitätsbetrachtung für einen P-I-Regelkreis ............................................................................. 166 5.6.3 Pole und Nullstellen eines P-I-Regelkreises .................................................................................... 166 5.7 I-REGELGLIED MIT I-STRECKE ..................................................................................................................... 166 5.7.1 Rechnerische Übung zur Störübertragungsfunktion ...................................................................... 167 5.7.2 Stabilitätsbetrachtung für einen I-I-Regelkreis .............................................................................. 167 5.7.3 Pole und Nullstellen eines I-I-Regelkreises ..................................................................................... 167 5.8 PI-REGELGLIED MIT I-STRECKE ................................................................................................................... 167 5.8.1 Rechnerische Übung zur Störübertragungsfunktion ...................................................................... 168 5.8.2 Stabilitätsbetrachtung für einen PI-I-Regelkreis ............................................................................ 168 5.8.3 Pole und Nullstellen eines PI-I-Regelkreises ................................................................................... 168 5.9 PID-REGELGLIED MIT PT2-STRECKE ............................................................................................................ 168 5.9.1 Stabilitätsbetrachtung für einen PID-PT2-Regelkreis...................................................................... 169 5.9.2 Pole und Nullstellen eines PID-PT2-Regelkreis ................................................................................ 169 5.9.3 Stabilitätsbetrachtung für einen PID-PT3-Regelkreis...................................................................... 169 5.10 ZWEIPUNKT-REGELGLIED MIT PT1-STRECKE.................................................................................................. 169 6 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 5.11 5.12 6 DIGITALE REGELUNG ............................................................................................................................175 6.1 6.2 6.3 7 ZWEIPUNKT-REGELGLIED MIT I-STRECKE...................................................................................................... 172 WELCHES REGELGLIED FÜR WELCHE STRECKE?.............................................................................................. 173 DER P-ALGORITHMUS.............................................................................................................................. 178 DER PI-ALGRORITHMUS ........................................................................................................................... 183 DER PID-ALGORITHMUS .......................................................................................................................... 185 ÜBUNGEN .............................................................................................................................................187 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 7.7 7.8 7.9 7.10 7.11 7.12 KOMPLEXE ZAHLEN ................................................................................................................................. 187 PT1 STRECKE .......................................................................................................................................... 188 PT2-STRECKE (NICHT SCHWINGFÄHIG) ........................................................................................................ 190 PT2-STRECKE (SCHWINGFÄHIG), I-STRECKE .................................................................................................. 192 STETIGE REGLER (SIMULATION MIT QUCS).................................................................................................. 194 REGELKREISE (SIMULATION MIT QUCS) ...................................................................................................... 195 DIGITAL ARBEITENDE STRECKE (ARDUINO)................................................................................................. 195 DIGITAL ARBEITENDES REGELGLIED (ARDUINO) .......................................................................................... 195 DIGITAL ARBEITENDER REGELKREIS (ZWEI ARDUINOS) ................................................................................. 195 REGELKREISGLIEDER MITTELS ISP (ATMEGA328) .......................................................................................... 195 KOPPLUNG VON MOTOR UND GENERATOR .................................................................................................. 196 HAUSAUTOMATION MITTELS RASPBERRY PI.................................................................................................. 196 8 FACHBEGRIFFE UND KORRESPONDENZTABELLE ...................................................................................197 9 LITERATURANGABEN ............................................................................................................................199 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 7 8 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Virtuelles Oszilloskop ....................................................................................................... 18 Abbildung 2: Abtastrate 4000 Hz, Eingangsfrequenz 2000 Hz .............................................................. 19 Abbildung 3: Abtastrate 4000 Hz, Eingangsfrequenz 4000 Hz .............................................................. 20 Abbildung 4: Abtastrate 4000 Hz, Eingangsfrequenz 7000 Hz.............................................................. 20 Abbildung 5: Diskretisierung der gesprochenen Zahlen 1 bis 10 .......................................................... 21 Abbildung 6: Digitalisierung von Sprache, Auflösung 8 Bit, Sampling rate 40 kHz ............................... 21 Abbildung 7: Spannungsrichtige Messung ............................................................................................ 22 Abbildung 8: Stromrichtige Messung .................................................................................................... 22 Abbildung 9: Aufbau einer Messkette .................................................................................................. 22 Abbildung 10: Messchaltung zur Bestimmung von τ ............................................................................ 23 Abbildung 11: Ladekurve mit Zeitkonstante τ....................................................................................... 23 Abbildung 12: Zur Bestimmung von τ mittels Impedanzwandler ......................................................... 24 Abbildung 13: Einfachster Gleichstromkreis ......................................................................................... 25 Abbildung 14: Generator-Charakteristik, U(I) ....................................................................................... 25 Abbildung 15: Generator-Charakteristik, Schaltplan ............................................................................ 26 Abbildung 16: Digital Real-Time Oscilloscope, 4-Kanal, Tektronix TBS 2000 Serie ............................... 26 Abbildung 17: Oszilloskop mit Funktionsgenerator .............................................................................. 27 Abbildung 18: Oszilloskop mit Pulsgenerator ....................................................................................... 27 Abbildung 19: Arbiträrer Funktionsgenerator ...................................................................................... 27 Abbildung 20: Kennlinie eines lichtempfindlichen Widerstands .......................................................... 28 Abbildung 21: Frequenzabhängiger Schalldruckpegel .......................................................................... 29 Abbildung 22: Kennlinie eines Thermoelements .................................................................................. 30 Abbildung 23: Wirkungsweise eines Piezoelements ............................................................................. 31 Abbildung 24: Kennlinien NTC (links), PTC (rechts)............................................................................... 31 Abbildung 25: Messung des Füllstands mittels Zylinderkondensator .................................................. 32 Abbildung 26: Skizze eines Zylinderkondensators ................................................................................ 32 Abbildung 27: Kapazitive Erfassung eines Füllstands............................................................................ 34 Abbildung 28: Parallelschaltung von Kondensatoren zur Füllstandmessung (18,5pF) ......................... 35 Abbildung 29: Reihenschaltung von Kondensatoren zur Füllstandmessung (2,7pF)............................ 35 Abbildung 30: Gesamtkapazität C in Reihen- (rot) und Parallelschaltung (blau).................................. 36 Abbildung 31: Temperaturabhängigkeit der statischen Permittivität von Wasser .............................. 37 Abbildung 32: Reihenschwingkreis zur indirekten Bestimmung einer kleinen Kapazität ..................... 37 Abbildung 33: Resonanzpunkte beim Reihenschwingkreis................................................................... 38 Abbildung 34: Der vollständig mit Wasser gefüllte Würfel................................................................... 39 Abbildung 35: Der halb mit Wasser gefüllte Würfel als Parallelschaltung ........................................... 39 Abbildung 36: Der halb mit Wasser gefüllte Würfel als Reihenschaltung ............................................ 40 Abbildung 37: ARDUINO zur kapazitiven Messwerterfassung .............................................................. 41 Abbildung 38: Operationsverstärker CA3140 (Anschlussbelegung, DIL-Gehäuse) ............................... 43 Abbildung 39: Invertierender Spannungsverstärker ............................................................................. 43 Abbildung 40: Nicht invertierender Spannungsverstärker ................................................................... 44 Abbildung 41: Spannungsfolger (Impedanzwandler) ............................................................................ 44 Abbildung 42: Kennlinie des Impedanzwandlers .................................................................................. 44 Abbildung 43: Schaltplan des nicht invertierenden summierenden Verstärker................................... 45 Abbildung 44: Spannungs-Zeit-Diagramm des nicht invertierenden summierenden Verstärkers ....... 46 Abbildung 45: Schaltplan des Differenzverstärkers .............................................................................. 47 Abbildung 46: Spannungs-Zeit-Diagramm des Differenzverstärkers .................................................... 47 Abbildung 47: Invertierender Integrierer.............................................................................................. 48 Abbildung 48: Spannungs-Zeit-Diagramm des invertierenden Integrierers ......................................... 48 Abbildung 49:Invertierender Differenzierer ......................................................................................... 49 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 9 Abbildung 50: Spannungs-Zeit-Diagramm des invertierenden Differenzierers .................................... 49 Abbildung 51 Erfassung der Drehzahl mittels Gabellichtschranke ....................................................... 50 Abbildung 52: Signalaufbereitung durch Triggerung ............................................................................ 50 Abbildung 53: Aufholverstärker ............................................................................................................ 51 Abbildung 54: Schutzmaßnahmen für analoge Eingänge...................................................................... 51 Abbildung 55 Einstufiger NF-Verstärker (links), Gegentaktverstärker (rechts)..................................... 52 Abbildung 56: Signalaufbereitung durch den Bustreiber 74241 ........................................................... 52 Abbildung 57: Leistungsverstärkendes Interface .................................................................................. 53 Abbildung 58: Galvanisch trennendes strom- und spannungsverstärkendes Interface ....................... 54 Abbildung 59: Oszillogramm eines prellenden Schaltvorgangs ............................................................ 55 Abbildung 60: Entprellung von Schaltsignalen ...................................................................................... 55 Abbildung 61: Schnittstellen-Baustein 2232 (links) mit Prototypenkarten (rechts) ............................. 56 Abbildung 62: Interface mit integriertem 2232 Schnittstellen-Baustein .............................................. 56 Abbildung 63: Mittelwerte der Spannung bei verschiedenen Tastverhältnissen ................................. 57 Abbildung 64: Digital-Analog-Umsetzer mit R2R-Netzwerk .................................................................. 57 Abbildung 65: Analog-Digital-Umsetzer mit sukzessiver Approximation.............................................. 58 Abbildung 66: Timing-Diagramm des Analog-Digital-Umsetzers .......................................................... 58 Abbildung 67: Modularer Aufbau eines 24-Bit-Umsetzer-Systems ...................................................... 59 Abbildung 68: Rückkopplungsprinzip zur Lösung einfacher DGL .......................................................... 59 Abbildung 69. Schaltbild eines Analogrechners zur Lösung einer inhomogenen DGL 2.Ordnung ....... 60 Abbildung 70: Spannungs-Zeit-Diagramm mit Lösungsfunktion und Ableitungen ............................... 61 Abbildung 71: Sprungantwort einer PT2-Strecke mit gleichen Zeitkonstanten und Wendetangente .. 62 Abbildung 72: Wirkungsplan einer Steuerung (Steuerkette) ................................................................ 63 Abbildung 73: Führungssteuerung ........................................................................................................ 64 Abbildung 74: Haltegliedsteuerung ....................................................................................................... 65 Abbildung 75: Zeitplansteuerung .......................................................................................................... 66 Abbildung 76: Wegplansteuerung ......................................................................................................... 67 Abbildung 77: Wegplansteuerung, Detailaufnahme der Lichtschranke ............................................... 67 Abbildung 78: Ablaufsteuerung ............................................................................................................. 68 Abbildung 79: Realisierung einer digitaltechnischen Steuerung der Abfüllanlage ............................... 69 Abbildung 80: Anschlussbelegungen gängiger 8-Bit-EPROMs .............................................................. 70 Abbildung 81: Schaltplan der Abfüllanlage, analogtechnische Steuerung............................................ 71 Abbildung 82: Realisierung einer analogtechnischen Steuerung der Abfüllanlage .............................. 71 Abbildung 83: Signaltriggerung ohne Hysterese ................................................................................... 73 Abbildung 84: Signaltriggerung mit Hysterese ...................................................................................... 73 Abbildung 85: Komplexe Zahlenebene (z-Ebene) ................................................................................. 74 Abbildung 86: z- und s-Ebene beim Zylinderkondensator .................................................................... 76 Abbildung 87: Betrag G(s)...................................................................................................................... 77 Abbildung 88: Zeigerdiagramm mit zeitlicher Auflösung ...................................................................... 78 Abbildung 89: Verlauf von Wechselstrom und Wechselspannung am RC-Glied .................................. 79 Abbildung 90: Verlauf von Wechselstrom und Wechselspannung am RL-Glied................................... 79 Abbildung 91: Zeigerdiagramm für Strom und Spannung am RC-Glied ................................................ 80 Abbildung 92: Zeigerdiagramm für Strom und Spannung am RL-Glied ................................................ 80 Abbildung 93: Zeigerdiagramme der Spannungen für ein RL- und für ein RC-Glied ............................. 81 Abbildung 94: Widerstands-Dreiecke für ein RL- und ein RC-Glied ...................................................... 82 Abbildung 95: Ortskurve, PT1-Regelkreisglied ....................................................................................... 85 Abbildung 96: Amplitudengang in dB, PT1-Regelkreisglied ................................................................... 86 Abbildung 97: Phasengang, PT1-Regelkreisglied ................................................................................... 86 Abbildung 98: PT1-Regelkreisglied mit Ortskurve und Bode-Diagramm ............................................... 87 Abbildung 99: RC-Kombination ............................................................................................................. 88 Abbildung 100: Ladekurve einer RC-Kombination ................................................................................ 90 10 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 101: Laplace-Transformation zur Lösung von DGL .............................................................. 92 Abbildung 102: Inhaltliche Systematik des Bereichs Regelungstechnik ............................................... 97 Abbildung 103: Wirkungsablauf Regelkreis .......................................................................................... 98 Abbildung 104: Einfache Elemente eines Wirkungsplans ..................................................................... 98 Abbildung 105: Wirkungsablauf eines einfachen Regelkreises............................................................. 99 Abbildung 106: Wirkungsplan als Reihenstruktur................................................................................. 99 Abbildung 107: Wirkungsplan als Parallelstruktur .............................................................................. 100 Abbildung 108: Wirkungsplan als Kreisstruktur .................................................................................. 100 Abbildung 109: OpAmps in Gegenkopplung (links) und Mitkopplung................................................ 101 Abbildung 110: Wirkungsplan zur Gegenkopplung............................................................................. 102 Abbildung 111: Wirkungsplan zum nicht invertierenden Spannungsverstärker ................................ 102 Abbildung 112: Spannungsteiler als P-Strecke.................................................................................... 103 Abbildung 113: P-Strecke mit Operationsverstärkern ........................................................................ 104 Abbildung 114: Sprungantwort der P-Strecke .................................................................................... 104 Abbildung 115: PT1-Strecke mit Operationsverstärkern und Verstärkung von Kps=2........................ 106 Abbildung 116: Sprungantwort der PT1-Strecke mit Kps=2 ................................................................. 106 Abbildung 117: Ortskurve, PT2-Regelkreisglied (wechselwirkungsfrei) .............................................. 108 Abbildung 118: Wechselwirkungsfreie PT2-Strecke mit Operationsverstärkern ................................ 109 Abbildung 119: Sprungantwort der PT2-Strecke (gleiche Zeitkonstanten) ......................................... 110 Abbildung 120: Ableitungen der Sprungantwort einer nicht schwingfähigen PT2-Strecke ................ 112 Abbildung 121: Dämpfungsminimum bei gleichen Zeitkonstanten.................................................... 112 Abbildung 122: Sprungantworten von PT2-Strecke mit unterschiedlichen Zeitkonstanten ............... 113 Abbildung 123: Temperaturregelstrecken höherer Ordnung ............................................................. 114 Abbildung 124: Sprungantwort einer LR-Kombination als PT1-Strecke .............................................. 114 Abbildung 125: PT2-Strecke, Parallelschwingkreis in Resonanz .......................................................... 115 Abbildung 126: Schwingfähige PT2-Strecke realisiert durch eine RLC-Kombination .......................... 116 Abbildung 127: Sprungantwort einer schwingfähigen PT2-Strecke (0 < D < 1) ................................... 116 Abbildung 128: RLC-Kombination ....................................................................................................... 116 Abbildung 129: Ortskurve und Bode-Diagramm einer schwingfähigen PT2-Strecke .......................... 119 Abbildung 130: Übergangsverhalten einer PT2-Strecke bei verschiedenen Dämpfungen ................. 120 Abbildung 131: Füllstandstrecke als Zylinderkondensator ................................................................. 121 Abbildung 132: Ventilhub in Abhängigkeit vom Steuerdruck ............................................................. 122 Abbildung 133: Bestimmung des Ventilbeiwerts ................................................................................ 122 Abbildung 134: Bestimmung des Integrierbeiwerts der I-Strecke ...................................................... 124 Abbildung 135: Messprotokoll zur Streckencharakteristik I-Strecke .................................................. 124 Abbildung 136: Ortskurve und Bode-Diagramm einer I-Strecke ........................................................ 125 Abbildung 137: Sprungantwort eines Regelkreisglieds mit I-Verhalten ............................................. 126 Abbildung 138: Allgemeiner Wirkungsplan zum Übertragungsverhalten eines Regelglieds.............. 128 Abbildung 139: Wirkungsplan des P-Regelglieds ................................................................................ 128 Abbildung 140: P-Regelglied mit Operationsverstärkern ................................................................... 129 Abbildung 141: Ortskurve und Bode-Diagramm eines P-Regelglieds ................................................. 130 Abbildung 142: Wirkungsplan eines I-Regelglieds .............................................................................. 131 Abbildung 143: I-Regelglied mit Operationsverstärkern .................................................................... 131 Abbildung 144: Kennlinie eines I-Reglers nach Beaufschlagung mit einem 5V-Sprung...................... 132 Abbildung 145: Kennlinie eines I-Reglers nach Beaufschlagung mit einem 10V-Sprung.................... 132 Abbildung 146: Ortskurve und Bode-Diagramm eines I-Regelglieds .................................................. 133 Abbildung 147: Wirkungsplan eines D-Regelglieds ............................................................................. 134 Abbildung 148: Wirkungsplan eines PI-Regelglieds ............................................................................ 134 Abbildung 149: PI-Regelglied mit Operationsverstärkern .................................................................. 136 Abbildung 150: Sprungantwort des PI-Regelglieds ............................................................................. 136 Abbildung 151: Alternativer Aufbau eines PI-Regelglieds mit Operationsverstärkern....................... 137 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 11 Abbildung 152: Ortskurve und Bode-Diagramm eines PI-Regelglieds ................................................ 138 Abbildung 153: Wirkungsplan eines PD-Regelglieds ........................................................................... 139 Abbildung 154: PD-Regelglied mit Operationsverstärkern ................................................................. 140 Abbildung 155: Sprungantwort des PD-Regelglieds ............................................................................ 140 Abbildung 156: Sprungantwort des PD-T1-Regelglieds ....................................................................... 141 Abbildung 157: Wirkungsplan eines PD-T1-Regelglieds....................................................................... 141 Abbildung 158: Ortskurve und Bode-Diagramm eines PD-Regelglieds ............................................... 142 Abbildung 159: Alternativer Aufbau eines PD-Regelglieds mit Operationsverstärkern ..................... 143 Abbildung 160: Wirkungsplan eines PID-Regelglieds .......................................................................... 143 Abbildung 161: Wirkungsplan eines PID-T1-Regelglieds...................................................................... 144 Abbildung 162: PID/PID-T1-Regelglied mit Operationsverstärkern ..................................................... 145 Abbildung 163: Sprungantwort des PID-T1-Regelglieds ...................................................................... 145 Abbildung 164: Ortskurve und Bode-Diagramm eines reinen PID-Regelglieds .................................. 146 Abbildung 165: Alternativer Aufbau eines PID-Regelglieds mit Operationsverstärkern .................... 147 Abbildung 166: Vergleich der Sprungantworten verschiedener Regelglieder .................................... 148 Abbildung 167: Komparator als Zweipunkt-Regelglied ....................................................................... 149 Abbildung 168: Zweipunkt-Regler mit Hysteresewiderstand ............................................................. 149 Abbildung 169: Verhalten eines Komparators mit großer Schalthysterese ........................................ 150 Abbildung 170: Verhalten eines Komparators mit geringer Schalthysterese ..................................... 150 Abbildung 171: Wirkungsplan eines geschlossenen Regelkreises ...................................................... 151 Abbildung 172: Wirkungsplan eines offenen Regelkreises ................................................................. 153 Abbildung 173: Stabile und instabile Ortskurve von Regelkreisen 3. Ordnung .................................. 154 Abbildung 174: Pole-Nullstellen-Diagramm ........................................................................................ 156 Abbildung 175: Wirkungsplan P-Regelglied mit PT1-Strecke............................................................... 157 Abbildung 176: P-Regelglied mit PT1-Strecke, Führungssprungantwort ............................................. 158 Abbildung 177: P-Regelglied mit PT1-Strecke, Regelkreis mit Führungsgröße.................................... 159 Abbildung 178: P-Regelglied mit PT1-Strecke, Führungssprung- und Störsprungantwort ................. 160 Abbildung 179: P-Regelglied mit PT1-Strecke, Regelkreis mit Stör- und Führungsgröße .................... 161 Abbildung 180: Wirkungsplan I-Regelglied mit PT1-Strecke ................................................................ 162 Abbildung 181: Wirkungsplan PI-Regelglied mit PT1-Strecke.............................................................. 163 Abbildung 182: Wirkungsplan P-Regelglied mit I-Strecke ................................................................... 164 Abbildung 183: Wirkungsplan I-Regelglieds mit I-Strecke .................................................................. 166 Abbildung 184: Wirkungsplan PI-Regelglied mit I-Strecke .................................................................. 167 Abbildung 185: Wirkungsplan PID-Regelglied mit PT2-Strecke ........................................................... 168 Abbildung 186: Wirkungsplan Zweipunkt-Regelglied mit PT1-Strecke................................................ 169 Abbildung 187: Zusammenhang zwischen Regelgröße und Stellgröße .............................................. 170 Abbildung 188: Verringerung der Schaltdifferenz beim 2-Punkt-Regler............................................. 170 Abbildung 189: Verringerung der Zeitkonstanten beim 2-Punkt-Regler ............................................ 171 Abbildung 190: Zeitabhängiger Verlauf der Regelgröße x .................................................................. 171 Abbildung 191: : Vereinfachte Darstellung der Regelgröße x ............................................................. 172 Abbildung 192: Herleitung der Zeitkonstanten mittels Strahlensatz .................................................. 172 Abbildung 193: Wirkungsplan Zweipunkt-Regelglied mit I-Strecke .................................................... 173 Abbildung 194: Führungssprungantwort 2-Punkt-Regelglied mit I-Strecke........................................ 173 Abbildung 195: Regelkreis zur Drehzahlregelung eines Motor-Generator-Satzes.............................. 175 Abbildung 196: Digital arbeitende Regeleinrichtung .......................................................................... 176 Abbildung 197: Mikrocontroller mit USB Converter FTDI 2232, ARDUINO Duemilanove .................. 177 Abbildung 198: Wirkungsplan P-Regler mit PT1-Strecke ohne Störgröße ........................................... 178 Abbildung 199: Regelkreisaufbau mit Mikrocontroller und PT1-Strecke ............................................ 179 Abbildung 200: Operationsverstärker mit Filter 2. Ordnung .............................................................. 180 Abbildung 201: Bode-Diagramm für einen Filter 2.Ordnung .............................................................. 181 Abbildung 202: P-Regelglied, Führungssprungantwort: kpr=1............................................................. 183 12 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 203: P-Regelglied, Führungssprungantwort: kpr=2 ............................................................ 183 Abbildung 204: PI-Regelglied, Führungssprungantwort, kPR=1, Tn=5ms ............................................. 184 Abbildung 205: PI-Regelglied, Führungssprungantwort, KPR=1, Tn=1ms ............................................. 184 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 13 14 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: System International (SI) Basiseinheiten .............................................................................. 17 Tabelle 2: Resonanzfrequenzen zur Messung kleiner Kapazitäten....................................................... 40 Tabelle 3 Adress- und Datenbelegung des EPROMs ............................................................................. 70 Tabelle 4: Bode-Diagramm, PT1-Regelkreisglied ................................................................................... 85 Tabelle 5: Einstellungsvorgaben nach dem CHR-Verfahren ............................................................... 152 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 15 16 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 1 Messen Hier wird unterschieden zwischen Basiseinheiten und abgeleiteten Einheiten. Es gibt sieben Basiseinheiten und zweiundzwanzig abgeleitete SI-Einheiten, nachzulesen unter http://de.wikipedia.org/wiki/Internationales_Einheitensystem : Basisgröße und Dimensionsname Größensymbol Dimensionssymbol Einheit Einheitenzeichen Länge l L Meter m Masse m M Kilogramm kg Zeit t T Sekunde s Stromstärke I oder i I Ampere A Thermodynamische Temperatur T Θ Kelvin K Stoffmenge (Substanzmenge) n N Mol mol Lichtstärke IV J Candela cd Tabelle 1: System International (SI) Basiseinheiten Das Messen ist ein experimenteller Vorgang, wobei der Wert einer physikalischen Größe als das Vielfache eines Bezugswertes ermittelt wird. 1.1 Messen elektrischer Größen Beim Vorgang des Messens wird hauptsächlich zwischen dem Messen elektrischer Größen und dem Messen nicht elektrischer Größen unterschieden. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass auch ein Messen nicht elektrischer Größen, wie z.B. Temperatur zwecks weiterer Verarbeitung oft eine Umformung in eine elektrische Größe, wie z.B. in einen ohmschen Widerstand, nach sich zieht. Das Messen elektrischer Größen kann daher als ein grundsätzliches Problem des Messens aufgefasst werden und wird deshalb an dieser Stelle ausführlicher behandelt. Hauptsächlich unterscheidet man zwischen den Begriffen Messprinzip, Messmethode, Messverfahren. Diese drei wesentlichen Begriffe des Messens werden im Folgenden an drei Beispielen erläutert an jeweils einem Beispiel aus den Bereichen des Stoffumsatzes (Viskosität), des Energieumsatzes (Solarzelle) und Informationsumsatzes (2-Punkt-Regler, ersatzweise könnte auch eine RC-Kombination betrachtet werden). 1.1.1 Messprinzip Hier wird Bezug genommen auf eine zugrunde liegende physikalische Erscheinung, die dann als Messprinzip bezeichnet wird. Das Messprinzip stellt die wissenschaftliche Grundlage eines Messverfahrens dar. (Stoffumsatz) Bestimmung der dynamischen Viskosität: Bewegung einer Masse unter Reibungseinfluss im Schwerefeld der Erde (Energieumsatz) Bestimmung der Maximalleistung (mpp) einer Solarzelle: äußerer photoelektrischer Effekt, Freisetzung von positiven und negativen Ladungsträgern (Informationsumsatz) 2-Punkt-Regler: unterschiedliche Ausdehnung von Metallen unter Temperatureinfluss Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 17 1.1.2 Messmethode Als solche wird die „Spezielle, vom Messprinzip unabhängige Art des Vorgehens bei der Messung“ (DIN 1319-1), bezeichnet (link: http://de.wikipedia.org/wiki/Messung). Hier soll deutlich werden, dass die Effektivität einer Messung sicherlich entscheidend von der angewandten Messmethode abhängt. (Stoffumsatz) Bestimmung der dynamischen Viskosität: Bestimmung der Laufzeit einer Kugel durch eine definierte Fallstrecke (Energieumsatz) Bestimmung der Maximalleistung (mpp) einer Solarzelle: Bestimmung von Strom und Spannung für unterschiedliche Belastungen (Informationsumsatz) 2-Punkt-Regler: Bestimmung der Kennlinie durch Messen der Stellgröße und der Regelgröße 1.1.3 Messverfahren Wikipedia gibt hier die folgende Definition: „Praktische Anwendung eines Messprinzips und einer Messmethode“ (DIN 1319-1). (Stoffumsatz) Bestimmung der dynamischen Viskosität: Nutzung eines Kugelfall-Viskosimeters (Energieumsatz) Bestimmung der Maximalleistung (mpp) einer Solarzelle: Anwendung des Verfahrens der sukzessiven Approximation; zu beachten sind hier die Verfahren einer spannungsrichtigen bzw. stromrichtigen Messung. (Informationsumsatz) 2-Punkt-Regler: Zeitabhängiges kontinuierliches Messen der Größen Temperatur und zugeführte Energie 1.1.3.1 Analoge Verfahren Wird eine Eingangsgröße in eine proportionale Ausgangsgröße umgewandelt, so liegt ein analoges Messverfahren vor. Das ist beispielsweise der Fall, wenn eine Potentialdifferenz als Eingangsgröße durch die Anzeige (Ausgangsgröße) eines analog anzeigenden Instruments (Zeigerinstrument, Oszilloskop) wiedergegeben wird. Die unten stehende Abbildung zeigt ein analog arbeitendes Oszilloskop mit Kathodenstrahlröhre. Dargestellt sind zwei periodische Wechselspannungen mit unterschiedlicher Frequenz und unterschiedlicher Amplitude. Es ist ein Screenshot von http://www.virtuelles-oszilloskop.de/ . Abbildung 1: Virtuelles Oszilloskop 18 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 1.1.3.2 Digitale Verfahren In diesem Fall wird eine Eingangsgröße in einen digitalen Wert umgewandelt, wobei keine Proportionalität besteht, da sich die Ausgangsgröße in abzählbaren Schritten ändert. In diesem Zusammenhang sind die Begriffe der Codierung sowie der Diskretisierung und Quantisierung zu nennen: Codierung: Ein Code kann (fast) frei gewählt werden. Er muss lediglich drei Kriterien erfüllen: er muss fehlersicher, eindeutig und ökonomisch sein. Ein mögliches Beispiel ist der Gray-Code, der als robuster Code bei der Übertragung von binären Signalen durch analoge Leitungen verwendet wird. Hierbei unterscheiden sich benachbarte Codewörter nur in einer einzigen dualen Ziffer. Nachfolgend zwei Tabellen der beiden unabhängigen Variablen A und B, links im 2-Bit-Dual-Code rechts im 2-BitGray-Code. Siehe hierzu: http://de.wikipedia.org/wiki/Gray-Code . A B 0 0 0 1 1 0 1 1 A B 0 0 0 1 1 1 1 0 Diskretisierung: Vorgang der Aufzeichnung von räumlich und/oder zeitlich äquidistanten Messwerten eines analogen Signals. In diesen Zusammenhang ist das Abtasttheorem (sampling rate) nach Claude Shannon einzuordnen. Im Wesentlichen besagt es, dass ein abzutastendes Signal mit mindestens dem doppelten seiner höchsten Frequenz abzutasten ist, d.h. im Umkehrschluss, dass die höchst mögliche Frequenz eines abzutastenden Signal bei einer Abtastrate (sampling rate) von beispielsweise 4000 Hz genau bei 2000 Hz liegt. Ein ausgezeichnetes Java-Applet zur Demonstration dieses Theorems fand sich unter http://www.dsptutor.freeuk.com/aliasing/AD102.html (leider existiert diese Adresse nicht mehr). Die nachfolgenden drei Screenshots sind dabei entstanden: Abbildung 2: Abtastrate 4000 Hz, Eingangsfrequenz 2000 Hz Hier wird die Grenzfrequenz von 2000 Hz erreicht. Es gibt gerade noch 4 Abtastpunkte je Periodendauer. Das Signal kann gerade noch aufgelöst werden. