Behandlung öffentlich-privater Partnerschaften

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STAT/04/18
11. Februar 2004
Neue Eurostat-Entscheidung über Defizit und Schuldenstand
Behandlung öffentlich-privater Partnerschaften
Eurostat, das Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften, hat eine Entscheidung in der Frage
getroffen, wie Verträge staatlicher Einheiten, die im Rahmen von Partnerschaften mit nichtstaatlichen Einheiten
abgeschlossen werden, in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen zu verbuchen sind. In der Entscheidung
werden die Auswirkungen auf das Defizit bzw. den Überschuss des Staates und den öffentlichen Schuldenstand
dargelegt. Grundlage der Entscheidung sind Arbeiten, die 2003 gemeinsam mit Sachverständigen aus
europäischen Ländern und verschiedenen internationalen Einrichtungen durchgeführt wurden.
Die Entscheidung steht im Einklang mit dem Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen
(ESVG 95) und mit der Stellungnahme des Ausschusses für die Währungs-, Finanz- und Zahlungsbilanzstatistiken
(AWFZ), wie in der Anlage beschrieben.
Eurostat empfiehlt, Vermögenswerte, die Gegenstand einer öffentlich-privaten Partnerschaft sind, nicht als
Vermögenswerte des Staates zu klassifizieren und folglich nicht in der Bilanz des Sektors Staat zu verbuchen,
wenn die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sind:
1. der Private Partner trägt das Baurisiko, und
2. der Private Partner trägt mindestens entweder das Ausfallrisiko oder das Nachfragerisiko.
Wenn das Baurisiko vom Staat getragen wird oder wenn der Private Partner das nur das Baurisiko und kein
anderes Risiko trägt, werden die Vermögenswerte als Vermögenswerte des Staates klassifiziert. Dies hat
weitreichende Auswirkungen auf die Staatsfinanzen, und zwar sowohl auf das Defizit als auch auf den
Schuldenstand. Die ursprünglichen Investitionsausgaben für die Vermögenswerte werden als Anlageinvestitionen
des Staates verbucht, mit negativen Auswirkungen auf Defizit/Überschuss des Staates. Im Gegenzug zu diesen
Staatsausgaben wird sich der öffentliche Schuldenstand in Form eines „unterstellten Kredits“ vom Partner erhöhen,
wie in den Maastricht-Kriterien für den Schuldenstand vorgesehen. Die regelmäßigen Zahlungen des Staates an
den Partner wirken sich nur insoweit auf das Defizit/den Überschuss des Staates aus, als sie sich auf
Dienstleistungskäufe und unterstellte Zinsen beziehen.
Warum trifft Eurostat diese Entscheidung gerade jetzt?
Partnerschaften zwischen öffentlichen und privaten Einheiten sind in den EU-Mitgliedstaaten bereits seit langer
Zeit bekannt. Vereinbarungen dieser Art werden in unterschiedlichen Formen geschlossen, beispielsweise als
Konzessionen, die im Hinblick auf ihre Behandlung in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen keine
Probleme bereiten. In jüngerer Zeit ist es hingegen in einigen Mitgliedstaaten zu neuen Arten von Vereinbarungen
gekommen. Aus verschiedenen Gründen, wie der Bemühung um eine Erhöhung der Effizienz öffentlicher
Ausgaben und um die Verbesserung der Qualität öffentlicher Dienstleistungen, ist mit einer beträchtlichen
Zunahme solcher Vereinbarungen zu rechnen. Darüber hinaus nennt die Europäische Wachstumsinitiative, die der
Rat im Dezember 2003 verabschiedet hat, als eines ihrer Ziele die verstärkte Förderung der Nutzung solcher
Partnerschaften, insbesondere um die Entwicklung wachstumsfördernder Infrastrukturen voranzutreiben.
Als Statistikbehörde der Kommission befasst sich Eurostat nicht mit der Prüfung der Motive, Grundlagen oder
Effizienz solcher Partnerschaften, sondern soll klare Leitlinien für ihre Behandlung in den Volkswirtschaftlichen
Gesamtrechnungen unter dem Gesichtspunkt ihrer Auswirkungen auf die Daten des Sektors Staat bereitstellen.
