Dokumentation Recht am Bild bei BeamtInnen im Einsatz - akj

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Recht und Politik
1/2004
Dokumentation
Recht am Bild bei BeamtInnen im Einsatz
Prozesserklärung zur Hauptverhandlung wegen Verstoßes
gegen das Kunsturhebergesetz
Am 18.12.03 fand am Amtsgericht Tiergarten der Prozeß gegen Michael K. wegen Verstoßes gegen
das Kunsturhebergesetz statt. Wie im freischüßler 1/2003 berichtet, hatte ein Antifa-Plakat polizeiliche Repression (Zensur im Internet) ausgelöst, die nun auch in einer individuellen Anklage gipfelte.
Das Plakat zeigte Fotos von Polizeiübergriffen auf DemonstrantInnen und imitierte ein Fahndungsplakat, das nach dem 1. Mai 2001 von der Berliner Polizei herausgegeben worden war, um vermeintliche „1.-Mai-StraftäterInnen“ ausfindig zu machen.
Zum Sachverhalt
Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, gegen §§ 22, 23, 33 KunstUrhG
verstoßen zu haben, indem er Fotos
von Beamten veröffentlicht haben
soll. Während die Mehrzahl der Abgebildeten zum „Tatzeitpunkt“ Einsatzleiter waren und deshalb nach der
Rechtsprechung als „relative Personen der Zeitgeschichte“ nur verminderten Persönlichkeitsschutz für sich
in Anspruch nehmen können, waren
drei der Polizisten keine Einsatzlei-
ter. Um diese Fälle drehte sich das Verfahren, denn einfache PolizistInnen im
Einsatz bei Demos sollen nach der Anklage – anders als die TeilnehmerInnen
– keine relativen Personen der Zeitgeschichte sein.
Der Angeklagte wurde zu 60 Tagessätzen à 40,- Euro verurteilt – mehr,
als die Staatsanwaltschaft beantragt
hatte. Die Richterin ging weder auf die
Erklärung des Angeklagten, noch auf
die Ausführungen seines Verteidigers
Wolfgang Kaleck zum Persönlichkeitsschutz sowie zu Satire und
Kunstfreiheit ein. Die Staatsanwältin musste sich in der Verhandlung
das Plakat erst einmal ansehen –
zum ersten Mal. Die Berufungsverhandlung am 7. Juli 2004 blieb
erfolglos, die Verteidigung erwägt,
in Revision zu gehen.
Wir dokumentieren hier Auszüge aus der Erklärung des Angeklagten in der Hauptverhandlung.
haben. Bild und Text entsprachen einer
öffentlichen Verurteilung ohne Strafverfahren. Diese Methode war bisher nur
bei Schwerverbrechern, beispielsweise
bei Mord üblich. Hier handelte es sich
aber um Ladendiebstahl oder leichte
Verletzungen von Polizisten, die im
Zusammenhang mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Polizeibeamten und großen Menschengruppen
entstanden sind.
Die Methode: 500 Euro Belohnung
für die Denunziation von angeblich
wiedererkannten Personen. Mit 500
Euro sollte der einkommensschwachen
Kreuzbergerin das Anschwärzen von
Nachbarn schmackhaft gemacht
werden. 500 Euro sind immerhin
mehr als die monatliche Stütze. Die
Bilder sind teilweise so schlecht,
dass Verwechslungen billigend in
Kauf genommen werden. Und so ist
auch kaum verwunderlich, dass
nach der Plakataktfahndungsaktion
nach dem 1.Mai 2001 bei 500 Hinweisen weniger als 10% verwendbar waren. Man kann diese Methode auch Menschenjagd nennen.
Eine Menschenjagd, die auch ein
rot-roter Senat von der Polizei
durchführen ließ.
Die Ergebnisse dieser Fahn-
Prozesserklärung
Es gibt zwei gute Gründe, warum diese Plakataktion gestartet wurde:
1.
Die Polizei veröffentlichte Anfang
Oktober letzten Jahres zum wiederholten Male Fahndungsplakate, die
Datenschützer übereinstimmend als
schweren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte bezeichneten. Sowohl im
Internet als auch auf großformatigen
Postern waren Menschen abgebildet,
die verdächtig sein sollten, im Zusammenhang mit der 1. Mai Demonstration in Berlin Straftaten begangen zu
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dungsaktion waren neben der pauanderswo veröffentlicht worden. Es
schalen Missachtung der Persönlichwar nicht das Anliegen der Plakatkeitsrechte dort abgebildeter Personen
aktion, die Menschenjagd einfach
unter anderem zahlreiche Verwechsumzudrehen. [...]
lungen mit gravierenden Folgen,
die dokumentiert sind.
