FA 734 200 Veröffentlicht in Risk, Compliance & Audit 3/2009 „Warum das Risikomanagement häufig versagt? Antworten auf die jüngste Finanzkrise‘‘ S. 12-19 Mit freundlicher Genehmigung der RC&A-Redaktion, Bank-Verlag Medien GmbH, Köln (www.risk-compliance-audit.com) Ein Service von: FutureValue Group AG eMail: [email protected] Internet: www.FutureValue.de Risk Warum das Risikomanagement häufig versagt? Antworten auf die jüngste Finanzkrise Nachdem das Jahr 2008 als das Jahr der Nullen in die Geschichte eingehen wird, kann für die kommenden Jahre prognostiziert werden, dass Risikomanagementsysteme – auch als Antwort auf die jüngste Finanzkrise – sich zu „ganzheitlichen“ Unternehmenssteuerungssystemen (Enterprise Risk Management) weiterentwickeln werden. Risikomanagement wird integraler Bestandteil von wertorientierten Steuerungssystemen. Risiken werden in den Planungssystemen berücksichtigt werden. Die Risikosteuerung bzw. Risikobewältigung wird sich in den nächsten Jahren weiterentwickeln und professionalisieren. Durch die in den vergangenen Jahren aufgezeigten Grenzen der privaten Versicherung (etwa Terrorismus-, Naturkatastrophenexposure) werden innovative Wege der Risikofinanzierung bzw. des Risikotransfers (etwa Captive, Multi-Trigger, Contingent Capital, Asset Backed Transactions, Securitization) an Bedeutung gewinnen. Unabdingbare Voraussetzung für die Nutzung derartiger Instrumente ist ein professionelles Risikomanagement. 1. Risikomanagement im Kontext der Unternehmensführung Im Zusammenhang mit der Ursachenanalyse der jüngsten Finanzkrise wird von vielen Seiten immer wieder behauptet, dass eine massive Unterschätzung von Risiken in der Folge eines unzulängliches Risikomanagement und die „Gier“ in den Chefetagen die wesentlichen Gründe für die Exzesse an den internationalen Finanzmärkten darstellen. Die eigentlichen Ursachen sind jedoch komplexer: Ein primärer Grund für die Blasenentwicklung auf dem US-Immobilienmarkt liegt in der Niedrigzinspolitik der US-amerikanischen Notenbank nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Der damalige USNotenbankchef Alan Greenspan wollte mit einer drastischen Senkung der Leitzinsen eine Rezession der amerikanischen Wirtschaft verhindern. In einem boomenden Immobilienmarkt vergaben die Banken „billige“ Kredite an US-Bürger, die sich den Traum vom Eigenheim verwirklichen wollten. Im Glauben an ewig steigende Immobilienpreise wurden auch Kredite an Kreditnehmer vergeben, bei denen klar sein musste, dass sie die Hypothek bei wieder steigenden Zinsen nicht würden bezahlen können. Durch die Verbriefung und den Verkauf der Kreditrisiken haben sich die ursprünglichen Gläubiger des Ausfallrisikos entledigt, so dass sie sorglos wurden und Kredite vergeben haben, die sie nicht vergeben hätten, wenn sie das Risiko in den eigenen Büchern behalten hätten. Die verbrieften – angeblich risikofreien Papiere – wurden dann sehr gerne von Banken, Versicherungen und Hedgefonds 12 weltweit ins Portfolio genommen, da deren Kunden, Investoren und Aufsichtsräte eine hohe Rendite verlangten. Im dem Kontext wurden Risiken von vielen Marktteilnehmern zunächst ausgeblendet. Nicht nur Banken und Versicherungen wurden von der Wucht der Hypotheken- und Finanzkrise überrascht. Der Börsenwert vieler Unternehmen sank um viele Milliarden. Allein in der zweiten Oktoberwoche 2008 verloren die Leitindizes aller großen Börsenplätze zwischen 20 und 25 Prozent ihres Werts. In der Folge haben auch viele Unternehmen aus Industrie, Handel und Verwaltung die Belastbarkeit ihrer Frühwarn- und Risikomanagementsysteme in Frage gestellt. Bei einer retrospektiven Analyse stellt sich die Frage, ob der klassische Werkzeugkasten des Risikomanagements ausgereicht hätte, um Fehlentwicklungen zu erkennen. Bereits in der Folge des KonTraG (Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich) im Jahr 1998 wurden zunächst Aktiengesellschaften explizit zum Aufbau von Risikomanagementsystemen verpflichtet. Verstärkt wenden sich nun auch mittelständische, nicht-börsennotierte Unternehmen, Verbände und öffentliche Einrichtungen dem Thema zu. Impulse für eine Beschäftigung mit dem Risikomanagement gehen dabei unter anderem von der Baseler Eigenmittelvereinbarung (Basel-II-Akkord) und von der Konzeption eines wertorientierten Managements aus. Parallel haben sich die Methoden des Risikomanagements weiterentwickelt. Klassische, deterministische Prognose- und Frühwarnsysteme werden einer dynamischen, stochastischen und von Strukturbrüchen gekennzeichneten Unternehmens- Risk, Compliance & Audit 3/2009 Risk umwelt nicht gerecht. Die Zukunft gehört