Buchvorstellung - Sozialkonferenz

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Arbeitsgemeinschaft westfälischer Sozialpfarrer
c/o Jürgen Klute n Sozialpfarramt Herne n Overwegstr. 31 n 44 625 Herne
Tel.: 0 23 23 / 1 47 83 82 n Fax: 0 23 23 / 1 47 83 85
E-Mail: [email protected] n Internet: www.kda-ruhr.de
Pressekonferenz am 02. November 2001 im Haus Landeskirchlicher Dienste, Dortmund
Moderation: Landessozialpfarrerin Sigrid Reihs
Buchvorstellung
Wolfgang Belitz / Jürgen Klute / Hans - Udo Schneider
Zukunft der Arbeit
in einem neuen Gesellschaftsvertrag
Reihe: Forum Religion & Sozialkultur
Abteilung B
Profile und Projekte
herausgegeben von
Prof. Dr. Dr. Karl Gabriel (Münster)
Band 6
Lit Verlag Münster - Hamburg - Berlin - London
Münster, Oktober 2001
ISBN 3-8258-5501-5
Kurzinfo zum Buch
Inhaltsübersicht
Autoreninfos
Vorwort
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Arbeitsgemeinschaft westfälischer Sozialpfarrer
Dieses Buch verficht die These, dass der Gesellschaftsvertrag der Nachkriegszeit faktisch nachhaltig zerstört ist, nicht wieder hergestellt werden kann und darum durch einen neuen ersetzt
werden muss. Diesen Vorgang beschreiben die Autoren als notwendige zeitgenössische Reform, die diesen Namen und die Bezeichnung Modernisierung verdient.
• Das gesamtgesellschaftliche Erwerbsarbeitvolumen sinkt mittel- und langfristig unaufhörlich. Die Produktivität steigt als Folge digitaler Automatisierung und organisatorischer Rationalisierung. Die bestausgebildete Frauengeneration in der Geschichte fordert ihren Platz
im Beschäftigungssystem.
• Wir kennen vier Formen der Arbeit: Erwerbsarbeit, Hausarbeit, Eigenarbeit, Bürgerinnenarbeit. Drei Arten des Einkommens: Erwerbseinkommen, Kapitaleinkommen, Transfereinkommen. Zwei Geschlechter: Frauen und Männer. Und schließlich: eine Welt, die wir bebauen und bewahren müssen.
• Der Neue Gesellschaftsvertrag 4-3-2-1 muss 5 Fragen neu beantworten: Welches Einkommen für welche Arbeit? Welche Arbeit ohne Einkommen? Welches Einkommen ohne Arbeit? Wie sind Männer und Frauen an Arbeit und Einkommen partnerschaftlich beteiligt?
Wie kann Ehrfurcht vor dem Leben der einen Welt entwickelt und erhalten werden?
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Arbeitsgemeinschaft westfälischer Sozialpfarrer
Inhalt
Vorwort .............................................................................................. 7
Hans - Udo Schneider
Zur Krise der Industriegesellschaft über gesellschaftliche Arbeit politische Handlungsfähigkeit
zurückgewinnen! ............................................................................ 13
Wolfgang Belitz
„Man muss neue Wege beschreiten,
um soziale Gerechtigkeit zu erreichen.“ ..................................... 33
Jürgen Klute
Das Dritte System ........................................................................... 83
Hans - Udo Schneider
Rot-Grüne Rentenreform –
die neoliberale Wende in der Sozialpolitik ............................... 121
Wolfgang Belitz
„Wir brauchen keine Sozialethik –
Wir schaffen Arbeitsplätze“ ......................................................... 147
Hans - Udo Schneider
Das Kombilohnmodell der
Enquête - Kommission des Landes NRW .................................... 159
Dokumentation
Ulrich Beck
Kapitalismus ohne Arbeit
Über Mythen der Politik, globale Wirtschaft
und die Zukunft der Demokratie .................................................. 173
(1996)
Martin Kempe
Interwiev mit André Gorz
Die Arbeitsgesellschaft ist faktisch tot ............................. 185
(1994)
Wolfgang Belitz
Entwicklung der protestantischen Arbeitsethik
und ihr Beitrag zu einem neuen Arbeitsverständnis ............ 195
(1984)
Wolfgang Belitz
Die Zukunft der Arbeit
Überlegungen des Kirchlichen Dienstes in der
Arbeitswelt (KDA) - Industrie- und Sozialarbeit
in der EKD ................................................................................. 231
(1982)
Evangelische Kirche von Westfalen
Zukunft der Arbeit - Leben und Arbeit im Wandel
5. Sozialethische Neuorientierung ........................................ 239
(1983)
Ökumenisch-Sozialethischer Arbeitskreis NRW
Auf dem Weg zu einer Neubestimmung
von Arbeit, Einkommen und Leben Thesen zur Arbeit der Zukunft ................................................ 247
(2000)
Reiner Schäfer
Literaturübersicht ......................................................................... 267
Die Autoren ................................................................................... 283
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Arbeitsgemeinschaft westfälischer Sozialpfarrer
Autoren
Wolfgang Belitz, Unna, ev. Sozialethiker, von 1970 bis 1997 Pfarrer im Sozialamt der Evangelischen
Kirche von Westfalen (Schwerte), seither Pfarrer im Sozialwissenschaftlichen Institut der Evangelischen
Kirche in Deutschland (Bochum). Von 1976 bis 1994 Lehrbeauftragter für Sozialethik an der Universität Münster, seither Lehrbeauftragter für Sozialphilosophie und Sozialethik an der Fachhochschule
Düsseldorf.
