„Bipolare Störungen, Selbsthilfe bei Manie und Depression “

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„Bipolare Störungen,
Selbsthilfe
bei Manie und Depression “
Bakkalaureatsarbeit in dem Vorlesungsfach
„Grundlagen für Evidence Based Nursing“
Eingereicht von Tanja Hartner
Matrikelnummer: 0633031
Betreuerin: Mag.phil. Dr.phil. Susanna Schaffer
Universitätsplatz 3, A-8010 Graz
Eingereicht am:12.01.2011
Tanja Hartner
„Bipolare Störungen“
0633031
Ehrenwörtliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Bakkalaureatsarbeit selbstständig
und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht
verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen
Stellen als solche kenntlich gemacht habe.
Weiteres erkläre ich, dass ich diese Arbeit in gleicher oder ähnlicher Form noch
keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt habe.
Graz am
Tanja Hartner
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Tanja Hartner
„Bipolare Störungen“
0633031
Inhaltsverzeichnis
1. Zusammenfassung ................................................................................................................. 5
2. Abstract ..................................................................................................................................... 6
3. Einleitung .................................................................................................................................. 7
4. Methode ..................................................................................................................................... 9
5. Erklärung und Klinische Beschreibung der Affektiven Störungen ......................... 10
Affektive Störungen ..................................................................................................................... 10
5.1. Manie ................................................................................................................................... 11
5.2. Depression ........................................................................................................................... 12
5.3 Hypomanie ........................................................................................................................... 13
6. Diagnose ................................................................................................................................. 14
6.1. Kriterien des ICD-10 oder DSM-IV.................................................................................... 14
7. Verlaufsformen ...................................................................................................................... 18
7.1 Bipolar I................................................................................................................................ 18
7.2 Bipolar II .............................................................................................................................. 18
7.3 Zyklothymia ......................................................................................................................... 19
7.4 Rapid Cycling ....................................................................................................................... 19
8. Ursachen ................................................................................................................................. 20
8.1 Genetische Faktoren ............................................................................................................. 21
8.2 Biologische Faktoren ............................................................................................................ 21
8.3 Psychosoziale Faktoren ........................................................................................................ 22
8.3.1 Stress ............................................................................................................................. 22
8.3.2 Soziales Umfeld und Interaktion ................................................................................... 23
9. Behandlung ............................................................................................................................ 23