modernen, dynamischen und stochastischen Simulationsansätzen. So wird etwa in der Versicherungsbranche die dynamische Finanzanalyse (Dynamic Financial Analysis) in den nächsten Jahren stark an Bedeutung gewinnen.1 Verstärkt wird diese Entwicklung zudem durch neue regulatorische Anforderungen. Auch die Konzeption eines wertorientierten Managements gewinnt eine immer größere Bedeutung. Bei einem begrenzten Angebot an Kapital und Risikotragfähigkeit sowie global gesehen unendlich vielen Investitionsmöglichkeiten wird der Wettbewerb um Kapital immer intensiver. Kapitalgeber und Kreditinstitute setzen ihr Kapital dort ein, wo sie den größten Wertzuwachs erwarten können. Der Wert eines finanziellen Engagements hängt sowohl von den zukünftigen Erträgen als auch von den damit verbundenen Risiken ab. Eine Orientierung am Unternehmenswert als Erfolgsmaßstab ist daher eine naheliegende Forderung an die Unternehmensführung, die nicht zu verwechseln ist mit einer Orientierung am aktuellen Börsenkurs. Alle genannten Aspekte verdeutlichen, dass die Bedeutung des Risikomanagements im Kontext der Unternehmensführungsaufgaben weiter zunehmen wird. Die Vorteile eines systematischen Risikomanagements sind offenkundig: Transparenz über die Risikosituation, Frühaufklärung und Krisenprävention sowie die Möglichkeit, bei unternehmerischen Entscheidungen die erwarteten Erträge mit den eingegangenen Risiken abzuwägen. 2. Schwächen formaler Risikomanagementsysteme und Verbesserungspotenziale Oft wird Risikomanagement – dies verdeutlicht die aktuelle Finanzkrise – aber immer noch als lästige und bürokratische Pflichtübung verstanden und nicht als Kernaufgabe der strategischen Unternehmensführung. Formale Risikomanagementsysteme, die durch regulatorischen Druck aufgebaut wurden, zeigen nicht selten erhebliche Defizite. Die folgende Liste skizziert zusammenfassend Schwach- und Ansatzpunkte für den Ausbau des Risikomanagements.2 t Schwächen bei der Risikoanalyse: Im Rahmen der Risikoanalyse – also bei der Identifikation und Bewertung von Risiken – werden Risiken vielfach wenig systematisch identifiziert und unbefriedigend quantifiziert. Entweder 1 Vgl. Romeike, F. (2008): Dynamische Finanzanalyse (DFA) in der Versicherungswirtschaft, in: Romeike, F./Müller-Reichart, M.: Risikomanagement in Versicherungsunternehmen, 2. Auflage, Weinheim 2008, S. 333-347. 2 In Anlehnung an Gleißner, W./Romeike, F. (2005): Risikomanagement, Freiburg im Breisgau, S. 376 ff. Risk, Compliance & Audit 3/2009 fehlt die Quantifizierung komplett oder es werden lediglich sehr einfache Beschreibungen des Risikos vorgenommen – beispielsweise anhand von Schadenshöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit. Hier wären andere Arten der Risikobeschreibung angemessen – beispielsweise basierend auf stochastischen Methoden. Auch die Wechselwirkungen zwischen Risiken werden oft nicht erfasst. Häufig lässt sich bei der Risikoidentifikation zudem feststellen, dass ein strategischer Bezug fehlt. Es wird insbesondere nicht analysiert, welchen Bedrohungen die langfristigen Erfolgsfaktoren des Unternehmens – wie Wettbewerbsvorteile und Kernkompetenzen – ausgesetzt sind. t Fehlen von Risikoaggregationsverfahren: Eine akzeptable Risikoaggregation schließt aus der Menge der identifizierten und bewerteten Einzelrisiken auf den Gesamtrisikoumfang des Unternehmens. Die Risikoaggregation soll einerseits aufzeigen, in welchen risikobedingten Streuungsbändern sich wichtige Unternehmenszielgrößen – wie zum Beispiel der Cashflow – bewegen werden. Andererseits wird durch die Risikoaggregation deutlich, wie viel Eigenkapital erforderlich ist, um die durch die Risiken möglicherweise entstehenden Verluste aufzufangen und damit eine Überschuldung bzw. Illiquidität des Unternehmens wirksam zu verhindern. Gleichwohl wäre eine systematische Risikoaggregation für eine fundierte Herleitung des Ratings sehr hilfreich. Ist es nicht möglich, den Eigenkapitalbedarf eines Unternehmens zu bestimmen, können auch keine risikogerechten Kapitalkostensätze für die wertorientierte Unternehmensführung abgeleitet werden. t Fehlende Integration des Risikomanagements in Unternehmensplanung und Controlling: Risiken führen zu Abweichungen der tatsächlichen von den geplanten Unternehmensergebnissen. Für einen ökonomisch sinnvollen Umgang mit Risiken müssen diese daher in den Kontext der Unternehmensplanung gestellt werden. Ein so verstandenes Risikomanagement ermöglicht eine „Aufrüstung“ der vorhandenen Systeme zur Unternehmensplanung und zum Controlling. Risikomanagement ist folglich keine eigenständige Aufgabe, sondern ein integraler Bestandteil