Jürgen Klute, ev. Sozialethiker. Von 1982 bis 1986 freie Mitarbeit am Pädagogisch-Theologischen Institut der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck in Marburg, von 1984 bis 1986 Pfarrer im
Schuldienst an der Berufschule in Bad Berleburg, von 1986 bis 1989 Mitarbeit im Projekt „Industrielle
Arbeitswelt und Kirche“ des Kirchenkreises Gladbeck-Bottrop-Dorsten, seit 1989 Industrie- und Sozialpfarrer und Leiter des Sozialpfarramtes des Kirchenkreises Herne; Mitherausgeber der Zeitschrift AMOS
- Kritische Blätter aus dem Ruhrgebiet. Seit Frühjahr 2001 Mitglied der Executive der European Contact
Group of Urban and Industrial Mission.
Dr. Hans - Udo Schneider, Pfarrer; Dipl. Psych.; Mitglied des Gruppenpfarramtes der Evangelischen
Kirchengemeinde Wulfen (1973 - 1993); seit 1993 Industrie- und Sozialpfarrer im Kirchenkreis GladbeckBottrop-Dorsten; Geschäftsführer der Neuen Arbeit gGmbH.
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Arbeitsgemeinschaft westfälischer Sozialpfarrer
Vorwort
Wir wehren uns gegen die Diktatur eines restriktiven Reformbegriffs und der dementsprechenden Reformpolitik, die seit zwanzig Jahren dieses Land fast widerspruchslos beherrscht und sich verabschiedet hat
von allen guten und den besten Traditionen unserer Sozialgeschichte.
Wenn ein Präsident dieses Landes zu seiner Zeit eine vielbeachtete Rede hält, in der von einem „Reformstau“ die Rede ist und einem „Ruck“, der darum durch die Gesellschaft gehen müsse, dann erhält er Beifall
von allen Seiten, und es entsteht der Eindruck, als herrsche große Übereinstimmung hinsichtlich des restriktiven Reformbegriffs, und es gehe nur noch um das Tempo der Umsetzung restriktiver Reformpolitik.
Die bis 1998 herrschende Regierung habe die „nötigen Reformen“ zu lange verzögert und einen übermäßigen „Reformstau“ entstehen lassen. Die seit 1998 herrschende Regierung sei zwar reformbereit, aber
das Tempo der Umsetzung in Reformpolitik lasse zu wünschen übrig.
Im Sinne des restriktiven Reformbegriffs wird z.B. die aktuelle Veränderung des Rentensystems als Reform bezeichnet, die darin besteht, dass der Rentenbeitrag der abhängig Beschäftigten faktisch von 11%
auf 15% erhöht wird und der Rentenbeitrag der Unternehmen gleich bleibt. Dieser Schritt sei nötig, weil
nur so auf mittlere und lange Sicht die Renten gesichert werden könnten, da die Zahl der Beitragszahler
und -zahlerinnen abnehme, die Zahl der Rentenempfänger und -empfän-gerinnen dagegen zunehme und
die Wirtschaft auf der Kostenseite entlastet werden müsse, um mehr investieren zu können für mehr Beschäftigung.