9.1 Pharmakologische Behandlung ............................................................................................ 24
9.1.1 Stimmungsstabilisierende Medikamente....................................................................... 25
9.1.2 Antidepressiva ............................................................................................................... 25
9.2 Weitere Therapiemöglichkeiten ........................................................................................... 26
9.2.1 EKT- Elektrokonvulsionstherapie bei bipolaren Störungen ......................................... 26
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Tanja Hartner
„Bipolare Störungen“
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9.2.2 Schlafentzugstherapie.................................................................................................... 27
9.2.3 Lichttherapie.................................................................................................................. 27
9.3 Psychotherapie ..................................................................................................................... 28
10. Psychoedukation ................................................................................................................ 30
11. Selbsthilfe und Prävention ............................................................................................... 31
11.1 Krankheitsprävention ......................................................................................................... 31
11.2 Selbsthilfe ........................................................................................................................... 32
11.2.1 Vorhersehen ................................................................................................................ 35
11.2.2 Maßnahmen ergreifen.................................................................................................. 38
11.2.3 Reduktion der Symptome ............................................................................................ 40
11.2.4 Reflexion ..................................................................................................................... 41
12. Schlusswort ......................................................................................................................... 42
Literatur ........................................................................................................................................ 44
Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................ 46
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Tanja Hartner
„Bipolare Störungen“
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1. Zusammenfassung
Einleitung: In der vorliegenden Arbeit werden Sie über „bipolare Störungen“ und das
Leben mit dieser Erkrankung informiert. Die Arbeit beinhaltet unter anderem Angaben
über das Krankheitsbild, über mögliche Ursachen, die unterschiedlichen Verlaufsformen,
die auftretende Symptome und die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten. Darüber
hinaus finden Sie in diesen Unterlagen Informationen über Möglichkeiten der
Behandlung und der Prävention in Form von Selbsthilfe. Bei bipolaren Erkrankungen ist
die Selbsthilfe und die Angehörigkeit zu einer Selbsthilfegruppe neben anderen
therapeutischen Maßnahmen ein wichtiger Behandlungsaspekt. Selbsthilfe ist ein
wichtiger Therapieteil um die unterschiedlichen Krankheitsphasen nicht nur verstehen
und zuordnen zu können, sondern auch um die auftretenden Symptome rechtzeitig zu
erkennen, diese wenn möglich korrigieren und dagegen vorbeugen zu können. Mit Hilfe
der richtigen Behandlungen, des fortlaufenden Informationsaustauschs und ausreichend
Eigeninitiative und persönliches Engagement, kann der/die Betroffene in den meisten
Fällen ein angenehmeres, qualitativ besseres und stabileres Leben führen.
Methode: Empirische Literaturrecherche.
Ergebnisse: Die Ergebnisse meiner Arbeit haben gezeigt, dass das Krankheitsbild von
bipolaren Störungen unterschiedliche, individuelle Verlaufsformen und Schweregrade
annehmen kann. Selbsthilfe und eine intensive Auseinandersetzung mit dieser Krankheit
und den auftretenden Symptomen ist unumgänglich und ist vor allem notwendig, damit
