Einfluss des Klimawandels auf den Sedimenttransport in Einzugsgebieten alpiner Stauhaltungen Konzeptionelles Modell und Feldstudie im Turtmanntal Diplomarbeit im Studiengang Geoökologie am Karlsruhe Institute of Technology (KIT) vorgelegt von Alexander Beer Mai 2009 Referent Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Franz Nestmann (IWG) Korreferent Prof. Dr. Dieter Rickenmann (WSL) Titelbild: Turtmannstausee, Brunegg- und Turtmanngletscher (Kanton Wallis, Schweiz), 17.09.2008 Erklärung Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig angefertigt habe. Es wurden nur die in der Arbeit ausdrücklich benannten Quellen und Hilfsmittel benutzt. Wörtlich oder sinngemäß übernommenes Gedankengut habe ich als solches kenntlich gemacht. Ort, Datum Unterschrift Danksagung Meinen Dank aussprechen möchte ich Herrn Prof. Dr. Dr. Franz Nestmann (IWG), der es mir durch seine Kooperation mit der WSL ermöglicht hat, meine Diplomarbeit in der Schweiz zu verfassen. Herrn Prof. Dr. Dieter Rickenmann (WSL) danke ich ganz herzlich für die gute Einführung in den mir noch unvertrauten Arbeitsbereich und die vielen Gespräche und Erklärungen, für die er sich immer viel Zeit genommen hat. Von ihm konnte ich viel wissenschaftliche Denkweise lernen. Danken möchte ich besonders meinem Betreuer an der WSL, Herrn Dr. Jens Martin Turowski, der mich bei meiner ganzen Arbeit unterstützt und beraten hat. Er hat mir bei den Gerinneaufnahmen geholfen, meinen Text Korrektur gelesen und bei den vielen Fragen die sich ergaben immer ein offenes Ohr gehabt. Herzlichen Dank dafür. Ausserdem danke ich Herrn Dr. Boris Lehmann, der die Betreuung am IWG übernommen und mich auf wasserbauliche Aspekte hingewiesen hat. Weiterhin danken möchte ich Mélanie Raymond Pralong, die mich bei den Feldaufnahmen im Turtmanntal begleitet und die Kontakte zu den Wasserkraftbetreibern hergestellt hat. Der Gougra AG sei für die in diesem Rahmen zur Verfügung gestellten Abflussdaten gedankt. Für die Verarbeitung der Felddaten und sämtliche GIS-Anwendungen konnte ich stets auf Manuel Nitsche zählen, der sich viel Zeit genommen hat, um mich in die Bedienung einzuweisen. Meinem Freund Marcus Hatz sei ein grosser Dank für das akribische Korrekturlesen. Vielen Dank auch an alle Gebirgshydrologen für euer Interesse an meiner Arbeit und die guten Gespräche. Meiner lieben Frau Christina möchte ich herzlich danken und diese Arbeit widmen. Sie hat mich bei der Feldarbeit unterstützt und mir tatkräftig bei den Vermessungen geholfen. Während der anstrengenden Endphase war sie immer für mich da und hat mir den Rücken freigehalten. Vielen Dank dir und euch liebe Eltern für eure Begleitung in meinem Studium und meiner Diplomarbeit. Soli Deo Gloria Zusammenfassung Aktuelle Diskussionen über den Klimawandel verschieben sich zunehmend in Richtung ökologischer und ökonomischer Auswirkungen. So ist für die Schweizer Wasserwirtschaft in Einzugsgebieten alpiner Stauhaltungen die Charakteristik des zukünftigen Sedimenttransports von grosser Bedeutung, da Verlandungserscheinungen und Abrasionsschäden der technischen Anlagen hohe Kosten verursachen. In der vorliegenden Arbeit wird dafür zunächst ein Konzept der massgebenden Komponenten und Prozesse des Sedimenttransfersystems GletscherHang-Gerinne-Stausee aufgestellt und dann im Hinblick auf die Zukunft in einer Feldstudie angewandt. Im ersten Teil werden zunächst die Morphologie, wirksame hydrologisch - morphologisch Prozesse und die Verlandungsproblematik von Stauseen hochalpiner Gebiete beschrieben. Ausgehend von der Betrachtung angenommener klimatischer Veränderungen werden im Rahmen einer umfangreichen Literaturrecherche die Auswirkungen auf diese Prozesse und Speicher zusammengestellt. Darauf aufbauend wird ein Systemmodell - Konzept entwickelt und hinsichtlich der zukünftigen Bedeutung der einzelnen Komponenten unter Einwirkung der sich verändernden Klimaelemente bewertet. Dabei ergibt sich an Hand zweier Szenarien für die Jahre 2050 und 2100 eine zunehmende Bedeutung der Abtragungs- und Transportvorgänge durch den Oberflächenabfluss, ein starker Rückgang glazialer Prozesse und Speicher sowie unsichere Tendenzen bezüglich Verwitterungs- und Sturzprozessen. Der zweite Teil der Arbeit umfasst eine Feldstudie im Vorfeld des Turtmanngletschers im Kanton Wallis (Schweiz). Mit Hilfe einer Interpolation basierend auf digitalen Höhendaten wird das potentiell erodierbare Sedimentvolumen des Einzugsgebiets berechnet. Für Abflussdaten des Turtmannstausees der Jahre 2000 - 2008 wird die Geschiebetransportkapazität mit Hilfe von Transportformeln abgeschätzt. Auf Grundlage zweier angenommener Szenarien für die Abflusscharakteristik in den Jahren 2050 und 2100 wird der zukünftige Geschiebetransport berechnet. Zur Mitte des 21. Jahrhunderts ergeben sich bei einem Anstieg des Jahresabflusses um 50 % Zunahmen des Geschiebetransports von 70 %, gegen 2100 bei einem zu heute vergleichbaren Abfluss eine leichte Transportabnahme und ein stark veränderter Jahresgang. I Abstract Recent discussions about climate change tend to focus on ecological and economical impacts. For Swiss water economy in catchments of alpine reservoirs the evolution of the hydrological cycle and future sediment input characteristics are important for sedimentation and abrasion problems in the management of hydropower installations. In this work a concept of the interaction of controlling processes and sediment sinks in the sediment transfer system glacierhillslope-channel-reservoir is established and applied in a field study. The first part gives a decription of the morphology, the hydrological - morphological processes and the sedimentation of reservoirs in high alpine catchments. The impacts of predicted climate change scennarios on processes and reservoirs are dicussed on the basis of a literature survey. A conceptual system model is developed and evaluated with a view to the relevance of the components in future sediment transfer. Two scenarios (2050 and 2100) result in an augmentation of erosion and transport due to increasing runoff, a strongly decreasing importance of glacial processes and sinks and uncertain trends in physical weathering and rockfall. In the second part the catchment of the Turtmann glacier (Swiss Alps) is investigated in a field study. From digital elevation data the potentially erodible sediment volume in the forefield is estimated. For 2000 - 2008 bedload transport is calculated from discharge data of the Turtmannstausee using several transport equations. Future sediment yields are calculated on the basis of two discharge scenarios (2050 and 2100). For 2050 an increase of bed load transport by 70 % is predicted for the rise of the annual discharge of 50 %. By the end of the century a slight decrease of bedload volume is predicted for a discharge comparable to contemporary conditions, together with a strong shift of the seasonal cycle. II Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung I Abstract II Inhaltsverzeichnis III Abbildungssverzeichnis V Tabellenverzeichnis VII Abkürzungsverzeichnis VIII 1 Einleitung 1.1 Gesellschaftlicher Hintergrund und Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Projektstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Gliederung und Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Grundlagen 2.1 Hydrologisch-morphodynamische Prozesse . . . . . . . 2.1.1 Glazial- und Periglazialgebiete . . . . . . . . . 2.1.2 Denudative und erosive Prozesse . . . . . . . . 2.1.3 Abfluss und Abflussregimes . . . . . . . . . . . 2.1.4 Sedimenttransport . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.5 Sedimenttransportberechnung . . . . . . . . . . 2.2 Wasserwirtschaft und Verlandung von Stauseen . . . . 2.3 Klimawandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Niederschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Extremereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Auswirkungen auf alpine Einzugsgebiete . . . . . . . . 2.4.1 Gletscherentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Schnee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3 Permafrostentwicklung und Sturzprozesse . . . 2.4.4 Blockgletscher, Thermokarst und Gletscherseen 2.4.5 Murgänge und Rutschungen . . . . . . . . . . . 2.4.6 Sedimentbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.7 Ökosystemänderungen . . . . . . . . . . . . . . 2.4.8 Hydrologische Auswirkungen . . . . . . . . . . 2.4.9 Wasserwirtschaft und Energieerzeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 2 4 5 5 5 9 14 18 22 32 35 36 38 40 43 43 45 47 49 50 53 55 56 61 III Inhaltsverzeichnis 3 Modellkonzept 3.1 Systemmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Szenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Massgebende Prozesse und Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Vorgehensstrategie zur quantitativen Abschätzung der Auswirkungen 3.4.1 Datenerfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Berechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 63 69 73 78 78 80 4 Das Untersuchungsgebiet 4.1 Wahl des Untersuchungsgebiets 4.2 Geologie und Geographie . . . . 4.2.1 Geologie . . . . . . . . . 4.2.2 Geomorphologie . . . . 4.2.3 Gletscherentwicklung . . 4.2.4 Sedimente . . . . . . . . 4.2.5 Prozesse . . . . . . . . . 4.3 Klima . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Wasserkraftanlage . . . . . . . 4.5 Hydrologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 83 84 84 84 85 88 91 93 95 98 5 Methoden 5.1 Sedimentvolumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Geschiebetransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Feldaufnahmen und Analysen . . . . . . . . . 5.2.2 Berechnung der Geschiebetransportkapazität 5.2.3 Mögliche zukünftige Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 100 104 104 105 106 6 Resultate 6.1 Sedimentvolumen . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Geschiebetransport . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Feldaufnahmen . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Geschiebetransport während der Jahre 6.2.3 Mögliche zukünftige Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2000 - 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 108 108 108 110 112 7 Diskussion 7.1 Sedimentvolumen . . . . . . . . . . . . . 7.2 Geschiebetransport . . . . . . . . . . . . 7.2.1 Feldaufnahmen . . . . . . . . . . 7.2.2 Rezenter Geschiebetransport . . 7.2.3 Mögliche zukünftige Entwicklung 7.3 Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 115 116 116 117 120 122 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Ausblick 124 Literaturverzeichnis 125 Anhang 137 IV Abbildungsverzeichnis 1.1 Projekt “Klimaänderung und Wasserkraftnutzung“ und ‘Sektorielle Studie Wallis“ 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 2.11 2.12 2.13 2.14 2.15 2.16 2.17 2.18 2.19 2.20 2.21 2.22 2.23 2.24 2.25 2.26 2.27 2.28 Querschnitt durch einen temperierten Gletscher . . . . . . . . . . . . . . . . Moränen in und um einen Gletscher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modell einer Paraglaziallandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleich weltweiter Festgesteinserosionsraten von Gletschereinzugsgebieten Natürliche Schweizer Abflussregimes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tägliche Abflussganglinien eines Gletscherbaches . . . . . . . . . . . . . . . Formen der Materialverlagerung in einem Gewässer . . . . . . . . . . . . . . Einordnung von Murgängen als Transportprozess . . . . . . . . . . . . . . . Koeffizient Ak im Verhältnis zur relativen Abflusstiefe h/d90 . . . . . . . . . Transportberechnung mit Hilfe einer Integration über die Abflussganglinie . Verhältnis von Kornreibungsverlusten gegenüber Gesamtreibungsverlusten . Hydraulische Elektrizitätsgewinnung in der Schweiz und im Wallis . . . . . Schematische Darstellung der Verlandung eines Stausees . . . . . . . . . . . Veränderung der Stauseekapazität durch Bautätigkeit und Verlandung . . . Jährliche und saisonale Temperaturtrends für die Periode 1864 - 2000 . . . . Probabilistische Temperaturprojektionen für die Schweiz . . . . . . . . . . . Abweichung der mittleren Jahresniederschläge der Jahre 1864 - 2007 . . . . Probabilistische Niederschlagsprojektionen für die Schweiz . . . . . . . . . . Häufigkeitsverteilung der Extremtemperaturen . . . . . . . . . . . . . . . . Berechnete Zunahme der Niederschlagstätigkeit im Winter . . . . . . . . . . Veränderung der Alpenvergletscherung unter dem Einfluss des Klimawandels Entwicklung der mittleren Höhe der Nullgradgrenze . . . . . . . . . . . . . . Beispiel der Entwicklung eines Thermokarstsees . . . . . . . . . . . . . . . . Modellierte Anzahl der Extremniederschläge für die Periode 2071-2100 . . . Modell der paraglazialen Entwicklung der Sedimentfracht . . . . . . . . . . Waldgrenzanstieg in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Simulierter Waldgrenzanstieg in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berechnete Jahresabflussganglinien für den Glacier de Moming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 7 12 14 16 17 19 20 28 29 31 33 34 35 37 38 39 40 41 42 45 46 50 51 54 56 57 59 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 Alpines Sedimenttransfer - Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Symbolik eines Kaskaden - Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kaskaden - Modell des Sedimentransportsystems Einzugsgebiet - Stausee Bewertung des Sedimentransportsystems Einzugsgebiet - Stausee . . . . Konzeption eines Vorhersagemodells für die Sedimentationsproblematik . . . . . . . . . . . 64 65 67 77 81 4.1 4.2 4.3 Die Lage der penninischen Decken im Bereich des Turtmanntals . . . . . . . . . 85 Blick von der Staumauer des Turtmannsees in Richtung des Einzugsgebiets . . 87 Interpolation der Sedimentmächtigkeit im Vorfeld des Turtmanngletschers . . . 89 . . . . . . . . . . 3 V Abbildungsverzeichnis VI 4.4 4.5 Monatsmittel der Temperatur und des Niederschlags im Brändjitälli . . . . . . 94 Aufteilung der Jahresabflussganglinie der Turtmänna . . . . . . . . . . . . . . . 99 5.1 Darstellung des Untersuchungsgebietes für die Sedimentvolumenberechnung . . 102 6.1 Darstellung des Sedimentkörpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 A.1 A.2 A.3 A.4 A.5 A.6 A.7 B.1 C.1 C.2 C.3 C.4 C.5 C.6 C.7 C.8 Das Turtmanntal in den südlichen Walliser Alpen . . . . . . . . . . . . . . . Situationsplan der Kraftwerke Gougra AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Situationsplan Turtmannstausee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Längenentwicklung des Turtmanngletschers . . . . . . . . . . . . . . . . . . Längenentwicklung des Brunnegggletschers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Pipjitälli in perspektivischer Schräglichtdarstellung . . . . . . . . . . . Rutschungsentwicklung in der linken Seitenmoräne des Turtmanngletschers Vergleich verschiedener Interpolationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . Die Abflussregimes im Kanton Wallis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgenommene Querprofile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vereinfachte Querprofile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kornverteilungskurven für das Gletschervorfeld . . . . . . . . . . . . . . . . Schlüsselkurve der Beziehung Abfluss - Abflusstiefe für Profil 5 . . . . . . . Vergleich der Formverlust - Korrekturgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . Dauerkurven der Turtmänna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abfluss- und Geschiebeganglinien für die beiden Szenarien A und B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 139 140 141 141 142 142 143 144 145 145 146 148 148 149 150 Tabellenverzeichnis 2.1 Typen von Denudations- und Erosionsprozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 Szenarien der wichtigsten Klimaelemente bis zum Jahre 2100 (Kanton Wallis) Auswirkungen der prognostizierten Klimaänderung . . . . . . . . . . . . . . . Bewertung der Sedimenttransferprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertung der Speicherentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenstellung der zu erfassenden Parameter und Daten . . . . . . . . . . Auswahl von Studien mit relevanten Simulationen . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 4.2 4.3 4.4 Einzugsgebietscharakteristik und Gletschergeschichte . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht des Sedimenteintrags in die Turtmannstauhaltung seit 1959 . . . . . Abschätzung der Aufteilung des Sedimenteintrags in Schwebstoffe und Geschiebe Hydrologische Charakterisierung der Turtmänna . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 6.2 6.3 6.4 Feldaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berechneter kumulativer Geschiebetransport der Jahre 2000 - 2008 Nomenklatur der Geschiebeszenarien G . . . . . . . . . . . . . . . . Mögliche zukünftige Entwicklung des Geschiebetransports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 72 74 75 79 80 92 97 97 98 110 111 112 114 C.1 Linienzahlanalysen und Grenzwerte für Profil 5 im Gletschervorfeld . . . . . . . 146 C.2 Hydrologische Berechnungen für die Turtmänna, Abflussperiode 2000 - 2008 . . 147 VII Abkürzungsverzeichnis Symbol A A2 a Ak B B2 dm DT M − AV dx Fr g gb GE GR GS h h/d90 Lx.y nr Einheit [m2 ] [-] [-] [-] [m] [-] [m] [-] [m] [-] [m s−2 ] [kg m−1 s−1 ] [m3 ] [-] [-] [m] [-] [-] [s m−1/3 ] φb ψ q Q qb Qbxf y [-] [-] [m3 [m3 [m3 [m3 s−1 m−1 ] s−1 ] s−1 m−1 ] s−1 ] Qb qc qc,min Qc,min qc,D [m3 [m3 [m3 [m3 [m3 s−1 ] s−1 m−1 ] s−1 m−1 ] s−1 ] s−1 m−1 ] Qc,D qc,1/2 Qc,1/2 [m3 s−1 ] [m3 s−1 m−1 ] [m3 s−1 ] Qg [m3 a−1 ] VIII Beschreibung Abflussquerschnittsfläche Treibhausgas-Emissionsszenario des IPCC empirischer Faktor empirischer Faktor Gerinnebreite Treibhausgas-Emissionsszenario des IPCC massgebende Korngrösse (Korndurchmesser) des Bachmaterials Digitales Terrainmodell der Amtlichen Vermessung DTM - AV charakteristische Korngrösse, für die x % des Materials feiner sind Froude - Zahl Gravitation Geschiebetransportkapazität pro Meter Gerinnebreite gesamte Geschiebefracht Geschiebetransportszenario für Qred unter Annahme von qc,D Geschiebetransportszenario für Q unter Annahme von qc,1/2 Abflusstiefe relative Abflusstiefe Linienzahlanalyse y an Gerinnequerprofil x Manning-Strickler-Koeffizient der Kornrauigkeit des Sohlenmaterials dimensionslose Geschiebetransportrate empirischer Faktor Abfluss pro Einheitsbreite Abfluss; hier: Gesamter Abfluss des Stausees volumetrische Geschiebetransportrate pro Einheitsbreite volumetrische Geschiebetransportrate auf der Gerinnebreite B nach Geschiebetransportgleichung x mit Formkorrekturgleichung y volumetrische Geschiebetransportrate auf der Gerinnebreite B kritischer Abfluss pro Einheitsbreite kritischer Abfluss pro Einheitsbreite (untere Schranke) kritischer Abfluss auf der Gerinnbreite B kritischer Abfluss pro Einheitsbreite (obere Schranke; bei Vorhandensein einer Deckschicht) kritischer Abfluss auf der Gerinnbreite B kritischer Abfluss pro Einheitsbreite kritischer Abfluss auf der Gerinnbreite B (Mittelwert von qc,min und qc,D ) gemessene jährliche Geschiebefracht Abkürzunsgverzeichnis Qred [m3 s−1 ] Qs QSed Rh ρ ρs S s Sred τ τ0 τc θ θc U v vm vc Vre [m3 a−1 ] [m3 a−1 ] [m] [kg m−3 ] [kg m−3 ] [%] [-] [%] [N m−2 ] [N m−2 ] [N m−2 ] [-] [-] [m] [m s−1 ] [m s−1 ] [m s−1 ] [m3 ] hier: Um Frili-, Blüomatt- und Brändjibach reduzierter Abfluss des Stausees gemessene jährliche Schwebstofffracht gemessene jährliche Sedimentfracht hydraulischer Radius Fluiddichte Feststoffdichtedichte Gerinnegefälle Dichteverhältnis Feststoff zu Fluid reduziertes Gerinnegefälle Schubspannung tau Sohlenschubspannung kritische Sohlenschubspannung bei Geschiebebeginn dimensionslose Sohlenschubspannung theta dimensionslose Sohlenschubspannung bei Geschiebebeginn benetzter Umfang Fliessgeschwindigkeit mittlere Fliessgeschwindigkeit kritische Fliessgeschwindigkeit bei Geschiebebeginn effektive Wasserfracht IX 1 Einleitung 1.1 Gesellschaftlicher Hintergrund und Motivation Die bis vor einigen Jahren noch hauptsächlich in Fachkreisen geführte Diskussion um den Klimawandel ist spätestens nach dem neuesten IPCC-Bericht (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC (2007)) zur tagesaktuellen Debatte geworden. Neben den prognostizierten klimatischen Veränderungen rücken zunehmend Fragestellungen über deren Auswirkungen in den Blickpunkt auch des öffentlichen Interesses. Die Debatten werden entsprechend der Ausweitung auf immer mehr Lebensbereiche hitziger und sind mit viel Unsicherheiten und Ängsten verbunden. Waren anfängliche Untersuchungen noch vermehrt ökologischer Natur, hat der bekannte Stern-Report der britischen Regierung (Stern, 2006) wirksam auf die ökonomischen Auswirkungen hingewiesen. Es ist daher dringlich, dass sich auch in den verschiedenen Bereichen der Wirtschaft des Themas angenommen wird, da sich niemand dem globalen Phänomen eines sich ändernden Klimas zu entziehen vermag. Die Energiewasserwirtschaft besitzt als sogenannte grüne Energie, gerade im Kontext des Klimawandels, einen hohen wirtschaftlichen wie auch gesellschaftlichen Stellenwert in der Schweiz. Die Eidgenossenschaft hat mit ihrem Oberliegerstatus (Lage an der Quelle eines Flusses im Gegensatz zu allen nachfolgenden Anliegern) und ihren topographischen Gegebenheiten eine prädestinierte Stellung in der hydraulischen Stromproduktion. In den hohen Gebirgstälern besteht eine Vielzahl von Stauhaltungen; dazu gibt es viele Laufwasserkraftwerke an grösseren1 Flüssen. Die bereits zu beobachtenden und vorausgesagten Veränderungen der globalen Zirkulation sowie daraus resultierende lokale Veränderungen (Zappa et al., 2008) werden einen grossen Einfluss auf die zukünftige Produktion haben. Aus diesem Grund wurde und wird in 1 Diese Arbeit wurde in der Schweiz verfasst. Deshalb ist „ß“ stets als „ss“ geschrieben. 1 1 Einleitung verschiedenen Studien die Wasserverfügbarkeit auch für einzelne Kraftwerke untersucht (z.B. (NWB, 2008; Schaefli et al., 2005a; Schweizer Nationalfonds, 2009)). Ein wichtiger Aspekt bleibt in diesen zum Teil auch betriebswirtschaftlich gekoppelten Studien bisher jedoch noch unberücksichtigt. Der Transport von Sedimenten, welcher einerseits zur Verlandung von Stauhaltungen, andererseits vor allem bei Extremereignissen zu grossen Gefahren und Schäden führen kann, wurde im Zusammenhang mit der Wasserkraftnutzung im Kontext des sich abzeichnenden Klimawandels noch nicht behandelt. In der vorliegenden Arbeit wird dieser Themenkomplex daher zunächst konzeptionell erfasst und dann im Rahmen einer Feldstudie betrachtet. 1.2 Projektstudie Vor dem Hintergrund des globalen Wandels und damit verbunden auch der Änderung des regionalen Klimas läuft seit 2008 die schweizweite interdisziplinäre Projektstudie “Klimaänderung und Wasserkraftnutzung“ im Auftrag von Swisselectric Research und BFE (Bundesamt für Energie). Darin werden zeitlich hochaufgelöste regionale Klimaszenarien für die Perioden 2020 - 2050 und 2070 - 2100 erstellt und die entsprechenden hydrologischen Auswirkungen für 30 - 50 geographisch repräsentative Einzugsgebiete von Wasserkraftanlagen ermittelt. Ergänzend sollen für 3 - 5 Fallbeispiele hydrologische mit wirtschaftlichen Modellen gekoppelt werden, um effektive Auswirkungen auf den Betrieb der Anlagen abzuschätzen (Widrig et al., 2007). In seinem Buch über die Nutzung der Wasserkraft im Wallis geht der Walliser Anwalt Dr. Hans Wyer auf die grosse wirtschaftliche Bedeutung der Wasserkraft für den Gebirgskanton ein. Im Hinblick auf die schon erkennbaren Veränderungen der Abflussregimes appellierte er an den Kanton und dessen Gemeinden als Schirmherren der Wassernutzungsrechte, eine zusätzliche Projektstudie anzuregen, um die „Auswirkungen der Klimaänderung auf unsere Gletscherund Alpenregion auszuloten, Massnahmen zu empfehlen und allenfalls in Auftrag zu geben“ (Wyer, 2008, S.231). Aus diesem Vorstoss ergab sich nun die sektorielle Studie “Wallis, Was- 2 1.2 Projektstudie serkraft, Klimawandel“. Beide Studien werden parallel durchgeführt, wobei die Erkenntnisse der Hauptstudie in die sektorielle Studie einfliessen und angewandt werden (Abb. 1.1). Hauptstudie Sektorielle Studie Modul 1: Klimatologisches Downscaling Modul 2: Hydrometeorologische und betriebliche Grundanalyse (30 – 50 repräsentative Einzugsgebiete) Modul 3: Wallis: Integrale Fallanalysen (3 – 5) Beispiele Zusätzliche Geschiebeanalyse und vertiefte Betrachtung der Gletschernetwicklung Einbinden von Kraftwerksmodellen Synthese Wallis Regional differenzierte Übersicht zu den hydrologischen Folgen der Klimaänderung mit spezifischem Fokus auf die Wasserkraftnutzung Detaillierte hydrologische und betriebliche Aussagen für repräsentative Kraftwerke Synthese Abb. 1.1: Module der Hauptstudie des Projekts “Klimaänderung und Wasserkraftnutzung“ und die “Sektorielle Studie Wallis“ (nach NWB (2008)) Im Besonderen untersucht wird hier zusätzlich der Einfluss des Gletscherschwundes auf den Wasserkreislauf, die damit verbundenen Auswirkungen auf die Geschiebefracht und die daraus folgende Bedeutung für die Stauhaltungen und Wasserkraftanlagen. Die vorliegende Arbeit bezieht sich auf das Geschiebemodul der Walliser Studie. In ihr werden zunächst die vorausgesagten klimatischen Veränderungen und ihre komplexen Auswirkungen auf die Sedimentproduktion und den Sedimenttransport im Bereich hochalpiner Stauhaltungen konzeptionell erfasst. Mit Hilfe dieser Kenntnisse wird daraufhin der Geschiebetransport an einem Fallbeispiel in den Walliser Alpen untersucht. Als Grundlage dafür dienen bereits vorhandene Messungen der Verlandung von Stauseen sowie des Feststofftransportes und morphologische Erhebungen vor Ort. Unter Berücksichtigung des erarbeiteten Konzeptes wird an Hand von Geschiebetransportformeln abschliessend die aktuelle und zukünftige Sedimentlieferung berechnet (Zappa et al., 2008), sowie das potentiell erodierbare Sedimentvolumen bestimmt. 3 1 Einleitung 1.3 Gliederung und Grenzen Die Arbeit gliedert sich in ein theoretisches Konzept und eine Feldstudie. Für den ersten Teil wird zunächst mittels einer Literaturrecherche die Basis des hydrologisch-morphologischen Prozessgefüges gelegt. Anhand aktueller wissenschaftlicher Studien bezüglich des Klimawandels, des Sedimenttransportes und der Sedimentationsproblematik wird darauf aufbauend ein Konzept des massgebenden Prozessgefüges für die Sedimentlieferung in alpine Stauhaltungen entwickelt. Im zweiten Teil der Arbeit wird dieses Konzept auf das Einzugsgebiet einer Wasserfassung im Turtmanntal (Kanton Wallis) angewandt. Dafür wird das hydrologische Einzugsgebiet zunächst hinsichtlich des potentiell verfügbaren Sedimentvolumens und des rezenten Geschiebetransports untersucht. Daraufhin wird anhand zweier Abflussszenarien der zukünftige Geschiebetransport abgeschätzt. Im Zeitrahmen einer Diplomarbeit beschränkte sich die Datenerhebung, Modellierung und Auswertung auf diese beiden Aspekte des Konzepts. Es ist jedoch beabsichtigt, im Zuge der sektoriellen Studie die weiteren Komponenten zu integrieren und auch auf andere Einzugsgebiete anzuwenden. 4 2 Grundlagen Der für die vorliegende Studie zu untersuchende Landschaftsraum umfasst die alpinen und nivalen Einzugsgebiete (über 2000 m) von Walliser Stauhaltungen. In diesem Kapitel werden zunächst die morphologischen und hydrologischen Grundlagen und wirksamen Prozesse im alpinen Bereich besprochen, anschliessend auf die Problematik der Sedimentlieferung in Stauhaltungen sowie auf den prognostizierten Klimawandel und seine entsprechenden Auswirkungen eingegangen. Darauf aufbauend wird im folgenden Kapitel ein konzeptionelles Modell zur Abschätzung zukünftigen Entwicklung des Sedimenteintrags erstellt. 2.1 Hydrologisch-morphodynamische Prozesse In alpinen Regionen tritt eine grosse Zahl hydrologisch-morphologischer Prozesse auf, welche zur Ausprägung eines reichhaltigen morphologischen Formenschatzes (Oberflächenformen) führen. Man unterscheidet nach dem Auftreten von Eismassen zwischen Glazialraum und Periglazialraum (periglazial = das Eis umgebend), die durch charakteristische Erosionsformen geprägt sind. Vegetation in Form von alpinem Rasen, Flechten und Stauden tritt in den betrachteten Regionen nur im untersten Bereich auf und dünnt mit der Höhe schnell aus, ist also für die nachfolgenden Betrachtungen nicht von Relevanz. Dementsprechend beschränkt sich die Beschreibung der alpinen Hochlagen auf die Geomorphologie und Hydrologie. 2.1.1 Glazial- und Periglazialgebiete Glazialgebiete Gletscher sind mehrjährige Eismassen aus festem Niederschlag, welche sich entsprechend der Morphologie des Untergrundes und ihrer Duktilität (plastische Verformbarkeit) hangabwärts bewegen. Sie sind markante, landschaftsprägende Elemente und verfügen über ein Nährge- 5 2 Grundlagen biet (Akkumulationsgebiet), in dem der Gletscheraufbau überwiegt und über ein Zehrgebiet (Ablationsgebiet), in dem durch Abschmelzen und Sublimation eine negative Massenbilanz vorherrschen kann (dann zieht sich der Gletscher zurück). Getrennt werden diese beiden Gebiete durch die Gleichgewichtslinie, an der sich Gletscheraufbau und -abschmelzen die Waage halten (Abb. 2.1), und welche meist auch mit der Schneegrenze, bzw. 0 ◦ C - Grenze zusammenfällt (Ahnert, 2003; OcCC, 2007). Abb. 2.1: Querschnitt durch einen temperierten Gletscher1 (verändert nach Easterbrook (1999)) Durch die schürfende Wirkung der Gletscher (Kapitel 2.1.2) werden Oberflächen abgeschliffen (Gletscherschrammen) und Erhebungen rundgeschliffen (Rundhöcker). Ganze Täler werden U-förmig ausgeräumt (Trogtäler). Das dabei erodierte Material wird auf, unter und vor dem Gletscher mittransportiert, dabei als „Erosionswerkzeug“ eingesetzt und weiter zerkleinert. Es lagert sich entsprechend als Seiten-, Grund- und Endmoräne ab, ist kantig und äusserst heterogen aufgebaut. Grosse schroffe Blöcke kommen dabei neben feinem Gletscherabrieb zum Liegen. Die schematische Zeichnung in Abbildung 2.2 zeigt einen Gletscher in seiner talformenden Ausprägung mit den verschiedenen Moränenarten und seinem durch fluktuierende Vorstoss- und Rückzugsphasen geprägtes Vorfeld aus glazialem Schutt. 1 6 Die Gletschertemperatur liegt nahe 0 ◦ C; der Gletscher ist nicht am Gletscherbett angefroren 2.1 Hydrologisch-morphodynamische Prozesse Abb. 2.2: Moränen in und um einen Gletscher. Erkennbar sind zwei Lagen glazialer Schuttmassen im Gletschervorfeld (Grundmoränen 2, 3), welche von ausgeschwemmtem feinerem Material überlagert werden (1), daneben mehrere Arten des Transportes und der Ablagerung des erodierten Gesteins in Form von Grund-, Mittel-, Ober- und Seitenmoräne (9, 10, 11, 12) (Leser, 1997) Periglazialgebiete Der sich an Gletscherflächen anschliessende Periglazialraum (Schuttmassen und wenig bedeckte Gesteinsflächen) ist geprägt durch Frost und Bodeneis. Herrschen im Untergrund während mindestens zwei Wintern und einem dazwischenliegenden Sommer Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, ist die Bodenfeuchte kontinuierlich gefroren; man spricht von Permafrost (Hinzman et al., 2005). In alpinen Gebieten kommt dieser inselhaft vor, wird mehrere Deka- 7 2 Grundlagen meter bis 100 m stark und sporadischer Permafrost genannt. Im Gegensatz dazu steht der flächige, bis mehrere hundert Meter tief reichende kontinuierliche Permafrost in arktischen Gebieten. Durch den stabilisierenden Einfluss des Permafrosts werden in periglazialen Regionen grosse Volumen an Lockermaterial (Regolith) festgehalten. Auf Grund der verstärkten Energiezufuhr durch Sonneneinstrahlung kommt es allerdings im Sommer an der Oberfläche jährlich zur Bildung einer dünnen, wasserübersättigten Auftauschicht von 30 cm bis 2 m (Haeberli et al., 1997; Zepp, 2008). Jedoch erreichen die Temperaturen über 3000 m Höhe selten 0 ◦C und begrenzen somit diesen Vorgang (Schiermeier, 2003). Das periodische Tauen und Gefrieren der Oberfläche bewirkt eine Reihe frostdynamischer Denudationsprozesse in den eisverbackenen Schuttmassen (Kapitel 2.1.2), welche die Entstehung charakteristischer Frostmusterstrukturen bedingen (Semmel, 1985; Zepp, 2008). Eine besondere Form stellen dabei die sogenannten Blockgletscher dar, hangabwärts kriechende zungenförmige Gebilde aus grobem Hangschutt oder Endmoränenmaterial (Barsch, 1996; Semmel, 1985). Die Bezeichnung Blockgletscher ist insofern irreführend, als dass es sich hier zumeist mengenmäßig nicht um Eis, sondern um eisübersättigtes, unkonsolidiertes Material handelt. Allerdings ist dieses durch Eis verbunden und neigt auf Grund dessen Plastizität zu einer gletscherähnlichen Fliessbewegung. In den alpinen Bereichen der mittleren Breiten erreichen Blockgletscher eine Mächtigkeit von mehreren Dekametern (Rasemann, 2003). Entsprechend seiner hangabwärts gerichteten Bewegung wird zwischen intakten (aktiven und inaktiven) und reliktischen Blockgletschern unterschieden. Aktive bewegen sich mit einer Geschwindigkeit von 0,1 - 1 km pro Jahr hangabwärts und sind damit um eine Grössenordnung langsamer als Gletscher. Inaktive Blockgletscher sind noch in ihrer Vollform aus Schutt und Eis wahrnehmbar, bewegen sich aber nicht mehr, da sie entweder zu weit von ihrem Nährgebiet entfernt sind oder eine zu geringe Hangneigung vorliegt (Barsch, 1996). Die Untergrenze aktiver Blockgletscher kann somit als Anhaltspunkt für die Permafrostverbreitung dienen. Befindet sich ein Blockgletscher in einem Bereich, in dem er sich unter gegenwärtigen klimatischen Bedingungen nicht formen würde, so schmilzt das vorhandene Eis aus und die Vollform fällt in sich zusammen. Es liegt ein reliktischer Blockgletscher vor (Barsch, 1996). 8 2.1 Hydrologisch-morphodynamische Prozesse 2.1.2 Denudative und erosive Prozesse Die beschriebenen morphologischen Formen sind eng mit fluvialen Prozessen verknüpft. Diese wirken sowohl flächenhaft (Denudation) als auch linienhaft (Erosion) (Ahnert, 2003) und sind einer starken Saisonalität unterworfen (siehe Kapitel 2.1.3). Denudationsprozesse Flächenhafter Abtrag (Denudation) lässt sich nach Transportprozessen unterteilen (Tab. 2.1). Das Medium Wasser in seiner flüssigen wie festen Ausprägung ist in den höheren Lagen des Alpenraumes dominant verantwortlich für eine Vielzahl von Abtragungsvorgängen, welche im Folgenden kurz angesprochen werden. Das transportierte Material entstammt auf Grund der klimatischen Verhältnisse physikalischen Verwitterungsprozessen2 , namentlich der Frostverwitterung oder Frostsprengung, der Druckentlastung und der Aufschlagfraktionierung bei Steinschlag (Fenn, 1987). Durch die Volumenzunahme des gefrierenden Wassers erfolgt die Fraktionierung (Zerkleinerung) des Gesteins entlang von vorhandenen Öffnungen, wie Klüften. Die Gelifluktionstätigkeit (periglaziales Bodenfliessen) bewirkt weiterhin eine Zerrüttung des anstehenden Gesteines und trägt damit massgeblich zu dessen Verwitterung und Verlagerung bei (Semmel, 1985). Es entsteht schroffer Schutt welcher auch für die Glazialerosion verantwortlich ist, da er dort als “Schleifmittel“ oder “Erosionswerkzeug“ wirkt. Schwerkraftbedingte Massenbewegungen von Festgestein und Lockermaterial (Regolith) wie Stürze und Rutschungen verschiedener Grössenordnungen sind abhängig von der Hangneigung und treten beim Überschreiten ortsspezifischer Stabilitätsgrenzwerte auf. Dies erfolgt entlang von Abrissflächen, welche häufig durch in vorhandene Schwächezonen infiltrierendes Wasser entstehen. Zwischen Sturz- und Rutschungsprozessen herrschen fliessende Übergänge, wobei sich Stürze auf freie Felswände konzentrieren und rasch erfolgen, Rutschungsprozesse dagegen auf weniger geneigten, bodenbedeckten Hängen auftreten und auch grössere zeitliche Ausdehnungen aufweisen können (Ahnert, 2003). 2 Chemische Verwitterung, als die chemische Veränderung und Zersetzung des Gesteins, ist abhängig von höheren Temperaturen, dem Auftreten von flüssigem Wasser und Vegetation. Entsprechende Prozesse sind daher in hochalpinen Regionen zu vernachlässigen, hier dominiert die physikalische Verwitterung. 