Jahrbuch 2010/2011 | Fuhrmann, Lars; Zensus, Johann Anton; Angelakis, Emmanouil; Krichbaum, Thomas | Aktive Galaxienkerne als hochenergetische Teilchenbeschleuniger: Erforschung der physikalischen Prozesse in der Nähe von Schw arzen Löchern Aktive Galaxienkerne als hochenergetische Teilchenbeschleuniger: Erforschung der physikalischen Prozesse in der Nähe von Schwarzen Löchern Active Galactic Nuclei as high-energy particle accelerators: Probing the physical processes in the vicinity of Black Holes Fuhrmann, Lars; Zensus, Johann Anton; Angelakis, Emmanouil; Krichbaum, Thomas Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn Korrespondierender Autor E-Mail: [email protected] Zusammenfassung Aktive Galaxien und deren innerste Kernbereiche beherbergen extreme physikalische Phänomene. Mithilfe von supermassiven Schw arzen Löchern erzeugen sie enorme Energiemengen und oft auch hoch-energetische Gammastrahlen im MeV/GeV-Energiebereich. Viele der physikalischen Prozesse sind bisher im Detail nicht verstanden, etw a die Erzeugung der hochrelativistischen Plasmajets oder die Herkunft der Gammastrahlung sow ie deren Variabilität über das ganze elektromagnetische Spektrum. Neue Beobachtungsinstrumente und programme erlauben nun tiefere Einsichten in die extreme Physik dieser Objekte. Summary Active galaxies and their innermost core regions show extreme physical processes. In the vicinity of a supermassive black hole they produce an enormous amount of energy output and often also high-energy gamma-ray photons at MeV/GeV energies. Many of the physical processes are so far not understood in detail, e.g. the production of their highly relativistic jets or the origin of the gamma-ray emission as w ell as the observed variability across the w hole electromagnetic spectrum. New instruments and observing programs allow now to obtain new insights into the extreme physics of these objects. Physikalische Prozesse in den Kernen Aktiver Galaxien Zu den leuchtkräftigsten Objekten im Universum zählen Galaxien, deren Zentralregionen besonders extreme Aktivität und Leuchtkräfte aufw eisen. Ihre breitbandige Strahlung übertrifft bei w eitem die Leuchtkraft von normalen Galaxien (bis zu einem Faktor ≈ 10 4 ) und w ird über das ganze elektromagnetische Spektrum detektiert – vom nieder-energetischen Radiobereich bis hin zur hochenergetischen Gammastrahlung (GeV/TeV). Unter dem Begriff der aktiven galaktischen Kerne (Active Galactic Nuclei – kurz AGN) w erden solche astrophysikalischen Erscheinungen w ie Quasare, Radiogalaxien, Seyfert-Galaxien und BL Lacertae-Objekte zusammengefasst. Die gigantischen freigesetzten Energiemengen in diesen Objekten w erden durch die © 2011 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 1/7 Jahrbuch 2010/2011 | Fuhrmann, Lars; Zensus, Johann Anton; Angelakis, Emmanouil; Krichbaum, Thomas | Aktive Galaxienkerne als hochenergetische Teilchenbeschleuniger: Erforschung der physikalischen Prozesse in der Nähe von Schw arzen Löchern "zentrale Maschine" und der Konvertierung von Gravitationsenergie bereitgestellt. Diese Energiefreisetzung w ird durch zw ei Prozesse dominiert: Ein vermutlich super-massives Schw arzes Loch (≈ 10 6 -10 9 Sonnenmassen) im Zentrum sammelt Materie aus einer gravitativ enstandenen Gasscheibe auf, die schnell um das Zentrum rotiert (Akkretionsscheibe). Durch Reibung heizt sich diese Scheibe auf, w obei Teile der Materie an Drehimpuls verlieren und spiralförmig in Richtung Schw arzes Loch fallen. Schliesslich w ird ein Teil der Materie mithilfe von Magnetfeldern w ieder senkrecht zur Scheibe in zw ei einander entgegengerichtete Plasmajets