An diesem Beispiel lässt sich der Charakter des gesamtgesellschaftlichen restriktiven Reformbegriffs gut
erkennen. Reformen bedeuten Schritte der Anpassung bestehender gesellschaftlicher Regelungen an neue
Verhältnisse im Sinne neuer schlechter Wirklichkeiten. Inhaltlich erfolgt die Anpassung an neue komplexe
Realitäten in duplexen Verfahren. Die abhängig Beschäftigten werden im Namen von mehr Eigenverantwortung und Eigenvorsorge belastet. Die ökonomischen Eliten werden im Namen von mehr Wachstum
und Beschäftigung entlastet. Bei der anstehenden Gesundheitsreform ist eine ähnliche Vorgehensweise zu
erwarten. Dabei folgt die restriktive Reformpolitik keineswegs einer eigenen weltanschaulichen Ideengebung,
sondern orientiert sich an den Vorgaben der neoliberalen Ökonomik, die das Heil verheißt, wenn alles
getan ist bis das Kapital sich unbelastet wohl fühlen kann.
Wir halten den eingeschlagenen Weg der restriktiven Reformpolitik für einen Irrweg, weil er auf der einen
Seite im Bereich der Fakten grundlegende Prozesse und Entwicklungen einer modernen Industriegesellschaft
(z.B. jobless growth) nicht zur Kenntnis zu nehmen bereit ist und auf der anderen Seite im Bereich der
politischen Ideen bereit ist, die Grundlage unseres Gesellschaftsvertrages, den Wert der Sozialen Gerechtigkeit, aufzugeben, ohne den die Gesellschaft eine „Räuberhöhle“ ist.
Im deutschen Sprachgebrauch ist, wie ein Blick in einschlägige Lexika zeigt, die Definition des Wortes
Reform uneinheitlich und also offensichtlich zweideutig:
Umgestaltung, Neuordnung (Meyer)
Verbesserung, planmäßige Umgestaltung (dtv Brockhaus)
Verbessernde Neu-, Umgestaltung (Knaur)
Umgestaltung, Verbesserung des Bestehenden, Neuordnung (Duden)
Planmäßige Umgestaltung, Verbesserung, Neuordnung des Bestehenden, bes. (als Gegenbegriff zu
Revolution) die gezielte, die Legalität wahrende Umgestaltung polit. und gesellschaftl. Einrichtungen (Brockhaus Enzyklopädie)
Einerseits wird Reform also eher neutral verstanden als Umgestaltung und Neuordnung und andrerseits
richtungsweisend als Verbesserung des Bestehenden. Auch wenn man sich verständigen könnte auf Re5
Arbeitsgemeinschaft westfälischer Sozialpfarrer
form als geplante Verbesserung des Bestehenden, ist politisch noch nichts gewonnen, da der Begriff der
Verbesserung machtpolitisch und ideologisch umstritten bleibt: Verbesserung im Sinne des Gemeinwohls,
Verbesserung der Lage der Benachteiligten, Verbesserung als Anreiz für die Eliten, zum Wohle aller zu
verfahren oder einfach Privilegienwirtschaft unter dem Deckmantel einer euphemistischen Sprache
Wir unterscheiden daher einen restriktiven und einen prospektiven politischen Re-formbegriff. Beide Begriffe meinen einen Veränderungs- und Anpassungsprozess. Der restriktive Reformbegriff wurde oben
gerade beschrieben und ist unser tägliches Brot in diesem Lande. Der prospektive Reformbegriff meint
eine Reform, die nach unserer Auffassung diesen Namen verdient. Reform kann nicht heißen: restriktive
Anpassung der Massen an neue schlechte Gegebenheiten; Reform soll heißen Erschließung neuer Möglichkeiten, das „gute Leben“ aller zu befördern. Reform heißt demnach Verringerung illegitimer sozialer
Ungleichheit, Verbesserung der Lage der Benachteiligten, Erneuerung der Institutionen und Verfahren, die
unter den Bedingungen der digitalen Revolution immer weniger funktionieren, von deren Funktionieren
indes das Wohl fast aller Mitglieder der Gesellschaft abhängt: die Verteilung von Arbeit und Einkommen.
Reden wir hierzulande von Reformen in diesem Sinne, muss uns bewusst bleiben, dass wir uns auch in den
kostenträchtigsten Gefilden immer auf dem Boden eines der reichsten Länder der Erde bewegen, auch
wenn der Kostenmythos die Köpfe und Herzen seiner Bewohnerinnen und Bewohner mehr und mehr
vernebelt hat.
Wir formulieren in diesem Buch nun das größte und im Namen der sozialen Gerechtigkeit unabweisbare
Reformprojekt der Gegenwart: die Entwicklung und Verabschiedung eines neuen Gesellschaftsvertrags.