9 2 Grundlagen ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Denudationsprozesse ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Gravitative Massenbewegungen von Fels und Schutt - Sturzdenudation - Blockabstürze - Felsstürze - Bergstürze - Blockrutschungen - Hangrutschungen - Bergrutschungen - Schuttrutschungen in Grobmaterial Regolithbewegung, meist unter Mitwirkung von Porenwasser, Eis oder Schnee - Hangmuren - Abtragung durch Lawinen (Grundlawinen) - Erdfließen (Solifluktion) - Kriechdenudation Regolithbewegung mit maßgeblicher Frostwirkung, meist unter Permafrosteinfluss - Kryoturbation (eisbedingte Umlagerung) - Gelifluktion - Blockgletscher - Blockströme Abfuhr von gelösten Stoffen im Boden- und Grundwasser - Lösung - Hydrolyse Abtragung und Transport durch auftreffenden Regen und unkonzentrierten Abfluss - Splash - Effekt - Spüldenudation Abtragung und Transport durch den Wind - Deflation (Abwehung) - Abrasion (Windschliff) ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Erosionsprozesse ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Abtragung und Transport durch Gletschereis - Detersion (Gletscherschliff) - Detraktion (Herausreissen) - Exaration (Ausschürfung) Abtragung und Transport durch konzentrierten Abfluss - Gerinneerosion (Auswaschung, Auskolkung, Abschleifung = Abrasion) - Unterschneidungen - Murgänge, Lahare (vulkanische Muren) Tab. 2.1: Typen von Denudations- und Erosionsprozessen, welche zu einer Sedimentmobilisierung führen. Gliederung nach der Art des am Transport beteiligten Mediums. Im alpinen Raum wirksame Prozesse sind blau hervorgehoben (verändert nach Ahnert (2003) und Fenn (1987)) 10 2.1 Hydrologisch-morphodynamische Prozesse Frühjährliche Grundlawinen aus schwerem Nassschnee reissen Boden und Schutt mit und transportieren diesen zu Tal. Bei starker Wassersättigung bilden sich Hangrutschungen, welche bei weiterer Verlagerung als Hangmuren, im Gewässerbett dann als Murgänge bezeichnet werden (mündliche Mitteilung von Dr. Christian Rickli). Murgänge (debris flows) weisen eine enorm denudative und erosive Wirkung auf und entstehen bei zunehmendem Porenwasserdruck (Ahnert, 2003) in Regolith oder durch stark ansteigenden Abfluss in Gerinnen mit losem Gesteinsmaterial (Rickenmann, 2001b). Sie werden meist durch langanhaltende oder intensive Regenfälle, Felsstürze, starke Tauphasen oder Ausbrüche von temporären Gletscherseen ausgelöst (Bezzola, 2005; Jakob and Lambert, 2009), bewegen sich mit hohen Geschwindigkeiten und können als Übergang zwischen denudativen und erosiven Prozessen gesehen werden, da sie sowohl flächig (als Hangmuren), linear (Murgänge) wie auch in Kombination auftreten. Im Zusammenhang mit flüssigem oder gefrorenem Wasser treten Prozesse wie die in Kapitel 2.1.1 erwähnte langsame Gelifluktion, aber auch schnellere Vorgänge wie die Lawinenaktivität auf. Die vegetationsfreien Auftauschichten unterliegen der Gravitation (Erdbeschleunigung) und bedingen einerseits durch Sortierungsprozesse (Entmischung) die Ausbildung diverser morphologischer Strukturen, andererseits aber auch Massenbewegungen (allgemein Solifluktion, periglazialbedingt = Gelifluktion). Daraus gehen grossflächige Denudationsstrukturen wie Solifluktionsloben, Hangschuttdecken und Blockgletscher oder geringmächtigere, sortiertere Blockströme (Semmel, 1985) hervor, welche grossflächig Schuttmaterial hangabwärts transportieren. Auftreffende (Stark-)Regentropfen bewirken durch ihre kinetische Energie eine Verlagerung feinerer Korngrössen aus dem bestehendem Verbund, den sogenannten Splash-Effekt. Mittels Spüldenudation verursacht der Oberflächenabfluss durch Abtragung und Umlagerung des Regolithmaterials einen sehr grossen Anteil an der Gesamtdenudationsrate und zeigt mit einer Zunahme der Flächenspühlung mit dem Einsetzen von Runsenbildung, Rillenerosion und letztendlich stärkerer Eintiefung (gully erosion) (Ahnert, 2003; Bechteler, 2006) den Übergang zur linienhaften Abtragung. Erosionsprozesse Auch erosive Prozesse lassen sich entsprechend des Transportmechanismusses klassifizieren (Tab. 2.1). Das Fliessen der Gletscher bewirkt glaziale Erosion; auf Grund des sich bewegenden 11 2 Grundlagen Gletschereises verursacht in Moränen mitgeführtes, teils angefrorenes Geröll den bekannten Gletscherschliff (Detersion). An der Fliesrichtung abgewandten Seiten (Leeseiten) kann das Gletschereis anfrieren und Gestein herausreisen (Detraktion), im Bereich der Gletscherstirn kommt es durch die hier austretenden Fliesslinien (siehe Abb. 2.1) zu einer Ausräumung des Lockergesteinsuntergrundes (Exaration) (Zepp, 2008). Auch Blockgletscher und Murgänge können auf Grund ihrer teilweise linienhaften Wirkung auf den Untergrund als erosiv bezeichnet werden. Blockgletscher Gletscher Endmoräne Sackung Hangschutt Blockabsturz Spülerosion Murgangablagerung Seitenmoräne Spüldenudation Murgang Grundlawinen Solifluktion Bergsturz Gerinnesedimente Rutschung Hangmurenablagerung Murgang Gerinneerosion Abb. 2.3: Modell einer Paraglaziallandschaft. Dargestellt sind verschiedene Sedimentspeicher (rot markiert) und denudative sowie erosive Transferprozesse (blau markiert), welche in einem glazial geprägten Einzugsgebiet wirksam sind (verändert nach Benn and Evans (1998)) Schmelzvorgänge führen schon in höherliegenden Bereichen des Gletschers zur Ausbildung von Bächen, welche entsprechend ihres Fliessweges als supra-, en- und subglazial (auf, innerhalb und unterhalb des Gletschers) einzuordnen sind. Aus der kinetischen Energie (Bewegungsenergie) des fliessenden Wassers resultieren Auswaschungen und Unterschneidungen unkonsolidierten Materials. Durch mitgeführtes Sediment kommt es zu korrasiver Erosion (Abschleifung der Sohle) und Ausbildung von Kolken (Fenn, 1987). Die Dynamik eines proglaziären3 Gewässers 3 vor dem Gletschereis befindlich 12 2.1 Hydrologisch-morphodynamische Prozesse ist von diesen Prozessen und einer hohen Sedimentlieferung geprägt, was sich in der variablen Bettform, ständigen Umlagerungen und starker Verzweigung äussert (braided streams). Abbildung 2.3 zeigt eine Paraglaziallandschaft4 , in welcher verschiedene in Tabelle 2.1 genannte Sedimenttransferprozesse farblich hervorgehoben sind. Weiterhin dargestellt sind Bereiche, in denen Sedimente zwischengelagert werden (Speicher), um zu späteren Zeitpunkten weiterverfrachtet zu werden. Die markantesten Speicher in den betrachteten Gebieten sind Moränen, daneben finden sich grosse Sedimentmengen im Hangschutt und in Blockgletschern. Durch verschiedene Denudations- und Erosionsprozesse verlagert (Tab. 2.1) treten weiterhin Murgangablagerungen, Sturzmassen und Gerinnesedimente auf. Erosionsraten Die Bestimmung von Erosionsraten ist weltweit betrachtet, wie auch auf kleinräumiger Skala, mit grossen Unsicherheiten behaftet und weit gestreut (Abb. 2.4). Sie ist unter anderem abhängig von Geologie, Klima und Vegetation des entsprechenden Einzugsgebietes. Aus diesen Gründen sind Aussagen über längere Zeiträume schwierig und aktuelle Raten nicht ohne weiteres extrapolierbar. In den Schweizer Alpen mit kleinen temperierten Gletschern findet man heute glazialbedingte Abtragungsraten von 1 - 2 mm a−1 , in anderen Gebieten aber Schwankungen zwischen 0,01 und 100 mm a−1 , letztere in den stark vergletscherten Gebieten von Alaska. Der übliche Wert liegt bei 10 mm a−1 (Bezinge, 1987; Hallet et al., 1996), das entspricht in etwa 30 t km−2 a−1 bei einer angenommenen Festgesteinsdichte von 2,7 t m−3 . In einer Studie über die Oberflächenerosion in alpinen Einzugsgebieten der Schweiz weisen Beyer and Schleiss (2000) dagegen auf Erosionsraten von 44 - 2’048 m3 km−2 a−1 hin, was nach diesem Ansatz 132 - 6’144 t km2 a−1 entspricht. Hinderer (2001) gibt die rezente Denudationsrate der Alpen mit durchschnittlich 125 mm in 1’000 Jahren an. Einzugsgebiete mit einer Gletscherbedeckung größer als 30 % können gegenüber gletscherfreien Gebieten sehr hohe Erosionsraten aufweisen, was die schnelle Denudations- und Erosionsfunktion der Gletscher hervorhebt (Hallet et al., 1996). Allerdings ist hier von einer beschränkenden Wirkung des Permafrosts auszugehen, welcher durch die Stabilisierung von Schuttmassen 4 Gebiet, aus welchem sich die Vergletscherung zurückgezogen hat 13 2 Grundlagen Abb. 2.4: Vergleich weltweiter Festgesteinserosionsraten von Gletschereinzugsgebieten. Südost-Alaska (Kreise), Schweizer Alpen (kleine Quadrate), Norwegen/Svalbard (Dreiecke) und andere Gegenden inklusive Neuseeland, Asien und Island (grosse Quadrate) (Hallet et al., 1996) eher kleine, oberflächige Abflüsse bedingt und weniger konzentriertes Einschneiden ermöglicht (Hinzman et al., 2005). Mit der Grösse des Einzugsgebietes nehmen die Erosions- und Sedimenttransportraten allgemein zu, wie in den mehrere hunderte bis tausende Quadratkilometer grossen Gletschergebieten Südost-Alaskas gezeigt werden konnte. Dies kann mit der ebenso zunehmenden Gletschergrösse und damit verstärkten Erosionsfähigkeit, sowie höheren Niederschlagsraten erklärt werden (Hallet et al., 1996; Cornwell et al., 2003). Bei der Untersuchung alpiner Stauhaltungen in der Schweiz fand Beyer Portner (1998) jedoch keine Korrelation zwischen Einzugsgebietsgrösse und Sedimentlieferung. Haeberli (2008b) sieht kleine Gletscher als Geschiebelieferanten, grosse dagegen eher als Zwischenspeicher. Derartige Aussagen sind jedoch vor dem Hintergrund des beschränkten Wissens über den Übergang von glazialen zu interglazialen Zyklen zu sehen und demnach abhängig von geomorphologischen und stratigraphischen (schichtenkundlichen) Hinweisen, welche zuweilen fragwürdig sind (Harbor and Warburton, 1993). 2.1.3 Abfluss und Abflussregimes Um die Abflusscharakteristiken verschiedener Einzugsgebiete vergleichen zu können, untersucht man deren Jahresgänge und teilt sie in sogenannte Regimes ein. Ein Abflussregime spie- 14 2.1 Hydrologisch-morphodynamische Prozesse gelt das Gesamtverhalten eines Fliesgewässers wider und kann über den Abflusskoeffizienten nach Pardé PKi definiert werden (Aschwanden and Weingartner, 1985): PKi = M Qi (M onat) M Q(Jahr) (2.1) i = 1,2,...,12 (Monate) Dabei erhält man durch Division langjähriger mittlerer Monatsabflüsse M Qi durch langjährige mittlere Jahresabflüsse M Q eine Normierung der Abflussganglinie (Zepp, 2008). Schweizer Gewässer weisen dabei einen monatlichen Pardé-Koeffizienten zwischen etwa 0,02 und 3,4 auf. Auf Grund der dominierenden abflussbildenden Prozesse beobachteter Abflussmaxima werden die so erhaltenen Koeffizienten-Ganglinien zu Regimetypen zusammengefasst (Spreafico and Weingartner, 2005). In schweizer Gewässern finden sich insgesamt 16 Abfussregimetypen (Abb. 2.5), welche in eingipflige und mehrgipflige zu unterscheiden sind. Eingipflige Regimes werden hauptsächlich von einem einzigen Prozess geprägt, wie durch die Hauptniederschlagszeit beim pluvialen (regengeprägten) Regime, die Schneeschmelze beim nivalen (schneegeprägten) Regime und die Gletscherschmelze beim glazialen (gletschergeprägten) Regime. Flüsse mit grösseren Einzugsgebieten weisen typischerweise auf Grund von Überlagerungen hydrologischer Prozesse mehrgipflige Regimes auf, beispielsweise das nivo-pluviale Regime (schnee- und niederschlagsgeprägt). Diese Abflusstypen werden daher komplexe Regimes genannt (Spreafico and Weingartner, 2005; Zepp, 2008). Unter 1550m treten allgemein mehrgipflige Regimes auf, wobei ein Fluss sein Regime zwischen Quelle und Mündung mehrmals wechseln kann (Spreafico and Weingartner, 2005). Auf der Alpennordseite weisen Höhenlagen über 1550m dagegen nur eingipflige Abflussregimes auf (Spreafico, 2001), welche von der Akkumulation und Schmelze des Schnees oder Gletschereises geprägt sind. In den Regimes alpiner Einzugsgebiete treten die entscheidenden Abflussereignisse zwischen Mai und September auf (70 - 90 % des Jahresabflusses). Eine Ordnung dieser Monate nach der Grösse ihrer zugehörigen Abflusskoeffizienten führt zur weiteren Unterteilung 15 2 Grundlagen Abb. 2.5: Natürliche Schweizer Abflussregimes. Unterteilung nach Höhenlage in nordalpine, eingipflige Regimes (mittlere Einzugsgebietshöhe > 1550 m, alpine Regimes), mittelländisch-jurasische Regimes (mittlere Einzugsgebietshöhe < 1550 m, nordalpine mehrgipflige Regimes) und südalpine Regimes (hier ist keine Unterscheidung nach Einzugsgebietshöhe geeignet, ein- und mehrgipflige Regimes). Farbliche Markierungen für die Darstellung (siehe Abb. C.1) (verändert nach Spreafico (2001)) in glaziär (Ordnung Juli-August-Juni-September) bis nival alpin (Mai-Juni-Juli-August). Mit Hilfe einer Varianzanalyse können diese Regimetypen an Hand von Mittelwertsunterschieden (Amplitudenunterschieden) zwischen benachbarten Monatskoeffizienten weiter in Untertypen (jeweils a und b) untergliedert werden, womit sämtliche alpinen Abflusscharakteristiken beschrieben werden können (Aschwanden and Weingartner, 1985)5 . Glazial geprägte Regimes können zu Zeiten der Schnee- und Eisschmelze im Vergleich zum Jahresabfluss enorme Abflussraten aufweisen (Zepp, 2008), welche aber meist nur ca. zwei Wochen andauern (Semmel, 1985). Durch grosse Variationen des Schmelzwasserangebotes, verbunden mit Niederschlagsschwankungen, Auslässen von Wassertaschen und anderen suboder englazialen Wasserspeichern schwanken die Abflüsse proglazialer Gewässer über mehrere Grössenordnungen und Zeitskalen. Neben Variationen über lange Zeitperioden bestehen Jahrescharakteristiken (siehe Regimes). Das Abflussminimum befindet sich im Winter, im Frühling steigt der Abfluss mit zunehmender Schneeschmelze zunächst auf Grund eines ineffektiven hydraulischen Systems an. Nach dem Tauen der Schneelagen auf dem Gletschereis 5 Auf eine nähere Erläuterung der mittelländisch-jurassischen und südalpinen Regimes wird hier verzichtet, da sich die vorliegende Studie auf den Kanton Wallis bezieht, welcher nur alpine Regimes aufweist. 16 2.1 Hydrologisch-morphodynamische Prozesse erfolgt die Eisschmelze, verbunden mit dem Ausbilden eines effektiven hydraulischen Abflusssystems (supra-, en- und subglaziale Schmelzkanäle) und damit verstärkten Abflüssen bis zum Maximum im Sommer (Benn and Evans, 1998; Swift et al., 2005). Während der Auftauperiode der obersten Bodenschicht nicht gletscherbedeckter Flächen (active layer) verhindert der darunter liegende Permafrost eine Tiefenversickerung (Zepp, 2008); somit kommt es dort zusätzlich nur zu oberflächlichem, schnellem Abfluss. Hauptsächlich gletschergespeiste Flüsse zeigen ihren Höchstabfluss im späten Juli, je höhergelegen, desto später und mit grösserer Jahresamplitude (Horton et al., 2005). Mit zunehmendem Einfluss der Schneeschmelze bei tieferliegenden, weniger vergletscherten Gebieten verschiebt sich die Abflussspitze bis in den frühen April (McGregor et al., 1995). Erwartungsgemäss findet sich das entsprechende Muster schon im Tagesgang (Hydro- Abb. 2.6: Tägliche Abflussganglinien eines Gletscherbaches. Gornergletscher, Wallis; Schmelzperi- graph), ausgedrückt durch Variationen im ode 1959. Sichtbar ist die progressive Zunahme des Basisabfluss und der Tagesamplitude (Abb. Basisabflusses und der Tagesamplitude: (a) 17-20 2.6). Der Basisabfluss entstammt verschiede- Mai, (b) 14-17 Juni, (c) 23-26 Juni, (d) 19-22 Juli nen Quellen, wie subglazialem Schmelzwas- (reproduziert in Benn and Evans (1998)) ser, glazialen Speicherwässern und Grundwasser; die aufgeprägte Amplitude wird durch den täglichen Temperaturzyklus bestimmt (Benn and Evans, 1998). Kurve (b) in Abbildung 2.6 zeigt möglicherweise den steigenden Abfluss zu Beginn der einsetzenden Schneeschmelze. Der Einfluss des solaren Antriebs auf die Abflusscharakteristiken im oberen Rhoneeinzugsgebiet zeigte dabei in einer Studie über 60 Jahre in Einzugsgebieten mit mehr als 50 % Vergletscherung eine signifikante Korrelation zwischen der Sommertemperatur (Mai bis September) 17 2 Grundlagen und dem jährlichen Abfluss, wobei sich diese mit zunehmender Eisbedeckung noch verstärkte (Collins, 1987). Somit widerspiegelt das Abflussverhalten, letztlich angetrieben durch den Gang der Sonneneinstrahlung, deutlich die Charakteristik des herrschenden Klimas. 2.1.4 Sedimenttransport Transporteigenschaften Jeweils abhängig von der örtlichen Gerinneneigung, dem Abflussvolumen, der Rauhigkeit des Gewässerbettes und der Form und Grösse des zu transportierenden Materials sind Fliesgewässer in der Lage, Feststoffe mit sich zu führen. Als Feststoffe bezeichnet werden sämtliche im Fliessgewässer in fester Form transportierten Stoffe. Ist ihre Dichte im Verhältnis zu derjenigen von Wasser kleiner als 1, so werden sie als Schwimmstoffe klassifiziert, welche nur schwer quantitativ erfassbar sind. Lagern sich Feststoffe in ruhigem Wasser ab, ist ihre Dichte also grösser, so spricht man von Sedimenten (Bezzola, 2005). Es wird entsprechend der Transportart zwischen drei Sedimentverlagerungsformen unterschieden (Abb. 2.7): • Lösungstransport (dissolved load): Verlagerung von im Wasser gelösten Substanzen in gasförmiger oder flüssiger Form als homogenes Gemisch. Dieser Anteil ist für die Morphodynamik eines Gewässers und die Sedimentationsproblematik unbedeutend6 und wird deshalb hier nicht weiter berücksichtigt. • Schwebstofftransport (suspended load): Verlagerung von Material in einem Gerinne ohne Kontakt zur Gerinnesohle, wobei die Partikel hauptsächlich durch Turbulenzen in der Schwebe gehalten werden. Diese Art des Sedimenttransportes ist die kontinuierlichste in proglaziären Gewässern und besteht hauptsächlich aus der Schluff- und Tonfraktion (Schluff 0,002 - 0,063 mm, Ton < 0,002 mm). Bei höheren Fliessgeschwindigkeiten wird auch Sand (Korngrösse 0,063 - 2 mm) als Schwebstoff mitgeführt. Die Bewegung erfolgt meist annähernd mit der Fliessgeschwindigkeit des Gewässers. • Geschiebetransport (bed load): Verlagerung von Material an der Gerinnesohle durch gleitende, rollende und springende Bewegungen (Saltation). Durch diesen Prozess werden grosse Sedimentmengen bewegt. Transport von Sand, Kies und Blöcken mit geringerer Geschwindigkeit als jener der Strömung. 6 In Gebieten mit starker Lösungsverwitterung (Karst) kann die Lösungsfracht jedoch auch eine bedeutende Komponente sein; siehe etwa Alvera and Garcia-Ruiz (2000). 18 2.1 Hydrologisch-morphodynamische Prozesse Feststoffquelle Chem. Prozess Erosion Lösungsfracht Eingetragenes Material Bettmaterial Spülfracht (wash load) (bed material load) (dissolved load) Gravitation Schwebstofffracht Geschiebefracht (suspended load) (bed load) Gesamte Feststofffracht (total load) Abb. 2.7: Formen der Materialverlagerung in einem Gewässer (verändert nach Bechteler (2006)) Die Herkunft der transportierten Sedimente ist verschiedenen Prozessen zuzuordnen (Kapitel 2.1.2). Material wird durch denudative und erosive fluviale Prozesse ins Gewässer eingetragen (Spülfracht) oder aus dem Bettmaterial entnommen. Einen besonderen Fall des Sedimenttransportes stellen dabei die angesprochenen Murgänge dar. Die genaue Lage und Abgrenzung der pulsartigen, breiigen Sediment-Wasser-Gemische mit hoher Feststoffkonzentration (Hegg, 1997) zwischen gravitativen und fluvialen Prozessen und somit auch eine spezifische Definition ist wissenschaftlich noch nicht ausreichend verstanden und gefestigt (Abb. 2.8). Eine wichtige Abgrenzung zum Sedimenttransport ist, dass sich in Murgängen Sedimente und Wasser gleichschnell bewegen; beim fluvialen Transport dagegen bewegen sich die Feststoffe langsamer, was im Besonderen auf die Geschiebekomponente zutrifft (siehe oben). Der Transport von Sedimenten kommt in Gewässern vor, sobald eine minimale Wasserbewegung vorhanden ist. Eine Korngrösse kann dabei entsprechend ihres Gewichtes mit steigender 19 2 Grundlagen Abb. 2.8: Einordnung von Murgängen im Transportbereich zwischen Grobmaterial, Feinmaterial und Wasser. Angegeben sind auch die Transportarten (Rickenmann, 2001b) Fliessgeschwindigkeit zunächst als Geschiebe und dann als Schwebstoff transportiert werden. Die oft starke Grünfärbung proglazialer Flüsse beruht auf dem suspendierten Transport von feinem schluffigem Gletscherabrieb, genannt Gletschermilch. Die Korngrössenverteilung proglazialer Flüsse ist eine breite Mischung aus der Kies- und Sandfraktion; sie werden als Kiesbettflüsse (gravel-bed streams) bezeichnet, da ihre mittlere Korngrösse sich in der Kiesfraktion befindet (García, 2008). Betrachtet man die zeitliche Verteilung der Feststofffracht eines Gewässers, so zeigt sich, dass ein Grossteil der Sedimentmengen bei seltenen grossen Abflüssen transportiert wird (Bezzola, 2005). Bei alpinen Flüssen entsprechen diese den schon erwähnten Schmelzwasserabflüssen und Extremabflüssen infolge warmer Niederschläge auf feuchte Altschneelagen (McGregor et al., 1995). Die Schwebstoffkonzentrationen proglazialer Flüsse zeigen stark schwankende, schwallartige Muster und gipfeln meist schon vor einem eigentlichen Höchstabfluss, dagegen sind sie im fallenden Bereich des Abflussganges dann geringer als im vergleichbaren steigenden (Gurnell, 1982). Bei hohen Schmelzwasserabflüssen verbunden mit einem grossen, unkonsolidierten Sedimentangebot kann die Sedimentkonzentration stark ansteigen. Liegt der Anteil an feinem Material sehr hoch, spricht man von einen hyperkonzentrierten Abfluss (hyperconcentrated flow), welcher zwischen normalem Abfluss mit Geschiebetransport und einem Murgang oder auch im Bereich hinter einer Murgangfront anzusiedeln ist (Benn and Evans, 1998; Rickenmann, 2001a). Auf Grund starker Turbulenzen, sich ändernder Geschwindigkeitsverhältnisse 20 2.1 Hydrologisch-morphodynamische Prozesse und variablem Sedimentangebot ist es deshalb oft problematisch beziehungsweise nicht immer sinnvoll in Wildbächen eine Unterscheidung von Schwebstoff- und Geschiebetransport vorzunehmen (Hegg, 1997). Sedimenttransportraten Globale Transportraten der Suspensionsfracht (Schwebstofffracht) werden aktuell mit 15 - 20 Gt a−1 angegeben (Walling, 2006). Geschiebefrachtangaben sind dagegen in weitaus geringerem Masse verfügbar (Gomez and Church, 1989) und oft ungenau. Ein weiteres grundlegendes Problem bei der Bestimmung von sogenannten „sediment budgets“, also der quantitativen Erfassung des Sedimenttransportes in einem Einzugsgebiet (siehe z.B. Warburton (1990a) und Warburton (2007)) ist die Koppelung zwischen Erosionsraten und der Sedimentlieferung an der Einzugsgebietsgrenze, welche starken zeitlichen und räumlichen Schwankungen unterliegt (Walling, 1983). Im Vergleich zeigen grosse Flüsse einen anteilsmässig geringeren Geschiebetransport als kleinere, Sandbettflüsse grössere Transportraten als Kiesbettflüsse (Turowski et al., eingereicht). Sedimentlieferungen aus vergletscherten Einzugsgebieten (mit mehr als 30 % Gletscherbedeckung) liegen meist eine Grössenordnung höher als jene vergleichbarer, nichtvergletscherter Gebiete (Tranter, 2005). Der Tagesgang der Suspensionsfracht, wie auch des Geschiebetransportes ist hier starken Schwankungen unterworfen (20 - 80 %) (Lawson, 1993). Die Sedimentfrachten der Gletscherbäche sind dabei massgeblich durch die Geologie des Gletscherbetts (weich oder hart), die Grösse, Orientierung und Geometrie des Gletschers, seiner Aktivität, sowie vom Abfluss und der saisonalen Ausbildung des Entwässerungssystems (ineffektiv oder effektiv) bestimmt (McGregor et al., 1995). Da die Messung des Geschiebetransportes mit viel höherem Aufwand verbunden ist, als jene des Schwebstofftransportes (siehe auch Kapitel 2.1.5), wird oft nur letzterer erfasst und mit Hilfe von Annahmen auf den ersten geschlossen. Eine Übersicht über die Aufteilung zwischen Schwebstoff- und Geschiebefracht in verschiedenen Flüssen der Welt bieten Turowski et al. (eingereicht). Sie zeigen, dass mit Zunahme der Einzugsgebietsgrösse meist auch der Anteil der ersteren an der Gesamtfracht steigt. Für Untersuchungen am Pitzbach, einem Gebirgsfluss in Österreich, schwanken die Anteile der Schwebstofffracht am gesamten Sedimenttransport dabei zwischen 0 und 100 %. In Flachlandflüssen beträgt nach Bechteler (2006) die Schweb- 21 2 Grundlagen stofffracht im Gegensatz zu alpinen Wildbächen ca. 85 - 95 %. Für die Geschiebefracht leitete Hinderer (1999) (zitiert in Hinderer (2001)) für 45 alpine Flüsse mittels einer Regression einen Anteil von 9 - 21 % ab, was gut mit den Erfahrungswerten von Maddock and Borland (1950) mit 5 - 20 % übereinstimmt, welche bei vielen späteren Untersuchungen als Referenzwert herangezogen wurden (Turowski et al., eingereicht). Nach Lauffer and Sommer (1982) sind die Anteile der Schwebstoff- und Geschiebefracht in den Kalkalpen (in Einzugsgebieten bis 100 km2 ) ungefähr gleich gross, in den Zentralalpen jedoch auch die Schwebstofffracht dominierend. Der Geschiebetrieb scheint dabei hauptsächlich nur bei Extremereignissen aufzutreten. Sedimentherkunft Einen Beitrag zu diesen episodischen Ereignissen liefern auch Murgänge, welche punktuell grosse Sedimentvolumen zu Tal fördern können. Chiarle et al. (2007) beispielsweise nennen für Gletscherseeausbruch - induzierte Murgänge in 17 untersuchten Gletschervorfeldern der italienischen, französischen und schweizer Alpen Volumen bis zu mehreren Millionen m3 ; Kaeaeb et al. (2005) sprechen von Sedimentflüssen von bis zu 40’000 m3 s−1 . Bei Wildbachereignissen stammt ein Grossteil der transportierten Sedimente aus unmittelbarer Gerinnenähe, die Zeit zwischen den geschieberelevanten Ereignissen ist entscheidend für den entsprechenden Nachschub (beispielsweise Hangprozess) (Hegg, 1997). Die Rate der Glazialerosion übersteigt jedoch meist den Abtransport der Sedimente, weshalb während einer Abnahme der Vergletscherung der Sedimenttransport im Allgemeinen noch erhöht bleibt. Tranter (2005) spricht dabei von einer Relaxationszeit (Anpassungszeit) von 1’000 - 100’000 Jahren. 2.1.5 Sedimenttransportberechnung Der Schwebstofftransport kann mit geringem Aufwand mittels zu kalibrierenden Trübemessungen bestimmt werden, wobei von der annähernden Gleichverteilung der Schwebstoffe in turbulenten Gebirgsbächen und einer möglichst ungestörten Probenahme ausgegangen wird. Weiterhin ist der Einsatz von Schöpfgeräten und Pumpen mit anschliessender Trocknung der Proben möglich, oder auch die Verwendung von fest installierten kontinuierlich messenden Ultraschallsonden (Bezzola, 2005), welche ebenfalls zu kalibrieren sind. Zur genauen Erfassung der Schwebstofffracht in proglazialen Gewässern sollte das Messintervall dabei geringer als stündlich sein, um auftretende Schwankungen zu berücksichtigen (Gurnell, 1982). Die weite- 22 2.1 Hydrologisch-morphodynamische Prozesse ren Ausführungen beziehen sich auf den Geschiebetransport, welchem auch die Feldstudie (ab Kapitel 4) gewidmet ist. Die Erfassung des Geschiebetransportes ist ungleich aufwändiger und teurer als jene des Schwebstofftransportes. Es bestehen dazu grundsätzlich vier Möglichkeiten, welche sich sowohl in den gemessenen Parametern, der zeitlichen und räumlichen Auflösung sowie in Aufwand und Genauigkeit unterscheiden. Berechnung über Messungen Für qualitative Bestimmungen vor Ort werden über Gewässerquerprofilen mit Geschiebefängern7 punktförmige Messungen entlang der Gerinnesohle durchgeführt, zwischen den Messpunkten interpoliert und dann über das Profil integriert (Bezzola, 2005). Diese Vorgehensweise ist jedoch mit grossem technischen Aufwand verbunden und nur in annähernd ruhigen Gewässern möglich. Gerade in steilen Gerinnen wie Wildbächen ist diese Methode schwer durchführbar, gefährlich und ungenau. Da Geschiebemessungen besonders in Fällen mit höheren Abflussvolumen und damit verbunden auch starkem Geschiebetrieb interessieren, sind entsprechende Messphasen durch die begrenzte Fängergrösse auf kurze Messzeiten limitiert und auf Grund der Ungleichförmigkeit der Sedimentbewegung auch wenig repräsentativ. Diese Methode wird daher nur in ruhigeren Gefilden (im Gewässer stehend) und in grösseren Gewässern angewandt, welche mit dem Boot befahrbar sind oder auf einer Brücke überquert werden können. Neben dieser verbreiteten Messmethode kommen weitere zum Einsatz, wie direkte Messverfahren mit Unterwasserkameras oder mit sogenannten Tracern (Indikatoren, z.B. präparierte, radioaktive oder gefärbte Steine) und indirekte Aufnahmetechniken wie Drucksensoren, akustische Sensoren (Geophone) und Magnetsensoren (DVWK, 1992). Diese müssen jedoch kalibriert werden und weisen deshalb eine beschränkte Genauigkeit auf. 7 durchströmbare Fangkörbe, deren Fängigkeit aufwändig kalibriert werden muss 23 2 Grundlagen Berechnung mit Geschiebetransportformeln Aus den angeführten Gründen und auch zur Ereignisvorhersage, auf Grund von Bauwerksbemessungen und landschaftsplanerischen Zwecken, wird seit langem versucht den Geschiebetransport mit Hilfe von Formeln zu berechnen. Dazu findet sich in der Literatur eine Vielzahl von empirischen Ansätzen, welche in verschiedener Gewichtung und Abhängigkeit die Parameter Abflussgeschwindigkeit, Abflusstiefe, Gerinnegeometrie und Korngrösse einbeziehen, um die maximal mögliche Sedimenttransportrate (Sedimenttransportkapazität) zu bestimmen. Die Berechnungsmethoden bauen dabei auf verschiedenen Ansätzen beziehungsweise massgebenden Faktoren auf. Sie basieren entweder auf der Schubspannung (τ = ρgRh S mit ρ als Fluiddichte, g als Gravitationsbeschleunigung, Rh als hydraulischem Radius8 und S als Gerinnegefälle9 im betrachteten Abschnitt) wie z.B. Du Boys (1879), der Fliessgeschwindigkeit (z.B. Schocklitsch (1962)), stochastischen Funktionen der Sedimentbewegung (z.B. Einstein (1950)) oder der Strömungsleistung (z.B. Bagnold (1980)). Sie basieren meist auf Labordaten und werden manchmal auf Grund weiterer nicht berücksichtigter Daten modifiziert (z.B. Meyer-Peter and Müller (1949) und Rickenmann (1991)). Teilweise sind sie auch an Felddaten kalibriert (z.B. Schocklitsch (1962) und Gomez and Church (1989)) oder ausschliesslich an Hand von Felddaten entwickelt worden (z.B. Parker (1990)). Es scheinen dabei, überspitzt gesagt, mehr Geschiebetransportformeln als geeignete Eichdaten zu existieren, weshalb bisher auch kein Ansatz als universell anwendbar eingestuft werden kann (Cao and Carling, 2002; Gomez and Church, 1989). Besonders für kiesführende, steile Gerinne ist die Berechnungsgenauigkeit noch sehr gering, weshalb die Ergebnisse für Wildbäche besonders schlecht ausfallen (siehe dazu etwa die Ausführungen zum Formwiderstand weiter unten). Zur Herleitung der bestehenden Ansätze wurden, auf Grund der komplizierten physikalischen Zusammenhänge, viele Vereinfachungen getroffen und daran spezifische Faktoren kalibriert. Daher sind die entsprechenden Formeln auch meist nur für sehr eng definierte Verhältnisse einsetzbar und überschätzen gerade im Bereich steiler Gerinne (S > 5 %) im Vergleich zu beobachteten Sedimentverlagerungen die Transportfrachten um mehrere Grössenordnungen 8 Hydraulischer Radius Rh = A/U mit der Querschnittsfläche A und dem benetzten Umfang U eines gegebenen Abflussquerschnitts 9 Eigentlich müsste das Energieliniengefälle verwendet werden, jedoch wird dieses mit dem einfach bestimmbaren Gerinnegefälle unter der Annahme eines gleichförmigen Abflusses angenährt. 24 2.1 Hydrologisch-morphodynamische Prozesse (Rickenmann, 2001a; Yager et al., 2007). Neben den Schwierigkeiten ein natürliches Gerinne korrekt abzubilden, wird das reale Korngemisch in vielen Formeln durch einen einzelnen massgebenden Korndurchmesser repräsentiert. Daneben gibt es aber auch Ansätze, welche eine fraktionierte Geschiebetransportbestimmung erlauben. So schlugen beispielsweise Wilcock and Crowe (2003) ein auf einem relativ grossen Datensatzes an Labormessungen basierendes Berechnungsmodell vor, welches den Transport von Sedimenten verschiedener Korngrössen erlaubt. In den Ansätzen bisher nicht berücksichtigt werden instationäre Bedingungen, variable geologische Verhältnisse (etwa in Bezug auf die Erosionskapazität), Sedimentinteraktionen und die eigentliche Sedimentverfügbarkeit, welche gerade in steilen, felsigen Gerinnen oder kiesführenden Flüssen (Yager et al., 2007) für die starken Überschätzungen mit verantwortlich sein kann. Daneben gibt es allfällige Messungenauigkeiten und -schwierigkeiten (beispielsweise die Bestimmung der adäquaten Abflusstiefe in einem Wildbach) und den Einfluss der Wassertemperatur (Colby and Scott, 1965); allerdings kann dieser in den hier betrachteten glazial geprägten Flüssen vernachlässigt werden. Im Folgenden wird nur eine kleine Auswahl für kiesführende alpine Flüsse entwickelter Geschiebeformeln angesprochen, welche in der Feldstudie verwendet werden. Eine Diskussion verschiedener weiterer Ansätze findet sich beispielsweise in Bechteler (2006) oder Bezzola (2005). Die gedankliche Grundlage dieser Ansätze ist der Gleichgewichtszustand zwischen Erosion und Sedimentation, es wird also von konstanten Verhältnissen ausgegangen. Viele gängige Formeln bauen auf dem Ansatz von Du Boys (1879) auf, welchen dieser an der Rhone und Nebenflüssen entwickelte und zunächst von einer linearen Abstufung des Sedimenttransports an der Sohlenoberfläche ausging: gb = ψτ0 (τ0 − τc ) (2.2) wobei hier gb die Geschiebetransportkapazität pro Meter Gerinnebreite und Sekunde, ψ einen empirischen Faktor, τ0 die Sohlenschubspannung und τc die kritische Schubspannung bei Bewegungsbeginn darstellt. Erkennbar hier ist der für den Transport entscheidende Term (τ0 − τc ), 25 2 Grundlagen welcher die effektiv für den Geschiebetransport wirksame Schubspannung darstellt. Weiterentwickelt wurde dieser Ansatz durch Meyer-Peter and Müller (1949), welche für Gefälle von 0,04 - 0,2 % umfangreiche Untersuchungen in einem Rechteckgerinne mit verschiedenen Gerinneabmessungen und Sedimenten durchführten. Ihre Transportformel stellt auch heute noch einen der meistverwendeten Ansätze dar und wird am besten für kiesführende Flüsse mit einem Gefälle < 5 % angewandt (Bezzola, 2005). Unter Verwendung ihrer Daten untersuchten Smart and Jäggi (1983) und später Rickenmann (1990) kiesige Gerinne für steilere Gefällebereiche von 3 - 20 %. Dabei gebrauchte Rickenmann (1990) neben Reinwasser auch Ton-Wasser-Gemische, um so den Einfluss der Fluiddichte zu berücksichtigen, was insbesondere im Rahmen glazial geprägter Wildbäche mit einem beträchtlichen Suspensionsanteil (Gletschermilch) neben dem Geschiebematerial von Bedeutung ist. Für insgesamt 252 Laborversuche leitete Rickenmann (1991) daraus eine Geschiebetransportgleichung ab, welche für Gerinnegefälle S von 0,04 - 20 % gilt: φb = 3, 1 d90 d30 0,2 θ0,5 (θ − θc )F r1,1 (s − 1)−0,5 (2.3) Hier steht φb = qb /[(s − 1)gd3m ]0,5 für die dimensionslose Geschiebetransportrate, qb ist die volumetrische Geschiebetransportrate pro Einheitsbreite, s = ρs /ρ das Verhältnis von Feststoffdichte ρs zur Fluiddichte ρ, g die Gravitationsbeschleunigung, dm die massgebende Korngrösse (Korndurchmesser), dx die charakteristische Korngrösse des Bachmaterials, für welche x % des Materials feiner sind, θ = hS/[(s − 1)dm ] die dimensionslose Sohlenschubspannung, θc die dimensionslose Sohlenschubspannung bei Bewegungsbeginn der Sedimente (Transport), h die Abflusstiefe und F r = vm /(gh)0,5 die Froude-Zahl mit der mittleren Fliessgeschwindigkeit vm . Unter Zuhilfenahme der geringen Annäherung F r1,1 ≈ F r1,0 und der Kontinuitätsgleichung des Abflusses q = vh mit q als dem Abfluss pro Einheitsbreite (Rickenmann, 2001a), kann Gleichung 2.3 umgeformt werden in10 : d90 qb = 3, 1 d30 10 0,2 (q − qc )S 1,5 (s − 1)−1,5 (2.4) Prinzipiell müsste qc noch mit vc /v mit vc als der kritischen Fliessgeschwindigkeit des Abflusses für θc multipliziert werden, jedoch wird für qc ein empirische Formel verwendet (siehe Gleichungen 2.6 und 2.7). 26 2.1 Hydrologisch-morphodynamische Prozesse Dabei ist qb die volumetrische Geschiebetransportrate pro Einheitsbreite des Baches und qc der kritische Abfluss pro Einheitsbreite, ab dem von einem Sedimenttransport ausgegangen werden kann. Weitere Vereinfachungen dieser Gleichung durch Einsetzen des Wertes 1,05 für den Faktor (d90 /d30 )0,2 entsprechend Smart and Jäggi (1983) für die Annahme eines Einkorngemisches und der Annahme von s = 2, 68 für das Dichteverhältnis von Quarzsediment zu Wasser (Rickenmann, 2001a), führen zu der Form: qb = 1, 5(q − qc )S 1,5 (2.5) Für die Berechnung ist es also erforderlich, einen kritischen Abfluss qc zu definieren. Dieser kann nach Rickenmann (1990) mit Hilfe einer empirischen Gleichung nach Bathurst et al. (1987) abgeschätzt werden: −1,12 qc,min = 0, 065(s − 1)1,67 g 0,5 d1,5 50 S (2.6) Dabei ist qc,min der kritische Abfluss pro Einheitsbreite zu Beginn des Sedimenttransports. Ist, wie oft in Wildbächen, an der Gerinnesohle jedoch von einer Deckschicht auszugehen (das feine Material wurde ausgespült), bedarf es eines höheren kritischen Abflusses qc,D , um diese aufzubrechen (Badoux and Rickenmann, 2008): qc,D = qc,min d90 dm 10 9 (2.7) dm steht hier für den massgebenden Korndurchmesser der Unterschicht (oder ganzen Sedimentprobe). Liegt eine Deckschicht vor und wird diese auf Grund eines sich verstärkenden Abflusses aufgebrochen, kann im Folgenden von einem geringeren kritischen Abfluss ausgegangen werden, um Sedimente zu bewegen. Zur Vereinfachung der Rechnung und im Hinblick auf das Gesamtereignis unbedeutend (falls der mittlere Abfluss den kritischen weit übersteigt), ist es aber auch möglich von vornherein mit einem Wert qc zwischen den beiden Extremwerten qc,min und qc,D zu rechnen. Zur Bestimmung der Transportrate Qb eines Wildbaches über seiner gesamten Breite B werden obige Grenzabflüsse entsprechend modifiziert: Qc,min = qc,min B und Qc,D = qc,D B und der Gesamtabfluss Q verwendet. Damit ergibt sich etwa Gleichung 2.5 zu: 27 2 Grundlagen Qb = Ak (Q − Qc )S 1,5 (2.8) Hier ist Ak wieder ein empirischer Faktor, welcher auch aus Transportmessungen bestimmt werden kann (siehe Rickenmann (2001a)). Die Wahl von Ak = 1, 5 aus den Laborversuchen gemäss Gleichung 2.5 ergibt insbesondere für kleine Werte der relativen Abflusstiefe h/d90 starke Überschätzungen der Transportraten (siehe Abb. 2.9). Abb. 2.9: Koeffizient Ak im Verhältnis zur relativen Abflusstiefe h/d90 für weltweite Beobachtungen zu Geschiebetransport und Abfluss. Die blaue Linie zeigt Gleichung 2.8 mit dem Wert 1, 5 nach Gleichung 2.5 (Badoux and Rickenmann, 2008) Abschätzung aus Ablagerungsvolumen Ein einfaches, quantitatives Verfahren zur überschlagsmässigen Bestimmung der Geschiebefracht besteht darin, mit Hilfe von Geschiebefallen (Sedimentationsbecken, Geschiebesammlern, Staustufen oder sonstigen Sedimentablagerungen) die volumetrische Gesamtfracht (total load) eines gewissen Zeitraumes zu erheben und daraus einen zeitlich gemittelten Transportwert zu berechnen (Badoux and Rickenmann, 2008; Rickenmann, 2005). Dieser Ansatz kommt beispielsweise auch zur Nachberechnung von Schadensereignissen bei Überflutungen zum Ein- 28 2.1 Hydrologisch-morphodynamische Prozesse satz, wobei für die Bestimmung eine Schlüsselstrecke ausgewählt wird. Das ist der sich oberhalb der Ablagerung befindende Gerinneabschnitt, welcher das geringste Gefälle aufweist und damit für den Transport limitierend wirkt (Badoux and Rickenmann, 2008). Es wird dazu Gleichung 2.8 über die Ereignisdauer integriert: GE = Ak Vre S 1,5 (2.9) In dieser Gleichung ist GE die gesamte Geschiebefracht, Ak = 1, 3 × 1, 5 = 1, 95 unter der Berücksichtigung eines Porenvolumens in den Ablagerungen von 30 % und Vre die sogenannte effektive Wasserfracht, also das Integral des Abflusses Q grösser als der kritische Abfluss Qc (siehe Abb. 2.10). In dieser Grafik ist die eingefärbte Fläche die effektive Wasserfracht, jeweils unter Verwendung des unteren Grenzabflusses Qc,min als Vre,1 , beziehungsweise des oberen Grenzabflusses Qc,D als Vre,2 bezeichnet. Dabei zeigt die gestrichelte Linie das Szenario einer zunächst vorhandenen Deckschicht an. Wird diese schon nach kurzem Überschreiten des zugehörigen kritischen Abflusses Qc,D vollständig zerstört, ist angenähert die untere Grenze Qc,min beziehungsweise mit Vre,1 die grössere effektive Wasserfracht für den Sedimenttransport massgebend. Abb. 2.10: Transportberechnung mit Hilfe einer Integration über die Abflussganglinie (Badoux and Rickenmann, 2008) 29 2 Grundlagen Berücksichtigung des Formwiderstandes Wie schon zu Beginn dieses Abschnitts erwähnt, kommt es bei Transportberechnungen im Vergleich zu den im Feld für steile Gerinne beobachteten Transportmengen meist zu einer starken Überschätzung. Eine wichtige Ursache hierfür, neben der durch eine Vielzahl von Annahmen und Vereinfachungen vereinheitlichten Individualität jedes Abflussereignisses, ist die Vernachlässigung von sogenannten Formrauigkeiten. Gerade in steilen natürlichen Gerinnen, wie glazial geprägten Wildbächen, ist die Abfolge von Stufen und ruhigeren Bereichen (steppool-System) sowie das Auftreten variabler Fliessquerschnitte, grober immobiler Blöcke und anderer Fliesshindernisse (etwa Wildholz), welche zur sogenannten Formrauigkeit beitragen, sehr bedeutsam. Rickenmann (2001a) weist darauf hin, dass die zu beobachtende starke Abweichung des berechneten Geschiebetransportes für relative Abflusstiefen h/d90 kleiner als 4 - 6 auf entsprechende Strukturen zurückgeführt werden könnte, welche einen Grossteil der vorhandenen Schubspannung aufnehmen (Yager et al., 2007). Dieser Einfluss wird in bestehenden Transportformeln bisher meistens nicht berücksichtigt. Der Fliesswiderstand setzt sich prinzipiell aus Korn- und Formrauigkeit zusammen; bei Transportberechnungen sollte deshalb die Formrauigkeit explizit berücksichtigt werden, beziehungsweise entsprechende Korrekturen der Sedimenttransportkapazität angewandt werden. Um eine Korrektur der berechneten Werte vornehmen zu können, kann eine einfache Abschätzung des Anteils der Kornrauigkeit an der Gesamtrauigkeit nach Chiari and Rickenmann (2007) verwendet werden: nr 0, 133Q0,19 = 0,47 ntot g 0,096 S 0,19 d90 (2.10) Weitere Korrekturen schlugen Chiari (2008), Rickenmann (2005) und Palt (2001) vor: nr h = 0, 185S −0,22 ntot d90 0,55 nr h = 0, 083S −0,35 ntot d90 0,33 30 (2.11) (2.12) 2.1 Hydrologisch-morphodynamische Prozesse nr/ntot 1 Gleichung 2.10 0.8 0.6 Trendlinie für Daten berechnet mit Gleichung 2.10 nr/ntot = 0.074 S-0.47 0.4 R2 = 0.84 0.2 0 0 0.1 0.2 0.3 0.4 S 0.5 0.6 0.7 Abb. 2.11: Verhältnis der Reibungsverluste nr infolge der Kornrauigkeit gegenüber den Gesamtreibungsverlusten ntot (inklusive des Formwiderstandes) in Abhängigkeit des Gerinnegefälles S für GleiBadoux+2008_Daten_verändert.xls/Kst-kr-wel-VS_verändert/11.05.2009/Ri chung 2.10 nach Daten aus Rickenmann (1996) (Badoux and Rickenmann, 2008) nr h = 0, 13S −0,28 ntot d90 0,21 (2.13) Hierbei sind nr der Manning-Strickler-Koeffizient für die Kornrauigkeit des Sohlenmaterials, ntot der Manning-Strickler-Koeffizient der Gesamtrauigkeit und Q der Abfluss. In Abbildung 2.11 ist das angesprochene Verhältnis für die Gleichung 2.10 an Hand der Daten dargestellt, worauf die Gleichungen 2.10 - 2.13 basieren. Dabei ist zu beachten, dass bei geringen Gefällen der Anteil der Kornrauigkeit (als Bereich unter der Trendlinie) im Vergleich zur Formrauigkeit (als Bereich über der Trendlinie) stark an Bedeutung gewinnt. Bei sehr kleinen Gefällen können dabei auch unplausible Werte nr /ntot > 1 auftreten. Ausgehend von den angeführten Berechnungen und unter der Annahme des Faktors d90 als repräsentativ für die Gesamtreibungsverluste, kann nun der Anteil Sred am Gesamtgerinnegefälle S bestimmt werden, welcher sich allein auf die Kornreibung bezieht: Sred = S nr ntot a (2.14) 31 2 Grundlagen Der Exponent a kann nach Badoux and Rickenmann (2008) im Bereich 1 ≤ a ≤ 2 angenommen werden. Diese Annahme gründet sich einerseits auf die Fliessformel von ManningStrickler (n = Rh0,67 S 0,5 v −1 , mit v als Geschwindigkeit), nach der das Energieliniegefälle S proportional dem Manning-Strickler-Wert im Quadrat ist und andererseits auf die Annahme von Meyer-Peter and Müller (1949) nach der a auch andere Werte annehmen kann, nach ihrem Vorschlag a = 1, 5. Unter Verwendung des reduzierten Energieliniegefälles Sred ist es somit möglich mittels den oben genannten Ansätzen den Sedimenttransport allein abhängig von der Kornrauigkeit zu bestimmen und damit in Richtung der beobachteten Transportmengen zu korrigieren. Eine andere Korrekturmöglichkeit wäre, den Grenzabfluss zu erhöhen (Badoux and Rickenmann, 2008). 