ausgestoßen. Dabei w ird die Materie in den Plasmajets meist auf nahezu Lichtgeschw indigkeit beschleunigt und bis zu einigen hunderttausend Lichtjahren w eit nach außen transportiert. Welchen AGN-Typ man nun betrachtet hängt – neben anderen Parametern – vom Sichtw inkel des Beobachters zur Achse des Jets ab. Bei den sogenannten Blazaren geht man von w enigen Grad von der Rotationsachse aus – man sieht also nahezu direkt in den Jet. In diesem Fall von kleinen W inkeln zur Sichtlinie spielen relativistische Effekte eine besondere Rolle und relativistische Dopplerverstärkung der AGN-Breitband-Emission führt zu einer dramatisch erhöhten Leuchtkraft. Regelmäßige Strahlungsausbrüche durch in den Jet neu injiziertes Material führt zu zeitlich stark variabler Emission nicht-thermischer Strahlung. Diese dominiert in Kombination mit der thermischen Strahlung des Akkretionsprozesses (optisch bis Röntgenbereich) die komplette spektrale Energieverteilung von radio-lauten AGN. Die beobachtete spektrale Energieverteilung eines AGN kann mithilfe von zw ei Komponenten erklärt w erden: (i) Niederenergetischer Teil: Synchrotronstrahlung der relativistischen Elektronen im Jet (Radio, IR/optisch bis hin zum Röntgenbereich) und (ii) hochenergetischer Teil: Im Falle von sogenannten leptonischen Jet-Modellen streuen die relativistischen Elektronen durch Inverse-Compton (IC) Prozesse erster und zw eiter Ordnung Photonen zu den höchsten Energien (Röntgenbereich, GeV/TeV). Der Ursprung dieser "Saat-Photonen" ist zurzeit unklar und es existieren unterschiedliche Modelle: (i) Die Jet-eigenen Synchrotronphotonen oder (ii) "externe Photonen" aus dem Akkretionsprozess oder aus Strukturen, die den Kernbereich w eiter außen umgeben (Wolken/molekularer Torus). In sogenannten hadronischen Modellen w ird der hochenergetische Teil der Strahlung nicht durch IC-Strahlung erklärt, sondern durch die Interaktion von relativistischen Protonen im Jet mit umgebender Materie und Strahlungsfeldern, Protonen-indizierte Kaskaden oder sogar durch Synchrotronstrahlung der Protonen. © 2011 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 2/7 Jahrbuch 2010/2011 | Fuhrmann, Lars; Zensus, Johann Anton; Angelakis, Emmanouil; Krichbaum, Thomas | Aktive Galaxienkerne als hochenergetische Teilchenbeschleuniger: Erforschung der physikalischen Prozesse in der Nähe von Schw arzen Löchern A bb. 1: Typische La ngze it-Lichtk urve (He lligk e it ge ge n Ze it) e ine s Ga m m a stra hle n-Bla za rs, be oba chte t m ithilfe de r R a diote le sk ope de s F-GAMMA P rogra m m s (Effe lsbe rg 100-m und IR AM 30-m ). Die Q ue lle AO 0235+164 ze igt sta rk e Va ria bilitä t m it zwe i dra m a tische n Stra hlungsa usbrüche n a uf Ze itsk a le n von Mona te n. W ä hre nd de s zwe ite n Ausbruchs (2008/2009) wurde a uch m it Fe rm i-GST im Ga m m a be re ich e in sta rk e r Ausbruch de te k tie rt. © Ma x -P la nck -Institut für R a dioa stronom ie Die Details zur Enstehung Gammastrahlung, die und Beschleunigung der Jets, der Ursprungsort Breitband-Strahlungsprozesse insgesamt (z. B. der hochenergetischen leptonisch oder hadronisch, interne/externe IC-Prozesse) als auch die starke Variabilität der Strahlung über das ganz Spektrum sind bisher jedoch im Detail nicht verstanden. Diese Prozesse finden auf kleinsten Skalen und den innersten Bereichen der zentralen Regionen statt (≤ Lichtjahre) und sind daher nur schw er direkt zugänglich. Diese innersten Bereiche und kleinsten Skalen sind zur Zeit nur im Radiobereich und mit Hilfe der sogenannten Interferometrie auf langen Basislinien (VLBI) bildgebend erreichbar. Das Auflösungsvermögen