Die Fahndungsaktion ist
aber auch eine politische Maßnahme und nicht als isolierte
Strafverfolgungsmaßnahme zu
betrachten. Dieses Plakat soll
einschüchtern. „Big brother is
watching you!“ auch das ist die
Botschaft dieses Plakats. Protest
auf der Straße, Demonstrationen
und Bewegungen im öffentlichen Raum werden verdächtig
und mit krimineller Aktivität assoziiert. Uns sie sollen klar machen: Die Strasse wird überwacht! [...] Auf beinahe jeder
Demonstration werden TeilnehmerInnen von der Polizei abgefilmt und fotografiert. Vom
Grundrecht auf informationelle
Selbstbestimmung kann auf Demonstrationen nicht mehr die
Das inkriminierte Plakat
Rede sein. [...]
Die jetzt inkriminierte Par2.
odie des Polizeiplakats, die satirische
Version dieser Menschenjagd, sollte
Die Karikatur des Polizeifahndungsunter anderem diese Aspekte themaplakats, hat einen weiteren ernsten
tisieren. Und es hat offensichtlich gut
Hintergrund: Unzählige Verfahren
funktioniert. So hatte Polizeipräsident
gegen prügelnde Polizeibeamten
Glietsch doch sofort gemahnt, dass
werden eingestellt, weil die Identität
hier Persönlichkeitsrechte von Mender Täter nicht festgestellt werden
schen verletzt werden könnten. Mehr
kann.
kann man nicht erreichen. Der Urhe[...] Gerade in geschlossen Einber einer Persönlichkeitsrechtsverheiten ist aber die Gewaltbereitschaft
letzung erkennt, bei der Parodie seiund der Korpsgeist besonders groß.
ner Aktion, seinen Fehler. Allerdings
Und gerade bei Einsätzen dieser Einsollte man anmerken, dass die Parodie
heiten ist durch die Schutzkleidung
keinesfalls eine Umkehrung der Menein Grad an Uniformierung erreicht,
schenjagd war. Im Gegensatz zur
der fast völlige Anonymität gewährOriginalversion wurden im Text der
leistet. Das scheinen einige Beamte
Parodie die Abgebildeten weder als
aus diesen Einheiten als FreifahrtStraftäter, noch als Verdächtige beschein für Gewaltexzesse zu betrachzeichnet. Im Gegensatz zum Original
ten. Falls einer dieser Übergriffe doch
waren die in der Parodie verwendeeinmal zu einer Anklage kommt, könten Fotos alle längst im Internet oder
nen sich die meisten noch auf den in
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diesen Einheiten besonders ausgeprägten Korpsgeist verlassen, der
nachweislich auch schon mehrmals zu
gerichtlichen Falschaussagen von
Polizeibeamten geführt hat. Mit der
Plakataktion sollte dieser Umstand noch mal pointiert in die
Öffentlichkeit gebracht werden.
Er sollte auch eine Aufforderung an alle, einschließlich
auch an Polizeibeamte, sein,
sich an die geltenden Gesetze zu
halten und Bürgerrechte zu achten, nicht wegzuschauen, einzugreifen, und solche Übergriffe
nicht zu dulden. [...] Ein Wort
noch zu den Übergriffen: es
handelt sich hier nicht darum,
dass ein Beamter bei einer Festnahme mal ein bisschen fester
zupackt, oder dass es im Handgemenge mal einen blauen
Fleck gibt. Ich bin Arzt und war
auf vielen Demonstrationen in
Berlin anwesend auf denen ich
Opfer von Übergriffen sehen,
bzw. notfallmäßig behandeln
musste. Es handelte sich zum
Teil um schwere Verletzungen:
Handgelenkbruch, Rippenserienfraktur, Unterarmbrüche, schwere Gehirnerschütterung mit Bewusstlosigkeit, zahlreiche Kopfplatzwunden
und ein mit Hämatomen übersäter
Körper sind die Folgen dieser Übergriffe. [...]
Eine Kennzeichnungspflicht
würde die Hemmschwelle für Straftäter in Uniform erhöhen. Dass dies
funktioniert hat sich in anderen Ländern gezeigt. Die Forderung nach einer Kennzeichnungspflicht, die bis
heute vom Senat zwar angekündigt,
aber immer noch nicht umgesetzt
wurde, dass ist der zweite wichtige
Aspekt der satirischen Fahndungsplakataktion gewesen. Und das ist
nichts anderes als die Durchsetzung
rechtsstaatlicher Verhältnisse auch bei
Großeinsätzen der Polizei zu fordern.
Michael K.
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