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 19 Abbildung 3: Abtastrate 4000 Hz, Eingangsfrequenz 4000 Hz Wenn die Signalfrequenz der Abtastrate entspricht, werden nur noch zwei Punkte pro Periodendauer abgetastet. Das Signal kann nicht mehr aufgelöst werden. Entweder ist die Signalfrequenz zu hoch (das ist hier der Fall) oder die sampling rate ist zu niedrig gewählt. Abbildung 4: Abtastrate 4000 Hz, Eingangsfrequenz 7000 Hz Hier kommt es zu Signalverfälschungen, da das resultierende Signal (blau T = 1,75 ms) in seiner Frequenz nicht dem abzutastenden Signal (gelb, T = 250 µs) entspricht, seine Periodendauer T ist um den Faktor 7 vergrößert worden. Quantisierung: Darstellung einer Messwerte-Abtastung mit endlicher Auflösung, abgebildet auf ganzzahlige Binärwerte Die nächste Abbildung zeigt hauptsächlich den Vorgang der Diskretisierung von analogen Signalen. Wäre die dargestellte Signalamplitude zusätzlich in Binärwerte unterteilt, wäre auch die Quantisierung der Signale dargestellt. Aufgenommen wurden die gesprochenen Zahlen „eins“ bis „zehn“ bei einer sampling rate von 44,1 kHz und einer Auflösung von 16 Bit. Die nach vorne weisende Achse liefert die Zeit von 0 bis 8 Sekunden, die nach hinten weisende Achse liefert die am Sprechvorgang beteiligte Frequenz von 20 Hz bis 20 kHz. 20 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 5: Diskretisierung der gesprochenen Zahlen 1 bis 10 Die nachfolgende Abbildung gibt den zeitabhängigen Amplitudenverlauf gesprochener Wörter durch ein Computerprogramm wieder. Das Programm sowie die zugehörige Hardware wurden vom Autor im Jahr 1990 erstellt und wiederholt in Vorlesungen zum Informationsumsatz in technischen Systemen eingesetzt. Es wurde zur Erfassung, Analyse und Bearbeitung der menschlichen Sprache entwickelt und dient u.a. der Demonstration von veränderlichen Größen wie Auflösungsvermögen oder Abtastrate. Abbildung 6: Digitalisierung von Sprache, Auflösung 8 Bit, Sampling rate 40 kHz Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 21 Grundlage zur Digitalisierung von Sprache ist eine speziell für die o.g. Anforderungen entwickelte Ein/Ausgabekarte, die mit 8-Bit-DA/AD-Umsetzern aufgebaut ist und Signalfrequenzen bis zu 50kHz verarbeiten kann. Das Programm selbst ist vorwiegend in Maschinensprache geschrieben, und zwar für die Mikroprozessoren der 80x86-Familie. In dieser 1. Version ist die Dauer der Messwerte-Erfassung eine unveränderliche Größe (3 Sekunden), was zur Demonstration jedoch vollkommen ausreichend ist. Das Programm stellt jederzeit abrufbare Files unterschiedlicher sampling rate und gestuften Auflösungsvermögens desselben semantischen Inhalts zur Verfügung, die akustisch ausgegeben werden können. Mit Hilfe von FFT-Routinen (Fast Fourier Transformation) kann eine Analyse des Frequenzganges erfolgen. Das System kann so sprecheradaptiv (Sprecheridentifikation) arbeiten. Eine Bearbeitung des Ursprungs-Files wird vom Programm direkt nach der Spracheingabe vorgenommen. Hier sind Abtastraten von 40, 20, 10, 5 und 2 kHz bei Auflösungen von jeweils 8, 6, 4 und 2 Bit möglich. Eine Zoom-Funktion ermöglicht die vergrößerte Darstellung frei wählbarer Ausschnitte von 20, 40, 60 und 80 Millisekunden Dauer. 1.1.3.3 Direkte/indirekte Messung Die direkte Messung ist immer eine Vergleichsmessung. So wird z.B. bei der Längenmessung durch Anlegen eines Lineals ein direkter Vergleich mit bekannten Werten vorgenommen. In der Elektrotechnik wird fast ausschließlich indirekt gemessen. So wird der gesuchte Messwert aus einer anderen physikalischen Größe ermittelt. Beispiele sind die spannungsrichtige und die stromrichtige Messung, sowie die Bestimmung des Stroms über den Spannungsfall eines Messwiderstandes beim Einsatz eines Oszilloskops. Oszilloskope können ausschließlich zeitabhängige Spannungen messen. Abbildung 7: Spannungsrichtige Messung Abbildung 8: Stromrichtige Messung 1.1.4 Messeinrichtung Unter dem Begriff der Messeinrichtung ist der komplette Aufbau einer Messkette zu verstehen. Angefangen beim Messobjekt bzw. der Messgröße bis hin zur Ausgabe des Messwerts als Darstellung bzw. Registrierung und gegebenenfalls weiterer Verarbeitung. Abbildung 9: Aufbau einer Messkette 22 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Ein geeignetes Messobjekt sei beispielsweise ein ohmscher Wirkwiderstand in einem einfachen Gleichstromkreis, dessen Temperatur als zeitabhängige Funktion durch einen Rechner aufzunehmen ist. Messobjekt ist ein Widerstand, Messgröße ist die Temperatur. Diese physikalische Größe muss durch einen geeigneten Sensor in ein elektrisches Messsignal gewandelt werden. Dieses Signal muss danach durch einen ADU (Analog-Digital-Umsetzer) in ein normiertes elektrisches Signal, in diesem Fall in ein binäres Signal umgewandelt werden. Abschließend kann dieses Signal durch einen Rechner zur Anzeige bzw. Registrierung gebracht werden. 1.1.5 Messfehler Ein Sprichwort sagt: "Wer misst, misst Mist." Natürlich steckt in dieser Aussage ein wahrer Kern. Er wurde zuletzt wohl eindrucksvoll durch die Heisenbergsche Unschärferelation belegt. In der Quantenmechanik kann entweder nur der Ort oder der Impuls eines Teilchens gemessen werden. Beides zusammen ist nicht möglich oder eben mit einer gewissen "Unschärfe" behaftet, wobei statistische Elemente eine entscheidende Rolle spielen. Der Vorgang des Messens hat also immer einen Einfluss auf das zu messende Objekt. Ein einfaches Beispiel ist die Aufnahme einer Ladekurve bei einer RC-Kombination. Wird die sich über dem Kondesator einstellende Spannung (UC) mit einem Vielfachmessgerät mit Messgeräteinnenwiderstand RVI aufgenommen, so kann der Einfluss des Messgerätes auf das Messobjekt einen teils erheblichen Fehler bei der Bestimmung der Zeitkonstanten verursachen. Handelt es sich dabei um ein mit Messverstärkern ausgestattetes Gerät, so sind zusätzlich noch Kapazitäten des Gerätes selbst zu berücksichtigen. Abbildung 10: Messchaltung zur Bestimmung von τ Abbildung 11: Ladekurve mit Zeitkonstante τ 1.1.5.1 Systematische Fehler Solche Fehler liegen vor, wenn z.B. Messgeräte falsch justiert sind oder kausal bedingte physikalische Effekte auftreten, die regelmäßig zu verfälschten Ergebnissen führen. Im o.g. Beispiel zur Bestimmung der Zeitkonstanten τ taucht der systematische Fehler auf, dass ein Vielfachmessgerät direkt an die Schaltung angeschlossen wird und diese dann in ihrem Zeitverhalten beeinflusst. Diese Problematik lässt sich nur durch eine möglichst starke Entkopplung der Schaltung vom Messgerät erreichen. Hier kann ein als Impedanzwandler beschalteter Operationsverstärker (OpAmp) eingesetzt werden. Durch den hohen Eingangswiderstand des OpAmp β¦) wird (1T der Einfluss des Spannungsfolgers ausgesprochen gering gehalten. Gleichzeitig verfügt ein OpAmp über einen sehr niederohmigen Ausgang (6), so dass ein hochohmiges Messgerät (Ri > 10Mβ¦) direkt angeschlossen werden kann. Die nachfolgende Abbildung 12 zeigt den Messaufbau zur Vermeidung des vorgenannten systematischen Fehlers. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 23 Abbildung 12: Zur Bestimmung von τ mittels Impedanzwandler 1.1.5.2 Statistische Fehler Selbst wenn systematische Fehler vollständig eliminiert wurden, wird das wiederholte Messen einer Größe niemals genau übereinstimmende Werte liefern. Solche Fehler sind statistische oder zufällige Fehler und lassen sich ausschließlich mit den Mitteln der Statistik erfassen (deskriptive Statistik). Stichwörter sind an dieser Stelle die Normalverteilung oder Häufigkeitsverteilung und die Standardabweichung. Auf der Grundlage dieser Wahrscheinlichkeitsüberlegungen kann der arithmetische Mittelwert Um einer Reihe von n Spannungswerten U1 bis Un ermittelt werden durch: π 1 π1 + π2 + β― + ππ ππ = οΏ½ ππ = π π π=1 Der mittlere Fehler dieses Mittelwertes wird als mittlerer quadratischer Fehler oder Standardfehler bezeichnet und errechnet sich folgendermaßen: (ππ − π1 )2 + (ππ − π2 )2 + β― + (ππ − ππ )2 βππ = οΏ½ π(π − 1) Die Statistik kennt Methoden zur Bestimmung der Genauigkeit von Messwerten mit der zu Grunde liegenden Theorie. Genannt sei hier der χ2 (chi-Quadrat-Test), der die Verteilungseigenschaften einer Grundgesamtheit untersucht (induktive Statistik). Dieser Test ist oft fester Bestandteil von mathematischen Programmen zur Auswertung von Messergebnissen. Bezogen auf das o.g. Beispiel müsste man den Versuch mehrere Male wiederholen, um die statistische Varianz möglichst gering zu halten. 1.1.5.3 Fehlerfortpflanzung Gemeint ist hier das Fehlerfortpflanzungsgesetz von Gauß, das an Stelle der Standardabweichung den sog. Größtfehler angibt. Es dient einer oberen Abschätzung und ist nicht die geometrische 1 Summe, sondern die algebraische Summe der Beträge der Standardabweichungen: ππ = οΏ½ ππ ππ ππ οΏ½ β |π π | + οΏ½ οΏ½ β |π π | + οΏ½ οΏ½ β |π π | + β― ππ ππ ππ 1.1 Hier sind die einzelnen Beträge der partiellen Differentiale der zu berechnenden Größe Z = Z(a,b,c,…) zu bestimmen und anschließend mit den Beträgen der einzelnen Standardabweichungen sa, sb, sc,… 1 Bei geometrischen Folgen sind die Quotienten der einzelnen Folgeglieder gleich (z.B. 5, 15, 45, 135, …). Bei arithmetischen Folgen sind die Differenzen der einzelnen Folgeglieder gleich (z.B. 2, 4, 6, 8, 10, …). 24 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 zu multiplizieren. Die Summe ergibt schließlich den Größtfehler. Verdeutlicht werden soll dieser Zusammenhang am Beispiel einer Leistungsmessung. In einem einfachen Gleichstromkreis mit ohmschem Wirkwiderstand. Die Berechnung des Größtfehlers erfolgt auf der Grundlage des ohmschen Gesetzes: U = R·I; anschließend wird der Größtfehler bei der Bestimmung der elektrischen Leistung gemäß P = R·I2 bestimmt. Gegeben seien die folgenden Größen: I = 5 A, R1 = 10 β¦. Die gemessenen Abweichungen betragen: ΔI = 0,1 A, ΔR = 1 β¦. ππ = οΏ½ ππ ππ οΏ½ β |βπ | + οΏ½ οΏ½ β |βπΌ| ππ ππΌ ππ = |πΌ| β |βπ | + |π | β |βπΌ| ππ = 5 β 1 + 10 β 0,1 = 6π, πΊπöπ π π‘ππβπππ ππππππ’ππ ππ = οΏ½ Abbildung 13: Einfachster Gleichstromkreis ππ ππ οΏ½ β |βπ | + οΏ½ οΏ½ β |βπΌ| ππΌ ππ ππ = |πΌ 2 | β |βπ | + |2 β πΌ β π | β |βπΌ| ππ = 25 β 1 + 100 β 0,1 = 35π, πΊπöπ π π‘ππβπππ πΏπππ π‘π’ππ 1.1.6 Grenzen für Messungen Messwerte verfügen durch die o.g. Randbedingungen, unter denen sie ermittelt wurden immer über eine begrenzte Aussagekraft. So müssen z.B. bei der Bestimmung des Innenwiderstands von Spannungsquellen (Leistungsanpassung eines Generators) Messwerte im absoluten Grenzbereich ermittelt werden, die schon das ihnen zu Grunde liegende Messprinzip verletzten. Wie lässt sich der Kurzschlussstrom oder die Leerlaufspannung messtechnisch erfassen? (siehe unten stehende Abbildung) Die Antwort lautet: gar nicht! Das System würde keine zuverlässigen Werte in diesen Bereichen liefern, da der Vorgang des Messens an sich schon einen zu großen Einfluss auf das System hat. Abbildung 14: Generator-Charakteristik, U(I) Kurzschlussstrom und Leerlaufspannung lassen sich ausschließlich durch die aufgenommenen Messwertpaare extrapolieren! Da die Charakteristik einen linearen Zusammenhang liefert, können Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 25 sogar lediglich zwei (!) Messwertpaare ausreichen, um die Charakteristik zu konstruieren und so den Innenwiderstand der Spannungsquelle zu ermitteln. Die nachfolgende Abbildung zeigt mit kurzer Rechnung den mathematischen Zusammenhang. −ππ΅ππ‘ + ππΌ + ππ = 0 ππ = ππ΅ππ‘ − ππΌ πΊπππππππππππβπ’ππ: ππ (πΌ) = ππ΅ππ‘ − π πΌ πΌ πΎπ’ππ§π πβππ’π π : ππ (πΌ) = 0 Abbildung 15: Generator-Charakteristik, Schaltplan ππ΅ππ‘ = π πΌ πΌ ππππ πΌ = ππ΅ππ‘ π πΌ πΏππππππ’π: ππ (πΌ) = ππ΅ππ‘ 1.1.7 Messgeräte Neben den üblichen Vielfachmessgeräten für Widerstands-, Strom- und Spannungsmessungen existiert noch eine Vielzahl von Messgeräten mit einem deutlich erweitertem Funktionsumfang sowie einer bedeutend besseren Signalumsetzung. Die für diesen hier angesprochenen Bereich relevanten Geräte sind hauptsächlich das Oszilloskop sowie der Funktionsgenerator. Weitere Geräte von Interesse sind der Pulsgenerator sowie Spezialmessgeräte für Kapazitäten und Induktivitäten. 1.1.7.1 Oszilloskop Die nachfolgende Abbildung 16 zeigt ein neueres digital arbeitendes Oszilloskop der Serie TBS 2000 des Herstellers Tektronix. Diese mit einem farbigen LCD-Bildschirm ausgestatteten Modelle arbeiten (fast) vollautomatisch. Eine Autoset-Funktion ersetzt das frühere mühsame Suchen des Kathodenstrahls bei CRT-Modellen (Cathode Ray Tube). Gleichzeitig wird bei dieser neuen Generation von Oszilloskopen eine komplette Menüführung eingeblendet, die dem Nutzer erhebliche Erleichterungen bietet. Abbildung 16: Digital Real-Time Oscilloscope, 4-Kanal, Tektronix TBS 2000 Serie 1.1.7.2 Funktionsgenerator Die nachstehende Abbildung 17 zeigt einen älteren 11 MHz Funktionsgenerator von Tektronix (CFG 280). Dieses relativ einfach zu handhabende Gerät kann die Standardfunktionen (Sinus, Dreieck, Rechteck) in unterschiedlichen Frequenzen mit verschiedenen Amplituden darstellen. Zusätzlich besteht die Möglichkeit einer Aufprägung von Gleichspannungsanteilen (DC-Offset) 26 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 17: Oszilloskop mit Funktionsgenerator 1.1.7.3 Pulsgenerator Unten dargestellt ist ein (ebenfalls älterer) 50 MHz Pulsgenerator des Herstellers Philips. Deutlich erkennbar sind die Einsteller zur Beeinflussung der Pulsform (Wiederholung, Verzögerung, Dauer, Rampe). Die Möglichkeiten der Signalveränderung gibt es bei einem reinen Funktionsgenerator nicht. Abbildung 18: Oszilloskop mit Pulsgenerator 1.1.7.4 Arbiträre Generatoren Die nachfolgende Abbildung zeigt einen neueren einfachen arbiträr arbeitenden Funktionsgenerator der letzten Generation. Er erzeugt Signale mittels digitaler Methoden, beispielsweise mittels DDS (direct digital synthesis). Arbiträr bedeutet, dass der Generator beliebig geformte Signale erzeugen kann. So lassen sich z.B. die elektrischen Aktivitäten der Herzmuskelfasern in ihrem zeitlichen Ablauf periodisch darstellen; auch ein Wechsel unterschiedlichster Signalformen ist so möglich. Abbildung 19: Arbiträrer Funktionsgenerator Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 27 1.2 Messen nicht elektrischer Größen Wie schon in Kapitel 1.1 erwähnt, müssen zu messende nicht elektrische Größen wie z.B. Temperatur, Druck, Luftfeuchte, etc. erst in elektrische messbare Größen umgewandelt werden. Dabei wird eine Eingangsgröße oder Messgröße durch eine Messeinrichtung, bestehend aus Messfühler und Signalanpassung/Signalverstärkung, in eine Ausgangsgröße oder einen Messwert umgeformt werden. Mittlerweile gibt es eine Unmenge an Sensoren, die als Messeinrichtung neben dem eigentlichen Sensor zusätzlich schon über die zugehörige Anpassung/Verstärkung verfügen. Dies erscheint relativ praktisch, da so ausgelegte Sensoren sich durch ein Nachschalten von Mikrokontrollern relativ leicht einsetzen lassen. 1.2.1 Sensorik Ein Sensor formt in erster Linie eine physikalische Größe in eine elektrische Größe um. Es gibt Sensoren für alle möglichen Anwendungsfälle: Lichtempfindliche Widerstände, temperaturempfindliche Halbleiter, optische oder akustische Sensoren, Sensoren zur Messung der Beschleunigung, etc. All diese Sensoren nutzen unterschiedliche physikalische Effekte und haben enge Bereiche, die sie sensorisch erfassen können. Dabei ist die Kennlinie eines Sensors in der Regel nicht linear. Die unten stehende Abbildung 20 gibt die Kennlinie eines LDR (light dependent resistor) wieder. Abbildung 20: Kennlinie eines lichtempfindlichen Widerstands Die Widerstandswerte verschwinden bei Dunkelheit schnell in den Megaohm-Bereich und tendieren bei zunehmender Beleuchtungsstärke schnell gegen Null Ohm. Dieser Sensor deckt eine Beleuchtungsstärke von ca. 10 Lux bis ca. 300 Lux 2 ab. Offen bleibt jedoch die Frage nach seiner spektralen Empfindlichkeit (Frequenz), wonach sich dann sein Einsatzgebiet richten könnte. Betrachtet werden soll ein menschlicher Sensor, der Schalldruck wahrnehmen kann: das menschliche Ohr. Es ist in der Lage Drücke zwischen 0,000002 Pascal und 60 Pascal wahr zu nehmen und das auch 2 Die Beleuchtungsstärke in lx erhält man aus dem Quotienten der Lichtstärke einer punktförmigen Lichtquelle in cd (Candela) und dem Quadrat der Entfernung in m: 1ππ₯ = 1 28 ππ π π π2 =1 ππ π2 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 noch bei unterschiedlichen Frequenzen; es deckt damit einen Bereich von 7(!) Zehnerpotenzen des Schalldrucks ab. Die nachfolgende Abbildung 21 (http://de.wikipedia.org/wiki/Lautst%C3%A4rke , als gemeinfrei gekennzeichnet) zeigt, dass dieser Sensor hochgradig nicht linear ist. Abbildung 21: Frequenzabhängiger Schalldruckpegel Mit der Einheit Bel (nach A.G. Bell) werden u.a. logarithmische Pegel aus dem Bereich Akustik, der Nachrichtentechnik und der Automatisierungstechnik beschrieben, wobei es üblich ist, den 10. Teil eines Bel zu verwenden (Dezibel, dB). Es wird das Verhältnis zweier gleicher Energiegrößen (z.B. Leistung oder Intensität) als dekadischer Logarithmus dargestellt: π2 π2 πΏ = οΏ½ππ οΏ½ οΏ½οΏ½ π΅ = 10 οΏ½ππ οΏ½ οΏ½οΏ½ ππ΅ π1 π1 1.2 Betrachtet man hingegen das Verhältnis zweier gleicher Feldgrößen (z.B. Spannung oder Schalldruck), so ist der Vorfaktor 20 statt 10! 3 π2 π2 πΏ = οΏ½ππ οΏ½ οΏ½οΏ½ π΅ = 20 οΏ½ππ οΏ½ οΏ½οΏ½ ππ΅ π1 π1 1.3 Hier ist zu beachten, dass beide Angaben ineinander umformbar sind und somit zu identischen Ergebnissen führen, wenn man beachtet, dass π = π β πΌ = π2 β 1 π Für diese Zusammenhänge existiert eine Webseite mit einem sog. dB-Rechner (Link: http://www.sengpielaudio.com/Rechner-db.htm ). Hier lassen sich die Zusammenhänge zwischen Energie- und Feldgrößen sehr ausführlich nachlesen. Eine Angabe physikalischer Größen in Dezibel kommt dem menschlichen Sinnesempfinden sehr nahe, da sowohl das Sehen (Stichwort: Sonnenfinsternis) als auch das Hören in etwa logarithmisch zur Intensität des physikalischen Reizes verläuft (Stichwort: Weber-Fechner-Gesetz). Mit Bezug zu Abbildung 21 gibt der Wert in Phon an, welchen Schalldruckpegel in dB ein Sinuston der Frequenz 1 kHz besitzt, der gleich laut wie ein Hörereignis (Schallereignis) empfunden wird. 3 Streng genommen müsste die Einheit bei Spannungsangaben nicht dB sondern dBu lauten. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 29 1.2.1.1 Aktive/passive Sensoren Man unterscheidet grob zwischen aktiven und passiven Sensoren, wobei mit Sensor lediglich der Messwertaufnehmer gemeint sein soll. Aktive Sensoren setzen die zu messende Größe direkt in eine elektrische Größe um; dabei ist eine Zuführung von Hilfsenergie nicht nötig. Zu dieser Kategorie gehören z.B. Thermoelemente (thermoelektrischer Effekt) oder Piezokristalle (piezoelektrischer Effekt). Benötigen die Sensoren jedoch eine zugeführte Hilfsenergie, um überhaupt arbeiten zu können, dann kann die zu messende Größe das Ausgangssignal steuern. In diesem Fall handelt es sich um passive Sensoren. Beispiele sind ohmsche Aufnehmer (NTC/PTC) oder kapazitive Aufnehmer (Dreh- und Plattenkondensatoren). 1.2.1.1.1 Thermoelemente Thermoelemente arbeiten nach dem Seebeck-Effekt. Dieser physikalische Effekt besagt grob, dass wenn zwei verschiedene elektrische Leiter an einem Ende dauerhaft verbunden werden (ππ Temperatur der Messstelle), an den freien Enden (ππ£ Temperatur der Vergleichsstelle) eine elektrische Spannung (UT Thermospannung) gemessen werden kann. Diese Spannung ist temperaturabhängig und wird als Thermospannung bezeichnet und entsteht durch Thermodiffusionsströme. Formal lässt sich dieser Zusammenhang mit k als Materialkonstanten beschreiben: ππ = π(ππ − ππ£ ) Die Kennlinien von Thermoelementen haben einen (http://www.tecplan.de/_down/LabVers_Temp_04_vor.pdf ). stark linearen Charakter Abbildung 22: Kennlinie eines Thermoelements 1.2.1.1.2 Piezokristalle Piezoelektrizität kann auftreten, wenn ein Kristallgitter mechanisch verformt wird. Hierbei können sich mikroskopische Dipole ausbilden, deren Summierung über den gesamten Kristall zu einer messbaren Potentialdifferenz führt. Dieser Effekt ist reversibel, d.h. bei Anlegen einer geeigneten Spannung kann ein Kristallgitter mechanisch verformt werden. Die nachfolgende Abbildung gibt diesen Effekt wieder (http://de.wikipedia.org/wiki/Piezoeffekt ) Lizenzhinweis: Kino at German Wikipedia (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Piezoelement.PNG), "Piezoelement", https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode 30 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 23: Wirkungsweise eines Piezoelements 1.2.1.1.3 Ohmsche Aufnehmer Die wohl bekanntesten Vertreter der ohmschen Aufnehmer sind temperaturempfindliche Widerstände mit Heissleiter- (NTC) oder Kaltleiterverhalten (PTC). Bei diesen Halbleitern hängt der elektrische Widerstand in erster Linie von der Temperatur ab (Thermistor). Beim Heissleiter nimmt der Widerstand mit steigender Temperatur ab, beim Kaltleiter nimmt er im Wesentlichen zu. Dieses charakteristische Verhalten gilt jedoch nur für ganz bestimmte Bereiche der jeweiligen Kennlinien. So kann ein Kaltleiter in einem bestimmten Temperaturbereich auch das Verhalten eines Heissleiters aufweisen. Abbildung 24: Kennlinien NTC (links), PTC (rechts) 1.2.1.1.4 Kapazitive Aufnehmer In diesen Bereich fallen hauptsächlich Ausführungen von Zylinder- und Plattenkondensatoren. So ist beispielsweise die Regelstrecke einer Füllstandregelanlage als Zylinderkondensator ausgeführt, wobei das Medium Wasser mit einer relativen Dielektrizitätskonstanten (Permittivität) von ππ ≈ 80 ein Maß für die Kapazitätsänderung darstellt und damit eine direkte Umrechnung auf den jeweiligen Füllstand erlaubt. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 31 Abbildung 25: Messung des Füllstands mittels Zylinderkondensator Die nachfolgende Skizze soll die physikalischen Zusammenhänge bei einem Zylinderkondensator, der als kapazitiv arbeitender Füllstandsensor ausgeführt ist verdeutlichen. Daten des Zylinderkondensators: Anode: Massiv, durchgängig im Innenbereich, leitend r: Radius der Anode, 1 cm Kathode: Mantel des Kondensators, leitend R: Radius des umgebenden Mantels, 10 cm h: Gesamtlänge des Zylinderkondensators, 100 cm b: beliebe Füllhöhe einer Flüssigkeit π0 : elektr. Feldkonstante (8,85 10-12 F/m) ππ : relative Permittivität (81 für Wasser) Kapazität (allgemein): πΆ = 2π π0 ππ β π ππ π Abbildung 26: Skizze eines Zylinderkondensators 32 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Ausgehend vom Gaußschen Satz zum Fluss des elektrischen Feldes ergibt sich mit λ als Ladung je Längeneinheit οΏ½ ππ¦πππππππ€πππ Φ = οΏ½ πΈοΏ½β ππβ πΉ πΈοΏ½β ππβ + οΏ½ 2 πΎππππ ππäπβππ πΈοΏ½β ππβ = 1 βπ π0 Da die beiden Kreisflächen keinen Beitrag zum Fluss des elektrischen Feldes durch eben jene Flächen liefern, erhält man nach Integration über die Zylinderwand πΈ2ππ β = 1 π βπ ππππ πΈ = π0 2π π π0 Mit Hilfe der Definition der Potentialdifferenz π π = οΏ½ πΈοΏ½β ππβ π ergibt sich π π 1 π π π= οΏ½ ππ = ππ οΏ½ οΏ½ 2ππ0 π 2ππ0 π π Mit C=Q/U formt sich die o.g. Gleichung um in πΆ= πβ π π ππ οΏ½ π οΏ½ 2ππ0 = 2ππ0 β π ππ οΏ½ π οΏ½ 1.4 Natürlich lassen sich auch Plattenkondensatoren zur Bestimmung von Füllständen verwenden, wie die unten stehende Abbildung zeigt. Auch hier handelt es sich wieder um zwei parallel geschaltete Kondensatoren jeweils mit dem Dielektrikum Wasser (felddurchsetzte Fläche: hβb) bzw. Luft (felddurchsetzte Fläche: b(b-h) ). Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 33 Abbildung 27: Kapazitive Erfassung eines Füllstands Beim Plattenkondensator ergibt sich mit einer ähnlichen Rechnung wie oben (A sei die felddurchsetzte Fläche, d der Abstand der Platten zueinander) die Kapazität zu πΆ = π0 ππ πΆ = π0 ππ π΄ (πππππππππ) π 1.5 (π − β)π π2 βπ (ππππ) ππππ πΆ = π0 ππ ππ§π€. πΆ = π0 ππ (ππππ’) π π π Die zwei nachfolgenden Abbildungen zeigen den Nachbau eines kubisch aufgebauten Plattenkondensators mit der Kantenlänge 10 cm, gefertigt aus vier Millimeter dickem Plexiglas (relative Permittivität ε r = 3). Der Kondensator wird mit destilliertem Wasser gefüllt (600 cm3). Seine Gesamtkapazität beträgt jetzt 18,5 pF an. In diesem Fall handelt es sich um zwei parallel geschaltete Kondensatoren (CLuft und CWasser), zu denen je zwei Kondensatoren (CPlexiglas) in Reihe geschaltet sind. Wird der Kondensator jetzt um 90° gedreht, wie in der letzten Abbildung gezeigt, so sinkt seine Gesamtkapazität auf 2,7 pF. Jetzt handelt es sich um zwei in Reihe geschaltete Kondensatoren (CLuft und CWasser), zu denen wiederum je zwei Kondensatoren (CPlexiglas) in Reihe geschaltet sind. Die gemessenen Werte ließen sich mit einer Genauigkeit von weniger als 5% Abweichung reproduzieren. Es bleibt allerdings anzumerken, dass das verwendete Gerät zur Messung der Kapazität empfindlich auf unterschiedliche Führungen der Messleitungen reagierte. So ließen sich halbwegs stabile Werte lediglich durch den Trick mittels vierkanaliger Messleitung eine zweikanalige Messung vorzunehmen realisieren. Es ist daher anzunehmen, dass die absolut gezeigten Werte nicht stimmig sein werden, jedoch die Differenz dieser Werte in guter Näherung mit den Werten der Theorie übereinstimmen müssten. 34 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 28: Parallelschaltung von Kondensatoren zur Füllstandmessung (18,5pF) Abbildung 29: Reihenschaltung von Kondensatoren zur Füllstandmessung (2,7pF) Die folgende Abbildung gibt den Zusammenhang zwischen Füllhöhe h und Gesamtkapazität C wieder. Eingezeichnet sind jeweils als durchgängige Kurvenzüge die theoretischen Verläufe, in blau für die Parallelschaltung und in rot für die Reihenschaltung. Die durch Kreuze und Quadrate eingetragenen Wertepaare sind Messergebnisse, die lediglich eingetragen und nicht durch Regression genähert sind. Es zeigt sich, dass insbesondere bis zu einer Füllhöhe von 600 cm3 die Messwerte sehr nahe an den theoretisch zu erwartenden Werten liegen, während sie darüber hinaus deutlich auseinander driften. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 35 Mit diesem Versuchsaufbau lässt sich u.a. zeigen, dass die Anordnung als Reihenschaltung bedingt durch den steilen Anstieg mit anschließender Verflachung der (roten) Kurve für eine kapazitive Erfassung von Füllständen ungeeignet ist. In der Praxis wird daher immer eine Parallelschaltung bevorzugt werden (blaue Kurve). Eingetragen ist jeweils ein Messfehler von 15 Prozent, der jedoch nur einer groben Annahme entspricht. Abbildung 30: Gesamtkapazität C in Reihen- (rot) und Parallelschaltung (blau) Die 2 mal 5 mm dicke Plexiglas-Begrenzung des Würfels liefert bei einer Permittivität von 3,4 in jedem Fall eine Kapazität von 30,1 pF. Die Gleichungen für die o.g. Gesamtkapazitäten bestimmen sich dann gemäß Abbildung 27 folgendermaßen: πΆπ ππβπ = οΏ½ 1 πΆπΏπ’ππ‘ πΆππππππππ = οΏ½ + 1 πΆπππ π ππ + 1 πΆππππ₯π οΏ½ −1 1 1 + οΏ½ πΆπΏπ’ππ‘ + πΆπππ π ππ πΆππππ₯π −1 1.6 1.7 In diesem Zusammenhang sind bei direkter Messung der Kapazität folgende Fehler zu berücksichtigen: - 36 die Dichte von Wasser ist temperaturabhängig. die statische Permeabilität von Wasser ist temperaturabhängig. der durch das Messgerät bedingte Anzeigefehler. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 31: Temperaturabhängigkeit der statischen Permittivität von Wasser Da ein direktes Messen kleiner Kapazitäten (bis ca. 100pF) bedingt durch fast unwägbare Einflüsse (Länge der Leitungen, Gesamtaufbau des Versuchs, Einfluss parasitärer Kapazitäten, etc.) immer problematisch ist, kann eine indirekte Messung als Alternative dienen. Folgende Möglichkeiten einer indirekten Messung bieten sich mit verhältnismäßig einfachen Mitteln und relativ geringem Aufwand an: 1. Messung der Kapazität durch Bestimmung der Zeitkonstanten τ einer RC-Kombination 2. Messung der Kapazität durch Einsatz einer Kapazitäts-Messbrücke (Wien-Brücke) 3. Messung der Kapazität durch Bestimmung der Phasenverschiebung bei geringstem Scheinwiderstand mittels RLC-Reihenschwingkreis. Während die ersten beiden Möglichkeiten bei Kapazitäten im Bereich bis 100pF bedingt durch zu ungenaue Ergebnisse ausscheiden, soll hier die dritte Möglichkeit näher betrachtet werden. Abbildung 32: Reihenschwingkreis zur indirekten Bestimmung einer kleinen Kapazität Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 37 Der Widerstand R1 bestimmt u.a. die sog. Güte des Schwingkreises. Er ist mitverantwortlich für ein steiles und ausgeprägtes Maximum im Spannungsbereich. L1 wird real einen ohmschen Wirkwiderstand besitzen, er wird hier jedoch vernachlässigt. C1 ist als variabler Kondensator ausgeführt und durchläuft im Parameterbereich von 5pF bis 50pF in 5-Schritten. L1 stellt mit einem Wert von 9,92mH eine handelsübliche Induktivität dar. Die Simulation mit QUCS liefert das folgende Bild. Abbildung 33: Resonanzpunkte beim Reihenschwingkreis Deutlich ist zu erkennen, wie die Resonanzpunkte bei höheren Kapazitäten immer näher zusammenliegen. Der erste Resonanzpunkt liegt bei ca. 225kHz und 50pF. Die Simulation liefert somit einen deutlichen Ansatzpunkt für einen möglichen experimentellen Aufbau zur realen Messung von kleinen Kapazitäten. Der hier wiedergegebene Frequenzdurchlauf kann real jedoch nur durch den Einsatz eines Wobbel-Generators erreicht werden, der allerdings nur in den seltensten Fällen zur Verfügung steht. Einfacher geht es über die Ermittlung des geringsten Scheinwiderstandes, bei dem letztlich eine Phasenverschiebung von null auftaucht. In diesem Zusammenhang sei auf das Kapitel 3.1.5 verwiesen. Verwendet wurden für diese konkret durchgeführte Messung hochwertige Geräte der Firma LeCroy. Wiedergegeben sind in den folgenden drei Darstellungen Screenshots der Oszillogramme für die drei Fälle: - der vollständig mit Wasser gefüllte Würfel, - der halb mit Wasser gefüllte Würfel als Parallelschaltung, - der halb mit Wasser gefüllte Würfel als Reihenschaltung 38 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 34: Der vollständig mit Wasser gefüllte Würfel Abbildung 35: Der halb mit Wasser gefüllte Würfel als Parallelschaltung Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 39 Abbildung 36: Der halb mit Wasser gefüllte Würfel als Reihenschaltung Eine Betrachtung der drei o.g. Screenshots führt zu folgenden Ergebnissen (siehe Formel 4.24): Würfel halb voll Würfel halb voll Parallelschaltung Reihenschaltung Resonanzfrequenz 229.089,7Hz 256.130,4Hz 332.143,5Hz Kapazität 48,6pF 38,9pF 23,1pF Würfel voll Tabelle 2: Resonanzfrequenzen zur Messung kleiner Kapazitäten Die hier errechneten Werte weichen deutlich von den zuvor direkt gemessenen und berechneten Werten ab. Einzig die Simulation liefert Werte, die schon sehr nahe an den Ergebnissen sind, die eine Messung mit einem Reihenschwingkreis liefert. Bildet man jedoch die Differenz der Werte bei halb gefülltem Kondensator so ergibt sich in der o.g. Tabelle ein Wert von 15,8pF. Dieser Wert stimmt sehr genau mit den Werten der direkten Messung mittels Kapazitäts-Messgerät überein. Eine Betrachtung der rechnerischen Ergebnisse liefert einen Differenzwert von 15,7pF. Mit hoher Wahrscheinlichkeit liegt hier also ein systematischer Fehler vor, der u.U. im fehleranfälligen Versuchsaufbau bei der direkten Messung und der Nichtberücksichtigung weiterer kapazitiver Einflüsse bei der Rechnung zu suchen ist. Es stellt sich somit die Frage des größten Fehlers (siehe Formel 1.1). Bei der folgenden Rechnung wird lediglich der Grösstfehler für die Kapazität des vollständig mit Wasser gefüllten Würfels bestimmt. Die Resonanzfrequenz liegt mit vernachlässigbarem R bei: π= 40 1 √πΏπΆ Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Daraus ergibt sich für C(f): πΆ(π) = 1 4π 2 πΏ β π2 1.8 Um jetzt den Grösstfehler Sc auszurechnen, müssen für Δf und ΔL plausible Toleranzwerte eingesetzt werden. Anschließend ist die nachfolgende Gleichung durch drei partielle Differentiationen der Gleichung 1.8 zu bestimmen: ππΆ = οΏ½ Es ergeben sich folgende Ableitungen: ππΆ ππΆ οΏ½ β |βf| + οΏ½ οΏ½ β |βL| ππΏ ππ 1 ππΆ =− 2 2π β πΏ β π 3 ππ ππΆ 1 =− 2 2 2 ππΏ 4π β πΏ β π Mit βπ = 5ππ»π§ und βπΏ = 0,5ππ» ergibt sich: ππΆ = 2,1ππΉ + 2,45ππΉ ππΆ = 4,55ππΉ Selbst bei großzügiger Auslegung der Toleranzwerte ergibt sich ein Grösstfehler im Bereich von knapp 5pF. Das würde bedeuten, dass der Wert des Kondensators mehr als doppelt so groß ist, wie mittels Abbildung 30 durch Rechnung nachgewiesen wurde. Selbst mit der Methode der indirekten Messung mit Hilfe eines Reihenschwingkreises ergibt sich offensichtlich noch Optimierungsbedarf. Eine letzte Möglichkeit bietet der ARDUINO als ein kapazitiv arbeitendes Messwerterfassungssystem. In diesem Fall ist definitiv keinerlei Peripherie notwendig, da interne Streukapazitäten genutzt werden können. Er arbeitet nach dem Prinzip eines kapazitiven Spannungsteilers. So sind relativ genaue Messungen (+/-2,5%) bis in niedrigste Bereiche möglich (von Autor erstelltes System, siehe Abbildung 37: 3,9pF; Anzeige: 4,12pF). Abbildung 37: ARDUINO zur kapazitiven Messwerterfassung Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 41 1.2.1.1.5 Kapazitive Abstandsgeber Erwähnenswert sei im Bereich der kapazitiven Aufnehmer noch der kapazitive Abstandsgeber. Bei der Bauform eines Plattenkondensators geht er im Wesentlichen auf die bekannte Gleichung zur Bestimmung seiner Kapazität zurück. Legt man für den Grundzustand einen Abstand d0 und für den vergrößerten Abstand d1 fest, so ergibt sich unter Berücksichtigung von π1 = π0 + βπ ein βπ Formalismus, der für kleine Abstandsänderungen βͺ 1 den folgenden Zusammenhang wiedergibt: π0 πΆ1 βπ =1− πΆ0 π0 In diesem Fall wurden folgende Annahmen gemacht: Kapazität im Grundzustand: Kapazität bei vergrößertem Abstand: Es ergibt sich: πΆ0 = π0 ππ πΆ0 = π0 ππ π΄ π0 π΄ πππ‘ π1 = π0 + βπ π1 πΆ1 1 = πΆ0 1 + βπ π0 In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass es sich im Wesentlichen um drei Verfahren zur kapazitiven Sensorik handelt: Abstandänderung, Flächenänderung und Dielektrikumsänderung. 