Ein wichtiger Aspekt der Aufgabe von Eurostat ist außerdem, dass in allen Mitgliedstaaten einschließlich der zehn
Beitrittsländer Homogenität der Statistiken über den Sektor Staat geschaffen werden soll, damit die Angaben über
Defizit und Schuldenstand in vollem Umfang im Rahmen des ESVG 95 vergleichbar sind.
Welche Partnerschaften deckt die Entscheidung ab?
Die Entscheidung gilt für langfristige Verträge, die sich auf Gebiete beziehen, in denen der Staat in der Regel stark
engagiert ist. Diese Verträge beziehen sich oft (aber nicht immer) auf das, was als „öffentlich-private
Partnerschaften“ bezeichnet wird. Sie werden mit einem oder mehreren Partnern abgeschlossen, entweder direkt
oder über eine speziell zu diesem Zweck eingerichtete Einheit, die ihr Fachwissen über den Vertragsinhalt
während der Laufzeit des Vertrags einbringt, und zwar in Tätigkeitsbereichen. Ein wichtiges Merkmal ist, dass der
Vertrag sowohl die Bereitstellung genau bezeichneter Vermögenswerte, die eine Anfangsinvestition erforderlich
machen, als auch die Erbringung vereinbarter Dienstleistungen, die die Nutzung dieser Vermögenswerte
beinhalten und vorgegebenen Qualitäts- und Mengenstandards genügen müssen, regelt. Die Entscheidung gilt nur
dann, wenn der Staat Hauptabnehmer der vom Partner erbrachten Dienstleistungen ist, egal ob die Nachfrage
direkt vom Staat selbst oder aber von Drittnutzern (wie dies insbesondere bei Leistungen des Gesundheits- und
Bildungswesens und bei der Nutzung bestimmter Verkehrsinfrastrukturen der Fall ist) ausgegangen ist.
Welches ist die Schlüsselfrage bei der Behandlung öffentlich-privater Partnerschaften in den
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen?
Die Schlüsselfrage ist die vorgezogene Klassifizierung der Vermögenswerte, die Gegenstand des
Partnerschaftsvertrags sind - entweder als Vermögenswerte des Staates oder als in der Bilanz des Partners
verbuchte Aktiva. In den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen können Vermögenswerte, die Gegenstand einer
öffentlich-privaten Partnerschaft sind, nur dann als nichtstaatliche Vermögenswerte behandelt werden, wenn es
eindeutige Anzeichen dafür gibt, dass der Partner den Großteil des Risikos trägt, mit dem die spezifische
Partnerschaft behaftet ist.Daher ist die Analyse der von den Vertragspartnern getragenen Risiken das Kernelement
bei der Bewertung eines Partnerschaftsprojekts im Hinblick auf die Klassifizierung der den Vertragsgegenstand
bildenden Vermögenswerte, wenn sichergestellt werden soll, dass die Auswirkungen öffentlich-privater
Partnerschaften auf das Staatsdefizit korrekt verbucht werden.
Unberücksichtigt bleiben bei einer solchen Bewertung allerdings Risiken, die nicht eng mit dem Vermögenswert
verknüpft sind und vollständig vom Hauptvertrag abgekoppelt werden können, wie es beispielsweise der Fall ist,
wenn ein Teil des Vertrags in regelmäßigen Abständen neu ausgehandelt werden kann und für diesen Vertragsteil
eigene leistungsgebundene Zahlungen und Vertragsstrafen gelten, die nicht maßgeblich vom Zustand der
Hauptvermögenswerte abhängen.
Worum geht es bei der Eurostat-Analyse des Risikos bei Partnerschaften?
In der Praxis ist bei solchen Vereinbarungen eine Vielzahl von Risiken festzustellen. Die jeweiligen Formulierungen
können zudem unterschiedlich und verwirrend sein. Daher hat Eurostat für die Zwecke dieser Entscheidung drei
Hauptkategorien „allgemeiner“ Risiken ausgewählt. Wenn eine Partei „ein Risiko trägt“, so bedeutet dies folglich,
dass diese Partei den Großteil des Risikos trägt.
Eine erste Kategorie ist das „Baurisiko“, das insbesondere Fälle wie verspätete Lieferung, Nichteinhaltung
vorgegebener Standards, zusätzliche Kosten, technische Mängel und externe negative Effekte umfasst. Wenn der
Staat sich verpflichtet, mit der Leistung regelmäßiger Zahlungen an einen Partner zu beginnen, ohne den
tatsächlichen Zustand der Vermögenswerte zu berücksichtigen, so wäre dies ein Zeichen dafür, dass der Staat den
Großteil der Baurisiken trägt.