Der Begriff Gesellschaftsvertrag, der in der gegenwärtigen nicht gerade von vielen geführten Debatte um
die Zukunft der Arbeit herumgeistert, wird hier in einem spezifischen Sinne aufgegriffen und ausgefüllt. Die
Bezeichnung neuer Gesellschaftsvertrag wird hier aufgenommen, um deutlich zu machen, dass mit dem
vergangenen Jahrhundert auch eine Epoche der Sozialgeschichte zu Ende gegangen ist, die mit der frühindustriellen Revolution begonnen hatte und bis zum Vollzug der digitalen Revolution dauerte. Der Begriff
ist ein Symbol für die Erkenntnis, dass das Alte vergangen ist und Grundregeln des Zusammenlebens neu
gestaltet werden müssen.
Der alte Gesellschaftsvertrag sah die Vollbeschäftigung aller Männer im erwerbsfähigen Alter in einem
sogenannten Normalarbeitsverhältnis vor: Jeder Mann arbeitet 45 Jahre. Er erhält einen Lohn, der seiner
Leistung entspricht. Mit seinem Einkommen ernährt er sich, seine Frau und seine Kinder. Mit seinen
Steuern finanziert er die Aufgaben des Gemeinwesen. Mit seinen Abgaben finanziert er einen großen Teil
seiner sozialen Sicherheit und die seiner Familie. Die Frau pflegt und erhält ihn und die Kinder an Leib und
Seele und richtet die häuslichen Angelegenheiten.
Das Buch verficht die These, dass dieser Gesellschaftsvertrag faktisch nachhaltig zerstört ist, nicht wieder
hergestellt werden kann und darum durch einen neuen ersetzt werden muss. Diesen Vorgang beschreiben
wir als notwendige zeitgenössische Reform, die diesen Namen und die Bezeichnung Modernisierung verdient.
Das gesamtgesellschaftliche Erwerbsarbeitvolumen sinkt mittel- und langfristig unaufhörlich. Die Produktivität steigt als Folge digitaler Automatisierung und organisatorischer Rationalisierung. Die bestausgebildete
Frauengeneration in der Geschichte fordert ihren Platz im Beschäftigungssystem.
Wir gehen aus von den Feststellungen von Ulrich Beck: „Kapitalismus ohne Arbeit“ und André Gorz:
„Die Arbeitsgesellschaft ist faktisch tot“ (beide Texte in unserer Dokumentation) und ziehen daraus die
entsprechenden Konsequenzen für eine prospektive Reformpolitik:
Wir kennen vier Formen der Arbeit: Erwerbsarbeit, Hausarbeit, Eigenarbeit, Bürge-rinnenarbeit. Drei
Arten des Einkommens: Erwerbseinkommen, Kapitaleinkommen, Transfereinkommen. Zwei Geschlechter: Frauen und Männer. Und schließlich: eine Welt, die wir bebauen und bewahren müssen.
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Arbeitsgemeinschaft westfälischer Sozialpfarrer
Der Neue Gesellschaftsvertrag 4-3-2-1 muss 5 Fragen neu beantworten: Welches Einkommen für welche
Arbeit? Welche Arbeit ohne Einkommen? Welches Einkommen ohne Arbeit? Wie sind Männer und
Frauen an Arbeit und Einkommen partnerschaftlich beteiligt? Wie kann Ehrfurcht vor dem Leben der einen
Welt entwickelt und erhalten werden?
Die Thematisierung des Reformprojekts Neuer Gesellschaftsvertrag steht im Zentrum des Buches unter
den Überschriften: „Man muss neue Wege beschreiten, um soziale Gerechtigkeit zu erreichen“ und
„Zur Krise der Industriegesellschaft - über gesellschaftliche Arbeit politische Handlungsfähigkeit
zurückgewinnen“. Da nach unserer Überzeugung die Zukunft der Arbeit in einem neuen Gesellschaftsvertrag dadurch vorankommen wird, dass der Betätigungsbereich der Bürgerinnen und Bürger jenseits
von Markt und Staat als Dritter Sektor gezielt entwickelt wird, wird dieses Feld in einem eigenen Beitrag
unter der genaueren Bezeichnung „Das Dritte System“ erörtert und erhellt.
Mit drei weiteren Beiträgen wollen wir andeuten, dass in der Argumentation für einen neuen Gesellschaftsvertrag die Auseinandersetzung zumindest in zwei Richtungen geführt werden muss.
In der Auseinandersetzung mit der neoliberal-restriktiven Rentenreform soll gezeigt werden, dass diese
Art Reformpolitik weder den Grundsätzen sozialer Gerechtigkeit entspricht, noch imstande ist, die neuen
Möglichkeiten einer hochproduktiven Wirtschaft ohne Arbeit zu entdecken, um die Systeme der sozialen
Sicherung von der weniger werdenden Arbeit abzukoppeln und auf eine andere und neue Grundlage zu
stellen.