1.3 Messwertaufbereitung und-übertragung Ganz gleich, ob ein Sensor aktiv oder passiv arbeitet, so stellt er jedenfalls ein Signal zur Verfügung, das weiter verarbeitet werden muss. Wie eine solche Signalaufbereitung und anschließende Übertragung ausgeführt werden kann, soll an zwei Beispielen erläutert werden: die Messung des Füllstands einer Füllstandregelanlage und Messung der Drehzahl eines Motor-Generator-Satzes. Vorher erfolgen aber noch ein paar allgemeine Ausführungen, die in den beiden o.g. Fällen jeweils stark konkretisiert werden. Im Wesentlichen verfolgt die weitere Ausführung den folgenden Ansatz: Sensorik -> Signalaufbereitung -> Signalverstärkung -> Umsetzersystem -> Rechnersystem 1.3.1 Operationsverstärker Jeder Operationsverstärker (OpAmp) stellt einen universellen Rechenverstärker für den analogen Betrieb dar. Im Wesentlichen wird hier auf den universell einsetzbaren OpAmp vom Typ CA3140E eingegangen. Die nachfolgenden beiden Abbildungen zeigen die Anschlussbelegung und ein Foto des realen Bausteins in DIL-Ausführung (Dual in Line). Dieser OpAmp in CMOS-Technik erfüllt die an einen Rechenverstärker zu stellenden Anforderungen in besonderer Art und Weise: so liegt beispielsweise sein Eingangswiderstand im TeraOhm-Bereich und sein ohnehin geringer Offset lässt sich durch externe Beschaltung kompensieren; desweiteren verfügt er über eine hohe Bandbreite und seine Temperaturdrift bleibt relativ klein. Im Folgenden sollen einfache Grundschaltungen vorgestellt werden, die ein Arbeiten mit diesen elektronischen Regelkreisgliedern vereinfachen. Es wird hier kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben (dafür gibt es die entsprechende Fachliteratur) 42 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 und deshalb werden die folgenden Grundschaltungen zum OpAmp nur in der Intensität behandelt, die angemessen erscheint, um die im weiteren Verlauf dargestellten Inhalte besser zu verstehen. Abbildung 38: Operationsverstärker CA3140 (Anschlussbelegung, DIL-Gehäuse) Bei den nachfolgend dargelegten Grundschaltungen wird immer die gleiche Reihenfolge eingehalten: dem Schaltplan folgt eine kurze mathematische Beschreibung der dargestellten Zusammenhänge und, falls erforderlich, noch eine Graphik. Die (nicht dargestellte) Spannungsversorgung ist symmetrisch, d.h. der OpAmp wird auch mit einer negativen Betriebsspannung versorgt. 1.3.1.1 Invertierender Spannungsverstärker Die Grundschaltung des invertierenden Spannungsverstärkers ist nachfolgend dargestellt. Die Widerstände R1 und R2 bestimmen die Verstärkung Vu der Schaltung. ππ’ = π’_ππ’π‘ π 2 =− = −2 π 1 π’_ππ Abbildung 39: Invertierender Spannungsverstärker 1.3.1.2 Nicht-invertierender Spannungsverstärker Die Grundschaltung des nicht-invertierenden Spannungsverstärkers ist nachfolgend dargestellt. Die Widerstände R1 und R2 bestimmen die Verstärkung Vu der Schaltung. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 43 ππ’ = π’_ππ’π‘ π 2 =1+ =3 π 1 π’_ππ Abbildung 40: Nicht invertierender Spannungsverstärker 1.3.1.3 Spannungsfolger (Impedanzwandler) Die Grundschaltung des Spannungsfolgers oder Impedanzwandlers ist nachfolgend dargestellt. Die Verstärkung Vu der Schaltung liegt bei eins; das Ausgangssignal folgt exakt dem Eingangssignal. Diese Schaltung dient im Wesentlichen einer Entkopplung von Signalen, so beispielweise für den Aufbau von wechselwirkungsfreien PTn-Strecken, die aus einer Hintereinanderschaltung von RCKombinationen bestehen können. ππ’ = π’_ππ’π‘ =1 π’_ππ Abbildung 41: Spannungsfolger (Impedanzwandler) Der nachfolgend dargestellte Kennlinienverlauf ist signifikant für einen als Impedanzwandler geschalteten OpAmp mit symmetrischer Spannungsversorgung. Bei einer maximal möglichen Eingangsspannung von -12 V bzw. +12 V ergibt sich eine maximal mögliche Ausgangsspannung von eben diesen Werten. Das eingezeichnete Steigungsdreieck ergibt einen Verstärkungsfaktor von βπ ππ’ = π = 1 βπ π Abbildung 42: Kennlinie des Impedanzwandlers 44 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 1.3.1.4 Summierender Verstärker Die Grundschaltung des summierenden Verstärkers ist nachfolgend dargestellt. Die Widerstände R1 bis R4 bestimmen die Gesamtverstärkung Vu der Schaltung. In diesem Fall sind jedoch alle Widerstände gleich, so dass sich folgendes Bild ergibt: nach dem ersten OpAmp (OP1) steht die Summe der Eingangsspannungen in invertierter Form zur Verfügung; der nachgeschaltete OpAmp (OP2) invertiert lediglich ein zweites Mal, um die Summe der Eingangssignale unverfälscht wiederzugeben. Abbildung 43: Schaltplan des nicht invertierenden summierenden Verstärker Die Transientsimulation mit QUCS liefert das nachfolgende Spannungs-Zeit-Diagramm. Deutlich erkennbar ist der zeitliche Verlauf des Ausgangssignals (schwarz), das sich erst aus dem Eingangssignal „in_1“ (blau), dann aus der Summe der beiden Eingangssignale „in_1“ und „in_2“ (blau und rot) und schließlich aus der Summe aller drei Eingangssignale „in_1“, „in_2“ und „in_3“ (blau, rot und magenta) zusammensetzt. Der durch gleiche Widerstände bedingte vereinfachte Formalismus führt für das reine Summationsglied zu der allgemeinen Gleichung π oder konkret zu ππ = − οΏ½ ππ π=π πππ’π‘_1_2_3 = −οΏ½πππ_1 + πππ_2 + πππ_3 οΏ½ Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 45 Abbildung 44: Spannungs-Zeit-Diagramm des nicht invertierenden summierenden Verstärkers In der Regelungstechnik werden Summationsglieder genutzt, um beispielsweise Störgrößen zu berücksichtigen. Insbesondere ist hier das sog. Störübertragungsverhalten zu betrachten (siehe Kapitel zum geschlossenen Regelkreis). 1.3.1.5 Differenzverstärker (Vergleicher) Die Grundschaltung des differenzbildenden Verstärkers ist nachfolgend dargestellt. Die Widerstände R1 und R2 bestimmen die Verstärkung Vu der Schaltung. In diesem Fall sind jedoch alle Widerstände gleich, so dass sich folgendes Bild ergibt: am Ausgang des OpAmp (OP1) steht die Differenz der Eingangsspannungen in nicht-invertierter Form zur Verfügung; ein nachgeschalteter Inverter ist nicht notwendig. In der Regelungstechnik wird diese Schaltung als Vergleicher eingesetzt. Sie bildet die Regeldifferenz e mit w als Führungsgröße und x als Regelgröße nach: π =π€−π₯ 46 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 45: Schaltplan des Differenzverstärkers Die Transientsimulation mit QUCS liefert das nachfolgende Spannungs-Zeit-Diagramm. Deutlich erkennbar ist der zeitliche Verlauf des Ausgangssignals (magenta), das sich nach Beaufschlagung mit dem Eingangssignal x (blau) oder V1 aus der Differenz e=w-x =-x bildet, da w (rot) noch 0 ist. Erst nach Beaufschlagung mit dem zweiten Eingangssignal w oder V2 ergibt sich als Ausgangssignal die Differenz zu e=w-x=+3V-1V=+2V. Der durch gleiche Widerstände bedingte vereinfachte Formalismus führt für das differenzbildende Glied zu der konkreten Gleichung π΄π’π πππππ π πππππ’ππ ππ = ππ€ − ππ₯ Abbildung 46: Spannungs-Zeit-Diagramm des Differenzverstärkers Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 47 1.3.1.6 Integrierer Die Grundschaltung des als Integrierer geschalteten OpAmps ist nachfolgend dargestellt. Die Kombination von R1 und C1 bestimmen das Zeitverhalten des Integrierers. Der Kehrwert des Produkts ist der Integrierbeiwert kI eines I-Regelkreisglieds. ππΌ = 1 π 1 β πΆ1 Ein Regelkreisglied mit IVerhalten invertiert das Signal im Sinne einer Signalumkehr. Seine Gleichung lautet: ππππ‘π€πππ‘ = −ππ πππ’ππ ππΌ π‘ Abbildung 47: Invertierender Integrierer Ein Regelkreisglied mit I-Verhalten reagiert auf einen Eingangssprung mit einer konstanten Änderungsgeschwindigkeit seiner Ausgangsgröße, wobei die Änderungsgeschwindigkeit umso größer ist, je größer der Eingangssprung ist. Dieses Verhältnis von Änderungsgeschwindigkeit von Ausgangsgröße zu Eingangsgröße ist der Integrierbeiwert kI des Regelkreisglieds. Das nachfolgende Diagramm verdeutlicht diesen Zusammenhang. Dem Sprung des Eingangssignals (blau) nach 200 ms folgt die Antwort des Regelkreisglieds mit Integralverhalten (rot), solange der Eingangssprung besteht. Abbildung 48: Spannungs-Zeit-Diagramm des invertierenden Integrierers 1.3.1.7 Differenzierer Die Grundschaltung des als Differenzierer geschalteten OpAmps ist nachfolgend dargestellt. Die Kombination von R1 und C1 bestimmen das Zeitverhalten des Differenzierers. Das Produk von R1 und C1 ist der Differenzierbeiwert kD des D-Regelkreisglieds. 48 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 ππ· = πΆ2 β π 1 Ein Regelkreisglied mit DVerhalten invertiert das Signal im Sinne einer Signalumkehr. Seine Gleichung lautet: ππππ‘π€πππ‘ = − πππ πππ’ππ ππ· ππ‘ Abbildung 49:Invertierender Differenzierer Ein Regelkreisglied zeigt D-Verhalten, wenn sein Ausgangssignal der Geschwindigkeit, mit der sich die Eingangsgröße ändert proportional ist. Bei einer Änderung des Eingangssignals mit konstanter Geschwindigkeit ergibt sich für das Ausgangssignal ein konstanter Wert. Dieses Verhältnis von Ausgangsgröße zu Änderungsgeschwindigkeit der Eingangsgröße ist der Differenzierbeiwert kD des Regelkreisglieds. Das nachfolgende Diagramm verdeutlicht diesen Zusammenhang bei einem Eingangssprung (blau) von 1 V ergibt sich eine kurzfristige Signalspitze bis zur negativen Versorgungsspannung des OpAmps (-15 V) mit anschließender Rückkehr in den Ausgangszustand (rot). Bei der Rücknahme des Eingangssprungs findet dieser Vorgang umgekehrt statt. Abbildung 50: Spannungs-Zeit-Diagramm des invertierenden Differenzierers Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 49 1.3.2 Signalaufbereitung Betrachtet werden soll die optische Erfassung einer Drehzahl durch periodische Unterbrechung einer Lichtschranke, wobei diese als Gabellichtschranke ausgeführt ist (siehe Abbildung). Abbildung 51 Erfassung der Drehzahl mittels Gabellichtschranke Zwar ist die Erfassung einer Drehzahl zuverlässiger bei Verwendung eines Inkrementalgebers, jedoch ist die Signalauswertung hier deutlich einfacher. Die Lichtschranke liefert allerdings nicht angepasste Signale, die mit Hilfe von elektronischen Schaltungen aufbereitet werden müssen. In diesem Fall würde sich ein TTL-Schmitt-Trigger empfehlen, der neben einer Signalaufbereitung auch eine Signalanpassung vornimmt, d.h. es wird ein leicht zu verarbeitendes Rechtecksignal geliefert. Die folgende Abbildung zeigt in qualitativer Form neben dem von der Lichtschranke gelieferten Signalauch (unten) das durch den Einsatz eines Schmitt-Triggers aufbereitete und angepasste Signal (oben). Der TTL-Baustein 74LS14 bietet beispielsweise einen 6-fach Negator Schmitt-Trigger, aber jeder als Komparator geschaltete Operationsverstärker kann ebenfalls zur Signalaufbereitung eingesetzt werden (siehe Abbildung unten rechts). Abbildung 52: Signalaufbereitung durch Triggerung Ein weiteres wichtiges Element der Signalaufbereitung ist der sog. Sample & Hold Verstärker. Er dient dazu ein anliegendes Signal so lange zu halten, bis seine weitere Verarbeitung durch ein 50 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 nachgeschaltetes Element erfolgt. Verstärker dieser Art werden immer dann eingesetzt, wenn es um eine anschließende Umsetzung durch z.B. einen ADU geht und das analoge Signal für die Zeit der Wandelung am ADU-Eingang anliegen muss (siehe unten stehender Schaltungsausschnitt). In diesem Fall reicht die Durchlaufverzögerung von IC14, um das Analogsignal vom 8-Kanal Multiplexer/Demultiplexer (IC9) zum ADU (IC16) weiter zu leiten (die Schaltung um IC13 signalisiert hier durch LED12 einen zu hohen Signalpegel). Weiterführende Informationen zum Multiplexer/Demultiplexer sind beispielsweise dem folgenden Link zu entnehmen: http://de.wikipedia.org/wiki/Multiplexer . Abbildung 53: Aufholverstärker 1.3.3 Signalverstärkung Eine der unproblematischsten Methoden der Signalverstärkung sind Operationsverstärker. Nachfolgend eine Schaltung, die bis zu 8 positive analoge Eingangssignale (E0…E7) durch einen nicht invertierenden OpAmp an eine angeschlossene Messschaltung (M0…M7) weiterleitet. Neben der Signalverstärkung, die hier durchaus im Bereich von 100-fach liegen kann, ist der Eingang (3) des OpAmps zusätzlich geschützt durch das Zenerdioden-Paar Z1…Z8 und Z9…Z16 gegen eine zu hohe positive oder negative Spannung. Abbildung 54: Schutzmaßnahmen für analoge Eingänge Eine Alternative zur Signalverstärkung bilden konventionelle Transistorverstärker, wie der unten links abgebildete einstufige NF-Verstärker. An dieser Stufe sperren die Koppelkondensatoren C1 und C2 jeweils eventuelle Gleichspannungsanteile und leiten den Wechselspannungsanteil weiter. Am Eingang des Transistors bildet die RC-Kombination (C1R2) einen Hochpass, der tiefe Frequenzen Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 51 unterdrückt. Die untere rechte Abbildung zeigt einen Gegentaktverstärker mit den Komplementärtransistoren T9 und T10 mit einer einfachen Maßnahme gegen Übernahmeverzerrungen (ST7). IC5 ist als nicht invertierender Spannungsverstärker ausgeführt. Abbildung 55 Einstufiger NF-Verstärker (links), Gegentaktverstärker (rechts) Während OpAmps und Leistungsstufen analoge Signalpegel verstärken, müssen bei digitalen Signalpegeln andere Maßnahmen ergriffen werden. Standardmäßig werden hier Bustreiber eingesetzt wie z.B. der 241 der 74-er Serie. Der unten stehende Schaltungsausschnitt zeigt die weitere Verarbeitung der vom ADU IC16 zur Verfügung gestellten digitalen Signalpegel durch den bidirektionalen Tri-State-Bustreiber IC17. Alternativ lassen sich auch die Bausteine 240 und 244 bzw. der 245, welcher als 8-fach Receiver/Transmitter arbeitet, verwenden. Abbildung 56: Signalaufbereitung durch den Bustreiber 74241 52 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Neben der Signalaufbereitung und der Signalverstärkung sind zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, die sicherheitsrelevante Aspekte erfüllen. Dazu gehörten neben dem Abfangen unzulässiger Signalpegel, wie weiter oben schon erwähnt, auch z.B. elektronische Sollbruchstellen, wie unten dargestellt. Hier wird ein AND-Gatter nicht zur Durchlaufverzögerung eingesetzt, sondern als eine Art elektronischer Sicherung. Wird durch eine Überspannung an den kurzgeschlossenen Gattereingängen das Gatter zerstört, so wird sein Ausgang hochohmig und schützt so weitere angeschlossene Peripherie. Abbildung 57: Leistungsverstärkendes Interface Eine erweiterte Schutzmaßnahme stellt die galvanische Trennung von Signalen dar. Eine solche Trennung kann durch Transformatoren, Kondensatoren sowie durch opto-elektronische Kopplung, (kurz: Optokoppler) oder durch den Einsatz von Lichtwellenleitern erreicht werden. Da der Lichtwellenleiter bereits eine eigene Thematik darstellte, soll im nachfolgenden Kapitel zur Interfacetechnik lediglich der Einsatz von Optokopplern angesprochen werden. 1.3.4 Signalauswertung Es existiert im Open Source Bereich eine Vielzahl von Programmen zur Analyse und Auswertung binärer Daten. Der wissenschaftlich letzte Stand der Dinge wird durch "The R-Project for Statistical Computing" beliefert, wobei die Programmiersprache R den vorherrschenden Standard für die Aufbereitung und Auswertung statistischer Datenreihen bildet. Einfachere, jedoch nicht anspruchslosere Zusammenhänge lassen sich beispielsweise mit dem Programm "HypraData" lösen. Auch "SPSS" oder selbst "Excel" bieten probate Ansätze zur Aufbereitung und Visualisierung statistischer Zusammenhänge, wobei allerdings zu erwähnen bleibt, dass beide Programme lizenzpflichtig sind. 1.3.5 Interface-Technik Ein Strom- und Spannungsverstärkendes Interface kann auch zusätzlich eine galvanische Trennung der Übertragungswege enthalten. In der nachfolgenden Abbildung sind die optoelektronischen Koppler ausgangsseitig durch die Elemente D1/T1 sowie eingangsseitig durch die Elemente T3/D3 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 53 dargestellt. Der untere Teil der Schaltung enthält einen Schalter S1 zur Simulation logischer Zustände am Interface Eingang. 4 Zusätzlich sollte noch eine Entprellung für den Schalter S1 eingeplant werden. Abbildung 58: Galvanisch trennendes strom- und spannungsverstärkendes Interface Für die Entprellung von Schaltern gibt es verschiedene Maßnahmen. Das unten stehende Bild ist dem Link http://de.wikipedia.org/wiki/Prellen (als gemeinfrei gekennzeichnet) entnommen und zeigt das Oszillogramm eines etwa 250 µs prellenden Tasters. Hier wird deutlich, dass sich solche Signale nicht vernünftig weiter verarbeiten lassen. 4 Auf eine Bemessung der einzelnen Bauelemente wurde hier verzichtet, da je nach Anwendungsfall insbesondere die optoelektronischen Elemente zeitkritisch sein können. 54 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 59: Oszillogramm eines prellenden Schaltvorgangs Die beiden nachfolgenden Abbildungen sind dem URI http://www.elektronikkompendium.de/sites/dig/0210223.htm bzw. dem URI http://www.mikrocontroller.net/articles/Entprellung entnommen. Die linke Abbildung zeigt die konventionelle Entprellung mittels RS-FlipFlop (streng genommen handelt es sich hierbei um ein Latch), die rechte zeigt eine Lösung, basierend auf einem RC-Glied mit nachgeschaltetem invertierendem Schmitt-Trigger. Sicherlich sind auch Lösungen denkbar, die rein softwarebasiert sind. Abbildung 60: Entprellung von Schaltsignalen Wie schnell klar wird, kann ein vernünftig konzipiertes Interface relativ komplex sein. An dieser Stelle sei erwähnt, dass hier lediglich die wichtigsten Maßnahmen für eine sichere Konzeption angeführt wurden. 1.3.6 Rechner-Schnittstellen Eine wesentliche und in der Tat universelle Schnittstelle stellt der USB-Anschluss dar. Hier sind in der 3.1-Spezifikation theoretisch Datenraten von 10 Gbit/s möglich. Ob das auch prktisch umsetzbar, bleibt jedoch fraglich. Von der Vielzahl an Peripherie, die für diese serielle Schnittstelle ausgelegt sind, wird hier ausschließlich der 2232 (siehe nachfolgende Abbildung unten links) von FTDI betrachtet. Dieser Baustein ist ein USB 2.0 Hi-Speed (480Mb/s) to UART/FIFO IC. Nähere Beschreibungen finden sich unter http://www.ftdichip.com/Products/FT2232H.htm . Als Universal Asynchronous Receiver/Transmitter mit FirstIn FirstOut Charakteristik eignet er sich hervorragend, um alle USB-gebundenen Aufgaben aus dem MSR-Bereich zu übernehmen. Im sog. BitBang-Modus programmiert, bietet der 2232 zwei 8-Bit-Parallelschnittstellen (siehe nachfolgende Abbildung rechts). Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 55 Abbildung 61: Schnittstellen-Baustein 2232 (links) mit Prototypenkarten (rechts) So konnte ein Interface entwickelt werden, das neben den vorgenannten Rahmenbedingungen eine einfache Rechner-Schnittstelle bietet (siehe unten stehende Abbildung, deutlich erkennbar: der USBAnschluss Typ B). Dieses Interface stellt zwei 8 Bit breite Ports zur Verfügung: die ersten 8 Bit dienen als Eingänge mit Schaltern zur Simulation anliegender Signalpegel, die zweiten 8 Bit sind als leistungsstarke Ausgänge konzipiert. Unter dem Betriebssystem Windows XP lässt sich der 2232 unter Einbindung der Programmbibliothek des Herstellers FTDI relativ einfach mit Hilfe eines C++ Compilers programmieren. Hier kommt vorzugsweise die Open Source Software Bloodshed zum Einsatz (siehe: http://www.bloodshed.net ). Unter Linux wird der Baustein durch den GNU CCompiler gcc programmiert. Abbildung 62: Interface mit integriertem 2232 Schnittstellen-Baustein 1.3.7 Umsetzer-Systeme Lässt man den Analogrechner außen vor, so werden Daten ausschließlich digital verarbeitet. Viele Daten liegen jedoch als analoge Signalpegel vor, während digitale Signalpegel nicht von jedem Peripheriegerät verarbeitet werden können. Die Lösung dieser Probleme findet sich in der Konzeption von Umsetzer-Systemen. Neben den Analog-Digital-Umsetzern (ADU) und den Digital- 56 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Analog-Umsetzern (DAU) soll kurz auf die Wandlung von kontinuierlichen in diskontinuierliche Signale eingegangen werden. Angemerkt sei an dieser Stelle, dass es natürlich eine fast unüberschaubar große Anzahl von ADU- und DAU-Bausteinen für fast alle erdenklichen Einsatzbereiche gibt; im Folgenden wird auf zwei unproblematisch zu handhabende Bausteine des Herstellers Ferranti eingegangen werden. 1.3.7.1 Kontinuierliche und diskontinuierliche Signale Zentraler Begriff dieser Umwandlung ist die Puls-Weiten-Modulation (ferner auch Puls-Dauer- und Puls-Breiten-Modulation) kurz PWM. Hier wird das Tastverhältnis bei konstanter Frequenz moduliert (siehe die beiden unten stehenden Abbildungen). Abbildung 63: Mittelwerte der Spannung bei verschiedenen Tastverhältnissen In diesem Zusammenhang taucht der Begriff Duty Cycle (DC) auf. Zu näheren Erläuterungen siehe beispielsweise http://www.mikrocontroller.net/articles/Pulsweitenmodulation . π·πΆ = π‘πππ π‘πππ + π‘ππ’π 1.9 1.3.7.2 Digital-Analog-Umsetzung Der ZN428E-8 ist ein von Ferranti entwickelter, monolithischer 8-Bit D/A-Umsetzer, der u.a. für einen unkomplizierten Datentransfer mit Mikroprozessoren konzipiert wurde. Er ist TTL- und CMOSkompatibel und benötigt lediglich eine einfache Spannungsversorgung von +5V. Weiterhin besitzt er einen ENABLE-Eingang und hat getrennte Anschlüsse für analoge und digitale Masse. Seine typische Wandlungszeit beträgt 800ns. Dieser Umsetzer arbeitet mit Hilfe eines R-2R-Widerstands-Netzwerkes, verfügt über Stromschalter, Data Latches, sowie eine präzise Referenzspannungsquelle von +2,5V. Als zusätzliche externe Beschaltung sind lediglich ein Widerstand und ein Kondensator für die Referenzspannung notwendig. Die unten stehende Abbildung zeigt das System-Diagramm des ZN428E-8. Abbildung 64: Digital-Analog-Umsetzer mit R2R-Netzwerk Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 57 1.3.7.3 Analog-Digital-Umsetzung Der ZN427E-8 ist ein ebenfalls von Ferranti entwickelter, monolithischer 8-Bit-A/D-Umsetzer, konzipiert für einen einfachen Datentransfer mit Mikroprozessoren. Er ist TTL- und CMOS-kompatibel und benötigt neben einer positiven Versorgungsspannung von +5V zusätzlich eine negative Spannung von -5V. Er enthält einen 8-Bit-D/A-Umsetzer, eine durch Operationsverstärker aufgebaute Vergleicherstufe, ein Register zur sukzessiven Approximation (SAR), sowie eine präzise Referenzspannungsquelle von +2,5V. Als externe Bauelemente sind auch hier ein Widerstand und ein Kondensator für die Referenzspannung notwendig. Die Anschlüsse 1 (END OF CONVERSION), 2 (OUTPUT ENABLE), 3 (CLOCK) und 4 (START OF CONVERSION) stellen die Steuersignale zum Computer dar. Die eigentliche Wandelung beginnt mit der positiven Flanke eines negativen Impulses am Anschluss 4 des Umsetzers. Für eine vollständige Wandelung werden 9 Taktimpulse benötigt, die dem Anschluss 3 des Umsetzers zugeführt werden. Es ist unerheblich, ob genau 9 Impulse erzeugt werden, oder ob eine kontinuierliche Rechteckspannung anliegt. Die nachfolgende Abbildung zeigt das System-Diagramm des ZN427, die daran anschließende Abbildung das Timing-Diagramm. Abbildung 65: Analog-Digital-Umsetzer mit sukzessiver Approximation Abbildung 66: Timing-Diagramm des Analog-Digital-Umsetzers Diese beiden Bausteine von Ferranti sind die zentralen Elemente eines auf dem o.g. Interface aufsetzenden Umsetzer-Systems. In der Abbildung unten ist ein 24-Bit-Interface mit aufgesetztem Umsetzer-System dargestellt. Weit herausgezogen ist das Modul des DAU. Das komplette System selbst wurde incl. zugehöriger Software vom Verfasser erstellt. 58 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 67: Modularer Aufbau eines 24-Bit-Umsetzer-Systems 1.3.8 Analogrechner Im Zeitalter der Digitalisierung wirken Analogrechner wie Relikte. Die Vorteile, die solche Rechnersysteme gegenüber heutigen System bieten, sollten jedoch nicht unterschätzt werden. Analogrechner wurden und werden zur Simulation komplexer technischer Systeme (Stromnetze, Gasnetze, Fernwärme, Verbundsysteme, etc.) sowie zur Simulation von Prozessen aus der Regelungstechnik, deren modellhafte Nachbildung zu aufwendig oder deren Realeinsatz nicht vertretbar wäre (Neutronenflussregelungen, Kurs- oder Lageänderungen bei Flugobjekten, etc.) eingesetzt. Ausgehend von dem von Lord Kelvin im Jahr 1876 gefundenen Prinzip der Rückkopplung zur Lösung einfacher Differentialgleichungen (siehe Abbildung, http://www.rolfschoene.de/Alte_TUM/www-rbg/schoene/hybrid/hybrid.htm ) wurde ein erster voll funktionsfähiger Analogrechner im Jahr 1914 konzipiert und vorgestellt. Abbildung 68: Rückkopplungsprinzip zur Lösung einfacher DGL Während digital arbeitende Rechner das Problem der Lösung einer Differentialgleichung extrem aufwendig (numerische Mathematik) bearbeiten und nur durch den Einsatz brachialer Rechenleistung lösen können, löst der Analogrechner die Differentialgleichung "ad hoc" in graphischer Form. Es wird ein mathematischer Zusammenhang (DGL) in eine physikalische Formulierung (Spannungen) gebracht und so auf indirektem Weg eine Lösung ermittelt. Bezüglich der Historie des Analogrechners sei hier auf die Dissertation von Helmut Hölzer verwiesen: "Helmut Hoelzer’s Fully Electronic Analog Computer used in the German V2 (A4) rockets" zu finden unter http://www.cdvandt.org/Hoelzer%20V4.pdf . Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 59 Analogrechner stellen ein Netzwerk aus Operationsverstärkern, Widerständen und Kondensatoren dar. Die wichtigsten Baugruppen eines sehr einfachen Analogrechners sind der invertierende Verstärker (Vu=1), der Summierer und der Integrierer bzw. der summierende Integrierer. Durch mehrfache Integration verringert der Analogrechner die Ordnung einer DGL, so dass an seinem Ausgang die zeitabhängige Größe x=x(t) selbst erscheint. Alle diese Elemente lassen sich durch den Einsatz von Operationsverstärkern aufbauen und zur Ermittlung der Dynamik einer Regelstrecke simulieren. Um die dynamischen Kenngrößen einer Regelstrecke zu ermitteln, sollte man beispielsweise die Stellgröße y sprunghaft von 0 auf 100% ändern. Dass so etwas nicht immer realisierbar ist (s.o.) liegt auf der Hand. Hat man einmal eine DGL auf einem Analogrechner simuliert, so lässt sich nach einer sprunghaften Verstellung der Eingangsgröße sofort die Sprungantwort aufzeichnen. An der so simulierten Strecke lassen sich jetzt verschiedene Regler ausprobieren und nach Wahl des geeigneten Reglers optimieren. Betrachtet werde eine inhomogene Differentialgleichung 2. Ordnung, die durch den Aufbau mittels Operationsverstärkern gelöst werden soll: π1 π2 π₯Μ π (π‘) + (π1 + π2 )π₯Μ π (π‘) + π₯π (π‘) = ππ₯π (π‘) Mit T1 = T2 = 2 s und k = 2,5 als Wert für einen Eingangssprung ergibt sich: 4π₯Μ π (π‘) + 4π₯Μ π (π‘) + π₯π (π‘) = 2,5π₯π (π‘) Nach einem Umstellen nach der höchsten Ableitung und einem Umformen der Koeffizienten erhält man: π₯Μ π (π‘) = −π₯Μ π (π‘) − 0,25π₯π (π‘) + 0,625π₯π (π‘) Diese Differentialgleichung lässt sich durch folgenden Schaltungsaufbau unter Simulationsprogramm QUCS bei Beaufschlagung mit einem Einheitssprung graphisch lösen. dem Abbildung 69. Schaltbild eines Analogrechners zur Lösung einer inhomogenen DGL 2.Ordnung 60 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Der nach dem Operationsverstärker 5 (OP5) zur Verfügung stehende Gleichungsteil π₯Μ π (π‘) wird durch OP2 integriert und invertiert und ergibt −π₯Μ π (π‘) ; anschließend erfolgt eine nochmalige Integration mit Invertierung durch OP3 und führt zu π₯(π‘) . Bevor dieses Signal jetzt auf das durch OP1 ausgeführte Summationsglied zurückgeführt werden kann, muss es invertiert werden. Im Summationsglied werden die ankommenden Signale durch die Widerstandskombinationen π 4 π π = 0,625 ππ§π€. π 4 = 1 ππ§π€. π 4 = 0,25 geändert. Da das Summationsglied ein invertierendes π 1 2 3 Verhalten zeigt, erfüllt OP5 die gleiche Funktion wie OP4 als Inverter. Über die Impulsquelle V1 wird jetzt ein Einheitssprung der Amplitude 2,5 V über einen genügend langen Zeitraum (20 s) erzeugt. Es ergibt sich als Transientsimulation das folgende Verhalten: Abbildung 70: Spannungs-Zeit-Diagramm mit Lösungsfunktion und Ableitungen Diese Lösung steht vollständig im Einklang mit der mathematischen Lösung. Im Vorgriff auf nachfolgende Kapitel ergibt sich als Lösung der Differentialgleichung mit T1 = T2 =T π1 π2 π₯Μ π (π‘) + (π1 + π2 )π₯Μ π (π‘) + π₯π (π‘) = ππ₯π (π‘) 1 π₯π (π‘) = π₯(∞) οΏ½1 − π −ππ‘ − π‘ −1π‘ π π οΏ½ π Die graphische Darstellung der o.g. Lösung mit eingetragener Wendetangente ergibt das nachfolgende Bild (π₯(∞) stellt den Beharrungszustand dar). Ein Vergleich mit der Simulation mittels Analogrechner bestätigt die Identität der Darstellungen. Kennwerte der Sprungantworten für Verzögerungsglieder n-ter Ordnung mit gleichen Zeitkonstanten gibt ein tabellarischer Auszug wieder. n Tg/T Tu/T Tu/Tg 1 1,000 0,000 0,000 2 2,718 0,282 0,104 3 3,695 0,805 0,218 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 61 Sind die Werte für Verzugszeit (Tu) und Ausgleichszeit (Tg) einer Strecke bekannt, lässt sich die Zeitkonstante T bestimmen: sie liegt in beiden Darstellungen bei t = 2 s. Die Wendetangente schneidet die Abszisse bei t = 2*0,282 = 0,564 s = Tu , während sich für die Ausgleichszeit der Wert t = 2*2,718 = 5,436 s ergibt. Beide Werte addiert schneiden bei t = 6 s die Waagerechte des Beharrungszustandes und ergeben somit eine vollständige Äquivalenz der gewählten Verfahren. Abbildung 71: Sprungantwort einer PT2-Strecke mit gleichen Zeitkonstanten und Wendetangente Eine nähere Betrachtung dieser Zusammenhänge liefert das Kapitel über Kriterien zur Regelbarkeit. 62 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 2 Steuern Die DIN 19226 mit dem Titel Regelung und Steuerung beschreibt den Begriff des Steuerns folgendermaßen ( siehe z.B. http://public.tfh-berlin.de/~fraass/MRTII-Umdrucke.pdf ): "Kennzeichen für das Steuern ist der offene Wirkungsweg, bei dem die durch die Eingangsgrößen beeinflussten Ausgangsgrößen nicht fortlaufend und nicht wieder über dieselben Eingangsgrößen auf sich selbst wirken." Wenn also in einem System eine Eingangsgröße (w(t)) auf das System einwirkt und dieser Vorgang mit dem ihm eigenen Verhalten eine Ausgangsgröße (x(t)) liefert, so handelt es sich um eine Steuerung. Abbildung 72: Wirkungsplan einer Steuerung (Steuerkette) Ein einfaches Beispiel aus dem Bereich der Analogtechnik stellt der nicht invertierende Verstärker (IC1=CA3140) dar. Er ist ein elektronischer Verstärker, der als Steuerung ausgeführt ist (siehe Abbildung 40). Die Spannungsverstärkung beträgt hier ππ’ = 1 + π 2 π 1 . Die Eingangsgröße ist die Spannung Ue, die Ausgangsgröße ist die Spannung Ua .Der Übertragungsbeiwert dieser Strecke ist ihre Verstärkung Vu: ππ = ππ’ β ππ 2.1 Unterschied Steuern/Regeln Im Gegensatz zu einer Steuerung ist der Wirkungskreislauf bei einer Regelung geschlossen. Hier wird die Steuerstrecke, die aus Stellglied und Strecke besteht, sinngemäß als Regelstrecke bezeichnet. Ein Regler nimmt die entscheidende Aufgabe wahr, den von einer Messeinrichtung gelieferten Istwert x mit einem vorgegebenen Sollwert w zu vergleichen, um anschließend über eine Stelleinrichtung die Stellgröße y zu beeinflussen (siehe Abbildung 103). 2.2 Steuerungen (Übersicht) Selbsttätige (nicht manuelle) Steuerungen lassen sich ganz allgemein in drei Hauptbereiche einteilen: • Führungssteuerung zwischen der Führungsgröße und der Ausgangsgröße besteht ein eindeutiger Zusammenhang; die Ausgangsgröße folgt der Eingangsgröße direkt. Beispiele sind: Heizungssteuerung, Dämmerungsschalter. • Haltegliedsteuerung nach Wegnahme der Führungsgröße bleibt die Stellgröße erhalten. Nur eine Änderung einer andersartigen (oder weiteren) Führungsgröße kann die Stellgröße wieder in den Ausgangszustand zurücksetzen. Beispiele sind: Speicherglieder allg., Alarmanlagen, Geräteschalter für elektrisch betriebene Maschinen. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 63 • Programmsteuerung Generierung erfolgt über ein Programm bzw. einen programmierten Ablauf. Beispiele basieren auf: Lochstreifen, Magnetkarten, Computerprogrammen. Hier unterteilt man den Bereich der Programmsteuerung in vier sehr spezielle Bereiche: o Zeitplansteuerung Führungsgröße wird durch zeitabhängige Elemente generiert (Zeitschaltuhren, RC-Glieder, Taktgeber). Beispiele sind: Ampelschaltung, Treppenhausbeleuchtung. o Wegplansteuerung Hier wird die Führungsgröße durch den zurückgelegten Weg oder die Stellung eines Bauteils geliefert, wobei u.U. eine Zwischenspeicherung notwendig ist. Beispiele sind: Ventilsteuerung am Kfz, Streckenpositionierung, Kreisbogenpositionierung. o Ablaufsteuerung Unterteilung in einzelne nacheinander ablaufende Schritte, wobei das Ende des einen Schrittes den Beginn des nachfolgenden Schrittes bedingt. Diese Steuerungsart kann als eine Abfolge von einzelnen Führungssteuerungen dargestellt werden. Beispiele sind: Abfüllanlage, Aufzugsteuerung, Stern-Dreieck-Umschaltung, Mediensteuerung. o Speicherprogrammierbare Steuerung (Verknüpfungssteuerung) Diese Steuerung wird kurz SPS genannt und kann mittlerweile nicht einfach den Steuerungen zugeordnet werden, da der Wirkungsablauf auch durchaus geschlossen sein kann; damit wären dann durchaus Kriterien einer Regelung erfüllt. Beispiele sind hier der Einsatz der "Siemens Logo", der "C-Control" von Conrad-Electronic oder des "NXT-" bzw. "EV3-Systems" von Lego-Mindstroms. Der Begriff der Verknüpfungssteuerung impliziert binäre Steuerungen aus dem Bereich der kombinatorischen und sequentiellen Logik. In den folgenden Ausführungen ist für jede Art der hier genannten Steuerungen jeweils ein einfaches Beispiel aus unterschiedlichen Bereichen wiedergegeben. 2.2.1 Führungssteuerung (sensorische Schaltung) Es besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen einer Eingangsgröße (angenommen R2 sei ein lichtempfindlicher Widerstand, LDR) und einer Ausgangsgröße (hier: Zustand der LED). Abbildung 73: Führungssteuerung Bei zunehmender Beleuchtungsstärke nimmt der Wirkwiderstand des LDR ab, bei abnehmender Beleuchtungsstärke nimmt er zu. Mit zunehmendem Wirkwiderstand steigt auch der Spannungsfall 64 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 über dem LDR und zwar in dem Maße, wie der Spannungsfall über R1 abnimmt. Wenn also über R2 zum Zeitpunkt t = 0 ein Spannungsfall < 0,7 V auftrat und der Transistor (T sei ein Universal npnTransistor) somit sperrte, so wird er jetzt mit abnehmender Beleuchtungsstärke leitend, da der Spannungsfall über R2 nunmehr ansteigt. Somit folgt die Steuergröße direkt der Änderung der Führungsgröße. 2.2.2 Steuerung mit Signal-Rückführung Es führt immer wieder zu Missverständnissen, wenn ein Ausgangssignal auf einen Eingang zurückgeführt wird. Vielfach wird in diesem Zusammenhang schon von einer Regelung gesprochen, was leider nicht den Tatsachen entspricht. Das vorhergehende Beispiel ist in diesem Zusammenhang in vielfacher Hinsicht geeignet: wird die Lichtemission der LED jetzt direkt genutzt, um die Führungsgröße, nämlich die Beleuchtungsstärke am LDR, zu beeinflussen, so wird das System andauernd hin- und herschalten. Ist die Beleuchtungsstärke zu niedrig, so wird die LED eingeschaltet, was wiederum zu einer hohen Beleuchtungsstärke führt und das System veranlasst, die LED wieder auszuschalten, usw. Streng genommen handelt es sich in diesem Fall um eine kombiniert geführte Ablaufsteuerung, da der Transistor sowohl als Steuereinrichtung als auch als binäre Stelleinrichtung fungiert. In diesem Fall kann man auch von einer prozessgeführten Ablaufsteuerung sprechen: der Prozessablauf erfolgt dabei in Abhängigkeit von Ereignissen, die beim Erreichen von festgelegten Schwellwerten von analogen Steuergrößen eintreten und die durch binäre Messsignale rückgemeldet werden. Demzufolge ergibt sich ein geschlossener Wirkungsablauf! Zander schreibt in diesem Zusammenhang (Zander, H.