von IR/optischen, Röntgen- und Gammateleskopen reicht hierzu nicht. Andererseits bietet jedoch die beobachtete Variabilität der Strahlung der AGN (Abb. 1) aufgrund der kurzen Variabilitätszeitskalen (enorme Ausbrüche im Kern auf Zeitskalen von Tagen/Wochen/Monaten) die Möglichkeit, die mit den kurzen Zeitskalen verbundenen kleinsten Strukturen in der Kernregion zu erreichen. Die Ursache der Variabilität w ird dabei oft mithilfe von relativistischen Schocks erklärt, die den Jet durchlaufen und ihren Ursprung in der Einspeisung von neuem Material ("frische Elektronen") am Fusspunkt des Jets haben. Ein neues Gammastrahlen-Observatorium: Ferm i-GST Aufgrund der breitbandigen und zeitlich-variablen Natur der AGN-Strahlung w ird deutlich, dass eine detailliertere Einsicht in die physikalischen Prozesse nur durch zeitnahe Beobachtungen über das ganze Spektrum erfolgen kann. Jedoch w aren solche AGN-Breitband-Studien bisher stark limitiert durch (i) fehlende, w irklich simultane Beobachtungen mit guter Frequenzabdeckung und (ii) die fehlende Sensitivität und zeitliche Auflösung bei hohen Energien (MeV/GeV). © 2011 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 3/7 Jahrbuch 2010/2011 | Fuhrmann, Lars; Zensus, Johann Anton; Angelakis, Emmanouil; Krichbaum, Thomas | Aktive Galaxienkerne als hochenergetische Teilchenbeschleuniger: Erforschung der physikalischen Prozesse in der Nähe von Schw arzen Löchern A bb. 2: De r Him m e l im Ga m m a be re ich be oba chte t m it FermiGST na ch de n e rste n 11 Mona te n de r Him m e lsdurchm uste rung: je de r fa rblich m a rk ie rte P unk t e ntspricht e ine r de te k tie rte n P unk tque lle (ca . 1400). De r dom ina nte Ante il de r Q ue lle n ste lle n AGN da r (≈ 700 Q ue lle n). Unte r ihne n be finde n sich 60 Q ue lle n, die a uch inne rha lb de s F-GAMMA P rogra m m s be oba chte t we rde n. © Ma x -P la nck -Institut für R a dioa stronom ie Das neue Fermi Gamma-Ray Space Telescope (Fermi-GST) Satellite (Start im Juni 2008) bietet erstmalig die Gelegenheit, die Physik der breitbandigen Jet-Emission in einer großen Anzahl von Quellen im Detail zu studieren. Das Large Area Telescope (LAT) an Bord von Fermi-GST besitzt ein großes Sichtfeld und überdeckt den Energiebereich von 20 MeV bis hin zu 300 GeV. Seine besonderen Eigenschaften und der Betrieb im all-sky survey Beobachtungsmodus erlaubt eine systematische und kontinuierliche Studie des ganzen HochenergieHimmels mit unvergleichlicher Genauigkeit und Zeitauflösung: Fermi-GST übertrifft vorherige Generationen von Gammastrahlen-Teleskopen in Bezug auf Sammelfläche, Energiebereich, W inkelauflösung und Sichtfeld. Es beobachtet ca. 20% des Himmels zu jeder Zeit, und "sieht" somit den ganzen Himmel alle drei Stunden. Sein Design und seine Detektortechnologie ermöglicht eine Verbesserung in der Sensitivität um einen Faktor 10 oder mehr im Vergleich zu seinen Vorgängern. Damit w ird es zum ersten Mal möglich, den hochenergetischen Teil der AGN-Strahlungsprozesse für eine große Anzahl von AGN (Detektion von ≈ 700 AGN im ersten Jahr, Abb. 2, [1]) im Detail zu untersuchen. Darüber hinaus ermöglichen die detailierten Fermi-Daten nun auch die Studie der Breitband-Strahlungs- und Variabilitätsprozesse über das ganze Spektrum, w enn diese mit Daten w eiterer Erd- und Satelliten-gestützter Teleskope anderer Wellenlängenbereiche (Radio-, IR/optisch, Röntgenbereich) kombiniert w erden. Das F-GAMMA Programm des MPIfR Um diese neuen Breitbandstudien zum niederenergetischen Synchrotronteil der spektralen Energieverteilung von Blazaren zu erw eitern, w urde eine neue, internationale Fermi-dedizierte