eines fundierten Unternehmenssteuerungskonzepts. t Überbürokratische Organisation der Risikomanagementsysteme: Effiziente Risikomanagementsysteme nutzen möglichst die vorhandenen Organisations- und Berichtsstrukturen des Unternehmens. Die Kritik an den heute umgesetzten KonTraG-orientierten Risikomanagementsystemen resultiert zum einen daher, dass unnötiger bürokratischer Aufwand betrieben wurde. Zum anderen wird kritisiert, dass sich Risikomanagementsysteme mit 13 Risk einer Vielzahl von Risiken auseinandersetzen, die eigentlich nur von geringer Bedeutung für das jeweilige Unternehmen sind. Häufig haben die implementierten Risikomanagementsysteme im Wesentlichen noch statischen Charakter. Dynamische Frühaufklärungs- und Prognosesysteme zur frühzeitigen Identifikation beispielsweise einer unerfreulichen Umsatzentwicklung fehlen meist. t Defizite bei der Risikobewältigung: Ökonomischen Nutzen entfalten Risikomanagementsysteme erst dann, wenn die zusätzlich vorhandenen Informationen über die Risiken des Unternehmens auch zur Optimierung der Risikobewältigung genutzt werden. Da Unternehmertum zwangsläufig mit dem Eingehen von Risiken verbunden ist, geht es bei der Risikobewältigung keinesfalls um die Verbannung sämtlicher Risiken aus dem Unternehmen. Vielmehr soll das Chancen-Risiko-Profil des Unternehmens optimiert werden. Die Maßnahmen zur Risikobewältigung beschränken sich aber in vielen Unternehmen immer noch auf den Abschluss von Versicherungen. Die Risikokosten sind noch oft intransparent. Insbesondere durch die zukünftigen Anforderungen für ein gutes Rating werden gezielte Maßnahmen der Risikobewältigung – auch jenseits von Versicherungslösungen – einen immer größeren Stellenwert in der Unternehmenspraxis gewinnen. t Defizite im Umgang mit Managementrisiken: Viele Risiken sind letztlich auf ein mögliches Fehlverhalten von Menschen zurückzuführen. Unter den personenbezogenen, operationellen Risiken haben die Managementrisiken mit weitem Abstand die größte Bedeutung. Dieser Typ von Risiken kennzeichnet die Möglichkeit, dass die Unternehmensführung eine grundlegende strategische Fehlentscheidung trifft, die bei den vorhandenen Informationen eigentlich vermeidbar wäre. Vielfach wird gar nicht erst versucht, alle für eine wesentliche Entscheidung relevanten Informationen zu beschaffen und diese zielorientiert auszuwerten. Natürlich kann – wegen der Unvorhersehbarkeit der Zukunft – nicht erwartet werden, dass das Management stets die – im Nachhinein – optimale Entscheidung trifft. Managementrisiken sollten daher immer bewertet werden unter Berücksichtigung derjenigen Informationen, die dem Management zum Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung standen oder mit vertretbarem Aufwand hätten beschafft werden können. 3. Fehlendes Risiko-Rendite-Kalkül und intransparente Planungssicherheit Viele Unternehmen, Hedge-Fonds, Private-Equity-Fonds und wohl die meisten anderen (institutionellen) Anleger streben nach einer Maximierung der Rendite. Und damit verletzen sie das Grundprinzip einer wertorientierten (oder auch nutzenorientierten) Unternehmensführung: Nämlich das Abwägen der erwarteten Rendite und der Risiken. Bei vielen „Opfern“ der jüngsten Finanzkrise war jeder investierte Cent gleichbedeutend mit sicherem Gewinn. Das gilt übrigens sowohl für Investoren wie auch Originatoren. So scheiterten viele Marktteilnehmer u. a. am wenig differenzierten und stark auf Strukturierung ausgerichteten Geschäftsmodell. Betrachtet man ausschließlich die dort in den vergangenen Jahren erwirtschafteten Gewinne, war diese Konzentration eine rationale Entscheidung. Ob 15 Prozent prognostizierte Rendite aber gut oder schlecht sind, kann man nicht beurteilen, wenn keine quantitativen Informationen über den Risikoumfang zum Vergleich verfügbar sind. Die notwendige Information über den aggregierten Risikoumfang, also den realistischen Umfang möglicher Planabweichungen, wird oft nicht berechnet und erst recht nicht kommuniziert. Welche Aktiengesellschaft oder welcher Analyst schafft Transparenz über seine Planungssicherheit? Wer will hören, dass die „Cash Cow“ bald zum Millionen- oder gar Milliardengrab werden soll, wenn gerade wieder ein Rekordergebnis erzielt wurde? Die Vorgabe eines Renditeziels ohne Risikoadjustierung („risikoadjustierte Performance“) führt zur gezielten Auswahl riskanter originärer Geschäfte und einem Bestreben, deren Rendite durch den Einsatz von Fremdkapital immer mehr zu hebeln (Leverage). Selbst Obergrenzen für den (aggregierten) Gesamtrisikoumfang fehlen oft. Die Orientierung an der Rendite und die weitgehende Vernachlässigung der