-J.: Steuerung ereignisdiskreter Prozesse, Springer, 2015, S. 49): "Bei Ablaufsteuerungen bewirken über Ereignisse ausgelöste Werteänderungen von Steuergrößen – wie bei Verknüpfungssteuerungen – Werteänderungen der Prozessstellgrößen. Nur werden dadurch keine mehrwertigen Steuergrößen beeinflusst, sondern analoge Steuergrößen. Die Beeinflussung selbst erfolgt entsprechend einer Sprungantwort. Sie wird beendet, wenn die Steuergrößen vorgegebene Schwellwerte erreicht haben. Diese in der Steuerstrecke auftretenden Ereignisse werden der Steuereinrichtung über Messsignale rückgemeldet. Ablaufsteuerungen sind damit wie Regelungen durch einen geschlossenen Wirkungsablauf gekennzeichnet." 2.2.3 Haltegliedsteuerung (Antrieb einer elektrischen Maschine) Hier tritt eine Eingangsgröße nur kurzzeitig auf. Die Ausgangsgröße folgt der Eingangsgröße und wird solange gehalten, bis eine Änderung der Eingangsgröße erfolgt. Die unten stehenden Fotos zeigen den Ein-/Ausschalter für den Betrieb einer elektrischen Maschine. Deutlich erkennbar ist eine Spule, die als Stellgliedschütz fungiert und eine Haltegliedfunktion ausübt. Der Ausschalter ist dabei als Öffner, der Einschalter als Schließer ausgeführt. Abbildung 74: Haltegliedsteuerung Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 65 Eingangsgröße ist dabei sowohl der Öffner als auch der Schließer; der Kontakt stellt die Ausgangsgröße dar. In Ruhestellung ist der Öffner geschlossen. Bei Betätigung des Schliessers wird der Stromkreis geschlossen und das Relais schaltet den Kontakt. Der Stromkreis bleibt jetzt unabhängig vom Zustand des Schließers geschlossen, das Relais ist selbsthaltend. Die Ausgangsgröße (Kontakt) bleibt jetzt solange bestehen, bis eine Änderung der Eingangsgröße (Betätigung des Öffners) erfolgt. Dadurch wird der Stromkreis geöffnet, das Relais fällt ab und der Kontakt wird geöffnet. Wenn der Öffner wieder in Ruhestellung geht, bleibt der Kontakt geöffnet. Wesentliches Merkmal einer Haltegliedsteuerung ist es, dass die Ausgangsgröße direkt auf die Eingangsgröße zurückgeführt wird. Die Rückführung ist eine Mitkopplung (positive Rückführung)! Dies steht im Gegensatz zu einem regelungstechnischen Prozess, bei welchem die Rückführung im Sinne einer Wirkungsumkehr ausgeführt ist, nämlich als Gegenkopplung (negative Rückführung). 2.2.4 Programmsteuerung 2.2.4.1 Zeitplansteuerung (Treppenhaus-Schaltung) Ein Beispiel für eine Zeitplansteuerung ist die sog. Treppenhaus-Schaltung. Hier bleibt eine Ausgangsgröße solange bestehen, wie ein zeitlich bedingter Vorgang die Eingangsgröße beeinflusst. Abbildung 75: Zeitplansteuerung Solange der Kondensator C geladen ist, fließt kein Strom zum Transistor (T sei ein Universal npnTransistor); der Transistor sperrt, die LED bleibt dunkel. Durch Betätigen des Tasters S kann jetzt ein Ladungsausgleich am Kondensator erfolgen: es fließt ein hoher Ladestrom, der nur durch RB begrenzt wird. Gleichzeitig baut sich über C langsam eine immer größere Spannung auf. Der Transistor schaltet durch, die LED leuchtet. Schließlich sind bei geladenem Kondensator die Bedingungen für ein Durchschalten des Transistors nicht mehr erfüllt – die LED erlischt. 2.2.4.2 Wegplansteuerung (Streckenpositionierung) Die unten stehende Abbildung zeigt einen Positionier-Tisch für eine eindimensionale Streckenpositionierung. Angetrieben wird der Positionier-Schlitten durch eine unter dem Tisch angebrachte Welle, die einen Vorschub von 1 mm pro Umdrehung liefert. Durch einen optischen Geber (Gabellichtschranke) wird ein Impuls pro Umdrehung erfasst. (siehe nachfolgende Detailaufnahme der Lichtschranke). Die von der Lichtschranke gelieferten Impulse werden elektronisch angepasst und stehen anschließend für eine weitere Verarbeitung zur Verfügung. 66 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 76: Wegplansteuerung Abbildung 77: Wegplansteuerung, Detailaufnahme der Lichtschranke Der Steigerung der Impulszahl je Umdrehung sind jedoch Grenzen gesetzt. So werden bei höheren Impulszahlen Inkrementalgeber verwendet. Sie arbeiten nach dem Durchlichtverfahren und verwenden als Impulserzeuger Blendenscheiben mit lichtdurchlässigen Schlitzen. Die Anzahl der Impulse bestimmt als Eingangsgröße die anschließend anzufahrende Position des Positionier-Tisches. 2.2.4.3 Ablaufsteuerung (Abfüllanlage) Ein einfaches Beispiel für eine Ablaufsteuerung ist die unten abgebildete Abfüllanlage. Als erste Ablaufbedingung tritt hier das Erreichen einer bestimmten Position eines Becherglases auf, wobei ein Kontaktschalter betätigt wird (erste Führungsgröße), der das Förderband zum Anhalten und ein Pumpe zum Füllen des Becherglases veranlasst. Die zweite Ablaufbedingung wird erfüllt, wenn der Füllstand im Becherglas eine bestimmte Marke erreicht hat, wobei eine Lichtschranke unterbrochen wird (zweite Führungsgröße) und dadurch die Pumpe abgeschaltet und das Becherglas weiter transportiert wird. Das geht solange, bis die erste Ablaufbedingung wieder erfüllt ist. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 67 Abbildung 78: Ablaufsteuerung 2.2.4.4 Speicherprogrammierte Steuerung (SPS) Vor der Speicherprogrammierten Steuerung standen Elemente der verbindungprogrammierten Steuerung (VPS). Mittlerweile trifft der Begriff der Steuerung nicht mehr zu. SPS-Anlagen sind über Umsetzersysteme in der Lage sowohl digitale als auch analoge Signalpegel zu verarbeiten. Zusätzlich verfügen moderne Anlagen (ab Siemens Simatic S7) schon über Ethernet-Schnittstellen zur internetgebundenen Kommunikation über TCP/IP. Prinzipiell wird die Vorgehensweise durch drei wesentliche Schritte dargestellt: Der Kontaktplan (KOP) stellt eine symbolische Darstellung der Verknüpfungsglieder dar, der Funktionsplan (FUP) stellt die Art der Verknüpfung dar und die Anweisungsliste (AWL) verknüpft die speziellen Steueranweisungen mit den Speicheradressen. 2.2.5 Exkurs Abfüllanlage 2.2.5.1 Insellösungen Die o.g. Abfüllanlage bietet sehr vielfältige Möglichkeiten zur Realisierung einer Programmsteuerung/Ablaufsteuerung. An dieser Stelle seien nur einige wenige signifikante Varianten erwähnt, von denen die Realisierung einer digitaltechnischen Steuerung in NOR-Technik, mittels EPROM, sowie die einer analogtechnischen Lösung mittels Transistor ausführlicher thematisiert ist: • • Digitaltechnik o Nor-/Nand-Technik o GAL o ROM/PROM/EPROM o SPS o Mikrokontroller o Rechnerprogramm 5 Analogtechnik o Transistor o Operationsverstärker 5 Ein Rechnerprogramm kann nur dann sinnvoll arbeiten, wenn seine Daten durch über eine passende Schnittstelle bereitgestellt werden. Eine solche Schnittstelle wird hier durch den USB-Controller/Converter FTDI 2232 bereitgestellt. 68 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Das systematische Lösen einer digitaltechnischen Aufgabenstellung aus dem Bereich der kombinatorischen Logik (Variablendefinition -> Funktionswertetabelle -> Funktionsgleichung -> Vereinfachung -> Symbolplan -> Schaltplan) führt u.a. zu einem Schaltplan mit Leistungsverstärkern für den Betrieb von Förderbandmotor und Pumpe, da die von den TTL-Gattern der 74-er Serie ausgegebenen Signale noch an die Leistungsanforderungen anzupassen sind. Die nachfolgende Abbildung zeigt die Realisierung der Steuerung mittels NOR-Gatter (TTL-Baustein 7402). Die Platine im linken Bildteil enthält den kompletten Steuerkreis mit durch Transistoren realisierten Leistungsverstärkern, während die Platine im rechten Bildteil den mit Relais ausgeführten Lastkreis darstellt. Die Platinen sind modular aufgebaut, so dass sich die hier ausgeführte Steuerung einfach durch ein alternatives Steuerungssystem ersetzen lässt. Abbildung 79: Realisierung einer digitaltechnischen Steuerung der Abfüllanlage Bei der Realisierung einer Steuerung mittels EPROM werden gerade einmal 4 Byte (!) benötigt und das noch bei hoher Redundanz. Verwendung kann hier ein EPROM geringster Speicherkapazität finden, wie z.B. das 27C32. Seine Speicherkapazität errechnet sich, indem die Zahl hinter dem C durch 8 geteilt wird: bei einem 27C32 ergibt sich so eine Speichergröße von 4 kByte. Schon das ist 1000-fach mehr als benötigt wird. Die Vorgehensweise sieht folgendermaßen aus: Kontaktschalter und Lichtschranke lassen sich auf 4 unterschiedliche Arten miteinander kombinieren. Es werden somit auch nur zwei Adressleitungen benötigt, um 4 Byte an Informationen aufzunehmen. So nimmt beispielsweise die Adressleitung A0 die Information entgegen, ob der Kontaktschalter geöffnet oder geschlossen ist und A1 nimmt die Information auf, die von der Lichtschranke geliefert wird. Nummeriert man die Adressen von A0 und A1 kombinatorisch durch, so ergibt sich: Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 69 BandPumpe motor KontaktLichtschalter schranke Dezimal A0 A1 0 0 0 1 0 2 3 D7 D6 D5 D4 D3 D2 D1 D0 1/0 1/0 1/0 1/0 1/0 1/0 1 0 1 1/0 1/0 1/0 1/0 1/0 1/0 0 1 1 0 1/0 1/0 1/0 1/0 1/0 1/0 1 0 1 1 1/0 1/0 1/0 1/0 1/0 1/0 1 0 Tabelle 3 Adress- und Datenbelegung des EPROMs Hierbei sind den Datenleitungen D0 und D1 die logischen Zustände zugeordnet, die den Bandmotor bzw. die Pumpe ansteuern. Die Datenleitungen D2 bis D7 werden nicht gebraucht und können daher eine log. "1" oder log. "0" enthalten. Das Anschlussbild eines EPROMs vom Typ 2732 zeigt, dass die Pins 7, 8, 9 und 10 entsprechend zu belegen sind. Abbildung 80: Anschlussbelegungen gängiger 8-Bit-EPROMs Im Rahmen einer analogtechnischen Steuerung bietet sich der Einsatz eines Transistors als zentrales Schaltelement an. Im Wesentlichen betätigt der Transistor ein Relais mit einem Umschalter, wodurch entweder der Förderbandmotor ein- und die Pumpe ausgeschaltet wird oder umgekehrt. Die jeweilige Aktivität von Bandmotor oder Pumpe wird dabei durch Leuchtdioden angezeigt. 70 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 81: Schaltplan der Abfüllanlage, analogtechnische Steuerung Abbildung 82: Realisierung einer analogtechnischen Steuerung der Abfüllanlage 2.2.5.2 Remote-Control-Lösungen An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Abfüllanlage auch via Remote Control auf TCP/IPBasis betrieben werden kann. Dazu muss die Anlage allerdings dauerhaft mittels USB mit einem Server verbunden sein. In diesem Fall stellt sich die Frage der zu nutzenden Schnittstelle. Hier bieten sich mehrere Lösungen an: • o o o • o o o Serielle Schnittstellen: USB RS232, 422, 485 RJ45 (TCP/IP) Parallele Schnittstellen: IEEE1284 Prototypen PC-Cards auf ISA- oder PCI-Basis GPIB Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 71 72 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 3 Untersuchung von Übertragungsgliedern Eine erste Untersuchung eines als Regelstrecke dargestellten Übertragungsgliedes kann durch die Reaktion der Strecke auf einen Eingangssprung durchgeführt werden. Die Reaktion des Übertragungsgliedes lässt wichtige Rückschlüsse auf seine Regelbarkeit zu. Neben diesem einfachen und durchaus gebräuchlichen Verfahren kann ein Übertragungsglied auch hinsichtlich seiner Reaktion auf ein periodisches Eingangssignal untersucht werden. Es existiert noch eine Vielzahl anderer Möglichkeiten (Impuls-Funktion, Rampen-Funktion, stochastische Funktion, etc.) Mit dieser Form der Untersuchungen kann das dynamische Verhalten von Übertragungsgliedern festgestellt werden. Besteht für die zu untersuchenden Übertragungsglieder der sog. eingeschwungene Zustand, so lässt sich in diesem Ruhe- oder Beharrungszustand die Abhängigkeit der Ausgangsgröße xa von der Eingangsgröße xe durch eine Kennlinie beschreiben. Diese Zuordnung von Ausgangs- zu Eingangsgröße ist zeitunabhängig. In diesem Fall wird von einem statischen Verhalten der Übertragungsglieder gesprochen. Die nachfolgenden Abbildungen zeigen die stetige Kennlinie eines Triggers mit Hysterese. Die nachfolgende Abbildung zeigt die Reaktion des Triggers (blau) auf ein Sinussignal am Eingang (rot). Wenn ein bestimmter durch die Schwankungsbreite festgelegter Wert überschritten wird, erfolgt ein Umschalten der Ausgangsgröße. Dieses Umschalten kann, je nach Größe der Hysterese, aus dem jeweiligen Triggerpunkt verschoben sein (Abbildung 84: Signaltriggerung mit Hysterese). Abbildung 83: Signaltriggerung ohne Hysterese Abbildung 84: Signaltriggerung mit Hysterese Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 73 3.1 Verhalten bei periodischer Funktion Im Bereich des dynamischen Verhaltens von Übertragungsgliedern ist die Reaktion auf eine periodische Eingangsfunktion besonders aussagekräftig. Dieses Verhalten ist jedoch nur unter Einbeziehung der höheren Mathematik beschreibbar. Dazu bedarf es einer kurzen Betrachtung des Zahlenraums der komplexen Zahlen, sowie eines kurzen Exkurses in den Bereich der Funktionentheorie. 3.1.1 Komplexe Zahlen in der z-Ebene Betrachtet man die Frequenzabhängigkeit regelungstechnischer Systeme, so muss man sich zwangsläufig komplexen Zahlen beschäftigen. Sie bestehen aus einem Realteil und einem Imaginärteil. Darstellbar ist dieser Zusammenhang am einfachsten und zuallererst in der z-Ebene. Diese Ebene wird aufgespannt durch den Real- und Imaginäranteil einer komplexen Zahl. Abbildung 85: Komplexe Zahlenebene (z-Ebene) In dieser Ebene lassen sich Wertepaare sowohl durch die Angabe von kartesischen Koordinaten, als auch durch die Angabe von Polarkoordinaten bestimmen. Der Abstand r (Betrag) einer Zahl z vom Ursprung 0 heißt Betrag von z oder |π§|, der Winkel (π) liegt zwischen Zeiger (rot) und Realteil. Dabei ergibt sich als algebraische Form hier: Oder allgemein: Als Betrag von z ergibt sich: π§ = 3 + π2 3.1 π§ = π₯ + ππ¦ |π§| = οΏ½π π(π§)2 + πΌπ(π§)2 Sind nur Winkel und Betrag einer Zahl bekannt, so handelt es sich um eine Darstellung in Polarform. Es lassen sich mit Hilfe von trigonometrischen Identitäten der Real- und der Imaginärteil bestimmen, hierbei ist r die Länge des Zeigers. 74 π π(π§) = π cos(π) Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 πΌπ(π§) = π sin(π) Mit den analytischen Identitäten π§ = π cos(π) + π π sin(π) bzw. π ππ = cos(π) + π sin (π) π −ππ = cos(π) − π sin (π) lassen sich Polarkoordinaten in kartesische Koordinaten umrechnen und umgekehrt6. Die vorgenannte algebraische Form kann somit in die Exponentialform überführt werden: π₯ + ππ¦ = π β π ππ Es ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass es sich hierbei um eine Transformation handelt: es werden die Koordinaten einer algebraischen Form in diejenigen einer exponentiellen Form überführt. Bezogen auf den jeweiligen Anwendungsfall, ist es vorteilhafter entweder mit der einen oder mit der anderen Form zu rechnen, wobei sich beide Formen auf die z-Ebene beziehen. Während sich für Rechnungen mit rechteckigen Flächenelementen die algebraische Form (kartesische Koordinaten) gut eignet, wird man bei Rechnungen mit runden Flächenelementen eher die exponentielle Form (Polarkoordinaten) bevorzugen. Was mit Koordinatentransformation innerhalb einer Ebene funktioniert, sollte auch bezogen auf Ebenen selbst funktionieren. Bleibt die Frage, welche Vorteile eine Transformation von einer Ebene auf eine andere Ebene bringt. Wie o.g. kann es einfacher sein, ein Problem, das in der vorgenannten z-Ebene schlecht lösbar ist, in eine andere Ebene (bspw. der s-Ebene) zu transformieren, wo es u.U. deutlich einfacher zu lösen ist. 3.1.2 Komplexe Zahlen in der s-Ebene Rein mathematisch betrachtet wäre es deutlich systematischer, wenn nach der z-Ebene (x, y, z) eine neue Ebene mit den Buchstaben "u, v, w" bezeichnet werden würde. Dann würde die neue Ebene als w-Ebene bezeichnet werden. Das wäre durchaus möglich, jedoch hat sich im Bereich der Regelungstechnik und insbesondere im Bereich der Laplace-Transformation die schon vorgenannte Bezeichnung der s-Ebene etabliert. Die damit verbundenen Variablen sind π (sigma) und π (omega), wobei in Analogie zum Vorgenannten gilt: π = π + ππ 3.2 π§ = ππ 3.3 Beide Ebenen können funktional miteinander in Beziehung treten. Eine der wichtigen, immer wieder auftauchenden Transformationen zwischen der z und der s-Ebene lautet: Einsetzen von 3.1 und 3.2 in 3.3 ergibt unter Berücksichtigung der vorgenannten analytischen Identitäten: π₯ + ππ¦ = π π (cos π + π sin π) 6 Diese Identität lässt sich durch eine Betrachtung der Potenzreihenentwicklung (Taylor-Reihe) für die jeweiligen Terme bestätigen. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 75 Damit lassen sich letztlich die Umrechnungen für eine Transformation von Punkten aus der s- Ebene in die z-Ebene durchführen: π₯ = π π cos π π¦ = π π sin π Wenn bspw. eine vertikale Strecke in der s-Ebene gegeben ist (π = 0, π läuft von 0 bis 2π), so lassen sich die korrespondierenden Punkte für die z-Ebene mit den vorgenannten beiden Gleichungen bestimmen. Das führt zu π₯ = 1 β cos π π¦ = 1 β sin π Das entspricht in der z-Ebene einem Kreis mit Mittelpunkt im Ursprung und einem Radius von 1. Würde jetzt bspw. π = 1 gewählt unter sonst gleichen Bedingungen, so würde sich in der z-Ebene wieder ein Kreis mit Mittelpunkt im Ursprung ergeben, nur hätte er dieses Mal einen Radius von π 1 = 2,718 . Somit stellt der Ausdruck π π den Betrag eines Zeigers vom Mittelpunkt des Kreises zu einem Punkt seiner Peripherie dar. 3.1.3 Kapazitätsberechnung eines Zylinderkondensators in der s-Ebene In Kapitel 1.2.1.1.4 wurde die Kapazität eines Zylinderkondensators berechnet. Das geht auch einfacher, nämlich durch eine Betrachtung des Zylinderkondensators in der s-Ebene. Betrachtet man einen Zylinderkondensator so, dass er als stehend auf der z-Ebene erscheint, so verbleiben zwei konzentrische Kreise, nämlich der innere Kreis mit Radius r und der äußere Kreis mit Radius R. Eine Transformation in die s-Ebene unter Berücksichtigung von Gleichung 3.3 führt zu zwei senkrechten Geraden der Länge 2π und den Abständen π1 und π2 vom Ursprung. Abbildung 86: z- und s-Ebene beim Zylinderkondensator Die beiden konzentrischen Kreise haben dabei die Radien und 76 π = π π1 π = π π2 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 In der s-Ebene ergibt sich hierbei für den inneren Kreis eine Gerade der Länge 2π an der Stelle π1 = ln π . Für den äußeren Kreis ergibt sich ebenfalls eine Gerade gleicher Länge bei π2 = ln π . In der s-Ebene finden sich somit zwei identische sich gegenüber liegende Flächen, da nichts an der aus den Ebenen herausragenden Elementen geändert wurde. Wenn die Länge des Zylinderkondensators in der z-Ebene h war, so ist die Länge (respektive Tiefe) der Kondensatorplatten in der s-Ebene ebenfalls h. Aus der allgemeinen Gleichung für die Kapazität eines Plattenkondensators (siehe Gleichung 1.5) ergibt sich letztlich: πΆ = π0 2πβ β = 2ππ0 π ln π − ln π ππ οΏ½ οΏ½ π 3.1.4 Funktionen in der komplexen Ebene Neben einzelnen Punkten innerhalb einer komplexen Ebene lassen sich natürlich auch Funktionen innerhalb dieser Ebene beschreiben. So ergeben sich Funktionen der komplexen Variablen z oder s. Funktionen von s werden zur Unterscheidung derer von z mit dem Großbuchstaben G bezeichnet. Eine Funktion in der s-Ebene wird daher bspw. so geschrieben: πΊ(π ) = 1 π Der Betrag dieser Funktion kann als Fläche über der s-Ebene betrachtet werden. Es ergibt sich dabei: |πΊ(π )| = √π 2 1 + π2 Eine graphische Darstellung liefert das nachfolgende Ergebnis. Deutlich ist zu erkennen, dass an der Spitze eine Unendlichkeitsstelle existiert. Das bedeutet: die Funktion G(s) besitzt einen "Pol". Abbildung 87: Betrag G(s) Pole und Nullstellen werden bei der Betrachtung von Stabilitätskriterien eine entscheidende Bedeutung haben. Mehr dazu dann in Kapitel 5.2.4 . Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 77 3.1.5 Zeigerdiagramme Eine Untersuchung von elektrischen Regelkreisgliedern kann statt durch einen frequenzunabhängigen Einheitssprung auch durch das Beaufschlagen mit einer periodischen Eingangsgröße erfolgen. Dabei wird die Frequenz variiert und das Ausgangssignal des Regelkreisglieds liefert eine veränderte Amplitude und Phase. Als Verhältnis der Zeiger von Eingangsgröße xe(t) zu Ausgangsgröße xa(t) sei der Frequenzgang bezeichnet. Die nachfolgende Abbildung 88 ist ein Screenshot einer Flash-Animation, die vom Institut für Technik und ihre Didaktik der Universität Münster (dieses Fach existiert dort leider nicht mehr!) erstellt wurde. Es ist zu beachten, dass die beiden in den Kreis eingezeichneten Zeiger gegen den Uhrzeigersinn umlaufen. Diese Momentaufnahme liefert einen überstrichenen Winkel von ca. 230°. Abbildung 88: Zeigerdiagramm mit zeitlicher Auflösung Hier sei der Zeiger xe(t) festgelegt durch: π₯π (π‘) = π₯οΏ½π (cos ππ‘ + π sin ππ‘) Mit der Identität cos ππ‘ + π sin ππ‘ = π πππ‘ ergibt sich: π₯π (π‘) = π₯οΏ½π π πππ‘ Wird ein Regelkreisglied mit einer periodischen Funktion angeregt, so wird auch das Ausgangssignal eine periodische Struktur haben, wobei Amplitude und Phase unterschiedlich sein können. Die Ausgangsgröße kann gegenüber der Eingangsgröße um einen Phasenwinkel π verschoben sein: Der Frequenzgang πΊ(ππ) = von ππ abhängig. π₯π (π‘) π₯π (π‘) = π₯π (π‘) = π₯οΏ½π π π(ππ‘+π) π₯οΏ½π π ππ π₯οΏ½π ist somit keine Funktion der Zeit mehr, sondern nur noch Abbildung 88 gibt ein frequenzabhängiges Zeigerdiagramm für die Größen Spannung (U), Strom (I) und Leistung (P) an. Der Bezug ist ein Wechselstromkreis, der lediglich durch einen ohmschen Widerstand belastet wird. Deutlich erkennbar sind alle Größen phasengleich. Anders sieht es aus, wenn jetzt eine Reihenschaltung aus Widerstand und Kondensator betrachtet wird. Die Simulation mit QUCS zeigt eine Phasenverschiebung von 90° oder ποΏ½2 zwischen Spannung und Strom, was in dem Merksatz mündet: Beim Kondensator eilt der Strom der Spannung vor. Dieser Zusammenhang ist in der nachfolgenden Abbildung wiedergegeben. 78 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 89: Verlauf von Wechselstrom und Wechselspannung am RC-Glied Bei einer Reihenschaltung aus Widerstand und Induktivität zeigt sich unter QUCS wiederum eine Phasenverschiebung von 90° oder ποΏ½2 zwischen Spannung und Strom, was aber in dem Merksatz mündet: Bei Induktivitäten wird der Strom sich verspäten. Auch dieser Zusammenhang ist in der nachfolgenden Abbildung wiedergegeben. Abbildung 90: Verlauf von Wechselstrom und Wechselspannung am RL-Glied Betrachtet man jetzt die Zeigerdiagramme für ein RC-Glied und für ein RL-Glied, so ergeben sich zu beliebigen Zeitpunkten die beiden nachfolgenden Abbildungen. Für das RC-Glied ist deutlich erkennbar, dass Strom (rot) und Spannung (blau) um 90° verschoben sind (Abbildung 91). Da der Strom der Spannung vorauseilt ist er ihr gegenüber um -90° in der Phase verschoben. Für das RLGlied ergibt sich ebenfalls eine Phasenverschiebung um +90°. Sie ist positiv, da die Spannung jetzt dem Strom vorauseilt. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 79 Abbildung 91: Zeigerdiagramm für Strom und Spannung am RC-Glied Abbildung 92: Zeigerdiagramm für Strom und Spannung am RL-Glied Betrachtet man jetzt die Spannungsverhältnisse an den einzelnen Zeigerdiagrammen, so lassen sich die einzelnen Zeiger so weit drehen, dass der Strom-Zeiger jeweils nach rechts zeigt. Da er für die nachfolgenden Betrachtungen von geringerem Gewicht ist, ist er als Strichlinie dargestellt. Zur Berechnung der Gesamtspannung sind die beiden Amplituden geometrisch zu addieren. Da die beiden Zeiger um ποΏ½2 verschoben sind, ergibt sich nach Pythagoras eine Gesamtspannung von 5V (4,2V und 2,7V). Man erhält: Oder: π’ 2 = π’π 2 + π’ πΆ 2 π’ = οΏ½π’π 2 + π’πΆ 2 Es bleibt zu berücksichtigen, dass der Strom über den Spannungsfall an einem Widerstand indirekt gemessen wurde. 80 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 93: Zeigerdiagramme der Spannungen für ein RL- und für ein RC-Glied Auch im Wechselstromkreis gilt das Ohmsche Gesetz. Demnach ist die Spannung proportional zum Widerstand. Folgerichtig lassen sich jetzt die einzelnen Spannungen durch Widerstände ersetzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Wirkwiderstand R als frequenzunabhängig zu betrachten ist, wohingegen die Widerstände für Induktivität und Kondensator frequenzabhängig sind. Der frequenzabhängige Widerstand einer Induktivität wird als induktiver Blindwiderstand ππΏ bezeichnet und ist proportional zur Frequenz und zur Induktivität: und π’πΏ = ππΏ β ππΏ ππΏ = π β πΏ Mit zunehmender Frequenz erhöht sich somit der Blindwiderstand ππΏ . Der frequenzabhängige Widerstand einer Kapazität wird als kapazitiver Blindwiderstand ππΆ bezeichnet und ist umgekehrt proportional zur Frequenz und zur Kapazität: und π’πΆ = ππΆ β ππΆ ππΆ = 1 πβπΆ Mit zunehmender Frequenz verringert sich somit der Blindwiderstand ππΆ . Diese Zusammenhänge lassen sich durch ein Diagramm in geeigneter Form darstellen. Einmal als RLund ein anderes Mal als RC-Glied. In diesem Widerstandsdreieck ergibt sich als resultierende Komponente der Scheinwiderstand Z. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 81 Abbildung 94: Widerstands-Dreiecke für ein RL- und ein RC-Glied Das führt dann zu den Scheinwiderständen ππΏ und ππΆ , die ebenfalls mittels Pythagoras in geometrischer Form zu bestimmen sind: und ππΏ = οΏ½π 2 + (ππΏ)2 1 2 2 οΏ½ ππΆ = π + οΏ½ οΏ½ ππΆ Auch der Phasenwinkel lässt sich leicht durch Winkelfunktionen bestimmen: bzw. tan π = ππΏ π tan π = ππΆ π Betrachtet man jetzt eine R-L-C-Reihenschaltung (siehe Kapitel 1.2.1.1.4 bzw. Abbildung 32), so ergibt sich bei identischen Blindwiderständen insgesamt eine Phasenverschiebung von Null. Die Schaltung verhält sich dann wie ein Wirkwiderstand mit phasengleichem Strom- und Spannungsanteilen. Über die so eingestellte Resonanzfrequenz (bei einer Phasenverschiebung von Null) lassen sich dann Rückschlüsse auf Induktivität bzw. Kapazität aufstellen. 3.1.6 Übertragungsfunktionen Das dynamische Verhalten eines Regelkreisglieds wird nicht nur durch seine Augenblickswerte xe(t) und xa(t) beschrieben, sondern auch durch seine zugehörigen zeitlichen Ableitungen und seine konstanten Beiwerte. Dieser Zusammenhang wird durch eine ganz allgemeine DGL beschrieben: … + π2 π₯Μ π (π‘) + π1 π₯Μ π (π‘) + π0 π₯π (π‘) = π0 π₯π (π‘) + π1 π₯Μ π (π‘) + π2 π₯Μ π (π‘) + β― Bildet man die allgemeinen Differentiale, ausgehend von: π₯π (π‘) = π₯οΏ½π π πππ‘ , π₯Μ π (π‘) = ππ π₯οΏ½π π πππ‘ = ππ π₯π (π‘) 82 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 π₯Μ π (π‘) = (ππ)2 π₯π (π‘) so ergibt sich der Frequenzgang ganz allgemein zu: π₯π (ππ) π0 + π1 (ππ) + π2 (ππ)2 + β― πΊ(ππ) = = π₯π (ππ) π0 + π1 (ππ) + π2 (ππ)2 + β― Bezug nehmend auf eine inhomogene Differentialgleichung 1. Ordnung (PT1-Glied) π1 π₯Μ π (π‘) + π₯π (π‘) = ππ₯π (π‘) Ergibt sich der Frequenzgang zu: π1 ππ π₯π (ππ) + π₯π (ππ) = ππ₯π (ππ) πΊ(ππ) = π₯π (ππ) π = π₯π (ππ) 1 + πππ1 3.4 An dieser Stelle sei angemerkt, dass sich aus dem Frequenzgang bei Ersetzen von ππ durch den Laplace-Operator s die Übertragungsfunktion ergibt (siehe 3.2.5). πΊ(s) = π π₯π (s) = π₯π (s) 1 + sπ1 3.5 Aus dem Frequenzgang lassen sich jetzt relativ einfach der Amplitudengang und der Phasengang bestimmen. Beide sind zusammengefasst durch das Bode-Diagramm. 3.1.7 Bode-Diagramm Wird ein Regelkreisglied durch eine periodische Schwingung angeregt, so reicht es nicht aus, die Ausgangsgröße lediglich bei einer einzigen Frequenz zu bestimmen. Es muss sowohl die Amplitude als auch die Phasenlage für alle möglichen Frequenzen bekannt sein, wobei die Eingangsgröße xe(t) eine gleichbleibende Amplitude π₯οΏ½π hat. Während die Länge und Lage des Zeigers π₯οΏ½π für alle Frequenzen gleich bleibt, ändert sich die Länge und Lage des Zeigers π₯οΏ½π mit der Frequenz. Nach Normierung der Eingangsgröße auf den Wert 1 ergeben sich dann verschiedene π₯οΏ½π π₯οΏ½π -Werte mit unterschiedlichen Phasenwinkeln. Die graphische Darstellung dieses Zusammenhangs wird als Ortskurve des Frequenzgangs bezeichnet. Hierbei wird der Frequenzgang in einen Real- und einen Imaginärteil zerlegt und durch ein einziges Diagramm innerhalb der Gaußschen Zahlenebene dargestellt. Die Zerlegung in einen Real und einen Imaginärteil erfolgt durch Bildung des konjugiert Komplexen. Es wird dadurch gebildet, indem man die komplexe Zahl mit dem negativ Komplexen multipliziert. Bezogen auf den vorgenannten Frequenzgang ergibt sich: πΊ(ππ) = π 1 − πππ1 1 − πππ1 =π 1 + πππ1 1 − πππ1 1 + (ππ1 )2 Daraus ergeben sich der Realteil bzw. der Imaginärteil zu: π π(πΊ) = πΌπ(πΊ) = Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 π 1 + (ππ1 )2 −π ππ1 1 + (ππ1 )2 83 Zur Darstellung der Ortskurve ist es sinnvoll, eine Tabelle mit verschiedenen Werten der Kreisfrequenz π anzulegen (z.B mit: π, ππ1 , (ππ1 )2 , 1 + (ππ1 )2 , π π(πΊ), πΌπ(πΊ) ). Die zugehörige Ortskurve (PT1-Regelkreisglied) ist in Abbildung 95 wiedergegeben. Mit K=1 ergibt sich ein Phasenwinkel von 45°. Realteil und Imaginärteil sind in diesem Fall betragsmäßig gleich groß, womit die Eckfrequenz dem Kehrwert der Zeitkonstanten T1 entspricht. Das Bode-Diagramm (Abbildung 96 und Abbildung 97)schließlich liefert zwei getrennte Diagramme, wobei einmal der Betrag des Frequenzgangs und einmal der Phasenwinkel jeweils in Abhängigkeit von der Kreisfrequenz dargestellt werden. Während der Frequenzgang und die Kreisfrequenz logarithmisch aufgetragen sind, wird der Phasenwinkel linear aufgetragen. Berücksichtigt man den Zusammenhang |πΊ|2 = π π(πΊ)2 + πΌπ(πΊ)2 So ergibt sich der Betrag des Frequenzgangs zu: |πΊ(ππ)| = π οΏ½1 + (ππ)2 3.6 Da es üblich ist, den Amplitudengang in der Einheit dB aufzutragen, ist zusätzlich der Zusammenhang Zur Umrechnung zu berücksichtigen. |πΊ(ππ)|ππ΅ = 20 lg|πΊ(ππ)| Durch die Kenntnis von Real- und Imaginärteil lässt sich auch der Phasenwinkel π ermitteln: oder tan π = πΌπ(πΊ) = −ππ π π(πΊ) π = − arctan ππ Zur Darstellung der Bode-Diagramms ist es sinnvoll, eine Tabelle mit verschiedenen Werten der Kreisfrequenz π anzulegen (z.B mit: π, ππ1 , (ππ1 )2 , 1 + (ππ1 )2 , π π(πΊ), πΌπ(πΊ), π ). Zusätzlich sollten der Betrag des Frequenzgangs (Amplitudengang) und der Phasenwinkel in grad aufgenommen werden. Mit Hilfe von Excel lässt sich relativ einfach eine selbstrechnende Tabelle aufbauen, die bezogen auf das Verhalten einer PT1-Strecke die o.g. Zusammenhänge vertiefen kann. Betrachtet werden soll der folgende Ausschnitt einer Tabelle, sowie die daraus berechnete Ortskurve. 7 7 Die Tabelle liefert nur einen beispielhaften Ausschnitt. Die nachfolgenden drei Graphiken sind durch deutlich mehr Werte berechnet worden. 84 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 k 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 ω 0,01 0,02 0,02 0,03 0,05 0,08 0,11 0,11 0,17 0,26 T1 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 ωT1 0,01 0,02 0,02 0,03 0,05 0,08 0,11 0,11 0,17 0,26 (ωT1)2 1+(ωT1)2 0,00 1,00 0,00 1,00 0,00 1,00 0,00 1,00 0,00 1,00 0,01 1,01 0,01 1,01 0,01 1,01 0,03 1,03 0,07 1,07 Re(G) 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 0,99 0,99 0,99 0,97 0,94 Im(G) -0,01 -0,01 -0,02 -0,03 -0,05 -0,08 -0,11 -0,11 -0,17 -0,24 lGl lGl in dB Winkel φ 1,00 0,00 -0,57 1,00 0,00 -0,86 1,00 0,00 -1,29 1,00 0,00 -1,93 1,00 -0,01 -2,90 1,00 -0,02 -4,34 0,99 -0,06 -6,50 0,99 -0,06 -6,50 0,99 -0,12 -9,70 0,97 -0,28 -14,37 Tabelle 4: Bode-Diagramm, PT1-Regelkreisglied Abbildung 95: Ortskurve, PT1-Regelkreisglied Das nachfolgende Bode-Diagramm zeigt den Amplitudengang und den Phasengang. Der Amplitudengang gibt den Betrag des Frequenzgangs G in Abhängigkeit der Kreisfrequenz ω in der Einheit dB wieder. Bei diesen beiden Darstellungen ist zu berücksichtigen, dass die Kreisfrequenz immer logarithmisch dargestellt wird. Die Eckfrequenz ωE ist im Phasengang deutlich bei π = −45° erkennbar und korreliert im Amplitudengang ebenfalls mit 10 s-1. Sie entspricht dem Kehrwert der Zeitkonstanten T1 = 0,1 s: ππΈ = Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 1 = 10π −1 π1 85 Abbildung 96: Amplitudengang in dB, PT1-Regelkreisglied Abbildung 97: Phasengang, PT1-Regelkreisglied 86 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Diese einfachen Darstellungen mittels Excel lassen sich jetzt auch etwas professioneller mit Hilfe von QUCS darstellen. Im weiteren Verlauf wird daher auf Excel-Darstellungen verzichtet werden, wobei QUCS dann das Mittel der Wahl sein wird. Nachfolgend abgebildet ist ein PT1-Regelkreisglied mit einer Zeitkonstante von 1ms entsprechend einer Kreisfrequenz von 1000s-1 (oder 1e03=1x103). Abbildung 98: PT1-Regelkreisglied mit Ortskurve und Bode-Diagramm Erklärungsbedürftig sind in diesem Zusammenhang die unter QUCS aufgestellten Gleichungen. Die Ausgabegröße "out" lässt sich direkt in Dezibel "dB(out.v)" und Phasenverschiebung "phase(out.v)" umrechnen. Dann muss noch die Frequenz "acfrequency" in die Kreisfrequenz "acfrequency*2*pi" umgerechnet werden. Abschließend muss das Ganze als Diagrammausdruck vorbereitet werden mittels "PlotVs". Die Abszisse wurde danach in "omega" umbenannt. Es ist in den o.g. Diagrammen klar erkennbar, dass der Amplitudengang mit 20dB je Dekade sinkt und der Phasengang bei der Eckfrequenz von 1000s-1 ein Phasenwinkel von -45° liefert. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 87 3.2 Differentialgleichungen Das Aufstellen von Differentialgleichungen und deren mögliche Lösungen gehören zu den komplexeren Aufgaben der Regelungstechnik. An dieser Stelle sollen lediglich anleitende Arbeitsweisen vermittelt werden, die zu möglichen Lösungen führen können. Beschrieben wird die weitere Vorgehensweise am Beispiel der Lösung einer inhomogenen Differentialgleichung 1. Ordnung. Gewählt wurde eine PT1-Strecke, die prinzipiell einem Tiefpass aus der Elektrotechnik entspricht, daher in wesentlichen Elementen relativ einfach und anschaulich zu behandeln ist und durch die Häufigkeit ihres Auftretens in fast allen mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Bereichen schon fast als elementar zu bezeichnen ist. 3.2.1 Aufstellen von Differentialgleichungen Am Beispiel des Ladeverhalten einer RC-Kombination, die in der nachfolgenden Abbildung als klassischer 4-Pol dargestellt ist, soll die zugehörige Differentialgleichung aufgestellt und anschließend durch Anwendung verschiedener Verfahren gelöst werden. Abbildung 99: RC-Kombination Masche wählen: −ππ΅ππ‘ + ππ (π‘) + ππΆ (π‘) = 0 Mit den Bedingungen −ππ΅ππ‘ + π β πΌ(π‘) + ππΆ (π‘) = 0 πΆ= π(π‘) ππππ π(π‘) = πΆ β ππ (π‘) ππΆ (π‘) π(π‘) = οΏ½ πΌ(π‘) ππ‘ π‘ πΆ β ππΆ (π‘) = οΏ½ πΌ(π‘) ππ‘ πΆβ ergibt sich eingesetzt 88 π‘ πππΆ = πΌ(π‘) ππ‘ πΆ β πΜπΆ (π‘) = πΌ(π‘) Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 −ππ΅ππ‘ + π β πΆ β πΜπΆ (π‘) + ππΆ (π‘) = 0 −ππ΅ππ‘ + π β πΜπΆ (π‘) + ππΆ (π‘) = 0 schließlich eine inhomogene Differentialgleichung 1. Ordnung: ππ΅ππ‘ = ππΆ (π‘) + π β πΜπΆ (π‘) Betrachtet man Uc(t) als Ausgangsgröße xa und UBat als k xe(t) mit k=1 so erhält man die folgende Form der obigen Differentialgleichung: π1 π₯Μ π (π‘) + π₯π (π‘) = ππ₯π (π‘) Für t > 0 wird der Ausdruck ππ₯π (π‘) zu ππ₯π0 , da in diesem Fall ein Einheitssprung vorliegt; daher muss UBat auch nicht zeitabhängig gewählt werden. 