Beobachtungs-Kollaboration zw ischen verschieden Forschungsgruppen initiiert. Dazu gehören das Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR), IRAM (Spanien), Caltech (USA), aber auch die Fermi-GST AGN-Gruppe. Das in diesem Zusammenhang gestartete F-GAMMA Programm (Fermi-GST AGN Multi-frequency Monitoring Alliance) ist ein Programm zur monatlichen Beobachtung (Monitoring) der Variabilität und spektralen Evolution von ca. 60 Fermi-GST detektierten Hochenergie-Blazaren [2,3]. Es begann Anfang 2007 und liefert seitdem (und über die nächsten Jahre) quasi-simultane, breitbandige Monitoring-Beobachtungen der totalen Helligkeit als auch Polarisation © 2011 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 4/7 Jahrbuch 2010/2011 | Fuhrmann, Lars; Zensus, Johann Anton; Angelakis, Emmanouil; Krichbaum, Thomas | Aktive Galaxienkerne als hochenergetische Teilchenbeschleuniger: Erforschung der physikalischen Prozesse in der Nähe von Schw arzen Löchern dieser Quellen. Es vereint die regelmäßige und zeitgleiche Benutzung des Effelsberg 100-m und anderen Teleskopen für Variabilitäts- und Breitband-Studien mit dem speziellen Ziel Gammastrahlen-Beobachtungen von AGN und speziell dem Fermi/LAT-Detector zu komplementieren. Diese Allianz beinhaltet das Pico Veleta 30m (IRAM) und seit 2008 auch das APEX Teleskop für Messungen bei Submillimeter-Wellenlängen. Das FGAMMA-Programm liefert daher erstmalig eine kontinuierliche und quasi-simultane Abdeckung des ganzen cm/mm/sub-mm Wellenlängenbereiches (insgesamt bei 11 Frequenzen) für eine große Stichprobe von hochenergetischen Quellen. Zudem kommen w eitere enge Kollaborationen und Teleskope, w ie das OVRO 40-m Teleskop (Caltech), der Planck-Satellite und eine Reihe optischer Teleskope. Ursprung der Variabilität in Hochenergie-AGN Die Lichtkurven und quasi-simultanen Breitband-Radiospektren des F-GAMMA Programms ermöglichen erstmalig im Detail und für eine große Anzahl von Quellen das zeitliche und spektrale Variabilitätsverhalten im Radiobereich zu studieren und mit den vorhandenen theoretischen Modellen zu vergleichen. Aus den Datensätzen der ersten 3 Jahre ergibt sich, dass die große Vielfalt der beobachteten Variabilitätsmuster sich auf nur zw ei w esentliche Muster vereinen lassen: (i) Variabilität dominiert durch starke und kontinuierliche spektrale Veränderungen (Typ 1) und (ii) nahezu achromatische Variabilität, w obei das Spektrum sich nur selbstähnlich auf und ab bew egt (Typ 2). Diese phänomenologischen Ergebnisse implizieren, dass nur zw ei w esentliche Mechanismen existieren, die die AGN-Variabilität verursachen (zumindest in der untersuchten Stichprobe). Im ersten Fall lässt sich durch Simulationen zeigen, dass die beobachtete spektrale Evolution sehr gut durch das zuvor erw ähnte relativistische Schockmodell beschrieben w erden kann. Dieses w ird es zukünftig ermöglichen, die Modellparameter mit Hilfe der Beobachtungen stark einzuschränken und die Veränderungen der physikalischen Konditionen in den Quellen (z. B. Magnetfelder, Dopplerfaktoren, Teilchendichten) auf kleinsten Skalen zu studieren. Im zw eiten Fall erscheinen geometrische Veränderungen des Jets entlang der Sichtlinie (und damit Änderungen der Dopplerverstärkung) Ursache der Helligkeitveränderungen zu sein. Hier muss sich zukünftig zeigen, ob eventuell präzidierende Jets (z. B. aufgrund eines Doppelsystems von Schw arzen Löchern) oder helikale Bew egungen der Schocks in den Jets (aufgrund einer helikalen Anordnung der Magnetfelder entlang des Jets) die spektrale Evolution beschreiben können. Interessanterw eise hat bisher keine der Quellen innerhalb