Eine zweite Kategorie ist das „Ausfallrisiko“, bei dem klar ist, dass der Partner die Verantwortung trägt. Er ist unter
Umständen nicht in der Lage, die vertraglich vereinbarte Menge zu liefern oder die Sicherheitsnormen bzw. die
öffentlichen Zertifizierungsstandards im Zusammenhang mit der Erbringung von Dienstleistungen an Endnutzer
gemäß den vertraglichen Bestimmungen einzuhalten.Denkbar ist auch der Fall, dass der Partner die im Vertrag für
die Erbringung der Dienstleistung geforderten Qualitätsstandards nicht einhalten kann und dies eindeutig auf die
mangelhafte „Leistung“ des Partners zurückzuführen ist.
Wenn der Staat berechtigt ist, seine regelmäßigen Zahlungen erheblich zu kürzen (als eine Art Vertragsstrafe), wie
es jeder „normale Kunde“ in einem Handelsvertrag verlangen könnte, so wird davon ausgegangen, dass er ein
solches Risiko nicht trägt. Die Zahlungen des Staates müssen sich nach dem tatsächlichen Umfang der vom
Partner während eines bestimmten Zeitraums erbrachten Leistung richten. Die Verhängung von Vertragsstrafen,
wenn der Partner seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, sollte jedoch automatisch geschehen und sollte zudem
spürbare Auswirkungen auf die Einnahmen bzw. den Gewinn des Partners haben, also nicht rein „kosmetisch“
oder symbolisch sein.
Eine dritte Kategorie, das „Nachfragerisiko“, umfasst Nachfrageschwankungen (höhere oder geringere Nachfrage
als bei Vertragsunterzeichnung zu erwarten), die nicht dem Verhalten (Management) des Partners aus dem
privaten Sektor zuzuschreiben sind. Dieses Risiko sollte lediglich eine Verlagerung der Nachfrage abdecken, die
ihre Ursache nicht in unzureichender oder schlechter Qualität der vom Partner erbrachten Leistungen oder in einer
die Quantität/Qualität der Leistungen verändernden Handlung hat. Vielmehr sollte dies auf andere Faktoren
zurückzuführen sein, wie beispielsweise auf den Konjunkturzyklus, neue Markttrends, direkten Wettbewerb oder
technologisches Veralten. Es ist davon auszugehen, dass der Staat dieses Risiko trägt, wenn er dem Partner
unabhängig vom tatsächlichen Umfang der Nachfrage seitens des Endnutzers Zahlungen in einem bestimmten
Umfang zugesichert hat, sodass die Schwankungen der Nachfrage für die Rentabilität des Partners irrelevant sind.
Dies gilt jedoch nicht, wenn die Verschiebung in der Nachfrage aus einer offenkundigen Handlung des Staates
resultiert, zum Beispiel aus Entscheidungen jeglicher Einheiten des Zentralstaates (also nicht nur der unmittelbar in
den Vertrag involvierten Einheit(en)), mit denen ein grundlegender politischer Kurswechsel eingeleitet wird, oder
aus der Entwicklung von direkt konkurrierenden Infrastruktureinrichtungen im Auftrag der öffentlichen Hand.
Wie wird die Entscheidung in der Praxis umgesetzt?
Das Risiko solcher Partnerschaften wird in allen Mitgliedstaaten und Beitretenden Ländern analysiert (diese
Entscheidung wird für die nächste Notifikation vom 1. März 2004 anwendbar sein), und zwar in Verantwortung der
Nationalen Statistischen Ämter.
Eurostat ist der Auffassung, dass Informationen über die genannten Risiken von Statistikern leicht erlangt werden
können und dass das jeweilige Risiko im Allgemeinen in den Verträgen hinlänglich genau abgegrenzt werden
kann. Eurostat ist ferner der Ansicht, dass durch die Risikobewertung nach dem vorstehend beschriebenen
Verfahren in den meisten Fällen eindeutig geklärt werden kann, ob Vermögenswerte in der Bilanz des Sektors
Staat oder als Posten unter dem Strich zu verbuchen sind.