2.2 Wasserwirtschaft und Verlandung von Stauseen Die schweizer Wasserwirtschaft Gebirgsstaaten wie die Schweiz nehmen auf Grund ihrer Topographie bezüglich der Gewässer einen Oberliegerstatus ein. In den schweizer Alpen entspringen bedeutende europäische Flüsse - Rhein, Etsch und Rhône (Rey and Müller, 2007). Der im alpinen Bereich anfallende Abfluss kann somit noch vor jeglicher anthropogener Nutzung kostengünstig als qualitativ hochwertiges Trinkwasser gefasst werden. Ebenso bestehen in vielen Tälern Laufwasserkraftwerke und im höheren Bereichen Stauhaltungen für die Energieproduktion. Gerade in Regionen mit verhältnismässig geringen Niederschlagsraten wie dem Wallis wird den dafür konzipierten Stauseen das Wasser vieler umliegender Einzugsgebiete zugeleitet, indem die dortigen Abflüsse gefasst und über Stollen umgeleitet werden (siehe beispielsweise das System der Kraftwerke Gougra AG (Abb. A.2 im Anhang)). Die Wasserkraft ist der dominante Energielieferant der Schweiz: 25,1 % des Stromes wird in Laufwasserkraftwerken produziert, 30,1 % in Speicherkraftwerken (BFE, 2008b). Dabei belegt der Kanton Wallis mit einem Anteil von nahezu 25 % eine Spitzenposition in der Gesamtstromproduktion (Abb. 2.12). 32 2.2 Wasserwirtschaft und Verlandung von Stauseen Von entsprechender Wichtigkeit ist demnach die zukünftige Entwicklung der Verfügbarkeit der Ressource Wasser, deren Verteilungsmuster, sowie die sich ändernden Bedarfsstrukturen seitens der Energieverbraucher. Aus dieser Einsicht erwuchs der Wunsch, angelehnt an die schweizweite Hauptstudie über die Zukunft der Wasserwirtschaft in einem sich ändernden Klima, speziell für den Kanton Wallis eine sektorielle Studie durchzuführen (siehe auch 1.2). In dieser werden die gleichen Themenfelder untersucht, jedoch mit einem regionaleren Bezug. Als zusätzlicher Aspekt wird die Stauraumverlandung (Auffüllung des Speichervolumens durch Sedimente) als ein spezifisches Problem von Stauhaltungen und Wasserfassungen untersucht. Auf diesen Aspekt sind die nachfolgenden Erläuterungen ausgerichtet. Verlandungserscheinungen Die Abhängigkeit des Sedimenttransports von Energieliniengefälle und Abflussquerschnitt bedingt Verlandungserscheinungen, sobald das Gewässer in einen flacheren und breiteren Bereich wie einen Stausee übergeht (Abb. 2.13). Mit Beginn der Gefällereduktion vermindert sich zunächst der Transport der grössten als Geschiebe mitgeführten Korngrössen und nimmt dann im weiteren Eintritt in den See mit der Strömungsgeschwindigkeit ab. Dadurch entsteht beginnend mit dem Einlauf eine Sortierung der Transportfracht nach Fraktionen; es formt sich ein Delta sich aus. Der Anteil der Suspensionsfracht an der ge- Abb. 2.12: Hydraulische Elektrizitätsgewinnung in der Schweiz und im Wallis, Stand 2006 (Dienststel- samten Feststofffracht beträgt bei kleinen le für Wasserkraft und Energie, 2006) Stauseen 80 bis 90 %, bei grossen 90 bis nahezu 100 %. Mit zunehmender Aufenthaltsdauer und abnehmender Turbulenz entsteht ein Impulsgleichgewicht zwischen ruhendem und einströmendem Wasser, das schwebstoffbeladene Wasser sinkt in die Tiefe und breitet sich als sogenannter Trübestrom auf dem Seegrund aus 33 2 Grundlagen Abb. 2.13: Schematische Darstellung der Verlandung eines Stausees (verändert nach Schleiss and Oehy (2002)) (Schleiss and Oehy, 2002). Abhängig von der Grösse des Stausees und der Verweildauer des Wassers wird ein Anteil der Suspensionsfracht jedoch weitertransportiert und turbiniert. Das geschieht auch bei starker Aufwühlung der Sedimente beispielsweise bei einem verstärkten Zufluss infolge eines Hochwassers und bewirkt bei Korngrössen > 0,1 mm Abrasionserscheinungen (Abrieb) an Turbinen, Pumpen und auch Bauwerken. Dabei kann die Abnutzung bis zur Zerstörung der Laufräder führen, was nur durch aufwändige und teure Beschichtungen wie Keramik verhindert werden kann (McGregor et al., 1995; Palt, 2001). Aus dem geschilderten Verhalten resultiert die Problematik des fortschreitenden Stauraumverlustes. Gerade in steilen alpinen Einzugsgebieten mit grossen transportierten Geschiebemengen drohen die Nutzvolumen auf Dauer stark zurückzugehen, was in vielen Fällen auf eine diesen Prozess wenig berücksichtigende Bewirtschaftung zurückzuführen ist (Jenzer et al., 2005). Weltweit beträgt die Verlandungsrate 1 - 2 % des Stauvolumens. Da der jährliche Volumenzuwachs jedoch eher bei 1 als bei 2 % liegt, nimmt das effektive Nutzvolumen ab (Schleiss and Oehy, 2002), was im besonderen Masse für die Schweiz gilt (Abb. 2.14). Die meisten schweizer Staudämme sind inzwischen 30 - 60 Jahre alt; jährlich gehen 0,2 % des Speicherraumes verloren. Der bautechnisch vorgesehene Totraum zur Akkumulation von Sedimenten ist nahezu gefüllt (Beyer Portner, 1998). Dabei treten eine Anzahl weiterer operationeller Probleme auf. Eingetragene grobe wie feine Sedimente können neben den Stauhaltungen selbst Grundablassorgane, Ableitungsstollen und Galerien zusetzen und besonders bei hohen Abflüssen durch 34 2.3 Klimawandel die grosse kinetische Energie technische Einrichtungen wie Fassungen, Rechen, Ablässe und auch Gebäude beschädigen und zerstören (McGregor et al., 1995). Die Sicherheitsvorschriften können daher oft nicht mehr gewährleistet werden; dazu kommt eine Reduktion der Hochwassersicherheit in Folge des Stauraumverlustes (Bechteler, 2006). Um diesen Problemen zu begegnen, bedarf es kostenintensiver Gegenmassnahmen wie Umleitungen von Extremabflüssen, Ausbaggerungen des Geschiebes und Spülungen. Bei letzteren werden, zumeist im Nachlauf der Schnee- und Eisschmelze, die Grundablassorgane und Triebwasserfassungen der Staubecken durch zulaufendes und teilweise durch zusätzlich eingepumptes Wasser gereinigt, indem die abgelagerten feinen Sedimente, wel- Abb. 2.14: Zunahme der Stauseekapazität durch che meist den grössten Anteil der Verlan- Bautätigkeit und Abnahme durch Verlandung in der dung ausmachen (Bechteler, 2006) als Sus- Schweiz und weltweit (Schleiss and Oehy, 2002) pensionsfracht ausgetragen werden. Die gängige Praxis der jährlichen Spülungen bringt jedoch auch gravierende ökologische Nachteile mit sich. Die Gewässerläufe unterstrom der Stauhaltungen leiden im normalen Betrieb unter Wassermangel, dagegen werden sie bei sporadischen Spülungen mit einem Überangebot von Schwebstoffen konfrontiert, welche sich im gesamten Gewässerbett ablagern und die aquatische Fauna und Flora zu ersticken drohen; es entsteht ein Sauerstoffmangel. 2.3 Klimawandel Für den vermehrt auch in der Öffentlichkeit diskutierten klimatischen Wandel zeigen sich sensitive Regionen wie die Alpen mit gravierenden Auswirkungen konfrontiert. Bei der Abschätzung der Entwicklung des zukünftigen Klimas bedient man sich globaler und regionaler Klimamodelle, welche in zunehmendem Masse Interaktionen der Atmo-, Hydro-, Kryo-, Geo-, Bio- und auch der Anthroposphäre integrieren. Den damit bestimmten Projektionen liegen 35 2 Grundlagen sogenannte Klimaszenarien zu Grunde, welche auf Annahmen über zukünftige Treibhausgasemissionen und die Sensitivität des Globalklimas basieren (Frei, 2004). Nachfolgend wird für die Schweiz und, soweit in dieser Auflösung möglich, für den Kanton Wallis eine Übersicht über die aktuell angenommenen zukünftigen Änderungen der meteorologischen Elemente Temperatur und Niederschlag sowie deren Extremwerte vorgestellt, welche bezüglich der Entwicklung der Wasserressourcen (Horton et al., 2005) und damit hinsichtlich des Sedimenttransportverhaltens von Bedeutung sind. 2.3.1 Temperatur Begert et al. (2005) untersuchten für die historische Zeitspanne von 1864 - 2000 die Temperaturentwicklung an zwölf Schweizer Wetterstationen (Abb. 2.15). Dabei ergab eine Trendanalyse einen Anstieg der Jahresdurchschnittstemperaturen von 0,9 bis 1,2 ◦ C 100a−1 Jahren für Stationen nördlich des Alpenhauptkammes und 0,6 ◦ C 100a−1 südlich davon. Das im zweiten Teil dieser Arbeit betrachtete Wallis zeigt dabei sowohl die höchsten jahreszeitlichen Anstiege, wie auch den höchsten Jahresdurchschnittswert mit 1,6 im Winter, jeweils 1,0 ◦ C im Frühling und Sommer, 1,3 ◦ C im Herbst, sowie 1,2 ◦ C im Durchschnitt und liegt damit weit über dem globalen Durchschnittsanstieg von 0,6 ◦ C im 20. Jahrhundert (OcCC, 2007). Eine nähere Betrachtung der Temperaturentwicklung der Schweiz zeigt grosse jährliche Schwankungen, allerdings in den letzten 20 Jahren eine starke Erwärmungstendenz, die wärmsten fünf Jahre wurden allesamt in den letzten zehn Jahren erreicht (OcCC, 2008). Somit zeigt schon die nahe Vergangenheit, dass sich dem Klima, als der Statistik des Wetters, keine Konstanz zuweisen lässt, es einem stetigen Wandel unterliegt. In Abbildung 2.16 sind sogenannte probabilistische Projektionen (Häufigkeitsverteilungen von Berechnungen für eine grosse Anzahl von Annahme - Kombinationen) für die zukünftige regionale Temperaturentwicklung der Schweiz dargestellt. Aufgetragen sind Klimasimulationen für drei verschiedene Zeitpunkte des 21. Jahrhunderts11 aus dem umfangreichen europäischen Projekt PRUDENCE (Prediction of Regional scenarios and Uncertainties for Defining European Climate change risks and Effects) (Christensen et al., 2002; Frei, 2004). Die Ergebnisse sind jeweils nach den vier Jahreszeiten 11 Anhand den Projektionen für das Ende des Jahrhunderts skalierte Werte. Grundlegend dafür ist die Annahme eines proportionalen Verhaltens der regionalen Temperatur- und Niederschlagsänderung zur globalen Temperaturänderung (Frei, 2004) 36 2.3 Klimawandel Abb. 2.15: Jährliche und saisonale Temperaturtrends für die Periode 1864 - 2000 für zwölf Wetterstationen in der Schweiz. Lineare Trends in [◦ C 100−1 ] jeweils für Winter (DJF), Frühling (MAM), Sommer (JJA) und Herbst (SON); Konfidenzintervall 99 % (fett) und 95 % (normal), leere Felder zeigen geringere Konfidenzintervalle. Stationshöhen jeweils in Klammern in [m ü NN] (Begert et al., 2005) aufgegliedert und in die Region nördlich und südlich des Alpenhauptkammes12 unterschieden. Höher aufgelöste Analysen für elf alpine Einzugsgebiete wurden von Horton et al. (2005) durchgeführt, darunter auch drei für Zuflüsse der Rhone im Kanton Wallis. Für die Periode 2020 - 2049 wurde dabei für eine skalierte11 globale Erwärmung von 1 ◦ C mittels 19 regionalen PRUDENCE Szenarien eine mittlere jährliche Temperaturerhöhung von 1,2◦ C für das Einzugsgebiet der Saaser Vispa ermittelt (Extremwerte 1,0 bis 1,7 ◦ C). Änderungen für den Zeitraum 2070 - 2099 wurde mittels der Treibhausgas-Emissionsszenarien A2 und B2 des IPCC berechnet. Das Szenario A2 (regionale, ökonomisch orientierte Entwicklung) ergab eine Temperaturerhöhung von 4 ◦ C (Extremwerte 3,3 und 6,1 ◦ C), B2 (regionale, umweltorientierte Entwicklung) einen Anstieg um 3◦ C (Extremwerte 2,5 und 4,6 ◦ C) im Vergleich zu heute. Verglichen mit der für die ganze Schweiz vorhergesagten Entwicklung liegen diese Werte allerdings noch im unteren Bereich. Frei (2004) projizierte für 2050 unter der Annahme einer globalen Temperaturzunahme von 0,8 - 2,4 ◦ C wahrscheinliche Temperaturanstiege von 1,8 ◦ C im Winter, 1,8 ◦ C im Frühling, 2,7 ◦ C im Sommer und 2,1 ◦ C im Herbst für die 12 Der Alpenhauptkamm ist eine gedachte Verbindung von Gipfeln und Kämmen und fungiert als Hauptwasserscheide in den zentralen Alpen. Er verläuft an der Südgrenze des Wallis etwa vom Grossen Sankt Bernhard über den Simplon bis zum Gotthard und umfasst damit die Hochlagen der Täler südlich der Rhone (SLF, 06.04.2009). 37 2 Grundlagen Abb. 2.16: Probabilistische Temperaturprojektionen für die Schweiz, nördlich (links) und südlich (rechts) des Alpenhauptkamms. Die Änderung der jahreszeitlichen Temperatur ist als Verhältnis des zukünftigen gegenüber des heutigen (1990) dargestellt. Die vertikalen Balken beschreiben dass 95% Konfidenzintervall, die schwarzen Linien stellen den Median (beste Schätzung) dar. Balken in blau, rot, grün beschreiben jeweils die Änderung bis ins Jahr 2030, 2050, 2070. DJF: Dezember bis Februar, MAM: März bis Mai, JJA: Juni bis August, SON: September bis November (aus OcCC (2007) nach Frei (2004)) Alpennordseite (Abb. 2.16), für die Alpensüdseite kann von ähnlichen Werten ausgegangen werden (Ecoplan/Sigmaplan, 2007; Frei, 2004). Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts ist sogar mit einer Zunahme der Sommertemperaturen von 3,5 - 7 ◦ C zu rechnen, sofern die Treibhausgasemissionen nicht drastisch eingeschränkt werden; dann wird ein Durchschnittssommer etwa dem Hitzesommer 2003 entsprechen (OcCC, 2008). Nach Frei (2004) dürfte gegen das Jahr 2070 mit +2.6/+2,5/+3,8/+3 ◦ C jeweils für Winter, Frühling, Sommer und Herbst gerechnet werden. 2.3.2 Niederschlag Während die Prognosen bezüglich der Temperaturentwicklung verhältnismässig gute Näherungen darstellen, sind Berechnungen bezüglich der Niederschlagsentwicklung noch mit vielen Unsicherheiten behaftet. Die jährliche Niederschlagsentwicklung der letzten 150 Jahre über der gesamten Schweiz lässt keine eindeutigen Trends erkennen (Abb. 2.17). Es treten beträchtliche Schwankungen von Jahr zu Jahr auf, dennoch fällt über der gesamten Schweiz im Mittel gleichviel Niederschlag (1240 mm) wie während der Normperiode (1961-1990). Trotz der unveränderten Jahresmengen zeigen sich jedoch jahreszeitliche und regionale Veränderungen. Die 38 2.3 Klimawandel Abb. 2.17: Abweichung der mittleren Jahresniederschläge der Jahre 1864 - 2007 in der Schweiz relativ zur Norm 1961-1990 (blau = positive, orange = negative Abweichungen). Dargestellt sind Durchschnittswerte aus zwölf verschiedenen Messstationen in verschiedenen Höhenlagen der Nord- und Südschweiz (OcCC, 2008) mittlere Intensität der herbstlichen und winterlichen Niederschläge ist besonders im nördlichen und westlichen Alpenraum mit 20 - 30 % signifikant angestiegen, im südlichen dagegen sind herbstliche Niederschläge um 20 - 40 % zurückgegangen (OcCC, 2008; ONERC, 2008; Schmidli et al., 2002). Bis zum Jahre 2050 wird nördlich des Alpenhauptkammes im Winter mit einer Niederschlagszunahme von rund 8 % (Südseite 11 %), im Sommer jedoch mit einer Abnahme von etwa 17 % (19 %) gerechnet, jedoch mit einem höheren Unsicherheitsbereich im Süden. Für den Frühling wurde im Norden eine Konstanz der aktuellen Niederschlagsmenge errechnet (-4 %), im Herbst eine Abnahme um 6 % (4 %) (Abb. 2.18); alle Angaben beziehen sich jeweils auf den Median der probabilistischen Projektionen (Frei, 2004; OcCC, 2007). Gegen Ende des Jahrhunderts werden Werte +11/-1/-23/-9 % für Winter, Frühling, Sommer und Herbst angegeben. Schaedler et al. (2007) sprechen für die Gesamtschweiz von einer Reduktion der Jahresniederschlagsmengen um 5 - 10 %, wobei sich die sommerliche Abnahme dominierend auswirkt. Für die Saaser Vispa geben Horton et al. (2005) für das Jahr 2050 eine Abnahme der jährlichen 39 2 Grundlagen Abb. 2.18: Probabilistische Niederschlagsprojektionen für die Schweiz, nördlich (links) und südlich (rechts) des Alpenhauptkamms. Die linke Achse zeigt logarithmische Einheiten (der Wert 0,5 bedeutet beispielsweise eine Halbierung). Sonstige Darstellungen analog zu Abb. 2.16 (aus OcCC (2007) nach Frei (2004)) Niederschläge um 3 %, der saisonalen um 8 % im Sommer, dagegen eine Zunahme um 5 % im Winter an. Aussagen über die Niederschlagsentwicklung bis zum Ende des 21. Jahrhunderts treffen sie mit -8/-6 % als Median des jährlichen Niederschlags und 15/12 %, sowie -27/-26 % für den saisonalen Winter- und Sommerniederschlag, jeweils für die A2/B2 - Szenarien des IPCC. Der Schwankungsbereich dieser Angaben ist jedoch beträchtlich und kann somit nur einen groben Anhaltspunkt für die zukünftige Niederschlagsverteilung liefern. 2.3.3 Extremereignisse Stärker als die Zunahme der mittleren Temperatur- und Niederschlagswerte haben bereits in der Vergangenheit die Extremwerte zugenommen. So hat sich in den Jahren 1880 bis 2005 die Länge der sommerlichen Hitzewellen über Westeuropa verdoppelt und die Frequenz heisser Tage nahezu verdreifacht (Della-Marta et al., 2007). Auffällig dabei ist der asymmetrische Trend zwischen Minimum- und Maximumtemperaturen, welcher eine viel stärkere Zunahme der Minimumtemperaturen, seit 1953 sogar einen dreifach höheren Anstieg zeigt (Karl et al., 1993). So haben beispielsweise an den hochalpinen Stationen Säntis, Grosser St. Bernhard und Jungfraujoch (2’500, 2’479 und 3’572 m Höhe) mit Zunahmen von 10 ◦ C in den letzten 2 - 3 Dekaden die täglichen Anomalien der Maximumtemperatur schon 15 ◦ C überschritten 40 2.3 Klimawandel (ONERC, 2008). Intensive Tagesniederschläge und Starkniederschläge mit 2 - 5 Tagen Dauer haben im letzten Jahrhundert im Herbst und Winter im nördlichen Alpenraum und weiten Teilen des schweizer Mittellandes um 10 - 30 % zugenommen, jedoch nicht an Anzahl, sondern nur an Intensität (Schmidli and Frei, 2005). Abb. 2.19: Häufigkeitsverteilung der Extremtemperaturen. Die blaue Kurve zeigt die heutige statistische Verteilung der Temperaturen. Die mittleren oder durchschnittlichen Temperaturen treten häufig auf, Kälteextreme (blaue Fläche unter der Kurve) und Hitzeextreme (rote Fläche unter der Kurve) sind selten. Durch die Klimaänderung könnte sich die Häufigkeitsverteilung verschieben (rote Kurve), wobei die Auswirkungen besonders im Bereich der Extremtemperaturen sichtbar würden. Die Häufigkeit von (aus der heutigen Sicht) extrem kaltem Wetter dürfte stark abnehmen, jene von extrem heissem Wetter dagegen stark zunehmen (OcCC, 2003) Quantitative Abschätzungen über Temperatur- und Niederschlagsextreme sind noch mit grosser Unsicherheit behaftet. Es wird davon ausgegangen, dass die Häufigkeiten von Kältewellen und Frostperioden abnehmen, dagegen Hitzewellen und besonders Sommertrockenheiten zunehmen werden (Frei et al., 2006; Schaer et al., 2004). Dieses Verhalten lässt sich gut an der Häufigkeitsverteilung der auftretenden Temperaturen darstellen, welche sich mit dem Klimawandel in Richtung wärmere Temperaturen verschieben könnte (Abb. 2.19). Die kalten Extreme werden dabei in Gebieten mit der Schneedeckenabnahme zunehmen, die warmen Extreme sich in Gebieten verstärken, bei denen die sommerliche Bodenfeuchte abnimmt (Kharin et al., 2007). Gegen Ende des 21. Jahrhunderts wird die Wiederkehrperiode eines 20jährigen Niederschlagsereignisses in Nordeuropa der eines 40-100jährigen des aktuellen Klimas entsprechen. Starkniederschläge werden saisonal zunehmen, besonders im Frühjahr und Herbst, im Sommer dagegen abnehmen (Frei et al., 2006; OcCC, 2003; ONERC, 2008) (siehe auch Abb. 2.24); ent- 41 2 Grundlagen Abb. 2.20: Berechnete Zunahme der Niederschlagstätigkeit im Winter für drei Regionen in Mitteleuropa in einer gegenüber heute 2 ◦ C wärmeren und 15 % feuchteren Atmosphäre (nach OcCC (1998) aus (Frei et al., 1998)) sprechendes gilt für Hochwässer (Christensen and Christensen, 2003; OcCC, 2003). In Folge des damit intensivierten Wasserkreislaufes, insbesondere des atmosphärischen Feuchtetransports durch steigende Temperaturen, wird sich die Frequenz von Starkniederschlägen besonders im Winterhalbjahr überproportional erhöhen (Abb. 2.20) (Frei et al., 1998). Damit verbunden ist eine Veränderung der Auftrittswahrscheinlichkeit bestimmter Wetterlagen (OcCC, 2005), welche das Abflussgeschehen mitbestimmen. Im Herbst wird in diesem Jahrhundert nördlich der Alpen mit einer Zunahme der Extremniederschläge um 10 % (Südseite 20 %), im Winter beidseitig um bis zu 20 % gerechnet (Schaedler et al., 2007). Schon im Jahr 2050 könnte jeder zehnte Sommer wärmer als 21◦ C sein, im Vergleich zu heutigen 18,3 ◦ C (OcCC, 2007). Mitteleuropa wird gegen Ende des Jahrhunderts die gleiche Zahl and heissen Tagen erleben, wie heute Südeuropa (Beniston et al., 2007). Der Einfluss des Klimawandels auf andere Wetterextreme wie Hagel und Sturm ist dagegen noch unsicherer. Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts wird von einer Zunahme der Stürme zwischen 45 und 55 ◦ nördlicher Breite ausgegangen, dabei allerdings mit einer Abnahme über den schweizer Alpen gerechnet (Beniston et al., 2007). Sehr starke Winterstürme, wie Vivian (1990) und Lothar (1999), könnten dagegen häufiger werden (Beniston et al., 2007; OcCC, 2007, 2008). 42 2.4 Auswirkungen auf alpine Einzugsgebiete 2.4 Auswirkungen auf alpine Einzugsgebiete Nach den Projektionen der zukünftigen Klimacharakteristik folgt nun eine Zusammenstellung der angenommenen damit verbundenen Auswirkungen auf jene in Kapitel 2.1.2 angesprochenen morphodynamischen Prozesse und der entsprechend veränderten Bedingungen für die Wasserwirtschaft. Anschliessend werden die damit gelegten Grundlagen in Kapitel 3 im Rahmen eines Konzeptes auf die Verlandungsproblematik angewandt. Die markantesten und am ehesten quantifizierbaren Einflüsse können dabei den ansteigenden Temperaturen und der sich verändernden Niederschlagsverteilung zugeordnet werden. 2.4.1 Gletscherentwicklung Von 1876 bis 1973 ist die Gletscherfläche der Schweiz um 475 km2 von 1’817,6 auf 1’342,2 km2 zurückgegangen, das heisst um 26 % (für die Walliser Alpen um 21 %), womit ein Schmelzwasserausfall von jährlich 1,425 km3 verbunden ist (Kasser, 1981; Maisch et al., 2000). Bis zum Jahr 2000 gingen weitere 250 km2 Fläche verloren. Betrug das Volumen im Jahre 1850 (Gletscherhochstand) noch ca. 107 km3 , so waren es 1973 ca. 75 km3 , 2000 nur noch 55 km3 (Spreafico, 2001). In den letzten Jahrzehnten hat sich die Gletscherschmelze zudem verstärkt. Nach dem neuen von Satellitendaten abgeleiteten schweizer Gletscherinventar hat sich der Rückgang von 1985 bis 1998/1999 im Vergleich zur Periode 1850-1973 versiebenfacht (Paul, 2003). Allein das Hitzejahr 2003 verursachte einen volumetrischen Rückgang von 5 - 10 % (Haeberli et al., 2004; Maisch et al., 2000), in starkem Masse bedingt durch die Ausdünnung der Gletscher. Diesem Prozess kann nach Paul et al. (2007b) möglicherweise auch der massgebende Anteil am Massenverlust im 20. Jahrhundert zugeschrieben werden kann. Dabei ist festzuhalten, dass der Schwund kleinerer Gletscher schneller vonstatten geht, als jener grösserer Gletscher (Gletscherschwund-Grössenregel) (Maisch et al., 2000). Als Erklärung für den Gletscherrückzug kann der klimabedingte Anstieg der Gletscher-Schneegrenzen, also der Gleichgewichtslinie betrachtet werden (Maisch et al., 2000). Unter der Annahme eines vertikalen Anstiegs von 170m bei einer Erwärmung von 1 ◦ C unter Berücksichtigung sämtlicher Bilanzterme (Kuhn, 1990), spiegelt sich in dem erwähnten Rückzug der letzten 100 Jahre allein schon die Temperaturerhöhung von 0,6 ◦ C (Maisch et al., 2000) wider, entsprechend 43 2 Grundlagen einem Anstieg der Gleichgewichtslinie um 75 m (Zemp et al., 2007). Sämtliche Klimaszenarien lassen erkennen, dass sich, sollten nicht irgendwelche unerwarteten Abkühlungsphasen eintreten, die Zerfallstendenzen der Gletscher im ersten Teil des 21. Jahrhunderts stark beschleunigen werden. Das resultiert aus einer, bisher vielleicht unterschätzten, Klima-Sensibilität der seit 1850 schon sehr stark geschrumpften Vergletscherung (Maisch et al., 2000) und ist nicht zuletzt ein Ergebnis der relativ langsamen Reaktion gerade grösserer Eismassen auf klimatische Veränderungen. Ein verstärkender Prozess ist zudem die beschleunigte Ausbildung des effektiven en- und subglazialen Entwässerungssystems durch eine verstärkte Gletscherschmelze (Willis, 2005). Maisch et al. (2000) verwenden für Szenarioberechnungen Gradienten von 150 m ◦ C−1 beziehungsweise 0,7 ◦ C 100 m−1 . Somit kann entsprechend den gewählten Klimaszenarien auf den zugehörigen Gletscherrückgang geschlossen werden. Paul et al. (2007a) berechneten für das Jahr 2050 für das IPCC-B1-Szenario bei einer Temperaturerhöhung um 2,1 ◦ C einen Anstieg der Gleichgewichtslinie um 300 m, verbunden mit einer Gletscherflächenreduktion von 65 %. Das ginge mit einem jährlichen Eisdickenverlust von 1 - 2m einher (diese Angabe gilt allerdings bei einem Anstieg in der gleichen Grössenordnung, jedoch bis zum Ende des Jahrhunderts) (Kaeaeb et al., 2005). Bei einer Erwärmung um 3-4 ◦ C bis zum Ende des Jahrhunderts ergäbe dies einen Anstieg der Gleichgewichtslinie um 400-500m, was für viele der kleineren Gletscher einen Anstieg über den höchsten Gletscherpunkt und somit ein Verschwinden desselben bedeuten würde (Paul et al., 2007a). So würde ein sommerlicher Temperaturanstieg von 3 ◦ C die aktuelle Gletscherbedeckung der europäischen Alpen nach Berechnungen von Zemp et al. (2006) um 80% reduzieren, bei einer Erwärmung um 5 ◦ C wären die Alpen nahezu eisfrei. Selbst Niederschlagsschwankungen von +/- 20 % würden die Menge des verbleibenden Eises um weniger als den Faktor 2 verändern (Abb. 2.21). Berechnungen von Horton et al. (2005) für die Periode 2020 - 2049 (jedoch für eine Erwärmung von „nur“ 1 ◦ C) ergaben im Einzugsgebiet der Vispa einen Rückgang der Vergletscherung von 33,2 % auf 15,7 %, für das Szenario 2070-2099 (IPCC-B2) noch verbleibende 3,7 %. Somit zeigen sich Gletscher als die besten Indikatoren für den Klimawandel (Zemp et al., 2007) und insbesondere für den Strahlungsantrieb, also den beschleunigenden Einfluss der Treibhausgase (Haeberli, 2008a). 44 2.4 Auswirkungen auf alpine Einzugsgebiete Abb. 2.21: a) Veränderung der Alpenvergletscherung bei einem Anstieg der Sommertemperatur um +1 bis +5◦ C und einer Veränderung des Jahresniederschlags zwischen -20 % und +30 %. b) Volumetrische Abnahme der Vergletscherung bis 2050 für drei Temperaturszenarien bei unverändertem Niederschlag im Vergleich zur Referenzperiode 1971-1990 (aus OcCC (2007) nach Zemp et al. (2006)) 2.4.2 Schnee Auch die Schneebedeckung in der Schweiz hat im vergangenen Jahrhundert nach einer Zunahme bis in die 1980er besonders in niedrigeren Lagen zusehends abgenommen, vorzugsweise im Frühling und Sommer. Dabei korreliert die Abnahme in Gebieten mit der Temperaturzunahme; dort wo die Auflage zunahm, ist fast ausschliesslich von einer Niederschlagszunahme auszugehen. Regionale Schwankungen und Höhenvariationen sind sehr ausgeprägt, kürzere Bedeckungszeiten hauptsächlich durch frühere Schneeschmelze im Frühling, als durch späteren Schneefall im Herbst bedingt. Über 1’300 m besteht seit den 1960ern ein sehr schwacher Trend in Richtung stärkerer Schneefall, in Gebieten unter 650 m zeigt ein markanter Rückgang, dass winterliche Starkniederschläge verstärkt als Regen anstatt als Schnee fallen (Laternser and Schneebeli, 2003; Lemke et al., 2007; Scherrer et al., 2004). Für eine Erwärmung der winterlichen Minimaltemperatur um 4 ◦ C gegen Ende des 21. Jahrhunderts berechneten Beniston et al. (2003) für die schweizer Alpen mittels des EnergiebilanzModells GRENBLS einen Rückgang des Schneevolumens von bis zu 90 % für Höhen bis 1’000 m, 45 - 60 % Abnahme bis 2000 m und 30 - 40 % bis 3000 m. Parallel dazu wird die Schneesaison in Höhen von 2’000 bis 2’500 m 50 - 60 Tage früher enden, in Höhen bis 1’000 m sogar um 110 45 2 Grundlagen Abb. 2.22: a) Entwicklung der mittleren Höhe der Nullgradgrenze in den Wintermonaten (DJF = Dezember, Januar, Februar) der Jahre 1958 - 2003. Die Berechnung basiert auf 67 homogenisierten Bodentemperaturmessungen, die rote Linie zeigt den linearen Trend, die gestrichelten Linie die entsprechenden Unsicherheit (95 % Konfidenzintervall). b) Vertikale Verteilung der durchschnittlichen Wintertemperaturen an Messstationen der MeteoSchweiz in den Jahren 1959 - 1997. Die rezente Nullgradgrenze liegt bei etwa 840 m. c) Szenario für das Jahr 2050. Die Schwankungsbreite des Anstiegs der Nullgradgrenze beträgt 1020 - 1520 m, im Mittel (+1,8 ◦ C im Winter) wird von einer Erhöhung um 360 m auf 1300 m ausgegangen (OcCC, 2007) - 130 Tage, wobei auch hier hauptsächlich das Ende, denn der Beginn der Saison betroffen sein wird. Somit wird die Schneeschmelze weit früher einsetzen, als unter aktuellen Verhältnissen, was einen bedeutenden Effekt auf die Abflussregimes haben wird. Da die Schneefallgrenze ungefähr der Nullgradgrenze entspricht, kann auf Grund des beobachteten Anstiegs (Abb. 2.22 a) und einer winterlichen Erwärmung von 1,8 ◦ C (siehe Kapitel 2.3.1) von einem Anstieg der letzteren um 360 m und damit auch von einer damit verbundenen Höhenveränderung der Schneegrenze von derzeit rund 840 m auf 1’200 m ausgegangen werden (Abb. 2.22 b und c). Bei einer Erwärmung von über 3◦ C (wie für das Ende des 21. Jahrhunderts prognostiziert), könnte die Nullgradgrenze sogar um mehr als 600 m auf über 1’500 m ansteigen (OcCC, 2007). Für die Lawinenaktivität lässt sich bisher kein Trend feststellen. Das Lawinenauftreten begünstigende Verhältnisse sind bestimmte stabile Wetterlagen (Nordwest- oder Südstaulagen), kurzzeitige Starkniederschläge und Dauerregen bis zu drei Tagen Länge (Jomelli et al., 2007a; OcCC, 2007). Zukünftige Entwicklungen unterliegen dem Zusammenspiel von ansteigender Schneefallgrenze und damit verbundener kürzerer Schneebedeckung, verstärkten Winterniederschlägen, möglicherweise einer Zunahme von ausserordentlichen, lawinenbegünstigenden Wetterlagen, häufigerem Regen in tieferen Lagen, Zunahme des bewachsenen Bodens etc. In 46 2.4 Auswirkungen auf alpine Einzugsgebiete Ermangelung eingehender Untersuchungen in diesen Bereichen sind jedoch noch keine Prognosen über eine Zu- oder Abnahme von Lawinenabgängen möglich (OcCC, 2003). 2.4.3 Permafrostentwicklung und Sturzprozesse Eine weitere wichtige Komponente alpiner Systeme im Zusammenhang mit bedeutsamen Auswirkungen einer Klimaerwärmung ist die Verbreitung von Permafrost, welcher bis heute noch 6 % der Fläche der Schweiz in Lagen über 2’500 m bedeckt (Schiermeier, 2003). Da das Bodeneis ein entscheidender Stabilisator von Schutthängen ist, kann während und nach seinem Tauen mit dem verstärkten Auftreten von Rutschungen und Steinschlag gerechnet werden. Gruber and Haeberli (2007) beschreiben dafür fünf physikalische Prozesse, welche den Zusammenhang von Erwärmung und Destabilisierungen beschreiben: Bindungsverlust, Eisabscheidung, Volumenvergrösserung, hydrostatischer Druck und Schubspannungsverlust. Ein Beispiel für die Auswirkungen ist im Besonderen der extrem warme und trockene Sommer des Jahres 2003, bei dem die 0 ◦ - Grenze über 4600 m anstieg und ohne Einfluss von Starkniederschlä- gen oder Erdbeben viele Steinschlagereignisse aus den Permafrostgebieten steiler Felshänge auftraten (Gruber et al., 2004; Schiermeier, 2003). Untersuchungen der Permafrostenwicklung während des letzten Jahrhunderts mittels Bohrlochmessungen und Simulationen zeigen eine Erwärmung des alpinen Permafrosts um 0,5 - 0,8 ◦ C (Harris et al., 2003). Der Abbau des Permafrosts hängt stark mit perkolierendem Wasser zusammen, weshalb bei genügendem Schmelzwasserangebot (durch Schneeschmelze oder Gletscherschmelze) ein weit schnellerer Rückgang eintreten kann, als es auf Grund reiner konduktiver Erwärmung möglich wäre. Vorraussagen der zukünftigen Entwicklung der Permafrostverbreitung unterliegen daher den noch grossen Unsicherheiten des Wissens über Felstemperaturen, Eisgehalt, Abtragsmechanismen und den Interaktionen zwischen Erwärmung und Destabilisierung. Jedoch kann davon ausgegangen werden, dass konvexe Topographie wie Fels- oder Moränengrate, Felsnadeln etc. schneller und tiefer auftauen und demnach anfälliger für Degradationserscheinungen sein dürften (Gruner, 2008). Ein weiterer Effekt der das Permafrostvorkommen beeinflusst, ist das Vorhandensein und die Dauer der Schneeauflage. Genügend Schnee im Winter isoliert den Untergrund vor dem 47 2 Grundlagen Eindringen der kalten Winterluft (wärmender Effekt), verhindert dagegen aber bei lange liegendem Lawinenschnee ebenso ein Eindringen der sommerlichen Sonneneinstrahlung, welche auf Grund der hohen Albedo der Schneeoberfläche reflektiert wird (kühlender Effekt) (Phillips, 2008). Eine geringe Schneeauflage kann demnach auch für einen verminderten Erwärmungstrend Ende des 20. Jahrhunderts im ältesten Permafrost-Bohrloch bei Murtèl-Corvatsch (Engadin) verantwortlich gemacht werden (ONERC, 2008). Allerdings zeigt sich auch hier ein Temperaturanstieg von 1-1,5 ◦ C für die Periode von 1880-1950, danach aber eine stabile Phase bis 1980. Entsprechend kann man für diese Erwärmung von einem Anstieg der unteren Permafrostgrenze um 150 - 250 m ausgehen (Haeberli et al., 1993). Die Oberflächendurchschnittstemperatur des dünnen alpinen Permafrosts liegt zwischen dem Schmelzpunkt und -3 ◦ C. Bei einem Anstieg der 0◦ - Grenze könnten in kurzer Zeit grosse Flächen auftauen. Die tieferen, stärkeren Lagen unterliegen längerfristigen Schwankungen über Tausende von Jahren und reagieren sehr träge auf Grund der höheren Wärmekapazitäten von Eis und Boden gegenüber der Luft (OcCC, 2003). Jedoch kann durch die Fraktionierung des Gesteins eindringendes Wasser auch in grösseren Tiefen ein Auftauen bewirken. Durch die abnehmende stabilisierende und plombierende Wirkung von Permafrost kann dabei von einer Zunahme der fluvialen Abtragung ausgegangen werden (Hinzman et al., 2005). Durch den Rückzug der Gletscher von teilweise über 100 m im letzten Jahrhundert ergeben sich des Weiteren Spannungsänderungen in den begrenzenden Felsen und Moränen, welche nun zudem der Sonneneinstrahlung und dem Frostdurchgang ausgesetzt sind, was wiederum eine verstärkte physikalische Verwitterung nach sich ziehen wird (Haeberli et al., 1997). Von einer generellen Zunahme von beispielsweise Bergstürzen bei kleineren bis mittleren Felspartien kann trotz einer Erwärmung allerdings nicht ausgegangen werden, jedoch von einer Häufung von kleinen bis mittleren Sturzereignissen im Frühjahr. Durch winterliche Temperaturen und Frost-Tau-Wechsel werden Felspartien gelockert; zur Zeit der Schneeschmelze und der ersten Frühjahrsniederschläge erfolgen dann Steinschlag und Stürze (Gruner, 2008). 