Seit 1995 sind die literarischen Veröffentlichungen zum Thema Zukunft der Arbeit wieder zahlreicher
geworden und nahezu alle gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen beteiligen sich daran (s. unsere
Literaturauswahl). In kritischer Auseinandersetzung mit dem Bericht der Enquête-Kommission „Zukunft
der Erwerbsarbeit“ des Landtags Nordrhein-Westfalen gehen wir den beiden entscheidenden Fragen
nach, die an alle Überlegungen und Berichte zur Zukunft der Arbeit gestellt werden müssen. Wie gehen sie
in der Analyse mit der Tatsache um, dass in modernen Indu-striegesellschaften das Arbeitsvolumen im
Auf und Ab beständig geringer wird, und welche Lösungsperspektiven entwickeln sie aus der Gegebenheit, dass mit immer weniger menschlicher Arbeitskraft gleichbleibender oder steigender gesellschaftlicher
Reichtum hervorgebracht wird? In beiden Fragehinsichten erweist sich der Kommissionsbericht als ein
eher abschreckendes Beispiel des Fragens nach der Zukunft der Arbeit. In der Analyse wird das permanent sinkende Arbeitsvolumen entgegen den Fakten aus erkennbaren Interessen geleugnet und in der
Perspektive laufen die Lösungsvorschläge auf rigide Formen der Verwaltung des Mangels hinaus und nicht
etwa auf neue Formen der Verteilung des Reichtums.
Nach Beginn der digitalen Revolution und ein halbes Jahrzehnt nach Eintritt der Massenarbeitslosigkeit,
gab es in unserem Lande und anderswo Ende der 70er Jahre bis zur Mitte der 80er Jahre eine prospektivreformorientierte Diskussion über neue Formen von Arbeit und Einkommenssicherung jenseits der Vollbeschäftigung. Daran soll unsere Dokumentation erinnern. Der Beitrag „Entwicklung der protestantischen Arbeitsethik und ihr Beitrag zu einem neuen Arbeitsverständnis“ ist ein Aufriss der Überlegungen jener Jahre, von denen heute nicht eine einzige überholt ist. Damals wurden sie der Synode der
Evangelischen Kirche in Deutschland vorgelegt, die sich 1982 schwerpunktmäßig mit der Arbeitslosigkeit
befasste (s. den Beitrag Zukunft der Arbeit) und 1983 flossen sie in die vielbeachtete Broschüre (5
Auflagen) der Evangelischen Kirche von Westfalen ein „Zukunft der Arbeit - Leben und Arbeit im Wandel“ (s. den Beitrag Sozialethische Neuorientierung). Die nun in den letzten Jahren wiederaufgelebte
Diskussion wird aus dem kirchlichen Raum dokumentiert durch die Ausarbeitung des Ökumenisch-sozialethischen Arbeitskreises NRW „Auf dem Wege zu einer Neubestimmung von Arbeit, Einkommen
und Leben - Thesen zur Arbeit der Zukunft“.
Unsere Texte sind entstanden im Verlaufe der Gespräche und Überlegungen unseres Arbeitskreises westfälischer Sozialpfarrer. Die Hauptthesen zu einem neuen Gesellschaftsvertrag sind in zahllosen öffentlichen
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Arbeitsgemeinschaft westfälischer Sozialpfarrer
Vortragsveranstaltungen vorgestellt und diskutiert worden. Nicht zuletzt die Resonanz bei den Bürgerinnen
und Bürgern hat uns bewogen, diese Textsammlung zusammenzustellen und zu veröffentlichen.
Wir möchten mit unserem Plädoyer für eine prospektive Reformpolitik anknüpfen an die Zeit der Reformen in den frühen 70er Jahren, die mit der sozial-liberalen Koalition begann und leider nach kurzer Zeit in
der Massenarbeitslosigkeit ab Mitte der 70er Jahre untergegangen ist, und an die erwähnte Zeit der prospektiven Reformdiskussion der frühen 80er Jahre, die dann alsbald vom Sturm der neoliberalen Konterrevolution hinweggefegt wurde. Das Anliegen, im Namen der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit die Möglichkeiten des technischen Fortschritts für die Freiheit aller Menschen und jedes einzelnen
reformerisch zu verwirklichen, wird sich niemals unterdrücken lassen.
Für die tatkräftige Hilfe bei der elektronisch-technischen Bearbeitung der Texte und Graphiken danken
wir Gisela Lorenz, Barbara Gierull, Rudolf Kaufmann sowie Helge Hohmann. Der Evangelischen Kirche
von Westfalen danken wir für einen Druckkostenzuschuss.
Herne im Sommer 2001
Wolfgang Belitz
Jürgen Klute
Hans-Udo Schneider
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