Es sind allerdings auch Fälle denkbar, in denen die Risikoanalyse der vorstehend erwähnten Art nicht zu klaren
Schlussfolgerungen führen könnte (zum Beispiel wenn die Risikoteilung in mindestens zwei Kategorien als
ausgewogen angesehen werden kann oder auf sehr schwachen Hypothesen beruht). In diesen Fällen sollten auch
einige zusätzliche Elemente des Partnerschaftsvertrags berücksichtigt werden. Abgesehen von einer Analyse der
Art der Partner (vor allen in den Fällen wo der Partner eine öffentliche Körperschaft ist), dem Umfang der
Finanzierung durch die öffentliche Hand, oder den Auswirkungen staatlicher Garantien, könnten zuweilen auch
Klauseln über die endgültige Bestimmung der Vermögenswerte als geeignete zusätzliche Kriterien herangezogen
werden.
Wenn die Vermögenswerte nach Abschluss des Projekts Eigentum des Partners bleiben und dabei nach wie vor
einen erheblichen wirtschaftlichen Wert darstellen, so werden sie normalerweise in der Bilanz des Partners
verbucht. Dies sollte auch Verträge einschließen, die für den Staat lediglich eine Option auf den Kauf des
Vermögenswertes zum Marktwert vorsehen. Hat sich der Staat dagegen fest verpflichtet, die Vermögenswerte bei
Vertragsablauf zu einem vorab festgelegten Preis, der nicht dem wirtschaftlichen Wert der Güter zu diesem
Zeitpunkt entspricht (wie er auf der Grundlage einer konservativen Hypothese zum Zeitpunkt der
Vertagsunterzeichnung erwartet werden konnte), zu erwerben, oder hat der Staat für das Recht bezahlt, die
Vermögenswerte während der gesamten Vertragslaufzeit mittels Zahlungen, die höher sind als sie ohne dieses
Recht gewesen wären, zu erwerben, so kann dies als Kriterium für die Verbuchung der Vermögenswerte als Aktiva
des Staates betrachtet werden, sofern die anderen Tests keinen eindeutigen Aufschluss geben.
Schließlich vertritt Eurostat auch die Meinung, dass diese Entscheidung nicht im Widerspruch zu der üblichen
Behandlung solcher Fragen in unternehmerischer Betrachtungsweise steht. Auf jeden Fall sollten spezifische und
komplexe Grenzfälle nach der vereinbarten Vorgehensweise, zunächst auch mit Unterstützung durch Eurostat,
eingehend geprüft werden.
Herausgeber:
Eurostat-Pressestelle
Philippe BAUTIER
BECH-Gebäude
L-2920 LUXEMBURG
Tel: +352-4301 33 444
Fax: +352-4301 35 349
[email protected]
Weitere Auskünfte erteilt:
Luca ASCOLI
Tel: +352-4301 32 707
Fax: +352-4301 32 929
[email protected]
Eurostat-Pressemitteilungen im Internet:
http://europa.eu.int/comm/eurostat/
CMFB opinion on the treatment in national accounts of assets related
to “public-private partnerships” contracts
The CMFB Chairman, with the assistance of the Executive Body, invited the CMFB Members on 23
December 2003 to give an opinion on the above-mentioned subject. Fourteen (14) national statistical
institutes and thirteen (13) national central banks from the Member States returned the questionnaire. A
total of twenty-seven (27) national institutions thus participated in the consultation. The ECB also
provided a reply.
The result of the consultation was the following:
On the question: Do you agree that PPP assets should be considered as non-government assets if there is
strong evidence that the non-government partner bears most of the risk, according to the assessment of
risks proposed in the guidance note?
Twenty-six (26) national institutions responded Yes, among which three (3) asked for minor corrections
to the numerical examples and three (3) requested clarifications on some parts of the guidance note. One
(1) national institution answered No.
Accordingly, the CMFB endorses the guidance note of 23 December 2003 relating to the classification
of assets in the context of "Public-Private Partnerships". The CMFB recommends that the suggested
clarifications should be incorporated in a revised version of the ESA 95 Manual on Government Debt
and Deficit, in so far as they do not change the substance.
In addition to this opinion, a document summarising the replies and all the original answers from the
CMFB Members have been transmitted to Eurostat and will be kept in the records of the CMFB
secretariat.
Jean CORDIER
CMFB Chairman
(Signed)
Paris, 30 January 2004
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