48 2.4 Auswirkungen auf alpine Einzugsgebiete 2.4.4 Blockgletscher, Thermokarst und Gletscherseen In engem Zusammenhang mit Permafrost steht das Auftreten von Blockgletschern (siehe Kapitel 2.1.1). Kaeaeb et al. (2007) zeigen, dass die Lufttemperatur statistisch als der dominierende Faktor bezüglich der Fliessgeschwindigkeit von Blockgletschern angesehen werden kann, besonders jener mit Grundtemperaturen nahe 0 ◦ C. Daher kann davon ausgegangen werden, dass höhere Blockgletschertemperaturen zu einer signifikanten, wenn auch räumlich wie zeitlich stark variierenden Geschwindigkeitserhöhung der Fliessbewegung führen werden (von Roer (2005) bei der Untersuchung von 34 intakten Blockgletschern in den Walliser Alpen bestätigt). Führt der Verlust an Eis schliesslich zu einer derart starken Deformation, dass der ganze Prozess zum Stillstand kommt, geht die Fliessform von einem aktiven in einen inaktiven Zustand über. Ein das Tauen des Permafrosts in den Schuttmassen verstärkender Prozess ist dabei die Ausbildung von sogenanntem Thermokarst. Dabei verursacht flüssiges Wasser in Depressionen durch seine höhere thermische Energie, begünstigt auch durch die sommerliche Einstrahlung, ein weiteres Auftauen des darunterliegenden und angrenzenden Permafrosts oder Gletschereises (Abb. 2.23). Die positive Rückkopplung dieses Vorgangs, bedingt durch konvektiven Wärmetransport im See, dem Absinken von 4 ◦ C kaltem Wasser, der weiteren Abkühlung im Kontakt zu Permafrost/Eis und nachfolgendem Wiederaufstieg, berechtigt zu der Annahme, dass die Häufigkeit und Bedeutung von Thermokarstseen im Kontext eines sich erwärmenden Klimas zunehmen wird (Kaeaeb and Haeberli, 2001). Genauere Abschätzungen über die zukünftige Entwicklung und Verbreitung von Blockgletschern sind jedoch gerade auf Grund der verzögerten Reaktion eisverbackener Massen nicht möglich. Die Ausbildung von Thermokarst ist jedoch nicht auf Blockgletscher beschränkt. Durch den starken Rückzug der Gletscher in den vergangenen Jahren kommt es an den Zungen zu einem regelrechten Zerfall der Eismassen. Es bilden sich zunehmend temporäre Gletscherrandseen in unkonsolidiertem Lockermaterial aus. Durch plötzliches Versagen der Moränenbegrenzungen können diese Seen (in kleineren Ausmassen Wassertaschen) ausbrechen und verheerende Sturzfluten verursachen. Das geschieht häufig in Form von katastrophalen Murgängen (Hae- 49 2 Grundlagen Abb. 2.23: Beispiel der Entwicklung eines Thermokarstsees über 25 Jahre. Gezeigt ist die solare Einstrahlung, der konvektive Wärmetransport im See und die subsequente Eisschmelze (Kaeaeb and Haeberli, 2001) berli et al., 1997), was in den letzten Jahren verstärkt aufgetreten ist (Chiarle et al., 2007). Dabei wurden Abflussraten von bis zu 30’000 m3 s−1 beobachtet (Richardson and Reynolds, 2000). Eine Zunahme in Anzahl und Magnitude von Hochwässern auf Grund ausbrechender Thermokarstseen ist damit ein wahrscheinliches Szenario (Willis, 2005). 2.4.5 Murgänge und Rutschungen Das Gefahrenpotential von Massenbewegungen, insbesondere von Murgängen wird durch viele Berichterstattungen der letzten Zeit auch der breiten Öffentlichkeit bewusst. Anhand von Jahresringanalysen haben Stoffel and Beniston (2006) für den Ritigraben im Kanton Wallis das Auftreten von Murgängen seit 1570 untersucht. Nach einer Zeit der verminderten Aktivität vom 16. bis Mitte des 19. Jahrhunderts, zeigten die warmen und feuchten Jahre 1916 - 1935 ein verstärktes Auftreten von Murgängen; von 1860 - 1980 können besonders sommerliche Unwetter als Auslöser angegeben werden. Seit 1987 zeigt sich eine Verschiebung der Ereignisse vom Sommer in den Herbst, welche mit einer Häufung von herbstlichen Starkniederschlägen in Verbindung gebracht wird (Schmidli and Frei, 2005). 50 2.4 Auswirkungen auf alpine Einzugsgebiete Abb. 2.24: Modellierte Anzahl der Extremniederschläge für die Periode 2071-2100 über dem 99%Quantil (Tagesniederschlag über 60mm) für das IPCC A2-Szenario (Stoffel and Beniston, 2006) Wurden in der Vergangenheit die meisten Murgänge im Sommer ausgelöst, so könnten ihre Frequenz im Zuge der vorhergesagten Klimäerwärmung zu dieser Jahreszeit abnehmen, da sich die Aufrittswahrscheinlichkeit von Starkniederschlägen gegen Ende des 21. Jahrhunderts in Richtung Frühling oder Herbst zu verschieben scheint (Abb. 2.24; siehe auch Kapitel 2.3.3) und die saisonale Temperatur dann nicht die rezente Sommertemperatur erreichen wird. Es kann also in diesen Fällen von einem dämpfenden Einfluss der Schneeauflage und somit von einer verminderten Murgangwahrscheinlichkeit in den entsprechenden Auslöseregionen ausgegangen werden. Jedoch könnte auch der erhöhte Frühlingsabfluss bei ergiebigem Niederschlag auf vorhandenen Schnee und durch genügend Zutrag ausreichender Sedimentmengen ein volumetrisches Anwachsen der sommerlichen Murgänge bewirken, auch wenn die Frequenz der Sommerniederschläge und damit der Murgänge selbst abnimmt (Beniston, 2006). Die Mechanismen, die zu einem Murgang führen, sind abhängig von klimatischen und hydrologischen sowie sedimentologischen Faktoren. Es treten Murgänge sowohl nach kurzen Starkniederschlägen als auch nach langanhaltenden Landregen und Stürmen auf (Jakob and Lambert, 2009). Nach Erkenntnissen von Bardou and Delaloye (2004) sind insbesondere auch Eisformationen im Boden oder Lawinenablagerungen von entscheidender Bedeutung für die Auslösung. Dabei kann beispielsweise der Wuchs von Eisnadeln und ein oberflächiges Gefrieren des Bodens vor einem Starkniederschlagsereignis einerseits stabilisierende Bodenaggregate zerstören, 51 2 Grundlagen andererseits auch die Infiltrationskapazität verringern und somit den Oberflächenabfluss erhöhen. Lawinenablagerungen können als Gleitbahn fungieren (besonders bei Sommerstürmen), allerdings auch die Aufschlagsenergie (splash-effect) der Regentropfen reduzieren (besonders bei Winterstürmen). Indes ist es bisher nicht möglich, entsprechende Grenzwerte für Vorraussagen zu implementieren. Einen signifikanten Zusammenhang zwischen Gletscherdynamik, der Ausbildung von Thermokarst und Murgangaktivitäten belegen Seinova et al. (2007) für die letzten 1’500 Jahre im zentralen Kaukasus. Ein Grossteil der katastrophalen Murgangereignisse traten dabei während Rückzugsperioden der Gletscher vom 5. - 7. Jahrhundert und seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bis heute auf und stehen in Zusammenhang mit thermaler Erosion und dem darauffolgendem Ausbruch von Gletscherseen. Daher kann nach Seinova et al. (2007) auf Grund des rezenten Gletscherrückgangs auch mit einer anhaltenden Aktivität bis mindestens Mitte des 21. Jahrhunderts gerechnet werden. Ähnliches zeigt Yafyazova (2003) (und weitere russische Publikationen) für den Transili Alatau in Kasachstan, wo bei einer Erwärmung der sommerlichen Globaltemperatur von 2 - 3 ◦ C ein starker Anstieg der glazial bedingten Murgangaktivität und -ausmasse angenommen wird, jedoch bei einer Abkühlung von nur 1 ◦ C nahezu keine derartigen Ereignisse mehr auftreten würden, wie dies auch schon zu Glazialzeiten der Fall war. Bei besagter Erwärmung wird von einer Aridifizierung der mittleren und tieferen Bergregionen ausgegangen, weshalb auf Grund des Vegetationsrückgangs entsprechend viel erodierbares Material zur Verfügung stehen wird, welches durch zunehmende Starkregen in den höheren Regionen aufgenommen werden kann (niederschlags-induzierte Murgänge). Jedoch werden auch glazial induzierte Murgänge zunehmen (Yafyazova, 2007). In Studien über den Einfluss des Klimawandels auf die regionale Murgangaktivität im Massif des Ecrins (französische Alpen) zeigten Jomelli et al. (2004, 2007b) einen Anstieg der Auslöseregionen, jedoch auch die entscheidenden Abhängigkeit der einzelnen Ereignisse von spezifischen Kombinationen geologischer Gegebenheiten (Morphologie, Lithologie, Sedimentverfügbarkeit) und klimatischer Faktoren (Temperatur, Niederschlag, Frostdauer, Schneeauflage). Sie wiesen darauf hin, dass auch bei einer Temperaturzunahme und einem Gletscherverschwinden gerade in Regionen über 2’200 m jedes untersuchte Tal 52 2.4 Auswirkungen auf alpine Einzugsgebiete unterschiedlich reagieren wird, zum Teil sogar gegensätzlich, weshalb eine allgemeine Trendaussage (für die Alpen) bezüglich Murgängen nicht möglich ist. Rutschungen als denudative Abtragsform korrelieren mit niederschlagsreichen Jahren. Die seit den 1970er Jahren erhöhten Niederschläge in der Westschweiz und besonders die zunehmenden Winterniederschläge haben daher zu einer Zunahme der Ereignisse geführt. Zukünftige klimatische Änderungen dürften sich in Abhängigkeit der Luft- wie Bodentemperaturen, der Niederschlagsform und Schneedeckenhöhe auf die Stabilität von grossen Rutschungen auswirken. Schwindender Permafrost setzt grosse Mengen unkonsoldierten Materials an steilen Hängen frei, welches, ähnlich der Solifluktion, abrutschen kann. Eine Zunahme flüssiger Niederschläge und Intensivierung des Wasserkreislaufes kann sich negativ auf die Hangstabilitäten auswirken (OcCC, 2003). Quantitative Prognosen sind allerdings auch hier nicht, beziehungsweise nur sehr regionalspezifisch möglich. 2.4.6 Sedimentbilanz Der sich entsprechend den aufgeführten Veränderungen vollziehende Wandel der glazial geprägten alpinen Einzugsgebiete hat auch bezüglich der Verfügbarkeit von Sedimenten entscheidende Auswirkungen: Neben der schon mehrfach angesprochenen Freisetzung von ursprünglich eisgebundenen Schuttmassen im Periglazialraum, hinterlassen die abschmelzenden Gletscherflächen glaziale und glazifluviale13 Sedimente in Form von Moränen, welche weder durch Vegetation, bodenbildende Prozesse noch Permafrost stabilisiert sind. Das unkonsolidierte Material unterliegt deshalb weit stärker den (nicht glazial geprägten) denudativen und erosiven Prozessen in Tabelle 2.1 als die Periglazialflächen (Zepp, 2008). Somit kann im Zeitraum nach dem Abschmelzen des Gletschereises, dem sogenannten Paraglazial, mit einer verstärkten Mobilisierung von Sedimenten gerechnet werden (Zepp, 2008). Church and Ryder (1972) erstellten an Hand von Studien über die spät- und postglaziale Entwicklung zweier Regionen in Kanada für diese Phase ein Konzept der paraglazialen Sedimentation (Abb. 2.25), welches in den folgenden Jahren weiterentwickelt und ergänzt wurde; 13 durch glaziale Erosionsprozesse gebildete Sedimente, welche durch Schmelzwässer im Bereich des Gletschers fluvial verlagert wurden 53 Ende der paraglazialen Periode Abschluss des Gletscherrückzugs Beginn des Gletscherrückzugs Sedimentlieferung (dimensionslose Skala) 2 Grundlagen Geologisch bedingte „Norm“ Zeit Proglaziale Periode Paraglaziale Periode Abb. 2.25: Modell der paraglazialen Entwicklung der Sedimentfracht eines vergletscherten hydrologischen Einzugsgebietes. Mit dem Einsetzen des Gletscherrückzugs endet die Bereitstellung glazialer Sedimente und die Fracht fällt von einem zunächst hohen Level asymptotisch ab, bis sie gegen Ende des Paraglazials die sogenannte geologisch bedingte „Norm“ eines unvergletscherten Einzugsgebiets erreicht. Der Zeitabschnitt des Gletscherrückgangs kann als proglaziale Periode (vor dem Eis) bezeichnet werden (verändert nach Church and Ryder (1972)) für eine diesbezügliche Diskussion weiterer Ansätze sei etwa auf Otto (2006) verwiesen. Generell zeigen alle entsprechenden Modelle mit dem Beginn des Gletscherrückgangs zunächst einen kurzen starken Anstieg, gefolgt von einer abfallenden Kurve der Sedimentfracht bis hin zum Ende der Paraglazialperiode. Dieses tritt ein, wenn die glazialen Sedimente aufgebraucht sind oder mit einem Neigungsverlust der Moränen und damit verringerter Erosionsenergie ein Gleichgewichtszustand zwischen nichtglazialer Sedimentproduktion und -abtrag erreicht worden ist (Otto, 2006; Zepp, 2008). Für die Abschätzung, ob sich zurückziehende Eismassen anstehendes Gestein oder Lockersedimente freigeben, entwickelten Zemp et al. (2005) einen Index, welcher über die Abschätzung der Erosions- und Sedimentationstätigkeit eines Gletschers Aussagen über dessen Sohle zulässt. 54 2.4 Auswirkungen auf alpine Einzugsgebiete Zusammenfassend kann davon ausgegangen werden, dass auf Grund des Gletscherrückganges der verstärkte Abtrag der unbedeckten Glazialsedimente erfolgen wird. Abschmelzender Permafrost dürfte grosse Mengen unkonsolidierten Hangschutts (und auch Moränenschutts) freisetzen, welche durch die in Tabelle 2.1 aufgeführten Prozesse denudativ, wie erosiv abgetragen werden können. Die Geschwindigkeit von Blockgletschern und anderen Gelifluktionserscheinungen könnte transient (vorübergehend) zunehmen und somit zu einer positiven Sedimentbilanz beitragen, jedoch bei weiter steigenden Temperaturen bald zum Stillstand kommen, wobei das bewegte Materialvolumen dann wieder den Hangschuttmassen zugeordnet werden kann. 2.4.7 Ökosystemänderungen Jegliche klimatische Veränderungen haben auch Auswirkungen auf die Ökosysteme zur Folge. Die gegenwärtige Temperaturerhöhung bedingt einen zu beobachtenden Anstieg der Vegetationszonen, welcher sich auch in Zukunft fortsetzen wird. Es wird von einer vertikalen Verschiebung von 150 m ◦ C−1 Erwärmung ausgegangen (ONERC, 2008), was gut mit dem Anstieg der Gletscher-Gleichgewichtslinie korreliert. Dabei kommt es im Zusammenspiel mit der Vegetationsentwicklung und einer erhöhten Temperatur, beziehungsweise einer veränderten Niederschlagscharakeristik zu einer verstärkten Verwitterung und Bodenbildung. Hierbei gilt es jedoch unterschiedliche Zeitskalen zu berücksichtigen. Die Vegetation der subalpinen und alpinen Zone, sowie die Waldgrenze (Linie oberhalb des geschlossenen Waldes) scheinen im Allgemeinen eher langsam auf den rezenten Klimawandel zu reagieren (Egli et al., 2008); letztere müsste in den Alpen ansonsten seit dem Jahre 1900 auf Grund der Erwärmung schon um 200 bis 300 m angestiegen sein (Zimmermann et al., 2006). Es ist also mit einigen Jahrzehnten bis zu Wiederbesiedlungen, Bodenbildungsprozessen und damit Stabilisierung auf eisfreien Flächen der Gletschervorfelder und Moränenablagerungen in hochalpinen Bereichen zu rechnen (Kaeaeb et al., 2005). Die Waldgrenze verschiebt sich relativ langsam. So sprechen Chapin et al. (2005) von einem Anstieg der Tundra-Waldgrenze in Alaska von 100 m in den letzten 50 Jahren. Shiyatov et al. (2007) ermittelten für den Polarural dagegen nur einen Anstieg von 25 beziehungsweise 35 m für die Grenze des offenen (Baumgrenze: höchstgelegene, aufrecht wachsende Baumindividuen) 55 2 Grundlagen respektive geschlossenen Waldes (Waldgrenze) (Hagedorn et al., 2006), wobei rein auf Grund der beobachteten Temperaturerhöhung bis 100 m möglich wären. Gegen diesen angenommenen langsamen Trend belegten Cannone et al. (2008) jedoch in einer Studie im Vorfeld des Sforzellina Gletschers in den italienischen Alpen eine stark beschleunigte Besiedelung gerade eisfrei gewordener Flächen trotz relativ geringer sommerlicher Erwärmung. Auch GehrigFasel et al. (2007) berechneten allein für den Zeitraum 1985 - 1997 einen Anstieg der Abb. 2.26: Waldgrenzanstieg in der Schweiz in Baumgrenze in der Schweiz von 28 m im Meder Periode zwischen 1979/85 und 1992/97: Wald- dian und 37,9 m im Mittelwert bei einer Lage flächenanstiege in [ha] in allen Gebieten zwischen zwischen 1650 und 2450 m (Abb. 2.26). In- 1650 und 2450 m Höhe, ohne eingewachsene Flä- sofern ist die abzusehende Stabilisierung der chen (Gehrig-Fasel et al., 2007) hochalpinen Schutthalden und frischen eisfreien Flächen durch aufkommende Vegetation in den kommenden Jahrzehnten und Jahrhunderten zu erwarten (Abb. 2.27 a), jedoch auch unter Einbeziehung von Landnutzungsänderungen (Abb. 2.27 b) zu betrachten und insofern lokationspezifisch nicht voraussagbar. 2.4.8 Hydrologische Auswirkungen Wie schon angesprochen (Kapitel 2.3.2 und oben) werden massgebliche Veränderungen der regionalen wie saisonalen Niederschlagscharakteristik sowie eine Intensivierung des hydrologischen Kreislaufs vorausgesagt. Der entsprechende Wandel in den Abflüssen wird sich in veränderten hydrologischen Regimes niederschlagen. Bisher hat in der Schweiz mit der Erwärmung auch die Verdunstung zugenommen (um 105 mm, das entspricht 23 %), der Verlust der Gletschermasse von rund 50 km3 beziehungsweise im Durchschnitt 12 mm a−1 (+1,2 %) zum Abfluss beigetragen. Der Abfluss ist dabei im Jahresmittel nahezu konstant geblieben (OcCC, 2007). Die Frequenz der schweizer Hochwasserereignisse im letzten Jahrhundert zeigt keine eindeutigen Trends. Schwierigkeiten bei den entsprechenden Erhebungen sind einerseits sta- 56 2.4 Auswirkungen auf alpine Einzugsgebiete Abb. 2.27: Simulierter Waldgrenzanstieg in der Schweiz: a) Anstieg unter der Annahme einer Temperaturerhöhung um 3,5 ◦ C, b) Anstieg unter zusätzlicher Landnutzungsänderung. Dargestellt sind auch die zugehörigen Unsicherheiten (Zimmermann et al., 2006) tistischer Natur (Extremereignisse sind per Definition selten), können andererseits aber auch der anthropogenen Beeinflussung der Gewässer zugeschrieben werden (OcCC, 2003; Schaedler, 2000). Die projizierte Zunahme der Extremniederschläge deutet auf einen damit verbundenen Anstieg der Hochwasserfrequenz in Höhenlagen unter 1500 m hin, insbesondere im Winter, möglicherweise aber auch im Sommer. In alpinen Einzugsgebieten mit meist sommerlichen Hochwässern nach Starkniederschlägen ist die Abschätzung noch sehr unsicher. Winterniederschläge in Form von Schnee sind auch bei einer Zunahme nicht abflussbildend, jedoch könnte es im Frühling durch eine Überlagerung der verstärkten Schneeschmelze mit zunehmenden Niederschlägen vermehrt zu beschleunigten und damit hohen Abflüssen kommen. Im Sommer ist allgemein mit trockeneren Böden und weniger Schmelzwasser zu rechnen, jedoch durch den Anstieg der Nullgradgrenze auch mit schnellen Auswirkungen von Starkniederschlägen, welche als Regen niedergehen und damit abflusswirksam sind. (OcCC, 2003, 2007). Huss et al. (2008) berechneten die zukünftigen Abflussganglinien (Periode 2007 - 2100) für einen Komplex von drei stark vergletscherten Einzugsgebieten im Kanton Wallis mittels eines glazio-hydrologischen Modells unter Verwendung einer Auswahl dreier Szenarien aus OcCC (2007). Auf Grund der sich fortsetzenden starken Gletscherschmelze zeigt der jährliche Ab- 57 2 Grundlagen fluss zunächst einen Anstieg (Abb. 2.28). Nach einigen Dekaden, jeweils abhängig von den unterschiedlichen Einzugsgebietseigenschaften und der Wahl des Szenarios, stabilisiert er sich und fällt dann unter den aktuellen Betrag ab. Es zeigen sich Abflusszunahmen im Frühling und Frühsommer und eine Verlängerung der Schmelzperiode, dagegen signifikante Abnahmen im Juli und August. Der Rückgang der Gletscherfläche bewirkt somit eine Verschiebung von einem glazialgeprägten zu einem von der Schneeschmelze geprägten hydrologischen Regime (siehe Kapitel 2.1.3). Damit lassen Abflussregimes vergletscherter Einzugsgebiete eine dominante Abhängigkeit von der Temperaturentwicklung erkennen; in tiefer gelegenen, unvergletscherten Gebieten dagegen hat die Niederschlagsentwicklung einen bedeutenderen Einfluss (Braun et al., 2000; Horton et al., 2006; Schaefli et al., 2005b). Die Wahl der Szenarien von Huss et al. (2008) erfolgte als zwei Extreme und ein Medianwert. Szenario 1 nimmt im Rahmen der berechneten Konfidenzintervalle in OcCC (2007) den niedrigsten Temperaturanstieg und den höchsten Niederschlagsanstieg an und ist damit am günstigsten für die Gletscherentwicklung (kalt und feucht). Szenario 3 dagegen nimmt die stärkste Temperaturerhöhung und höchste Niederschlagsreduktion an (warm und trocken); Szenario 2 spiegelt die jeweiligen Medianwerte wider (siehe auch Kapitel 2.3.1 und 2.3.2)14 . Nach diesem Szenario steigt der Jahresabfluss zunächst für 2 - 4 Jahrzehnte an. Das Jahr 2025 zeigt für den Abfluss von Juli bis August eine Zunahme von 42 % im Vergleich zu 1961 - 1990, was auf die erhöhte Eisschmelze zurückgeführt werden kann. Im Jahr 2025 liegt das jährliche Abflussvolumen bei +48 %, dann sinkt es bis gegen Ende des Jahrhunderts wieder auf rund +11 % über dem heutigen Niveau ab (Abb. 2.28). Es lässt sich ein signifikanter Trend bezüglich der Länge der Schmelzpriode erkennen. Der Spitzenabfluss tritt in den ersten beiden Dekaden zunächst weiterhin im Juli auf und verschiebt sich dann in Richtung Mai, was auf das Schwinden der Eismassen und damit die erwähnte Verschiebung des Abflussregimes zurückzuführen ist. Der Einfluss der Gletscherschmelze auf den Gesamtabfluss nimmt somit immer stärker ab. Gegen das Jahr 2100 zeigen die Szenarien 2 und 3 für Juli-August einen signifikant geringeren Abfluss als aktuell an (-55 % beziehungs- 14 Zur Berücksichtigung jährlicher Schwankungen der meteorologischen Variablen mit beträchtlichem Einfluss auf den Abfluss sind den Szenarien jeweils zufällige Abweichungen überlagert 58 2.4 Auswirkungen auf alpine Einzugsgebiete Abb. 2.28: Berechnete Jahresabflussganglinien für den Glacier de Moming (Kanton Wallis) für die Vergangenheit (1961-1990) und vier zukünftige Momentaufnahmen. Die Vergletscherung des Einzugsgebiets steht jeweils in Klammern. (a) Szenario 1 (kalt und feucht), (b) Szenario 2 (Median), (c) Szenario 3 (warm und trocken) (Huss et al., 2008) 59 2 Grundlagen weise -92 %), dagegen eine Zunahme von 190 % respektive 66 % für Mai - Juni auf Grund des früheren Einsatzes der Schmelzperiode und einen dem zunehmenden Niederschlag geschuldeten Anstieg im Herbst, welcher bisher für alpine Regimes untypisch ist (Horton et al., 2005) (vergleiche Abb. 2.5). Verbunden damit und gleichzeitig bedingend wirkt ein starker Anstieg der Evaporation auf den eisfreien Flächen und ein Anstieg der Gletschergleichgewichtslinie von 800 m. Im Vergleich zu diesen Entwicklungen zeigt sich der Abfluss in Szenario 1 weit weniger verändert. Gegen 2100 kommt es hier sogar im Sommer zu einer Abflusszunahme von 26 %. Es zeigt sich nur eine geringe Verschiebung der Abflussspitze Richtung Sommer (Huss et al., 2008). Horton et al. (2005) berechneten vergleichbare Werte für ihre elf untersuchten Einzugsgebiete. Für die Saaser Vispa betrug die jährliche Abflussänderung für ihr +1 ◦ C-Szenario (2020-2049) jedoch -5 % (Extremwerte -10/-2 %), für die A2- und B2-Szenarien jeweils -17 % (-34/-9 %) und -13 % (-21/-5 %). Es zeigt sich auch hier eine entsprechende Verschiebung der Abflusspitzen in den Frühling und eine signifikante Abnahme der sommerlichen Abflüsse; ebenso beobachtbar ist eine leichte Zunahme der winterlichen Abflüsse. Der Wandel des Abflussregimes wurde anhand sich verändernder Pardé-Koeffizienten dargestellt. Auffällig ist bei der Saaser Vispa ein Anstieg des minimalen Koeffizienten von aktuell 0,06 auf 0,1/0,29/0,15 entsprechend den Szenarien und des Rückgangs der Amplitude von einem Monat zum nächsten von 46 auf 26/8/17. Der maximale Koeffizient ändert sich demgegenüber nur gering von 2,86 auf 2,66/2,41/2,69. Auch das gehäufte Auftreten von Gletscherseeausbrüchen hat einen bedeutenden Einfluss auf das Abflussgeschehen. Im Himalaya (Nepal und Bhutan) beispielsweise gab es in den 1950er Jahren ungefähr eine entsprechende Flut pro Dekade, in den 1990er Jahren war es bereits eine Flut in drei Jahren und es wird angenommen, dass es bis zum Jahr 2010 eine Flut pro Jahr sein wird (Richardson and Reynolds, 2000). Da sowohl von einer Zunahme der Frequenz wie auch der Grösse derartiger Ereignisse zu rechnen ist, muss von einer verstärkten Gefährdung der Infrastruktur und Zivilisation ausgegangen werden (Kaeaeb et al., 2005). Der projizierte Anstieg der Schneefallgrenze lässt weiterhin auf höhere Abflussspitzen schliessen, die winterlichen Abflüsse und damit die Hochwasserwahrscheinlichkeit in dieser Jahreszeit wird zunehmen, im 60 2.4 Auswirkungen auf alpine Einzugsgebiete Sommer dagegen abnehmen (OcCC, 1998). Bei einer Erwärmung der Atmosphäre um 1◦ C ist dabei von einer Zunahme des Wasserdampfgehalts um 6 % auszugehen (Gesetz von ClausiusClapeyron), was auch zu einer Intensivierung des Wasserkreislaufes beiträgt (OcCC, 2003). Die Abnahme der Permafrostverbreitung wird die Bedeutung des Basisabflusses in hochalpinen Gewässern auf Grund der erhöhten Infiltrationskapazität ungefrorener Böden steigern (Hinzman et al., 2005), womit sich ein Niederschlagsereignis langsamer und gedämpfter in der Abflussganglinie eines entsprechenden Gewässers äussern dürfte. Somit kann allein von erhöhter Niederschlagsintensität noch nicht auf erhöhte Abflussspitzen geschlossen werden (BWG (2000)) zitiert in Ecoplan/Sigmaplan (2007)). Nach Naef et al. (1998) dürfte auch eine Zunahme der Niederschlagsmenge oder -intensität um je 20 % nicht zu einem überproportionalen Anstieg des Oberflächenabflusses führen, da das Retentionsvermögen der schweizer Böden noch nicht ausgeschöpft ist. 2.4.9 Wasserwirtschaft und Energieerzeugung Die sich abzeichnenden klimatischen Veränderungen mit ihren hydrologischen Auswirkungen werden einen massgeblichen Einfluss auf die schweizer Wasserwirtschaft haben. Während die Stromproduktion bisher von relativ konstanten Abflussverhältnissen ausgehen konnte, muss in Zukunft mit starken regionalen, saisonalen und auch volumetrischen Veränderungen gerechnet werden (Wyer, 2008). Im Moment liefern die tauenden Gletscher besonders im Wallis viel Schmelzwasser. Im heissen Sommer 2003 stieg der Schmelzverlust auf das 5-fache des „normalen“ Verlustes und ermöglichte so eine Energieproduktion, welche nur 0,8 % unter dem zehnjährigen Mittel lag, obwohl der mittlere Jahresniederschlag nur 70 - 85 % des üblichen Wertes betrug (OcCC, 2005). Eine derartige Kompensation wird jedoch in Zukunft mit dem weiteren Schwund der Gletscher nachlassen und besonders für Flusskraftwerke ohne Retentionsraum ein Sommerloch und damit Produktionseinbussen zur Folge haben (Hauenstein, 2005; Zappa et al., 2008). Auf Grund der vorausgesagten zunehmenden winterlichen und abnehmenden sommerlichen Abflüsse ist diesbezüglich mit einer leichteren Bewirtschaftung der Wasserressourcen zu rechnen (Horton et al., 2005). Nimmt der Winterabfluss zu, könnten Flusskraftwerke mehr Strom zur Hauptenergiebedarfszeit erzeugen, der Speicherraumbedarf tieferliegender Einzugsgebiete würde abnehmen; auch würden sich Mindestabflussprobleme im 61 2 Grundlagen Winter und Frühling ent-, dafür allerdings im Sommer und Herbst verschärfen. Dagegen wird die verstärkte Abhängigkeit der Abflüsse vom Niederschlagsregime möglicherweise zu weit stärkeren Schwankungen führen (Horton et al., 2005) und die Stromproduzenten zwingen, sich mit einer verstärkten Variabilität auseinanderzusetzen (M. Zappa in Wyer (2008)). Westaway (2000) berechnete mittels eines einfachen Modells unter der Annahme einer globalen Erwärmung von 1,4◦ C für das gesamte Einzugsgebiet des Lac des Dix (Kanton Wallis) bis zur Periode 2031 - 2060 eine Zunahme der Seeeinspeisung von 26 % mit dem stärksten Anstieg des Seespiegel im Juli. Nach Erkenntnissen von Lehner et al. (2005) dürfte die Änderung des Jahresabflussvolumens für die Schweiz bis zum Jahre 2070 jedoch um über 14 % abnehmen. Allerdings ist diese Angabe ein Mittelwert über alle schweizer Wasserkraftanlagen. In einer Studie über Modellunsicherheiten bezüglich der Auswirkungen des Klimawandels auf Wasserressourcen zeigte Schaefli (2005) signifikant negative Auswirkungen auf die Energieproduktion für das Kraftwerk Mauvoisin in den Walliser Alpen auf. Als Folge der bedeutenden Abnahme des Jahresabflusses und der Modifikation des hydrologischen Regimes wird im Vergleich zur Kontrollperiode von 1961 - 1990 die simulierte Wasserkraftproduktion bis zur Periode 2070 - 2099 voraussichtlich um 36 % abnehmen. Das geht einher mit einem Temperaturanstieg von 3,4 ◦ C, einer Niederschlagsabnahme von 8 %, einem bedeutenden Anstieg der Evaporation und einem Rückgang der prozentualen Gletscherfläche von 41 auf 1,4 % im betrachteten Einzugsgebiet. Dabei entspricht die historische Abflusscharakteristik einem glazialen Regime mit monatlichen Spitzenabflüssen im Juli und August, die zukünftige einem nivalen Regime mit einem Maximalabfluss im Juni (siehe Abb. 2.5), was auch eine Verschiebung der Gesamtstromproduktion um 7 % vom Winter in den Sommer nach sich zieht (Schaefli et al., 2007). Verbunden mit einer anzunehmenden Steigerung und Veränderung der Saisonalität der Stromnachfrage (vermehrt sommerliche Kühltage und vermindert winterliche Heiztage) bedarf es kurz- und langfristiger strategischer Planungen der Kraftwerksbetreiber (Zappa et al., 2008), welche das Phänomen Klimawandel und seine komplexen Auswirkungen miteinbeziehen. Ein grundlegender Schritt in diese Richtung ist die Initiierung des Forschungsprojektes ‘Klimaänderung und Wasserkraftnutzung‘, sowie der sektoriellen Studie ‘Wallis, Wasserkraft, Klimawandel‘ (siehe Kapitel 1.2), deren Teil auch diese Arbeit ist. 62 3 Modellkonzept Im Folgenden werden die beschriebenen hydromorphologischen Prozesse in Zusammenhang zueinander gesetzt und im Rahmen eines Systemmodells auf die Sedimentlieferung in alpinen Einzugsgebieten angewandt. Damit sollen einerseits die komplexen Interaktionen und Auswirkungen dargestellt, andererseits eine Bestimmung der die Sedimentlieferung massgeblich beeinflussenden Prozesse und wichtigen Elemente ermöglicht werden. Ausgehend davon werden daraufhin Szenarien für eine zukünftige Entwicklung der hochalpinen Regionen des Kantons Wallis im Kontext des Klimawandels erstellt, welche als Grundlagen für weiterführende Berechnungen bezüglich des quantitativen Sedimenttransports und damit der Verlandung dienen können. Abschliessend folgt eine Zusammenstellung der notwendigen Parameter und Arbeitsschritte zur Untersuchung der Entwicklung des Sedimenttransports unter einem sich ändernden Klima im Hinblick auf die Verlandung von Stauseen. 3.1 Systemmodell Zum Verständnis der diskutierten Einflüsse des Klimas auf hydrologisch geprägte morphologische Prozesse im alpinen Raum soll zunächst das vielschichtige Wirkungsgefüge des Systems Gletscher - Hang - Bach - Stausee als vereinfachendes Systemkonzept dargestellt werden. Dabei wird ein Systemansatz der physischen Geographie nach Chorley and Kennedy (1971) verfolgt, welcher geomorphologische und hydrologische Elemente im Sinn eines sogenannten Sedimenttransfer - Modells verbindet. Ein System ist nach Chorley and Kennedy (1971) eine strukturierte Menge von Objekten und/oder Attributen, welche ihrerseits aus Komponenten oder Variablen bestehen. Diese können verschiedene Grössen annehmen und stehen in erkennbaren Beziehungen zueinander. Sie 63 3 Modellkonzept arbeiten als komplexes Ganzes gemäss eines beobachtbaren Musters zusammen und sind durch einen Austausch an Energie und Masse gekennzeichnet. Es existieren funktional betrachtet isolierte, geschlossene und offene Systeme, wobei erstere in der Natur eigentlich nicht vorkommen, zweitere nur den Energiefluss zulassen und letztere einen in ständigem Austausch an Energie und Masse nach einem Gleichgewicht streben (Chorley and Kennedy, 1971). Der in dieser Arbeit betrachtete Bereich Einzugsgebiet bis Stausee kann bezüglich des Sedimenttransportes als sogenanntes Kaskadenmodell beschrieben werden. Darunter wird eine Aneinanderreihung von offenen, abgrenzbaren Subsystemen verstanden, bei denen der Austrag des einen (Output) den Eintrag des anderen (Input) Subsystems bildet. Angetrieben wird das System dabei vom terrestrischen Hauptsystem, der solaren Energiekaskade. Innerhalb eines Subsystems sorgen Regler für die temporäre oder zeitlich unbegrenzte Speicherung, die Umlagerung, den Austrag sowie den Durchlauf (Throughput) von Sedimenten. Als solche klassifizieren Chorley and Kennedy (1971) in Grenzwert-, Abb. 3.1: Alpines Sedimenttransfer - Modell nach Caine (1974) aus Nyenhuis (2005). Die Pfeile zeigen Richtung und relative Stärke der entsprechen- Dispositions- und Präsenz- Regulatoren, welche jeweils anhand eines spezifischen Wertes entscheiden, was mit dem betrachteten Sedi- den Transportpfade ment passiert. Abbildung 3.1 zeigt das alpine Sedimentkaskaden - Modell nach Caine (1974), als Subsysteme sind hier etwa die freie Oberfläche (Free-face), der Hang (Talus), der Talboden (Valley floor) oder der Bach (Stream channel) dargestellt. 64 3.1 Systemmodell Kaskaden - Modell Symbole Input Output Regler Transferprozess Subsystem C Subsystem Transferprozess III Speicher Transferprozess IV D Speicher C Subsystem Subsystem B Transferprozess I Subsystem A Transferprozess II Speicher B Abb. 3.2: Symbolik eines Kaskaden - Modells Die Erstellung der Sedimentkaskade für die betrachtete Problematik des Sedimenttransfers in Stauhaltungen erfolgte unter Verwendung der Symbolik von Chorley and Kennedy (1971), ergänzt durch ein Symbol für den Transferprozess (Otto, 2001), welches erlaubt, die in Kapitel 2.1.2 angesprochenen Prozesse darzustellen (Abb. 3.2). Die Transportpfade, Regler, Speicher (siehe auch Abb. 2.3) und Transferprozesse stellen in diesem Zusammenhang die angesprochenen Komponenten des jeweiligen Subsystems (Objekt) dar. Auf die einzelnen Regler kann im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden, für nähere Erklärungen sei auf Chorley and Kennedy (1971) verwiesen. Auch werden Interaktionen beziehungsweise Rückwirkungen (feedbacks) der einzelnen Elemente, Prozesse und Kaskaden untereinander nicht berücksichtigt; dazu wäre ein komplexeres Prozess - Reaktions - System aufzustellen. Das vorliegende Modellkonzept dient nicht zur Quantifizierung der entsprechenden Transportprozesse, sondern nur zur qualitativen Veranschaulichung. Der Sedimenttransfer erfolgt entlang der Verbindungspfade jeweils von links nach rechts; sie repräsentieren neben Grob- und Feinmaterial prinzipiell auch den Transport von gelösten Stoffen, welcher hier allerdings nicht betrachtet wird. 65 3 Modellkonzept Teilweise in Anlehnung an Otto (2001) wurde mit Hilfe der Prozess- und Speicherzussammenstellungen in Tabelle 2.1 und Abbildung 2.3 an Hand der vier Subsysteme Gletscher, Hang, Gerinne und Stausee der Sedimenttransfer erfasst, welcher die Verlandung von alpinen Stauhaltungen bedingt (Abb. 3.3). Für eine bessere Lesbarkeit sind dabei jeweils mehrere klassifizierbare Transferprozesse aus Tabelle 2.1 zusammengefasst: 66 • [1] Sturzprozess: Blockabsturz, Felssturz, Bergsturz • [2] Glazialerosion: Detersion, Detraktion, Exaration • [3] Rutschung: Hangrutschung, Bergrutschung, Schuttrutschung • [4] Gelifluktion: Kryoturbation, Blockgletscher, Blockströme • [5] Fluvialerosion: Gerinnerosion, Murgänge Atmosph. Staubeintrag Sedimenttransportsystem Einzugsgebiet - Stausee Subsystem Gletscher Gravitation Sturzprozess [1] Input Seiten- und Endmoränen Glazialer Transport Obermoräne Symbole Output Regler Transferprozess Grundlawine Speicher Hangmure Glazialerosion [2] Rutschung [3] Subsystem Spüldenudation Glazifluvialer Transport Grundmoräne Subsystem Gerinne Spülerosion Gravitation Festgestein Bett- und Ufersediment Fluvialerosion [5] Subsystem Hang Sturzprozess [1] fluvialer Transport Hangschutt Gelifluktion [4] Periglazialspeicher Verwitterung Rutschmasse Grundlawine Subsystem Stausee Feinsediment Rutschung [3] Spüldenudation Subsystem Bach Gravitation Spülerosion Grobsediment fluvialer Transport Hangmure Spülung Subsystem Stollen Trübestrom [1] Sturzprozess: Blockabsturz, Fels- und Bergsturz [2] Glazialerosion: Detersion, Detraktion, Exaration [4] Gelifluktion: [3] Rutschung: [5] Fluvialerosion: Gerinneerosion, Murgang Hang-, Berg- und Schuttrutschung Kryoturbation, Blockgletscher, Blockstrom Abb. 3.3: Kaskaden - Modell des Sedimentransportsystems Einzugsgebiet - Stausee. Erklärungen im Text Subsystem Kraftwerk 3 Modellkonzept Die Möglichkeit des direkten Sedimenteintrags vom Gletscher in den Stausee wird hier nicht berücksichtigt, da die Stauhaltungen selten unmittelbar an der Gletscherzunge liegen oder sich diese bereits zurückgezogen hat. Daher erfolgt der massgebliche Sedimenttransport entlang des Gerinnes; seitlicher Eintrag von Hängen ist meist geringerer und episodischerer Natur. Im Folgenden wird jedes der in Abbildung 3.3 dargestellten Subsysteme anhand seiner Eingangsgrössen und den in ihm wirksamen Transferprozessen und Speichern beschrieben. Subsystem Gletscher Massgebend für die Bereitstellung von Sedimenten ist allgemein das Festgestein, jedoch stellt im Subsystem Gletscher auch der Eintrag von Staub eine gewisse Rolle, da in den unbewachsenen Oberflächen der Wind feines Material austrägt, welches sich auf der Gletscheroberfläche ablagert (Gravitation) und dort in Form einer Obermoräne gebunden wird. Das durch den Gletscher erodierte Festgestein (Glazialerosion) gelangt in den Zwischenspeicher Grundmoräne oder wird durch Sturzprozesse von verwittertem Gestein ebenfalls als Obermoräne auf dem Gletschereis abgelagert. Mittels dessen talgerichteter Bewegung (glazialer Transport) gelangt es entweder zu den Seiten- und Endmoränen oder wird direkt durch supra-, en und subglaziale Transportpfade des Schmelzwassers aus dem System ausgetragen (glazifluvialer Transport1 ). Das Moränenmaterial als Zwischenspeicher unterliegt fluvialen Einwirkungen, welche sich, entsprechend deren Intensität und Konsistenz, in verschiedenen Sedimentverlagerungsprozessen äussern. Bei Schneeauflage können Sedimente durch Grundlawinen abgetragen, bei unbedecktem Oberflächen durch abfliessendes Wasser denudativ oder erosiv ausgespült oder durch Rutschungen und in beschleunigter Form durch Muren ausgeräumt werden. Der Systemaustrag erfolgt als glazifluvialer Transport. Subsystem Hang Das Subsystem Hang generiert Sedimente durch physikalische Verwitterungsprozesse aus dem Festgestein. Durch Sturz-, Rutschungs- und Gelifluktionsprozesse wird das Material mobilisiert und in Rutschmassen, stationärem Hangschutt und Periglazialspeichern (Solifluktionsloben, 1 fluvialer Transport von Sedimenten glazialen Ursprungs 68 3.2 Szenarien Blockgletschern) zwischengespeichert. Durch die schon oben angesprochenen Prozesse werden die Sedimente weiter um- und verlagert und schliesslich fluvial aus dem System ausgetragen (fluvialer Transport). Subsystem Gerinne Das Gerinne oder der Gletscherbach, als solcher betrachtet ab dem Austritt des Schmelzwassers aus dem Gletscher, erhält seinen Sedimenteintrag sowohl fluvial transportiert aus den beiden Subsystemen Gletscher und Hang, wie auch durch Fluvialerosion aus dem Festgestein des Bachbettes. Das vorhandene Material wird abhängig von seiner Korngrösse und der vorherrschenden Transportkapazität entweder als Sediment im Bett oder am Ufer zwischengelagert (Schwemmkegel (1) in Abb. 2.2) oder als Geschiebe beziehungsweise Schwebstoff aus dem System ausgetragen. Subsystem Stausee In den Stausee tragen sowohl der Gletscherbach als auch die umliegenden Hänge Sedimente ein. Diese sinken mit Abnahme der Fliessgeschwindigkeit und des Gefälles auf den Seegrund oder werden als Trübestrom durch den See hindurchtransportiert. Sie verlassen das Subsystem