der/die Patient/Patientin eigenständig Maßnahmen ergreifen kann um trotz dieser
Erkrankung ein stabiles und gesundes Leben führen zu können. Für viele Betroffene
besteht mit Hilfe der passenden Therapie die Möglichkeit, auftretenden Episoden
rechtzeitig zu erkennen und einzugreifen.
Diskussion: Meine Arbeit weist darauf hin, dass eine „bipolare Störung“ eine verbreitete
und schwerwiegende Erkrankung ist, und dass die Schwere dieser Krankheit in vielen
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Tanja Hartner
„Bipolare Störungen“
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Fällen durch das engagierte Mitwirken des Patienten selbst gelindert werden kann.
Selbsthilfe ist ein wichtiger Teil einer zielführenden und bestmöglichen Behandlung. Für
die Zukunft ist es nicht nur von Bedeutung das Informationsnetzwerk auszuweiten,
sondern auch die Öffentlichkeit über diese Therapieart intensiver zu informieren, um ein
größeres Verständnis bezüglich des Krankheitsbildes von Betroffenen zu erreichen.
2. Abstract
Introduction: The underlying thesis describes bipolar disorders and thus, life with this
disease. The content of the paper includes general information about the disease
pattern, describes potential causes, the symptoms, the diverse courses, and finally the
different treatment options. Furthermore, prevention in terms of self-help will be
discussed. Among various therapeutical alternatives, self-help plays a major role. Being
a member of a support group helps not only to understand and allocate the different
disease stages, but also to diagnose the symptoms at an early stage and hence take
preventive measures timely. Mostly, based on sound treatments, a constant exchange of
information, sufficient self-initiative and personal commitment, the person in place
enables himself/herself to live a better life, that is acceptable, qualitatively better and
robust.
Methodology: Empirical literature research
Results: Among the most important findings are, first, the disease pattern of bi-polar
disorders comprises a variety of disease courses and all sorts of severity codes.
Second, an intense dedication to this disease and the will to understand the symptoms
is of utmost importance in order for the patient to take proper measures. The latter
enables him/her to live a vigorous and healthy life, despite the disease.
Discussion: The current paper depicts that bipolar disorder is a widespread and severe
disease. Nevertheless, the severity can often be defined by strong commitment of the
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„Bipolare Störungen“
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patient himself/ herself. Self-help is a substantial element of a targeted, sound treatment.
For the future, it is not only important to extend the network of information in terms of
self-help actions, but also to inform the public more intensely about this kind of therapy.
The ultimate goal is to create a better understanding for the disorder of the concerned
persons.
3. Einleitung
Menschen wachsen heran, sie entwickeln ihre Persönlichkeit und sind versucht darin,
die richtige Balance und Handhabung ihrer Gefühle zu entdecken. Das Wechselspiel
zwischen den Empfindungen der grenzenlosen Leichtigkeit und der tiefen Trägheit ist
eher etwas Normales als Anormales. (vgl. Bock, Koesler 2005, S.41)
Die vorliegende Bakkalaureatsarbeit behandelt das Thema „bipolare Störungen,
Selbsthilfe bei Manie und Depression“.
Der ausschlagegebende Punkt dafür, dass ich mich für dieses Thema entschieden
habe, war die Begegnung mit einer Frau, die sowohl manische als auch depressive
Phasen schon seit längerem Zeitraum durchlebt. Mitgerissen von der unbeschreiblichen
Schwerelosigkeit und dem Schaffensdrang, den die Manie mit sich bringt, und
erschrocken über den tiefsten Absturz in der Depression wurde mir erst nach einiger
Zeit bewusst, dass diese Erkrankung für jene Frau unglaublich viel Schmerz, Leid und
Einsamkeit bedeutet. Meine Unwissenheit über dieses Krankheitsbild ließ mich
neugierig werden und veranlasste mich, dieses Thema für meine Bakkalaureatsarbeit
auszuwählen.
Am Beginn dieses Manuskripts wird Ihnen ein Einblick in das Krankheitsbild der