der ersten drei Jahre ihr Variabilitätsmuster verändert (z. B. von Typ 1 zu Typ 2), w as den Variabilitättyp zu einem speziellen "Fingerabdruck" einer jeden Quelle macht. F-GAMMA und Ferm i-GST: simultane Radio- und Gammastrahlen-Beobachtungen von AGN Auf Basis der Multifrequenz-Daten des F-GAMMA Programms ist es möglich, die Radio-Eigenschaften der beobachteten AGN-Stichprobe mit den quasi-simultan gemessenen Hochenergie-Eigenschaften zu vergleichen. Unter Benutzung der Fermi-GST Daten findet man eine Korrelation zw ischen den simultanen Radio- und Gammastrahlen-Helligkeiten von 29 Fermi-Quellen. Eine Monte Carlo Simulation, w elche die statistischen Verzerrungen (kleine Stichprobe, eingeschränkte Entfernungs- und Helligkeitsbereiche) einer solchen Studie adäquat berücksichtigt, demonstriert erstmalig die statistische Signifikanz einer solchen Korrelation. Zudem scheint diese zu kürzeren Radiow ellenlängen hin immer prominenter zu w erden. Die Existenz einer solchen radio/γ-ray Korrelation w urde in der Vergangenheit kontrovers diskutiert. Im Falle leptonischer Modelle w ürde man eine Korrelation zw ischen Synchrotronemission der relativistischen Elektronen (Radio, IR/optisch) mit der IC-Emission bei hohen Energien (MeV/GeV) auf natürliche Weise erw arten. Dieses bestätigen nun die ersten Studien innerhalb des F-GAMMA Programms. Die verstärkte Korrelation hin zu kürzeren Radiow ellenlängen © 2011 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 5/7 Jahrbuch 2010/2011 | Fuhrmann, Lars; Zensus, Johann Anton; Angelakis, Emmanouil; Krichbaum, Thomas | Aktive Galaxienkerne als hochenergetische Teilchenbeschleuniger: Erforschung der physikalischen Prozesse in der Nähe von Schw arzen Löchern (mm-Bereich) deuten w eiter darauf hin, dass die hochenergetische Gammastrahlung aus den innersten Kernbereichen kommt. Letzteres ist eine noch nicht beantw ortete Frage: w o im Jet w ird die Gammastrahlung produziert? Theoretische Modelle der Gammastrahlen-Produktion in relativistischen Jets sehen hier hauptsächlich zw ei Möglichkeiten: (i) Ganz nah am Schw arzen Loch – am Fußpunkt des Jets, oder (ii) in den Radioschocks w eiter außen entlang des Jets. Ein direkter Vergleich der AGN-Aktivität in den Gamma- und Radio-Lichtkurven dieser Quellen hilft hier: die relative zeitliche Koordinierung eines quasi-simultanen Ausbruchs in beiden Frequenzbändern erlaubt Rückschlüsse auf die Lokalisierung des Ereignisses innerhalb des Jets. Obw ohl Beobachtungen über einen sehr langen Zeitraum für eine solche Studie nötig sind, zeigen die ersten 11 Mo n a te Fermi-GST Daten, dass sich viele Quellen zu Zeiten erhöhter Gamma-Aktivität auch in erhöhten Radiozuständen (besonders bei höheren Radiofrequenzen) befinden. Speziell scheinen Gamma-Ausbrüche oft dann aufzutreten, w enn die Quellen sich schon in einem ansteigendem Radiostadium befinden. Dieses w ürde für einen Ursprung der Gammastrahlen in den Radioschocks sprechen, die sich typischerw eise w eiter entfernt vom Schw arzen Loch und entlang des Jets befinden. Daraus ergeben sich w iederum Rückschlüsse auf den Ursprung der "Saat-Photonen" des IC-Prozesses, die für die Hochenergie-Produktion benötigt w erden. Genauere Studien über die nächsten Jahr sind jedoch notw endig, um dieses mit verbesserter Statistik und entsprechenden Simulationen zu belegen. Eine neue Gruppe von Gammastrahlen-AGN Die meisten bisher enteckten Hochenergie-AGN w aren in der Vergangenheit entw eder Blazare oder Radiogalaxien. In der Tat zeigte Fermi-GST in den ersten Monaten bereits, dass der extragalaktische Himmel im Gammabereich von diesen Objekten dominiert w ird (Abb. 2). 