und gelangen in Ableitungsstollen zu einem anderen Kraftwerk oder Staubecken oder werden vor Ort mit dem Seeabfluss turbiniert. Die abgelagerten Sedimente bilden die Seeverlandung, jedoch können die feineren Anteile (entspricht ungefähr der Schwebstofffracht des Gletscherbaches und dem Feinmaterial der Hänge) durch temporäre Spülungen wieder aus dem Subsystem ausgetragen und durch Umleitungsstollen in den unterstromigen Bachverlauf der Stauhaltung verlagert werden. Das effektive Verlandungsvolumen bildet somit hauptsächlich das Grobsediment, welches durch den Geschiebetransport des Gletscherbaches und die Hangprozesse eingetragen wird. 3.2 Szenarien Aufbauend aus den in den Kapiteln 2.3 und 2.4 aufgeführten Prognosen über die zukünftige Entwicklung der bedeutendsten Klimaparameter und den daraus abgeleiteten Auswirkungen, wird nun eine Zusammenstellung in Form zweier Szenarien für die hochalpine Region des Kan- 69 3 Modellkonzept tons Wallis erstellt. Es wird jeweils ein Szenario für das Jahr 2050 und 2100 angegeben, da sich die überwiegende Zahl der in der Literatur angeführten Arbeiten auf diese Zeitpunkte beziehen, sie gut abgrenzbare Zeitschritte bieten und jegliche zeitliche Prognosen darüber hinaus auf Grund der Unsicherheiten nur Abschätzungen von Grössenordnungen, jedoch kaum quantifizierbare Werte liefern würden. Tabelle 3.1 zeigt die getroffene Auswahl und Zusammenfassung der angesprochenen Klimaentwicklungprognosen für die Klimaelemente Temperatur, Niederschlag und Wind, welche in dem vorliegenden Rahmen von Bedeutung sind. Tab. 3.1: Szenarien der wichtigsten Klimaelemente bis zum Jahre 2100 für den Kanton Wallis Klimaelemente Szenario I: 2050 Szenario II: 2100 Temperatur (Wi, Fr, So, He): +1.8, +1.8, +2.7, +2.1°C [1]; 1,3°C [2] (Wi, Fr, So, He): +2.6, +2.5, +3.8, +3°C [1]; +3°C [2] Temperaturextreme Anstieg Tmax, starker Anstieg Tmin, jeder 10. Sommer > 21°C [3] gleiche Zahl der heissen Tage wie heute in Südeuropa [4] Niederschlag (Wi, Fr, So, He): +8, 0, -17, -6% [1]; -3% [2] (Wi, Fr, So, He): +11, -1, -23, -9% [1];-6%; Wi +12%, So -26% [2] Niederschlagsextreme bis +10% im Herbst, bis +20% im Winter [5] 40-100jähriges Ereignis kann bis zu 20jährigem werden [6] Wind Zunahme der extremen Stürme [3] Häufigkeitsabnahme [4] [1] Frei, 2004 [2] Horton et al., 2005 [3] OcCC, 2007 [4] Beniston et al., 2007 [5] Schädler et al., 2007 [6] Frei et al., 2006 Szenario I Zur Bestimmung der Temperatur- und Niederschlagsentwicklung des Szenarios für 2050 wurden die nach den Jahreszeiten aufgegliederten Berechnungen von Frei (2004) für die Region nördlich des Alpenhauptkammes herangezogen. Diese geben jeweils Änderungswerte bis zu diesem Zeitpunkt an, allerdings als durchschnittlicher Wert für die gesamte Region und sind demnach nicht repräsentativ für Walliser Gebirgstäler an der Grenze zum Alpenhauptkamm. Horton et al. (2005) konzentrierten sich in ihrer Arbeit auf lokale Aspekte von Walliser Tälern und gehen dabei von den gleichen Modellrechnungen aus, jedoch geben sie nur einen Jahresdurchschnittswert an. Auf Grund der Annahme einer vermehrt regionalen, umweltorientierten Entwicklung in der Schweiz wurden die Berechnungen mittels des Szenarios B2 ausgewählt. Für integrierende Berechnungen kann auf diese Ergebnisse zurückgegriffen werden. Saisonale Untersuchungen sollten jedoch auf genaueren als den angegebenen Werten beruhen, welche nach Frei (2004) Figur 3 auch für den Kanton Wallis berechnet, jedoch nicht publiziert worden sind. Die Extremwerte von Temperatur und Niederschlag, wie auch die Entwicklung des Windaufkommens sind nicht eindeutig quantifizierbar. Deshalb sind nur die entsprechenden Abschätzungen angegeben; es ist mit einer Zunahme der Variabilität der Witterung zu rechnen. Weite- 70 3.2 Szenarien re Klimaelemente wie Strahlung, Sonnenscheindauer, Luftdruck, Luftfeuchte und Bewölkung werden in diesem einfachen Szenario nicht berücksichtigt. Im Rahmen eines sich intensivierenden hydrologischen Kreislaufs ist mit einer Verstärkung der atmosphärischen Dynamik und damit auch einer Zunahme der Luftfeuchte, sowie höheren Druckschwankungen zu rechnen. Szenario II Das zweite Szenario bezieht sich auf das Ende des 21. Jahrhunderts. Die Temperatur- und Niederschlagsprognosen von Frei (2004) und Horton et al. (2005) zeigen hier gut vergleichbare Werte und können deshalb als gleichwertig angesehen werden, was auf die zunehmende Ungenauigkeit und damit Nivellierung der Langzeitprognosen hinweist. Aussagen über die Entwicklung der Temperatur- und Niederschlagsextrem deuten in Richtung einer stark zunehmenden Klimavariabilität mit einer höheren Auftrittswahrscheinlichkeit von Hitzetagen und einem starken Frequenzanstieg der Extremniederschläge. Die Entwicklung der Windverhältnisse zeigt eine Besonderheit, da bei vorausgesagter Zunahme extremer Sturmereignisse in Szenario I hier von einer Häufigkeitsabnahme ausgegangen wird. Auswirkungen In Abhängigkeit der beiden Szenarien sind in Tabelle 3.2 die damit einhergehenden Auswirkungen auf die diskutierten hydrologisch - morphologischen Prozesse und die Wasserwirtschaft in den Einzugsgebieten hochalpiner Stauhaltungen zusammengefasst. Auch hier lassen die vielschichtigen Wirkungszusammenhänge, sowie starke regional geprägte Einflüsse allgemein keine quantitativen Aussagen zu. Die prognostizierte Entwicklung der Gletscherfläche, abhängig vom Anstieg der Gleichgewichtslinie, welche ihrerseits vom Verlauf der Nullgradgrenze bedingt ist, zeigt starke Sensitivitäten gegenüber dem Klimawandel. Gegen Ende des 21. Jahrhunderts ist, allerdings stark abhängig von topographischen Faktoren (Jomelli et al., 2004, 2007b), mit dem Verschwinden von mehrjährigen Eisflächen zu rechnen, was eine massgebende Veränderung des Einzugsgebietscharakters bedingen wird. Der Einfluss von Erosions- und Denudationsprozessen sowie das Abflussverhalten, gekennzeichnet durch das Erscheinungsbild des zugehörigen Abflussregimes, wird sich verschieben. Die Wasserwirtschaft wird sich mit einer verstärkten Variabilität, sowie einer Abnahme des Abflussaufkommens auseinanderzusetzten haben. 71 Tab. 3.2: Auswirkungen der prognostizierten Klimaänderung auf das Einzugsgebiet hochalpiner Stauhaltungen Auswirkungen Szenario I: 2050 Szenario II: 2100 Gletscherentwicklung GWL-Anstieg 300m (bei +2,1°C), 65% Flächenverlust [1]; [2] [3] 1-2m Eisdickenverlust ; 53% Flächenverlust (bei +1°C) GWL-Anstieg 400-500m (bei +3 - 4°C) [1]; 80-90% Flächenverlust [3,4] Schneegrenze Anstieg um 360m von 840 auf 1200m [5] Anstieg um mehr als 600m auf über 1500m (bei +3,4°C im Winter) [5] Permafrostgrenze Anstieg mit der Nullgradgrenze [6] Anstieg mit der Nullgradgrenze [6] Sturzprozesse keine generelle Zunahme, mehr Sturzereignisse im Frühjahr Blockgletscher Erhöhte Fliesgeschwindigkeiten, dann Zerfall [8]; verstärkt durch Thermokarst und Gletscherseeausbildung [9] Erhöhte Fliesgeschwindigkeiten, dann Zerfall [8]; verstärkt durch Thermokarst und Gletscherseeausbildung [9] Murgänge Frequenzabnahme wegen zeitlich verschobener Extremniederschläge, [10] [11] Volumenzunahme ; Frequenzzunahme wegen Gletscherschmelze ; [6,13] Zunahme da mehr Feststoffpotential durch Permafrostrückgang und vermehrte Gletscherseeausbrüche [2,12] Frequenzabnahme wegen zeitlich verschobener Extremniederschläge, [10] Volumenzunahme ; Zunahme da mehr Feststoffpotential durch [6,13] Permafrostrückgang Rutschungen Zunahme da weniger stabilisierender Permafrost [6,13], mehr [6] Extremniederschläge und verstärkter Wasserkreislauf Zunahme da weniger stabilisierender Permafrost [13], mehr [6] Extremniederschläge und verstärkter Wasserkreislauf Ökosystem Anstieg klimatischer Höhenstufen mit 150m/°C, aber überlagert von Landnutzungsänderungen, nicht regional vorhersagbar [14,15] Anstieg klimatischer Höhenstufen mit 150m/°C, aber überlagert von Landnutzungsänderungen, nicht regional vorhersagbar [14,15] Abfluss Jahresabfluss-Anstieg bis 48% (2025), längere Schmelzperiode, [16] Spitzenabfluss-Verschiebung von Juli Richtung Mai ; [17] Zunahme Basisabfluss ; höhere winterliche Abflüsse [18]; [5,6] eventuell höhere Hochwasserwahrscheinlichkeit im Sommer Jahresabfluss +11%, Spitzenabfluss Mai, Abfluss Juli-August -52%, [16] [3] Mai-Juni +190% ; Jahresreduktion -13% ; [16] Zunahme Basisabfluss ; höhere winterliche Abflüsse [18]; [5,6] eventuell höhere Hochwasserwahrscheinlichkeit im sommer Abflussregime Verschiebung Glazial- zu Nivalregime [16]; Pardé-Koeffizienten: Min -> 0,06 auf 0,1; Max -> 2,86 -> 2,66; Amp 46 -> 26 [3] Nivalregime [16]; Pardé-Koeffizienten: Min -> 0,06 auf 0,15; Max -> 2,86 -> 2,69; Amp 46 -> 17 [3] Wasserwirtschaft Vorübergehende Produktionszunahme durch Gletscherschmelze [19]; Mindestabflussprobleme im Sommer, verstärkte Variabilität durch Abhängigkeit vom Niederschlagsregime [3,20] Abnahme der Energieproduktion aus Wasserkraft um über 30% [21] [1] [2] [3] [4] [5] [7] keine generelle Zunahme, mehr Sturzereignisse im Frühjahr [6] [7] [9] Paul et al., 2007a Kaeaeb et al., 2005 Horton et al., 2005 Zemp et al., 2006 OcCC, 2007 OcCC, 2003 Gruner, 2008 Kaeaeb et al., 2001 Seinova et al., 2007 [12] Richardson and Reynolds, 2000 [13] Gruber and Haeberli, 2007 [14] ONERC, 2008 [15] Zimmermann et al., 2006 [16] Huss et al., 2008 [18] OcCC, 1998 [19] Hauenstein, 2005 [20] M. Zappa in Wyer, 2000 [21] Schaefli, 2005 [11] [10] [7] Beniston, 2006 Hinzmann et al., 2005 [17] 3.3 Massgebende Prozesse und Elemente Weitere Einflussfaktoren wie Rückkopplungseffekte (feedback effects) und der anthropogene Nutzungswandel sind in dieser einfachen Konzeption nicht berücksichtigt, da sie die Komplexität des Systems stark erhöhen würden. 3.3 Massgebende Prozesse und Elemente Nachdem der Sedimenttransfer vom Gletscher und den Hängen in die Stauhaltung in ein Modell gefasst wurde, ist es im Hinblick auf Prognosen des zukünftigen Verlandungsverhaltens zielführend, für das System dominante Prozesse und Komponenten zu benennen, um weitere Untersuchungen darauf auszurichten. Dafür werden die dargestellten Prozesse im Rahmen der beschriebenen Szenarien auf ihren zukünftigen Einfluss und ihre Bedeutung untersucht. Massgebende Prozesse Als massgebende Prozesse werden im vorliegenden Kontext jene bezeichnet, welche zukünftig einen wesentlichen Einfluss auf die Generierung und den Transport von Sedimenten haben werden. Auf Grundlage der in Kapitel 3.2 erstellten Szenarien wurden die in Abbildung 3.3 aufgetragenen Sedimenttransferprozesse bezüglich ihrer kommenden Bedeutung im Hinblick auf die Sedimentlieferung untersucht (Tab. 3.3). Für jeden Prozess ist dabei festgehalten, ob die entsprechende Sedimentlieferung zu- oder abnehmen wird (Sedimentbilanz: + oder -; ? für unsicher) und ob dieses Verhalten als transiente (vorübergehende) oder permanente Wirkung einzuschätzen ist. Transferprozesse, welche eine quantitative Bedeutung erwarten lassen sind als massgebend gekennzeichnet, was ihre Auswahl für weitergehende Untersuchungen im Rahmen der Verlandungsproblematik hervorhebt. Spülungen werden abhängig von der Verlandungsrate durchgeführt und sind deshalb hier als konstant dargestellt, ebenso die Gravitation, welche unabhängig von den klimatischen Parametern wirkt. 73 Tab. 3.3: Bewertung der Sedimenttransferprozesse hinsichtlich ihres zukünftigen Einflusses auf die Sedimentlieferung. Erklärungen im Text Prozess Entwicklung Begründung Sedimentbilanz transient permanent massgebend fluvialer Transport; Fluvialerosion + steigender Abfluss [1]; vermehrte Extremabflüsse wegen mehr Extremniederschlägen [2,3], Überlagerung von Schneeschmelze und Niederschlagsereignissen im Frühjahr, schnellerer Abflusswirksamkeit [4,5] und verstärkter Abhängigkeit vom Niederschlagsregime [6,7]; Zunahme des Basisabflusses [8] + • • Gelifluktion +/- vorübergehend höhere Fliessgeschwindigkeiten [9], da Anstieg der Nullgradgrenze [4] ? • • Gletscherrückgang mit GWL-Anstieg [10], Flächen- und Eisdickenverlust [9,10,11] - • • + • • Glazialer Transport; Gletschererosion - Glazifluvialer Transport +/- Abhängigkeit von glazialen und fluvialen Prozessen Gravitation ○ gleichbleibend Grundlawinen • [5] - weniger Schneeauflage, da Anstieg der Schneegrenze - • Murgänge + Unsicherheiten bezüglich Frequenzzu- und Abnahmen [9,12,13], Volumenzunahme [12]; [4,15] [9] Zunahme da mehr Feststoffpotential durch Permafrostrückgang , vermehrte Gletscherseeausbrüche sowie Zunahme der Extremniederschläge [2] + • • Rutschungen; Spüldenudation; Spülerosion + Entstabilisierung von Permafrosthängen [15]; Zunahme der Extremniederschläge [2]; Intensivierung des Wasserkreislaufs [4] + • • Spülungen ○ gleichbleibend Sturzprozesse +/- keine generelle Zunahme, eventuell häufiger im Frühjahr Frostdurchgänge im Gestein durch Gletscherrückzug [17] Trübeströme + Abhängigkeit vom Abflussverhalten + Verwitterung +/- Verstärkte physikalische Verwitterung in Bereichen des Gletscherrückzugs [17], jedoch eventueller Rückgang durch Temperaturerhöhung, Zunahme der chemischen Verwitterung durch Ökosystemänderungen, wie [9] Bodenbildungsprozessen ? [1] • [16] , da Spannungsänderungen und häufigere Huss et al., 2008 [2] Schädler et al. 2007 [3] Frei et al., 2006 [4] OcCC, 2003 [5] OcCC, 2007 [6] Horton et al., 2005 [7] M. Zappa in Wyer, 2000 [8] Hinzmann et al., 2005 Zemp et al., 2006 [12] Beniston, 2006 [13] Seinova et al., 2007 [14] Kaeaeb et al., 2001 [15] Gruber and Haeberli, 2007 [16] Gruner, 2008 [17] Haeberli et al., 1997 [11] ? [9] • • • • • Kaeaeb et al., 2005 [10] Paul et al., 2007a 3.3 Massgebende Prozesse und Elemente Tab. 3.4: Bewertung der Speicherentwicklung. Symbolik wie in Abb. 3.3 Speicher Entwicklung Begründung Moränen - Hangschutt +/- Rutschmassen + Verstärkter Abtrag[1,2] durch Rutschungen, Spülerosion, Spüldenudation und eventuell Murgänge; wenig Neubildung, da Gletscherrückzug Sedimentbilanz transient - • Verstärkter Abtrag, aber auch Neubildung durch Verwitterung und deaktivierte Periglazialschuttmassen ? • Zunahme von Rutschungen + • zunächst Bewegungsbeschleunigung, dann Deaktivierung; eventuell Übergang zu Hangschutt ? Periglazialspeicher +/- Bett- und Ufersediment +/- verstärkte Dynamik durch Intensivierung des hydrologischen Kreislaufs und der anderen Prozesse ? Feinsediment - Rückgang der Gletschermilch durch verminderte Glazialerosion; eventuell mehr Trübeströme durch Intensivierung des hydrologischen Kresilaufs - • Grobsediment +/- Abhängigkeit von der Abflussentwicklung; eventuell Zunahme durch Intensivierung des hydrologischen Kreislaufs; eventuell Abnahme mit Niederschlagsrückgang ? • [1] Zepp, 2008 [2] permanent • • Otto, 2006 Der Einfluss von glazial gesteuerten Prozessen wie Gletschererosion und -transport sowie der Lawinenaktivität wird im Zuge der Erwärmung als dauerhaft abnehmend eingestuft. Damit einher geht die vorübergehend zunehmende fluviale und glazifluviale Aktivität, welche auch Auswirkungen auf das Auftreten von Trübeströmen in den Stauhaltungen haben wird. Durch den Rückzug der Gletscher und des Permafrosts ist mit der Freisetzung von grossen Mengen unkonsolidierten Materials und im Rahmen eines verstärkten hydrologischen Kreislaufes mit einer anhaltenden Zunahme von Rutschungen (auch Hangmuren) und Murgängen zu rechnen. Bezüglich der Sedimentbilanz der Gelifluktionsaktivität lassen sich keine genauen quantitativen Vorraussagen treffen, ebenso unsicher sind die Prognosen über die Entwicklung von Sturzprozessen. Die Verwitterungscharakteristik lässt bleibende Veränderungen erwarten, jedoch ist es nicht möglich, tendenzielle Aussagen zu treffen. Speicher Neben der Bewertung der bedeutenden Transferprozesse sind im vorgeschlagenen Kaskadenmodell die verschiedenen Speicherelemente von grosser Wichtigkeit; ihre Entwicklung hat einen entscheidenden Einfluss auf den Sedimenttransfer und -eintrag in die Stauhaltung. In Tabelle 3.4 sind entsprechende Projektionen des künftigen Werdegangs der erwähnten Speicher dargestellt. Die Einschätzungen erfolgten an Hand der massgebenden Prozesse und der in Kapitel 2.4.6 angesprochenen Entwicklungsannahmen bezüglich der Sedimentbilanz und transientem respektive permanentem Verhalten. Die mit dem Gletscherrückzug zunehmend exponierten Moränen werden zukünftig einem verstärkten Abtrag unterliegen, wie es in einer Paraglaziallandschaft zu erwarten ist (siehe Abb. 75 3 Modellkonzept 2.3 und Abb. 2.25), was allerdings mit ihrer Neigungsabnahme und möglichen Konsolidierung durch Vegetation enden wird. Mit dem Rückgang der Periglazialprozesse können die zugehörigen Speicher zukünftig als Hangschuttmassen angesehen werden, welcher einerseits zunehmend abgetragen, andererseits aber auch stabilisiert werden könnte, abhängig von der Vegetationsausbreitung. Die Zunahme von Rutschungen dürfte allerdings den Anteil der Rutschmassen steigen lassen. Die Dynamik der fluvialen Erosion und Sedimentation lässt im Hinblick auf den intensivierten hydrologischen Kreislauf keine Aussagen über die Bilanz der Gerinnesedimente zu, jedoch kann auf Grund der verminderten Gletschererosion langfristig von einem Rückgang der Gletschermilch- und damit der Feinsedimentanlieferung ausgegangen werden. Hinsichtlich des Grobsedimentes (Geschiebes) ist Entwicklung stark abhängig von der täglichen Abflussentwicklung und daher der zugehörigen Niederschlagscharakteristik; insgesamt quantitativ nicht genau vorhersagbar. Zukünftige Entwicklung Anhand der aufgeführten Bewertungen wurde das in Kapitel 3.1 vorgestellte Systemkonzept modifiziert (Abb. 3.4). Der prognostizierte Wandel der Transferprozesse sowie der Speicherelemente ist durch Einfärbung dargestellt (grün für Zunahme, blau für Abnahme, gelb mit gepunkteter Umrandung bei Unsicherheiten bezüglich der Änderung und grau für Konstanz). Durch teiltransparente Umrahmungen gekennzeichnet sind die massgebenden Prozesse, wobei ersichtlich wird, dass es sich hier sowohl um solche mit einer zunehmenden Bedeutung (wie etwa Rutschungen), einer abnehmenden Bedeutung (Glazialerosion) oder einer unsicheren Entwicklung (Sturzprozesse) handelt. Weiterhin erkennbar ist der Einfluss der klimatischen Elemente Niederschlag und Temperatur, welcher in Form von Grossbuchstaben neben den jeweiligen Prozesssymbolen zu finden ist. 76 Atmosph. Staubeintrag Sedimenttransportsystem Einzugsgebiet - Stausee Subsystem Gletscher Gravitation Sturzprozess [1] N,T Output Einfluss der Klimaelemente T N,T Grundlawine N N Hangmure Rutschung [3] T Glazialerosion [2] T Einfluss der Temperatur N Einfluss des Niederschlags Symbole - Änderungen Regler Transferprozess Unsicher Zunahme Speicher Konstant Abnahme Massgebender Prozess N Subsystem N,T Spüldenudation Grundmoräne Input Seiten- und Endmoränen Glazialer Transport Obermoräne Symbole Glazifluvialer Transport N Subsystem Gerinne Spülerosion Gravitation N Festgestein Bett- und Ufersediment Fluvialerosion [5] N Subsystem Hang T fluvialer Transport T Sturzprozess [1] Hangschutt Gelifluktion [4] Periglazialspeicher Verwitterung Rutschmasse N,T Grundlawine Subsystem Stausee N N N Feinsediment Rutschung [3] Spüldenudation N Spülung Subsystem Bach Gravitation Spülerosion N Grobsediment fluvialer Transport Hangmure N Subsystem Stollen Trübestrom [1] Sturzprozess: Blockabsturz, Fels- und Bergsturz [2] Glazialerosion: Detersion, Detraktion, Exaration [4] Gelifluktion: [3] Rutschung: [5] Fluvialerosion: Gerinneerosion, Murgang Hang-, Berg- und Schuttrutschung Kryoturbation, Blockgletscher, Blockstrom Abb. 3.4: Bewertung des Sedimentransportsystems Einzugsgebiet - Stausee Subsystem Kraftwerk 3 Modellkonzept Abbildung 3.4 stellt damit eine Zusammenfassung der in den vorangehenden Kapiteln dargelegten Auswirkungen des Klimawandels auf das Sedimenttransfersystem Einzugsgebiet Stausee dar. Sie zeigt den Zusammenhang der klimatischen Einwirkung auf die beteiligten Prozesse und Speicher auf und kann somit als Grundlage für eine quantitative Untersuchung der Entwicklung des Sedimenttransfers sowie der Verlandungsproblematik alpiner Wasserspeicher dienen. 3.4 Vorgehensstrategie zur quantitativen Abschätzung der Auswirkungen In Kapitel 2.1 wurden die Grundlagen der hydrologisch - morphologischen Prozesse gelegt, welche das betrachtete Sedimenttransfersystem eines teilweise vergletscherten alpinen Einzugsgebiets in eine Stauhaltung prägen. Anschliessend wurden in den Kapiteln 2.2, 2.3 und 2.4 die damit verbundene Verlandungsproblematik sowie die Prognosen der zukünftigen Entwicklung des Klimas und die resultierenden Auswirkungen auf das System besprochen. Für die darauf aufbauende, in Kapitel 3.1 aufgestellte und in Kapitel 3.3 bezüglich ihrer zukünftigen Entwicklung, massgebender Prozesse und Elemente bewertete Systemkonzeption, werden im Folgenden die Parameter und Arbeitsschritte zusammengestellt, welche für die Beantwortung der vorliegenden Fragestellung als notwendig erscheinen. 3.4.1 Datenerfassung Grundlegend für die umfassende Untersuchung eines entsprechenden Einzugsgebietes sind Angaben über dessen Geologie, Morphologie, Grösse, prozentuale Vergletscherung sowie die Form der Landnutzung und Vegetation (Tab. 3.5). Der Einfluss von tektonischen (den Bau der Erdkruste betreffende) Parametern, der „dynamischen Kraft des alpinen Gebirgs - Systems“ (Palt, 2001), sollte in eine umfangreiche Betrachtung ebenfalls mit einbezogen werden. Palt (2001) berücksichtigt dies in seiner Studie über die Bedeutung der Sedimenttransportprozesse für Wasserkraftanlagen im Karakorum, einem seismisch sehr aktiven Gebirge. In Japan beispielsweise stieg die Sedimenttransportrate nach einem Erdbeben im Jahre 2004 in den folgenden 18 Monaten auf Grund von vermehrten Rutschungen stark an (Matsuoka et al., 2008). 78 3.4 Vorgehensstrategie zur quantitativen Abschätzung der Auswirkungen Tab. 3.5: Zusammenstellung der zu erfassenden Parameter und Daten für weitergehende Simulationen zur Entwicklung des Sedimenttransportes Parameter Erhebung Gebietsdaten Geologie, Morphologie, Einzugsgebietsgrösse, Gletscherfläche und -geschichte, Vegetation, Landnutzung Tektonik Hebungsrate, Erdbebenhäufigkeit Erosion Erosionsformen, Erosionsraten Sedimentvolumen Moränenschutt, Periglazialschutt, Hangschutt, Schuttfächer, Bachsedimente, Verlandungsdaten Hydrologie Abflussdaten[1], Daten über den Sedimenttransport, Stauhaltung Klimadaten Niederschlags- und Temperaturdaten[2], Evapotranspiration, Wind, Luftfeuchte, charakteristische Wetterlagen [1] Abflussganglinien, Extremwerte, Einzelwerte [2] jeweils Jahresdurchschnittswerte, Extremwerte, Ganglinien Die Morphologie ist hinsichtlich des Gefälles und der Oberflächengestaltung am besten in möglichst hoher Auflösung in Form eines digitalen Höhenmodells DHM oder topographischen Modells DTM abzubilden. Geomorphologische Untersuchungen beziehungsweise Angaben hinsichtlich von Erosionserscheinungen und -raten und der Bestimmung des vorhandenen, mobilisierbaren Sedimentvolumens in Form von Moränen, Periglazial- und Hangschutt, fluvialen Schuttfächern sowie Bachsedimenten sind durchzuführen. An hydrologischen Werten bedarf es Abflussdaten in Form von Einzelwerten, Extremwerten und Ganglinien, bezüglich des Sedimenttransportes möglichst vieler Messwerte des Schwebstoff- und des Geschiebetransportes. Diese können durch eventuelle Verlandungsangaben von Stauseen, Sedimentrückhaltebecken oder Ablagerungen von Überschwemmungen ergänzt werden. Neben der Erfassung der Grösse des hydrologischen Einzugsgebietes ist dieses in vergletscherte und unvergletscherte sowie in vegetationsbedeckte und -unbedeckte Fläche einzuteilen. Die Entwicklungsgeschichte des Gletschers ist hilfreich, um morphologische Formen besser einordnen und eventuell vergleichbare Trends zu den späteren Berechnungen ableiten zu können. Angaben über die Landnutzung sind bei den betrachteten alpinen Gebieten von Nutzen, wenn sich in Zukunft eine Veränderung, beispielsweise im Rahmen einer touristischen Erschliessung oder bezüglich eventueller Almwirtschaft, absehen lässt. Die Vegetation ist in der Ausprägung anzupassender Auflösung nur unterhalb der Baumgrenze, beziehungsweise innerhalb von flächenhaftem Bewuchs zu berücksichtigen. 79 3 Modellkonzept Tab. 3.6: Auswahl von Studien mit relevanten Simulationen zur Integration in ein Modell der quantitativen Abschätzung des Einflusses des Klimawandels auf die Entwicklung des Sedimenttransportes Literatur Modellart Berechnungen Huss et al., 2008; Schaefli et al., 2005; Stahl et al., 2008 Glazio-hydrologisches Modell Tagesabfluss und jährliche Gletschermassenbilanz Horton et al., 2005 Niederschlags-Abfluss-Modell mit Gletschermodell Abflussregimeänderungen Dadson and Church, 2005 Paraglazailes Landschaftsentwicklungsmodell Rutschungen und Sedimenttransport Beyer Portner and Boillat, 1999 Numerisches Erosionsmodell Erosionvolumen von Einzugsgebieten von Stauhaltungen Verhaar et al., 2008 Morphodynamisches Modell für Sandbettflüsse Sedimenttransport, Ablagerung und Erosion Schaeffli, 2005 Regionales Klima-, glazio-hydrologisches- und Management-Modell Einfluss des Klimawandels auf die Wasserkraftproduktion Jenzer Althaus and De Cesare, 2006 Numerisches Fliessmodell Trübestromausbreitung Meteorologische Daten wie Jahresdurchschnittswerte, Extremwerte sowie Ganglinien von Temperatur und Niederschlag über eine möglichst grosse Aufzeichnungsdauer sind unter anderem für die Kalibrierung der Klimasimulationen wichtig. Weitere zu beachtende Klimaelemente sind die Windverteilung, Luftfeuchte und möglicherweise charakteristische Wetterlagen (Tab. 3.5). Dazu kommen Angaben über die Evapotranspiration2 , beziehungsweise Evaporation, welche in Modelle der Glazial- und Abflussentwicklung eingeht. 3.4.2 Berechnungen Mit Hilfe der vorhandenen Gebietsdaten können aus globalen (GCM) regionale Klimasimulationen (RCM) erstellt werden3 , welche die morphologischen Besonderheiten des betrachteten Einzugsgebietes berücksichtigen. Daraus kann mit Hilfe von Massenbilanzmodellen die zukünftige Gletscherentwicklung modelliert werden, was wiederum in hydrologische Modellrechnungen einfliesst, welche weiterhin durch die Klima- und Vegetationsentwicklung geprägt werden. Letztere ist abhängig von den Klimaprognosen und der ebenso dadurch bedingten zukünftigen Verbreitung von Permafrost. Wichtig sind weiterhin Simulationen der tektonischen Entwicklung (im Bezug auf Erdbeben und topographische Änderungen) und der Erosionsentwicklung. Möglicherweise könnte auch eine Landnutzungsänderung miteinbezogen werden. In Tabelle 3.6 ist eine Auswahl an Studien aufgetragen, welche für die Sedimenttransportentwicklung in zum Teil vergletscherten alpinen Einzugsgebieten relevante und erforderliche Simulationen oder Modellierungen vorstellen. Einem umfassenden Modell für die vorliegende 2 Evapotranspiration: Summe aus der Evaporation (Verdunstung von der Gebietsoberfläche) und der Transpiration (Verdunstung von Tieren und Pflanzen) 3 Klimatologisches Downscaling 80 3.4 Vorgehensstrategie zur quantitativen Abschätzung der Auswirkungen Klimamodell Klimamodell Gletschermodell Gletschermodell Permafrostmodell Permafrostmodell Vegetationmodell Vegetationmodell Landnutzungsmodell Landnutzungsmodell Erosionsmodell Erosionsmodell Hydrologisches Hydrologisches Modell Modell Sedimenttransportberechnung Sedimenttransportberechnung Betriebswirtschaftliches Betriebswirtschaftliches Modell Modell Abb. 3.5: Konzeption eines Vorhersagemodells für die Sedimentationsproblematik. Aufbauend auf einer Modellkette werden Sedimenttransportberechnungen durchgeführt, welche in ein betriebswirtschaftliches Modell zu dessen Auswirkungen einfliessen können. Die Pfeile symbolisieren die Einflüsse/Einwirkungen der Modelle aufeinander und sind jeweils von oben nach unten zu lesen Fragestellung liegt eine integrative Modellierung der regionalen Entwicklung der Temperatur, des Niederschlags und der Evaporation (Klimamodell), der Gletscher- und Permafrostentwicklung, der Vegetationsdynamik und des Landnutzungswandels wie der Erosionsentwicklung und deren aller Auswirkung auf die Hydrologie zu Grunde (Abb. 3.5). Anschliessend können Berechnungen über die resultierenden Sedimentbewegungen, etwa mit Hilfe der in Kapitel 2.1.5 angeführten Geschiebetransportformeln und Ansätzen zum Schwebstofftransport, welche in dieser Arbeit nicht näher diskutiert wurden, durchgeführt werden. Auf die betriebwirtschaftliche Modellierung der Auswirkungen des Transportes, wie der sich verändernden Hydrologie als weitere Komponente wird im Rahmen dieser Arbeit ebenfalls nicht eingegangen. Für eine genaue quantitative Abschätzung des Einflusses des Klimawandels auf den Sedimenttransport im Zusammenhang mit dem Problem der Verlandung alpiner Stauhaltungen ist demnach ein hoher Bedarf an Datenerhebung und Berechnungsaufwand interagierender Modellierungen vonnöten. In der in Kapitel 1.2 beschriebenen sektorielen Studie „Wallis, Wasserkraft, Klimawandel“ soll diesem Bedarf insofern gerecht werden, als das neben dem Modul 1 81 3 Modellkonzept (Klimatologisches Downscaling) und den hydrologischen und betrieblichen Analysen für einzelne Einzugsgebiete (Module 2 und 3) ein weiteres Modul Wallis zur Untersuchung der Klimaund Geschiebeentwicklung erstellt werden soll (Abb. 1.1). 82 4 Das Untersuchungsgebiet Das in dieser Arbeit vorgestellte Konzept zur Untersuchung des Einflusses des Klimawandels auf den Sedimenttransport kann in einem weiter fortgeschrittenen Stadium der sektoriellen Studie bei Vorliegen der entsprechenden Berechnungen angewandt werden. Im Rahmen einer kleinen Feldstudie zum jetzigen Zeitpunkt konnten daher nur der Teilbereiche des vorhandenen Sedimentvolumens und der Geschiebetransportentwicklung betrachtet werden. Dazu folgt zunächst ein Überblick über das gewählte Untersuchungsgebiet. Ein weiteres Kapitel gibt Aufschluss über die angewandten Methoden der Datenerfassung und der durchgeführten Berechnungen, gefolgt von den Resultaten und schliesslich einer Diskussion der Ergebnisse und ihrer Bedeutung für die Stauseebewirtschaftung. 4.1 Wahl des Untersuchungsgebiets Die Wahl des zu untersuchenden Einzugsgebietes orientierte sich an mehreren Rahmenbedingungen. Als Teil der sektoralen Studie „Wallis, Wasserkraft, Klimawandel“ (siehe Kapitel 1.2) wurde eine alpine Stauhaltung im Kanton Wallis untersucht werden, welche von einem teilweise vergletscherten Einzugsgebiet gespeist wird. Da die vorliegende Diplomarbeit bereits in der Anfangsphase der Studie angefertigt wurde, gab es keine Angaben über bevorzugte Standorte von anderen Projektbeteiligten. Ein wichtiger Auswahlparameter lag deshalb auf der Verfügbarkeit von Verlandungs- und Abflussdaten. Weiter in die Auswahl einbezogen wurden Faktoren wie Grösse und Zugänglichkeit, sowie das Vorhandensein von Studien bezüglich des Sedimentvolumens- und transportes, der Erosion und Gletscherentwicklung. In Folge einer Literaturrecherche über vorhandene Untersuchungen in Walliser Tälern wurde die Wasserfassung des oberen Einzugsgebietes der Turtmänna (Turtmanntal) ausgewählt, 83 4 Das Untersuchungsgebiet welche von der Wasserkraftwerke Gougra AG (Forces Motrices de la Gougra SA in Sierre, Kanton Wallis) betrieben wird. Für den Turtmannstausee und das dazugehörige Sedimentationsbecken konnten Verlandungs- und Abflussdaten vom Kraftwerksbetreiber bezogen, sowie Studien über Bauprojekte zur Eindämmung der vorhandenen Verlandungsproblematik recherchiert werden. Geomorphologische Untersuchungen des gesamten Tales hinsichtlich der Gletscher-, Permafrost- und Sedimentverbreitung werden seit vielen Jahren vom Geographischen Institut der Universität Bonn durchgeführt und konnten als Datengrundlage verwendet werden. 4.2 Geologie und Geographie Als Grundlage für die weiteren Ausführungen wird eine kurze Beschreibung der Geologie, Morphologie, Gletschergeschichte und Sedimentmasse im Turtmanntal gegeben. 4.2.1 Geologie Das gesamte südliche Wallis zwischen Simplon, Rhonetal und Grossem St. Bernhard wird vom Komplex der Bernhard - und Monte Rosa - Decke eingenommen, welche zu den penninischen Decken (Sediment- und Kristallingesteine) gehören. Dieser Komplex stösst in einem 100 km langen Bogen nordwestwärts zwischen dem Mont Blanc - Massiv bis zum Helvetikum vor. Die Gesteine des Turtmanntals gehören dabei fast ausschliesslich zur Siviez - Mischabel - Decke (Abb. 4.1), welche zu den dachziegelartig angeordneten, nach Süden einfallenden plattenförmigen Einheiten der Bernhard - Decke gehört und aus unterschiedlichen metamorphen Gesteinen aufgebaut ist. Die Hauptmasse besteht aus Gneis und Glimmerschiefer mit viel Amphibolit. Im Turtmanntal werden sie von Zweiglimmergneisen und Chlorid - Muskowitschiefer dominiert (Bearth, 1980), wurden früher in ältere und jüngere Casannaschiefer unterteilt und enthalten eine hohe Konzentration von Erzvorkommen (Labhart, 1998). 4.2.2 Geomorphologie Das Turtmanntal (Abb. A.1 und Abb. A.3 im Anhang) ist ein rund 15 km langes, südlich ins Rhonetal einmündendes Hängetal1 zwischen dem Mattertal im Osten und dem Val d‘Anniviers 1 Glazial geprägtes Nebental, welches oberhalb der Talsohle über eine Stufe einmündet 84 4.2 Geologie und Geographie Abb. 4.1: Die Lage der penninischen Decken im Bereich des Turtmanntals (Labhart, 1998) im Westen. Es erstreckt sich vom Ort Turtmann mit 620 m ü. NN im Norden bis zum Nordgrat des Weishorns mit 4203 m im Süden und besitzt eine planimetrische Fläche von 110 km2 (reale Fläche 139 km2 ) (Dikau et al., 2004; Rasemann, 2003). Die Vergletscherung liegt bei 14 %, das untere Drittel ist als Kerbtal, der obere Bereich als bis zu 300 m breites Muldental ausgebildet und endet im Komplex aus dem Turtmann- und Brunegggletscher, aus welchem die Turtmänna entspringt. Von Osten und Westen münden 14 Hängetäler, sogenannte Tällis, ins Turtmanntal ein. Sie weisen eine vergleichsweise geringe Vergletscherung auf, weshalb ein ungewöhnlich grosser periglazial geprägter Bereich mit vielen Blockgletschern und anderen Gelifluktionserscheinungen vorhanden ist (Otto, 2001; Rasemann, 2003). 4.2.3 Gletscherentwicklung Der südliche Teil des Tales wird bedeckt durch die Eismassen des Turtmann- und Brunegggletschers, welche 85 % der Gesamtvergletscherung des Tales ausmachen und in ihrem Entstehungsbereich zwischen dem Nordgrat (auf ca. 4’203 m), dem Bishorn (4’153 m) und dem Brunegghorn (2’833 m) zusammenhängen. Sie fliessen getrennt um die Adlerflühe herum und 85 4 Das Untersuchungsgebiet vereinigten sich bis zum Jahre 1934 am Boden des Turtmanntals. Durch den anhaltenden Rückzug (Abb. A.4 und A.5 im Anhang) sind die beiden Zungen seitdem getrennt, wobei sich der Brunegggletscher seitdem viel weiter zurückgezogen hat (auf ca. 2600 m), als der Turtmanngletscher (2260 m) (Dikau et al., 2004; Otto, 2001). Insbesondere das Hitzjahr 2003 bewirkte einen Rückgang von rund 127 m für den Turtmann- und etwa 157 m für den Brunegggletscher (VAW, 2008). 86 Abb. 4.2: Blick von der Staumauer des Turtmannsees in Richtung des Einzugsgebiets (17.09.2008) 4 Das Untersuchungsgebiet Das von den Gletschermassen zurückgelassene Gletschervorfeld ist der dynamischste Bereich des Sedimenttransfersystems (Otto, 2006) (Abb. 4.2). Besonders die Jahre 2001, 2002 und 2003 haben hier grosse Veränderungen bewirkt. Durch den Kollaps der Gletscherfront (etwa 650 m2 ) im Jahr 2003, der nachfolgenden Ausbildung eines Gletschersees und dessen Ausbruch im August sowie der Entstehung eines neuen Gletschertors2 auf der orographisch rechten Seite im Übergang zum schuttbedeckten Zungenteil, verlagerte sich die Hauptabflussrinne von der linken Seite in die Mitte des Vorfeldes. Etwas unterhalb des Gletscherterminus durchschneidet der Schmelzwasserabfluss des Brunegggletschers die rechte Seitenmoräne des Turtmanngletschers und schmilzt dabei Teile des schuttbedeckten Eises (sogenanntes Toteis) (Dikau et al., 2004). Im Jahr 1900 reichte die vereinigte Zunge der beiden Gletscher bis zu einem Rundhöcker, welcher als natürliches Geschieberückhaltebecken fungiert und das Gletschervorfeld begrenzt. Das Schmelzwasser hat im Verlauf des Gletscherrückzugs eine bis zu 30m tiefe Schlucht in diese Felsschwelle eingetieft, in welche später die heutige Staumauer gebaut wurde (siehe auch Kapitel 4.4) (Otto, 2006). Während der Maximalausdehnung im 19. Jahrhundert (Höchststadium der sogenannten kleinen Eiszeit um 1850) hat der Komplex der beiden Gletscher eine Seitenmoräne von bis zu 130 m Höhe und eine Endmoräne von zwei bis fünf Metern aufgeschüttet, die im Bereich des heutigen Gletscherterminus unbewachsen und fluvial zerfurcht erscheinen, im Bereich des Felsriegels allerdings schon teilweise bewachsen und stabilisiert, jedoch auch viel geringmächtiger sind. In diesem Stadium erstreckte sich der Gletscher ungefähr 1,5 km weiter als heute und endete etwa 400 m unterhalb der heutigen Staumauer (Otto, 2001); im Jahr 1952 reichte er noch an den Fuss des heutigen Stausees (ALPRESERV, 2008). 