affektiven Störung gegeben. Weiteres finden Sie eine Beschreibung dieser Erkrankung,
sowie die festgelegten Kriterien für die Diagnose einer bipolaren Störung.
Der Mittelteil dieser Arbeit informiert Sie über die unterschiedlichen Verlaufsformen und
mögliche Ursachen für die Entstehung einer bipolaren Erkrankung.
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„Bipolare Störungen“
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Weiteres wird auf die wichtigsten Therapie- und Behandlungsmöglichkeiten bei
bipolaren Erkrankungen eingegangen, insbesondere auf jene der Selbsthilfe.
Menschen, die sich in aussichtslosen, mutlosen Situationen befinden, weder Trost noch
Rückhalt verspüren und nicht in der Lage sind ihre Situation und die damit verbundenen
Gefühle mitzuteilen, können in eine Depression fallen oder die Flucht nach vorne in
Form einer Manie ergreifen. Einmal das Gefühl zu haben, alles zu schaffen und dann
wiederum in allen Lebenslagen zu versagen. Das Wechselspiel zwischen grenzenloser
Schwerelosigkeit und tiefstem Fall. Manie und Depression können sowohl allein als
auch im Wechselspiel auftreten. Zu trauern bedeutet nicht, dass eine Depression
vorhanden ist und eine Manie ist nicht gleichzusetzen mit Glück. Eine Person, die sich in
einer Manie befindet, versucht krampfhaft und verzweifelt glücklich zu sein. Das
euphorische Gefühl lässt nach und der Betroffene findet sich in tiefer Angst und
Verzweiflung wieder.(vgl. Bock, Koesler 2005, S.16)
„Manisch-depressive (bipolar affektive) Störung“, in dieser Begriffserklärung finden sich
zwei Aspekte wieder, welche allein aber auch in Kombination auftreten können. (vgl.
Meyer 2005, S.22)
Forschungsfrage:
Ist es möglich, dass die betroffene Person die Episoden von „bipolaren Störungen“
eigenständig
erkennen,
korrigieren
und
abschwächen
kann?
Können
Präventionsmaßnahmen in Form von Selbsthilfe dabei unterstützen, ein geregelteres
Leben zu führen?
Vorab beschreibe ich Ihnen meine methodische Vorgehensweise und werde im
Folgenden genauer auf die Definition und klinische Beschreibung dieser Erkrankung
eingehen.
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„Bipolare Störungen“
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4. Methode
Als ich mich für mein Thema entschieden hatte, kamen für mich mehrere Methoden in
Frage. Letztendlich entschloss ich mich dazu, meine Arbeit auf die empirische
Literaturrecherche zu stützen. Diese Methode ist zwar sehr zeitintensiv, aber meiner
Meinung nach für eine Bakkalaureatsarbeit gut geeignet und zielführend.
Nachdem ich nun mehrere Wochen damit verbracht hatte, für mein Thema brauchbare
Literatur zu finden, war mein Repertoire von Büchern und Internetseiten vorerst
ausreichend. Während dem Verfassen meiner Arbeit, stieß ich auf weitere Literatur,
welche ich mitberücksichtigt habe.
Den Großteil der verwendeten Literatur erhielt ich von einer Person, welche an einer
bipolaren Störung erkrankt ist.
Außerdem recherchierte ich über die elektronische Bibliothek der Medizinischen
Universität Graz und fand auch hier eine große Auswahl an Literatur.
Daraufhin filterte ich die am häufigsten genannten Autoren/Autorinnen
Berücksichtigung
der
Schlüsselwörter
heraus:
Bipolare
unter
Störungen,
Präventionsmaßnahmen, Klinik, Diagnostik, Psychoedukation.
Über „Google-Books“ fand ich zusätzlich Materialien, welche ich in meiner Arbeit
berücksichtigt habe.
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„Bipolare Störungen“
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5. Erklärung und Klinische Beschreibung der Affektiven Störungen
Affektive Störungen
Bipolare Störungen
Unipolare Störungen
Depression
Dysthyme Störung
rezidivierend
einzelne Episode
Bipolar I
Manie
Bipolar II
Depression
Zyklothyme Störung
Hypomanie
Abb.1.: Pfeildiagramm affektive Störungen. (Wagner, Bräunig 2006, S.169)
Eine „ manisch-depressive Störung“= „bipolare affektive Störung“ bedeutet, dass die
eigenen Gefühle zwischen einer euphorischen Höchststimmung und einer schwermütig,
gedrückten Stimmung schwanken.
Liegt eine manisch depressive Störung vor, so kommt es hauptsächlich zu
Veränderungen im Bereich des Antriebs und der Aktivität, Veränderungen des