eingegangenen Risiken ist einer der primären Treiber für die jetzige Finanzkrise.3 Risiken können, schon wegen aufsichtsrechtlicher Anforderungen, trotz der erwähnten primären Ausrichtung auf Rendite nicht komplett ignoriert werden. Allerdings werden die wahrgenommenen Risiken tendenziell, zum Teil auch noch gravierend, unterschätzt. Ursächlich hierfür sind methodische Schwächen im Risikomanagementinstrumentarium, das im Wesentlichen noch immer von „Normalverteilungshypothese“ und „Random-Walk“ ausgeht – was Benoît B. Mandelbrot als Annahme einer „milden Zufälligkeit“ im Gegensatz zur tat- 3 Vgl. Gleißner, W./Romeike, F. (2008): Analyse Subprime-Krise: Risikoblindheit und Methodikschwächen, in: RISIKO MANAGER 21/2008, S. 1, 8-12. 14 Risk, Compliance & Audit 3/2009 Risk sächlichen „wilden Zufälligkeit“ bezeichnet hat.4 So konnte in Analysen nachgewiesen werden, dass nach dem Gauß’schen Modell ein Börsencrash – wie etwa im Oktober 1987 – nur einmal in 1087 Jahren eintreten dürfte. Die empirische Beobachtung hat jedoch gezeigt, dass derartige Crashs etwa alle 38 Jahre eintreten.5 Wer sich auf die Normalverteilung und Modelle der geometrischen Brownschen Bewegung verlässt, blendet Risiken systematisch aus und wird irgendwann von der Realität an den Finanzmärkten überholt. Noch immer berücksichtigen viele Risikomanagementsysteme zu wenig die empirischen Erkenntnisse, dass der Risikoumfang selbst volatil ist (GARCHProzess) und extreme Marktbewegungen („crashs“) wesentlich häufiger auftreten als dies der Standardansatz nahe legt. Die notwendigen Verfahren (beispielsweise aus der Extremwerttheorie bzw. aus dem Ansatz der pareto-stabilen Verteilungen) zur Beschreibung und Steuerung von Risiken haben bis heute nicht die notwendige Verbreitung gefunden. Entsprechend wurden die in letzter Zeit zu beobachtenden extremen Marktbewegungen von vielen Marktteilnehmern als so unwahrscheinlich eingeschätzt, dass diese keiner Beachtung wert wären. Die jüngste Finanzkrise ist dafür ein Paradebeispiel. Ergänzend ist zu beachten, dass im Allgemeinen in den Risikomodellen unterstellt wird, dass „Gewissheit“ besteht über die quantitative Beschreibung der Risiken (etwa die Parameter der Wahrscheinlichkeitsverteilung). Tatsächlich ist (etwa aufgrund der Begrenztheit historischer Daten) die Risikomodellierung selbst unsicher, es existieren Wahrscheinlichkeitsverteilungen zweiter Ordnung, beispielsweise weil für Modellparameter nur Bandbreiten und keine exakten Werte ermittelbar sind. So ist etwa die zukünftige Korrelationsstruktur der Rendite einzelner Assetklassen unsicher. Derartige „Metarisiken“ (Schätz- und Modellrisiken) erhöhen den tatsächlichen Risikoumfang – und werden in der Praxis im Allgemeinen noch vernachlässigt. Diese „Anmaßung von Wissen“ über die Zusammenhänge der realen Welt impliziert Scheingenauigkeiten und Scheinzuverlässigkeit der Systeme. Ergebnis: Der aggregierte Gesamtrisikoumfang wird unterschätzt und ist nicht mehr durch die Risikotragfähigkeit gedeckt. Die Quantifizierung von zukünftigen Risiken und die Schätzung von Modellparametern, geschehen primär auf der Grundlage von historischen Daten. Dies ist sicher im Grundsatz nicht zu kritisieren, jedoch fehlt oft ein tieferes ökonomisches Verständnis dessen, was die statistisch geschätzten Daten ausdrücken – oder nicht ausdrücken. So herrscht noch immer Verwunderung vor, wenn in Krisenszenarien die Kor4 Vgl. Mandelbrot, B. B./Hudson, R. L. (2005): Fraktale und Finanzen: Märkte zwischen Risiko, Rendite und Ruin, München. 5 Vgl. Romeike, F./Heinicke, F. (2008): Schätzfehler von „modernen“ Risikomodellen, in: Finance, Heft 2/2008. Risk, Compliance & Audit 3/2009 relationen der Renditen von Assetklassen gegen Eins gehen – der gewünschte Diversifikationseffekt im Portfolio also gerade dann verloren geht, wenn er gebraucht wird. Prognostizierte Renditeerwartungen sind oft zu hoch, weil der Bezug zum volkswirtschaftlichen Rahmen nicht beachtet wird. Dabei werden auch grundlegende makroökonomische Entwicklungen übersehen, beispielsweise – im positiven wie im negativen – selbstverstärkende Prozesse in der Volkswirtschaft. So führt die in den letzten Jahren feststellbare starke Zunahme der Immobilienpreise dazu, dass Kreditinstitute wegen der gestiegenen Werte mehr Sicherheiten anerkennen, was zu einer Expansion des Kreditvolumens führt und über die zusätzlichen Immobiliennachfrage die Preissteigerung verstärkt – bis durch irgendeinen Auslöser dieser Prozess in die umgekehrte Richtung umschlägt und sich dann die nun nötigen Sicherheiten entwerten. In den Ausfallstatistiken der Subprime Deals überdeckte der Hauspreisanstieg die Verschlechterung der Kreditqualität. Hohe Ausfallzahlen wurden so durch hohe Recovery Rates kompensiert. Eine Berücksichtigung grundlegender volkswirtschaftlicher Zusammenhänge bei der Risiko-Rendite-Einschätzung hätte hier zu anderen Entscheidungen geführt. 