4.2.4 Sedimente Die grössten mobilisierbaren Sedimentmengen befinden sich im Gletschervorfeld in Form von Moränen, welche seit der kleinen Eiszeit von den Gletschern zurückgelassen wurden. Am augenscheinlichsten ist die orographisch rechte (östliche) Seitenmoräne des Turtmanngletschers, die in früheren Zeiten die Mittelmoräne beider Gletscher bildete (Abb. 4.2). Otto (2006) schätzte die Sedimentmächtigkeit des Gletschervorfeldes vom hinteren Bereich der Talsohle bis 2 Meist halbrunder Austritt des Gletscherbaches aus der Gletscherzunge 88 4.2 Geologie und Geographie Stausee Inners Wängertälli Turtmanngletscher Brunegggletscher Abb. 4.3: Interpolation der Sedimentmächtigkeit im Vorfeld des Turtmanngletschers. Die Berechnung erfolgte mit Hilfe der in blau dargestellten Interpolationspunkte; die Gletscherfläche wurde vor der Volumenberechnung entfernt verändert nach Otto (2006)) zum Staudamm mit Hilfe von 11 Querprofilen und einem Längsprofil des sedimentbereinigten Talgrundes ab, deren Verlauf er an Hand von Festgesteinsausbissen und den sedimentfreien Hängen interpolierte (Abb. 4.3). Die durchschnittliche Mächtigkeit der Sedimentauflage ergab sich zu 18 m, die maximale zu 91 m im Bereich der rezenten orographisch rechten Seitenmoräne (siehe Abb. 4.2). Das aus diesen Daten bestimmte Sedimentvolumen beträgt 19,6 ± 9,8 × 106 m3 , bei einer durchschnittlichen Stärke von 11,8 m3 m−2 . Die orographisch linke (westliche) Seitenmoräne erstreckt sich in grösserer Mächtigkeit nur am Rande der rezenten Zungenlage des Turtmanngletschers; hier mündet auch ein kleines, steiles Seitental (Inners Wängertälli) mit einigen Schuttfächern ein. Weiter talabwärts dünnt sie jedoch schnell aus und geht im Bereich des Stausees in eine dünne, durch Vegetation stabilisierte Hangschuttschicht über. Die angesprochenen Mittelmoräne endet am Durchbruch des Bruneggbachs, der oberstrom einen kleinen Talkessel mit schuttbedecktem nordöstlichem Seitenhang durchfliesst. Unterhalb des Durchbruchs verlaufen zwei hohe, in sich geschachtelte Moränenstadien an der rechten Seite bis zum seitlichen Eintritt des Pipjibachs. Ab hier 89 4 Das Untersuchungsgebiet verbleibt nur noch eine, den Stausee begrenzende schwache, steile Seitenmoräne am Hang, welche sich zu dem erwähnten Rundhöcker (der Begrenzung des Gletschervorfeldes mit der Staumauer) ausdünnt. Das Gletschervorfeld zeigt sich als eine durch die verzweigte Linienführung der Turtmänna zerfurchte Ebene. Nach der seitlichen Einmündung des Bruneggbachs verlässt das Schmelzwasser das Schuttbett (an einem bis 2 m hohen Endmoränenstadium) und durchschneidet einen grösseren Rundhöcker, der nur seitlich dünn sedimentbedeckt und durch Vegetation stabilisiert ist. Mit dem Austritt durch eine kleine Schlucht geht sie in das Sedimentationsbecken der Stauhaltung über. Als weiteres Sedimentvolumen ist das Baggergut zu nennen, das nach dem Aushub aus dem Stausee und Sedimentationsbecken einerseits zum Dammbau des letzteren verwendet, andererseits im Eintrittsbereich des Pipjibachs deponiert wurde (siehe auch Kapitel 4.5 und Abb. 4.2 der helle Schuttberg links im Vordergrund). Weiterer Hangschutt ist volumetrisch nicht von Bedeutung. Es ist aber gerade dieser Bereich, den Otto (2001) im Turtmanntal als einzig durchgängigen für den Transport auch grösserer Korngrössen ansieht. Auch in den Seitentälern, insbesondere im Pipjitälli (Abb. A.6), welches oberhalb des Stausees ins Turtmanntal einmündet, finden sich grosse unkonsolidierte Schuttmengen. Trotz der zu beobachtenden Blockgletscheraktivität in höheren Bereichen (in allen Tällis zusammen 80 intakte und 31 fossile Blockgletscher) in Sturzmassen und Moränenwällen, teilweise mit Thermokarstausbildungen (Otto, 2001), sind diese Systeme bezüglich des Geschiebetransportes jedoch als abgekoppelt vom Turtmanntal beziehungsweise Stausee zu betrachten (Roer, 2008). Das erklärt sich auch in Verbindung mit der Untergrenze der Solifluktionserscheinungen im Turtmanntal auf 2’330 m (Otto, 2001), welche als Anzeichen der Permafrostgrenze gewertet werden kann. Die Stirn des tiefliegensten reliktischen Blockgletschers im Pipjitälli befindet sich auf 2’535 m (Nyenhuis, 2005), der Schwellenübergang zum Turtmanntal auf 2’456 m (Dikau et al., 2004). 90 4.2 Geologie und Geographie Am Ausgang des Brändjitällis beispielsweise tritt das Schmelzwasser unterhalb des tiefstgelegensten Blockgletscherstirn aus, durchfliesst eine ca. 90 m2 grosse Grasebene und sedimentiert Feinmaterial vor einem Felsriegel, bevor es gefasst und zum Turtmannstausee abgeleitet wird. Er ist dabei nicht in der Lage gröberes Sediment aus dem Schuttsystem auszutragen, sondern transportiert nur Feinmaterial (Schwebstoffe). Das gilt für viele Tällis, deren Schuttmassen in Form von inaktiven Blockgletschern vor dem Talausgang enden, oder die eine ausgebildete Fels- oder Schuttschwelle (z.B. Brändji- und Frilitälli) vor dem Übergang ins Turtmanntal aufweisen (Otto, 2001). 4.2.5 Prozesse Die Überschreitung der Felsriegel und Schwellen und damit eine Verlagerung von Grobschutt über die Hänge in Richtung Talboden wäre nur durch periglaziale und glaziale Prozesse möglich, wozu allerdings die kleinen Gletscher in den Tällis bis zu 2’000 m vorstossen müssten (Otto, 2001). Es lässt sich jedoch eindeutig eine Zunahme der horizontalen Blockgletschergeschwindigkeit feststellen, was Roer (2005) in ihrer Studie über die Kinematik von 34 aktiven Blockgletschern in sechs der Tällis über den Zeitraum von 1976 - 2001 den erhöhten Oberflächentemperaturen zuweist. Die höchste berechnete Geschwindigkeit lag bei 1,76 m a−1 . Der Sedimentaustrag aus den Tällis erfolgt somit hauptsächlich durch fluviale Abspülung von Feinmaterial. Bis zum Bau des Staudammes (siehe Kapitel 4.4) erfolgte der glazifluviale und fluviale Transport entlang des Talbodens, was verschiedene sedimentäre Terrassenniveaus unterhalb desselben belegen; er ist jedoch seitdem unterbrochen. Im Turtmanntal treten verhältnismässig wenig Murgänge auf, was mit dem Mangel an Schuttmassen in potentiell gefährdeten Gebieten erklärt werden kann. Alle diesbezüglichen Formen befinden sich allerdings unterstrom des betrachteten Einzugsgebietes und sind mit Bewuchs stabilisiert (Otto, 2001). Mehr als 60 % der Talfläche sind über 25 ◦ geneigt (25 % über 35 ◦ ) und damit potentiell lawinen- beziehungsweise steinschlaganfällig. Letzteres äussert sich besonders im Pipjitälli, dessen Schuttmassen zu einem grossen Teil auf diesen Prozess zurückgeführt werden können (Otto, 2001). Im Einzugsgebiet der Stauhaltung sind die unvergletscherten Flächen durchschnittlich um 53 % geneigt (Martinerie et al., 2005). 91 4 Das Untersuchungsgebiet Tab. 4.1: Einzugsgebietscharakteristik und Gletschergeschichte des Turtmannstausees. Die Gletscherdaten sind jeweils für beide Gletscher angegeben, der Brunegggletscher wird erst seit dem Jahr 1934 getrennt vom Turtmanngletscher erfasst Charakteristik Wert Fläche des Einzugsgebiets Literatur 36,6km2 Gougra, 2007 Mindesthöhe 2050m Spreafico, 2006 mittlere Gebietshöhe 3033m Spreafico, 2006 Höchster Punkt 4250m Spreafico, 2006 mittlere Gebietsneigung 23,1° Spreafico, 2006 Anteil bodenbedeckter Flächen 8,9% Spreafico, 2006 Anteil waldbedeckter Flächen 0,0% Spreafico, 2006 Anteil gletscherbedeckter Flächen 49,1% Spreafico, 2006 Gletscherlänge (1973) 5,8km T, 4,6km B Gletscherlänge (2006) 5,3km , 4,4 km T B VAW, 2008 Spreafico, 2006 Gletscherfläche (1973) 5,911km2 T, 6,679 km2 B Gletscherfläche (2000) 5,4km2 T, 5,8km2 B Spreafico, 2006 Längenänderung (1885 - 2005), (1934 - 2005) 1284m T, 1129m B VAW, 2008 T = Turtmanngletscher B VAW, 2008 = Brunegggletscher An den vegetationsbestandenen Hängen im unteren Bereich des Einzugsgebietes treten des Weiteren vereinzelt flachgründige Rutschungen der dünnen Regolithdecke über dem anstehend Fels auf, teilweise durch Grundlawinen ausgelöst, welche auch in Steinschlagrinnen niedergehen. Auch an den Moränenflanken ereignen sich Rutschungen, beispielsweise eine sehr langsame in der orographisch linken (westlichen) Seitenmoräne des Turtmanngletschers (Abb. A.7) (Otto, 2001). Hier weiterhin sichtbar sind typische Erosionsvorgänge im Moränenschutt, wobei stärker verbackene Bereich, beziehungsweise grössere Steine der Denudation und Erosion widerstehen und eine Zerschneidung der Moränen bedingen (Erdpyramidenbildung oder Erdpfeiler (Ahnert, 2003); siehe auch Abb. 4.2 im Hintergrund an der orographisch 92 4.3 Klima rechten Seitenmoräne oder Mittelmoräne). Die Denudationsraten im gesamten Turtmanntal ermittelte Otto (2006) zu 1,2 ± 0,62 mm a−1 , wobei die Hängetäler mit 2,23 ± 1,12 mm a−1 im Gegensatz zum Gletschervorfeld (0,13 ± 0,06 mm a−1 ) klar hervorstechen. Der Sedimenttransfer ist dementsprechend vergleichbar gering: Für das Gletschervorfeld liegt er bei 208,9 ± 104 t km−2 a−1 (im Vergleich zu 3560,4 ± 1’760 t km−2 a−1 ), wobei das Sedimentvolumen dort auch mit dem 50-fachen des Vorfeldes angegeben wird. Loye et al. (2007) gibt für das Einzugsgebiet der Stauhaltung eine durchschnittliche Denudationsrate von 0,3 mm a−1 an. In Tabelle 4.1 sind abschliessend die wichtigsten Einzugsgebietsparameter und einige Daten zur Gletschergeschichte zusammengefasst. 4.3 Klima Der Klimatyp des Turtmanntals ist als kontinental inneralpin zu kennzeichnen. Der scharfe Knick des Rhonetals bei Martigny von südwestlicher in eine nordwestliche Richtung dämpft den Einfluss der (Süd-)Westwinde und demnach das Eindringen von Niederschlag, weshalb die Region des südlichen Wallis mit dem Turtmanntal als eine der trockensten in den Alpen anzusehen ist (Otto, 2006; Roer, 2005). Im Turtmanntal selbst befindet sich keine Klimastation, im Hungerlitälli wurde jedoch im Jahre 2002 im Rahmen der Studien der Universität Bonn eine automatische Wetterstation errichtet. Die bisher erhobene Datenreihe ist allerdings noch zu kurz für verwendbare Aussagen (Abb. 4.4). Die Werte der Jahre 2005 - 2007 lassen die Lage des Temperaturminimums im Februar und des Maximums im August erkennen; die mittlere Jahrestemperatur liegt bei 1,2 ◦ C (auf 2’770 m). Der Monat mit der höchsten Niederschlagssumme ist der August (Otto, 2006). Die Gougra AG stellte für die Jahre 2006 - 2008 Temperaturdaten zur Verfügung (sechs Messwerte pro Tag), welche mit Hilfe eines Temperatursensors an der Staumauer (2’177 m Höhe) gemessen wurden. Für diese kurze Periode ergibt sich eine Jahresdurchschnittstemperatur von 2,74 ◦ C, sowie der Minimalwert von -19,9 und der Maximalwert von 18,7 ◦ C. 93 4 Das Untersuchungsgebiet Abb. 4.4: Monatsmittel der Temperatur und des Niederschlags im Brändjitälli (2770 m) seit der Installation der Wetterstation im Jahre 2002. Auf der linken Ordinate ist der Niederschlag [mm], auf der rechten die Temperatur [◦ C] dargestellt. Daten für Juli 2002 bis September 2005 (Otto, 2006) Die für eine Modellierung zu verwendenden Klimadaten müssen also über Berechnungen der Daten von Stationen in benachbarten Tälern bestimmt werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die ausgeprägte Morphologie des Hochgebirges zu stark variierenden Lokalklimaten führt und daher jedes Tal sein eigenes Klima besitzt (Rasemann, 2003). Otto (2001) bezog sich in seiner Studie über das ganze Turtmanntal auf die meteorologischen Stationen Visp, Grächen, Zermatt, Sion und Evoléne und verglich verschiedene hypsometrische (höhenabhängige) Temperaturgradienten der Region miteinander, wobei jener zwischen Visp und Zermatt im östlich benachbarten Mattertal den örtlichen Verhältnissen am besten entsprach (Otto, 2001; Rasemann, 2003). Mit der Annahme einer Temperaturabnahme von 0,47 ◦ C pro 100 m konnten so die -1 und -2 ◦ C Jahresisothermen (Höhenlinien der entsprechenden Jahresdurchschnittstemperatur) auf 2577 beziehungsweise 2854 m Höhe bestimmt werden, welche die Untergrenze des diskontinuierlichen Permafrost bilden (Nyenhuis, 2005). Nach Roer (2005) kann im Einzugsbereich des Turtmannsees von einem Niederschlag zwischen 900 und 1’600 mm a−1 ausgegangen werden. 94 4.4 Wasserkraftanlage 4.4 Wasserkraftanlage Abbildung A.3 (Anhang) zeigt das Einzugsgebiet des Turtmannstausees und des vorgeschalteten Sedimentationsbeckens. Es werden der Abfluss der Turtmänna mit einem Einzugsgebiet von insgesamt 25,2 km2 gefasst, welche sich aus den Schmelzwässern des Turtmann- und Brunegggletschers speist. Weiterhin eingeleitet werden der Pipjibach, der das Einzugsgebiet des Pipjitällis mit rund 3,6 km2 entwässert (BFE, 2008a), sowie die Abflüsse dreier talabwärts seitlich einmündenen Tällis, der Frili-, Blüomatt- und Brändjibach mit jeweils 1,7, 3,5 und 3,3 km2 (Abb. A.2 im Anhang). Insgesamt beträgt die Einzugsgebietsfläche damit 36,6 km2 (Gougra, 2007). Der Stausee mit einem Fassungsvermögen von 780’000 m3 wurde Ende der 50er Jahre des 19. Jahrhunderts in Betrieb genommen (Martinerie et al., 2005) und dient als Sicherstellung der Befüllung des Moiry-Stausses. Mit diesem ist er über einen 4,7 km langen Druckstollen und eine 1,5 km lange Druckrohrleitung verbunden (Colenco, 2001; Gougra, 2007). Die Bogenstaumauer wurde vor dem Eingang der Schlucht errichtet, welche die Turtmänna in den Rundhöcker am Gletscherstand von 1900 erodiert hat. Sie ist 110 m lang und bis zu 30 m hoch (Mauerkrone auf 2’178 m Höhe). Der See besitzt durch seine Lage einen starken Einfluss auf das ursprüngliche hydrologische Regime der Schmelzwässer. Er wirkt als Unterbrechung des Sedimenttranfers der Turtmänna und somit als Senke (Speicher) für die eingetragenen Transportmassen. Seit dem Bau der Mauer hält der See nahezu alle Sedimente zurück (Martinerie et al., 2005), die natürliche Hochwasserdynamik im Tal ist verlorengegangen (Dufour, 2004). Auf Grund der Problematik des damit einhergehenden Stauraumverlustes wurde bereits 1972 mit der Ausbaggerung des Beckens begonnen und mit Hilfe des Baggerguts in drei Etappen (1972, 1978 und 1993) oberstrom ein weiterer Damm aufgeschüttet. Er ist 16,5 m hoch, 325 m lang ist (Zuber, 2005) und begrenzt das Geschieberückhaltebecken mit einem Nutzvolumen von weiteren 150’000 m3 (Otto, 2001; Zuber, 2005). Durch die weiterhin starken Sedimentzuträge ist inzwischen aber auch dieses Becken nahezu gefüllt, ebenso der sich daneben befindende Schuttplatz für das Baggergut (siehe in Abb. 4.2). Die aktuelle Spülungspraxis des Stausees (eine automatische Spülung pro Jahr als Schutz der Ablass- und Betriebsorgane) ist nicht 95 4 Das Untersuchungsgebiet länger durchführbar (ALPRESERV, 2008); es wird deshalb nach Möglichkeiten gesucht, hohe Abflüsse mit grossen Sedimentmengen um den See herumzuleiten, zu verdünnen oder anderweitig am Eintrag in den See hindern (ALPRESERV, 2008; Martinerie et al., 2005; Zuber, 2005). Zur Quantifizierung der Verlandung sind bisher fünf Bathymetrien (Vermessungen des Seegrundes) in den Jahren 1959, 1970, 1978, 1997 und 2002 durchgeführt worden (Martinerie et al., 2005). Die Messung im Jahr 2002 ergab einen Speicherrückgang von 780’000 auf 623’000 m3 , also einen Stauraumverlust von 20 % in 43 Jahren (Loye et al., 2007). Die jährliche Verlandung wird dabei auf 3’800 m3 geschätzt; der Eintrag ins Geschieberückhaltebecken mit 7000 m3 angegeben (Zuber, 2005). Im Jahr 2006 wurden bei einer erneuten Baggerung 120’000 m3 aus dem Rückhaltebecken entnommen (ALPRESERV, 2008). Es finden sich in der Literatur einige widersprüchliche Angaben zu den Verlandungserscheinungen des Turtmansees und seines Geschieberückhaltebeckens; sie unterscheiden sich in den Mittelungen über gewählte Zeitperioden, der Aufteilung in Geschiebe- und Schwebstofffracht sowie der Berücksichtigung von Baggerungen und Spülungen (Loye et al., 2007; Martinerie et al., 2005; Zuber, 2005). Aus diesem Grund bezieht sich ein Grossteil der hier verwendeten Werte auf die Studie von Colenco (2001), die ihrerseits auf interne Berichte und Unterlagen der Kraftwerke Gougra zurückgreift und somit als die verlässlichste Quelle angesehen wird. Tabelle 4.2 gibt einen Überblick über die Sedimentvolumen, welche in den verschiedenen Zeitperioden im Geschieberückhaltebecken und Stausee abgelagert, aus diesem durch Spülungen ausgetragen und aus dem Rückhaltebecken ausgebaggert wurden. 96 Tab. 4.2: Übersicht des Sedimenteintrags in die Turtmannstauhaltung seit 1959. Aufteilung in die Perioden zwischen zwei Bathymetrien. Der graue Bereich repräsentiert die Zeit vor dem Bau des Geschieberückhaltebeckens, als noch die gesamte Feststoffmenge im Stausee abgelagert wurde. Die Werte aus dieser Zeit gingen deshalb nicht in die Mittelungen ein (dargestellt in türkis und grün) (nach Colenco (2001)) 1959 - 1970 Geschiebe Schwebstoffe Verlandung Stausee Gesamtfracht [m3] 1970 - 1978 Geschiebe Schwebstoffe 1978 - 1997 Geschiebe Schwebstoffe 1997 - 2002 Geschiebe Schwebstoffe 146'660 43'330; 23'500 [9] Jahresdurchschnitt 3 [m /a] 12'220 2'280 [6] Spülung Stausee Gesamtfracht Jahresdurchschnitt [m3] [m3/a] 70'000 [1] [2] 2'500 Verlandung Geschieberückhaltebecken Gesamtfracht Jahresdurchschnitt [m ] [m3/a] Deponieablagerungen Gesamtfracht [m3] Jahresdurchschnitt [m3/a] 3'360 [10] 3'000 [10] 2'500 2'500 3 [3] 34'000 [1] [6] 34'300 5'700 [3] 63'600 4'550 [6] 32'100 [4] 13'900 [7]; 31'700 [8] 2'590 [5] 2'590 [5] Mittelung [10] 39'500 4'940 [10] 5'000 2'590 [5] 2'600 vor dem Bau des Geschieberückhaltebeckens Mittelung der Schwebstoffe nach Colenco, 2001 Mittelung der Schwebstoffe und des Geschiebes nach Colenco, 2001 [1] 1963 - 1970 [2] Zu hoher Schätzwert; gleichgesetzt mit ermitteltem Wert von 1992 - 2000 [3] 1972 - 1978 [4] 1970 - 1979 [5] 1970-2000 [6] 1978 - 1992 [7] 1979 - 1990 [8] 1990 - 1992 [9] 1990 - 1997 [10] 1992 - 2000 Tab. 4.3: Abschätzung der Aufteilung des Sedimenteintrags in Schwebstoffe und Geschiebe (nach ALPRESERV (2009)) Feststofffracht Stausee (Verlandung) Stausee (Spülungen) Geschieberückhaltebecken Total Total 3 [m /a] 3 [m /a] 3 [m /a] 3 [m /a] [%] 0 0 5'300 5'300 40 Schwebstoffe 3'000 2'500 2'300 7'800 60 Total 3'000 2'500 7'600 13'100 100 Geschiebe 4 Das Untersuchungsgebiet Sedimentanalysen an der Staumauer ergaben eine Zusammensetzung von 60 % Schluff und 40 % Sand im Stausee (Zuber, 2005), was auch für den Gesamteintrag angenommen werden kann. Die Korngrössenzusammensetzung im Geschieberückhaltebecken ergaben nach Analysen aus dem Jahr 1993 eine Aufteilung in 70 % Geschiebe und 30 % Schwebstoffe (hier Korngrösse < 1 mm) (Colenco, 2001). Dementsprechend können die Sedimente des Rückhaltebeckens und der Deponieablagerungen (7600 m3 a−1 ) in Geschiebe und Schwebstoffe aufgeteilt werden: • Geschiebe = 0,7 × 7’600 m3 a−1 = 5’300 m3 a−1 • Schwebstoffe = 0,3 × 7’600 m3 a−1 = 2’300 m3 a−1 Der totale Sedimentanfall des Systems Rückhaltebecken - Stausee kann somit als Mittelwert QSed = 13’100 m3 a−1 angenommen werden und ist aufteilbar in Qg = 5’300 m3 a−1 für den Geschiebe- und Qs = 3’000 + 2’500 + 2’300 = 7’800 m3 a−1 für den Schwebstoffeintrag (Tab. 4.3). 4.5 Hydrologie Tab. 4.4: Hydrologische Charakterisierung der Das Einzugsgebiet des Stausees weist einen Turtmänna. Qx steht jeweils für die x - jährliche a - glaziären Abflusscharakter auf, der Be- Wiederkehrwahrscheinlichkeit eines Abflusses reich unterstrom der Staumauer wird als Charakteristik Wert Literatur Abflussregime a-glaziär Spreafico, 2001 b - glaziär eingestuft (siehe Abb. 2.5 und Q1 6 [m3/s] Dufour, 2004 Abb. C.1 im Anhang). Die Hauptabfluss- 3 Q5 12 [m /s] Dufour, 2004 Q10 13 [m3/s] Dufour, 2004 Q20 14 [m /s] Dufour, 2004 Q50 17 [m3/s] Dufour, 2004 (ALPRESERV, 2008); die dabei auftreten- Q100 19 [m /s] Dufour, 2004 den jährlichen Abflüsse sind in Tabelle 4.4 Colenco, 2001 zusammengefasst. Q1000 Jahresabfluss Stromproduktion 3 3 3 75 [m /s] 3 48 Mil m /a Dufour, 2004 175 GWatt/a Dufour, 2004 saison liegt zwischen Juni und September zur Zeit der Schnee- und Gletscherschmelze Der Jahresabfluss lässt sich in Basisabfluss, Oberflächenabfluss und Gletscherschmelzabfluss aufteilen (Abb. 4.5). Der Basisabfluss ist im Winter sehr schwach ausgeprägt und steigt im Sommer mit der Wassersättigung des Bodens durch die Schneeschmelze an. Der Oberflächenabfluss liegt im Winter nahezu bei null, da 98 4.5 Hydrologie der Niederschlag meist in fester Form fällt; er steigt mit dem Beginn der Schneeschmelze auf Grund des wassergesättigten Bodens stark an und erreicht seine Höchstwerte während Niederschlagereignissen im Sommer und Herbst. Der Beitrag der Eisschmelze setzt ebenfalls mit der Schmelze des Schneevorrats ein und tritt besonders nach der Ausaperung des Gletschers3 in Erscheinung (Martinerie et al., 2005). Abb. 4.5: Aufteilung der Jahresabflussganglinie der Turtmänna in die verschiedenen Komponenten. Simulation für das Jahr 1984 an Hand einer hydrologischen Modellierung über den Zeitraum 1983 2003 (verändert nach Martinerie et al. (2005)) Die Kraftwerke Gougra AG stellten für diese Studie tägliche Abflussmittelwerte der Turtmänna in den Stausee zur Verfügung, deren Aufbereitung in Kapitel 5.2 beschrieben wird. Für den Zeitraum 2000 - 2008 konnten so höher aufgelöste Berechungen durchgeführt werden (Tab. C.2). Der Höchstabfluss in dieser Periode trat am 26.06.2003 mit 9,70 m3 s−1 , der Niedrigstabfluss am 03.03.2006 und 28.02.2008 mit 0,01 m3 s−1 auf. Der durchschnittliche Jahresabfluss lag bei 1,62 m3 s−1 , der Medianwert allerdings nur bei 0,42 m3 s−1 . Der Spitzenabfluss tritt im Juli mit durchschnittlich 5,19 m3 s−1 auf; die Abflussdauerkurve über die betrachtete Periode ist in Abbildung C.7 dargestellt. 3 Abschmelzen der rezenten Schneeauflage auf dem Gletschereis 99 5 Methoden Der zeitliche Rahmen der Diplomarbeit erforderte die Beschränkung der Untersuchungen auf zwei Aspekte des vorgestellten Konzeptes der Auswirkung des Klimawandels auf die Speicherverlandung. Untersucht wurde die Sedimentverfügbarkeit im Einzugsgebiet, sowie der Geschiebetransport der Turtmänna für vergangene Jahre und angenommene zukünftige Abflüsse. 5.1 Sedimentvolumen Zur Erfassung des potentiell erodierbaren Sedimentvolumens im Einzugsbereich des Stausees, welches für Abtragung und Gerinnetransportprozesse zur Verfügung steht, wurde zunächst vom 17. - 29.09.2008 eine Feldbegehung durchgeführt. Dabei wurde ersichtlich, dass sich der zu berücksichtigende Bereich klar definieren lässt. Wie in Kapitel 4.2.4 angesprochen, beschränken sich die massgeblichen Schuttmassen auf die optisch abgrenzbaren Einheiten Gletschervorfeld, Moränen und Ausbaggerungsschutt. Beide Gletscherzungen liegen auf dem Fels auf, der Turtmanngletscher erreicht dabei gerade noch die Talfüllung. Aus diesem Grund wird von keiner weiteren Sedimentfreisetzung durch den anhaltenden Rückzug gerechnet; die zukünftige supra-, en- und subglaziale Sedimentanlieferung wird im Hinblick auf das grosse Moränenschuttvolumen und die schwierige Vorhersagbarkeit nicht berücksichtigt. Ebenso wird von keinem bedeutenden Sedimentzutrag durch die beiden von unterhalb der Staumauer zugeleiteten Bäche ausgegangen, da sich an deren Fassungen Entsanderbecken befinden. Zur Abschätzung des Sedimentvolumens wurde darum der zu untersuchende Bereich der Seitenmoränen und des Gletschervorfeldes inklusive des Stausees und Geschieberückhaltebeckens ausgewählt. Als Begrenzung dieses Gebietes diente im Norden die Staumauer, an der Ostseite der gut erkennbare Moränenauslauf am Hang, im Süden ein Ausbiss des Felsbetts des 100 5.1 Sedimentvolumen Turtmanngletschers1 und an der Westseite in Stauseenähe das Seeufer. Das an der westlichen Flanke des Turtmanngletschers einmündende Inner Wängertälli wurde dabei auf Grund seiner grossen Schuttfächer mit in die Betrachtung einbezogen (Abb. 5.1). Die beschriebenen Bereiche wurden nach dieser Auswahl bis an den Gletscher mit der Tracking - Funktion eines GPS-Geräts abgegangen (siehe Abb. A.3). Ausserdem wurden die allfälligen Hangneigungen mit Hilfe eines Neigungsmessers bestimmt. Im Vergleich der mittels GPS erhobenen mit den sichtbaren Abgrenzungen im digitalen Höhenmodell DTM-AV des Bundesamtes für Landestopographie der Schweiz (swisstopo) (Auflösung im Mittel ein Punkt pro m2 ; (swisstopo, 2003)) zeigte das Höhenmodell eine sehr hohe Präzision. Auf Grund der angegebenen geringen Höhenungenauigkeiten der Lasermesspukte von ± 30 cm (Ungenauigkeit der Vertikalwerte des GPS > 20m) wurde entschieden mit dem digitalen Modell weiterzuarbeiten. Somit dienten die erhobenen Tracking - Strecken zur Validierung der optisch aus den DTM-AV bestimmten Abgrenzungen. Die Daten für das Einzugsgebiet lagen als Punkte (xyz - Werte) vor und wurden im Geographischen Informationssystem ArcGIS 9.3 der Firma ESRI mittels der nearest neighbor - Interpolation zu einer Rasterdatei verarbeitet (Auflösung 1 × 1 m). Über das Auswahlgebiet wurden 14 Quer- und zwei Längsprofile gelegt, die über die eigentlichen Sedimentablagerungen seitlich in die Hangbereiche (Fels oder geringmächtiger Hangschutt) hinausgehen und für die entsprechende Koordinaten aus der Interpolation erhoben wurden (ArcScene - Ansicht2 in Abb. 5.1). Zur Abschätzung der Sedimentstärke wurden mehrere Annahmen getroffen, teilweise in Anlehnung an Otto (2006). Der Fuss der Staumauer in der kleinen Schlucht der Turtmänna gibt einen festen Anhaltspunkt von 30 m Tiefe, was als die maximale Mächtigkeit der glazifluvial abgelagerten Sedimente angesehen wird. Entlang der gezogenen Querprofillinien wurde der Talgrund im Bereich der Sedimente entsprechend der vorliegenden Hangneigung abgesenkt. Dies erfolgte unter der Annahme eines ursprünglich glazial geprägten U-förmigen Felstals mit einem zentralen Tiefpunkt und einem gleichmässigem beidseitigem Anstieg. Die beiden Längsprofile verbinden jeweils die Tiefpunkte im Turtmanntal beziehungsweise im Innern Wängertälli. 1 2 Stelle, an der die Gletscherzunge nur noch auf Fels aufliegt 3D - Viewer von ArcGIS 9.2 der Firma ESRI 101 Abb. 5.1: Darstellung des Untersuchungsgebietes für die Sedimentvolumenberechnung. ArcScene - Ansicht einer nearest neighbor - Interpolisation aus Daten des DTM-AV von (swisstopo, 2003), Auflösung 1 × 1 m. In gelb dargestellt ist die Oberfläche der betrachteten Sedimente, in rot der Verlauf der 14 Quer- und zwei Längsprofile. Blick in Richtung Südwest 5.1 Sedimentvolumen Neben der Schlucht stellen der grosse Rundhöcker oberstrom des Geschieberückhaltebeckens, die Felskrete oberhalb des Innern Wängertällis sowie der Felsausbiss des Brunnegggletschers bekannte Höhen dar, zwischen welchen die glaziale Eintiefung an Hand der Umgebungsmorphologie abgeschätzt werden konnte. Das Volumen der im oberen Teil noch von der Gletscherzunge überlagerten Grundmoräne wurde ebenfalls abgeschätzt, wobei von einer Sohlenschuttmächtigkeit von höchstens 10 m mit einer schnellen Ausdünnung in Richtung des Felsbettausbisses ausgegangen wurde. Diese Annahme gründet sich auf der Morphologie des Gletschers, welcher an dieser Stelle von einem steilen Gefälle in die Talebene übergeht und demnach stark erodierend und weniger sedimentierend wirken dürfte. Otto (2006) nahm hier ebenfalls eine sehr schwache Sedimentlage an. Mit Hilfe der Tiefpunkte und weiterer ein bis sechs gesetzter Punkte sowie den äusseren belassenen Höhenpunkten pro Querprofil wurde mit verschiedenen, in ArcGIS zur Verfügung stehenden Verfahren der angenommene Talboden interpoliert. Für den ausgewählten Bereich wurde schliesslich in ArcGIS mit Hilfe des Werkzeugs cut/fill3 das Volumen des Sedimentkörpers aus der realen Oberfläche (Modellierung aus den DTM-AV - Daten) und dem interpolierten Talgrund (mit dem die erwünschte U-Talform am besten wiedergebenden Verfahren) gebildet. Nach der gleichen Methode wurde die enthaltene Gletschereismasse berechnet und vom Gesamtvolumen abgezogen. Für die Bestimmung des potentiell für die Stauseeverlandung mobilisierbaren Sedimentanteils wurde weiterhin das Volumen des Rückhaltebecken-StauseeKomplexes berechnet, um es vom Gesamtvolumen abziehen zu können. Zur grössenmässigen Einordnung der erhaltenen Werte im Sinne von Grenzwerten wurden sämtliche Volumen zusätzlich mit einer angenommen V - Form des Talquerschnitts (untere Schranke) und einer angenommenen Kastenform (obere Schranke) auf der Basis eines TINs (Dreiecks - vermaschtes Höhendatennetz) interpoliert. 3 Berechnet das Volumen zwischen einer Ursprungsfläche und einer daraus veränderten Fläche räumlich differenziert in Volumenzu- und abnahme 103 5 Methoden 5.2 Geschiebetransport In diesem Kapitel wird zunächst die Bestimmung der rezenten Geschiebetransportkapazität der Turtmänna und die dafür nötigen Feldaufnahmen beschrieben, gefolgt von der Aufstellung zweier Szenarien für die mögliche zukünftige Abfluss- und damit Geschiebeentwicklung. 5.2.1 Feldaufnahmen und Analysen Als Grundlage für die Geschiebeanalyse mit Hilfe von Transportformeln bedarf es der Aufnahme von Gerinnequerprofilen und der Durchführung von Korngrössenanalysen. An der Turtmänna wurden für diese Studie mit einem Disto Laser Distanzmesser mehrere Querprofile vermessen. Die Wahl der Standorte erfolgte entsprechend der Repräsentativität für die Umgebung: Im Bereich der Grundmoräne sowie im Bereich der konsolidierten Sedimente in einer kleinen Talaufweitung oberstrom des Rundhöckers vor der Einmündung der Turtmänna ins Geschieberückhaltebecken. Dabei wurde jeweils auf den Ort des minimalen Gefälles geachtet, welcher für den Geschiebetransport limitierend wirkt (Schlüsselstrecke). Nahe den Querprofilen wurden an insgesamt acht Stellen die Kornverteilung der Sedimente per Linienzahlanalyse untersucht. Dieses Verfahren einer Deckschichtprobenahme durch Bestimmung der b - Achse (zweitlängste Achse eines Steins) aller Steine entlang einer Linie mit mindestens 150 Objekten wird empfohlen bei der Erhebung von gröberem Sohlenmaterial in Kiesflüssen und ist mit geringem Aufwand durchführbar (Bezzola, 2005). Die Aufnahme und Auswertung erfolgte nach der von Fehr (1987) beschriebenen Prozedur. Dabei werden nur Körner > 1 cm in der Häufigkeit festgelegter Fraktionen aufgenommen, dann in Volumenprozent umgerechnet, auf die vernachlässigten kleineren Körner korrigiert sowie durch eine Fuller-Kurve4 im Bereich der Feinfraktion ergänzt. Die erhaltene Kurve entspricht dann in genügender Näherung der Korngrössenverteilung der sogenannten Unterschicht, der repräsentativen Zusammensetzung unter der sich durch Ausspülung ausbildenden Deckschicht. 4 Empirische Funktion zur Bestimmung des Geschiebefeinanteils bei bekannter Maximalkorngrösse 104 5.2 Geschiebetransport Als weitere wichtige Parameter wurden die charakteristischen Korndurchmesser d30 , d50 und d90 aus den Kurven abgelesen und der massgebende Korndurchmesser dm als geometrisches Mittel berechnet (Bunte and Abt, 2001): dm = 10 1 100 k P (log(di )pi ) i=1 (5.1) mit di als Korndurchmesser der i-ten Fraktion und pi als deren prozentualen Gewichtsanteil für die Korngrössenfraktionen i bis k. Dieser Ansatz eignet sich besser für die Geschiebeberechnung bei hohem Vorkommen von Grobkomponenten wie in Kiesflüssen. Nach Badoux and Rickenmann (2008) wurde schliesslich die beiden kritischen Abflusswerte qc,min und qc,D (siehe Kapitel 2.1.5) erstellt sowie daraus ein Mittelwert qc,1/2 abgeleitet. 5.2.2 Berechnung der Geschiebetransportkapazität Als Vorarbeit für die Berechnung der aktuellen Transportkapazität mussten die von der Gougra SA gelieferten Abflussdaten (Jahre 2000 - 2008) aufbereitet werden. Neben der Entfernung einiger weniger Ausreisser (fehlerhafter Abflusswerte, ersichtlich aus der Ganglinie5 ) musste für die Jahre 2000 bis Mitte 2004 der Abfluss eines Seitenbaches (Barneusa) angenährt werden, welcher dem schon turbinierten Stauseewasser zufliesst, da nur die täglichen gemeinsamen mittleren Abflüsse bekannt sind. Auf Grund vorliegender Abflussdaten dieses Baches für Mitte 2004 - 2008 wurde jeweils ein für diesen Zeitraum berechneter mittlerer Tagesabfluss abgezogen. Des Weiteren wurde die fehlenden Abflussdaten des Oktobers 2008 aus den anderen acht Jahren gemittelt. Für die nicht geschiebewirksamen Zuflüsse6 des Frili- und Blüomattund Brändjibachs in den Stausee bestand nur eine einjährige Messperiode (September 2007 - September 2008). Daraus wurden zur grössenordnungsmässigen Abschätzung des Beitrags zum Gesamtabfluss jeweils prozentuale monatliche Abzugsfaktoren für die Jahre 2000 - 2007 erstellt, mit denen die Tagesabflüsse korrigiert wurden. Die Geschiebeberechnungen wurden jeweils mit dem gesamten (Q) und dem um diese drei Bäche reduzierten Abfluss (Qred ) durchgeführt. 5 6 Sommerliche Tagesabflussmittelwerte nahe null bei sonstigen Werten um 3 - 4 m3 s−1 Auf Grund der Sandfänge an deren Fassungen wird davon ausgegangen, dass sie nur unbedeutende Geschiebemengen, beziehungsweise nur Schwebstoffe eintragen. 105 5 Methoden Für ein ausgewähltes Querprofil wurde eine Schlüsselkurve für die Beziehung Abfluss - Abflusstiefe berechnet (Abb. C.5 im Anhang). Dabei kam der Ansatz zur Bestimmung des Fliesswiderstands nach Smart and Jäggi (1983) zur Anwendung, welcher für steile Gerinne entwickelt wurde: q vm = −α 1−e R√ d90 S 10, 9R p 2, 5 gRS ks (5.2) mit ks = 1, 5d90 nach Bezzola (2005). Für die gewählte Abflusstiefe berechnete sich dann jeweils daraus der Abfluss Q aus der Kontinuitätsgleichung als Produkt mit der zugehörigen Querschnittsfläche. Die gesuchte Abflusstiefe für jeden Abfluss Q ergab sich an Hand einer Regressionsgleichung h(Q)und mit Hilfe einer Iterationsrechnung7 . Daraufhin folgte die Ermittlung der potentiellen Geschiebetransportkapazitäten für die Abflüsse der Jahre 2000 - 2008. Angewandt wurden dabei die Gleichungen 2.9 mit Ak = 1, 95, sowie 2.4 und 2.5, ebenfalls unter der Berücksichtigung des Porenvolumens (mit dem Faktor 1,3). Weiterhin kamen die Formwiderstandskorrekturen mit den Gleichungen 2.10, 2.11, 2.12 und 2.13 zur Anwendung (siehe Kapitel 2.1.5). Um Vorraussagen über die zukünftige Entwicklung des tatsächlich auftretenden Geschiebetransportes im Hinblick auf die diskutierte Klimaänderung treffen zu können, wurden Korrekturfaktoren gegenüber den beobachteten Volumen berechnet, um die Überschätzungen der Geschiebeformeln zu korrigieren. Als durchschnittliches Geschiebeeintragsvolumen wurde dabei Qg = 5’300 m3 a−1 angenommen (siehe Tab. 4.3). 5.2.3 Mögliche zukünftige Entwicklung Zur tagesaufgelösten Berechnung des zukünftigen Geschiebetransportes wurden durchschnittliche Tagesabflüsse auf zwei Arten generiert: Erstens über die Mittelung der reellen täglichen Abflüsse Q8 der Jahre 2000 - 2008 für eine tagesaufgelöste Abflusskurve (genannt Durchschnittsjahr I); zweitens über die Mittelung der nach dem Abflussvolumen sortierten Werte 7 Solange durchgeführt, bis die Abweichung zwischen dem gegebenem und dem berechneten Abfluss kleiner als 1 % betrug. 8 Sämtliche Berechnungen wurden jeweils auch mit Qred durchgeführt. 106 5.2 Geschiebetransport für eine statistisch genauer aufgelöste Abflussdauerkurve9 (Durchschnittsjahr II). Die daraus ermittelten Jahresabflussgangkurven wurde mit der bestehenden Mittelung der Jahre 2000 2008 auf Übereinstimmung verglichen. Sodann wurden aufbauend auf den Ergebnissen von Huss et al. (2008) zwei Abflussszenarien (A: 2025 - 2050 und B: 2075 - 2100) entwickelt, an Hand derer die täglichen Abflüsse jeweils modifiziert und der daraus resultierende Geschiebetransport ermittelt werden konnte. Szenario A geht dabei von einer Zunahme des Jahresabfluss von 50 % aus, behält jedoch die prozentuale Verteilung über die Monate bei, da jeder Tagesabfluss mit 1,5 multipliziert wird. Deshalb bleibt auch die Form der Abflussganglinie erhalten (a-glaziäres Regime). Für Szenario B wurde eine Veränderung derselben mit einer Verschiebung der Abflussspitze in den Juni (vergleiche die Form in Abb. 2.28) angenommen, jedoch bei gleichbleibendem Jahresabfluss, wobei auf sämtliche Tageswerte jeweils ein entsprechender Monatsfaktor angewandt wurde. Die Aufstellung dieser Szenarien in Anlehnung an Huss et al. (2008) begründet sich mit der räumlichen Nähe des Turtmanngletschers zum Glacier de Moming (Luftlinie 3 km), für welchen diese Berechnungen durchführten. Die von diesen Angaben etwas abweichenden Werte von Horton et al. (2005) wurden hier auf Grund der grösseren Entfernung zum Saastal (Saaser Vispa) nicht berücksichtigt. 9 Graph der jährlichen prozentualen Unterschreitungswahrscheinlichkeit von nach der Grösse geordneten Abflüssen 107 6 Resultate 6.1 Sedimentvolumen Im Vergleich der verschiedenen in ArcGIS 9.3 angebotenen Interpolationsverfahren (Abb. B.1 im Anhang) zeigte die spline - Funktion die qualitativ beste Annäherung an die postulierte U-Talform, wobei nur geringe seitliche Überschneidungen des berechneten Talgrundes mit der realen Sedimentoberfläche auftraten. Aus diesem Grund wurde die spline - Interpolation (Parameter Tension) für die weiteren Berechnungen angewandt. Otto (2006) verwendete für seine Berechnungen die TOPOGRID - Prozedur (auch Topo to Raster), welche für hydrologische digitale Höhenmodelle entwickelt wurde, jedoch hier nicht zu befriedigenden Ergebnissen führte. Die Berechnung aus der Modellierung des Sedimentkörpers (Abb. 6.1) führte nach dem Abzug von 8 × 106 m3 für die Gletscherzunge zu einem Gesamtvolumen von 35 × 106 m3 ; für das V-Profil und das Kastenprofil ergaben sich jeweils 19 × 106 m3 und 48 × 106 m3 (nach Abzug von 5 und 14 × 106 m3 ). Zur Betrachtung des potentiell erodierbaren Sedimentvolumens können diese Werte für den Bereich der Stauhaltung und des Geschieberückhaltebeckens um weitere 3 (U-Tal), 2 (V-Tal) beziehungsweise 4 × 106 m3 (Kastental) reduziert werden, so dass sich 32 × 106 m3 (17 respektive 44 × 106 m3 ) ergeben. 