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Tanja Hartner
„Bipolare Störungen“
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Schlafbedürfnisses und der Selbsteinschätzung sowie Unterschiede im Denkverhalten.
(vgl. Wagner, Bräunig 2006, S. 154)
Bipolare Störungen sind durch abgrenzbare depressive, manische, hypomanische oder
auch gemischte Phasen gekennzeichnet. (vgl. Assion, Vollmoeller 2006, S.59)
Manisch-depressiv (bipolar affektiv), meint das Wechselspiel zwischen depressiven,
manischen und hypomanen Phasen, welches zwischenzeitlich durch normales
psychisches Befinden unterbrochen wird. (vgl. Remschmidt, Quaschner, Theisen 2008,
S.222)
5.1. Manie
Eine Manie, ist durch Auffälligkeiten in den Bereichen Kognitions-, Emotions-,
Wahrnehmungs- und Verhaltensebene charakterisiert und erstreckt sich über einen
Mindestzeitraum von einer Woche.
Manische Personen fühlen sich bei einer gehobenen Stimmung anfangs sichtlich wohl
und überglücklich. Dieses anfangs heitere Gefühl endet letztendlich meist in starker
Gereiztheit und führt zu überheblichem und übertriebenem Selbstbewusstsein. In dieser
Phase ist es üblich, dass die betroffene Person das Bedürfnis entwickelt, Neues zu
kreieren und Altes aufzuarbeiten. Der Betroffene ist aber in den meisten Fällen nicht
dazu in der Lage, etwas zu Ende zu bringen oder scheitert an geringem
Durchhaltevermögen.
Eine manische Person hat den Drang, zu reden und ist dabei kaum zu bremsen. Die
Stimme ist üblicherweise nicht nur gehoben und laut, sondern kann auch unfreundlich
und aggressive sein. Es kann zu einer Entwicklung der Redegewandtheit kommen,
gegen die man nur schwer anzukommen vermag. (vgl. Assion, Vollmoeller 2006, S. 61f)
Personen, die sich in der manischen Phase befinden, empfinden ein intensives
Hochgefühl, weisen einen schöpferischen Drang auf und sind außerordentlich
energiegeladen. Befindet sich eine Person in einer manischen Episode, so ist es
schwer, sie davon zu überzeugen, dass Ihr übersteigertes Verhalten nicht natürlich ist,
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„Bipolare Störungen“
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da in dieser Phase die betroffene Person meist mit Gereiztheit auf Kritik reagiert und
sich selbst nicht eingestehen will, dass das auftretende Verhalten problematisch ist. (vgl.
Geislinger, Grunze 2005, S.13f)
Manische Personen neigen zur Selbstüberschätzung und entwickeln ständig neue
Ideen, wobei ihre Denkweise eher assoziativ als logisch begründet ist. Betroffene sind
ständig in Bewegung und brauchen wenig Schlaf. (vgl. Bock 2009, S.56)
5.2. Depression
Damit von einer Depression gesprochen werden kann muss sich diese Phase, welche
durch eine Vielzahl von heterogenen Symptomen sowohl auf psychischer, körperlicher
und vegetativer Ebene charakterisiert ist, nicht nur über einen gewissen Zeitraum
erstrecken, sondern auch einen hohen Grad der Ausprägung erlangen.(vgl. Assion,
Vollmoeller 2006, S.59)
Eine depressive Phase liegt vor, wenn ein Teil der Symptome gleichzeitig über einen
Zeitraum von zwei Wochen auftritt. (vgl. Meyer 2005, S.13)
Zu den Merkmalen einer depressiven Phase gehören: Das Auftreten von depressiver
Verstimmung in Zusammenhang mit geringem Interesse und Aufmerksamkeitsstörung.
Ferner kann es zu einer Gewichtsab- oder –Zunahme kommen und der/die
Patient/Patientin leidet meist an Schlafstörungen und psychomotorischer Unruhe, was
das Gefühl von Müdigkeit und Energielosigkeit verstärkt.
Menschen, die sich in einer Depression befinden, weisen in dieser Phase ein geringes
Selbstwertgefühl auf, empfinden sich als wertlos und entwickeln oft Schuldgefühle. In
einer Depression fällt es dem/der Patienten/Patientin schwer, sich zu konzentrieren oder
Entscheidungen zu treffen. Häufig denken Personen, die sich in einer Depression
befinden an Selbstmord und entwickeln konkrete Suizidpläne. (vgl. Assion, Vollmoeller
2006, S. 59ff)
Die Symptome, die auf eine Depression hinweisen, können sowohl einzeln als auch im
Wechselspiel miteinander auftreten. Weitere Merkmale für eine Depression wären
Niedergeschlagenheit,
Antriebsstörung, Unruhe, körperliche Beschwerden wie z.B.
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Tanja Hartner
Druck
im