4. Fiktion der Vollkommenheit von Märkten Nicht erst durch den (etwas überraschenden) Ruf von verschiedener Seite nach Interventionen von Zentralbanken und Staaten auf den Finanzmärkten stellt sich die Frage, wie vollkommen und effizient diese sind. Entgegen nahezu sämtlicher empirischer Resultate wird im Kapitalanlagemanagement und im Risikomanagement der Kreditinstitute und Fonds meist noch weitgehend die Hypothese eines „vollkommenen Marktes“ verwendet. Tatsächlich gibt es jedoch Insolvenzen und Insolvenzkosten, ungleich verteilte Informationen, Finanzierungsrestriktionen und Liquiditätsengpässe und damit Marktrationierungen – die insbesondere auch einen „Spill-Over“ finanzwirtschaftlicher Krisen auf die Realwirtschaft bewirken können, mit den entsprechenden gegenseitigen Verstärkungseffekten, die wir möglicherweise nun erleben. Die Fiktion der vollkommenen Märkte wird speziell bei Bewertungen und einer kapitalmarktorientierten Unternehmensführung deutlich. Bei der Bewertung von Krediten und erst recht von Aktien werden Modelle wie das CAPM (Capital Asset Pricing Modell) genutzt, dass heißt es wird die durchschnittliche Risikoeinschätzung des Kapitalmarkts für die Bewertung herangezogen – und ein ggf. verfügbarer besserer eigener Informationsstand vernachlässigt. 15 Risk Die Bewertungen sind oft nicht einmal planungskonsistent und damit nicht rational. Eine wertorientierte Unternehmensführung, die klar von einer kapitalmarktorientierten zu unterscheiden ist, muss derartige Kapitalmarktunvollkommenheiten zur Kenntnis nehmen – und dies gilt insbesondere auch für das Risikomanagement der Kreditinstitute. Bei einem wertorientierten Managementverständnis werden die besten verfügbaren Informationen, speziell auch über die Risiken, entscheidungsorientiert ausgewertet. Deshalb wird beispielsweise der bewertungsrelevante Risikoumfang unmittelbar (planungskonsistent) aus den gesamten verfügbaren, auch unternehmensinternen Daten abgeleitet – nicht alleine aus historischen Börsenkursen (Beta-Faktor) oder externen Ratings. Kapitalmarktorientiertes Management geht dagegen von der Fiktion aus, dass alle relevanten Informationen in den aktuellen Kursen enthalten sind und ignoriert damit, dass irrationale Verhaltensweisen oder ein eventuell sogar rationaler „Herdentrieb“ die aktuellen Marktpreise deutlich von den fundamentalen Werten entfernen kann. Unvollkommene Märkte sind oft durch eine Mengenrationierung auf der Angebots- oder Nachfrageseite geprägt, was die Liquidität der Märkte beschränken und aktuelle Marktpreise implizieren kann, die erheblich von den an sich fundamental angemessenen Werten abweichen können. Aus Marktunvollkommenheiten resultierende Rationierungen führen zu erheblichen zusätzlichen Preisrisiken, die in den meisten Risikomanagementsystemen, die auf der Fiktion vollkommener Märkte basieren, nur unzureichend abgebildet werden. 5. Kenntnisdefizite, psychologische Aspekte und persönliche Interessen Es gibt sehr viele Gründe dafür, dass die genannten Problembereiche in vielen Unternehmen noch bestehen und am Ausbau des Risikomanagements nur sehr zögerlich mit geringer Priorität gearbeitet wird. Die trotz des offensichtlich ökonomischen Nutzens des Risikomanagements bestehenden Hemmnisse lassen sich in drei Gruppen einteilen: Kenntnisdefizite, psychologische Aspekte und persönliche Interessen. Kenntnisdefizite Risikomanagement ist heute noch kein Ausbildungsschwerpunkt für potenzielle Manager und hat nur einen vergleichsweise geringen Zeitanteil im Studium der Ökonomen. Dies führt einerseits zu begrifflichen Missverständnissen und andererseits zur Unkenntnis von tatsächlich in diesem Bereich 16 verfügbaren Methoden. Wenn die Verfahren der Risikoquantifizierung oder Risikoaggregation beispielsweise nicht bekannt sind, wundert es nicht, dass die Verfahren in der Praxis auch nicht angewendet werden. Zudem wird die Bedeutung von Risikoinformationen für die Unternehmenssteuerung unterschätzt, wenn unbekannt ist, wie diese beispielsweise für Ratingprognosen (und damit für die Krisenprävention) oder zur Ableitung von Kapitalkostensätzen im Rahmen des wertorientierten Managements genutzt werden können. Im Speziellen ergeben sich die im Folgenden skizzierten fachlichen und methodischen Defizite: t Risiken werden nicht oder nicht adäquat quantitativ beschrieben: Oft wird