6.2 Geschiebetransport 6.2.1 Feldaufnahmen Während der Feldbegehung wurden fünf Querprofile der Turtmänna aufgenommen. Für die folgenden Analysen wurde Profil 5 verwendet (siehe Abb. A.3), welches im Gegensatz zu den anderen ein Felsprofil darstellt (Tab. 6.1). Hier kann von einer relativ konstanten Geometrie 108 6.2 Geschiebetransport Abb. 6.1: Darstellung des Sedimentkörpers. ArcScene - Ansicht einer nearest neighbor - Interpolisation aus Daten des DTM-AV von (swisstopo, 2003), Auflösung 1 × 1 m. In rot gepunktet dargestellt ist der Verlauf der 14 Quer- und zwei Längsprofile, blau gekennzeichnet die Zunge des Turtmanngletschers. Rechts zwei Querprofilansichten im Schnitt, dabei in rot der mit der spline - Funktion interpolierte Talgrund (zweifache Überhöhung). Blick in Richtung Südwest ausgegangen werden. Bei den anderen Profilen lässt die zu erwartende fluviale Umlagerung keine längerfristigen Analysen zu. Weitere Auswahlbegründungen sind die Höhe der Ufer (bis 3,80 m) und die geringe Neigung von 4 - 5 %, was für den Sedimentdurchgang entscheidend ist (sogenannte Schlüsselstrecke). Das Querprofil 5 (siehe Abb. C.2 im Anhang) wurde für die weiteren Berechnungen vereinfacht abgebildet (Abb. C.3). Als Ergebnisse der acht durchgeführten Linienzahlanalysen sind in Abbildung C.4 die zugehörigen Kornverteilungskurven und ihr Mittelwert aufgetragen. In Tabelle C.1 sind zusätzlich die daraus erhobenen charakteristischen Korngrössen dx sowie die kritischen Abflusswerte pro Einheitsbreite qc,min , qc,D und qc,1/2 als deren Mittelwert für 109 6 Resultate Tab. 6.1: Feldaufnahmen Profil Lagebeschreibung Profilbeschreibung Neigung Profil 1 Gletschervorfeld, unterstrom Einmündung Bruneggbach Grundmoräne; braided stream 3% Profil 2 Gletschervorfeld, oberstrom Einmündung Bruneggbach Grundmoräne; braided stream 3 - 4% Profil 3 Eingang Talaufweitung durch Vegetation teilweise stabilisierte Sedimente 10% Profil 4 Mitte Talaufweitung durch Vegetation teilweise stabilisierte Sedimente 4 - 5% Profil 5 Ausgang Talaufweitung, Rundhöcker Felsprofil 4 - 5% Linienzahlanalysen Bezeichnung 2 parallel, 1 quer zum Bach L1.1, L1.2, L1.3 3 parallel zum Bach L2.1, L2.2, L2.3 2 parallel zum Bach L4.1, L4.2 Profil 5 zusammengefasst. Geschiebetransport im Profil tritt dabei nach den Berechnungen ab einem Abfluss von Qc,1/2 = 0,76 m3 s−1 beziehungsweise Qc,D = 1,65 m3 s−1 auf. 6.2.2 Geschiebetransport während der Jahre 2000 - 2008 Die aus den Daten der Gougra SA berechneten Abflüsse Q für die Jahre 2000 - 2008 wurden schon in Kap. 4.5 erwähnt (siehe Tab. C.2). In diesen Daten sind auch die Zuflüsse der drei Nebenbäche enthalten. Mit Hilfe der in Kapitel 5.2.2 genannten Ansätze und der erstellten Schlüsselkurve für Profil 5 (Abb. C.5) wurden darauf aufbauend die zugehörigen Geschiebetransportvolumen Qbxf y berechnet (Mittelwerte in Tab. 6.2). Dabei wurden die Berechnungen jeweils für den aus qc,min und qc,D gemittelten Wert qc,1/2 sowie für den oberen Grenzwert qc,D durchgeführt, zusätzlich auch noch für die entsprechend reduzierten Tageswerte Qred . Die durchschnittlichen Überschätzungen im Vergleich zur angenommenen jährlichen Geschiebemenge von Qg = 5’300 m3 lagen im Bereich eines Faktors von 260 (Gleichung 2.4) über 190 (Gleichung 2.9) bis 160 (Gleichung 2.5) für Q unter Verwendung von qc,1/2 als Obergrenze, im Bereich eines Faktors von 150 (Gleichung 2.4) über 140 (Gleichung 2.9) bis 90 (Gleichung 2.5) für Qred unter Verwendung von qc,D . Gleichung 2.9 lieferte somit die am wenigsten abweichenden Werte, welche deshalb den vier Formkorrekturen unterzogen wurden. Einen Vergleich des Korrekturverhaltens dieser Gleichungen, aufgetragen gegen die relative Abflusstiefe h/d90 , 110 Tab. 6.2: Berechneter kumulativer Geschiebetransport der Jahre 2000 - 2008 im Vergleich zum durchschnittlichen Sedimenteintrag Qg in das Geschieberückhaltebecken und den Stausee (Mittelung über die Jahre 1970 - 2002). Die Ergebnisse sind für den Mittelwert und den um die Nebenbäche reduzierten Mittelwert der Tagesabflüsse aufgetragen, dabei jeweils mit den Grenzwerten qc1/2 und qc,D . Die ersten drei Spalten zeigen die Berechnungen mit den Gleichungen 2.9, 2.4 und 2.5, die fünf darauffolgenden die Anwendung der Formkorrekturen nach den Gleichungen 2.10, 2.11, 2.12 und 2.13 auf Gleichung 2.5 sowie Reduktionsfaktoren der letzten Spalte auf Qg Gleichung 2.9 Qg Jahr Gleichung 2.5 Gleichung 2.5 Gleichung 2.5 Gleichung 2.5 Gleichung 2.5 Korrektur mit Gleichung 2.10 Korrektur mit Gleichung 2.11 Korrektur mit Gleichung 2.12 Korrektur mit Gleichung 2.13 Reduktion [5] Qb1 [m3] Qb3f1/Qg [-] [m3] Qb3f2/Qg [-] [m3] Qb3f3/Qg [-] Qb3f4 [m3] Qb/Qg [-] Qb3f3 [m3] Qb2/Qg [-] Qb3f2 [m3] Qb1/Qg [-] Qb3f1 3 [m3] Qb3f4/Qg [-] Qg/Qbf4 [-] 990,000 187 1,370,000 258 860,000 162 200,000 38 1,110,000 209 90,000 17 90,000 17 0.06 900,000 170 980,000 185 610,000 115 150,000 28 710,000 134 70,000 13 60,000 11 0.09 850,000 160 1,160,000 219 720,000 136 160,000 30 800,000 151 70,000 13 70,000 13 0.08 760,000 143 790,000 149 490,000 92 110,000 21 560,000 106 50,000 9 50,000 9 0.11 [m ] Q qc1/2 [1] Q qc,D Gleichung 2.4 [2] Qb2 Qb3 5,300 Qred qc,1/2 [3] Qred qc,D [4] [1] Mittelwert über die Periode 2000 - 2008, Grenzwert qc,1/2 [3] Mittelwert über die Periode 2000 - 2008 (reduzierte Tageswerte), Grenzwert qc,1/2 [2] Mittelwert über die Periode 2000 - 2008, Grenzwert qc,D [4] Mittelwert über die Periode 2000 - 2008 (reduzierte Tageswerte), Grenzwert qc,D [5] Mittelung über die Periode 1970 - 2002 (siehe auch Tab. 4.2 und Tab. 4.3) 6 Resultate zeigt Abbildung C.6. Die stärkste Korrekturen für die Formverluste ergaben die Ansätze nach den Gleichungen 2.12 und Palt (2001); zur Korrektur der zukünftigen Geschiebeberechnungen wurde Gleichung Palt (2001) ausgewählt. Die dafür ermittelten Faktoren 0,06 - 0,11 gegenüber Qg für Q mit qc,1/2 beziehungsweise Qred mit qc,D sind ebenfalls in Tabelle 6.2 aufgeführt. 6.2.3 Mögliche zukünftige Entwicklung Der Vergleich von Durchschnittsjahr I (reale Tagesmittel) mit der Mittelung über die Monate der Jahre 2000 - 2008 zeigt eine sehr gute Übereinstimmung (Abb. C.8 im Anhang); für Durchschnittsjahr II konnte diese Überprüfung leider nicht durchgeführt werden, da die Werte sortiert vorliegen. Der in Abbildung C.7 dargestellte Verlauf der Abflussdauerkurven (nur für Q) zeigt jedoch eine besser Näherung von Durchschnittsjahr II an die Mittelung der Messperiode. Tab. 6.3: Nomenklatur der Geschiebeszenarien G kritischer Abfluss [3] Geschiebetransport [4] Tagesmittelwerte Stauseeabfluss Q [1] qc,1/2 Gqc,1/2 = GS Tagesmittelwerte Stauseeabfluss reduziert Qred [2] qc,D Datengrundlage Durchschnittsjahr I [4] Durchschnittsjahr II [4] GS,I GS,II GR,I Szenario B [4] GS,I,A GS,I,B GS,II,A GS,II,B GR,I,A GR,I,B GR,II,A GR,II,B Gred,qc,D = GR GR,II [2] Szenario A [4] [1] Abflussdaten der Gougra AG [3] Annahme des kritischen Abflusses pro Einheitsbreite [4] Berechnung des Geschiebetransports nach Gleichung 2.5, Formkorrektur mit Gleichung 2.13 und Reduktion mit Faktor aus Tabelle C.3 um die nicht geschieberelevanten Abflüsse der Zuleitungen des Frili-, Blüomatt- und Brändjibachs reduzierte Daten Als Überblick ist in Tabelle 6.3 die Symbolnomenklatur der durchgeführten Geschiebeberechnungen G dargestellt: S steht dabei für Stauseeabflüsse, R für um die Nebenbäche reduzierte Stauseeabflüsse. Ersichtlich ist auch die Wahl der kritischen Abflusswerte pro Einheitsbreite (qc,1/2 für GS und qc,D für GR ). Die Berechnungsergebnisse nach diesen Bezeichnungen sind in Tabelle 6.4 aufgetragen. Auch hier zeigen die beiden Durchschnittsjahre jeweils ähnliche Werte des Jahresabflusses und des Geschiebetransportes wie die entsprechenden Berechungen mit Q und Qred . Die Anwendung der beiden Szenarien A und B bewirkte wie schon erwähnt eine Abflusszunahme auf 150 % respektive eine Konstanz. Der Geschiebetransport nahm für Szenario A bei beiden Durchschnittsjahren für Q auf rund 170 % (beziehungsweise 200 % für Qred ) zu; für das Szenario B ergibt sich eine geringe Abnahme (beziehungsweise ein Wert von 112 6.2 Geschiebetransport gemittelt 70 %). Das Verhältnis des Geschiebetransports zum zugehörigen Abflusses Qgb /Q zeigte für die jeweiligen Abflüsse Qred mit dem kritischen Wert qc,D einen 35 % niedrigeren Wert als für die Abflüsse Q mit dem kritischen Wert qc,1/2 ; für Szenario A ergaben sich 25 %, für Szenario B 48 %. Die Aufteilung des Abflusses und Geschiebetransportes über das Jahr in Durchschnittsjahr I (Abb. C.8) liess in Szenario B eine Verschiebung der massgebenden Monate von Juni August auf Mai - Juli erkennen; bei Szenario GR,I,B erfolgte letztlich der gesamte Geschiebetransport in diesen drei Monaten (Tab. 6.4). Dabei veränderte sich auch die Zahl der Tage mit auftretendem Geschiebetransport (Geschiebetage) von 150 für Q (110 für Qred ) über 170 (125) auf 215 (90). Die prozentuale Gegenüberstellung des Abflussanteils zum Geschiebetransport dieser Monate bleibt in Szenario A gleich der Aufteilung des aufgestellten Durchschnittsjahres (74 % gegenüber etwa 87 %), wobei für Qred jeweils fast der gesamte Geschiebetransport auf die Monate Juni - August entfällt. In Szenario B dagegen wird der gleiche Geschiebeanteil von nur 60 % des Jahresabflusses transportiert. 113 Tab. 6.4: Mögliche zukünftige Entwicklung des Geschiebetransports. Nomenklatur entsprechend Tabelle 6.3 (S steht für Stauseeabflüsse, R für reduzierte Stauseeabflüsse). In gelb hervorgehoben die mittleren Werte für 2000 - 2008 zum Vergleich; in grün und blau eingefärbt jeweils die Durchschnittsjahre I und II mit den Szenarien A und B Jahresabfluss [7] Szenario GS GR Q 3 [m ] Verhältnis zum Geschiebetransport nach Durchschnittsjahr Gleichung 2.5 Qb3 [7] [7] Q/Q [%] 3 [m ] Verhältnis Formverlustkorrektur nach Korrektur mit Reduktionsfaktor Verhältnis zum JahresHauptJahresJahresGeschiebe/Abfluss Gleichung 2.13 aus Tabelle C.3 Durchschnittsjahr Geschiebetage Geschiebemonate Abflussanteil Geschiebeanteil Qb3/Q [-] [7] Qb3f4 [7] Qb3f4k [7] 3 3 [m ] [m ] Qb3f4k/Qb3f4k [%] [7] [-] [-] [%] [%] 49'630'000 - 860'000 0.017 90'000 5'300 - 145 Juni - August 73% 87% 43'190'000 - 490'000 0.011 50'000 5'300 - 110 Juni - August 74% 92% [1] 49'690'000 - 860'000 0.017 90'000 5'300 - 150 Juni - August 74% 88% GR,I [1] 43'250'000 - 480'000 0.011 50'000 5'300 - 110 Juni - August 74% 96% GS,I,A [2] 74'530'000 150% 1'370'000 0.018 150'000 8'800 166% 170 Juni - August 74% 86% GR,I,A [2] 64'780'000 150% 890'000 0.014 100'000 10'600 200% 128 Juni - August 74% 92% GS,I,B [3] 51'140'000 103% 750'000 0.015 80'000 4'700 89% 217 Mai - Juli 61% 85% GR,I,B [3] 43'170'000 100% 310'000 0.007 30'000 3'200 60% 89 Mai - Juli 59% 100% GS,II [4] 51'570'000 - 900'000 0.017 90'000 5'300 - 148 - - - [4] GS,I 44'830'000 - 520'000 0.012 50'000 5'300 - 105 - - - [5] 77'350'000 150% 1'430'000 0.018 160'000 9'400 177% 173 - - - GR,II,A [5] 67'250'000 150% 940'000 0.014 100'000 10'600 200% 122 - - - GS,II,B [6] 53'680'000 104% 840'000 0.016 90'000 5'300 100% 210 - - - [6] 45'220'000 101% 390'000 0.009 40'000 4'200 79% 93 - - - GR,II GS,II,A GR,II,B [1] alle Tagesabflüsse reell gemittelt über die Periode 2000 - 2008 [4] alle Tagesabflüsse sortiert gemittelt über die Periode 2000 - 2008 [2] [7] Q beziehungsweise Qred: steht jeweils für die Stauseeabflussdaten beziehungsweise für die um die drei Nebenbäche reduzierten Stauseeabflussdaten 1,5 * alle Tageswerte des Durchschnittsjahres I (Jahre 2025 - 2050) [5] [3] 1,5 * alle Tageswerte des Durchschnittsjahres II (Jahre 2025 - 2050) veränderte Ganglinie des Durchschnittsjahres I (Jahre 2075 - 2100) [6] veränderte Ganglinie des Durchschnittsjahres II (Jahre 2075 - 2100) 7 Diskussion 7.1 Sedimentvolumen Das berechnete Volumen der gesamten Glazialablagerungen von 35 ± 18,5 × 106 m3 kann mit der Angabe von Otto (2006) verglichen werden; sein Wert (19,6 ± 9,8 × 106 m3 ) berücksichtigt aber das Inner Wängertälli nicht. Allerdings sind die beiden Berechnungen zu Grunde liegenden Annahmen sehr vage. Die Daten des DTM-AV stammen aus dem Jahr 2003 und sind demnach nur noch als bedingt aktuell anzusehen. Das gilt insbesondere für den Turtmanngletscher, welcher allein bis 2005 über 200 m zurückgeschmolzen ist (VAW, 2008). Die untere Begrenzung der Gletscherzunge wurde deshalb aus den Trackingdaten entnommen, die seitlichen Begrenzungen optisch aus dem DTM-AV. Inwieweit bei diesem Vorgehen schuttbedeckte Eismassen unberücksichtigt blieben und wieviel Eisvolumen seit 2003 abgeschmolzen ist, ist nicht bekannt. Inzwischen eventuell erodierte Sedimente, beispielsweise im dynamischen Gletschervorfeld, konnten ebenfalls nicht berücksichtigt werden. Die interpolierten Querprofile stützen sich auf sehr wenige absolute Höhendaten und gehen weiterhin von einem idealen Trogtal aus, auf welches aus der extrapolierten Hangneigung geschlossen wurde. Diese Annahme müsste für eine genauere Berechnung beispielsweise mittels seismischen Refraktionsmessungen oder Bohrungen überprüft werden. Das Sedimentvolumen im Bereich der Stauhaltung und des Geschieberückhaltebeckens wird als weniger unsicher eingeschätzt, da hier an der Staumauer und im Zufluss des Rückhaltebeckens absolute Höhenwerte für die Interpolation vorlagen. Allerdings ist in den berechneten 3 ± 1 × 106 m3 noch das Wasservolumen der Becken enthalten, welches nicht bestimmt werden konnte, da keine genauen Angaben zur Aufnahmezeit der Höhendaten sowie der Füllstände verfügbar waren. Insofern wäre das gesamte Sedimentvolumen dieses Talabschnitts (inklusive der Stau- 115 7 Diskussion haltung und des Rückhaltebeckens)) noch um das Wasservolumen zu reduzieren (maximal 0,8 + 0,15 × 106 m3 ). Das angewandte Abschätzungsverfahren der Sedimentmasse von Talfüllungen stellt dabei einen einfachen und empfohlenen Ansatz für Gebiete ohne vorhandene Daten der Sedimentmächtigkeit dar (Cornwell et al., 2003). Schrott et al. (2003) fanden bei der Anwendung in den Bayrischen Alpen in Bereichen mässiger Hangneigung sehr gut vergleichbare Ergebnisse mit seismisch ermittelten Werten. Für genauere Bestimmungen der Eismächtigkeit können beispielsweise Echolotmessungen zum Einsatz kommen (Huss et al., 2008). Insgesamt kann also von einem potentiell erodierbaren Sedimentvolumen von 32 × 106 m3 ausgegangen werden. Dessen mittelbarer Abtrag, Transport entlang der Turtmänna und Eintrag in den Stausee im Rahmen der paraglazialen Entwicklungsverständnisses (siehe Abb. 2.25) kann gerade im Hinblick auf den diskutierten Klimawandel als wahrscheinlich angesehen werden. Für zeitlich aufgelöste Quantifizierungen der Entwicklung bedarf es allerdings einer Erosionsmodellierung wie etwa nach Beyer Portner and Boillat (1999) (siehe Tab. 3.6). 7.2 Geschiebetransport 7.2.1 Feldaufnahmen Die Mittelung der Kornverteilungen verschiedener geneigter Erhebungsstandorte erfolgte auf Grund der Ähnlichkeit der erstellten Kurven bei Profil 5 mit den Aufnahmen im Gletschervorfeld und der starken Dynamik von Gletscherbächen, welche eine geringe Repräsentativität von stichprobenartigen Aufnahmeflächen bedingen. Die ermittelte Kurve gleicht dabei den Auswertungen in ALPRESERV (2008) und Martinerie et al. (2005). Die auffälligste Linienzahlanalyse in Tabelle C.1 stellt L1.3 dar, welche jedoch als einzige quer über den Bach aufgenommen wurde; hier konnte allerdings das Feinmaterial nicht berücksichtigt werden. Für eine bessere Repräsentativität der Verteilung wurde Analyse L1.3 in die Mittelung aufgenommen, um auch die gröbere Transportfraktion mit einzubeziehen. 116 7.2 Geschiebetransport Die Profile 1 und 2 zeigen die geringste Neigung (Tab. 6.1), jedoch kann bei den leicht verlagerbaren Schuttmassen des Gletschervorfeldes nicht von einem repräsentativen Querschnitt auch für zukünftige Berechnungen angenommen werden. Es muss hier von sich oft verzweigenden Gewässerführungen, möglichen Gefälleänderungen und einer sich damit ständig ändernden Morphologie ausgegangen werden. Allein bei Felsprofil 5 konnte deshalb von einer konstanten Querschnittsform, sowie einer einheitlichen Gerinneführung ausgegangen werden, weshalb es für eine längerfristige Berechnung herangezogen wurde. Die Wahl von qc1/2 als Mittelwert der kritischen Abflüsse qc,min und qc,D gründet sich auf der Annahme einer vorhandenen Deckschicht, welche durch den einsetzenden Geschiebetransport aufgebrochen wird und gilt demnach genaugenommen nur für diesen Zeitpunkt (siehe die gestrichelte Linie in Abb. 2.10). Diese Näherung ist allerdings nur zulässig wenn der mittlere Abfluss den kritischen weit übersteigt (Kapitel 2.1.5). In den Jahren 2000 - 2008 lag für Q (siehe Tab. C.2) der mittlere Abfluss bei 1,62 m3 s−1 , wobei Qc,1/2 = 0,76 m3 s−1 und Qc,D = 1,65 m3 s−1 entspricht. Daher wurden zur grössenmässigen Einordnung die Berechnungen auch mit dem oberen Grenzwert qc,D durchgeführt. 7.2.2 Rezenter Geschiebetransport Die für die Transportberechnungen benötigten Abflussdaten der Jahre 2000 - 2008 lagen als Tagesmittelwerte vor, allerdings bestanden für 2000 bis Mitte 2004 nur kumulative Abflusswerte mit der Barneusa, deren mittlerer Abfluss etwa 7 % der Turtmänna entspricht. Daher wurden in den Jahren 2004 - 2008 tagesaufgelöste Mittelwerte gebildet und von den Gesamtabflüssen der Jahre 2000 - 2004 abgezogen. Bei dieser Methode ist von einem Verlust möglicher Extremwerte beziehungsweise einer Glättung von Schwankungen auszugehen. Weiterhin wurde der Oktoberabfluss des Jahres 2008 aus einem Mittel der anderen Jahre erstellt, jedoch ist dieser im Hinblick auf den Geschiebetransport von geringer Bedeutung. Die Entfernung weniger Ausreisserwerte dürfte ebenfalls nur eine sehr geringe Verschiebung der Mittelwerte bewirken. Für die Berechnung der um die drei Nebenbäche reduzierten Abflüsse (durchschnittliche Reduzierung um 16 %) wurden für die Jahre 2000 - 2007 Tagesmittelwerte aus der Datenreihe 2007 - 2008 gebildet und von den Stauseeabflüssen abgezogen. Die dabei erhaltenen Werte sind als ungenau anzusehen, da hier in verstärkter Weise von einer Glättung ausgegangen werden muss. 117 7 Diskussion Bei der Ermittlung der Schlüsselkurve für Profil 5 wurde zunächst von einem Höchstabfluss von Q100 = 20 m3 s−1 ausgegangen. Die nachfolgende Iteration begrenzte den anzunehmenden Abfluss zunächst auf 12,6 m3 s−1 , da hierfür die maximale Profiltiefe von 3,7 m erreicht wurde, worüber hinaus keine brauchbaren Aussagen mehr möglich gewesen wären. Nach den darauffolgenden neun Iterationen konnte diesem Wert eine Abflusstiefe von 1,56 m zugeordnet werden. Somit sind die weitergehenden Berechnungen strenggenommen nur bis zu Abflüssen zwischen Q5 = 12 und Q10 = 13 m3 s−1 anwendbar (siehe Tab. 4.4). Dieser Wert wurde allerdings nur in Szenario GS,II,B knapp erreicht, weshalb diese Begrenzung für die vorliegenden Berechnungen unbedeutend ist. Die Berechnungen mit den Gleichungen 2.9, 2.4 und 2.5 wichen jeweils im Vergleich zum gemittelten Messwert Qg = 5’300 m3 sehr stark ab. Gleichung 2.9 summiert dabei die geschieberelevanten Abflüsse übers Jahr allein unter Berücksichtigung des kritischen Abflusses1 und der Gerinneneigung. Gleichung 2.4 berücksichtigt weiterhin das Verhältnis d90 /d30 ; Gleichung 2.5 nimmt dagegen einen festen Wert für dieses Verhältnis an (1,05). Allerdings wurden die beiden letzteren unter Berücksichtigung der Querprofildaten (jeweiliger Abflussquerschnitt) angewandt, weshalb ihnen eine grössere Detailtreue bescheinigt werden kann. Gleichung 2.5 zeigte für Q mit der Annahme eines kritischen Abfluss von qc,1/2 eine Überschätzung um einen Faktor von 162, für Qred mit qc,D eine Überschätzung um den Faktor 92 gegenüber Qg = 5’300 m3 (im Gegensatz zu 258 beziehungsweise 149 für Gleichung 2.4). Der Unterschied liegt etwa bei einem Faktor 1,7, was auf das Verhältnis d90 /d30 = 16 zurückgeführt werden kann. Letztendlich wurde Gleichung 2.5 für die Zukunftsberechnungen verwendet, da sie die am wenigsten abweichenden Werte lieferte. Eine Überschätzung der Geschiebefrachten kann hierbei dem gewählten Gerinnegefälle von 4,5 % zugeordnet werden. Mit dem, im Hinblick auf eine Schlüsselstrecke, geringsten Gefälle von 3 % in Profil 1 (siehe Tab. 6.1) ergäbe sich eine Halbierung sämtlicher Werte. Weiterhin ist die Unsicherheit des angenommenen realen Geschiebeeintrags Qg zu bedenken, welcher eine Mittelung über den Zeitraum von 32 Jahren darstellt. Mögliche Veränderungen und Schwankungen während dieser Periode sind den Daten nicht zu entnehmen. Demnach kann auch nicht 1 Nimmt auch Bezug auf die Korngrössenverteilung 118 7.2 Geschiebetransport mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der aktuelle Geschiebetrieb durch diesen Wert charakterisiert ist, weshalb die auf dieser Annahme aufbauenden Reduktionsfaktoren ebenfalls unsicher sind. Zusätzlichen Einfluss auf die Berechnungsgenauigkeit haben auch die starken interanuellen Schwankungen des realen Geschiebetriebs, sowie der bisher nicht berücksichtigte Einfluss der verzweigten Gerinne. Durch die Aufteilung des Abflusses können dabei die kritischen Werte qc der einzelnen Gerinne unterschritten werden, was sich im Vergleich zu einem Einbettgerinne in einem verringerten Gesamttransport bei vergleichbarem Gesamtabfluss niederschlagen kann. Warburton (1990a) ermittelte am Bas Glacier d’Arolla im Kanton Wallis mit einer kleineren Einzugsgebietsfläche von 7,56 km2 (70 % vergletschert) in den Monaten Juni - Juli bei einem Abfluss von etwa 8,6 × 106 m3 (aus Abbildung 3 in Gurnell et al. (1988) abgeschätzt) eine Geschiebefracht von 14’100 m3 , allerdings bei einem Gefälle von 7 %. Allerdings ist an dieser Wasserfassung auch von keiner Beschränkung der Sedimentverfügbarkeit auszugehen (Gurnell et al., 1988). Erhebungen am Pitzbach (Österreich) mit einem Einzugsgebiet von 27 km2 (60 % vergletschert) ergaben dagegen ein niedrigeres Transportvolumen von 6’500 m3 a−1 (Hofer, 1987). Im Vergleich dazu gibt der für das Turtmanntal angenommene Wert von 5’300 m3 eine plausible Grössenordnung an und stellt in Anbetracht weniger verfügbarer Geschiebedaten eine wichtige Grundlage dar. Der Verlauf der Korrekturgleichungen zur Reduktion des Gefälles in Abbildung C.6 zeigt für Gleichung 2.11 die höchsten Werte und ab einer relativen Abflusstiefe von 6 unplausible Angaben von nr /ntot > 1, die sich in einer Zunahme der Geschiebemengen (auf Gbf 2 ) niederschlagen. Nach Tabelle 6.2 bewirkt Gleichung 2.10 eine Reduktion des Geschiebevolumens um den Faktor 4, die Gleichungen 2.12 und 2.13 um einen Faktor 9. Die Steigung von Gleichung 2.10 zeigt eine starke Zunahme des Anteils der Kornreibung an der Gesamtreibung mit zunehmendem Abfluss, welcher bei einer Abflusshöhe von 1,4 m bei 70 % liegt. Die Gleichungen 2.12 und 2.13 weisen hier einen Anteil von etwa 50 % auf. Im Rahmen der empirischen Natur der Formverlustansätze und der Wahl der Wahl der Gerinneneigung, wie auch fehlenden Angaben bezüglich der Sedimentverfügbarkeit sind diese Ergebnisse allerdings als unsicher einzuschät- 119 7 Diskussion zen. Für die Zukunftsberechnungen wurde Gleichung 2.13 als die am stärksten korrigierende Reduktionsfunktion eingesetzt. 7.2.3 Mögliche zukünftige Entwicklung Szenarienbewertung Nach Abbildung C.7 stellte das Durchschnittsjahr II eine repräsentativere statistische Verteilung der Tagesabflüsse dar und zeigte damit auch eine realistischere Verteilung der Extremwerte, welche im Durchschnittsjahr I ausgemittelt wurden. Dagegen war es allerdings möglich, für das letztgenannte tagesaufgelöste Abfluss- und Geschiebefrachtwerte zu bestimmen. Angewandt wurde die Erstellung auf die mittleren Tagesabflüsse Q und Qred , wobei die ersteren eine genauere Datengrundlage bildeten. Daher wurden zwei Grundszenarien GS und GR aufgestellt, welche bei GS auf einem mittleren kritischen Abfluss qc,1/2 und bei GR auf einem höheren qc,D im Sinne einer Deckschicht basieren, worauf wiederum die beiden Szenarien A und B angewandt wurden (siehe Tabelle 6.3). Damit dient GR zur Grössenabschätzung von GS im Sinne einer unteren Schranke. Mit Qc,D = 1,65 m3 s−1 liegt der kritische Abfluss auch im Bereich der üblichen Werte proglazialer Wildbäche (Pitzbach in Österreich und Borgne d’Arolla im Wallis etwa bei 2 m3 s−1 (Hofer, 1987; Warburton, 1990b)). Die Szenarien A und B mussten dabei aus einer begrenzten Datengrundlage erstellt werden. Da für das Turtmanntal keine eigenen Prognosen verfügbar waren, fanden die Ergebnisse von Huss et al. (2008) Verwendung, welche zwar für ein benachbartes Tal erstellt wurden, jedoch auf Grund der starken morphologischen, klimatischen und gletscherbezogenen Unterschiede nicht direkt übertragbar sind. Szenario A ermöglichte eine einfache Umsetzung durch die Multiplikation eines jeden Tageswertes mit einem festen Faktor. Szenario B dagegen beruht auf mehreren Annahmen. Einerseits wurde die prozentuale Abflussveränderung jedes Monats aus der Ganglinie für das Jahr 2100 aus Abbildung 2.28 abgeschätzt und dann auf die entsprechenden Tageswerte angewandt (jeweils für Q und Qred ). Andererseits wurde der Jahresabfluss dabei auf relativ konstantem Niveau gehalten, was einer Mittelung der Aussagen von Horton et al. (2005) und Huss et al. (2008) geschuldet ist, deren Prognosen für diesen Zeitraum näher beieinander liegen, als jene für die Mitte des 21. Jahrhunderts. Insgesamt ist das Szenario B 120 7.2 Geschiebetransport auch als viel spekulativer in seinen quantitativen Annahmen anzusehen. Die beiden Durchschnittsjahre zeigen jeweils sehr gut vergleichbare Jahreswerte gegenüber den Mittelwerten der Jahre 2000 - 2008 (für Q und Qred ), daher können sie als repräsentativ für die betrachtete Abflussperiode angesehen werden. Auf Grund der guten Übereinstimmung aller Abfluss - und Geschiebeberechnungen der Szenarien von Durchschnittsjahr I und II in Tabelle 6.4 (A und B jeweils für Q und Qred ) können auch die Jahreaufteilungen des Durchschnittsjahres I für das statistisch genauere Durchschnittsjahr II angenommen werden. Datenbewertung Nach sehr niedrigen Werten im Winter steigt der Abfluss mit der Schneeschmelze ab Mitte Mai stark an. Die jährliche Abflussspitze tritt im Juli auf, welcher bei Q einen Anteil von 33 % am Gesamtgeschiebetransport aufweist (bei Qred 36 %). Für die Abflusserhöhung um 50 % in Szenario A ergab sich ein Anstieg des Geschiebetransports2 von 70 % für Q und sogar von 100 % für Qred (Tab. 6.4), was eindeutig der bedeutenden Zunahme in den schon vorher geschiebewirksamen Monaten Juni - August zugeschrieben werden kann (fast keine Abnahme des prozentualen Jahresgeschiebeanteils bei jeweils 20 zusätzlichen Geschiebetagen in Durchschnittsjahr I). Das ist auch im grösseren Zuwachs des Verhältnisses Qgb / Q für Qred gegenüber Q sichtbar. Interessant ist dabei die gegenüber Q projizierte höhere Geschiebetransportrate für Qred unter dem Gesichtspunkt, dass den Berechungen reduzierte Abflüsse und der hohe kritische Abfluss qc,D zu Grunde liegen, was eigentlich einen niedrigeren Wert erwarten lassen würde. Zudem tritt der Transport an weniger Tagen auf, was die Genauigkeit dieses Ergebnisses in Frage stellt. Möglicherweise ist der Reduktionsfaktor aus Tabelle 6.2 zu hoch gewählt, da in den stark geglätteten Daten von Qred weniger Extremabflüsse auftreten, als eine realistische Ganglinie erwarten lassen würde. In Szenario B resultierte aus der neu gestalteten Ganglinie nur eine unwesentliche Massenbilanzänderung, dagegen allerdings eine Abnahme des Geschiebetransports, besonders für Qred . Neben der Verlagerung der massgebenden Geschiebemonate auf Mai - Juni zeichnete hier 2 Jeweils für beide Durchschnittsjahre; die Berechnung der jahreszeitlichen Verteilungen in Durchschnittsjahr I werden auch als gültig für II angenommen 121 7 Diskussion auch ein weitaus geringerer Abflussanteil von 60 % für den Grossteil der Geschiebefracht (85 - 100 %) verantwortlich. Das kann mit den erhöhten Abflüssen im Herbst und Winter erklärt werden, welche auf Grund ihrer trotzdem vergleichsweise geringen Werte nicht viel zum Geschiebetransport beitragen (Abb. C.8). Allerdings schlagen sie sich für Q in einer grossen Anzahl von Geschiebetragen wieder (217), von denen über 50 % in den Monaten August Dezember auftreten. In Szenario GR,I,B reduziert sich dieser Anteil durch die um 15 % niedrigeren Abflüsse auf nur noch 10 %, was den starken Rückgang der Geschiebetage auf 89 bewirkt. Es zeigt sich für Szenario B deshalb auch ein starker Rückgang des Verhältnisses Qgb / Q, was als eine geringere Geschiebewirksamkeit des Jahresabflusses angesehen werden kann. 7.3 Auswirkungen Aus den Prognosen geht hervor, dass in den kommenden Jahren im Rahmen eines weiteren Temperaturanstiegs und abschmelzenden Gletschern mit einer starken Erhöhung der Abflüsse und einem dazu leicht überproportionalen Anstieg des Geschiebetransports zu rechnen ist, jedoch zunächst in ähnlicher jährlicher Verteilung (Szenario A). Dabei ist insgesamt mit einer Bedeutungszunahme des Basisabflusses zu rechnen (siehe Abb. 4.5), was sich gegen Ende des Jahrhunderts verstärkt auswirken wird. Zu dieser Zeit wird sich auch die Abflussspitze mit dem Hauptgeschiebeaufkommen vom Juli in Richtung Mai verschieben, Abflüsse im Spätjahr dagegen weniger Geschiebe führen (Szenario B). Insgesamt könnte es auf diese Weise zu einer Abnahme der Jahresgeschiebefracht kommen (siehe Tab. 6.4). Ausgehend von der Annahme einer relativen Konstanz der Aufteilung von Schwebstoffen zu Geschiebe wäre somit für das System Geschieberückhaltebecken - Turtmannstausee für Q von einem Gesamtsedimenteintrag von QSed,Zukunf t,A = 13’100 × 1,7 = 22’270 m3 a−1 für Szenario A respektive QSed,Zukunf t,B ≈ QSed = 13’100 m3 a−1 für Szenario B auszugehen. Unter Annahme der ungenaueren Datengrundlage Qred ergibt sich Qred,Sed,Zukunf t,A = 13’100 × 2 = 26’000 m3 a−1 beziehungsweise Qred,Sed,Zukunf t,B = 13’100 m3 a−1 × 0,7 = 9’200 m3 a−1 . Im Rahmen der Ungenauigkeit der korrigierten Abflussdaten, der Sedimenteintragsmittelwerte, der Geschiebetransport- und Formverlustkorrekturgleichungen, der daraus erhobenen 122 7.3 Auswirkungen Reduktionsfaktoren, der aufgestellten Durchschnittsjahre sowie der Abflussszenarien (besonders Szenario B) kann somit von einer bedeutenden Transportzunahme bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts und einer darauffolgenden Veränderung der Abflusscharakteristik mit einer leicht abnehmenden Sedimentlieferung ausgegangen werden. Diese Tendenzen sind dabei unabhängig von der Wahl des kritischen Abflusses qc , welcher sich nur auf die Quantität des Sedimenttransports auswirkt. Unter Berücksichtigung des abgeschätzten potentiell erodierbaren Sedimentvolumens von 32 ±13 × 106 m3 im Paraglazialgebiet kann von einer dafür grundsätzlich ausreichenden Sedimentverfügbarkeit ausgegangen werden. Nimmt man etwa den Anteil leicht mobilisierbarer Sedimente mit 10 % an (beispielsweise Ablagerungen im Bereich des dynamischen Wildbachsystems im Gletschervorfeld) ergibt sich über 100 Jahre gerechnet ein möglicher Abtrag von 35’000 m3 a−1 , was der Grössenordnung von QSed,Zukunf t,A und Qred,Sed,Zukunf t,A entspricht. Die Annahmen von Qg = 5’300 m3 a−1 als Vergleichswert und Mittel über 30 Jahre (ohne Angaben über Sedimentverfügbarkeiten in diesem Zeitraum) sowie die unsicheren Formkorrekturfaktoren lassen jedoch auch die Möglichkeit einer eventuell höheren Transportkapazität und damit verstärkten Geschiebetransport zu, welcher etwa an der Borgne d’Arolla für geringere Spitzenabflüsse beobachtet werden konnte (Warburton, 1992). Allerdings sind für eine derartige Abschätzung noch alle weiteren in Kapitel 3.3 diskutierten Prozess- und Speicherentwicklungen wie Interaktionen (Abb. 3.4) im Rahmen einer integrativen Modellrechnung (Abb. 3.5) einzubeziehen, welche in dieser Feldstudie nicht berücksichtigt werden konnten. Dabei unterliegen viele der genannten Modelle ihrerseits schon derart grossen Unsicherheiten, dass bei einem Zusammenwirken mit Fehlerüberlagerungen und daher nur mit qualitativen Ergebnissen gerechnet werden kann. So rufen etwa die unterschiedlichen regionalen klimatischen Auswirkungen des globalen Klimawandels nahezu die gleichen Unsicherheiten bezüglich des hydrologischen Kreislaufs hervor, wie die globale Erwärmung selbst (Schaefli, 2005). 123 8 Ausblick Die Wasserwirtschaft wird sich auf künftig stark veränderte Bedingungen bezüglich des Wasserbedarfes wie auch der Wasserverfügbarkeit einstellen müssen. Regional sehr differenziert werden dabei hohe Kosten entstehen, etwa auf Grund der auszubauenden Wasserversorgung wegen zunehmenden Trockenheiten (Ecoplan/Sigmaplan, 2007). Für die hier betrachteten alpinen Einzugsgebiete dürfte das jedoch keine Rolle spielen. Allerdings ist auch hier mit Veränderungen zu rechnen. Die nächsten Jahre werden einen verstärkten Abfluss bringen, verbunden mit erhöhten Sedimentmengen, was die Verlandung der Stauseen und Abrasionswirkung an den Turbinen vorantreiben wird. Auf Grund vermehrter Extremniederschläge und grosser Mengen freigelegten Schutts kann von zunehmenden hydrologisch - morphologischen Prozessen ausgegangen werden. Gegen Ende des Jahrhunderts wird mit dem Verschwinden der Gletschermassen auch der Abfluss wieder abnehmen und verstärkt den Niederschlagsereignissen unterliegen. Es ist mit einer veränderten Ganglinie mit früher auftretender Abflussspitze sowie Geschiebeeintrag zu rechnen, jedoch über das Jahr ein ausgeglichenerer Abfluss anzunehmen. Für genauere Vorraussagen und Bewertungen der komplexen Interaktionsstruktur bedarf es weiterhin der Datenerfassung und Forschung der unterschiedlichen Disziplinen. Neben der mehrfach angesprochenen Projektstudie “Klimaänderung und Wasserkraftnutzung“ sind daher weitere Studien zum Sedimenthaushalt alpiner Einzugsgebiete notwendig. Ein zusätzlicher Arbeitsbereich betrifft die Verlandungproblematik der Stauseen, für die einerseits Umleitungsbauwerke geplant werden , andererseits eine Datenbank eingerichtet wird, um entsprechende Erfahrungen bezüglich der Sedimentbewirtschaftung zu teilen beziehungsweise diese zu optimieren. 124 Literaturverzeichnis Ahnert, F. (2003). Einführung in die Geomorphologie:, Ulmer, Stuttgart. ALPRESERV (2008). Sustainable sediment management in alpine reservoirs considering ecological and economical aspects, Technical report, Institut für Wasserwesen, Universität der Bundeswehr, München. ALPRESERV (2009). Pilotprojekt Speicher Turtmann. Erhalt des Speichervolumens durch Umleitung der Sedimente führenden Hochwasser. Poster. URL: http://www.alpreserv.eu/ Alvera, B. and Garcia-Ruiz, J. (2000). Variability of sediment yield from a high mountain catchment, control Spanish Pyrenees, ARCTIC ANTARCTIC AND ALPINE RESEARCH 32(4): 478–484. Aschwanden, H. and Weingartner, R. (1985). Die Abflussregimes der Schweiz, Technical report, Geographisches Institut der Universität Bern, Abteilung Physikalische Geographie und Gewässerkunde. Badoux, A. and Rickenmann, D. (2008). Berechnungen zum Geschiebetransport während der Hochwasser 1993 und 2000 im Wallis, WASSER ENERGIE LUFT 100/3: 217–226. Bagnold, R. (1980). An empirical correlation of bedload transport rates in flumes and natural rivers, PROCEEDINGS OF THE ROYAL SOCIETY OF LONDON SERIES AMATHEMATICAL PHYSICAL AND ENGINEERING SCIENCES 372(1751): 453–473. Bardou, E. and Delaloye, R. (2004). Effects of ground freezing and snow avalanche deposits on debris flows in alpine environments, NATURAL HAZARDS AND EARTH SYSTEM SCIENCES 4(4): 519–530. Barsch, D. (1996). Rockglaciers: Indicators for the Present and Former Geoecology in High Mountain Environments, Springer, Berlin. Bathurst, J., Graf, W. and Cao, H. (1987). Sediment transport in gravel bed rivers, John Wiley & Sons Ltd., chapter Bedload discharge equations for steep mountain rivers, pp. 453–491. Bearth, P. (1980). Geologischer Atlas der Schweiz 1:25000., chapter Erläuterungen zum Atlasblatt 71 (1308 St. Niklaus), pp. 1–39. Bechteler, W. (2006). Sedimentquellen und Transportprozesse. ALPRESERV - Sustainable Sediment Management of Alpine Reservoirs considering ecological and economical aspects. Volume 2-2006, Technical report, Institut für Wasserwesen, Universität der Bundeswehr München. Begert, M., Schlegel, T. and Kirchhofer, W. (2005). Homogeneous temperature and precipitation series of switzerland from 1864 to 2000, INTERNATIONAL JOURNAL OF CLIMATOLOGY 25(1): 65–80. Beniston, M. (2006). August 2005 intense rainfall event in Switzerland: Not necessarily an analog for strong convective events in a greenhouse climate, GEOPHYSICAL RESEARCH LETTERS 33(5). 125 Literaturverzeichnis Beniston, M., Keller, F., Koffi, B. and Goyette, S. (2003). Estimates of snow accumulation and volume in the swiss alps under changing climatic conditions, THEORETICAL AND APPLIED CLIMATOLOGY 76(3-4): 125–140. Beniston, M., Stephenson, D. B., Christensen, O. B., Ferro, C. A. T., Frei, C., Goyette, S., Halsnaes, K., Holt, T., Jylha, K., Koffi, B., Palutikof, J., Schoell, R., Semmler, T. and Woth, K. (2007). Future extreme events in european climate: an exploration of regional climate model projections, CLIMATIC CHANGE 81(Suppl. 1): 71–95. Benn, D. and Evans, D. (1998). Glaciers and Glaciation, Hodder Arnold Publication. Beyer, N. and Schleiss, A. (2000). Bodenerosion in alpinen Einzugsgebieten in der Schweiz, Wasserwirtschaft 90: 88–92. Beyer Portner, N. (1998). Erosion des bassins versant alpins suisses par ruissellement de surface. Thèse No 1815. LCH, PhD thesis, Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne EPFL. Beyer Portner, N. and Boillat, J. (1999). Erosion in alpine watersheds, Proceedings XXVIII IAHR Congress Hydraulic Engineering for Sustainable Water Resources Management at the Turn of the Millennium. Bezinge, A. (1987). Sediment transfer processes in alpine glaciated basins, John Wiley & Sons Ltd., chapter Glacial Meltwater Streams, Hydrology and Sediment Transport - The Case of Grande Dixence Hydroelectricity Scheme, pp. 473–498. Bezzola, G. (2005). Flussbau. Vorlesungsmanuskript. Veruschsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie VAW, ETH Zürich. BFE (2008a). Mini-hydraulique dans le val de tourtemagne. projet tourtemagne - etude de variantes et avant-projet, Technical report, Bundesamt für Umwelt, Bern. BFE (2008b). Schweizerische Elektrizitätsstatikstik 2007, Bundesamt für Energie. Braun, L., Weber, M. and Schulz, M. (2000). Consequences of climate change for runoff from alpine regions, in K. Steffen (ed.), ANNALS OF GLACIOLOGY, VOL 31, 2000, Vol. 31 of ANNALS OF GLACIOLOGY, Int Glaciol Soc; ETH; Univ Zurich; Schweizer Akad Nat Wissensch; Schweizer Stift Alphine Forsch, INT GLACIOLOGICAL SOC, LENSFIELD RD, CAMBRIDGE, ENGLAND CB2 1ER, pp. 19–25. International Symposium on the Verification of Cryospheric Models, ZURICH, SWITZERLAND, AUG 16-20, 1999. Bunte, K. and Abt, S. (2001). Sampling surface and subsurface particle-size distributions in wadable gravel-and cobble-bed streams for analyses in sediment transport, hydraulics, and streambed monitoring. gen. tech. rep. rmrs-gtr-74, Technical report, Department of Agriculture, Forest Service, Rocky Mountain Research Station. BWG (2000). Hochwasser 1999, Analyse der Ereignisse. Studienbericht Nr. 10, Technical report, Bundesamt für Wasser und Geologie, Biel. Caine, N. (1974). The geomorphic processes of the alpine environment, Methuen, London, chapter Arctic and Alpine Environments, pp. 721–748. Cannone, N., Diolaiuti, G., Guglielmin, M. and Smiraglia, C. (2008). Accelerating climate change impacts on alpine glacier forefield ecosystems in the european alps, ECOLOGICAL APPLICATIONS 18(3): 637–648. Cao, Z. and Carling, P. (2002). Mathematical modelling of alluvial rivers: reality and myth. part i: General review, PROCEEDINGS OF THE INSTITUTION OF CIVIL ENGINEERS-WATER AND MARITIME ENGINEERING 154(3): 207–219. 