3.2.2 Lösen durch Trennen der Veränderlichen Ausgehend von der o.g. Differentialgleichung ππ΅ππ‘ = ππΆ (π‘) + π β πΜπΆ (π‘) πβ οΏ½ π‘ πππΆ (π‘) = ππ΅ππ‘ − ππΆ (π‘) ππ‘ 1 πππΆ (π‘) = ππ‘ ππ΅ππ‘ − ππΆ (π‘) π 1 1 πππΆ (π‘) = οΏ½ ππ‘ π ππ΅ππ‘ − ππΆ (π‘) π‘ Ergibt sich durch Substitution des Integrals: ππ΅ππ‘ − ππΆ (π‘) = π₯ π ππ₯ = (π − ππΆ (π‘)) πππΆ (π‘) πππΆ (π‘) π΅ππ‘ ππ₯ = −1 → −ππ₯ = πππΆ (π‘) πππΆ (π‘) Angewandt auf das zuletzt genannte Integral folgt mit der Integrationskonstanten K: −οΏ½ 1 1 ππ₯ = − ln(π₯) + πΎ = −ππ[ππ΅ππ‘ − ππΆ (π‘)] + πΎ = β π‘ π₯ π Die Integrationskonstante K wird festgelegt durch die Randbedingung ππΆ (π‘) zum Zeitpunkt t = 0: ππΆ (0) = 0 −ππ[ππ΅ππ‘ − ππΆ (0)] + πΎ = 0 πΎ = ππ[ππ΅ππ‘ ] Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 89 Eingesetzt in die ursprüngliche Gleichung ergibt sich: ππ[ππ΅ππ‘ − ππΆ (π‘)] − ππ[ππ΅ππ‘ ] = − ππ οΏ½ π‘ ππ΅ππ‘ − ππΆ (π‘) οΏ½=− π ππ΅ππ‘ ππ οΏ½1 − ππΆ (π‘) π‘ οΏ½=− π ππ΅ππ‘ π‘ π π‘ ππΆ (π‘) = ππ΅ππ‘ β οΏ½1 − π −π οΏ½ Dieser Zusammenhang lässt sich graphisch darstellen: Abbildung 100: Ladekurve einer RC-Kombination 3.2.3 Lösen durch geeigneten Ansatz Nicht immer ist eine Trennung der Veränderlichen mit anschließender Integration ein gangbarer Weg. Schon bei einer DGL 2. Ordnung wird der Aufwand erheblich. Es ist daher besser, unabhängig von der Ordnung der DGL einen allgemeinen Ansatz zu wählen, dessen Ableitungen wieder den eigentlichen Ansatz enthalten. Dieser Ansatz ist eine e-Funktion und lautet: π₯π (π‘) = π ππ‘ π₯Μ π (π‘) = ππ ππ‘ Mit diesem Ansatz muss zunächst der homogene Teil der DGL gelöst werden, d.h. die DGL wird Null gesetzt: π1 π₯Μ π (π‘) + π₯π (π‘) = 0 Eingesetzt ergibt sich: Hieraus folgt, dass π = − 1 π1 ππ ππ‘ π1 + π ππ‘ = 0 ist. Damit sind der o.g. Ansatz sowie seine Vielfachen (C1) eine Lösung des homogenen Teils der DGL: π₯π (π‘) = πΆ1 π 90 π‘ − π1 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 3.2.4 Lösen durch Variation der Konstanten nach Lagrange Um die inhomogene DGL durch Variation der Konstanten nach Lagrange zu lösen, muss die Konstante C1 durch eine zeitabhängige Funktion, z.B. C1(t) ersetzt werden: π₯π (π‘) = πΆ1 (π‘)π Eingesetzt in π‘ − π1 π1 π₯Μ π (π‘) + π₯π (π‘) = ππ₯π (π‘) ergibt sich nach Umformung (Produktregel beachten!) und Umstellung nach πΆ1Μ (π‘) = Eine Integration zwischen τ = 0 und τ = t ergibt: π‘ Aufgelöst ergibt sich: οΏ½ πΆ1Μ (π)ππ = 0 π‘ π + π₯π (π‘)π π1 π1 ππΆ1 ππ‘ : π‘ π π οΏ½ π₯π (π)π π1 ππ π1 0 π‘ π π πΆ1 (π‘) = πΆ1 (0) + οΏ½ π₯π (π)π π1 ππ π1 0 Dieser Lösungsansatz für C1(t) wird in die erste Gleichung xa(t) eingesetzt, um die Lösung der inhomogenen DGL 1. Ordnung zu bestimmen: π‘ π₯π (π‘) = πΆ1 π‘ − (0)π π1 π−π‘ π + οΏ½ π₯π (π)π π1 ππ π1 π₯π (π‘) = π₯π π‘ − (0)π π1 π−π‘ π + οΏ½ π₯π (π)π π1 ππ π1 0 Aus der allgemeinen Anfangsbedingung xa(0) für t = 0 folgt xa(0) = C1(0). π‘ 0 Im ersten Summanden ist die Abhängigkeit von der Anfangsbedingung berücksichtigt, im zweiten die Reaktion der Ausgangsgröße auf die Eingangsgröße. Mit der Anfangsbedingung xa(0) = 0 und der Sprungfunktion ergibt sich: 0 πüπ π‘ < 0 π₯π (π‘) = οΏ½ π₯π0 = ππππ π‘ πüπ π‘ > 0 π‘ π π‘ π − π₯π (π‘) = π₯π0 π π1 οΏ½ π π1 ππ π1 0 Und nach kurzer Umformung schließlich der bekannte Terminus: Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 91 π₯π (π‘) = π π₯π0 (1 − π − π‘ π1 π‘ ) oder ππΆ (π‘) = ππ΅ππ‘ (1 − π −π ) 3.2.5 Lösen mittels Laplace-Transformation In der Regelungstechnik interessieren lediglich Vorgänge, die von einem Zeitpunkt t = 0 erfolgen, wie z.B. Einschaltvorgänge. Betrachtet man lediglich kausale Zeitfunktionen, so ist die LaplaceTransformation bestens geeignet, um solche Vorgänge zu beschreiben. Der Trick dabei ist, dass eine DGL, die nicht oder nur schwer mit konventionellen Mittel zu lösen ist, aus dem originalen Realbereich in den virtuellen Bildbereich überführt wird. Abbildung 101: Laplace-Transformation zur Lösung von DGL Für eine solche Transformation gibt es nach Laplace eindeutige Vorschriften und Regeln. Bei der Transformation einer DGL in den Bildbereich ist das Ergebnis eine algebraische Gleichung. Hierbei sind folgende Regeln zu beachten, wobei jeweils auf die zeitabhängige Funktion x(t) die Transformation L[x(t)] wirkt; das Ergebnis ist eine vom Laplace-Operator s abhängige Funktion, die dem Bildbereich entnommen ist: πΏ[π₯(π‘)] = π₯(π ) πΏ[π₯Μ (π‘)] = π π₯(π ) 2 πΏ[π₯Μ (π‘)] = π π₯(π ) πΏ οΏ½οΏ½ π₯(π‘)ππ‘οΏ½ = Die Laplace-Transformierte der Sprungfunktion lautet: 1 π₯(π ) π πΏ[π₯π (π‘)] = π₯π (π ) = 1 π₯ π π0 3.7 3.8 3.9 3.10 3.11 3.2.5.1 Sprung-Funktion Ausgangspunkt der folgenden Betrachtung sei eine Zeitfunktion f(t) für den Bereich t > 0 (z.B. Einschaltvorgang). Die Zuordnung einer komplexen Funktion zur Zeitfunktion sieht auf den ersten Blick unnötig und kompliziert aus, erleichtert aber die Rechnung. Man multipliziert f(t) mit dem Faktor e-st , mit s=δ+jω als komplexe Variable. Die anschließende Integration über den Zeitbereich ab t=0 ergibt: ∞ οΏ½ π(π‘)π −π π‘ ππ‘ 0 In diesem Fall ist t die Integrationsvariable und s ein Parameter. Bei Ausführung der Integration hängt das Integral lediglich von s ab und ergibt: 92 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 ∞ οΏ½ π(π‘)π −π π‘ ππ‘ = πΏ[π(π‘)] 3.12 0 Dieses uneigentliche Integral heißt Laplace-Integral. Die Zuordnung der komplexen Funktion L[f(t)] zur Zeitfunktion f(t) heißt Laplace-Transformation. An dieser Stelle soll die Laplace-Transformation des Einheitssprungs σ(t) betrachtet werden, wobei σ(t) folgendermaßen definiert sei: 0 πüπ π‘ < 0 π(π‘) = π(π‘) = οΏ½ 1 πüπ π‘ > 0 Wegen σ(t) = 1 für t > 0 gilt ∞ πΏ[π(π‘)] = οΏ½ π(π‘) π 0 Die Lösung dieses Integrals ergibt: −π π‘ ∞ π‘=+∞ 1 ππ‘ = οΏ½ 1 β π −π π‘ ππ‘ = οΏ½− π −π π‘ οΏ½ π π‘=0 0 ∞ 1 1 πΏ[π(π‘)] = οΏ½ π(π‘) π −π π‘ ππ‘ = lim (− π −π π‘ ) − οΏ½− π 0 οΏ½ π‘→+∞ π π 0 πΏ[π(π‘)] = 1 π 3.13 1 π Damit ist die Laplace-Transformierte πΏ[π(π‘)] des Einheitssprungs σ(t) die komplexe Funktion . 3.2.5.2 1. zeitliche Ableitung Der Vollständigkeit halber soll zusätzlich die Laplace-Transformierte für die 1. zeitliche Ableitung π₯Μ (π‘) einer Funktion betrachtet werden. π(π‘) = π₯Μ (π‘) Für t > 0 ergibt sich mittels partieller Integration folgende Rechnung: ∞ πΏ[π₯Μ (π‘)] = οΏ½ π₯Μ (π‘) π −π π‘ ππ‘ 0 ∞ −π π‘ πΏ[π₯Μ (π‘)] = π₯(π‘) π −π π‘ ]π‘=+∞ ππ‘ π‘=0 − οΏ½ π₯(π‘) (– π ) π 0 ∞ π₯(∞) π₯(0) πΏ[π₯Μ (π‘)] = οΏ½ ∞ − 0 οΏ½ + π οΏ½ π₯(π‘) π −π π‘ ππ‘ π π Unter Berücksichtigung von 3.12 ergibt sich schließlich: 0 πΏ[π₯Μ (π‘)] = π πΏ[π₯(π‘)] 3.14 Mit diesen einfachen Regeln lässt sich eine inhomogene DGL 1. Ordnung für ein Regelkreisglied mit PT1-Charakteristik Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 93 jetzt so formulieren: π1 π₯Μ π (π‘) + π₯π (π‘) = ππ₯π (π‘) 3.15 π1 π π₯π (π ) + π₯π (π ) = π π₯π (π ) 3.16 Wird jetzt die Sprungfunktion in diese Gleichung eingesetzt so ergibt sich oder umgeformt π1 π π₯π (π ) + π₯π (π ) = π π₯π (π ) = 1 π₯ π π0 1 π π₯ 1 + π π1 π π0 3.17 3.18 Wie schon weiter oben erwähnt, folgt für den Nenner nur eine zulässige Lösung, nämlich π = − 1 π1 Da die DGL im Bildbereich jetzt vollständig gelöst ist, muss eine Rücktransformation in den Realbereich erfolgen. Dazu nutzt man sog. Korrespondenztabellen (siehe Fachbegriffe und Korrespondenztabelle). Das Ergebnis lautet: Damit ergibt sich: π‘ 1 → 1 − π −π π (1 + ππ ) π‘ π₯π (π‘) = π π₯π0 οΏ½1 − π −π οΏ½ 3.19 3.20 Ganz allgemein betrachtet, ist der Laplace-Transformierten Ausgangs- zu Eingangsgröße als Übertragungsfunktion G(s) definiert. Das ist insbesondere bei einer Betrachtung des dynamischen Verhaltens von Regelkreisgliedern (Frequenzgang) wichtig. Alle weiteren Betrachtungen regelungstechnischer Art werden auf der Grundlage der Laplace-Transformation erfolgen 8. 3.2.6 Einfache Anwendungen der Laplace-Transformation Im Vorgriff auf die Kapitel zu stetigen bzw. unstetigen Regelgliedtypen wird hier eine simple Anwendung der Laplace-Transformation auf den zeitlich veränderlichen Bereich von Strömen und Spannungen im einfachen Stromkreis gezeigt. a) Strom und Spannung am ohmschen Wirkwiderstand im Zeitbereich: π’(π‘) π (π‘) = π(π‘) Strom und Spannung am ohmschen Wirkwiderstand im Bildbereich: π’(π ) π (π ) = π(π ) Es ist unerheblich, ob die Verhältnisse an einem ohmschen Wirkwiderstand im Zeitbereich oder im Bildbereich betrachtet werden. 8 b) Strom und Spannung an einer Kapazität im Zeitbereich: ππ’(π‘) π(π‘) = πΆ β ππ‘ Das gilt hier nur für den Bereich der analogen Regelungstechnik. 94 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Strom und Spannung an einer Kapazität im Zeitbereich: π(π ) = πΆ β π β π’(π ) Es ergibt sich für die Laplace-transformierte Impedanz: 1 π’(π ) ππ (π ) = = π(π ) π β πΆ 1 οΏ½ deutlich. ππβπΆ Hier wird die Analogie zum imaginären Wechselstromwiderstand οΏ½ c) Strom und Spannung an einer Induktivität im Zeitbereich: ππ(π‘) π’(π‘) = πΏ β ππ‘ Strom und Spannung an einer Induktivität im Zeitbereich: π’(π ) = πΏ β π β π(π ) Es ergibt sich für die Laplace-transformierte Impedanz: π’(π ) ππΏ (π ) = =π βπΏ π(π ) Auch hier wird die Analogie zum imaginären Wechselstromwiderstand (ππ β πΏ) deutlich. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 95 96 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 4 Regeln Dem Bereich der Regelungstechnik liegt eine inhaltliche Systematik zu Grunde, die ihre Begründung in einem schrittweisen Aufbau der immer komplexer werdenden Inhalte findet. Ausgehend von einer einfachen Übersicht elementarer Wirkungspläne, werden neben den mathematischen Grundlagen wichtige Regelstrecken und Regeleinrichtungen behandelt, welche schließlich hinsichtlich exemplarisch erstellter Regelkreise regelungstechnisch untersucht werden. 9 Abbildung 102: Inhaltliche Systematik des Bereichs Regelungstechnik Die DIN 19226 mit dem Titel Regelung und Steuerung beschreibt den Begriff des Regelns folgendermaßen ( siehe z.B. http://public.tfh-berlin.de/~fraass/MRTII-Umdrucke.pdf ): „Kennzeichen für das Regeln ist der geschlossene Wirkungsablauf, bei dem die Regelgröße im Wirkungskreis des Regelkreises fortlaufend sich selbst beeinflusst.“ Dieser selbst erklärende Zusammenhang ist nochmal als Wirkungsablauf in Abbildung 103 dargestellt. 9 Hier wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Inhaltlich werden die Elemente mit der größten curricularen Relevanz für den Sekundarbereich II behandelt. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 97 Abbildung 103: Wirkungsablauf Regelkreis Der Wert der Regelgröße x(t) wird fortlaufend erfasst und über einen Messumformer einem Vergleicher zugeführt. In Abhängigkeit vom Vergleich mit der Führungsgröße w(t) bewirkt das Regelglied über den Steller eine Veränderung der Stellgröße y(t) in der Art, dass die Reaktion des Stellgliedes einer Veränderung der Ausgangsgröße x(t) entgegenwirkt. Somit ändert sich x(t) in Richtung des Ursprungswertes. Dieses Entgegenwirken ist eng mit dem Begriff der Gegenkopplung verbunden und vom Arbeiten mit Operationsverstärkern her bekannt. 4.1 Wirkungspläne Regelkreise können ausgesprochen komplex sein. Es ist daher notwendig, einzelne Strukturen in ihrer elementaren Arbeitsweise darzustellen, wobei es auf Rückwirkungsfreiheit ankommt. Bei der rückwirkungsfreien Kopplung von Regelkreisgliedern ergeben sich relativ einfache Beziehungen, wenn man zur Beschreibung die Übertragungsfunktion G(s) wählt. Abbildung 104 zeigt einfache Elemente eines Wirkungsplans als Blocksymbol (ohne Inhalt), als Additionsplan (rechts daneben) und als Verzweigungsstelle. Abbildung 104: Einfache Elemente eines Wirkungsplans Abbildung 105 zeigt einen einfachen Regelkreis mit Regeleinrichtung und Regelstrecke. An der linken Additionsstelle wird die Regelabweichung e als Differenz aus Führungsgröße w und Regelgröße x gebildet. Die Regeleinrichtung liefert die Stellgröße yR, die sich an der folgenden Additionsstelle mit der Störgröße z zur Stellgröße der Regelstrecke ys ausbildet. Da es sich um eine Regelung handelt, ist der Wirkungsablauf im Sinne einer Wirkungsumkehr geschlossen. 98 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 105: Wirkungsablauf eines einfachen Regelkreises 4.1.1 Reihenstruktur Die Reihenstruktur von Regelkreisgliedern wird durch eine Reihenschaltung wiedergegeben; hier ist der Ausgang des ersten Regelkreisglieds mit dem Eingang des zweiten Regelkreisglieds verbunden. Die einzelnen Regelkreisglieder sind durch die zugehörigen Übertragungsfunktionen G1(s) und G2(s) beschrieben. Die Übertragungsfunktion G(s) gibt das Verhältnis von Laplace-transformierter Ausgangsgröße xa(s) zu Laplace-transformierter Eingangsgröße Xe(s) durch die folgende allgemeine Beziehung wieder: π₯π (π ) = πΊ(π ) π₯π (π ) Das Schaubild einer Reihenschaltung ergibt sich daher: Abbildung 106: Wirkungsplan als Reihenstruktur Unter Berücksichtigung von π₯π1 (π ) = π₯π2 (π ) ergibt sich für die Gesamtübertragungsfunktion G(s): π₯π1 (π ) = πΊ1 (π )π₯π1 (π ) π’ππ π₯π2 (π ) = πΊ2 (π )π₯π2 (π ) πΊ(π ) = π₯π2 (π ) = πΊ2 (π ) πΊ1 (π ) π₯π1 (π ) 4.1 Die Gesamtübertragungsfunktion ist bei einer Reihenstruktur daher gleich dem Produkt der einzelnen Übertragungsfunktionen. Dieser funktionale Zusammenhang spiegelt sich beispielsweise in der Hintereinanderschaltung von mehreren Verzögerungsgliedern zu einer Gesamtstrecke höherer Ordnung wieder, wie z.B. bei einer PT2-Strecke. 4.1.2 Parallelstruktur Die Parallelstruktur von Regelkreisgliedern wird durch eine Parallelschaltung wiedergegeben. Hier fächert sich das Eingangssignal xe(s) auf und wirkt gleichzeitig auf die beiden Eingänge der nachfolgenden Regelkreisglieder mit den entsprechenden Übertragungsfunktionen Gn(s). Die beiden Ausgangssignale führen auf die Additionsstelle und liefern das Ausgangssignal xa(s) (siehe Abbildung 107). Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 99 Abbildung 107: Wirkungsplan als Parallelstruktur Unter Berücksichtigung von π₯π (π ) = π₯π1 (π ) + π₯π2 (π ) ergibt sich für die Gesamtübertragungsfunktion G(s): π₯π1 (π ) = πΊ1 (π )π₯π (π ) π’ππ π₯π2 (π ) = πΊ2 (π )π₯π (π ) π₯π1 (π ) + π₯π2 (π ) = πΊ1 (π )π₯π (π ) + πΊ2 (π )π₯π (π ) = (πΊ1 (π ) + πΊ2 (π ))π₯π (π ) πΊ(π ) = π₯π (π ) = πΊ1 (π ) + πΊ2 (π ) π₯π (π ) 4.2 Die Gesamtübertragungsfunktion ist gleich der Summe der einzelnen Übertragungsfunktionen. Dieser Zusammenhang taucht immer wieder auf, wenn beispielsweise bei einer Regeleinrichtung verschiedene Charakteristiken zusammenkommen, wie z.B. bei einem PID-Regler. 4.1.3 Kreisstruktur Die Kreisstruktur von Regelkreisgliedern wird durch eine Rückführungsschaltung wiedergegeben. Je nachdem ob die rückgeführte Größe an der Additionsstelle addiert oder subtrahiert wird, handelt es sich entweder um eine Mitkopplung (+) oder um eine Gegenkopplung (-). Abbildung 108: Wirkungsplan als Kreisstruktur Die Übertragungsfunktion der Rückführungsschaltung lässt sich folgendermaßen herleiten: 100 π₯π (π ) = πΊ1 (π )οΏ½π₯π (π ) ± π₯π2 (π )οΏ½ (ππππππ π΅ππππ πππ‘ πΊ1 (π )) Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 π₯π2 (π ) = πΊ2 (π )π₯π (π ) (π’ππ‘ππππ π΅ππππ πππ‘ πΊ2 (π )) Ersetzt man im oberen Block den Term π₯π2 (π ) durch den unteren Block, so ergibt sich: π₯π (π ) = πΊ1 (π )(π₯π (π ) ± πΊ2 (π )π₯π (π )) Durch elementare Umformung erhält man schließlich die Übertragungsfunktion für eine Kreisstruktur: πΊ(π ) = π₯π (π ) πΊ1 (π ) = π₯π (π ) 1 ± πΊ1 (π ) πΊ2 (π ) 4.3 Hierbei handelt es sich um eine Mitkopplung bei negativem Vorzeichen und um eine Gegenkopplung bei positivem Vorzeichen. Betrachtet man die Realisierung einer Gegenkopplung mit Operationsverstärkern, so ergibt sich beispielsweise die Grundschaltung eines nicht invertierenden Spannungsverstärkers. Der Zweig zur Gegenkopplung ist durch die Widerstände R1 und R2 realisiert, wobei R2 gegen Masse geschaltet ist. Das Ausgangssignal wird über R1 zum invertierenden Eingang des OpAmps gegengekoppelt 10. Abbildung 109: OpAmps in Gegenkopplung (links) und Mitkopplung Die Spannungsverstärkung beim OpAmp in Gegenkopplung beträgt lässt sich durch das Verhältnis der Widerstände bestimmen. Hier: Vu = 1 + R2/R1 . Die Eingangsgröße sei die Spannung Ue, die Ausgangsgröße die Spannung Ua .Der Übertragungsbeiwert ist identisch mit der Verstärkung: ππ’ = ππ ππ 4.4 Bei der Mitkopplung ist der OpAmp als Komparator geschaltet. Sein Ausgangssignal wird über den nicht invertierenden Eingang mitgekoppelt. Ein besseres Verständnis dieses wichtigen Zusammenhangs kann durch den direkten Vergleich von zwei gegengekoppelten Systemen erfolgen. Für die folgende Kreisstruktur ist die Verstärkung des Kreises durch die Übertragungsfunktion bekannt: π₯π πΊ1 1 = = 1 π₯π 1 + πΊ1 πΊ2 πΊ1 + πΊ2 Mit ansteigendem G1 vereinfacht sich dieser Zusammenhang zu: 10 Auch mit einem invertierenden Spannungsverstärker lässt sich eine Gegenkopplung realisieren. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 101 1 π₯π ≈ π₯π πΊ2 Abbildung 110: Wirkungsplan zur Gegenkopplung Die o.g. Kreisstruktur lässt sich direkt in den vorgenannten, nicht invertierenden Spannungsverstärker überführen. Die Spannungsverstärkung, also das Verhältnis von π₯ π Ausgangsspannung zu Eingangsspannung war ja gegeben durch: ππ’ = π₯π = 1 + π 2 π 1 Betrachtet man das Widerstandsnetzwerk im Übertragungsglied G2, so ergibt sich folgender Zusammenhang: π₯π2 = πΊ2 π₯π Das Übertragungsglied G2 stellt einen einfachen Spannungsteiler dar: π₯π ~π 1 + π 2 π’ππ π₯π2 ~π 1 πΊ2 = π 1 1 π 2 ππππ =1+ π 1 + π 2 π 1 πΊ2 Abbildung 111: Wirkungsplan zum nicht invertierenden Spannungsverstärker 102 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Die hier dargestellte Kreisstruktur mit Gegenkopplung wird immer dann genutzt, wenn es um sich selbst zu stabilisierende Prozesse geht. 11 Ein einfaches Beispiel aus der Mechanik ist der Fliehkraftregler, der ebenfalls im Sinne einer Wirkungsumkehr arbeitet: je größer ein zu regelnder Dampfdruck wird, umso schneller dreht er und schließt gleichzeitig umso mehr ein Ventil zur Drosselung des Dampfdrucks. Es sei hier angemerkt, dass der Fliehkraftregler als Proportionalregler arbeitet. 4.2 Regelstrecken Bei der Betrachtung einer Regelstrecke ist nicht die physikalische Gegebenheit entscheidend, sondern einzig und allein das zeitliche Verhalten, wobei zur Beschreibung eine Differentialgleichung (DGL) ausreichend ist: ππ₯ ππ₯ 2 ππ₯ 3 π¦(π‘) = π0 π₯ + π1 + π2 + π3 +β― ππ‘ ππ‘ ππ‘ Hier handelt es sich um die allgemeine Form einer inhomogenen DGL. Es liegt beispielsweise eine DGL 1. Ordnung vor, wenn lediglich die Beiwerte a0 und a1 auftauchen (a0 ist nicht zwingend notwendig). Hauptsächlich lassen sich Regelstrecken unterteilen in solche mit Ausgleich und in solche ohne Ausgleich. So entspricht einer zeitverzögerten Regelstrecke mit Ausgleich (PT1) zum Beispiel das Ladeverhalten eines RC-Gliedes (Tiefpass), eine Regelstrecke ohne Ausgleich würde beispielsweise durch eine I-Strecke ausgeführt (Füllstand, Drehzahl, etc.). Bei einer Strecke mit Ausgleich konvergiert die Regelgröße x gegen einen festen Wert betrachtet für π‘ → ∞ , während bei einer Strecke ohne Ausgleich ein stetiges Anwachsen der Regelgröße beobachtet werden kann. 4.2.1 P-Strecke Reine P-Strecken ohne Verzögerung bezeichnet man als Strecken 0. Ordnung. Es tauchen keine zeitrelevanten Terme auf. Bei Beaufschlagung der Eingangsseite mit einer Sprungfunktion folgt die Ausgangsgröße ohne zeitliche Verzögerung proportional der Eingangsgröße. Der Durchfluss von Flüssigkeiten oder von Massenströmen sind einfache Beispiele. Ein technisches Beispiel ist durch einen Spannungsteiler oder durch ein Potentiometer realisiert (siehe Abbildung 112). Hier stellt die Größe U das Eingangssignal und die Größe UR2 das Ausgangssignal dar. Bei einer Änderung der Spannung U folgt die Spannung UR2 in direkter Proportionalität. Abbildung 112: Spannungsteiler als P-Strecke Natürlich lässt sich eine P-Strecke auch mit Hilfe von OpAmps realisieren. Die nachfolgende Abbildung zeigt eine Simulation mit QUCS. Der erste OpAmp (OP1) ist als invertierender 11 Z.B. werden die Stromgegenkopplung oder Spannungsgegenkopplung zur Stabilisierung des Arbeitspunktes bei einer Transistorschaltung genutzt. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 103 Spannungsverstärker geschaltet und liefert über das Widerstandsverhältnis R2 zu R1 den negativen Verstärkungsfaktor der P-Strecke (-kPS = 2), während der 2. Opamp (OP2), ebenfalls als invertierender Verstärker jedoch mit dem mit dem Verstärkungsfaktor -1 geschaltet, schließlich kPS = 2 liefert. Die Strecke wird durch einen Spannungssprung (sprung) angeregt und liefert eine unverzögerte um den Faktor 2 verstärkte Sprungantwort (antwort). Der eingangsseitige Spannungssprung wird mit einer Spannung von 5 V nach 200 ms eingeleitet und nach insgesamt einer Sekunde beendet. Dargestellt ist die graphisch aufgezeichnete Sprungantwort der P-Strecke über die Dauer von 0,5 s (Transientsimulation). Abbildung 113: P-Strecke mit Operationsverstärkern Abbildung 114: Sprungantwort der P-Strecke Übertragen in den regelungstechnischen Bereich bedeutet das: ein sprunghaftes Verstellen der Stellgröße y (Eingangsgröße xe(t)) um y0 bewirkt eine sprunghafte Veränderung der Regelgröße x 104 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 (Ausgangsgröße xa(t)) um den Faktor y0, wobei mit dem Proportionalbeiwert der Strecke kPS zu multiplizieren ist. Seine Differentialgleichung lautet 12: π₯(π‘) = πππ π¦(π‘) π₯π (π‘) = πππ π₯π (π‘) 4.5 Die zugehörige Übertragungsfunktion lautet: πΊ(π ) = π₯π (π ) = πππ π₯π (π ) 4.6 4.2.2 PT1-Strecke Im Rahmen dieser Ausarbeitung wurde immer wieder Bezug genommen auf das Beispiel eines Regelkreisglieds mit PT1-Charakteristik (siehe Kapitel 3.1.7). Eine einfache als Tiefpass geschaltete RCKombination erfüllt diese Charakteristik 13. Bei einem Eingangssprung von o.g. Größe ergeben sich die schon bekannten Gleichungen (siehe Differentialgleichung und Übertragungsfunktion): π1 π₯Μ π (π‘) + π₯π (π‘) = πππ π₯π (π‘) πΊ(ππ) = Oder mit dem Laplace-Operator formuliert: πΊ(π ) = 4.7 πππ 1 + πππ1 πππ 1 + π π1 4.8 Die nachfolgende Abbildung zeigt eine Simulation mit QUCS. Die eigentliche PT1-Strecke besteht im Wesentlichen aus der RC-Kombination R7C3 mit nachgeschaltetem Impedanzwandler (OP3), welcher die Strecke wechselwirkungsfrei hält. Die weiteren Bauelemente sind der vorgenannten Schaltung zur P-Strecke entnommen, um dieser PT1-Strecke einen Verstärkungsfaktor von kPS = 2 zu geben. Auch hier wird der Sprung unter gleichen Bedingungen eingeleitet; die graphische Darstellung der Sprungantwort ist über 2 Sekunden aufgezeichnet worden (Transientsimulation). 12 An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es sich hier streng genommen wirklich um eine inhomogene DGL 0. Ordnung handelt. 13 Es bleibt hier anzumerken, dass die PT1-Strecke zwar schon im Rahmen der mathematischen Grundlagen im Kapitel ausführlich behandelt wurde, hier jedoch ein Nachtrag zur Umsetzung mit Hilfe von OpAmps erfolgt. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 3 105 Abbildung 115: PT1-Strecke mit Operationsverstärkern und Verstärkung von Kps=2 In der Sprungantwort ist neben dem exponentiellen Charakter der Streckenantwort auch die Streckenverstärkung von kPS = 2 bei einem Eingangssprung von xe0 = 5 V zu erkennen. Mit der in dieser Strecke realisierten Zeitkonstanten T = R C lässt sich die Sprungantwort der Strecke mit π‘ mathematisch bestimmen. π₯π (π‘) = πππ π₯π0 οΏ½1 − π −π οΏ½ 4.9 Abbildung 116: Sprungantwort der PT1-Strecke mit Kps=2 In diesem Kontext sei bezüglich der Ortskurven-Darstellung sowie der Wiedergabe im mittels BodeDiagramm auf Abbildung 98 verwiesen. Die grundsätzlichen Zusammenhänge sind in diesem Fall die gleichen. 106 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 4.2.3 PT2-Strecke (nicht schwingfähig) Eine Proportionalstrecke mit einem Verzögerungsglied 2. Ordnung (PT2) kann idealerweise aus der Hintereinanderschaltung von zwei Regelkreisgliedern mit PT1-Verhalten (RC-Kombinationen) realisiert werden (siehe Abbildung 118). Um eine Wechselwirkung der einzelnen RC-Kombinationen auszuschließen, wird ein Impedanzwandler zwischengeschaltet. Da es sich bei dieser Strecke um identische Energiespeicher handelt, ist diese Strecke nicht schwingfähig. Eine schwingfähige PT2Strecke (RLC-Kombination) wird im nachfolgenden Kapitel behandelt. Die Hintereinanderschaltung von zwei Regelkreisgliedern entspricht dem Wirkungsplan einer Reihenstruktur. In diesem Fall multiplizieren sich die einzelnen Übertragungsfunktionen. Das führt zu: πΊ(π ) = π₯π (π ) πππ = π₯π (π ) (1 + π π1 )(1 + π π2 ) π₯π (π ) πππ = π₯π (π ) 1 + π (π1 + π2 ) + π 2 π1 π2 π1 π2 π 2 π₯π (π ) + (π1 + π2 )π π₯π (π ) + π₯π (π ) = πππ π₯π (π ) Nach der Transformation aus dem Bild- in den Originalbereich ergibt sich die Differentialgleichung dieser PT2-Strecke zu: π1 π2 π₯Μ (π‘) + (π1 + π2 )π₯Μ π (π‘) + π₯π (π‘) = πππ π₯π (π‘) Es sollte keine Schwierigkeiten bereiten, aus der Übertragungsfunktion den Frequenzgang mit Realund Imaginärteil zu bestimmen. Abbildung 117 zeigt, dass die daraus resultierende Ortskurve im 3. und 4. Quadranten der komplexen Zahlenebene verläuft. Bei π = 0 ergibt sich der volle Betrag von KPS als Realteil, während sich bei der Eckfrequenz ein Wert οΏ½π π 1 2 von πΎππ β π +π einstellt. Bezüglich Abbildung 117 ergibt sich ein KPS-Wert von 1, während er bei 1 2 Erreichen der Eckfrequenz bei -0,4 liegt (Betrag beachten!). Die Zeitkonstanten T1 und T2 liegen bei 0,1s bzw. 0,4s. Auch hier lässt sich wieder mit Hilfe von QUCS ein Schaltungsaufbau darstellen, der bezogen auf das Verhalten einer nicht schwingfähigen PT2-Strecke die o.g. Zusammenhänge vertiefen kann (siehe Abbildung 117). Das daraus folgende Bode-Diagramm zeigt den Amplitudengang und den Phasengang der nicht schwingfähigen wechselwirkungsfreien PT2-Strecke. Auch hier gibt der Amplitudengang den Betrag des Frequenzgangs G in Abhängigkeit der Kreisfrequenzω in der Einheit dB (out_dB) wieder. Die Eckfrequenz ωE ist im Phasengang (ph_out) deutlich bei π = −90° erkennbar und korreliert im Amplitudengang ebenfalls mit ππΈ = 5π −1. Sie entspricht der Berechnung der Zeitkonstanten T des Gesamtsystems durch den Formalismus: 1 1 = ππΈ = π οΏ½π1 π2 Auf den ersten Blick sehen die Amplitudengänge für eine PT1- und eine PT2-Strecke identisch aus. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich bei der PT2-Strecke um eine Dämpfung von -40 dB je Dekade handelt. Bei einer PT1-Strecke ergibt sich lediglich eine Dämpfung von -20 dB je Dekade. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 107 Abbildung 117: Ortskurve, PT2-Regelkreisglied (wechselwirkungsfrei) In der o.g. Übertragungsfunktion selbst ist eine für PT2-Regelkreisglieder entscheidende Größe enthalten: die Dämpfung D. Da in der beschreibenden DGL zwei verschiedene Zeitkonstanten vorkommen, kann diese Regelstrecke bei zwei unterschiedlichen Bedingungen betrachtet werden: • • D = 1: aperiodischer Grenzfall (T1 = T2) D > 1: Aperiodischer Schwingfall (T1 ≠ T2) Die Dämpfung ist dabei folgendermaßen definiert: π·= πΌ π½ 4.10 Die Größen α und β ergeben sich aus der Übertragungsfunktion der PT2-Strecke: 108 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 πΊ(π ) = πππ πππ 1 = β π1 + π2 (1 + π π1 )(1 + π π2 ) π1 π2 1 2 π1 π2 + π β π1 π2 + π Setzt man jetzt die folgenden Abkürzungen ein 2πΌ = π1 + π2 1 π’ππ π½ 2 = π1 π2 π1 π2 So ergibt sich für die Dämpfung dieser Strecke: π·= 1 π1 π2 = οΏ½οΏ½ + οΏ½ οΏ½ π1 2οΏ½π1 π2 2 π2 π1 + π2 4.11 Im o.g. konkreten Fall würden sich mit T1=0,1s und T2=0,4s die folgenden Größen ergeben: πΌ = 6,25; π½ = 5; π· = 1,25 Somit ist die Dämpfung D>1 und es liegt ein aperiodischer Fall vor. Für gleiche Zeitkonstanten T1 = T2 folgt, dass die Dämpfung D = 1 ist. Die drei nachfolgenden Graphiken wurden mit QUCS erzeugt und stellen neben dem Aufbau einer wechselwirkungsfreien PT2-Strecke auch deren Sprungantworten (aperiodischer Grenzfall bzw. aperiodische Schwingung) dar: Abbildung 118: Wechselwirkungsfreie PT2-Strecke mit Operationsverstärkern Die mit den RC-Kombinationen realisierten Zeitkonstanten sind gleich und entsprechen jeweils 0,1 s (in diesem Zusammenhang siehe auch Kapitel 1.3.8). Der zweite Operationsverstärker (OP2) in der obigen Abbildung ist in diesem Fall nicht unbedingt notwendig, entkoppelt die Strecke jedoch von nachfolgenden niederohmigen Einflüssen. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 109 Abbildung 119: Sprungantwort der PT2-Strecke (gleiche Zeitkonstanten) Betrachtet man die wechselwirkungsfreie PT2-Strecke aus Abbildung 118 so lässt sich die folgende Gleichung zu ihrer Beschreibung aufstellen, was im Weiteren näher erläutert wird: π1 π2 π₯Μ π (π‘) + (π1 + π2 )π₯Μ π (π‘) + π₯π (π‘) = πππ π₯π (π‘) 4.12 Im Bildbereich ergibt sich mit KPS=1 und nach Beaufschlagung mit einer Sprungfunktion: 1 π1 π2 π 2 π₯π (π ) + (π1 + π2 )π π₯π (π ) + π₯π (π ) = π₯π0 π Sind jetzt beide Zeitkonstanten gleich, so folgt: 1 π 2 π 2 π₯π (π ) + (2π)π π₯π (π ) + π₯π (π ) = π₯π0 π Als Lösungsansatz ergibt sich: 1 π₯π (π ) β (π 2 π 2 + 2ππ + 1) = π₯π0 π 1 1 π₯π (π ) = π₯π0 β 2 2 π (π π + 2ππ + 1) 4.13 Zwei hintereinander geschaltete Übertragungsglieder stellen zwei in Reihe geschaltete Vierpole dar. Die einzelnen Übertragungsfunktionen der beiden Regelkreisglieder werden multipliziert und führen so zu einer Gesamtübertragungsfunktion (siehe Kapitel 4.1.1). Mit Rückgriff auf die Laplace-Transformierte einer PT1-Strecke (siehe Gleichung 4.8) wird sich die Laplace-Transformierte durch Multiplikation ergeben zu: 1 1 1 β = (1 + π π1 ) (1 + π π2 ) (1 + π (π1 + π2 ) + π 2 π1 π2 ) Mit gleichen Zeitkonstanten (T1=T2=T) folgt: 110 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 1 1 1 1 β = = (1 + π π) (1 + π π) (1 + π π)2 (1 + π 2π + π 2 π 2 ) 4.14 Dieser Formalismus zeigt, dass die intuitive Generierung von Gleichung 4.12 richtig war. Die Transformation von Gleichung 4.13 aus dem Bildbereich wieder zurück in den Realbereich ergibt unter Verwendung der Korrespondenztabelle: π‘ 1 π‘ → 1 − οΏ½1 + οΏ½ π −π 2 π (1 + π π) π Damit ergibt sich als Lösung bei einem Einheitssprung: π‘ π‘ π₯π (π‘) = πππ οΏ½1 − οΏ½1 + οΏ½ π −π οΏ½ π 4.15 Um die Verzugs- und die Ausgleichszeiten zu bestimmen sind die Ableitungen notwendig. Es ergeben sich (u.a. Produktregel beachten): π‘ πππ β π‘ β π −π 2 π π‘ π‘ πππ π₯Μ π (π‘) = 2 οΏ½1 − οΏ½ π −π π π π‘ π‘ πππ π₯βπ (π‘) = 3 οΏ½−2 − οΏ½ π −π π π π₯Μ π (π‘) = 4.16 4.17 4.18 Aus Gründen der besseren graphischen Darstellbarkeit wird jetzt mit einer Zeitkonstanten von T=0,22s gerechnet. Die zweite Ableitung wird mit der Randbedingung π₯Μ π (π‘) = 0 gelöst, das Ergebnis anschließend in π₯π (π‘) eingesetzt. Es ergeben sich die Koordinaten des Wendepunktes zu: ππ€ = (0,22|0,264) Die erste Ableitung ergibt mit t=0,22 eine Steigung von 1,672. Eingesetzt in die allgemeine Geradengleichung ergibt sich der Schnittpunkt mit der Ordinaten zu: -0,1039. Damit lautet die Geradengleichung der Wendetangente: π₯π€ (π‘) = 1,672 β π‘ − 0,1039 Der Schnittpunkt der Wendetangente mit der Abszisse gibt die Verzugszeit in Sekundenwieder: ππ’ = 0,0621π Der Schnittpunkt der Wendetangente mit dem Verstärkungsbeiwert der Strecke KPS=1 ergibt sich zu 0,6602 s. Von diesem Wert ist die Verzugszeit abzuziehen und somit ergibt sich eine Ausgleichszeit von: ππ = 0,5981π Die nachfolgende Abbildung soll nochmals in graphischer Form den vorgenannten Zusammenhang verdeutlichen. Es ist klar erkennbar, dass der Wendepunkt in der 1. Ableitung (grau) zum Extrempunkt und in der 2. Ableitung (magenta) zum Nullpunkt wird, der wiederum bei genau 0,22s liegt. Es ergibt sich ein Verhältnis von Verzugszeit zu Ausgleichszeit von ca. 0,1. Betrachtet man die Kriterien zur Regelbarkeit im nachfolgenden Kapitel 4.2.3.1, so ist eine solche Strecke gut regelbar. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 111 Abbildung 120: Ableitungen der Sprungantwort einer nicht schwingfähigen PT2-Strecke Im Gegensatz dazu ist für ungleiche Zeitkonstanten T1 ≠ T2 die Dämpfung D immer größer als Eins. Mittels Gleichung 4.11 lässt sich dieser Zusammenhang leicht überprüfen. Der Einfachheit halber wird das Verhältnis der Zeitkonstanten durch a ersetzt, dann in den Formalismus für D eingesetzt und anschließend graphisch dargestellt. π1 1 1 π = οΏ½ , π· = οΏ½π + οΏ½ π2 2 π Abbildung 121: Dämpfungsminimum bei gleichen Zeitkonstanten Das lokale Minimum bei gleichen Zeitkonstanten impliziert, dass die Dämpfung für ungleiche Zeitkonstanten in der Tat immer größer als Eins ist. 112 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Um den aperiodischen Fall darzustellen, sind lediglich die Zeitkonstanten der RC-Kombinationen zu verändern. Die nachfolgende Abbildung zeigt diesen Zusammenhang für unterschiedliche Kombinationen von Zeitkonstanten. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Lösungen der nunmehr zugrunde liegenden Differentialgleichungen nicht mehr ganz so einfach sind, wie gerade noch gezeigt, da die Ordnung der Strecke sich als Potenz des Nenners wiederfindet (siehe Gleichung 4.14). Abbildung 122: Sprungantworten von PT2-Strecke mit unterschiedlichen Zeitkonstanten 4.2.3.1 Kriterien zur Regelbarkeit Berücksichtigt man nun, wie in Abbildung 120 eingezeichnet, die Wendetangente, so unterteilt diese die Abszisse in zwei Abschnitte: • • Tu Verzugszeit Tg Ausgleichszeit Das Verhältnis von Verzugszeit zu Ausgleichszeit lässt erkennen, wie gut eine Regelstrecke regelbar ist. Hier einige Erfahrungswerte: ππ’ ππ ππ’ ππ ππ’ ππ • • • < 1 10 > 1 3 π’π ππ’π‘ ππππππππ 1 6 πππβ ππππππππ π πβπ€ππ ππππππππ In Abbildung 123 ist qualitativ die Reaktion einer PTn-Strecke auf einen Eingangssprung hin dargestellt. Die Temperaturregelstrecke ist hier die Warmwasser-Zentralheizungsanlage. Die einzelnen Kurvenzüge zeigen von links nach rechts: - Einschalten des Brenners (Eingangssprung der Stellgröße, rot), Erwärmung des Kessels, Temperaturanstieg des Kesselwassers, Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 113 - Temperaturanstieg in den Leitungen, Temperaturanstieg am Heizkörper, Anstieg der Raumtemperatur, Temperaturanstieg im Fühler des Temperatursensors. Abbildung 123: Temperaturregelstrecken höherer Ordnung Hier wird deutlich, dass Temperaturregelstrecken als Regelstrecken höherer Ordnung nur sehr langsam einer Änderung der Stellgröße folgen. 