versucht die Quantifizierung von schwer quantifizierbaren Risiken zu umgehen. Aber durch die nicht Quantifizierung erfolgt (scheinbare) letztlich eine Quantifizierung zu Null, weil das Risiko bei der Bestimmung des Gesamtrisikoumfangs vernachlässigt wird, was zu einer Unterschätzung der Risikoposition des Unternehmens führt. Zudem ist die Quantifizierung von Risiken mit Schadenshöheneintrittwahrscheinlichkeit (Binominalverteilung) bei vielen Industrieunternehmen und durch Normalverteilung (bei vielen Banken) in vielen Fällen unangemessen. Notwendig sind Quantifizierungsmethoden, die den tatsächlichen stochastischen Charakter des jeweiligen Risikos gerecht werden - was insbesondere auch erfordert, sich mit der Möglichkeit von „Extremrisiken“ zu befassen und diese adäquat quantitativ zu beschreiben (etwa durch eine so genannte Pareto-Verteilung oder andere Instrumente der Extremwerttheorie). t Fehlende Bestimmung des Gesamtrisikoumfangs: Obwohl es seit rund zehn Jahren als Anforderung im Prüfungsstandard 340 des Instituts der Deutschen Wirtschaftsprüfer (IDW) als Konkretisierung des Kontroll- und Transparenzgesetzes (KonTraG) vorgeschrieben ist, verfügen noch immer die meisten Unternehmen nicht über adäquate Verfahren der Risikoaggregation. Damit sind die meisten Unternehmen nicht in der Lage tragfähige Aussagen darüber zu treffen, wie hoch das aggregierte Verlustpotenzial durch die Gesamtheit der Risiken ist und welcher Bedarf an risikotragenden Eigenkapital damit besteht. Das Fehlen von Risikoaggregationsmodellen führt dazu, dass gerade die wesentliche Aufgabe des Risikomanagements nicht erreicht wird, nämlich die Bestandsbedrohung durch die Gesamtheit der Risiken zu beurteilen. Auch die Nutzung von Risikoinformationen, beispielsweise für RatingPrognosen oder die Ableitung risikogerechter Diskontierungszinssätze bei Investitionsentscheidungen, erfordert die Ergebnisse einer Risikoaggregation. Ohne Risikoag- Risk, Compliance & Audit 3/2009 Risk gregationsmodell ist ein erheblicher Mehrwert, den man durch ein Risikomanagement erwarten kann, nicht erreichbar – es gelingt eben gerade nicht bei unternehmerischen Entscheidungen die erwarteten Erträge und die mit diesen verbundenen Risiken gegeneinander abzuwägen. Durch die Aggregation von Risiken im Kontext der Planung, durch die simulationsbasierte Berechnung einer großen repräsentativen Anzahl möglicher Zukunftsszenarien des Unternehmens, bieten Risikosimulationsverfahren zudem die Möglichkeit die vorhandene Planungssicherheit des eigenen Unternehmens einzuschätzen – auch diese Option wird vergeben, wenn Risikoaggregationsmodelle in der Praxis nicht eingesetzt werden. t Fehlende Vernetzung von Risikomanagement mit anderen Managementsystemen: In vielen Unternehmen wird wenig effizient ein weitgehend separates Risikomanagement als formale Pflichtübung realisiert. Effiziente, in der Organisation akzeptierte und mehrwertschaffende Risikomanagementfähigkeiten eines Unternehmens basieren dagegen im Wesentlichen auf der Grundidee, die hierfür erforderlichen Arbeiten zu weit möglich in bereits bewährte Managementsysteme (beispielsweise Controlling oder Qualitätsmanagement) zu integrieren. So ist es offenkundig leicht möglich, im Rahmen von Planung und Budgetierung unsichere Planannahmen (eben gerade Risiken) systematisch zu erheben und bei der Abweichungsanalyse im Controlling die Abweichungsursachen (wiederum die Risiken) aufzudecken. Ein „isoliertes“ Risikomanagement ist ineffizient, wird im Unternehmen nicht die notwendige Akzeptanz finden und die Informationen des Risikomanagement werden nicht in einer Weise aufbereitet, die dazu beiträgt, bessere unternehmerische Entscheidungen zu treffen. t Blindheit für Metarisiken: Die Vernachlässigung von Parameterunsicherheiten (Metrisiken), die sowohl bei subjektiven Schätzungen von Parametern, wie auch bei Parametern, die aus historischen Daten abgeleitet werden, auftreten, führen zu einer unangemessenen Unterschätzung eines Risikos. Nach Crouhy, Galai und Mark6 können die folgenden Ursachen für Metarisiken bzw. Modellrisiken unterschieden werden: – Fehlerhafte/falsche Modelle und falsche Spezifizierungen im Modell – Fehler in der analytischen Lösung – Fehlerhafte Spezifizierung der unterliegenden stochastischen Prozesse 6 Vgl. Crouhy, M./Galai, D./Mark, R. (1998): Model Risk, in: Journal of Financial Engineering, (1998); Vol. 7 (3/4), S. 267–288. Risk, Compliance & Audit 3/2009 – Fehlende Risikofaktoren im Modell – Fehlende Elemente im Modell – Falsche Klassifizierungen oder Identifizierung untersuchter Parameter – Falsche Implementierung von Modellen – Falsche