126 Literaturverzeichnis Chapin, F., Sturm, M., Serreze, M., McFadden, J., Key, J., Lloyd, A., McGuire, A., Rupp, T., Lynch, A., Schimel, J., Beringer, J., Chapman, W., Epstein, H., Euskirchen, E., Hinzman, L., Jia, G., Ping, C., Tape, K., Thompson, C., Walker, D. and Welker, J. (2005). Role of land-surface changes in Arctic summer warming, SCIENCE 310(5748): 657–660. Chiari, M. (2008). Numerical modelling of bedload transport in torrents and mountain streams, PhD thesis, Institut für Alpine Naturgefahren, Universität für Bodenkultur BOKU, Wien. Chiari, M. and Rickenmann, D. (2007). The influence of form roughness on modelling sediment transport at steep slopes. paper for the international conference erosion and torrent control as a factor in sustainable river basin management, belgrad, 25-38, september 2007, cd-rom. Chiarle, M., Iannotti, S., Mortara, G. and Deline, P. (2007). Recent debris flow occurrences associated with glaciers in the alps, GLOBAL AND PLANETARY CHANGE 56(1-2): 123– 136. Chorley, R. and Kennedy, B. (1971). Physical Geography. A Systems Approach, Prentice-Hall International, London. Christensen, J., Carter, T. and Giorgi, F. (2002). Prudence employs new methods to assess european climate change, EOS 82: 147. Christensen, J. and Christensen, O. (2003). Climate modelling: Severe summertime flooding in europe, NATURE 421(6925): 805–806. Church, M. and Ryder, J. (1972). Paraglacial sedimentation - a consideration of fluvial processes conditioned by glaciation, GEOLOGICAL SOCIETY OF AMERICA BULLETIN 83(10): 3059–&. Colby, B. and Scott, C. (1965). Effects of water temperature on the discharge of bed material, Technical report, U.S. Geol. Survey Prof. Paper 462-G, 25p. Colenco (2001). Geschiebebwirtschaftung Turtmanntal. Variantenstadium, Technical report, AF-Colenco AG, Baden-Dättwil, Schweiz. Collins, D. (1987). Climatic fluctuations and runoff from glacierised alpine basins, The Influence of Climate Change and Climatic Variability on the Hydrological Regime and Water Ressources (Proceedings of the Cancouver Symposium, August 1987). Cornwell, K., Norsby, D. and Marston, R. (2003). Drainage, sediment transport, and denudation rates on the nanga parbat himalaya, pakistan, GEOMORPHOLOGY 55(1-4): 25–43. Binghamton International Geomorphology Symposium, CHAPEL HILL, NORTH CAROLINA, OCT 20-21, 2001. Dadson, S. and Church, M. (2005). Postglacial topographic evolution of glaciated valleys: a stochastic landscape evolution model, EARTH SURFACE PROCESSES AND LANDFORMS 30(11): 1387–1403. Della-Marta, P. M., Haylock, M. R., Luterbacher, J. and Wanner, H. (2007). Doubled length of western european summer heat waves since 1880, JOURNAL OF GEOPHYSICAL RESEARCH-ATMOSPHERES 112(D15): 1–11. Dienststelle für Wasserkraft und Energie, K. W. (2006). Hydraulische Elektrizität in der Schweiz und im Wallis. DWE, Kanton Wallis. URL: http://www.vs.ch/ Dikau, R., Hoersch, B., Nyenhuis, M., Otto, J., Rasemann, S. and Roer, I. (2004). Geomorphologische Forschung im Turtmanntal. Arbeiten aus dem Graduiertenkolleg 437 und der AG Dikau, Technical report, Geographisches Institut der Universität Bonn. 127 Literaturverzeichnis Du Boys, P. (1879). Le rhône et les rivières à lit affouillable, ANNALES PONTS ET CHAUSSEES 5: 141–195. Dufour, J. (2004). Assainissement des cours d‘eau en Valais / Analyse de l‘hydrosystème de la Tourtemagne. Travail Postgrade EPFL-LCH, 2004, rapport non publié, Technical report, EPFL Lausanne. DVWK (1992). Geschiebemessungen, DVWK Regeln zur Wasserwirtschaft 127/1992, Verlag Paul Parey, Hamburg, Berlin., Technical report, Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. Easterbrook, D. (1999). Surface Processes and Landforms, 2. edition edn, Prentice Hall. Ecoplan/Sigmaplan, A. (2007). Auswirkungen der Klimaänderung auf die Schweizer Volkswirtschaft (nationale Einflüsse), Technical report, Bundesamt für Umwelt BAFU und Bundesamt für Energie BFE. Egli, M., Mirabella, A. and Sartori, G. (2008). The role of climate and vegetation in weathering and clay mineral formation in late quaternary soils of the swiss and italian alps, GEOMORPHOLOGY 102: 307–324. Einstein, H. (1950). The bedload function for sediment transportation in open channel flow, Technical report, Unitet States Department for Agriculture. Soil Conservation Service, Washington, D.C. Fehr, R. (1987). Einfache Bestimmung der Korngrössenverteilung von Geschiebematerial, SCHWEIZER INGENIEUR UND ARCHITEKT 105: 1104–1109. Fenn, C. (1987). Sediment transfer processes in alpine glaciated basins, John Wiley & Sons Ltd., chapter Glacio-fluvial Sediment Transfer, pp. 59–85. Frei, C. (2004). Die Klimazukunft der Schweiz - Eine probabilistische Projektion, Technical report, Zürich. Frei, C., Schar, C., Luthi, D. and Davies, H. (1998). Heavy precipitation processes in a warmer climate, GEOPHYSICAL RESEARCH LETTERS 25(9): 1431–1434. Frei, C., Scholl, R., Fukutome, S., Schmidli, R. and Vidale, P. (2006). Future change of precipitation extremes in europe: Intercomparison of scenarios from regional climate models, JOURNAL OF GEOPHYSICAL RESEARCH-ATMOSPHERES 111(D6): 1–22. García, M. (2008). Sedimentation engineering: processes, measurements, modeling, and practice; prepared by the ASCE Task Committee to Expand and Update Manual 54 of the Sedimentation Committee of the Environmental and Water Resources Institute, ASCE manuals and reports on engineering practice ; No. 110, American Society of Civil Engineers, 2008. Gehrig-Fasel, J., Guisan, A. and Zimmermann, N. E. (2007). Tree line shifts in the swiss alps: Climate change or land abandonment?, JOURNAL OF VEGETATION SCIENCE 18(4): 571–582. Gomez, B. and Church, M. (1989). An assessment of bed-load sediment transport formulas for gravel bed rivers, WATER RESOURCES RESEARCH 25(6): 1161–1186. Gougra (2007). Flyer Kraftwerke Gougra AG. Kraftwerke Gougra AG, Sierre. Gruber, S. and Haeberli, W. (2007). Permafrost in steep bedrock slopes and its temperature-related destabilization following climate change, JOURNAL OF GEOPHYSICAL RESEARCH-EARTH SURFACE 112(F2): 1–10. 128 Literaturverzeichnis Gruber, S., Hoelzle, M. and Haeberli, W. (2004). Permafrost thaw and destabilization of Alpine rock walls in the hot summer of 2003, GEOPHYSICAL RESEARCH LETTERS 31(13): 1–4. Gruner, U. (2008). Klimatische und meteorologische Einflüsse auf Sturzprozesse, Intrapraevent 2008, pp. 147–158. Gurnell, A. (1982). The dynamics of suspended sediment concentration in an alpine pro-glacial stream network, HYDROLOGICAL SCIENCES JOURNAL 27(2): 270. Gurnell, A., Warburton, J. and Clark, M. (1988). A comparison of the sediment transport and yield characteristics of two adjacent glacier basins, Val d‘ Hérens, Switezrland. Porto Alegre Symposium, Sediment budgets. Haeberli, W. (2008a). Mündliche Mitteilung beim GCOS - Informationstag: Lokal messen - Global verstehen. Schweizer Klimabeobachtung als globaler Beitrag. Nationales KlimaBeobachtungssystem GCOS Schweiz. Zürich, 21. Oktober 2008. Haeberli, W. (2008b). Mündliche Mitteilung beim Modul START des Projekts: Sektorielle Studie zum Einfluss der Klimaänderung auf die Wasserkraftnutzung im Kanton Wallis. Martigny, 4.11.2008. Haeberli, W., Guodong, C., Gorbunov, A. and Harris, S. (1993). Mountain permafrost and climatic change, PERMAFROST AND PERIGLACIAL PROCESSES 4: 165–174. Haeberli, W., Paul, F., Gruber, S., Hoelzle, M., Kaeaeb, A., Machguth, H., Noetzli, J. and Rothenbuehler, C. (2004). Effects of the extreme summer 2003 on glaciers and permafrost in the alps - first impressions and estimations, GEOPHYSICAL RESEARCH ABSTRACTS 6/03063. Haeberli, W., Wegmann, M. and Vonder Muhll, D. (1997). Slope stability problems related to glacier shrinkage and permafrost degradation in the alps, ECLOGAE GEOLOGICAE HELVETIAE 90(3): 407–414. Symposium on Natural Hazards, at the Symposium on Global Change of the 176th Annual Meeting of the Swiss-Academy-of-Sciences, ZURICH, SWITZERLAND, SEP 10-11, 1996. Hagedorn, F., Rigling, A. and Bebi, P. (2006). Die Waldgrenze. Wo Bäume nicht mehr wachsen können, Die Alpen 9: 52–55. Hallet, B., Hunter, L. and Bogen, J. (1996). Rates of erosion and sediment evacuation by glaciers: A review of field data and their implications, GLOBAL AND PLANETARY CHANGE 12(1-4): 213–235. Workshop on Glacial Cycles - Effects on the Physical Environment, FJAERLAND, NORWAY, MAY 30-JUN 02, 1994. Harbor, J. and Warburton, J. (1993). Relative rates of glacial and nonglacial erosion in alpine environments, ARCTIC AND ALPINE RESEARCH 25(1): 1–7. Harris, C., Vonder Muhll, D., Isaksen, K., Haeberli, W., Sollid, J., King, L., Holmlund, P., Dramis, F., Guglielmin, M. and Palacios, D. (2003). Warming permafrost in European mountains, GLOBAL AND PLANETARY CHANGE 39(3-4): 215–225. Hauenstein, W. (2005). Hydropower and climate change - a reciprocal relation: Institutional energy issues in switzerland, MOUNTAIN RESEARCH AND DEVELOPMENT 25(4): 321– 325. Hegg, C. (1997). Zur Erfassung und Modellierung von gefährlichen Prozessen in steilen Wildbacheinzugsgebieten, Geographica Bernensia, Universität Bern. Hinderer, M. (1999). Klimagesteuerte Denudations-Sedimentakkumulations-Systeme: Massenbilanzen, Modellierung und Anwendung - Habilitationsschrift at the Faculty of Geosciences, University of Tübingen. 129 Literaturverzeichnis Hinderer, M. (2001). Late quaternary denudation of the alps, valley and lake fillings and modern river loads, GEODINAMICA ACTA 14(4): 231–263. Hinzman, L., Kane, D. and Woo, M. (2005). Encyclopedia of Hydrological Sciences, Volume 4, John Wiley & Sons, chapter 172: Permafrost hydrology, pp. 2679–2693. Hofer, B. (1987). Der Feststofftransport von Hochgebirgsbächen am Beispiel des Pitzbachs, OESTERREICHISCHE WASSERWIRTSCHAFT 1/2 Jhrg. 39: 1–10. Horton, P., Schaefli, B., Mezghani, A., Hingray, B. and Musy, A. (2005). Prediction of climate change impacts on alpine discharge regimes under a2 and b2 sres emission scenarios for two future time periods (2020-2049, 2070-2099), Technical report, Bundesamt für Energie BFE, Bern. Horton, P., Schaefli, B., Mezghani, A., Hingray, B. and Musy, A. (2006). Assessment of climate-change impacts on alpine discharge regimes with climate model uncertainty, HYDROLOGICAL PROCESSES 20(10): 2091–2109. Huss, M., Farinotti, D., Bauder, A. and Funk, A. (2008). Modelling runoff from highly glacierized alpine drainage basins in a changing climate, HYDROLOGICAL PROCESSES 22: 3888–3902. IPCC (2007). Summary for Policymakers. In: Climate Change 2007: Impacts, Adaptation and Vulnerability. Contribution of Working Group II to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Cambridge University Press, Cambridge, UK. Jakob, M. and Lambert, S. (2009). Climate change effects on landslides along the southwest coast of british columbia, GEOMORPHOLOGY . Jenzer, J., De Cesare, G. and Hauenstein, W. (2005). Nachhaltiges Sedimentmanagement in alpinen Speichern, WASSER ENERGIE LUFT 3/4 2005: 77–78. Jomelli, V., Brunstein, D., Grancher, D. and Pech, P. (2007b). Is the response of hill slope debris flows to recent climate change univocal? A case study in the Massif des Ecrins (French Alps), CLIMATIC CHANGE 85(1-2): 119–137. Jomelli, V., Delval, C., Grancher, D., Escande, S., Brunstein, D., Hetu, B., Filion, L. and Pech, P. (2007a). Probabilistic analysis of recent snow avalanche activity and weather in the French Alps, COLD REGIONS SCIENCE AND TECHNOLOGY 47: 180–192. Jomelli, V., Pech, V., Chochillon, C. and Brunstein, D. (2004). Geomorphic variations of debris flows and recent climatic change in the french alps, CLIMATIC CHANGE 64(1-2): 77–102. Kaeaeb, A., Frauenfelder, R. and Roer, I. (2007). On the response of rockglacier creep to surface temperature increase, GLOBAL AND PLANETARY CHANGE 56(1-2): 172–187. Kaeaeb, A. and Haeberli, W. (2001). Evolution of a high-mountain thermokarst lake in the swiss alps, ARCTIC ANTARCTIC AND ALPINE RESEARCH 33(4): 385–390. International Symposium on High-Mountain Lake and Streams: Indicators of a Changing World, INNSBRUCK, AUSTRIA, SEP 04-08, 2000. Kaeaeb, A., Reynolds, J. and Haeberli, W. (2005). Glacier and Permafrost Hazards in High Mountains, Springer, chapter Global Change and Mountain Regions, pp. 225–234. Karl, T., Jones, P., Knight, R., Kukla, G., Plummer, N., Razuvayev, V., Gallo, K., Lindseay, J., Charlson, R. and Peterson, T. (1993). A new perspective on recent global warming asymmetric trends of daily maximum and minimum temperature, BULLETIN OF THE AMERICAN METEOROLOGICAL SOCIETY 74(6): 1007–1023. 130 Literaturverzeichnis Kasser, P. (1981). Gletscher und Klima - Jahrbuch der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft, wissenschatlicher Teil 1978, Birckhäuser Verlag, chapter Rezente Gletscheränderungen in den Schweizer Alpen, pp. 106–138. Kharin, V. V., Zwiers, F. W., Zhang, X. and Hegerl, G. C. (2007). Changes in temperature and precipitation extremes in the IPCC ensemble of global coupled model simulations, JOURNAL OF CLIMATE 20(8): 1419–1444. Kuhn, M. (1990). Klimaänderungen: Treibhauseffekt und Ozon: Tatsachen, Erklärungen und Zahlenbeispiele zur menschlichen Beeinflussung des Klimas durch Spurengase, Thaur Kulturverlag. Labhart, T. (1998). Geologie der Schweiz, 4. auflage edn, Ott Verlag, Thun. Laternser, M. and Schneebeli, M. (2003). Long-term snow climate trends of the swiss alps (1931-99), INTERNATIONAL JOURNAL OF CLIMATOLOGY 23(7): 733–750. Lauffer, H. and Sommer, N. (1982). Studies on sediment transport in mountain streams. Quatorzième Congrès des Grands Barrages, Rio de Janeiro, 1982. Lawson, D. (1993). Glaciohydrologic and glaciohydraulic effects on runoff and sediment yield in glacierized basins, Technical report, U.S. Army Corps of Engineers - Cold Regions Research and Engineering Laboratory. Lehner, B., Czisch, G. and Vassolo, S. (2005). The impact of global change on the hydropower potential of europe: a model-based analysis, ENERGY POLICY 33(7): 839–855. Lemke, P., Ren, J. Alley, R., Allison, I., Carrasco, J., Flato, G., Fujii, Y., Kaser, G., Mote, P., Thomas, R. and Zhang, T. (2007). Observations: Changes in snow, ice and frozen ground, In: Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Solomon, S., D. Qin, M. Manning, Z. Chen, M. Marquis, K.B. Averyt, M. Tignor and H.L. Miller (eds.)]. Leser, H. (1997). Diercke-Wörterbuch allgemeine Geographie, Westermann, Braunschweig. Loye, A., Jaboyedoff, M. and Minoia, R. (2007). Estimation des quantités de matériaux érodés dans le bassin versant de zinal basée sur l‘étude de l‘alluvionnement des ouvrages hydroélectriques valaisans. rapport: Igar - al - r001, Technical report, Faculté de Géosciences et Environnement, Institut de Géomatique et Analyse du Risque, EPFL Lausanne. Maddock, T. and Borland, W. (1950). Sedimentation studies for the planning of reservoirs by the bureau of reclamation, Technical report, United States Department of the Interior Buerau of Reclamation. Denver. Maisch, M., Wipf, A., Denneler, B., Battaglia, J. and Benz, C. (2000). Die Gletscher der Schweizer Alpen: Gletscherhochstand 1850, aktuelle Vergletscherung, GletscherschwundSzenarien, Vol. 2. Aufl., projektschlussbericht im rahmen des nationalen forschungsprogrammes: klimaänderungen und naturkatastrophen, nfp 31 edn, vdf, Hochschulverlag an der ETH, Zürich. Martinerie, R., De Cesare, G., Jordan, F. and Boillat, J.-L. (2005). Gestion globale des sédiments de la retenue de tourtemagne - génération et analyse de variants, Communication du Laboratoire de Constructions Hydrauliques - LCH N◦ 22 Interreg IIIB - Projet Alpreserv Gestion durable des sédiments dans des réservoirs alpins tenant compte des aspects écologiques et économiques, Sion, 20 septembre, ISSN 1661-1179, vol. no 22, 2005, p. 39-66, Vol. no 22, pp. 39–66. [469]. 131 Literaturverzeichnis Matsuoka, A., Yamakoshi, T., Tamura, K., Maruyama, J. and Ogawa, K. (2008). Sediment yield from seismically-disturbed mountainous watersheds revealed by multi-temporal aerial lidar surveys, Sediment Dynamics in Changing Environments. Proceedings of a symposium held in Christchurch, New Zealand, December 2008. IAHS Publ. 325. McGregor, G., Petts, G., Gurnell, A. and Milner, A. (1995). Sensitivity of alpine stream ecosystems to climate change and human impacts, AQUATIC CONSERVATION-MARINE AND FRESHWATER ECOSYSTEMS 5(3): 233–247. Meyer-Peter, E. and Müller, R. (1949). Eine Formel zur Berechnung des Geschiebetriebs, SCHWEIZER BAUZEITUNG 67 (3): 29–32. Naef, F., Scherrer, S. and Faeh, A. (1998). Die Auswirkungen des Rückhaltevermögens natürlicher Einzugsgebiete bei extremen Niederschlagsereignissen auf die Grösse extremer Hochwasser. Schlussbericht des NFP31, Vdf Hochschulverlag, Zürich. NWB (2008). Klimaänderung und Wasserkraftnutzung: Aufbau der Hauptstudie. Netzwerk Wasser im Berggebiet. URL: http://www.netzwerkwasser.ch Nyenhuis, M. (2005). Permafrost und Sedimenthaushalt in einem alpinen Geosystem, PhD thesis, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. OcCC (1998). Klimaänderung Schweiz: Auswirkungen von extremen Niederschlagsereignissen. Wissensstandsbericht, Technical report, OcCC - Organe consultatif sur les changements climatiques, Bern, Bern. OcCC (2003). Extremereignisse und Klimaänderung, Technical report, OcCC. OcCC (2005). Hitzesommer 2003. Synthesebericht, Technical report, OcCC. OcCC (2007). Klimaänderung und die Schweiz 2050 - Erwartete Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft, Technical report, OcCC. OcCC (2008). Das Klima ändert - was nun? Der neue UN-Klimabericht (IPCC 2007) und die wichtigsten Ergebnisse aus Sicht der Schweiz, Technical report, OcCC - Organe consultatif sur les changements climatiques, Bern, Bern. ONERC (2008). Climate change and resulting impacts in the Alps. Rapport Technique n◦ 1 de l‘ONERC, Technical report, ONERC, Paris. Otto, J. (2001). Das geomorphologische System des Turtmanntals (Wallis, Schweiz): Formen, Substrate und Prozesse, Master’s thesis, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Otto, J. (2006). Paraglacial sediment storage quantification in the Turtmann Valley, Swiss Alps, PhD thesis, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Palt, S. (2001). Sedimenttransporte im Himalaya-Karakorum und ihre Bedeutung für Wasserkraftanlagen, PhD thesis, Institut für Wasserwirtschaft und Kulturtechnik, Universität Karlsruhe. Parker, G. (1990). Surface-based bedload transport realtion for gravel rivers, JOURNAL OF HYDRAULIC RESEARCH 28(4): 417–436. Paul, F. (2003). The new Swiss glacier inventory 2000: Application of remote sensing and GIS, PhD thesis, Dep. of Geogr., Univ. of Zurich. Paul, F., Kaeaeb, A. and Haeberli, W. (2007b). Recent glacier changes in the alps observed by satellite: Consequences for future monitoring strategies, GLOBAL AND PLANETARY CHANGE 56: 111–122. 132 Literaturverzeichnis Paul, F., Maisch, M., Rothenbuhler, C., Hoelzle, M. and Haeberli, W. (2007a). Calculation and visualisation of future glacier extent in the swiss alps by means of hypsographic modelling, GLOBAL AND PLANETARY CHANGE 55: 343–357. Phillips, M. (2008). Schneedecke und Permafrost in den Alpen: Simulationen zur Wechselwirkung. Online-Projektinformation des SLF. URL: http://www.wsl.ch/ Rasemann, S. (2003). Geomorphometrische Struktur eines mesoskaligen alpinen Geosystems, PhD thesis, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Rey, P. and Müller, E. (2007). EU-Wasserrahmenrichtlinie und Schweizer Wasser- und Gewässerschutzgesetzgebung. Eine Gegenüberstellung, Technical report, Bundesamt für Umwelt (BAFU), Bern. Richardson, S. and Reynolds, J. (2000). An overview of glacial hazards in the Himalayas, QUATERNARY INTERNATIONAL 65-6: 31–47. Rickenmann, D. (1990). Bedload transport capacity of slurry flow at steep slopes. mittleiungen der versuchsanstalt für wasserbau, hydrologie und glaziologie der eth zürich nr.103, Technical report, ETH Zürich. Rickenmann, D. (1991). Hyperconcentrated flow and sediment transport at steep slopes, JOURNAL OF HYDRAULIC ENGINEERING-ASCE 117(11): 1419–1439. Rickenmann, D. (1996). Fliessgeschwindigkeiten in Wildbächen und Gebirgsflüssen, WASSER ENERGIE LUFT 11/12 1996: 298–304. Rickenmann, D. (2001a). Comparison of bed load transport in torrents and gravel bed streams, WATER RESOURCES RESEARCH 37(12): 3295–3305. Rickenmann, D. (2001b). Murgänge in den Alpen und Methoden zur Gefahrenbeurteilung. In: Mitteilungen des Lehrstuhls und Instituts für Wasserbau und Wasserwirtschaft, RheinischWestfälische Technische Hochschule Aachen, Band 124, 51-77, 2001 (Proceedings 31. IWASA, Internationales Wasserbau-Symposium, Aachen, 2001), Technical report, RWTH Aachen. Rickenmann, D. (2005). Geschiebetransport bei steilen Gefällen. Mitteilung 190 der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie, Technical report, ETH Zurich. Roer, I. (2005). Rockglacier kinematics in a high mountain geosystem, PhD thesis, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Roer, I. (2008). Mündliche Mitteilung beim Gespräch über die Erforschung der Blockgletscherentwicklung im Turtmanntal. Schaedler, B. (2000). Klimaveränderung und Naturkatastrophen in der Schweiz. KLIWASymposium 2000, S. 204-211, Technical report, Kliwa. Schaedler, B., Frei, C., Grebner, D. and Willi, H. F. h. (2007). Grundlagen zum klima, WASSER ENERGIE LUFT 1/2007: 58–59. Schaefli, B. (2005). Quantification of modelling uncertainties in climate change impact studies on water resources: Application to a glacier-fed hydropower production system in the swiss Alps. Thèse No 3225. ENAC, PhD thesis, Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne EPFL. Schaefli, B., Hingray, B. and Musy, A. (2007). Climate change and hydropower production in the swiss alps: quantification of potential impacts and related modelling uncertainties, HYDROLOGY AND EARTH SYSTEM SCIENCES 11(3): 1191–1205. 133 Literaturverzeichnis Schaefli, B., Hingray, B., Niggli, M. and Musy, A. (2005a). A conceptual glaciohydrological model for high mountainous catchments, HYDROLOGY AND EARTH SYSTEM SCIENCES 9(1-2): 95–109. Schaefli, B., Horton, P., Hingray, B., Mezghani, A. and Musy, A. (2005b). Impacts potentiels d‘un changement climatique sur les regimes hydrologiques alpins, WASSER ENERGIE LUFT 11/12 2005: 348–353. Schaer, C., Vidale, P., Luthi, D., Frei, C., Haberli, C., Liniger, M. and Appenzeller, C. (2004). The role of increasing temperature variability in european summer heatwaves, NATURE 427(6972): 332–336. Scherrer, S., Appenzeller, C. and Laternser, M. (2004). Trends in swiss alpine snow days: The role of local- and large-scale climate variability, GEOPHYSICAL RESEARCH LETTERS 31(13): 4. Schiermeier, Q. (2003). 424(6950): 712. Alpine thaw breaks ice over permafrost’s role, NATURE Schleiss, A. and Oehy, C. (2002). Verlandung von Stauseen und Nachhaltigkeit, WASSER ENERGIE LUFT 7/8 2002: 227–234. Schmidli, J. and Frei, C. (2005). Trends of heavy precipitation and wet and dry spells in switzerland during the 20th century, INTERNATIONAL JOURNAL OF CLIMATOLOGY 25(6): 753–771. Schmidli, J., Schmutz, C., Frei, C., Wanner, H. and Schar, C. (2002). Mesoscale precipitation variability in the region of the European Alps during the 20th century, INTERNATIONAL JOURNAL OF CLIMATOLOGY 22(9): 1049–1074. Schocklitsch, A. (1962). Handbuch des Wasserbaus, 3. aufl. edn, Springer. Schrott, L., Hufschmidt, G., Hankammer, M., Hofmann, T. and Dikau, R. (2003). Spatial distribution of sediment storage types and quantification of valley fill deposits in an alpine basin, reintal, bavarian alps, germany, GEOMORPHOLOGY 55(1-4): 45–63. Binghamton International Geomorphology Symposium, CHAPEL HILL, NORTH CAROLINA, OCT 20-21, 2001. Schweizer Nationalfonds (2009). Nationales Forschungsprogramm 61 (NFP 61): Nachhaltige Wassernutzung. URL: http://www.nfp61.ch Seinova, I., Sidorova, T. and Chernomorets, S. (2007). Processes of debris flow formation and the dynamics of glaciers in the central caucasus, in C. Chen and J. Major (eds), Proceedings of the Fourth International Conference on Debris-Flow Hazards Mitigation: Mechanics, Prediction, and Assessment (DFHM-4), Chengdu, China, September 10-13, 2007, Millpress, Rotterdam, pp. 77–85. Semmel, A. (1985). Periglazialmorphologie, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt. Shiyatov, S. G., Terent’ev, M. M., Fomin, V. V. and Zimmermann, N. E. (2007). Altitudinal and horizontal shifts of the upper boundaries of open and closed forests in the Polar Urals in the 20th century, RUSSIAN JOURNAL OF ECOLOGY 38(4): 223–227. SLF (06.04.2009). WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF. Geographische Begriffe. Smart, G. and Jäggi, M. (1983). Sedimenttransport in steilen Gerinnen. Mitteilung 64 der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie, Technical report, ETH Zürich. 134 Literaturverzeichnis Spreafico, M. (2001). Hydrologischer Atlas der Schweiz [Kartenmaterial], Landeshydrologie und -geologie. Spreafico, M. and Weingartner, R. (2005). Hydrologie der Schweiz - Ausgewählte Aspekte und Resultate. Berichte des BWG, Serie Wasser Nr. 7, Technical report, BWG. Stern, N. (2006). Stern Review: The Economics of Climate Change, HM Treasury, London. Stoffel, M. and Beniston, M. (2006). On the incidence of debris flows from the early little ice age to a future greenhouse climate: A case study from the swiss alps, GEOPHYSICAL RESEARCH LETTERS 33(16): 1–4. Swift, D., Nienow, P., Hoey, T. and Mair, D. (2005). Seasonal evolution of runoff from haut glacier d’arolla, switzerland and implications for glacial geomorphic processes, JOURNAL OF HYDROLOGY 309(1-4): 133–148. c 2003, (dv033492.2), Technical report, Bundesamt swisstopo (2003). Kartendaten: Dtm-av, für Landestopografie swisstopo, Wabern. Tranter, M. (2005). Sediment and Solute Transport in Glacial Meltwater Streams, John Wiley & Sons, chapter Encyclopedia of Hydrological Sciences, pp. 2633–2645. Turowski, J., Rickenmann, D. and Dadson, S. (eingereicht). The partitioning of the total sediment load of a river into suspended load and bedload: A review of empirical data. eingereicht. VAW (2008). Gletscherberichte (1881-2008). Die Gletscher der Schweizer Alpen, Jahrbücher der Expertenkommission für Kryosphärenmessnetze der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT), Technical report, herausgegegeben seit 1964 durch die Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) der ETH Zürich. No. 1-124, (http://glaciology.ethz.ch/swiss-glaciers/). Walling, D. (1983). The sediment delivery problem, JOURNAL OF HYDROLOGY 65(13): 209–237. Walling, D. E. (2006). Human impact on land-ocean sediment transfer by the world’s rivers, GEOMORPHOLOGY 79(3-4, Sp. Iss. SI): 192–216. 37th Binghamton Geomorphology Symposium on Human Role in Changing Fluvial Systems, Columbia, SC, OCT 20-22, 2006. Warburton, J. (1990a). An alpine proglacial fluvial sediment budget, GEOGRAFISKA ANNALER SERIES A-PHYSICAL GEOGRAPHY 72(3-4): 261–272. Warburton, J. (1990b). Comparison of bed load yield estimates for a glacial meltwater stream, Hydrology in Mountain Regions. I - Hydrological Measurements: The Water Cycle. Lausanne Symposium. Warburton, J. (1992). Observations of bedload transport and channel bed changes in a proglacial mountain stream, ARCTIC AND ALPINE RESEARCH 24(3): 195–203. Warburton, J. (2007). Sediment budgets and rates of sediment transfer across cold environments in Europe: A commentary, GEOGRAFISKA ANNALER SERIES A-PHYSICAL GEOGRAPHY 89A(1): 95–100. 3rd Science Meeting of the European-Science-FoundationNetwork-SEDIFLUX, Durham, ENGLAND, DEC 15-19, 2005. Westaway, R. (2000). Modelling the potential effects of climate change on the grande dixence hydro-electricity scheme, switzerland, WATER AND ENVIRONMENTAL JOURNAL Volume 14 Issue 3: 179 – 185. Widrig, E., Plattner, C., Weingartner, R., Hänggi, P., Schär, C., Ewen, T. and Stähli, M. (2007). Projekt - Klimaänderung und Wasserkraftnutzung - Kurzportrait der Projektskizze für die Hauptstudie, Technical report, Kompetenznetzwerk Wasser im Bergbaugebiet. 135 Literaturverzeichnis Wilcock, P. and Crowe, J. (2003). Surface-based transport model for mixed-size sediment, JOURNAL OF HYDRAULIC ENGINEERING-ASCE 129(2): 120–128. Willis, I. (2005). Encyclopedia of Hydrological Sciences, Volume 4, John Wiley & Sons, chapter Hydrology of Glacierized Bassins. Chapter 168, pp. 2601–2631. Wyer, H. (2008). Die Nutzung der Wasserkraft im Wallis: Geschichte - Recht - Heimfall, Rotten Verlag, Visp. Yafyazova, R. (2003). Influence of climate change on mudflow activity on the northern slope of the zailiysky alatau mountains, kazakhstan, in D. Rickenmann and C. Chen (eds), DebrisFlow Hazards Mitigation. Mechanics, Prediction, and Assessment. Proc. of the third Int. Conf. on Debris-Flow Hazards Mitigation. Davos, Switzerland, September 10-12, 2003, Vol. Volume 1Processes of debris flow formation and the dynamics of glaciers in the Central Caucasus, Millpress, Rotterdam, pp. 199–204. Yafyazova, R. (2007). Debris cones as a source of information on debris-flow activity, in C. Chen and J. Major (eds), Proceedings of the Fourth International Conference on DebrisFlow Hazards Mitigation: Mechanics, Prediction, and Assessment (DFHM-4), Chengdu, China, September 10-13, 2007, Millpress, Rotterdam, pp. 87–93. Yager, E. M., Kirchner, J. W. and Dietrich, W. E. (2007). Calculating bed load transport in steep boulder bed channels, WATER RESOURCES RESEARCH 43(7): 1–24. Zappa, M., Stähli, M., Rickenmann, D., J., T., Häberli, W., Paul, F., Weingartner, R., Hänggi, P., Schär, C., Ewen, T. and Funk, M. (2008). Projektantrag - Sektorielle Studie zum Einfluss der Klimaänderung auf die Wasserkraftnutzung im Kanton Wallis, Technical report, Eidgenössische Forschungsanstalt WSL. Zemp, M., Haeberli, W., Hoelzle, M. and Paul, F. (2006). Alpine glaciers to disappear within decades?, GEOPHYSICAL RESEARCH LETTERS 33(13): 1–4. Zemp, M., Hoelzle, M. and Haeberli, W. (2007). Distributed modelling of the regional climatic equilibrium line altitude of glaciers in the european alps, GLOBAL AND PLANETARY CHANGE 56(1-2): 83–100. Zemp, M., Kaeaeb, A., Hoelzle, M. and Haeberli, W. (2005). Gis-based modelling of glacial sediment balance, in K. Schmidt, M. Becht, E. Brunotte, B. Eitel and L. Schrott (eds), Geomorphology in Environmental Application - (MOUNTAIN GEOMORPHOLOGY, MASS MOVEMENTS, FLUVIAL GEOMORPHOLOGY), Vol. 138 of ZEITSCHRIFT FUR GEOMORPHOLOGIE SUPPLEMENT SERIES, GEBRUDER BORNTRAEGER, pp. 113–129. Zepp, H. (2008). Geomorphologie: Eine Einführung. 4. Auflage, Schöning. Zimmermann, N., Bolliger, J., Gehrig-Fasel, J., Guisan, A., Kienast, F., Lischke, H., Rickebusch, S. and Wohlgemuth, T. (2006). Wo wachsen die Bäume in 100 Jahren?. Forum für Wissen 2006: 53 - 71, Technical report, Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald Schnee und Landschaft WSL. Zuber, G. (2005). Problématique du lac de tourtemagne, Communication du Laboratoire de Constructions Hydrauliques - LCH No 22 Interreg IIIB - Projet Alpreserv - Gestion durable des sédiments dans des réservoirs alpins tenant compte des aspects écologiques et économiques, Sion, 20 septembre, ISSN 1661-1179, vol. no 22, 2005, p. 25-37, Vol. no 22, pp. 39–66. [469]. 136 Anhang A. Gebietsdaten B. Morphologische Daten C. Hydrologische Daten 137 Anhang Abb. A.1: Das Turtmanntal in den südlichen Walliser Alpen. Dargestellt ist das hydrologische Einzugsgebiet mit dem Turtmann- und Brunegggletscher (grosse blaue Signaturen unten links, beziehungsweise rechts), dem Verlauf der Turtmänna bis zur Mündung in die Rhone und den seitlich begrenzenden Höhen (Otto, 2001) 138 Anhang Abb. A.2: Situationsplan der Kraftwerke Gougra AG. Farblich hervorgehoben sind die jeweiligen betrachteten Einzugsgebiete der Zuflüsse des Turtmann - Stausees: Turtmänna (rötlich), Brändjibach (grün), Frilibach (blau) und Blüomattbach (gelb) (verändert nach Gougra (2007)) 139 Anhang Zuleitung Blüomatt Zuleitung Brändji Stausee Geschieberückhaltebecken Pipjitälli Querprofil 5 Inners Wängertälli Brunegggletscher N Turtmanngletscher Abb. A.3: Situationsplan Turtmannstausee. Dargestellt sind die zusätzlichen Wasserfassungen mit den Zuleitungen (rosa), der auf Sedimentvolumen untersuchte Bereich (gelb umrahmt) sowie die Gletscher, aufgenommenen Quer- und Längsprofile (rot) und die GPS - Trackingtour (blau) 140 Anhang Abb. A.4: Längenentwicklung des Turtmanngletschers für die Messperiode 1885 - 2005. Die jährlichen Vorstösse sind jeweils mit hellblauer, die Rückzüge mit orangener Farbe dargestellt. Die schwarze Kurve zeigt die kumulative Längenänderung seit 1885. Messungen bis zum Jahr 1934 einschliesslich des Brunegggletschers (VAW, 2008) Abb. A.5: Längenentwicklung des Brunegggletschers für die Messperiode 1934 - 2005. Für die Darstellung siehe Abbildung A.4 (VAW, 2008) 141 Anhang Abb. A.6: Das Pipjitälli in perspektivischer Schräglichtdarstellung mit Blick in ostsüdöstlicher Richtung (planimetrische Fläche 3, 55km2 , reale Fläche 4, 45km2 ). Gut erkennbar sind die glazialen und periglazialen Schuttmassen, welche periglazialen Prozessen, wie der Blockgletscherbewegung unterworfen sind (Rasemann, 2003) Abb. A.7: Rutschungsentwicklung in der orographisch linken (westlichen) Seitenmoräne des Turtmanngletschers. Vergleich zwischen den Jahren 2001 (Otto, 2001) und 2008 (eigenes Bild, 26.09.2008) 142 Anhang 2400 Oberfläche Spline Spline mit Begrenzung Natural Neighbor Topo to Raster Trend IDW mit Begrenzung IDW Kriging 2350 Tiefe [m] 2300 2250 2200 2150 2100 619300 619400 619500 619600 619700 619800 619900 620000 620100 Breite [m] Abb. B.1: Vergleich verschiedener Interpolationsverfahren am Beispiel von Querprofil 1. In schwarz dargestellt die Sedimentoberfläche. Für die Verfahren IDW und Spline wurde zusätzlich mit einer Begrenzung des Sedimentbereiches gerechnet 143 Einzugsgebiet Turtmannstausee Abb. C.1: Die Abflussregimes im Kanton Wallis; als Legende siehe Abbildung 2.5 (verändert nach Spreafico (2001) Anhang 2,00 Profil 1 Profil 2 1,00 Profil 3 Profil 4 Profil 5 0,00 -1,00 4,00 9,00 14,00 19,00 24,00 Tiefe [m] -1,00 -2,00 -3,00 -4,00 -5,00 Gerinnebreite [m] Abb. C.2: Aufgenommene Querprofile 2,00 Profil 1 Profil 2 1,00 Profil 3 Profil 4 Profil 5 0,00 -1,00 4,00 9,00 14,00 Tiefe [m] -1,00 -2,00 -3,00 -4,00 -5,00 Gerinnebreite [m] Abb. C.3: Vereinfachte Querprofile 145 19,00 24,00 Anhang 100,0 90,0 80,0 Gewichtsprozent (%) 70,0 60,0 50,0 L1.1 40,0 L1.2 L1.3 30,0 L2.1 L2.2 L2.3 20,0 L4.1 L4.2 10,0 Mittelung 0,0 0,1 1 10 100 Korngrössendurchmesser d (cm) Abb. C.4: Kornverteilungskurven für das Gletschervorfeld Analyse Steine Neigung [%] d30 [m] d50 [m] d90 [m] dm [m] [1] qc,min [m2/s] [2] qc,D [m2/s] [2] qc,1/2 [m2/s] L1.1 315 0.03 0.02 0.04 0.15 0.03 0.22 1.20 0.71 L1.2 365 0.03 0.01 0.04 0.17 0.03 0.16 1.09 0.63 L1.3 125 0.03 0.03 0.07 0.30 0.05 0.43 3.11 1.77 L2.1 412 0.04 0.01 0.02 0.18 0.02 0.07 0.69 0.38 L2.2 341 0.04 0.01 0.02 0.06 0.02 0.05 0.24 0.14 L2.3 377 0.04 0.01 0.02 0.09 0.02 0.07 0.39 0.23 L4.1 368 0.05 0.01 0.03 0.18 0.03 0.06 0.56 0.31 L4.2 436 0.05 0.01 0.03 0.16 0.03 0.10 0.66 0.38 Mittelung 342 0.05 0.01 0.03 0.16 0.03 0.08 0.61 0.35 [1] geometrisches Mittel nach Bunte and Abt, 2001 [2] nach Badoux and Rickenmann, 2008 Tab. C.1: Linienzahlanalysen und Grenzwerte für Profil 5 im Gletschervorfeld. Die Mittelung der Korndaten erfolgte über alle Proben, jene der Grenzwerte nur über die beiden in unmittelbarer Nähe des Profils (gelb markiert) 146 Tab. C.2: Hydrologische Berechnungen für die Turtmänna, Abflussperiode 2000 - 2008, inklussive des Frili-, Blüomatt- und Brändjibachs (Q). Die um diese Bäche prozentual reduzierten Werte (Qred ) fallen im Mittel um 12 % geringer aus. Die Maximal- und Minimalwerte (blau und rot), sowie die Mittelwerte (grün) sind farblich hervorgehoben. Auswertung auf Grundlage von Tagesdurchschnittswerten, bereitgestellt von der Kraftwerke Gougra AG, Sion Charakteristik Einheit 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Mittelwert Gesamtabfluss [m3] 46'010'000 48'130'000 46'150'000 61'730'000 47'560'000 47'090'000 49'110'000 49'170'000 51'810'000 49'640'000 Mittlerer Jahresabfluss [m3/s] 1.52 1.58 1.51 2.00 1.55 1.53 1.60 1.60 1.68 1.62 Jahresmedianwert [m3/s] 0.54 0.37 0.42 0.36 0.40 0.43 0.40 0.47 0.38 0.42 Maximaler Abfluss [m3/s] 6.98 9.14 8.35 9.70 8.61 8.39 8.92 8.68 8.71 8.61 Minimaler Abfluss [m3/s] 0.02 0.03 0.02 0.01 0.01 0.02 0.01 0.06 0.01 0.02 Standardabweichung [m3/s] 1.80 2.11 1.90 2.70 2.06 1.80 2.21 2.03 2.22 2.09 Variationskoeffizient [-] 118.49 134.08 126.26 134.48 132.88 117.72 137.97 126.70 132.29 128.98 mittlerer Abfluss Juni [m3/s] 4.76 3.39 4.53 6.98 2.93 4.35 4.26 4.54 4.54 4.47 mittlerer Abfluss Juli [m3/s] 3.36 5.30 4.89 5.94 4.90 5.03 6.71 4.99 5.55 5.19 mittlerer Abfluss August [m3/s] 4.12 5.28 3.57 6.22 5.43 3.38 2.42 4.27 4.64 4.37 Anhang 2 1.8 1.6 Abflusstiefe h [m] 1.4 1.2 1 0.8 h = 0.7571 Q0.2752 R2 = 0.9831 0.6 0.4 0.2 Schlüsselkurve nach Smart and Jäggi, 1983 0 0 2 4 6 8 10 12 Abfluss Q [m3/s] Abb. C.5: Schlüsselkurve der Beziehung Abfluss - Abflusstiefe für Profil 5, nach dem Ansatz von Smart and Jäggi (1983) 1 Gleichung 2.10 0.9 Gleichung 2.11 Gleichung 2.12 Reibungsverlusteverhätlnis nr/ntot 0.8 Gleichung 2.13 0.7 0.6 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1 0 0.00 1.00 2.00 3.00 4.00 5.00 6.00 7.00 8.00 9.00 10.00 relative Abflusstiefe h/d90 Abb. C.6: Vergleich der Formverlust - Korrekturgleichungen am Beispiel der Abflusswerte Q des Jahres 2006 148 100% 90% 2000 80% Unterschreitungswahrscheinlichkeit 2001 70% 2002 2003 60% 2004 50% 2005 2006 40% 2007 30% 2008 Mittelung 2000 - 2008 20% Durchschnittsjahr I (reell) 10% Durchschnittsjahr II (sortiert) 0% 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5 5 5.5 6 6.5 7 7.5 8 8.5 9 9.5 Abfluss [m3] Abb. C.7: Dauerkurven der Turtmänna für die einzelnen Jahre Periode 2000 - 2008, deren Mittelwert sowie für die beiden Durchschnittsjahre I und II. Auswertung auf Grundlage von Tagesdurchschnittswerten, bereitgestellt von der Kraftwerke Gougra AG, Sion 10 50000 25'000'000 Mittelwert 2000 - 2008 - Abfluss Q Abfluss Q Abfluss Q_red Szenario A - Abfluss Q Szenario A - Abfluss Q_red Szenario B - Abfluss Q Szenario B - Abfluss Q_red Geschiebetransport Q Geschiebetransport Q_red Szeanrio A - Geschiebetransport Q Szenario A - Geschiebetransport Q_red Szenario B - Geschiebetransport Q Szenario B - Geschiebetransport Q_red 40000 35000 30000 15'000'000 25000 10'000'000 20000 15000 5'000'000 10000 5000 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Monat Abb. C.8: Abfluss- und Geschiebeganglinien für die beiden Szenarien A und B an Hand des reell gemittelten Durchschnittsjahres I. Darstellung jeweils für Q und Qred mit Abfluss und Geschiebetransport in der gleichen Farbe. Zum Vergleich ist für Q auch die mittlere Abflussganglinie der Jahre 2000 - 2008 angegeben. Alle Angaben als kumulierte Monatswerte Kumulativer monatlicher Geschiebetransport [m3] Kumulativer monatlicher Abfluss [m3] 20'000'000 45000