2008/2009 schließlich entdeckte Fermi-GST einen neuen Typ von AGN, der hell im Gammabereich strahlt: die Quelle PMN J0948+002, eine sogenannte Narrow-line Seyfert I' (NLSy1) Galaxie (typischerw eise radio-leise ohne prominenten relativistischen Jet). Breitband-Beobachtungskampagnen inklusive des F-GAMMA Programms zw ischen 2008 und 2010 konnten schließlich zeigen, dass dieser neue Typ von Gammastrahlen-AGN auch einen relativistischen Jet besitzt [4]: die spektrale Breitband-Energieverteilung der Quelle besitzt die typische Doppelstruktur w ie die in leuchtkräftigen Blazaren. Die Modellierung der Daten mit einem leptonischen Emissionsmodell ergeben dabei auch die einem Blazar-typischen physikalischen Parameter (z. B. Leuchtkraft, Magnetfelder, Dopplerverstärkung). Die spektralen Eigenschaften im Radiobereich erhalten aus den F-GAMMA- sow ie VLBIDaten zeigen w eiterhin die typischen Eigenschaften eines relativistischen Radiojets (flaches/invertiertes Radiospektrum, Radioausbrüche, Polarisation, kompakter Kernbereich etc.). Die Detektion eines leistungsstarken, Blazar-ähnlichen Radiojets in diesem AGN-Typ stellt jedoch eine neue, große Herausforderung dar: Im Standardbild w erden relativistische Jets typischerw eise in elliptischen Galaxien produziert, die Muttergalaxien von NLSy1-AGN jedoch sind meist Spiralen. Seit dem Start von Fermi-GST und der Entdeckung von PMN J0948+002 w urden w eitere solcher hochenergetischen NLSy1-Quellen gefunden [5]. Diese w erden für zukünftige, detailiertere Studien nun auch kontinuierlich innerhalb des F-GAMMA Programms beobachtet. Ausblick Die zuvor beschriebenen Beispiele und ersten w issenschaftlichen Ergebnisse des Fermi-GST Satelliten, als auch des F-GAMMA Programms des MPIfR geben einen Einblick in die sich ergebenden Möglichkeiten, tiefere © 2011 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 6/7 Jahrbuch 2010/2011 | Fuhrmann, Lars; Zensus, Johann Anton; Angelakis, Emmanouil; Krichbaum, Thomas | Aktive Galaxienkerne als hochenergetische Teilchenbeschleuniger: Erforschung der physikalischen Prozesse in der Nähe von Schw arzen Löchern Einblicke in die physikalischen Prozesse dieser hochenergetischen Objekte zu erlangen. W ie so oft liefern verbesserte Instrumente und Beobachtungsprogramme neue Ergebnisse und Entdeckungen, die w iederum hochinteressante und spannende neue Fragen aufw erfen. Diese gilt es zukünftig zu beantw orten. Dabei w erden die Daten von Fermi-GST und des F-GAMMA Programms über die nächsten Jahre von großer Bedeutung sein. [1] A. Abdo et al.: The First Catalog of Active Galactic Nuclei Detected by the Fermi Large Area Telescope. The Astrohpysical Journal 715, 429-457 (2010). [2] L. Fuhrmann et al.: Simultaneous Radio to (Sub-) mm-monitoring of variability and spectral evolution of potential GLAST blazars. The first GLAST Symposium, 921, 249 (2007) [3] E. Angelakis et al.: The F-GAMMA program: multi-wavelength AGN studies in the Fermi-GST era. Proceedings of the w orkshop ‘Fermi meets Jansky’; Savolainen et al. (Eds), 2010, http://arxiv.org/abs/1006.5610 [4] The first gamma-ray outburst of a Narrow-Line Seyfert I Galaxy: the case of PMN J0948+0022 in July 2010. http://arxiv.org/abs/1010.4434 (2010). The first gamma-ray outburst of a Narrow-Line Seyfert I Galaxy: the case of PMN J0948+0022 in July 2010. http://arxiv.org/abs/1010.4434 (2010). [5] L. Fuhrmann et al.: Recent multi-wavelength campaigns in the Fermi-GST era. Proceedings of the w orkshop ‘Fermi meets Jansky’; Savolainen et al. (Eds), http://arxiv.org/abs/1007.0348 (2010). © 2011 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 7/7