Modellkalibrierung – Falsche Verarbeitung von Marktdaten – Falsche Modellanwendung Psychologische Aspekte Die psychologische Forschung zeigt, dass Menschen eine ausgeprägte Aversion gegenüber Risiken und (mehr noch) Verlusten haben. Aus dem Bedürfnis der Menschen, ihr Umfeld zu kontrollieren und kognitive Dissonanzen zu vermeiden,7 ergeben sich erhebliche Konsequenzen auch für das unternehmerische Risikomanagement: Vorhandene Risiken werden bewusst oder unbewusst ignoriert, sinnvolle Risikobewältigungsverfahren damit nicht genutzt und eingetretene Planabweichungen im Nachhinein nicht im Hinblick auf die ursächlichen Risiken analysiert. Verstärkt wird dies oft dadurch, dass Risiken mit Managementfehlern verwechselt werden und nicht als zwangsläufige Notwendigkeit jeglicher unternehmerischer Tätigkeit wahrgenommen werden. Darüber hinaus zeigen Befragungen von Managern, dass diese eine erheblich vom wissenschaftlichen Bild abweichende Vorstellung von Risiken haben.8 Die Risikowahrnehmung und Risikobereitschaft im Management ist stark geprägt durch persönliche Charakteristika und den aktuellen Kontext.9 So ist die Risikoneigung von Managern in einer wahrgenommenen Verlustsituation (unterhalb einer vorgegebenen Zielgröße) wesentlich ausgeprägter, als wenn sich der Manager in einer Situation sieht, in der er seine Ziele bereits erreicht hat.10 Insgesamt nehmen Manager Risiko nicht als Wahrscheinlichkeitskonzept wahr und die Einschätzung eines Risikos ist im Wesentlichen durch die potenzielle Schadenshöhe nicht durch die Eintrittswahrscheinlichkeit geprägt. Ein Risiko wird als „managebar“ aufgefasst, obwohl es eigentlich gerade die nicht vorhersehbaren (zufälligen) Veränderungen in der Zukunft erfasst (vgl. Abbildung 1). 7 Siehe beispielsweise von Nitzsch, R. (2003): Investitionslehre – Grundlagen, Modelle und Kalküle, Aachen. 8 Siehe beispielsweise March, J. G./Shapira, Z. (1987): Managerial Perpectives on risk and risk taking, Management Science 11/1987. 9 Siehe beispielsweise Slovic, P. (2004): What‘s fear got to do with it? It‘s affect we need to worry about, in: Missouri Law Review, 69, 971-990. 10 Siehe hierzu die Procpect-Theorie von Tversky und Kahneman: Tversky, A./Kahneman, D. (1979): Prospect Theory: An Analysis of Decision under Risk, in: Econometrica, Vol. 47, No. 2. (Mar., 1979), pp. 263-292. 17 Risk Abbildung 1: Psychologische Risiken Persönliche Interessen Risikoanalysen schaffen Transparenz über die Risikosituation, was zu einer Verbesserung unternehmerischer Entscheidungen unter Unsicherheit maßgeblich beiträgt. Obwohl dies im Interesse eines Unternehmens und seiner Eigentümer ist, ist die mit der Risikoanalyse einhergehende Transparenz nicht zwangsläufig auch im persönlichen Interesse jedes Managers. Transparenz schafft Nachvollziehbarkeit, ermöglicht kritische Diskussionen von Annahmen und ein fundiertes Abwägen prognostizierter Erträge mit den dafür eingegangenen Risiken. Gefordert wird ein Mehr an analytischen Fähigkeiten und eine nachvollziehbare Begründung getroffener Entscheidungen – und zudem wird im Nachhinein eine Überprüfbarkeit der Leistungen (Performancemessung) wesentlich fundierter, weil beispielsweise eingetretene Planabweichungen auf im Vorhinein genannte Risiken zurückgeführt werden können. Bei der erstmaligen Einführung oder dem Ausbau eines Risikomanagementsystems sollte man sich der genannten Hemmnisse bewusst sein. Es gilt zunächst, das erforderliche Wissen über die verfügbaren Instrumente zu verbessern, für psychologische Hemmnisse im Umgang mit Risiko und Risikomanagement zu sensibilisieren und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die betroffenen Mitarbeiter des Unternehmens durch das Risikomanagement nicht unangemessene persönliche Nachteile vermuten. Bei einer subjektiven Einschätzung des Risikoumfangs ist es notwendig, dass die befragten Mitarbeiter möglichst korrekte Schätzungen abgeben. Hierzu dienen zunächst methodische Hilfsmittel. So trägt zur Qualitätssteigerung subjektiver Risikoeinschätzungen beispielsweise wesentlich bei, wenn für jede quantitative Risikoeinschätzung eine konkrete Begründung (ein Rechengang) gefordert wird und wenn auf mögliche psychologisch bedingte Quellen für eine Risikofehleinschätzung hingewiesen wird. 18 Darüber hinaus sollte jedoch auch sichergestellt werden, dass die betreffenden Mitarbeiter ein Eigeninteresse an einer korrekten Angabe eines Risikos haben. So sollte beispielsweise der potenzielle Leiter eines Projektes nicht per se ein Eigeninteresse daran haben, die Risiken dieses Projektes zu niedrig darzustellen, um das Projekt zu realisieren. Hier hilft