4.2.4 PT2-Strecke (schwingfähig) Bei einer schwingfähigen PT2-Strecke sind prinzipiell drei Fälle zu betrachten, von denen jedoch lediglich der Fall der gedämpften Schwingung (0 < D < 1) näher untersucht werden soll: • • • 0 < D < 1: gedämpfte Schwingung, es gilt πΌ < π½ D = 0: ungedämpfte Dauerschwingung, es gilt πΌ = 0 D < 0: aufklingende Schwingung, es gilt πΌ < 0 Kennzeichen einer schwingfähigen PT2-Strecke sind zwei unterschiedliche Energiespeicher. Ein Energiespeicher sei dabei beispielsweise eine RC-Kombination und ein zweiter eine LR-Kombination. Eine LR-Kombination zeigt prinzipiell das gleiche zeitliche Verhalten wie eine RC-Kombination. Ein einfaches Beispiel ist in der folgenden Abbildung wiedergegeben. Abbildung 124: Sprungantwort einer LR-Kombination als PT1-Strecke 114 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Nachteilig bei einer LR-Kombination als Zeitglied ist dabei die Dimensionierung der Bauteile, wenn man große Zeitkonstanten erreichen möchte. Die Zeitkonstante T1 errechnet sich durch π1 = πΏ π Der Wert des Widerstands R muss also sehr klein werden bei einem großem Wert der Induktivität L. Werden jetzt zwei dieser Energiespeicher wechselwirkend hintereinander geschaltet, so wird bei Anregung durch eine periodische Schwingung die Energie zwischen den beiden Energiespeichern hin und hergeschoben. Dieser Prozess ist zwar prinzipiell auch bei zwei miteinander in Wechselwirkung stehenden RC-Gliedern gegeben, aber es kommt dort nicht zu einer Schwingfähigkeit. Der Grund ist in den am Vorgang beteiligten Blindwiderständen zu suchen: erst bei einer PT2-Strecke, die aus 1 einem RC-Glied und einem LR-Glied bestehen, können sich die kapazitiven οΏ½ οΏ½ und induktiven (ππΏ) ππΆ Blindwiderstände aufheben, da sie dann im Zeigerdiagramm in einem Winkel von 180° zueinander stehen. In diesem Fall befindet sich das System in Resonanz und seine Phasenverschiebung ist Null! Siehe hierzu auch: http://elektroniktutor.de/grundlagen/zeiger.html Abbildung 125: PT2-Strecke, Parallelschwingkreis in Resonanz Es lässt sich zeigen, dass der Parallelschwingkreis im Wesentlichen eine echte Parallelschaltung aus R1, C1 und L1 ist. Damit liegt an allen Komponenten immer die gleiche Spannung an, während sich der Strom verteilt. Im Resonanzfall heben sich die Ströme von Kondensator und Spule gegenseitig auf. So wird der Strom gesperrt bei gleich bleibender Spannung über den einzelnen Bauelementen. Damit wird die Resonanzfrequenz gesperrt. Aus diesem Grund nennt man den Parallelschwingkreis auch Sperrkreis. Beim Reihenschwingkreis sieht es ähnlich aus. Nur heben sich im Resonanzfall jetzt nicht die Amplituden der Ströme auf, sondern die der Spannungen. So heben sich die Spannungen in ihrer Summe auf, wobei lediglich die Resonanzfrequenz den Schwingkreis ungehindert durchläuft. Deshalb nennt man den Reihenschwingkreis auch Leitkreis. Da der Reihenschwingkreis in der Regelungstechnik etwas einfacher zu handhaben ist, soll in den weiteren Ausführungen dieser Schwingkreis als Beispiel für eine schwingfähige PT2-Strecke betrachtet werden. Der Reihenschwingkreis als RLC-Glied lässt sich beispielsweise mathematisch (relativ) einfach beschreiben. In den nachfolgenden beiden Abbildungen sind der Schaltungsaufbau und die zugehörige Sprungantwort dargestellt: Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 115 Abbildung 126: Schwingfähige PT2-Strecke realisiert durch eine RLC-Kombination Abbildung 127: Sprungantwort einer schwingfähigen PT2-Strecke (0 < D < 1) Die Regelstrecke reagiert auf eine sprungförmige Änderung der Eingangsgröße mit einer gedämpften Schwingung als Ausgangsgröße. Es folgt eine mathematische Betrachtung dieser Zusammenhänge. Abbildung 128: RLC-Kombination Für den o.g. Schaltplan einer RLC-Kombination ergibt sich die Gleichung: 116 −ππ΅ππ‘ + ππ (π‘) + ππΏ (π‘) + ππΆ (π‘) = 0 4.19 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Dabei gelten die folgenden Zusammenhänge: ππ (π‘) = π β πΌ(π‘) π’ππ ππΏ (π‘) = πΏ β Weiter ist zu beachten: ππΆ (π‘) = ππΌ 1 π ππ€ππ ππΆ (π‘) = οΏ½ πΌ ππ‘ ππ‘ πΆ π‘ πππ 1 ππΌ πππΆ2 1 οΏ½ πΌ ππ‘ → = βπΌ → =πΆβ 2 ππ‘ ππ‘ πΆ ππ‘ πΆ π‘ Da UC(t) identisch ist mit xa(t) und UBat identisch ist mit kPS*xe(t) , folgt: π₯π (π‘) + π πΆ β π₯Μ π (π‘) + πΏπΆ β π₯Μ π (π‘) = πππ π₯π (π‘) π₯π (π‘) + π1 π₯Μ π (π‘) + π22 π₯Μ π (π‘) = πππ π₯π (π‘) 4.20 π₯π (π ) + π1 π π₯π (π ) + π22 π 2 π₯π (π ) = πππ π₯π (π ) 4.21 Diese DGL wird jetzt mittels Laplace-Transformation auf den Bildbereich umgeschrieben: Durch algebraische Umformung erhält man jetzt die Übertragungsfunktion der Regelstrecke: πΊ(π ) = Mit den Abkürzungen πππ πππ 1 π₯π (π ) = = 2 β 2 2 π₯π (π ) 1 + π1 π + π2 π π2 π 2 + π π1 + 1 π22 π22 2πΌ = ergibt sich die Dämpfung der Strecke zu: π1 1 2 2 π’ππ π½ = 2 π2 π2 π·= πΌ π1 = π½ 2π2 4.22 Betrachtet man die Rücktransformation aus dem Bildbereich in den Originalbereich, so ergibt sich für den Fall 0 < D < 1 mittels Korrespondenztabelle: π₯π (π‘) = πππ 1 −πΌπ‘ β βπ β sin ππ‘ π2 2 π 4.23 Bezogen auf die vorgenannte schwingfähige Regelstrecke ergeben sich die folgenden Zeitkonstanten aus der Wahl der elektronischen Bauelemente: π1 = π β πΆ = 220ππ π’ππ π2 = √πΏ β πΆ = 469ππ 4.24 Damit ergibt sich eine Dämpfung von π· = 0,23 Auch hier lässt sich wieder mit Hilfe von QUCS ein Schaltungsaufbau darstellen, der bezogen auf das Verhalten einer schwingfähigen PT2-Strecke die o.g. Zusammenhänge vertiefen kann. Das daraus folgende Bode-Diagramm zeigt den Amplitudengang und den Phasengang der schwingfähigen PT2- Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 117 Strecke. Auch hier gibt der Amplitudengang den Betrag des Frequenzgangs G in Abhängigkeit der Kreisfrequenz ω in der Einheit dB wieder. Betrachtet man das nachfolgende Bode-Diagramm, so ergibt sich eine Eckfrequenz ωE von etwas mehr als 2000 s-1. Eine Bestätigung liefert der Kehrwert der Zeitkonstanten T2, der genau der Eckfrequenz entspricht; daraus folgt: ππΈ = 1 = 2132 π −1 π2 Es sei angemerkt, dass eine Verringerung des T1 bestimmenden Widerstandes R auch die Dämpfung D verringert, d.h. der im Amplitudengang ausgeprägte Peak wird sich deutlich erhöhen, die Regelstrecke wird in die Nähe der Resonanz geführt. Das Zustandekommen der Schwingfähigkeit hängt mit den unterschiedlichen Energiespeichern von Induktivität und Kondensator zusammen. Die zugeführte Energie wird zwischen diesen beiden Speichern transferiert, wobei der Widerstand R jeweils einen Teil dieser Energie in Joulesche Wärme umsetzt und somit zur Dämpfung der Strecke beiträgt. 14 Im Amplitudengang ist daher auch eine deutliche Anhebung auf Höhe der Eckfrequenz erkennbar. Sie wäre bei kleinerem R deutlich ausgeprägter und würde den Reihenschwingkreis in eine (fast) ungedämpfte Resonanz führen. 14 Zum tieferen Verständnis der Zusammenhänge sollte das Zeigerdiagramm des Reihenschwingkreises betrachtet werden. 1 der kapazitive und der induktive Blindwiderstand betragsmäßig Man würde feststellen, dass bei der Eckfrequenz ππΈ = √πΏβπΆ gleich sind. Da die Zeiger jedoch entgegengesetzt gerichtet sind, heben sich die Blindanteile auf und es wirkt nur noch der ohmsche Wirkwiderstand R. Mit sinkendem R sinkt auch die Dämpfung und der Reihenschwingkreis gerät mehr und mehr in Resonanz. Das Tiefpass-Verhalten, bedingt durch die RC-Kombination wird durch die Induktivität weiter verstärkt, so dass der Amplitudengang bei zunehmender Kreisfrequenz jetzt doppelt so schnell abfällt, wie bei nur einem Speicherglied, nämlich mit −40ππ΅ je Dekade. Dieser Verlauf des Amplitudengangs ist gleichzeitig ein charakteristisches Merkmal einer PT2-Strecke. 118 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 129: Ortskurve und Bode-Diagramm einer schwingfähigen PT2-Strecke Die nachfolgende Abbildung gibt noch einmal zusammengefasst das Übergangsverhalten einer PT2Strecke bei verschiedenen Dämpfungen wieder als Reaktion auf eine Eingangssprungfunktion (blau). Dargestellt sind die gedämpfte Schwingung (rot: D=0,23), der aperiodische Grenzfall (orange: D=1), der aperiodische Schwingfall (magenta: d=1,25) und die ungedämpfte Schwingung (grün: D=0). Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 119 Abbildung 130: Übergangsverhalten einer PT2-Strecke bei verschiedenen Dämpfungen Es sei in diesem Zusammenhang auf die Schwingungslehre (erzwungene Schwingungen, Resonanz, etc.) verwiesen. Auch hier sind inhomogene DGL 2. Ordnung die beschreibenden Gleichungen (siehe beispielsweise http://www.walter-fendt.de/ph14d/resonanz.htm ). 120 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 4.2.5 I-Strecke Ein klassisches Beispiel für eine I-Strecke ohne Verzögerung ist der Wasserbehälter einer Füllstandregelung. Die nachfolgenden Abbildungen zeigen eine solche Füllstandregelstrecke, die zur Quantifizierung des Füllstandes als Zylinderkondensator ausgeführt ist. Der Zufluss in diese Strecke sei Q(t), der Abfluss Qa(t). Abbildung 131: Füllstandstrecke als Zylinderkondensator Der Zufluss dieser Strecke wird über ein pneumatisch betriebenes Ventil gesteuert, wobei der Zufluss Qe(t) umgekehrt proportional zum Ventilhub ist (je grösser der Druck auf das Ventil, umso mehr schließt es sich). Es wird daher im Folgenden mit einem invertierten Ventilhub gerechnet, der zusätzlich um einen Ruhewert korrigiert wurde. Die nachfolgenden Abbildungen zeigen oben den korrigierten und invertierten Ventilhub Vki in Abhängigkeit vom Steuerdruck PS und unten den Durchfluss Q in Abhängigkeit vom Ventilhub Vki. Der Ventilbeiwert von k = 5702 mm2/s bezieht sich auf eine Zylindergrundfläche von 6833 mm2. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 121 Abbildung 132: Ventilhub in Abhängigkeit vom Steuerdruck Abbildung 133: Bestimmung des Ventilbeiwerts Mit den vorgenannten Größen ergibt sich die Abhängigkeit der Eingangsseite: π(π‘) = π πππ Betrachtet man den Fall eines ungleichen Zu- und Abflusses, so ergibt sich die zeitliche Volumenänderung im Behälter zu: 122 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Durch Integration erhält man: ππ(π‘) πβ = π(π − π)2 = π(π‘) − ππ (π‘) ππ‘ ππ‘ β(π‘) = 1 οΏ½[π(π‘) − ππ (π‘)] ππ‘ + πΆ π(π − π)2 Die Integrationskonstante C ergibt sich aus der Anfangsbedingung eines konstanten Zu- und Abflusses bei fest eingestelltem Ventilhub zu C = b, wobei b der Füllhöhe im Zylinder entspricht. Mit dem zugehörigen Ventilhub Vki = Vki1 ergibt sich dann: β(π‘) = 1 οΏ½[π πππ (π‘) − π πππ1 ] ππ‘ + π π(π − π)2 Umgestellt ergibt die obige Gleichung: β(π‘) − π = π οΏ½[πππ (π‘) − πππ1 ] ππ‘ π(π − π)2 Berücksichtigt man jetzt, dass die Differenz h(t) - b nichts anderes als die Ausgangsgröße xa(t) ist und die Differenz unter dem Integral die Eingangsgröße xe(t) darstellt, so ergibt sich mit dem Integrierbeiwert der Strecke letztlich: ππΌπ = π π(π − π)2 π₯π (π‘) = ππΌπ οΏ½ π₯π (π‘) ππ‘ 4.25 Das ist genau die Differentialgleichung, die ein integrales Verhalten einer Regelstrecke beschreibt. Berücksichtigt man jetzt die im Kapitel 3.2.5 gemachten Angaben für die Laplace-Transformierte eines Integrals πΏ οΏ½οΏ½ π₯π (π‘)ππ‘οΏ½ = 1 π₯ (π ) π π So ergibt sich die Übertragungsfunktion für eine I-Strecke ohne Verzögerung zu: πΊ(π ) = π₯π (π ) ππΌπ = π π₯π (π ) Bezogen auf die vorgenannte Füllstandregelung beschreibt die nachfolgende Abbildung die Änderungsgeschwindigkeit in Abhängigkeit vom Ventilhub. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 123 Abbildung 134: Bestimmung des Integrierbeiwerts der I-Strecke Durch dieses Verfahren lässt sich der Integrierbeiwert der Strecke zu kIS = 0,834 s-1 bestimmen. Mit Änderungsgeschwindigkeit ist der Quotient von Durchfluss zu Füllzeit bei festem Ventilhub gemeint. Die hier gemessenen Abweichungen betragen lediglich 2,3%. Die folgende Abbildung zeigt das Messprotokoll zur Aufnahme der Streckencharakteristik bei einem Eingangssprung. Am Verlauf des Füllstandes ist deutlich das I-Verhalten der Strecke zu erkennen. Abbildung 135: Messprotokoll zur Streckencharakteristik I-Strecke 124 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Betrachtet werden soll auch hier ein Schaltungsaufbau mittels QUCS, sowie die resultierende Ortskurve mit Bode-Diagramm. OP1 liefert die eigentliche integrale Charakteristik (jedoch invertierend), während OP2 für eine Aufhebung der Invertierung ohne Verstärkung sorgt. Der Integrierbeiwert der Strecke ist durch die Wahl von R1 und C1 bestimmt und liegt bei: ππΌπ = 1 1 = = 0,833π −1 π 1 πΆ1 2000Ω β 600ππΉ Abbildung 136: Ortskurve und Bode-Diagramm einer I-Strecke Die Betrachtung der Übertragungsfunktion bezogen auf den Real- und den Imaginärteil ergibt einen Realteil von Re(G) = 0, während sich der Imaginäranteil ergibt zu 15: 15 π Der Phasengang bleibt daher bedingt durch den fehlenden Realteil bei − = −90° konstant. Die Ortskurve bleibt daher 2 ebenfalls lediglich auf den Imaginärteil beschränkt und läuft mit zunehmendem ω auf den Koordinatenursprung zu. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 125 πΌπ(πΊ) = −ππΌπ 1 π Die Aufnahme der Sprungantwort zeigt deutlich das integrale Verhalten der Strecke: der nach 200 ms erfolgende Eingangssprung lässt als Sprungantwort das Ausgangssignal unverzögert linear ansteigen. Nach Rücknahme des Eingangssprungs (nach 3 s) verharrt die Sprungantwort im einmal erreichten Zustand. Abbildung 137: Sprungantwort eines Regelkreisglieds mit I-Verhalten Kurze Herleitung: die allgemeine Form der Übertragungsfunktion G(t) lautet: πΊ(π‘) = π₯π (π‘) π₯π (π‘) Hierbei ist G(t) bestimmt durch den Integrierbeiwert (kI) der Strecke. Die Eingangsgröße selbst entspricht dem integralen Verhalten der Strecke: auf einen Eingangssprung wird mit einer zeitlichen Änderung der Ausgangsgröße reagiert, was im Umkehrschluss bedeutet, dass die Ausgangsgröße das zeitliche Integral der Eingangsgröße wiedergibt. π₯π (π‘) = ππΌ β οΏ½ π₯π (π‘)ππ‘ Die Laplace-Transformierte eines Integrals (siehe Gleichung 3.10) ergibt: Oder: π₯π (π ) = ππΌ β 1 β π₯ (π ) π π πΊ(π ) = 126 ππΌ π Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 4.2.6 Strecken mit Totzeit Die Zeit, die vergeht, bis ein regelungstechnisches System als Antwort auf Änderung seiner Eingangsgröße die Änderung seiner Ausgangsgröße wiedergibt, wird bei Betrachtung einer Regelstrecke als Totzeit Tt bezeichnet. Totzeiten führen zu einem wesentlich schlechteren Regelverhalten (Positionsregelung eines Satelliten). Bei Totzeiten handelt es sich immer um Laufzeiten, die an physikalische Strecken gebunden sind (Förderband) 16. Es handelt sich nicht um beispielsweise Verzögerungseffekte, die durch Gatterlaufzeiten oder Massenträgheiten zustande kommen. Betrachtet werden soll eine Luft-Temperatur-Regelstrecke, wobei die Temperatur eines HeissluftGebläses geregelt werden soll. Die Regelstrecke sieht folgendermaßen aus (siehe Link http://www.control.tu-berlin.de/images/9/99/PR_Grundlagen_3.pdf ): Die Aufnahme der Sprungantwort der Strecke lieferte das folgende Diagramm: Deutlich ist zu erkennen, dass die Strecke erst nach ca. 20 Sekunden das typische Antwortverhalten zeigt. Die Übertragungsfunktion eines reinen Totzeitgliedes sei an dieser Stelle ohne Herleitung erwähnt: πΊ(π ) = π −π ππ‘ 16 Auch Strecken höherer Ordnung (PTn) lassen sich durch solche mit Totzeit ersetzen. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 127 4.3 Stetige Regelglieder Ganz allgemein betrachtet werden Regelglieder mittels Wirkungsplan. Der Wirkungsplan zeigt ein einfaches System, das eine Eingangsgröße xe(t, jω, s) und eine Ausgangsgröße xa(t, jω, s) besitzt, wobei die Ausgangsgröße durch das Übertragungsverhalten des Regelglieds bestimmt ist. Abbildung 138: Allgemeiner Wirkungsplan zum Übertragungsverhalten eines Regelglieds Untersucht werden die Regelglieder mit folgendem Verhalten: • • • • • • P-Verhalten (Proportional), P-Regelglied I-Verhalten (Integral), I-Regelglied D-Verhalten (Differential), D-Regelglied PI-Verhalten, PI-Regelglied PD-Verhalten, PD-Regelglied PID-Verhalten, PID-Regelglied Die einzelnen Regelglieder werden nach folgender Systematik behandelt: • • • • • • • • Wirkungsplan Mathematische Beschreibung im Originalbereich Mathematische Beschreibung im Bildbereich Schaltungsaufbau mit Operationsverstärkern Übergangsverhalten Übertragungsverhalten Alternativer Schaltungsaufbau mit Operationsverstärkern (PI, PD und PID) Berechnungsaffinitäten Mit Bezug zu Abbildung 103 gehören zu einer Regeleinrichtung: • • • • der Sollwerteinsteller (Vorgabe der Führungsgröße w) der Vergleicher (vergleicht zwischen Soll- und Istwert und bildet die Regelabweichung e=w-x) das Regelglied (Eingang ist die Regelgröße xe, Ausgang ist die Stellgröße yR) der Steller (Eingang ist die Stellgröße yR) 4.3.1 P-Regelglied Auf einen Eingangssprung reagiert das Proportional-Regelglied (P-Regelglied) mit einem unverzögerten Ausgangssprung. Der Übertragungsbeiwert des P-Regelglieds bestimmt sich aus dem Verhältnis von Ausgangs- zu Eingangsgröße. Die Eingangsgröße xe stellt hier die Regelabweichung e=w-x dar. Die Ausgangsgröße xa ist identisch mit der Stellgröße yR. Abbildung 139: Wirkungsplan des P-Regelglieds Damit ergibt sich aus dem Wirkungsplan des P-Regelglieds: 128 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 π¦π (π‘) = πππ π(π‘) Und damit die Gleichung des P-Regelglieds für den Originalbereich: π¦π (π‘) = πππ π(π‘) 4.26 Als Übertragungsfunktion im Bildbereich erhält man in Analogie dazu: πΊπ (π ) = π¦π (π ) = πππ π(π ) Und so auch die Gleichung des P-Regelglieds für den Bildbereich: π¦π (π ) = πππ π(π ) Bei einem Operationsverstärker (OP1), der als invertierender Spannungsverstärker geschaltet ist (siehe Abbildung 140), ergibt sich die Verstärkung durch das Verhältnis von Ausgangs- zu Eingangsspannung; diese ist allerdings negativ, weshalb das Signal noch durch einen zweiten Operationsverstärker (OP2) mit einer Verstärkung von -1 zu invertieren ist: ππ’ = π’_ππ’π‘ π’_ππ Abbildung 140: P-Regelglied mit Operationsverstärkern Damit liegt der Wert für die Verstärkung, in diesem Fall der Proportionalbeiwert des P-Regelglieds, fest; er beträgt hier, auch bedingt durch die doppelte Invertierung: πππ = π 2 π 1 Schon im Kapitel P-Strecke ist durch Abbildung 113 die Reaktion eines Regelkreisglieds mit PCharakteristik dargestellt. Es gibt seitens des Aufbaus mittels Operationsverstärkern keinerlei Unterschiede, ob es sich jetzt um eine P-Strecke oder um ein P-Regelglied handelt (bis auf die Vorzeichenumkehr, die letztlich auch eine Frage der Definition des Eingangssignals ist). Daher kann durch Abbildung 114 die Antwort eines P-Regelglieds auf einen Führungssprung wiedergegeben werden. In später folgenden Kapiteln wird die Eigenschaft der bleibenden Regelabweichung beim P-Regelglied deutlich werden. An dieser Stelle sei lediglich darauf verwiesen, dass ein P-Regelglied eine Stellgröße π¦π (π‘) immer proportional zur Regelabweichung π(π‘) einstellt. Wenn allerdings die Regelabweichung Null ist, gibt es auch nichts mehr zu regeln. Er regelt eine Störung nicht aus, sondern verharrt in seiner neuen Position. Somit wird die alte Sollwertposition nicht mehr erreicht, das Regelglied verbleibt bei einem neuen Wert. Dieser neue Wert (bleibende Regelabweichung) bleibt so lange Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 129 bestehen, bis eine neue Störung eintritt. Mathematisch wird diese Problematik im Kapitel 5.3 behandelt, insbesondere bzgl. der bleibenden Regelabweichung. Da das P-Regelglied frequenzunabhängig arbeitet, existiert für die Ortskurve lediglich ein einziger Punkt auf der realen Achse, der wiederum einzig durch den Proportionalbeiwert kPR bestimmt ist. Dementsprechend verläuft der Amplitudengang parallel zur Abszisse im Abstand des Proportionalbeiwertes und der Phasengang bleibt konstant Null. Abbildung 141: Ortskurve und Bode-Diagramm eines P-Regelglieds Es sei an dieser Stelle schon im Vorgriff darauf hingewiesen, dass der P-Regler in Verbindung mit einer I-Strecke keine bleibende Regelabweichung liefert (siehe Kapitel 5.6). 4.3.2 I-Regelglied Das Integral-Regelglied (I-Regelglied) reagiert auf einen Eingangssprung mit einer konstanten Änderungsgeschwindigkeit seiner Ausgangsgröße. Dabei ist diese Änderungsgeschwindigkeit umso größer, je stärker der Eingangssprung ausgeprägt ist. Betrachtet werde wiederum ein Operationsverstärker, der dieses Mal als Integrierer geschaltet ist. Bei der vorhergegangenen 130 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Betrachtung der I-Strecke wurde die zugehörige Differentialgleichung hergeleitet. Für das IRegelglied ergibt sich ein identisches Bild mit Bezug zu Kapitel 4.2.5: Abbildung 142: Wirkungsplan eines I-Regelglieds In Analogie zum vorhergehenden Kapitel ergibt sich für den Originalbereich: oder umgeformt: ππ¦π (π‘) = ππΌπ π(π‘) ππ‘ π¦π (π‘) = ππΌπ οΏ½ π(π‘) ππ‘ 4.27 Als Übertragungsfunktion im Bildbereich erhält man: πΊπ (π ) = π¦π (π ) ππΌπ = π π(π ) Bzgl. der o.g. Schaltung mit Operationsverstärker gilt die folgende Definition der Integrationszeit TI, wenn Eingangs- und Ausgangsgröße die gleichen Dimensionen haben: ππΌ = 1 ππΌπ 4.28 ππΌ = π 1 β πΆ1 ππΌπ = 1 π 1 πΆ1 Es ergibt sich als Übertragungsfunktion des Regelglieds πΊπ (π ) = 1 π ππΌ Abbildung 143: I-Regelglied mit Operationsverstärkern Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 131 Mit Bezug zu Abbildung 144 ergibt sich eine Integrationszeit von ππΌ = 1,2π . Die nächsten beiden Abbildungen zeigen die Kennlinien des I-Regelglieds bei Beaufschlagung mit einer Sprungfunktion. Deutlich ist die Vergrößerung der Änderungsgeschwindigkeit bei Vergrößerung der Sprunghöhe zu erkennen. Die Integrationszeit bleibt dabei gleich, nämlich (1,4π − 0,2π ), nur die Steigung ändert sich. 17 Abbildung 144: Kennlinie eines I-Reglers nach Beaufschlagung mit einem 5V-Sprung Abbildung 145: Kennlinie eines I-Reglers nach Beaufschlagung mit einem 10V-Sprung 17 Bedingt durch die endliche Versorgungsspannung des Operationsverstärkers ergibt sich natürlich eine Sättigung, die hier bei +15V liegt. 132 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Das I-Regelglied ist ein sehr langsam agierendes Regelglied, es weist jedoch keine bleibende Regelabweichung auf. Seine Ortskurve läuft mit zunehmender Kreisfrequenz gegen den Ursprung. Sein Amplitudengang fällt mit 20dB je Dekade und liefert bei 0dB den Integrierbeiwert kIR. Unter Berücksichtigung von Gleichung 4.28 ergibt sich in diesem Fall: 0,83s-1. Der Phasengang bleibt konstant bei -90° (siehe Abbildung 146). Abbildung 146: Ortskurve und Bode-Diagramm eines I-Regelglieds 4.3.2.1 Rechnerische Übung zum I-Regelglied Simulieren Sie unter QUCS, wie die Sprungantwort sowie die Ortskurve und das Bode-Diagramm für ein I-T1-Regelglied aussehen. Hinter das I-Regelglied wird dazu noch ein zeitverzögerndes Regelglied erster Ordnung geschaltet. Überprüfen Sie Ihre Ergebnisse durch eine entsprechende Rechnung. 4.3.3 D-Regelglied ππ(π‘) Der Differential-Regler (D-Regler) reagiert auf die Änderungsgeschwindigkeit der Eingangsgröße ππ‘ mit einem Sprung der Ausgangsgröße yR. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 133 Abbildung 147: Wirkungsplan eines D-Regelglieds Damit ergibt sich für den Originalbereich: π¦π (π‘) = ππ·π Als Übertragungsfunktion im Bildbereich erhält man: πΊπ (π ) = ππ(π‘) ππ‘ 4.29 π¦π (π ) = ππ·π β π π(π ) Für sich allein genommen macht das D-Regelglied allerdings wenig Sinn; es taucht meistens in Kombination mit einem P- (PD-Regelglied) oder einem P- und einem I-Anteil (PI-Regelglied) auf. Dabei wird der Übertragungsbeiwert kDR des D-Regelglieds mit dem Übertragungsbeiwert kPR des PRegelglieds verbunden (siehe dazu auch die Kapitel 4.3.5 und 4.3.6). Um ein D-Regelglied mit Operationsverstärkern aufzubauen, sind mit Bezug zu Abbildung 143 beim Operationsverstärker (OP1) die Bauelemente R1 und C1 zu vertauschen. 4.3.3.1 Rechnerische Übung zum D-Regelglied Simulieren Sie unter QUCS, wie die Ortskurve und das Bode-Diagramm für ein D-Regelglied aussehen. Überprüfen Sie Ihre Ergebnisse durch eine entsprechende Rechnung. 4.3.4 PI-Regelglied Es liegt nahe, die Vorteile zweier Regelglieder zu einem Regelglied mit neuer Charakteristik zusammenzufassen. Das PI-Regelglied (proportional-integral) bewirkt, dass seine Ausgangsgröße der Addition der einzelnen Ausgangsgrößen entspricht. Hier handelt es sich um eine Parallelschaltung von Regelkreisgliedern, die schon in einem der vorhergehenden Abschnitte elementar behandelt wurde. Abbildung 148: Wirkungsplan eines PI-Regelglieds Die Gesamtübertragungsfunktion ist die Summe der einzelnen Übertragungsfunktionen: π¦π (π‘) = πππ π(π‘) + ππΌπ οΏ½ π(π‘) ππ‘ Durch Einführen der Zeitkonstanten ππ = 134 πππ ππΌπ ergibt sich dann für den Originalbereich: Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 π¦π (π‘) = πππ οΏ½π(π‘) + 1 οΏ½ π(π‘) ππ‘οΏ½ ππ 4.30 Dabei ist kPR der Proportionalbeiwert und Tn die Nachstellzeit des PI-Regelglieds. Das Verhältnis von Nachstellzeit zu Proportionalbeiwert ergibt die Integrationszeit TI. kPR ist der Proportionalbeiwert oder Verstärkungsfaktor des Regelglieds. Die Nachstellzeit Tn gibt die Zeit an, um welche ein PI-Regelglied schneller arbeitet als ein reines I-Regelglied. Die Integrationszeit TI ist die Zeit, die vergeht, bis die Ausgangsgröße den vorgegebenen Wert der Eingangsgröße erreicht hat. Die Übertragungsfunktion des PI-Regelglieds ergibt sich für den Bildbereich zu: Mit ππΌπ = πππ ππ πΊπ (π ) = erhält man schließlich: ππΌπ π¦π (π ) = πππ + π π(π ) πΊπ (π ) = πππ οΏ½1 + 1 οΏ½ π ππ 4.31 Ersetzt man s durch jω, so ergibt sich der Frequenzgang der PI-Regeleinrichtung. Durch Multiplikation mit dem konjugiert Komplexen lassen sich dann Real- und Imaginärteil ermitteln. πΊπ (ππ) = πππ οΏ½1 + πΌπ(πΊ) = − 1 −ππππ οΏ½βοΏ½ οΏ½ ππππ −ππππ πΊπ (ππ) = πππ οΏ½1 − π 1 οΏ½ πππ πππ 1 ; π π(πΊ) = πππ ; tan(π) = − πππ πππ 1 2 |πΊ(ππ)| = πππ οΏ½1 + οΏ½ οΏ½ πππ Die nachfolgende Abbildung 149 zeigt den vorgenannten Schaltungsaufbau mit Operationsverstärkern für ein PI-Regelglied. Dabei wird die Summenbildung der einzelnen Regelglieder bei einer Parallelschaltung genutzt. OP1 (kPR = 2)und OP2 (kIR = 10 s-1) sind als P- bzw. IRegelglied verschaltet, OP3 stellt ein invertierendes Summationsglied dar, um letztlich ein positives Ausgangssignal zu erhalten. Es ergibt sich hier eine Nachstellzeit von Tn = 0,2 s. πππ = ππΌπ = ππ = π 2 =2 π 1 1 = 10π −1 π 3 β πΆ1 πππ π 2 = β π πΆ = 0,2π ππΌπ π 1 3 1 Die Integrationszeit lässt sich ebenfalls sehr einfach bestimmen. Sie ist letztlich ein Maß für die Steigung bezogen auf die Höhe des Eingangssprungs. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 135 ππΌ = 1 = 0,1π ππΌπ Abbildung 149: PI-Regelglied mit Operationsverstärkern Abbildung 150: Sprungantwort des PI-Regelglieds Verlängert man die ansteigende Kennlinie des PI-Regelglieds (rot), so schneidet sie die Abszisse im Nullpunkt. Die Differenz zwischen dem Beginn der Sprungfunktion (blau) und dem 136 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abszissenschnittpunkt beträgt hier 0,2s und ist die Nachstellzeit Tn. Sie ist die Zeit, um welche ein PIRegelglied schneller arbeitet, als ein reines I-Regelglied. Sie bestimmt sich rechnerisch, wie oben gezeigt, zu: ππ = πππ π 2 = πππ β ππΌ = β π πΆ = π 2 πΆ1 ππΌπ π 1 1 1 4.32 Die nachfolgende Abbildung zeigt einen möglichen alternativen Aufbau eines PI-Regelglieds mit Operationsverstärkern: Abbildung 151: Alternativer Aufbau eines PI-Regelglieds mit Operationsverstärkern In Analogie zu den Spannungsverhältnissen am invertierenden Operationsverstärker ergibt sich unter Berücksichtigung, dass der Gegenkoppelzweig in seiner Summe π 2 + 1οΏ½π πΆ liefert, der folgende 1 Zusammenhang: π 2 + 1οΏ½π πΆ 1 π 2 π¦π (π ) 1 =− = − οΏ½1 + πΊπ (π ) = οΏ½ π 1 π π 2 πΆ1 π 1 π(π ) Hierbei ergibt sich eine deutliche Berechnungsaffinität zur vorgenannten Gleichung 4.31. Das Minuszeichen wird durch den nachgeschalteten invertierenden Operationsverstärker gewandelt. Das π Widerstandverhältnis 2 entspricht dem Proportionalbeiwert πππ des Regelglieds. Der Term im π 1 Nenner entspricht der Nachstellzeit ππ , wie u.a. in Gleichung 4.32 dargelegt. Eine Simulation des Übertragungsverhaltens unter QUCS ergibt die zugehörige Ortskurve und das Bode-Diagramm. Der Realteil der Ortskurve ergibt sich zu Re(G) = kPR, wie weiter oben erwähnt. Es folgen die Darstellungen von Amplitudengang und Phasengang. Die Eckfrequenz liegt hier bei 1 ππΈ = = 5 π −1. Der abfallende Kurventeil des Amplitudengangs gibt das I-Verhalten wieder, der ππ waagerechte das P-Verhalten. Es ergibt sich eine Phasenverschiebung von π = −45°. Mit der Eckfrequenz ππΈ = 1 ππ tan π = − ergibt sich dann 1 πππ 1 β =− πππ πππ πππ π = arctan −1 = −45° Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 137 Abbildung 152: Ortskurve und Bode-Diagramm eines PI-Regelglieds 138 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 4.3.5 PD-Regelglied Wie schon erwähnt, macht ein reines D-Regelglied wenig Sinn. Zusammen mit einem P-Regelglied ergibt sich jedoch ein schnell eingreifendes Regelglied mit bleibender Regelabweichung (Das gilt allerdings nicht für I-Strecken!). Abbildung 153: Wirkungsplan eines PD-Regelglieds Da auch in diesem Fall von einer Parallelschaltung einzelner Regelglieder ausgegangen werden kann, ergibt sich die Gesamtübertragungsfunktion aus der Summe der einzelnen Übertragungsfunktionen. Für den Originalbereich ergibt sich dann: π¦π (π‘) = πππ π(π‘) + ππ·π ππ(π‘) ππ‘ π¦π (π‘) = πππ οΏ½π(π‘) + ππ β ππ(π‘) οΏ½ ππ‘ π¦π (π‘) = πππ οΏ½π(π‘) + ππ·π ππ(π‘) β οΏ½ πππ ππ‘ TV wird als Vorhaltzeit bezeichnet und ergibt sich durch: ππ = 4.33 ππ·π πππ Die Übertragungsfunktion für den Bildbereich sieht folgendermaßen aus: πΊπ (π ) = π¦π (π ) = πππ [1 + π ππ ] π(π ) 4.34 Auch hier ergibt sich wieder der Frequenzgang, wenn s durch jω ersetzt wird. Eine Ermittlung von Real- und Imaginärteil ist in diesem Fall besonders einfach: πΊπ (ππ) = πππ [1 + ππ ππ ] πΌπ(πΊ) = πππ π ππ ; π π(πΊ) = πππ ; tan(π) = π ππ Mit der Eckfrequenz ππΈ = 1 ππ |πΊ(ππ)| = πππ οΏ½1 + (πππ )2 ergibt sich dann: π = arctan 1 = 45° Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 139 Abbildung 154: PD-Regelglied mit Operationsverstärkern Abbildung 155: Sprungantwort des PD-Regelglieds Mit dieser Sprungantwort lässt sich allerdings in der Praxis nur wenig anfangen. Realistisch betrachtet taucht immer eine (fast beliebig kleine) zeitliche Verzögerung des Signals auf. Eigentlich 140 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 betrachtet man also ein PD-T1-Regelkreisglied. Dazu platziert man in die Zuleitung nach C1 noch einen Widerstand, beispielweise 330β¦. Damit ergibt sich eine Sprungantwort, bei der sich ein zeitlich breiterer D-Peak ergibt, woran sich jetzt signifikante Größen des PD-Regelglieds festmachen lassen. Abbildung 156: Sprungantwort des PD-T1-Regelglieds An den abfallenden Teil des D-Peaks wird eine Tangente angelegt, wodurch sich T1 graphisch bestimmen lässt. Die Höhe des D-Peaks lässt sich durch den Proportionalbeiwert πππ in π Multiplikation mit dem Verhältnis von Vorhaltzeit und Zeitkonstante π bestimmen. π1 Das zeitliche Verzögerungsglied (T1) wird hinter das D-Regelglied geschaltet, was dann zu einer Multiplikation der beiden Übertragungsfunktionen führt. Abbildung 157: Wirkungsplan eines PD-T1-Regelglieds Eine Simulation des Übertragungsverhaltens unter QUCS ergibt die zugehörige Ortskurve und Bode-Diagramm (siehe Abbildung 158). Der Realteil der Ortskurve ergibt sich zu Re(G) = kPR, weiter oben erwähnt. Es folgen die Darstellungen von Amplitudengang und Phasengang. 1 π 2 Eckfrequenz liegt hier bei ππΈ = = 90,9 π −1, was dem Wert von ππ = entspricht. π ππ Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 π·π 0,022 das wie Die Der 141 ansteigende Kurventeil des Amplitudengangs gibt das D-Verhalten wieder, der waagerechte das PVerhalten. Es ergibt sich eine Phasenverschiebung von π = 45°. Abbildung 158: Ortskurve und Bode-Diagramm eines PD-Regelglieds Die nachfolgende Abbildung zeigt eine alternative Möglichkeit, ein PD-Regelglied durch Operationsverstärker zu realisieren: 142 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 159: Alternativer Aufbau eines PD-Regelglieds mit Operationsverstärkern Bei Berücksichtigung der Spannungsverhältnisse am invertierenden Operationsverstärker (OP1) ergibt sich unter Beachtung des Kehrwerts des Nenners aus der Parallelschaltung von R1 und C1 die folgende Übertragungsfunktion (bei Vernachlässigung des negativen Vorzeichens für das invertierende Verhalten des Operationsverstärkers): πΊπ (π ) = Mit π 2 π 1 π¦π (π ) = π(π ) π 2 −1 1 οΏ½π + π πΆ1 οΏ½ 1 = π 2 (1 + π π 1 πΆ1 ) π 1 = πππ und ππ = π 1 β πΆ1 als Vorhaltzeit ergibt sich schließlich: πΊπ (π ) = π¦π (π ) = πππ (1 + π ππ ) π(π ) Hierbei ergibt sich eine Berechnungsaffinität zur vorgenannten Gleichung 4.34. 4.3.6 PID-Regelglied Ein Regelglied, das alle Vorteile sämtlicher Regelglieder vereint, ist das PID-Regelglied (proportionalintegral-differential). Auch in diesem Fall handelt es sich wieder um eine Parallelschaltung einzelner Regelglieder, es ergibt sich daher die Gesamtübertragungsfunktion aus der Summe der einzelnen Übertragungsfunktionen. Abbildung 160: Wirkungsplan eines PID-Regelglieds Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 143 Das führt zu: π¦π (π‘) = πππ π(π‘) + ππΌπ οΏ½ π(π‘) ππ‘ + ππ·π Mit den vorgenannten Zeitkonstanten ππ = πππ ππΌπ π¦π (π‘) = πππ οΏ½π(π‘) + und ππ = ππ·π πππ π π(π‘) ππ‘ 4.35 ergibt sich für den Originalbereich: 1 π π(π‘) οΏ½ π(π‘)ππ‘ + ππ οΏ½ ππ ππ‘ 4.36 Für den Bildbereich ergibt sich die Übertragungsfunktion zu: πΊπ (π ) = πΊπ (π ) = 1 π¦π (π ) = πππ οΏ½1 + + π ππ οΏ½ π ππ π(π ) 4.37 1 + π ππ + π 2 ππ ππ π¦π (π ) = πππ π ππ π(π ) Auch hier erhält man wieder den Frequenzgang der PID-Regeleinrichtung, wenn man s durch jω ersetzt. Durch Multiplikation mit dem konjugiert Komplexen lassen sich dann Real- und Imaginärteil ermitteln. πΊπ (ππ) = πππ οΏ½ 1 + ππππ − π2 ππ ππ −ππππ οΏ½βοΏ½ οΏ½ ππππ −ππππ 1 − πππ οΏ½οΏ½ πΊπ (ππ) = πππ οΏ½1 − π οΏ½ πππ 1 1 − πππ οΏ½ ; π π(πΊ) = πππ ; tan(π) = π ππ − πΌπ(πΊ) = −πππ οΏ½ πππ πππ 2 1 |πΊ(ππ)| = πππ οΏ½1 + οΏ½ − πππ οΏ½ πππ Die Simulation mit QUCS zeigt einen möglichen Schaltungsaufbau für ein PID-Regelglied. OP1, OP2 und OP3 sind als P-, I- bzw. D-Regelglied verschaltet, OP4 stellt ein invertierendes Summationsglied dar. Auch hier gilt wieder, dass es eigentlich kein reines D-Regelglied gibt; es ist immer mit einer Zeitkonstante verbunden, was letztlich zu dem nachfolgenden Wirkungsplan führt. Es bleibt anzumerken, dass der Widerstand R5 zusammen mit dem Kondensator C2 das T1-Verhalten des PIDRegelglieds bestimmt. Mit R12=0 würde sich die Kennlinie eines reinen PID-Regelglieds ergeben. Abbildung 161: Wirkungsplan eines PID-T1-Regelglieds 144 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 162: PID/PID-T1-Regelglied mit Operationsverstärkern Die Kennlinie des PID-T1-Regelglieds (rot) ist nachfolgend dargestellt. Deutlich ist das schnelle Eingreifen des Reglers bei der Zeitmarke von 200ms als Puls erkennbar. Eine Verlängerung des IAnteils (ansteigender Kurventeil) ergibt einen Schnittpunkt im Ursprung. Durch einen Erhöhung des Widerstands R5 wird das Zeitverhalten des D-Anteils beeinflusst. Abbildung 163: Sprungantwort des PID-T1-Regelglieds Zur Bestimmung der Zeitkonstanten T1 wird eine Tangente an den Peak des D-Anteils gelegt. Für eine Bestimmung von T1. muss wiederum der Proportionalbeiwert kPR betrachtet werden. Hier ergibt sich eine waagerechte Linie bei einem Ordinatenwert von 4. T1 erhält man dann durch Betrachtung der Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 145 Schnittpunkte mit der ansteigenden Geraden des I-Anteils und der Tangente am abfallenden Teil des D-Peaks. Abbildung 164: Ortskurve und Bode-Diagramm eines reinen PID-Regelglieds 146 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Eine Betrachtung der vorstehenden Abbildung 164 führt zu zwei unterschiedlichen Eckfrequenzen. Eine ergibt sich beim Übergang des I-Anteils (abfallende Gerade) in den P-Anteil (waagerechte Gerade), eine andere beim Übergang des P-Anteils in den D-Anteil (ansteigende Gerade). Der Proportionalbeiwert liegt bei πππ = 20. Der Intergierbeiwert liegt bei ππΌπ = 10. Damit ergibt sich eine Nachstellzeit von ππ = 2π und es folgt eine Eckfrequenz für den Übergang des I-Anteils in den PAnteil von ππΈ_πΌ = 0,5π −1 . Für eine Berechnung der zweiten Eckfrequenz ist der Differentialbeiwert notwendig; er liegt bei ππ·π = 0,033π . Mit dem bekannten kPR-Wert ergibt sich ππ = 0,00165π . Der Kehrwert ergibt dann als zweite Eckfrequenz ππΈ_π· = 606,1π −1. Die Phasenverschiebung liegt bei -45° bzw. +45°. Es gibt natürlich auch eine alternative Schaltung mit Operationsverstärkern für ein PID-Regelglied. Abbildung 165: Alternativer Aufbau eines PID-Regelglieds mit Operationsverstärkern Berechnen lässt sich diese Schaltung genauso, wie die vorhergehenden alternativen Aufbauten. Die beiden Bauelemente C2 und R1 sind parallel geschaltet. Die beiden Bauelemente R2 und C1 sind in Reihe geschaltet. Das führt zu −1 1 1 οΏ½ + π πΆ2 οΏ½ ππ§π€. π 2 + π 1 π πΆ1 Damit ergibt sich die Übertragungsfunktion zu π¦π (π ) πΊπ (π ) = = π(π ) πΊπ (π ) = 1 π 2 + π πΆ 1 −1 1 οΏ½π + π πΆ2 οΏ½ 1 1 π 2 πΆ2 + + π π 2 πΆ2 + π 1 πΆ1 π π 1 πΆ1 Jetzt werden die folgenden Abkürzungen eingesetzt: πππ = π 2 πΆ2 1 1 + ; ππ·π = π 2 πΆ2 = πππ ππ ; ππΌπ = = πππ π 1 πΆ1 π 1 πΆ1 ππ So ergibt sich dann nach kurzer Umformung letztlich: πΊπ (π ) = 1 π¦π (π ) = πππ οΏ½1 + + π ππ οΏ½ π ππ π(π ) Hierbei ergibt sich eine Berechnungsaffinität zur vorgenannten Gleichung 4.37. Der PID-Regler ist ein schnell eingreifender Regler ohne bleibende Regelabweichung. Seine Verstärkung bei hohen Frequenzen ist allerdings begrenzt. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 147 4.3.7 Vor- und Nachteile stetiger Regelglieder Die nachfolgende Abbildung (Link: http://www.roboternetz.de/wissen/index.php/Regelungstechnik) zeigt die Sprungantworten (Einheitssprung) unterschiedlicher Regelglieder in Verbindung mit einer PT2-Strecke. Dargestellt sind hier Regelglieder mit unterschiedlicher Charakteristik (P-, I-, PI-, PD- und PID-Regelglieder). Deutlich sichtbar ist die bleibende Regelabweichung von Regelgliedern ohne IAnteil (dabei kommt es allerdings auch auf die Regelstrecke an). Damit ist offensichtlich, dass der IAnteil der Vermeidung einer bleibenden Regelabweichung dient. Regelglieder mit D-Anteil greifen sehr schnell in den Regelprozess ein. Für einfache Regelaufgaben ist jedoch meistens ein reines P-Regelglied ausreichend. Abbildung 166: Vergleich der Sprungantworten verschiedener Regelglieder P-Regelglied: Das P-Regelglied reagiert schnell, kann jedoch eine bleibende Regeldifferenz aufweisen. Diese Regeldifferenz wird mit ansteigendem kPR zwar kleiner, jedoch wächst damit auch seine Instabilität. I-Regelglied: Das I-Regelglied reagiert sehr langsam, beseitigt jedoch die Regeldifferenz vollständig. Er besitzt eine starke Neigung zum Überschwingen. PI-Regelglied: Dieses kombinierte Regelglied ist schneller als das reine I-Regelglied und regelt ohne bleibende Regeldifferenz aus. PID-Regelglied: Dieses schnellste aller Regelglieder regelt ebenfalls ohne Regeldifferenz aus. Die optimale Parametereinstellung ist oftmals sehr schwierig. 4.4 Unstetige Regelglieder Neben den stetig arbeitenden Regelgliedern, die relativ kompliziert ausgelegt sein können, gibt es einfache und preiswerte Konstruktionen mit unstetiger Arbeitsweise: z.B. Zweipunkt-Regelglieder. Während die statische Kennlinie eines P-Regelglieds auf einen linearen Zusammenhang zwischen Stellgröße und Regelgröße hindeutet, erinnert die Kennlinie eines Zweipunkt-Regelglieds eher an eine Sprungfunktion (daher auch die Unstetigkeit). Dieses Regelglied kennt nur zwei Zustände und wird zur Regelung einfacher Regelkreise eingesetzt (Raumtemperatur, Bügeleisentemperatur, Toilettenspülung, etc.). Ausgeführt als elektronisches Regelglied ergibt sich das mit einem Operationsverstärker aufgebaute Zweipunkt-Regelglied (Komparator): 148 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 167: Komparator als Zweipunkt-Regelglied Durch Variation der Widerstände R2 und R3 erfolgt die Sollwertvorgabe, die Wechselspannungsquelle V3 gibt den Istwert vor. In Abhängigkeit vom Vergleich dieser beiden Werte schaltet der Operationsverstärker durch oder eben nicht und zeigt so das typische Verhalten eines Zweipunkt-Regelglieds. Der Widerstand R4 stellt einen Hysterese-Widerstand dar. Ein sehr kleiner Widerstand verursacht eine starke Hysterese im Schaltvorgang. Bei sehr großem Widerstand erfolgt der Schaltvorgang schon bei kleinsten Abweichungen vom Sollwert. Mit dem durch V3 generierten periodischem Signal arbeitet der Komparator als Rechteckgenerator: er formt durch periodische Umschaltvorgänge das analoge zeitkontinuierliche Signal in ein binäres Signal um (1-Bit-ADU). Der rechte Teil von Abbildung 167 zeigt den zeitlichen Verlauf eines Schaltvorgangs (ZweipunktRegelglied ohne Hysterese), ausgelöst durch eine periodisch sich ändernde Stellgröße als Eingangssignal. Die folgende Abbildung zeigt einen als Zweipunkt-Regelglied geschalteten Operationsverstärker mit (geringer) Hysterese (Widerstand R4). In Abhängigkeit von der durch Sollwert und Istwert entstehenden Regeldifferenz schaltet der Operationsverstärker durch. Eingesetzt wurde hier ein Operationsverstärker des Typs µA741 mit symmetrischer Versorgungsspannung. Abbildung 168: Zweipunkt-Regler mit Hysteresewiderstand Wird der Hysteresewiderstand sehr klein (Drahtbrücke) so ergibt sich eine sehr große Schalthysterese; bei einem sehr großen Hysteresewiderstand (keine leitende Verbindung zwischen Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 149 dem Ausgang und dem nicht invertierenden Eingang) ergibt sich eine sehr kleine Schalthysterese (siehe nachfolgende Abbildungen). Zu beachten ist die asymmetrische Spannungsversorgung der Schaltung, die somit nur Schaltvorgänge im positiven Spannungsbereich zulässt. 18 Abbildung 169: Verhalten eines Komparators mit großer Schalthysterese Abbildung 170: Verhalten eines Komparators mit geringer Schalthysterese 18 In der vorgegebenen Art und Weise arbeitet der Komparator in nicht invertierender Form. Werden die beiden Eingänge für Sollwert und Istwert vertauscht und zusätzlich die asymmetrische Spannungsversorgung durch eine symmetrische ersetzt, so arbeitet der Komparator invertierend. 150 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 5 Regelkreise Bei einer Betrachtung geschlossener Regelkreise sind drei regelungstechnische Betrachtungen von ausschlaggebender Bedeutung, um das Regelverhalten eines Regelkreises zu beurteilen: • • • Das Führungsverhalten (Führungsübertragungsfunktion GW(s)) Damit ist das dynamische Verhalten der Regelgröße x auf eine Sollwertänderung gemeint. Das Störverhalten (Störübertragungsfunktion GZ(s)) Damit ist die dynamische Reaktion der Regelgröße x auf eine Störung (Störgröße z) gemeint. Das Stabilitätsverhalten des Regelkreises. Hier wird neben dem CHR-Verfahren und dem nach Ziegler/Nichols das vereinfachte NyquistKriterium behandelt. Dazu muss das Führungsverhalten (Führungsübertragungsfunktion GW(s)) des offenen Regelkreises G0(s) betrachtet werden. Die nachfolgende Abbildung zeigt nochmals den Wirkungsplan eines geschlossenen Regelkreises mit einwirkender Störgröße z. Es sei darauf hingewiesen, dass eine Störgröße an unterschiedlichen Punkten eines Regelkreises angreifen kann, es muss nicht unbedingt zwischen Regelglied und Regelstrecke sein. Auch eine Beeinflussung am Ausgang der Regelstrecke ist möglich. Abbildung 171: Wirkungsplan eines geschlossenen Regelkreises 5.1 Führungs- und Störübertragungsfunktionen Setzt man die Ausgangsgröße x ins Verhältnis zur Eingangsgröße w (Führungsgröße) so ergeben sich folgende Zusammenhänge (GR(s) und GS(s) sind die Laplace-Transformierten der Regeleinrichtung bzw. der Regelstrecke): π¦π (π ) = [π€(π ) − π₯(π )] πΊπ (π ) π₯π (π ) = [π¦π (π ) + π§(π )] πΊπ (π ) Lässt man den Einfluss der Störgröße (z(s)=0) unberücksichtigt, so ergibt sich nach einfacher algebraischer Umformung die Führungsübertragungsfunktion als Verhältnis von Ausgangsgröße x(s) zu Eingangsgröße w(s) zu: πΊπ€ (π ) = πΊπ (π )πΊπ (π ) π₯(π ) = π€(π ) 1 + πΊπ (π )πΊπ (π ) πΊπ (π ) = πΊπ (π ) π₯π (π ) = π§(π ) 1 + πΊπ (π )πΊπ (π ) 5.1 Lässt man hingegen den Einfluss der Führungsgröße (w(s)=0) unberücksichtigt, so ergibt sich nach ebenfalls einfacher algebraischer Umformung die Störübertragungsfunktion als Verhältnis von Ausgangsgröße x(s) zu Eingangsgröße z(s) (in diesem Fall Störgröße) zu: Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 5.2 151 5.1.1 Rechnerische Übung zur Führungs- und Störübertragungsfunktion Leiten Sie die beiden vorgenannten Gleichungen 5.1 und 5.2 her. 5.2 Stabilitätsbetrachtungen Nicht jede Regelstrecke ist ideal mit jedem Regelgliedtyp kombinierbar. Um ein geeignetes Regelglied auszuwählen, ist es daher sinnvoll, Strecke und Regelglied in ihrem Zusammenspiel gemeinsam zu untersuchen, um eventuell auftretende Instabilitäten des gesamten Systems feststellen zu können. In diesem Zusammenhang wird es daher um eine Betrachtung verschiedener Verfahren gehen, um Kriterien für die Stabilität eines Regelkreises im Hinblick auf einen Entwurf des Regelglieds zu beleuchten.19 Neben empirischen Verfahren wie das CHR-Verfahren und das nach Ziegler-Nichols, soll auch ein mathematisches Verfahren, nämlich das vereinfachte Nyquist-Kriterium, betrachtet werden. 5.2.1 Das CHR-Verfahren Das Verfahren nach Chien, Hrones und Reswick, kurz CHR genannt, ist ein empirisches Näherungsverfahren. In diesem Fall können die optimalen Regelparameter errechnet werden, wenn die Parameter der Strecke bekannt sind. Die Parameter kS (Verstärkungsfaktor), Tu (Verzugszeit) und Tg (Ausgleichszeit) lassen sich dabei empirisch über die Sprungantwort der Strecke ermitteln. Die nachfolgende Tabelle (Busch) gibt einen Überblick über die optimalen Einstellungen. Tabelle 5: Einstellungsvorgaben nach dem CHR-Verfahren 5.2.2 Das Verfahren nach Ziegler und Nichols Sind die Streckenparameter jedoch unbekannt, bietet sich das (ebenfalls empirische) Verfahren von Ziegler und Nichols an. Dazu wird das System zum Schwingen angeregt und zuerst lediglich der PAnteil des Reglers wirksam. Dabei ist zu beachten, dass vorhandene I- und D-Anteile eliminiert werden ( ππ = ∞ π’ππ ππ = 0 ). Die Verstärkung des P-Anteils KR wird jetzt solange vergrößert, bis der Regelkreis ungedämpfte Schwingungen ausführt, d.h. seine Stabilitätsgrenze erreicht. kR wird dabei zu einer kritischen Größe: kR_krit . Nach Bestimmung der zugehörigen Periodendauer Tkrit lassen sich die Regelparameter folgendermaßen bestimmen: P-Regler: kR = 0,5 KR_krit 19 So ist das Hurwitz-Kriterium zwar gut für eine Stabilitätsprüfung von Regelkreisen geeignet, für den Entwurf eines Regelglieds jedoch nicht: eine Änderung der Parameter des Regelglieds spiegelt sich nicht unmittelbar im Stabilitätsverhalten wider. 152 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 PD-Regler: PI-Regler: PID-Regler: kR = 0,8 KR_krit TV = 0,12 Tkrit kR = 0,45 KR_krit Tn = 0,83 Tkrit kR = 0,6 KR_krit Tn = 0,5 Tkrit TV = 0,125 Tkrit Die hier genannten Vorgaben müssen jedoch in der Regel den Gegebenheiten angepasst werden. So ist bei einem aperiodischen Überschwingen der Regelgröße der I-Anteil zu stark und der D-Anteil zu schwach eingestellt. In diesem Fall sind TV und Tn grösser zu wählen. Sind hingegen der I-Anteil zu schwach und der D-Anteil zu stark eingestellt, so erfolgt eine deutlich langsame Annäherung an die Führungsgröße: der Regelvorgang dauert zu lange. Erfolgt hingegen lediglich ein einmaliges Überschwingen, so ist der P-Anteil zu schwach eingestellt. Hier muss lediglich der Proportionalbeiwert kP vergrößert werden. Ist dieser Wert allerdings zu groß gewählt worden, so wird der Regelvorgang instabil und es kann zu Schwingungen kommen. Ideal ist das PID-Regelglied eingestellt, wenn ein Verlauf nach Abbildung 166 erfolgt: schnelle Annäherung an den Vorgabewert und kein Überschwingen. 5.2.3 Das vereinfachte Nyquist-Kriterium In diesem Fall wird der offene Regelkreis betrachtet; er wird daher quasi aufgeschnitten und im Frequenzbereich betrachtet: Abbildung 172: Wirkungsplan eines offenen Regelkreises Der offene Regelkreis ist als eine reine Hintereinanderschaltung von zwei Regelkreisgliedern (Regelglied und Regelstrecke) zu betrachten. Führungs- und Störgrößen werden hierbei nicht berücksichtigt (w=0, z=0). 20 Damit ergibt sich als Übertragungsfunktion G0(ππ) des offenen Regelkreises für den Originalbereich (also nicht für den Bildbereich nach Laplace, da hier Frequenzen zu betrachten sind): πΊ0 (ππ) = πΊπ (ππ) β πΊπ (ππ) = − π₯π (ππ) π₯π (ππ) Wenn die Ausgangsgröße π₯π (ππ) exakt der Eingangsgröße π₯π (ππ) entspricht, so wird eine kritische Kreisfrequenz erreicht und der nunmehr geschlossene Regelkreis wird ungedämpfte Schwingungen (Dauerschwingung) ausführen. Einmal angestoßen wird der Regelkreis selbsterregt schwingen. Dieses 20 Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass eine Störgröße nicht ausschließlich im Bereich zwischen Regeleinrichtung und Regelstrecke, also vor der Regelstrecke, wirksam werden kann, sondern auch hinter der Regelstrecke, wodurch sie beim offenen Regelkreis keinerlei Einfluss mehr hat. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 153 Verhalten ist bekannt als das eines Oszillators. Die Gegenkopplung des Regelkreises ist jetzt zu einer Mitkopplung geworden: der Regelkreis ist instabil. Mit Bezug zu den vorgenannten Gleichungen 5.1 und 5.2 ergeben sich dann als Führungsübertragungsfunktion des offenen Regelkreises (Führungsfrequenzgang des offenen Regelkreises) πΊπ€ (ππ) = πΊ0 (ππ) 1 + πΊ0 (ππ) πΊπ§ (ππ) = πΊπ (ππ) 1 + πΊ0 (ππ) πΊπ§ (ππ) = 1 1 + πΊ0 (ππ) 5.3 und als Störübertragungsfunktion (Störfrequenzgang) des offenen Regelkreises (Störung vor der Regelstrecke) bzw. als Störübertragungsfunktion (Störfrequenzgang) des offenen Regelkreises (Störung hinter der Regelstrecke) Dabei sind alle drei Nenner der vorganannten Frequenzgangsfunktionen identisch. Polstellen (Punkte mit senkrechter Asymptote oder kurz Pole genannt) liegen dann vor, wenn der Nenner zu Null gesetzt wird, wenn also gilt: πΊπ (ππ)πΊπ (ππ) + 1 = 0 5.4 Der Führungsfrequenzgang des offenen Regelkreises (Gleichung 5.3) würde in diesem Fall gegen ∞ streben, da der Nenner zu Null wird! Die Gleichung 5.4 wird in der Fachliteratur als "charakteristische Gleichung" bezeichnet. Damit ergibt sich für die Ortskurve des offenen Regelkreises qualitativ das folgende Bild: π π{πΊ0 (ππ)} = −1 πΌπ{πΊ0 (ππ)} = 0 Abbildung 173: Stabile und instabile Ortskurve von Regelkreisen 3. Ordnung 154 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Dieser Koordinatenpunkt wird als kritischer Punkt oder als Nyquist-Punkt bezeichnet und macht eine Aussage über die Stabilität des Regelkreises. 21 Das gilt allerdings nur, wenn das Nyquist-Kriterium in vereinfachter Form angewendet werden kann. Das bedeutet, dass die charakteristische Gleichung der Übertragungsfunktion πΊ0 (ππ) des offenen Regelkreises ausschließlich Nullstellen mit negativem Realteil und höchstens zwei Nullstellen mit einem Realteil von Null besitzt. - Die Ortskurve verläuft rechts des Nyquist-Punktes: der Regelkreis ist stabil. Die Ortskurve verläuft durch den Nyquist-Punkt: der Regelkreis arbeitet an der Stabilitätsgrenze. Die Ortskurve verläuft links des Nyquist-Punktes: der Regelkreis ist instabil. 5.2.4 Pole und Nullstellen Wie schon in Kapitel 3.1.4 angedeutet, spielen Pole und Nullstellen bei einer Betrachtung linearer zeitinvarianter Systeme hinsichtlich ihrer Stabilität eine entscheidende Rolle. So ist bspw. die dort genannte Funktion πΊ(π ) = 1 π von ausschlaggebender Bedeutung (siehe die vorhergehenden Kapitel). Sie besitzt eine Unendlichkeitsstelle, allgemein als Polstelle oder auch als Pol bezeichnet. Die Lage der Pole in der sEbene bestimmt die Stabilität eines Übertragungssystems. • • • Liegen sämtliche Pole in der linken s-Halbebene, so handelt es sich um ein stabil arbeitendes Übertragungssystem (Asymptotische Stabilität). Liegt kein Pol in der rechten s-Halbebene, so spricht man von Grenzstabilität. Das ist auch dann der Fall, wenn ein einfacher, jedoch kein mehrfacher Pol, auf der ππ-Achse liegt. Befindet sich mindestens ein Pol in der rechten s-Halbebene, so liegt Instabilität vor. Bei einem mehrfachen Pol auf der ππ-Achse liegt ebenfalls ein instabiles System vor. Mit Bezug zu Kapitel 4.2.3 soll ein nicht schwingfähiges Übertragungssystem mit zwei unterschiedlichen Zeitkonstanten π1 = 0,1π und π2 = 0,4π betrachtet werden. Mit πππ = 1 folgt als Übertragungsfunktion: πΊ(π ) = 1 π₯π (π ) = π₯π (π ) (1 + π π1 )(1 + π π2 ) Eine Umformung der Zeitkonstanten-Darstellung in die Pole-Nullstellen-Darstellung ergibt: πΊ(π ) = 1 (0,1 β π + 1)(0,4 β π + 1) πΊ(π ) = 25 (π + 10)(π + 2,5) Diese Übertragungsfunktion hat zwei Pole: bei π 1 = −10 und bei π 2 = −2,5. Dabei existieren keine imaginären Anteile. Da beide Pole in der linken s-Halbebene liegen, handelt es sich um ein stabil arbeitendes Übertragungssystem und es liegt eine asymptotische Stabilität vor. 21 In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass es sich nicht mehr um die Betrachtung eines einzelnen Regelkreisglieds handelt, sondern um eine Hintereinanderschaltung von zwei Regelkreisgliedern mit entsprechenden Charakteristika. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 155 Betrachtet man dagegen ein schwingfähiges Übertragungssystem (siehe Kapitel 4.2.4), so werden sich konjugiert komplexe Pole, die einen realen Anteil und einen imaginären Anteil enthalten, ergeben. Diese Pole werden als Polpaare bezeichnet. Das wäre bspw. bei einer abklingenden Schwingung der Fall, wenn π· > 1 vorliegt. In diesem Fall würde ein Polpaar in der linken s-Ebene auftauchen und so Stabilität signalisieren. Für π· = 0 ergibt sich bspw. eine Zeitkonstante von π1 = 0 (siehe Gleichung 4.22). Damit wird π 1 = 0 und man erhält einen Pol im Ursprung. Dieser einfache Pol liegt dann auf der ππ-Achse und bedeutet, dass Grenzstabilität vorliegt. Mit π· < 1 würden sich konjugiert komplexe Pole in der rechten s-Halbebene finden, was wiederum auf ein instabiles Übertragungssystem hindeuten würde. Oft taucht beim Aufstellen einer Übertragungsfunktion neben dem Nennerpolynom π(π ) zusätzlich ein Zählerpolynom π(π ) auf: πΊ(π ) = π₯π π(π ) = π₯π π(π ) Neben den Polstellen ist dabei die Lage der Nullstellen eines Übertragungssystems kennzeichnend für sein Zeitverhalten. Während man die Polstellen durch Nullsetzen des Nennerpolynoms erhält, so ergeben sich die Nullstellen durch Nullsetzen des Zählerpolynoms. So ergibt sich für das folgende Beispiel πΊ(π ) = (π + 3) (π 2 + 4) Das folgende Pole-Nullstellen-Diagramm. Die Lage der Pole ist durch jeweils ein Kreuz und die Lage der Nullstelle durch einen Kreis dargestellt. Abbildung 174: Pole-Nullstellen-Diagramm Hierbei erhält man eine Nullstelle bei π = −3 und zwei Pole bei π = π2 und π = −π2. Hierbei handelt es sich um die Darstellung eines instabilen Systems, da ein mehrfacher Pol auf der ππ-Achse vorliegt. Bei einer Auslegung von Regelkreisen kann das angestrebte Verhalten des Kreises oftmals durch die folgende Vorgehensweise erreicht werden: 156 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 • • Die Nullstellen der Regeleinrichtung werden auf die Pole der Strecke gelegt. Die Pole der geregelten Strecke werden auf die Nullstellen der ungeregelten Strecke gelegt. Dieses Vorgehen wird in der Fachliteratur oft unter dem Begriff der Pol-Nullstellen-Kompensation zusammengefasst. Es stellt ein probates Verfahren dar, um Regelkreise mit einem gewünschten Verhalten zu entwerfen. So lässt sich bspw. ein Regelglied mittels Polvorgabe auslegen. Ohne des Weiteren auf einen Nachweis eingehen zu wollen, folgen an dieser Stelle einige Aussagen im Zusammenhang mit Pole-Nullstellen-Diagrammen: • • • Liegt ein Pol nahe am Ursprung, so hat er eine sehr große Zeitkonstante Ein negativer Pol, der direkt auf einer Nullstelle liegt, führt zu einer Nullstellenkompensation, d.h. Pol und Nullstelle heben sich in ihrer Wirkung weitgehend auf. Pole in der rechten s-Halbebene eines offenen Regelkreises lassen sich nicht durch positive Nullstellen kompensiert (Instabilität). 5.3 P-Regelglied mit PT1-Strecke Die nachfolgende Abbildung zeigt den Wirkungsplan einer PT1-Strecke, die mit einem reinen PRegelglied betrieben wird. Abbildung 175: Wirkungsplan P-Regelglied mit PT1-Strecke Die Übertragungsfunktion der PT1-Strecke lautet: πΊπ (π ) = πππ π₯(π ) = π¦π (π ) 1 + π π1 Die Übertragungsfunktion des P-Regelglieds lautet: πΊπ (π ) = π¦π (π ) = πππ π(π ) Unter Berücksichtigung von Gleichung 5.1 ergibt sich schließlich als Führungsübertragungsfunktion: πΊπ€ (π ) = πΊπ (π )πΊπ (π ) πππ πππ π₯(π ) = = π€(π ) 1 + πΊπ (π )πΊπ (π ) 1 + πππ πππ + π π1 Betrachtet man jetzt einen Sollwertsprung mit der Amplitude w0 im Bildbereich π€(π ) = 1 βπ€ π 0 so folgt nach Umformung nach x(s) und anschließender Rücktransformation in den Zeitbereich: π₯(π‘) = π‘ πππ πππ οΏ½1 − π −π οΏ½ β π€0 1 + πππ πππ Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 157 T stellt hier die Zeitkonstante des Gesamtsystems dar: π = Regelkreises sieht folgendermaßen aus: π1 οΏ½1 + π π . Die Sprungantwort des ππ ππ Abbildung 176: P-Regelglied mit PT1-Strecke, Führungssprungantwort Wie aus der o.g. Abbildung zu entnehmen ist ergibt sich für die bleibende Regelabweichung π(∞): π(∞) = 1 βπ€ 1 + πππ πππ 0 5.5 Hierbei ist zu erkennen, dass die bleibende Regelabweichung durch Vergrößern von KPR verringert werden kann, jedoch sind damit auch Nachteile verbunden: so erfolgt bei Strecken 2. Ordnung eine Verringerung der Dämpfung und bei Strecken noch höherer Ordnung letztlich eine Instabilität des gesamten Regelkreises. Die zugehörige Schaltung, die genau dieses Verhalten wiedergibt, ist in der nächsten Abbildung durch QUCS dargestellt. Setzt man die zugehörigen Werte in Formel 5.5 ein, so ergibt sich für die bleibende Regelabweichung: π(∞) = 1 β 4π = 1,33π 1+2β1 Dementsprechend konvergiert die Führungssprungantwort gegen einen Wert von: 2β1 πππ πππ β π€0 = β 4π = 2,67π 1 + πππ πππ 1+2β1 158 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 177: P-Regelglied mit PT1-Strecke, Regelkreis mit Führungsgröße Die zu diesen Regelkreis gehörende Störübertragungsfunktion ergibt sich nach Gleichung 5.2 zu: πΊπ§ (π ) = πΊπ (π ) πππ π₯(π ) = = π§(π ) 1 + πΊπ (π )πΊπ (π ) 1 + πππ πππ + π π1 Betrachtet man jetzt einen Störsprung mit der Amplitude z0 im Bildbereich π§(π ) = 1 βπ§ π 0 so folgt nach Umformung nach x(s) und anschließender Rücktransformation in den Zeitbereich: π₯(π‘) = π‘ πππ οΏ½1 − π −π οΏ½ β π§0 1 + πππ πππ π1 οΏ½(1 + π π ) . Die ππ ππ Störsprungantwort des Regelkreises sieht nach Beaufschlagung mit einem Führungssprung folgendermaßen aus: T stellt hier die Zeitkonstante des Gesamtsystems dar: Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 π= 159 Abbildung 178: P-Regelglied mit PT1-Strecke, Führungssprung- und Störsprungantwort Die Antwort der Regelstrecke liefert zwei Konvergenzwerte. Der erste Konvergenzwert als Antwort auf den Führungssprung ist oben schon bestimmt worden. Der zweite Konvergenzwert als Antwort auf den Störsprung ergibt als Differenz der beiden Konvergenzwerte: πππ 1 1 = = 1 + πππ πππ 1 + 2 β 1 3 Dieser Wert bezieht sich auf die Amplitude des Störsprungs und ergibt daher 0,67 V. Die nachfolgende Abbildung zeigt den Aufbau mit Operationsverstärkern. Der Störsprung wird hier über einen invertierenden Summierer (OP1) mit nachgeschaltetem Inverter (OP2) auf die Strecke (OP3) gegeben; der Führungssprung wird als Differenz von Führungsgröße und Regelgröße, also als Regeldifferenz (OP4) dem P-Regler (OP5) zugeführt. Die durch die Störgröße bedingte bleibende Regeldifferenz kann zwar wieder durch Vergrößern von KPR verringert werden, lässt sich jedoch nicht vollständig beseitigen. 160 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 179: P-Regelglied mit PT1-Strecke, Regelkreis mit Stör- und Führungsgröße 5.3.1 Rechnerische Übung zum vereinfachten Nyquist-Kriterium Ein Regelkreis mit drei hintereinanderliegenden PT1-Strecken soll mit einem P-Regelglied betrieben werden. Wie groß darf der Reglerbeiwert kPR höchstens werden, damit der Regelkreis die Stabilitätsgrenze nicht überschreitet? 5.3.2 Stabilitätsbetrachtung für einen P-PT1-Regelkreis Führen Sie eine Stabilitätsbetrachtung mit Hilfe des vereinfachten Nyquist-Kriteriums durch und entscheiden Sie über die Stabilität dieses Regelkreises. 5.3.3 Pole und Nullstellen eines P-PT1-Regelkreises Erstellen Sie eine Pol-Nullstellenverteilung des geschlossenen Regelkreises dar und machen Sie eine Aussage über die Stabilität des Kreises. 5.4 I-Regelglied mit PT1-Strecke Die nachfolgende Abbildung zeigt den Wirkungsplan einer PT1-Strecke, die mit einem reinen IRegelglied betrieben wird. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 161 Abbildung 180: Wirkungsplan I-Regelglied mit PT1-Strecke Die bekannte Übertragungsfunktion der PT1-Strecke lautet: πΊπ (π ) = πππ π₯(π ) = π¦(π ) 1 + π π1 Die bekannte Übertragungsfunktion des I-Regelglieds lautet: πΊπ (π ) = π¦π (π ) ππΌπ = π π(π ) Es ergibt sich schließlich als Führungsübertragungsfunktion: πΊπ€ (π ) = πΊπ (π )πΊπ (π ) ππΌπ πππ π₯(π ) = = 2 π€(π ) 1 + πΊπ (π )πΊπ (π ) π π1 + π + ππΌπ πππ Unter Berücksichtigung der Zusammenhänge πΌ= ππΌπ πππ 1 π’ππ π½ 2 = π1 2π1 ergibt sich als Führungsübertragungsfunktion: πΊπ€ (π ) = π½2 π₯(π ) = 2 π€(π ) π½ + π 2πΌ + π 2 Hierbei ergibt sich die Dämpfung des Systems als ein Maß seiner Dynamik zu: π·= πΌ 1 = π½ 2οΏ½ππΌπ πππ π1 Durch eine Vergrößerung von kIR wird die Dämpfung verringert; der Zustand D<1 führt zu gedämpften Schwingungen. Das I-Regelglied regelt den Sprung einer Führungs- bzw. einer Störgröße vollständig, d.h. ohne bleibende Regelabweichung aus. Bei Annahme eines Führungssprungs ergibt sich mit sofort π€(π ) = 1 βπ€ π 0 π₯(π ) = πΊπ€ (π ) β π€(π ) = πΊπ€ (π ) β Das führt zum stationären Endzustand der Regelgröße x zu: 162 π€0 π Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 π₯(∞) = lim π₯(π‘) = lim π β π₯(π ) = π€0 β lim πΊπ€ (π ) π‘→∞ π →0 π →0 Damit ergibt sich π₯(∞) = π€0 und das bedeutet, dass die Regeldifferenz e null ist. Mit einer ähnlichen Rechnung zur Bestimmung der Störübertragungsfunktion lässt sich zeigen, dass auch in diesem Fall der Einfluss der Störgröße komplett beseitigt wird. Bei I-Regeleinrichtungen taucht lediglich eine kleine Regeldifferenz auf, die jedoch vollständig ausgeglichen wird. Zu erwähnen bleibt aber die mit sinkender Dämpfung (größeres kIR) ansteigende Schwingneigung des Systems. 5.4.1 Rechnerische Übung zur Störübertragungsfunktion Zeigen Sie durch Überprüfung der Störübertragungsfunktion, dass der Einfluss der Störgröße bei einer PT1-Strecke mit I-Regelglied, komplett beseitigt wird. 5.4.2 Stabilitätsbetrachtung für einen I-PT1-Regelkreis Führen Sie eine Stabilitätsbetrachtung mit Hilfe des vereinfachten Nyquist-Kriteriums durch und entscheiden Sie über die Stabilität dieses Regelkreises. 5.4.3 Pole und Nullstellen eines I-PT1-Regelkreises Erstellen Sie eine Pol-Nullstellenverteilung des geschlossenen Regelkreises dar und machen Sie eine Aussage über die Stabilität des Kreises. 5.5 PI-Regelglied mit PT1-Strecke Die nachfolgende Abbildung zeigt den Wirkungsplan einer PT1-Strecke, die mit einem PI-Regelglied betrieben wird. Abbildung 181: Wirkungsplan PI-Regelglied mit PT1-Strecke Die bekannte Übertragungsfunktion der PT1-Strecke lautet: πΊπ (π ) = πππ π₯(π ) = π¦(π ) 1 + π π1 Die bekannte Übertragungsfunktion des PI-Regelglieds lautet: πΊπ (π ) = 1 + π ππ π¦π (π ) = πππ π ππ π(π ) Mit Tn=T1 ergibt sich die Führungsübertragungsfunktion: πΊπ€ (π ) = πΊπ (π )πΊπ (π ) πππ πππ (1 + π π1 ) π₯(π ) = = π€(π ) 1 + πΊπ (π )πΊπ (π ) (1 + π π1 )(πππ πππ + π π1 ) Diese Übertragungsfunktion lässt sich von der 2. Ordnung durch Kürzen auf die 1. Ordnung reduzieren und ergibt schließlich: Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 163 πΊπ€ (π ) = πππ πππ π₯(π ) = π€(π ) πππ πππ + π π1 Für ππ ≠ π1 ergibt sich die Dämpfung des Regelkreises zu π· = πΌοΏ½π½ mit folgenden Werten: πΌ= 1 + πππ πππ πππ πππ π1 π’ππ π½ 2 = 2 ππ Bei Annahme eines Führungssprungs ergibt sich mit π€(π ) = sofort 1 βπ€ π 0 π₯(π ) = πΊπ€ (π ) β π€(π ) = πΊπ€ (π ) β Das führt zum stationären Endzustand der Regelgröße x: π€0 π π₯(∞) = lim π₯(π‘) = lim π β π₯(π ) = π€0 β lim πΊπ€ (π ) π‘→∞ π →0 π →0 Damit ergibt sich π₯(∞) = π€0 und das bedeutet, dass die Regeldifferenz e null ist, und zwar unabhängig vom jeweils gewählten Tn. 5.5.1 Rechnerische Übung zur Störübertragungsfunktion Ermitteln Sie die Störübertragungsfunktion des Regelkreises (PT1-Strecke mit PI-Regelglied). 5.5.2 Stabilitätsbetrachtung für einen PI-PT1-Regelkreis Führen Sie eine Stabilitätsbetrachtung mit Hilfe des vereinfachten Nyquist-Kriteriums durch und entscheiden Sie über die Stabilität dieses Regelkreises. 5.5.3 Pole und Nullstellen eines PI-PT1-Regelkreises Erstellen Sie eine Pol-Nullstellenverteilung des geschlossenen Regelkreises dar und machen Sie eine Aussage über die Stabilität des Kreises. 5.6 P-Regelglied mit I-Strecke Die nachfolgende Abbildung zeigt den Wirkungsplan einer I-Strecke, die mit einem reinen PRegelglied betrieben wird. Abbildung 182: Wirkungsplan P-Regelglied mit I-Strecke Grundlage zur Ermittlung des Führungsverhaltens des P-Regelglieds zur Regelung einer I-Strecke ist die entsprechende Führungsübertragungsfunktion, deren Laplace-Transformierte hier betrachtet wird. Bezogen auf das o.g. Blockschaltbild des Regelkreises ergibt sich: 164 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 πΊπ€ (π ) = πΊπ (π )πΊπ (π ) π₯(π ) = π€(π ) 1 + πΊπ (π )πΊπ (π ) Die Übertragungsfunktion des P-Regelglieds GR(s), bzw. der I-Regelstrecke GS(s) lauten: πΊπ (π ) = bzw. πππ 1 + πππ πΊπ (π ) = ππΌπ π ππΌπ π Für die Führungsübertragungsfunktion ergibt sich somit: πΊπ€ (π ) = πππ ππΌπ π + πππ ππΌπ Um den zeitlichen Verlauf der Regelgröße x(t) auf eine Sollwertänderung zu beschreiben, soll eine Sprungfunktion betrachtet werden. In diesem Fall soll sich die Führungsgröße sprunghaft ändern, was jedoch an der Anlage der Füllstandregelung aus konstruktionsbedingten Gründen nicht möglich ist. Die folgende Betrachtung kann daher nur theoretischen Charakter haben und sei der Vollständigkeit halber erwähnt. So gilt für eine sprunghafte Änderung der Führungsgröße π€(π‘) = π€0 π(π‘) mit 0 für t < 0 und w0 für t > 0, wobei w(s) die Laplace-Transformierte des Führungssprunges ist: π€(π ) = π€0 π Die Führungsanstiegsantwort x(s) des Regelkreises lässt sich jetzt wie folgt ermitteln: oder Mit πππ ππΌπ = πΌ ergibt sich: π₯(π ) = π€(π ) πΊπ€ (π ) π₯(π ) = πππ ππΌπ π€0 β π π + πππ ππΌπ π₯(π ) = π€0 πΌ 1 π (π + πΌ) wobei sich der stationäre Endzustand x(∞) der Regelgröße x mittels des Grenzwertsatzes der LaplaceTransformation für eine Sprungfunktion ermitteln lässt mit: lim π₯(π‘) = lim π π₯(π ) π‘→∞ π →0 π₯(∞) = lim π₯(π‘) = π€0 π‘→∞ Die bleibende Regeldifferenz xd(∞) = w0 - x(∞) ergibt Null und verschwindet daher. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 165 Gemäß Korrespondenztabelle gilt jetzt für die Lösung der Laplace-Transformierten Führungsanstiegsantwort x(s) des Regelkreises der folgende Zusammenhang: 1 1 → (1 − π −πΌπ‘ ) π (π + πΌ) πΌ Nach Rücktransformation ergibt sich die Führungsanstiegsfunktion x(t) des Regelkreises zu: π₯(π‘) = π€0 οΏ½1 − π πππ ππΌππ‘ οΏ½ 5.6.1 Rechnerische Übung zur Störübertragungsfunktion Ermitteln Sie die Störübertragungsfunktion des Regelkreises (I-Strecke mit P-Regelglied). 5.6.2 Stabilitätsbetrachtung für einen P-I-Regelkreis Führen Sie eine Stabilitätsbetrachtung mit Hilfe des vereinfachten Nyquist-Kriteriums durch und entscheiden Sie über die Stabilität dieses Regelkreises. 5.6.3 Pole und Nullstellen eines P-I-Regelkreises Erstellen Sie eine Pol-Nullstellenverteilung des geschlossenen Regelkreises dar und machen Sie eine Aussage über die Stabilität des Kreises. 5.7 I-Regelglied mit I-Strecke Die nachfolgende Abbildung zeigt den Wirkungsplan einer I-Strecke, die mit einem reinen IRegelglied betrieben wird. Abbildung 183: Wirkungsplan I-Regelglieds mit I-Strecke Grundlage zur Ermittlung des Führungsverhaltens des I-Regelglieds zur Regelung einer I-Strecke ist die entsprechende Führungsübertragungsfunktion, deren Laplace-Transformierte hier betrachtet wird. Bezogen auf das o.g. Blockschaltbild des Regelkreises ergeben sich folgende Relationen: πΊπ (π ) = π¦π (π ) ππΌπ π₯(π ) ππΌπ = π’ππ πΊπ (π ) = = π π π(π ) π¦(π ) Eingesetzt in die allgemeine Formulierung der Führungsübertragungsfunktion ergibt sich: πΊπ€ (π ) = Ersetzt man π½ 2 = ππΌπ ππΌπ so ergibt sich: 166 ππΌπ ππΌπ π₯(π ) = 2 π€(π ) π + ππΌπ ππΌπ πΊπ€ (π ) = π½2 π 2 + π½2 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Das aber bedeutet, dass die Dämpfung D des Systems zu null wird, weil der die Dämpfung mitbestimmende Faktor α fehlt. Lässt man die bekannte Sprungfunktion für einen Führungssprung wirken, so ergibt sich π₯(π ) = π½ 2 π (π 2 1 π€ + π½2) 0 Die Rücktransformation mit Hilfe der Korrespondenztabelle in den Realbereich (α=0) ergibt: π₯(π‘) = (1 − cos π½π‘) β π€0 Die Interpretation dieser Aussage liefert eine Dauerschwingung um den Mittelwert w0 mit der Kreisfrequenz des ungedämpften Systems. Da keine Dämpfung vorhanden ist, können sich solche Systeme aufschaukeln. Eine ähnliche Rechnung ließe sich auch bezogen auf eine sprunghafte Änderung der Störgröße durchführen und würde zum gleichen Ergebnis führen. Fazit: Eine I-Regeleinrichtung ist zur Regelung einer I-Strecke denkbar ungeeignet. 5.7.1 Rechnerische Übung zur Störübertragungsfunktion Ermitteln Sie die Störübertragungsfunktion des Regelkreises (I-Strecke mit I-Regelglied). 5.7.2 Stabilitätsbetrachtung für einen I-I-Regelkreis Führen Sie eine Stabilitätsbetrachtung mit Hilfe des vereinfachten Nyquist-Kriteriums durch und entscheiden Sie über die Stabilität dieses Regelkreises. 5.7.3 Pole und Nullstellen eines I-I-Regelkreises Erstellen Sie eine Pol-Nullstellenverteilung des geschlossenen Regelkreises dar und machen Sie eine Aussage über die Stabilität des Kreises. 5.8 PI-Regelglied mit I-Strecke Die nachfolgende Abbildung zeigt den Wirkungsplan einer I-Strecke, die mit einem PI-Regelglied betrieben wird. Abbildung 184: Wirkungsplan PI-Regelglied mit I-Strecke Die Laplace-Transformierten der Übertragungsfunktionen eines PI-Regelglieds GR(s) bzw. der IStrecke GS(s) lauten: πΊπ (π ) = πππ οΏ½1 + 1 ππΌπ οΏ½ ππ§π€. πΊπ (π ) = π π ππ wobei die Zeitkonstante Tn = KPR/KIR die Nachstellzeit und KIR den Integrierbeiwert des Regelglieds bedeuten. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 167 Eingesetzt in die Zusammenhängen Führungsübertragungsfunktion Gw(s) πΌ= ergibt sich mit den folgenden πππ ππΌπ 2 πππ ππΌπ π½=οΏ½ = οΏ½ππΌπ ππΌπ ππ πΊπ€ (π ) = Die Dämpfung D des Systems ergibt sich zu: π·= π½ 2 + π 2πΌ π½ 2 + π 2πΌ + π 2 πΌ 1 ππππ π·(ππ ) = οΏ½πππ ππΌπ ππ π½ 2 5.8.1 Rechnerische Übung zur Störübertragungsfunktion Ermitteln Sie die Störübertragungsfunktion des Regelkreises (I-Strecke mit PI-Regelglied). 5.8.2 Stabilitätsbetrachtung für einen PI-I-Regelkreis Führen Sie eine Stabilitätsbetrachtung mit Hilfe des vereinfachten Nyquist-Kriteriums durch und entscheiden Sie über die Stabilität dieses Regelkreises. 5.8.3 Pole und Nullstellen eines PI-I-Regelkreises Erstellen Sie eine Pol-Nullstellenverteilung des geschlossenen Regelkreises dar und machen Sie eine Aussage über die Stabilität des Kreises. 5.9 PID-Regelglied mit PT2-Strecke Die nachfolgende Abbildung zeigt den Wirkungsplan einer PT2-Strecke, die mit einem PID-Regelglied betrieben wird. Abbildung 185: Wirkungsplan PID-Regelglied mit PT2-Strecke Die Laplace-Transformierten der Übertragungsfunktionen eines PID-Regelglieds GR(s) bzw. einer PT2Strecke GS(s) lauten (hierbei ist zu berücksichtigen, dass bei der algebraischen Umformung die Ersatzzeitkonstanten Ta, Tb, Tc, und Td gewählt wurden, um die Rechenausdrücke zu vereinfachen): πΊπ (π ) = 168 (1 + π ππ )(1 + π ππ ) 1 + π ππ + π 2 ππ ππ π¦π (π ) = πππ = πππ π ππ π(π ) π ππ πΊ(π ) = π 2 π22 πππ πππ = + π π1 + 1 (1 + π ππ )(1 + π ππ ) Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Unter Berücksichtigung des im vorhergehenden Kapitel erläuterten Zusammenhängen für geschlossene Regelkreise ergibt sich schließlich als Führungsübertragungsfunktion: πΊπ€ (π ) = πΊπ (π )πΊπ (π ) 1 π₯(π ) = = π€(π ) 1 + πΊπ (π )πΊπ (π ) 1 + π β πΆ In diesem Fall ist C eine Größe, welche den Zusammenhang berücksichtigt, dass die größten Ersatzzeitkonstanten zusammengefasst wurden: Ta=Tc und Tb=Td. Eine ausführliche mathematische Betrachtung würde den Rahmen dieses Lehrbuchs sprengen. Bezogen auf das Führungsverhalten sei an dieser Stelle jedoch erwähnt, dass unter Berücksichtigung des Grenzwertsatzes ein Führungssprung zu keiner bleibenden Regelabweichung führt: π₯(∞) = lim π₯(π‘) = lim π β π₯(π ) = π€0 β lim πΊπ€ (π ) π‘→∞ π →0 π →0 Damit ergibt sich π₯(∞) = π€0 und das bedeutet, dass die Regeldifferenz e in der Tat Null ist. Auf eine Behandlung der Störverhaltens (Störübertragungsfunktion) wird an dieser Stelle aus o.g. Gründen ebenfalls verzichtet. Es lässt sich zusammenfassend sagen, dass eine PID-Regeleinrichtung zur Regelung einer PT2-Strecke hervorragend geeignet ist. Durch den vorhandenen I-Anteil ergibt sich sowohl im Führungs- als auch im Störverhalten eine vorübergehende und daher nicht bleibende Regelabweichung. Problematisch bleibt aber die Optimierung der Einstellung der Regelparameter kPR, Tn und Tv in Abhängigkeit vom Streckenverhalten (kPS, T1, T2). 