ein sehr einfacher Mechanismus korrigierend: Es gilt klarzustellen (und gegebenenfalls durch das Tantiemensystem abzusichern), dass Risiken genau die Ursachen für potenzielle Planabweichungen sind. Wer bei der Risikoeinschätzung weniger Risiken angibt, hat eine geringere Toleranz (Bandbreite) für zukünftige Abweichungen. Zudem ist es grundsätzlich nicht akzeptabel, wenn im Nachhinein wesentliche Planabweichungen auf Risiken zurück zu führen sind, die im Vorhinein nicht identifiziert wurden. Letztlich ist es im Interesse der Mitarbeiter, Risiken korrekt einzuschätzen. Wer die Risiken zu hoch einschätzt, wird die entsprechenden Projekte und Aktivitäten nicht durchführen können bzw. keine weiteren Budgets für seinen Tätigkeitsbereich bekommen, da mit der Risikohöhe auch die erwarteten Gewinne steigen müssen. Wer umgekehrt Risiken unterschätzt oder gar verschweigt, legt sich auf eine Planungssicherheit fest, die er nicht gewährleisten kann. 6. Fazit und Ausblick Mit diesen und vielen hier nicht genannten Schwächen wird sich das Risikomanagement in der nahen Zukunft auseinandersetzen müssen. Aus der Perspektive des wertorientierten Managements sollte dem Risikomanagement ein ähnlich hoher Stellenwert zukommen wie dem Kostenmanagement oder dem Vertriebsmanagement. Diese Stellung in den Unternehmenssteuerungssystemen und im Selbstverständnis der Unternehmensführung hat das Risikomanagement heute aber noch lange nicht erreicht. Erfolgreiches Unternehmertum lässt sich im Wesentlichen dadurch charakterisieren, dass der Unternehmer genau die richtigen Risiken eingegangen ist. Erfolgreiche Unternehmer sind also nicht jene, die außergewöhnlich hohe Risiken eingehen. Sie haben vielmehr die Chancen und die damit verbundenen Gefahren gegeneinander abgewogen und die richtigen Risiken realisiert. Aus dieser Perspektive ist Risikomanagement kein formales System, sondern eine Grundhaltung jeglichen unternehmerischen Denkens – also geradezu das Charakteristikum eines Entrepreneurs. Für die Zukunft des Risikomanagements kann man sich nur wünschen, dass die formalen Risikomanagementsysteme verschwinden und vollständig von Controlling-, Unternehmens- Risk, Compliance & Audit 3/2009 Risk planungs- und Reportingsystemen assimiliert werden. Diese müssen zukünftig nicht mehr nur Plan-Werte, sondern auch Informationen über den Umfang möglicher Abweichungen von diesen Planwerten verarbeiten und transportieren. Der Unternehmensführer wird seine Aufgabe zu einem ganz erheblichen Teil als diejenige eines strategischen Risikomanagers verstehen. Dieser wägt bei allen grundlegenden Entscheidungen die damit verbundenen Chancen und Gefahren gegeneinander ab und geht die – bei heutigem Informationsstand – für die Zukunftssicherung des Unternehmens richtigen Risiken ein. Die Zukunft des Risikomanagements ist also seine vollständige Integration in die Steuerungssysteme des Unternehmens und in die Köpfe und Entscheidungsprozesse der Unternehmer. Quellenverzeichnis und weiterführende Literaturhinweise: Crouhy, M./Galai, D./Mark, R. (1998): Model Risk, in: Journal of Financial Engineering, (1998); Vol. 7 (3/4), S. 267–288. $* * Gleißner, W. (2001): Identifikation, Messung und Aggregation von Risiken, in: Gleißner, W./Meier, G., Wertorientiertes Risiko-Management für Industrie und Handel, Wiesbaden 2001, S. 111-138. Gleißner, W. (2008): Grundlagen des Risikomanagements, München. Gleißner, W./Romeike, F. (2005): Risikomanagement, Freiburg im Breisgau 2005. Gleißner, W./Romeike, F. (2008): Analyse Subprime-Krise: Risikoblindheit und Methodikschwächen, in: RISIKO MANAGER 21/2008, S. 1, 8-12. Gleißner, W.; Füser, K. (2003): Leitfaden Rating, 2. Auflage, München 2003. Gleißner, W. /Mott, Bernd P. (2008): Risikomanagement auf dem Prüfstand – Nutzen, Qualität und Herausforderungen in der Zukunft, in: ZRFG Zeitschrift für Risk, Fraud & Governance, 02/2008, S. 53-63. Gleißner, W./Wolfrum, M. (2008): Eigenkapitalkosten und die Bewertung nicht börsennotierter Unternehmen: Relevanz von Diversifikationsgrad und Risikomaß, in: Finanz Betrieb, 9/2008, S. 602-614. Mandelbrot, B. B./Hudson, R. L. 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Autoren: 2'3456 755, -,'3 8","#$ Dr. Werner Gleißner ist Redakteur der Zeitschrift „Risk, Compliance & Audit“ sowie Vorstand der FutureValue Group AG, Leinfelden-Echterdingen, und Leiter Risikoforschung der Marsh GmbH. Frank Romeike ist Chefredakteur der Zeitschriften RISIKO MANAGER und „Risk, Compliance & Audit“, Geschäftsführender Gesellschafter der RiskNET GmbH und Vorstand der Risk Management Association e. V., München. Risk, Compliance & Audit 3/2009 19