5.9.1 Stabilitätsbetrachtung für einen PID-PT2-Regelkreis Führen Sie eine Stabilitätsbetrachtung mit Hilfe des vereinfachten Nyquist-Kriteriums durch und entscheiden Sie über die Stabilität dieses Regelkreises. 5.9.2 Pole und Nullstellen eines PID-PT2-Regelkreis Erstellen Sie eine Pol-Nullstellenverteilung des geschlossenen Regelkreises dar und machen Sie eine Aussage über die Stabilität des Kreises. 5.9.3 Stabilitätsbetrachtung für einen PID-PT3-Regelkreis Führen Sie eine Stabilitätsbetrachtung mit Hilfe des vereinfachten Nyquist-Kriteriums durch und entscheiden Sie über die Stabilität dieses Regelkreises. 5.10 Zweipunkt-Regelglied mit PT1-Strecke Die nachfolgende Abbildung zeigt den Wirkungsplan einer PT1-Strecke, die mit einem 2-PunktRegelglied mit Hystereseverhalten betrieben wird. Abbildung 186: Wirkungsplan Zweipunkt-Regelglied mit PT1-Strecke Betrachtet werden soll der Einfachheit halber die Temperaturregelung über ein Bimetall an einem Bügeleisen. Der Einfachheit halber wird eine Regelstrecke mit PT1-Verhalten angenommen. Die Energiezufuhr wird über ein Schaltrelais vorgenommen. Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht diesen Zusammenhang und zeigt die zeitlichen Abhängigkeiten von Regelgröße x und Stellgröße y. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 169 Abbildung 187: Zusammenhang zwischen Regelgröße und Stellgröße Die beiden nachfolgenden Abbildungen zeigen, dass weder eine Verringerung der Schaltdifferenz xsd noch eine Verkleinerung der Zeitkonstanten Ts zu einer Verlängerung der Lebensdauer eines solchen Reglers führen: die Schaltfrequenz steigt in beiden Fällen. Abbildung 188: Verringerung der Schaltdifferenz beim 2-Punkt-Regler 170 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 189: Verringerung der Zeitkonstanten beim 2-Punkt-Regler Bei näherer Betrachtung dieser Zusammenhänge ergeben sich aus dem zeitabhängigen Verlauf der Regelgröße x Abbildung 190: Zeitabhängiger Verlauf der Regelgröße x die beiden folgenden stark vereinfachten Sichtweisen: Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 171 Abbildung 191: : Vereinfachte Darstellung der Regelgröße x Abbildung 192: Herleitung der Zeitkonstanten mittels Strahlensatz Aus der oben stehenden Zeichnung leitet sich unter Anwendung der Strahlensätze die folgende Gleichung her: π=4 π₯π π ππ π₯πππ₯ Betrachtet man die Lebensdauer eines Bügeleisens, so ergeben sich bzgl. des Zweipunkt-Reglers die folgenden Überlegungen: Schaltdifferenz xsd = 17°C, mittlere geregelte Temperatur w = 150°C, Zeitkonstante Ts = 7,1 Min, Leistungsüberschuss von 100% => xmax = 300°C. π=4 π₯π π ππ 17°πΆ β 7,1 πππ =4 = 1,6 πππ π₯πππ₯ 300°πΆ Die maximale Lebensdauer des Zweipunkt-Reglers betrage 100.000 Schaltvorgänge. Es ergibt sich 100.000 β 1,6 πππ = 160.000 πππ = 300 β 300 β = 18.000 πππ/π 160.000 πππ ≈9π 18.000 πππ/π 5.11 Zweipunkt-Regelglied mit I-Strecke Die nachfolgende Abbildung beschreibt das Regelverhalten eines 2-Punkt-Regelglieds mit HystereseVerhalten an einer I-Strecke. 172 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 193: Wirkungsplan Zweipunkt-Regelglied mit I-Strecke Nachfolgend wird der Verlauf der Regelgröße bei einer sprungförmigen Änderung des Sollwertes w mit der Schwankungsbreite xsd dargestellt. Abbildung 194: Führungssprungantwort 2-Punkt-Regelglied mit I-Strecke 5.12 Welches Regelglied für welche Strecke? Bedingt durch die bisherigen Betrachtungen sollte diese Frage relativ einfach zu beantworten sein: Für reine P-Strecken reicht ein P-Regelglied aus. Falls die bleibende Regelabweichung nicht erwünscht ist, kann ein I-Anteil dazu genommen werden: ο P-Strecke: P-Regelglied oder PI-Regelglied Für reine I-Strecken eignet sich das reine I-Regelglied wegen der fehlenden Dämpfung nicht. Es sollte daher, auch zur Vermeidung einer bleibenden Regelabweichung stets eine Kombination aus P- und IRegelglied eingesetzt werden: ο I-Strecke: P-Regelglied oder PI-Regelglied Für proportionale Regelstrecken mit einer Verzögerung (PT1) reicht ebenfalls ein PI-Regelglied zur Vermeidung einer bleibenden Regelabweichung. Ein D-Anteil würde die Regelung unnötig komplizieren und führt auch zu keiner Verbesserung. Da sich die Ausgangsgröße einer verzögerten Strecke relativ langsam ändert, ist ein sehr schnelles Eingreifen praktisch unwirksam. Ein reines IRegelglied wäre ebenfalls zur Regelung einer solchen Strecke geeignet, hat die Strecke jedoch eine große Verzögerungszeit, so ergibt das eine sehr langsame Regelung, die jedoch ohne bleibende Regeldifferenz erfolgt. Sein Einsatz hängt also stark von den Parametern der jeweiligen Strecke ab: Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 173 ο PT1-Strecke: I-Regelglied, PI-Regelglied Regelstrecken höherer Ordnung, PT2 und größer, erfordern fast immer den komplexesten Regelgliedtyp. Bedingt durch die Parameter der Strecke lassen sich jedoch auch mit allen anderen o.g. Regelgliedtypen gute Ergebnisse erreichen: ο PT2-Strecke: P-Regelglied, I-Regelglied, PI-Regelglied, PD-Regelglied, PID-Regelglied P-Regelglied: Die bleibende Regeldifferenz wird umso kleiner, je größer der Übertragungsbeiwert kPR gewählt wird. Dadurch wird der Regelkreis jedoch instabiler. Daher ist die bleibende Regelabweichung im Allgemeinen größer als bei der P-Regelung einer PT1-Strecke, da kPR kleiner gewählt werden muss. I-Regelglied: Er ist ein sehr langsames Regelglied und neigt zum Überschwingen. Er beseitigt eine etwaige Regeldifferenz jedoch vollständig. PI-Regelglied: Dieser Regelgliedtyp erzeugt ebenfalls keine Regeldifferenz und ist zudem schneller als ein reines I-Regelglied. PD-Regelglied: Dieses Regelglied reagiert schneller als das reine P-Regelglied bei langsamen Änderungen von Führungs- und Störgrößen. Zur Verringerung der bleibenden Regeldifferenz erlaubt er eine größeres kPR, ohne dass das System gleich instabil wird. Verantwortlich dafür ist die Phasendrehung des D-Anteils um +90°. Durch seinen D-Anteil ist ein schnelles Ausregeln starker Störungen möglich. PID-Regelglied: Es reagiert deutlich schneller als das PI-Regelglied. Dadurch werden Regeldifferenzen schneller ausgeregelt, bei langsamen Änderungen reagiert es schneller als das PD-Regelglied. Die optimierte Einstellung seiner Parameter ist relativ schwierig (siehe Stabilitätskriterien). Reine D-Regelglieder sind durchaus zu realisieren, jedoch nicht einsetzbar. Sie sind zwar schnell, regeln konstante Störgrößen jedoch nicht aus. 174 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 6 Digitale Regelung Die bisherigen Ausführungen zur Regelungstechnik basierten auf reiner Analogtechnik. Sie wird jedoch zunehmend ergänzt (bzw. schon ersetzt) durch digital arbeitende Technologien. Zur Implementierung einer digitalen Regelungstechnik sind in erster Linie Umsetzersysteme wie AnalogDigital- oder Digital-Analog-Umsetzer (ADU oder DAU) notwendig. Zur Verarbeitung der digitalen Signalpegel wird ein Computer (Mikrorechner) eingesetzt, der die Regelalgorithmen in Form eines Programms enthält. In der nachfolgenden Abbildung zur Drehzahlregelung einer Motor-GeneratorStrecke kann der PID-Regler einschließlich Vergleicher als digital arbeitende Regeleinrichtung betrachtet werden. Abbildung 195: Regelkreis zur Drehzahlregelung eines Motor-Generator-Satzes Hier liefert die Regelstrecke (M, G) über einen Impulsgeber (I) ein in seiner Frequenz veränderbares Rechtecksignal. Der Impulsgeber sei in diesem Fall kein Tachogenerator, sondern eine Lochscheibe mit Gabellichtschranke (siehe Abbildung 51). Das durch die Lichtschranke leicht verschliffene Signal wird mittels Triggerung in ein deutliches Rechtecksignal geformt. Anschließend wandelt ein f/UUmsetzer das Rechtecksignal in eine zur Frequenz proportionale Spannung. Etwaige Restwelligkeiten werden durch einen nachgeschalteten Tiefpass geglättet. Dieses analoge Signal wird jetzt einem Vergleicher zugeführt und genau hier beginnt der eigentliche Prozess der Abtastregelung: Wenn der Regler als Mikrocontroller ausgeführt ist, so muss der Vergleich von Führungsgröße und Regelgröße in den PID-Algorithmus des Mikrocontrollers integriert sein; somit ist der Vergleicher ein Bestandteil des Reglers. Damit aber ein Mikrocontroller zwei analoge Signale miteinander vergleichen kann, müssen diese in digitaler Form vorliegen, d.h. es ist ein ADU notwendig. Der Regler generiert durch seinen Regelalgorithmus in Abhängigkeit von der Regeldifferenz eine Stellgröße yR in digitaler Form. Diese Stellgröße wiederum muss in eine analoge Größe gewandelt werden, um die Spannung am Motor und damit seine Drehzahl zu beeinflussen. Diese Umsetzung mit anschließender Leistungsverstärkung erfolgt durch das Stellglied. Das Stellglied kann in diesem Fall ein Leistungsoperationsverstärker, der seine Verstärkung über ein digital angesteuertes Potentiometer erhält. Betrachtet man jetzt die Elemente Vergleicher, Regler und Stellglied (siehe Abbildung 103), so ergibt sich folgendes Bild: Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 175 Abbildung 196: Digital arbeitende Regeleinrichtung Betrachtet man eine digital arbeitende Regeleinrichtung, so kann eine Abtastregelung nur durchgeführt werden, wenn DAU und ADU integriert sind. Oft liefert die Regelstrecke als Regelgröße x ein analoges Signal, das mit Hilfe eines Messumformers dem analogen Eingang eines ADU zugeführt wird. Der ADU digitalisiert dieses Signal und führt es einem Vergleicher zu, welche auf digitale Weise die Regeldifferenz e herstellt. Aus dem kontinuierlichen analogen Signal des Messumformers entsteht durch periodische Abtastung und anschließender AD-Umsetzung ein diskontinuierlich-diskretes Signal, bestehend aus einer Folge von Werten x(kTA) mit k = 0, 1, 2, 3, ... Die Regeldifferenz e(kTA) wird einem Computer zugeführt, der über eine Sample-und-Hold-Schaltung den digitalen Eingang eines DAU anspricht. Der DAU leitet dieses Signal dann als Stellgröße an die Regelstrecke weiter. Die folgende Abbildung (Reuter) soll diesen Zusammenhang verdeutlichen und gibt die durch Abtastung (sampling) entstehende Folge xk aus dem kontinuierlichen Signal x(t) wieder. An dieser Stelle soll zusätzlich erwähnt werden, dass jedes analoge Signal einer Diskretisierung und einer Quantisierung unterzogen werden muss. 22 Diskretisierung: Vorgang der Aufzeichnung von räumlich und/oder zeitlich äquidistanten Messwerten eines analogen Signals. Hier ist die Abtastdauer TA oder die Sampling Rate gemeint. Quantisierung: Darstellung einer Messwerte-Abtastung mit endlicher Auflösung, abgebildet auf ganzzahlige Binärwerte. Hier ist die Auflösung des Wandlers (8, 10, 12, oder 16 Bit) gemeint. 23 An Stelle des Mikrorechners kann fast jeder beliebige digital arbeitende Rechner eingesetzt werden. Man spricht in diesem Zusammenhang von DDC (Direct Digital Control). 22 Siehe auch Kapitel „Digitale Verfahren“ 23 Eine Audio-CD beispielsweise unterliegt der Standardisierung nach „Red Book“. Das bedeutet: die Sampling Rate beträgt 44,1 kHz entsprechend einer Abtastdauer von TA = 22,7 µs für den Vorgang der Diskretisierung. Beim Vorgang der Quantisierung erfolgt eine Auflösung von jeweils 16 Bit pro Kanal (Stereo). Damit ergibt sich eine zu übertragende Datenrate von ca. 172 kByte/s. 176 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Rechner dieser Art sind vorwiegend für die Gebäudeautomation vorgesehen. Ihre Bussysteme sind proprietärer Art, da es noch keine Normen für eine Standardisierung gibt 24. Für eine industrielle Automation wird vorwiegend auf die Speicherprogrammierte Steuerung zurückgegriffen, die nach jetzigem Stand durchaus in der Lage ist, regelungstechnische Aufgaben zu übernehmen. Beide Systeme beherrschen die Protokolle TCP und IP. Besser und deutlich einfacher umzusetzen ist der Einsatz mikrocontroller-basierter Systeme. Solche Systeme werden als "embedded systems" bezeichnet und sind im Wesentlichen frei programmierbare Kleincomputer. Eins der vom Preis-Leistungs-Verhältnis interessanteren Systeme dieser Art ist der ARDUINO in der Ausführung "Duemilanove". Über die Homepage http://www.arduino.cc dieses opensource-projects ist eine komplette Entwicklungsumgebung mit einer Unmenge an Tools erreichbar. Der ARDUINO ist relativ gut für eine praktische Umsetzung der digitalen Regelungstechnik geeignet mit seinen mehr als 13 digitalen Ein-/Ausgängen, seinen 6 Analog-Eingängen mit jeweils 10-Bit-Wandlern und seinen 6 PWM-Ausgängen mit jeweils 8 Bit Auflösung (siehe nachfolgende Abbildung). Abbildung 197: Mikrocontroller mit USB Converter FTDI 2232, ARDUINO Duemilanove Ohne auf die dahinter stehende Mathematik einzugehen, soll an dieser Stelle kurz im Vorgriff auf künftige Ausführungen der PID-Algorithmus für einen digitalen Regler angegeben werden. Dieser Algorithmus lässt sich direkt programmieren. Der bekannte Zusammenhang π¦π (π‘) = πππ π(π‘) + ππΌπ οΏ½ π(π‘) ππ‘ + ππ·π bzw. mit den Zeitkonstanten ππ = πππ ππΌπ π und ππ = ππ·π : π¦π (π‘) = πππ οΏ½π(π‘) + ππ π π(π‘) ππ‘ 1 π π(π‘) οΏ½ π(π‘)ππ‘ + ππ οΏ½ ππ ππ‘ lässt sich unter Berücksichtigung von Diskretisierung und Quantisierung umschreiben in den sog. Stellungsalgorithmus 25: 24 Erste Ansätze sind z.B. durch den EIB (European Industrial Bus) realisiert. Der Stellungsalgorithmus gilt nur für Regelstrecken mit großen Zeitkonstanten, wie z.B. Temperaturregelstrecken. Bei Strecken mit kleinen Zeitkonstanten, wie z.B. Drehzahlregelstrecken, wird der sog. Geschwindigkeitsalgorithmus eingesetzt. 25 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 177 π ππ ππ΄ π¦π (π β ππ΄ ) = ππ οΏ½π(π β ππ΄ ) + β οΏ½ π(π β ππ΄ ) + β [π(π β ππ΄ ) − π((π − 1) β ππ΄ )]οΏ½ ππ ππ΄ 6.1 π=0 Die dem System zugeführte Stellgröße yR(kTA) weist durch den Vorgang der Digitalisierung (Diskretisierung und Quantisierung) eine Treppenform auf. Diese Treppenform lässt sich aus einzelnen Sprungfunktionen zusammengesetzt denken und führt schließlich über die LaplaceTransformation zur sog. z-Transformation: Z[x(kTA)] ist die Laplace-Transformierte der äquidistanten Pulsfolge x(kTA) und somit die z-Transformierte. Zur z-Transformation einfacher Funktionen sei auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen. Der o.g. Stellungsalgorithmus lässt sich nur durch die Einführung von Vereinfachungen programmtechnisch umsetzen. Es sei an dieser Stelle schon erwähnt, dass sich der Integralteil durch Summenbildung und der Differentialanteil durch Differenzbildung ersetzen lassen. Dieser Zusammenhang wird später deutlicher erläutert werden. 6.1 Der P-Algorithmus Betrachtet werde der (relativ) einfache Fall eines Regelkreises von P-Regler mit PT1-Strecke ohne Störgröße (siehe nachfolgende Abbildung). Die Strecke kann hier als einfaches RC-Glied ausgeführt sein. Abbildung 198: Wirkungsplan P-Regler mit PT1-Strecke ohne Störgröße Der Vergleicher wird mit in die programmtechnische Umsetzung des P-Reglers einbezogen. Sowohl die Regelgrösse x(t) (nämlich das Ausgangssignal der Regelstrecke) als auch die Führungsgrösse w(t) sind analoge Signale. Beide lassen sich beispielsweise über die beiden analogen Eingänge "ANALOG IN 0" und "ANALOG IN 1" des ARDUINO verarbeiten. Der Reglerausgang (Stellgröße yR) kann der Regelstrecke durch einen PWM-Ausgang (hier PWM an Pin 9) zugeführt werden. 178 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 199: Regelkreisaufbau mit Mikrocontroller und PT1-Strecke Die oben stehende Abbildung wurde mit Hilfe eines Freeware Programms erhältlich unter http://www.fritzing.org erstellt und zeigt den Aufbau eines Regelkreises mit ARDUINO und einer PT1Strecke. Auffallend ist in der oben stehenden Abbildung, dass der PWM-Ausgang des ARDUINO einer anlogen Wandelung unterzogen wird. Hier wurde mittels RC-Tiefpass und anschließender Entkopplung über einen OpAmp eine DA-Wandelung mittels eines Sallen-Key-Filters (Tiefpass 2. Ordnung) vorgenommen. Bei der Auslegung eines solchen Filters hilft ein Freeware-Programm von Texas Instruments namens "FilterPro". Link siehe: http://focus.ti.com/docs/toolsw/folders/print/filterpro.html?DCMP=hpa_tools&HQS=Tools+PR+filter pro-pr Da die PWM-Ausgänge des ARDUINO jeweils mit einer festen Frequenz von knapp 500 Hz arbeiten, lässt sich eine Sallen-Key-Schaltung mit dem o.g. Programm relativ leicht erstellen. Die nachfolgenden beiden Abbildungen zeigen die Ergebnisse der Filterberechnung. Zurück zur oben stehenden Abbildung: der Ausgang der Filterschaltung ist direkt mit dem Eingang der PT1-Strecke verbunden. Die Strecke selbst ist durch einen Impedanzwandler entkoppelt. Bedingt durch den Einsatz von Operationsverstärkern wird eine externe Spannungsquelle von +12 V Gleichspannung notwendig. Der Führungssprung (ANALOG IN 0) wird durch Betätigen eines Tasters, der mit dem 3,3 V Anschluss des ARDUINO verbunden ist ausgelöst. Er bleibt bestehen, solange der Taster betätigt ist. An Stelle eines Tasters kann hier auch ein Rechteckgenerator zur kontinuierlichen Beaufschlagung mit einem Führungssprung angeschlossen werden. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 179 Abbildung 200: Operationsverstärker mit Filter 2. Ordnung 180 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 201: Bode-Diagramm für einen Filter 2.Ordnung Da die Regeldifferenz e(t) die Eingangsgröße des Reglers bildet, muss in einem ersten Programmschritt die Differenz gebildet werden: Ausgehend von π(π‘) = π€(π‘) − π₯(π‘) π¦π (π‘) = πππ β π(π‘) wird die Gleichung für den P-Regler (siehe Stellungsalgorithmus) ermittelt zu: Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 181 π¦π (π β ππ΄ ) = πππ β π(π β ππ΄ ) Der nachfolgende (kursiv gedruckte) Programmcode gibt die programmtechnische Umsetzung eines digital arbeitenden P-Reglers mittels ARDUINO wieder und kann so übernommen werden. Es werden die jeweiligen Werte der Führungsgröße, der Stellgröße und der Regelgröße über das serielle Interface des ARDUINO wiedergegeben. /* zwei analoge eingaenge und ein analoger ausgang mit seriellem output es wird ein digital arbeitender p-regler nachgebildet. der vergleicher ist integrativer bestandeil des programms, wobei die regeldifferenz e(t)=w(t)-x(t) gebildet wird. der analoge eingang 0 verarbeitet die regelgroesse x, waehrend der analoge eingang 1 die fuehrungsgroesse w verarbeitet. anschließend wird die differenz der beiden analogen eingaenge der eigentlichen reglergleichung zugefuehrt. fuer einen p-regler gilt: yr(t)=kpr*e(t), mit yr(t) als stellgroesse des reglers und kpr als beiwert des reglers. nach festlegung des reglerbeiwertes kpr durch eine integerzahl wird die stellgroesse durch produktbildung von reglerbeiwert und regeldifferenz ausgegeben. die ausgabe von yr(t) erfolgt über pin 9 als pwm-signal. zusaetzlich wird das ergebnis durch den seriellen monitor wiedergegeben. der komplette regelkreis kann folgendermassen aussehen: die regelstrecke kann eine durch ein rc-glied aufgebaute pt-1 strecke sein. der eingang der pt1-strecke wird mit pin 9 (pwm-signal) verbunden, ihr ausgang mit dem analog eingang 0. nach programmstart wird über den analog eingang 1 ein sprung der fuehrungsgroesse eingeleitet, auf welchen der (digital aufgebaute) p-regler mit einer bleibenden regelabweichung reagiert. erstellt am 31.07.2010 von Juergen Wehling */ // festlegung von konstanten und integerwerten an den zugehoerigen anschluessen const int analogIn0 = 0; // analog eingang 0 regelgroesse xt const int analogIn1 = 1; // analog eingang 1 fuehrungsgroesse wt const int analogOut9 = 9; // analog ausgang 9 stellgroesse yrt float kpr = 1; // vorgabewert des beiwertes kpr des p-reglers int xt = 0; // ausgelesener wert der regelgroesse xt int wt = 0; // ausgelesener wert der fuehrungsgroesse wt int yrt = 0; // uebergebener wert der stellgroesse yrt int yrt_map = 0; //angepasste stellgroesse yrt_map an 8-bit pwm-ausgabe int et = 0; // vorgabewert der regeldifferenz et int bias = 200; // offset bei einem fuehrungsgrossensprung von 1,0 V (=205) auf 5 V (=1023) void loop() { // einlesen des analogen wertes fuer die regelgroesse xt xt = int(analogRead(analogIn0)); // einlesen des analogen wertes fuer die fuehrungsgroesse wt wt = analogRead(analogIn1); // berechnung der regeldifferenz et et = wt - xt; // berechnung der stellgroesse yrt yrt = kpr * et + bias; //yrt = 512; // anpassung an die 8-bit pwm-ausgabe ueber pin 9: yrt_map = map(yrt, 0, 1023, 0, 255); // change the analog out value: analogWrite(analogOut9, yrt_map); // verzoegerungsbefehl zur regenerierung der analog-digital-umsetzung delay(30); } Die nachfolgenden Abbildungen zeigen Oszillogramme als Ergebnisse von Führungssprüngen. 182 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Abbildung 202: P-Regelglied, Führungssprungantwort: kpr=1 Abbildung 203: P-Regelglied, Führungssprungantwort: kpr=2 Es ist deutlich zu sehen, dass beim P-Regler eine bleibende Regelabweichung existiert (Abbildung 202: P-Regelglied, Führungssprungantwort: kpr=1). Des Weiteren lässt sich die Regelabweichung durch Vergrößern des kPR-Wertes verringern (Abbildung 203: P-Regelglied, Führungssprungantwort: kpr=2). Eine weitere Vergrößerung des kPR-Wertes führt allerdings schon zu Verzerrungen. Dem System sind hier offensichtlich enge Grenzen gesetzt 6.2 Der PI-Algrorithmus Prinzipiell gelten die gleichen o.g.Bedingungen auch für den Aufbau des Arduino als PI-Regler. Der PIRegler setzt sich als Summe der Einzelregler zusammen. Der P-Anteil wird dabei wie beim P-Regler beschrieben umgesetzt. Der I-Anteil wird durch eine fortlaufende Summenbildung der Regeldifferenz mit dem Integralanteil gebildet. Ausgehend von Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 183 π¦π (π‘) = ππΌπ οΏ½ π(π‘) ππ‘ wird die Gleichung für den I-Regler (siehe Stellungsalgorithmus) ermittelt zu: π ππ΄ π¦π (π β ππ΄ ) = πππ β β οΏ½ π(π β ππ΄ ) ππ π=0 Für den Grenzübergang ππ΄ → ππ‘ geht das Integral in die Summe über. Die Umsetzung im Programm ergibt sich zu: yrti = kpr*(t/tn)*sum; Die nachfolgenden Abbildungen zeigen Oszillogramme als Ergebnisse von Führungssprüngen. Abbildung 204: PI-Regelglied, Führungssprungantwort, kPR=1, Tn=5ms Abbildung 205: PI-Regelglied, Führungssprungantwort, KPR=1, Tn=1ms 184 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Die Abbildung 204: PI-Regelglied, Führungssprungantwort, kPR=1, Tn=5ms zeigt deutlich, dass der Einsatz eines PI-Reglers die durch den P-Regler verursachte Regelabweichung vollständig ausgleicht. Das funktioniert gut bei größeren Nachstellzeiten (hier: Tn=5ms). Wählt man kleinere Nachstellzeiten (Abbildung 205: PI-Regelglied, Führungssprungantwort, KPR=1, Tn=1ms), so wird der Regelkreis instabil und neigt zu Schwingungen. 6.3 Der PID-Algorithmus Auch in diesem Fall gelten prinzipiell wieder die gleichen o.g.Bedingungen für den Aufbau des Arduino als PID-Regler. Der PID-Regler setzt sich als Summe der Einzelregler zusammen. Der P-Anteil wird dabei wie beim P-Regler, der I-Anteil wie beim I-Regler beschrieben umgesetzt. Der D-Anteil wird durch den Differenzenquotienten aufeinanderfolgender der Regeldifferenzen gebildet. Ausgehend von π¦π (π‘) = ππ·π ππ(π‘) ππ‘ wird die Gleichung für den D-Regler (siehe Stellungsalgorithmus) ermittelt zu: π¦π (π β ππ΄ ) = πππ β ππ β [π(π β ππ΄ ) − π((π − 1) β ππ΄ )] ππ΄ Für den Grenzübergang ππ΄ → ππ‘ geht die erste Ableitung in den Differenzenquotienten über. Die Umsetzung im Programm ergibt sich zu: yrtd = kpr * (tv/t)* deltax Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 185 186 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 7 Übungen 7.1 Komplexe Zahlen 1. Berechnen Sie: π 8 , π 15 , (−π)3 2. Bestimmen Sie den Imaginäranteil I(z) von z: π§ = 3 + 7π π§ = 15π – 7 3. Bestimmen Sie das zu z konjugiert Komplexe z* π§ = 5 + 2π 1 π§ = − √3π 2 4. Berechnen Sie die komplexen Lösungen der quadratischen Gleichung: π₯ 2 + 4π₯ + 13 = 0 5. Berechnen Sie die Summe von z1 und z2: π§1 = 3 − 2π π§2 = 7 + 5π 6. Berechnen Sie die Produkte w = z1 * z2: π§1 = 6 + 7π π§2 = 3 + 4π 7. Drücken Sie die Zahl π§ = π₯ + ππ¦ durch r und α aus: π§ =2+π π§1 = 1 + π π§2 = 1 − π π 2 8. Bringen Sie die komplexe Zahl π§ = π(cos πΌ + π sin πΌ) auf die Form π§ = π₯ + ππ¦: 1 1 π§ = π −3 οΏ½cos π + π sin ποΏ½ 4 4 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 187 7.2 PT1 Strecke 1. In der nachfolgenden Abbildung ist skizzenhaft das Bode-Diagramm einer PT1-Strecke wiedergegeben. Weisen Sie nach, dass eine Signalverstärkung von 17 dB einem π Amplitudenverhältnis von π entspricht. 2 √ 2. Geben Sie für eine PT1-Strecke ganz allgemein den Phasenwinkel π durch das Verhältnis von Imaginär- und Realteil an. Begründen Sie, warum bei der Eckfrequenz ωE eine Phasenverschiebung von −45° vorliegt. 3. Bei einer PT1-Strecke wird eine Eckfrequenz von ωE = 1 s-1 gemessen. Die Verstärkung nach Beaufschlagung mit einem Einheitssprung liegt bei kP = 5. Bestimmen Sie die Zeitkonstante T1 sowie die Amplitudenverhältnisse bei einer Kreisfrequenz von ω = 10 s-1 und ω = 0,1 s-1. 4. Für die Beurteilung des Frequenzverhaltens einer PT1-Strecke soll ein Bode-Diagramm erstellt werden. Die Zeitkonstante der Strecke beträgt T = 0,1 s, der Verstärkungsfaktor liegt bei kP = 8. Nutzen Sie die graphische Vorlage auf der nächsten Seite. Hinweis: bei einer PT1Strecke ändert sich das Amplitudenverhältnis im abfallenden Teil der Kurve um −20ππ΅ je Dekade. 5. Lösen Sie die folgende DGL unter Verwendung der Laplace-Transformation: π₯π (π‘) − π₯π (π‘) − ππ₯Μ π (π‘) = 0 6. Zeigen Sie die Gültigkeit der folgenden Gleichung: π‘ π π‘ π‘ π − − π₯π0 π π1 οΏ½ π π1 ππ = π π₯π0 (1 − π π1 ) π1 0 188 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 189 7.3 PT2-Strecke (nicht schwingfähig) 1. Ermitteln Sie die Übertragungsfunktion für den folgenden Wirkungsplan: 2. Geben Sie für eine PT2-Strecke ganz allgemein den Phasenwinkel π durch das Verhältnis von Imaginär- und Realteil an. Begründen Sie, warum bei der Eckfrequenz ωE eine Phasenverschiebung von −90° vorliegt. 3. Zeigen Sie, warum sich bei der Eckfrequenz der in der nachfolgenden Abbildung genannte Imaginärteil ergibt. 4. Weisen Sie nach, dass für eine nicht schwingfähige PT2-Strecke mit ungleichen Zeitkonstanten immer gilt: D>1. Nutzen Sie dabei den folgenden Formalismus: π·= 1 π1 π2 = οΏ½οΏ½ + οΏ½ οΏ½ π1 2οΏ½π1 π2 2 π2 π1 + π2 5. Bei einer PT2-Strecke wird eine Eckfrequenz von ωE = 1 s-1 gemessen. Die Verstärkung nach Beaufschlagung mit einem Einheitssprung liegt bei kP = 5. Bestimmen Sie die Zeitkonstanten T1 und T2 sowie die Amplitudenverhältnisse bei einer Kreisfrequenz von ω = 10 s-1 und ω = 0,1 s-1. 6. Für die Beurteilung des Frequenzverhaltens einer PT2-Strecke soll ein Bode-Diagramm erstellt werden. Die Zeitkonstanten der Strecke betragen T1 = 0,21 s und T2 =4,79 s, der Verstärkungsfaktor liegt bei kP = 8. Nutzen Sie die graphische Vorlagen auf der nächsten Seite. Hinweis: bei einer PT2-Strecke ändert sich das Amplitudenverhältnis im abfallenden Teil der Kurve um −40ππ΅ je Dekade. 190 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 191 7.4 PT2-Strecke (schwingfähig), I-Strecke 1. Die DGL zur Beschreibung einer nicht schwingfähigen PT2-Strecke hat identische Zeitkonstanten. Zeigen Sie mit Hilfe der Laplace-Transformation, dass in diesem Fall für die Dämpfung gilt: D=1 π1 π2 π₯Μ π (π‘) + (π1 + π2 )π₯Μ π (π‘) + π₯π (π‘) = πππ π₯π (π‘) 2. Ermitteln Sie für die DGL in Aufgabe 1 die Sprungantwort bei gleichen Zeitkonstanten. Nutzen Sie dabei die Korrespondenztabelle. 3. Ein RLC-Schwingkreis stellt eine schwingfähige PT2-Strecke dar (R = 5 Ω, L = 0,5 mH und C = 22 μF). Bestimmen Sie die Dämpfung der Strecke. 4. Betrachtet werde eine Integral-Strecke ohne zeitliche Verzögerung. Erläutern Sie ganz allgemein die konstante Phasenverschiebung um −90° . 5. Die unten stehende Abbildung zeigt die Antwort der Ausgangsgröße xa auf eine Änderung der Eingangsgröße xe bei einer I-Strecke. Interpretieren Sie die einzelnen Zeitabschnitte. 6. Erstellen Sie im nachfolgenden Diagramm den Amplitudengang für eine I-Strecke mit dem Integrierbeiwert KIS = 10. Welche Aussage macht die Steigung des Graphen und für welche Kreisfrequenz ergibt sich |πΊ(ππ)| = 1 ? Hinweis: |πΊ(ππ)| = 1 ist nicht in der Einheit dB angegeben. 192 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 193 7.5 Stetige Regler (Simulation mit QUCS) Beispielhaft ist die Umsetzung eines PI-Regelglieds mit seiner Antwort auf einen Eingangssprung dargestellt. Nutzen Sie das Programm QUCS, um die nachfolgend benannten Regelgliedtypen mit Hilfe von Operationsverstärkern aufzubauen. Untersuchen Sie jeweils die Antwort auf einen Eingangssprung durch Einsatz einer Transientensimulation und interpretieren Sie die sich ergebenden zeitabhängigen Verläufe. 1. P-Regler 2. I-Regler 3. PID-Regler 194 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 7.6 Regelkreise (Simulation mit QUCS) Nutzen Sie das Programm QUCS, um die nachfolgend benannten Regelkreise im Hinblick auf ihr Führungsverhalten und ihr Störverhalten zu untersuchen. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. P-Regler mit PT1-Strecke I-Regler mit PT1-Strecke PI-Regler mit PT1-Strecke P-Regler mit I-Strecke I-Regler mit I-Strecke PID-Regler mit nicht schwingfähiger PT2-Strecke PID-Regler mit schwingfähiger PT2-Strecke 7.7 Digital arbeitende Strecke (ARDUINO) Das Mikrocontroller-System ARDUINO soll als einfache Strecke mit veränderbaren Parametern programmiert werden. 1. Ermitteln Sie zuerst die Systemgrenzen des ARDUINO. 2. Programmieren Sie den ARDUINO so, dass er als PT1-Strecke mit einer variablen Zeitkonstante eingesetzt werden kann. 3. Programmieren Sie den ARDUINO so, dass er als PT2-Strecke mit zwei variablen Zeitkonstanten eingesetzt werden kann. 4. Programmieren Sie den ARDUINO so, dass er als I-Strecke mit einer variablen Integrationszeit eingesetzt werden kann. 7.8 Digital arbeitendes Regelglied (ARDUINO) Das Mikrocontroller-System ARDUINO soll als Regelglied mit veränderbaren Parametern programmiert werden. 1. Beachten Sie auch in diesem Fall die Systemgrenzen des ARDUINO. 2. Programmieren Sie den ARDUINO so, dass er als P-Regelglied mit variabler Verstärkung eingesetzt werden kann. Ermitteln Sie die Antwort auf einen Führungssprung. Ermitteln Sie die Systemgrenzen. 3. Programmieren Sie den ARDUINO so, dass er als I-Regelglied mit variabler Nachstellzeit eingesetzt werden kann. Ermitteln Sie die Antwort auf einen Führungssprung. Ermitteln Sie die Systemgrenzen. 4. Programmieren Sie den ARDUINO so, dass er als PI-Regelglied mit variabler Verstärkung und variabler Nachstellzeit eingesetzt werden kann. Ermitteln Sie die Antwort auf einen Führungssprung. Ermitteln Sie die Systemgrenzen. 5. Programmieren Sie den ARDUINO so, dass er als PID-Regelglied mit variabler Verstärkung, variabler Nachstellzeit und variabler Vorhaltzeit eingesetzt werden kann. Ermitteln Sie die Antwort auf einen Führungssprung. 7.9 Digital arbeitender Regelkreis (Zwei ARDUINOs) 1. Programmieren Sie einen ARDUINO als P-Regler mit variabler Verstärkung und einstellbarer Sollwertvorgabe, einen anderen ARDUINO als PT1-Strecke mit einer variablen Zeitkonstante. Schalten Sie beide ARDUINOs zu einem einfachen Regelkreis zusammen, nachdem Sie ggfs. entsprechende Signalanpassungen vorgenommen haben. Untersuchen Sie diesen Regelkreis hinsichtlich seines Regelverhaltens. 7.10 Regelkreisglieder mittels ISP (ATmega328) Wiederholen Sie die Aufgaben 7.7 bis 7.9 mit einem ATmega328 Mikrocontroller und programmieren Sie diesen mittels ISP in C. Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 195 7.11 Kopplung von Motor und Generator Entwickeln Sie nach eigenen Vorstellungen einen drehzahlgeregelten Motor-Generator-Satz. Nutzen Sie einfache Gleichspannungsmotoren und setzen Sie ein PID-Regelglied ein. Als Regler können Operationsverstärker oder Mikrocontroller oder beides zum Einsatz kommen. Da es durchaus mehrere Möglichkeiten einer Umsetzung dieser Problematik gibt, muss das Ergebnis völlig offen bleiben. 7.12 Hausautomation mittels Raspberry Pi Realisieren Sie einfache Elemente einer Hausautomation, wie bspw. - Erfassung sensorischer Daten (Temperatur, Luftfeuchte, Wärmemenge) - Datenspeicherung und Abrufbarkeit relevanter Größen - Umsetzungsmöglichkeiten von Führungs- und Zeitplansteuerungen - Integration einfacher Zwei-Punkt-Regelungen 196 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 8 Fachbegriffe und Korrespondenztabelle Fachbegriffe: - Regelgröße x, Istwert Führungsgröße w, Sollwert Störgröße z Regeldifferenz e, Differenz zwischen Soll- und Istwert Stellgröße y, Ausgangsgröße der Regeleinrichtung Führungsanstiegsantwort x(s), Antwort auf die Änderung der Führungsgröße im virtuellen Bereich Führungsanstiegsfunktion x(t), Antwort auf die Änderung der Führungsgröße im realen Bereich Laplace-Operator s Laplace-Transformierte L[x(t)] Übertragungsfunktion G(s), Verhältnis von xa(s) zu xe(s) Frequenzgang G(jω), Verhältnis von xa(jω) zu xe(jω) Amplitudengang |πΊ(ππ)| Führungsübertragungsfunktion Gw(s), Verhältnis von x(s) zu w(s) Störübertragungsfunktion GZ(s); Verhältnis von x(s) zu z(s) - Einheitssprung σ(t), die Laplace-Transformierte von σ(t) die komplexe Funktion - Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 1 π 197 Korrespondenzen26: f(s) f(t) (für t<0 ist f(t)=0) 1 ... 1 π 1 π 2 1 π 3 1 π −πΌ 1 π +πΌ 1 π (π + πΌ)2 1 (π − πΌ)2 1 1 + π π 1 π (1 + π π) 1 π (1 + π π)2 1 2 π + π 2πΌ + π½ 2 π 2 1 + π 2πΌ + π½ 2 1 (Einheitssprung) bzw σ(t) π‘ π‘2 π πΌπ‘ π −πΌπ‘ 1 [1 − (1 + πΌπ‘)π −πΌπ‘ ] πΌ2 π‘π πΌπ‘ 1 −π‘ π π π π‘ 1 − π −π πüπ π· = 1 ππππ‘: π‘ π‘ 1 − οΏ½1 + οΏ½ π −π π πüπ 0 < π· < 1 ππππ‘: 1 −πΌπ‘ π sin ππ‘ π πüπ π· ≥ 1 ππππ‘: 1 π π‘ [π 1 − π π 2 π‘ ] 2π€ πππ‘ π€ = οΏ½πΌ 2 − π½ 2 π’ππ π 1,2 = −πΌ ± π€ Weitere Korrespondenzen, insbesondere für das Verhalten von Regelkreisgliedern höherer Ordnungen, sind der im folgenden Kapitel aufgeführten Fachliteratur zu entnehmen. 26 α stellt in dieser Tabelle eine einfache Variable dar und kann daher beliebig gewählt werden. 198 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 9 Literaturangaben - Busch, P.: Elementare Regelungstechnik, Vogel Verlag, 3. Auflage, 1995 - Elektronik IV B, Mess- und Regelungstechnik, Pflaum Verlag - Föllinger, O.: Laplace- und Fourier-Transformation, Hüthig Verlag - Handreichungen Informationsumsatz, Archiv des Faches Technik - Holbrook, J. G.: Laplace-Transformation, Vieweg, 2. Auflage, 1973 - Ingenieurbüro Kahlert: WinFact 7.0 - Lutz, H. und Wendt, W.: Taschenbuch der Regelungstechnik: Mit MATLAB und Simulink, Verlag Harri Deutsch, 7. Auflage, 2007 - QUCS, Quick Universal Circuit Simulator, sourceforge.net - Reuter, M. und Zacher, S.: Regelungstechnik für Ingenieure, 12. Auflage, 2008, pdfDokument, Bibliothek UDE - Siegfried, H.-J.: Grundlagen + Grundschaltungen der Regelungstechnik, Verlag Senn - Samal, E.: Grundriss der praktischen Regelungstechnik, Oldenbourg Verlag - Walcher, W.: Praktikum der Physik, Teubner Verlag - Weber, H.: Laplace-Transformation für Ingenieure der Elektrotechnik, Teubner Verlag - Weltner, K.: Mathematik für Physiker, Band 2, pdf-Dokument, Bibliothek UDE - Wikipedia, freie Enzyklopädie, wikipedia.com - Xander, K. und Enders, H.: Regelungstechnik mit elektronischen Bauelementen, Werner Ingenieurtexte, 5. Auflage, 1993 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017 199 ISBN 978-3-00-057250-0 200 Jürgen Wehling: Messen, Steuern, Regeln - MSR, 2017