„Bipolare Störungen“
Kopf,
Verminderung
sexueller
Bedürfnisse,
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Zwangsgedanken,
Denkhemmungen und Wahngedanken. (vgl. Bock 2009, S.54f)
5.3 Hypomanie
Emanuel Mendel verwendete den Begriff „Hypomanie“ 1881 für abortive Formen der
Manie.
Werden Manie und Hypomanie miteinander verglichen wird deutlich, dass die
Hypomanie eine abgeschwächte Form der Manie ist. Bei einer Hypomanie treten keine
psychotischen Symptome auf. (vgl. Assion, Vollmoeller 2006, S.64)
Während der Hypomanie fühlt sich die betroffene Person zwar besser und produktiver,
neigt aber nicht zu unvernünftigem oder gefährlichem Verhalten. Es besteht jedoch die
Gefahr, dass sich aus einer Hypomanie eine Manie entwickelt. (vgl. Geislinger, Grunze
2005, S. 14)
Bei einer Hypomanie müssen die Symptome in der Regel vier Tage andauern.
Personen, die sich in einer Hypomanie befinden wirken auf Außenstehende nicht nur
gesellig, sondern auch lustig, offen und spontan. (vgl. Meyer 2005)
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„Bipolare Störungen“
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6. Diagnose
Anfangs wirkt es relativ einfach eine richtige Diagnose zu stellen, doch bei genauerer
Betrachtung wird bewusst, dass es oft schwerer ist, die richtige Diagnose zu finden, als
für einen Laien angenommen.
Bipolare Störungen werden nicht durch Laboruntersuchungen diagnostiziert, sondern
durch eine genaue und intensive Befragung des/der Patienten/Patientin über dessen
Lebensgeschichte. Informationen über die Vergangenheit und die momentane
Lebenssituation, sowohl vom Patienten als auch von den Angehörigen, sind von großer
Bedeutung für die richtige Diagnosestellung. Der/die Arzt/Ärztin stellt für bipolare
Störungen charakteristische Fragen und verfolgt den Zustand des Patienten. Es kann
mehrere Jahre dauern bis eine bipolare Störung festgestellt wird. (vgl. Geislinger,
Grunze 2005, S.17)
Sehr oft kommt es dazu, dass eine bipolare Störung entweder falsch oder gar nicht
diagnostiziert wird. (vgl. Wagner, Bräunig 2006, S.7)
Für manische, hypomanische, depressive und gemischte Phasen gibt es Kriterien und
Klassifikationskataloge, in welchen die unterschiedlichen Symptome aufgelistet sind.
Über einen festgelegten Zeitraum müssen einige der katalogisierten Symptome
auftreten, damit eine Diagnose gestellt werden kann.
6.1. Kriterien des ICD-10 oder DSM-IV
Es gibt sowohl den Kriterienkatalog ICD-10 (International Classification of Diseases),
der von der WHO erstellt wurde, als auch das US- amerikanische Klassifikationssystem
DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders), welches 1994 publiziert
wurde und sich in Bereich 3-1a und Bereich 3-1b unterteilt. (vgl. Goodwin, Jamison
2007, S.89)
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„Bipolare Störungen“
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Die Verlaufsform Rapid Cycling wird bei der ICD-10 Klassifikation der WHO nicht
berücksichtigt, sehr wohl aber im Klassifikationssystem DSM-IV. (vgl. Assion,
Vollmoeller 2006, S.67)
Auch die Verlaufsform Bipolar II scheint im Klassifikationssystem ICD-10 nicht auf, im
DSM-IV dagegen schon. (vgl. Assion, Vollmoeller 2006, S.70)
Symptome einer Manischen Episode und einer Depressiven Episode laut ICD-10
Manische Episode
Depressive Episode

Rededrang

Freudlosigkeit

verminderter Schlafbedarf

Interessenverlust

Überaktivität

verminderter Antrieb mit erhöhter

erhöhtes Selbstbewusstsein
Müdigkeit und

übertriebener Optimismus
Aktivitätseinschränkungen

Aufmerksamkeitsstörung

verminderter Appetit

Wegfall sozialer Hemmungen

anhaltende gedrückte Stimmung

Wahrnehmungsstörungen

Schlafstörungen

Beginn undurchführbarer Projekte

Konzentrations- und

leichtsinniges Geldausgeben
Aufmerksamkeitsschwächen

vermindertes Selbstvertrauen

Gefühle von Wertlosigkeit und
Schuldgefühle

Negative und pessimistische
Zukunftsperspektive

Selbstverletzung und
Suizidgedanken
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„Bipolare Störungen“
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Sowohl bei der manischen als auch bei der depressiven Episode muss Rücksicht auf die
unterschiedlichen Schweregrade genommen werden. Eine Manie kann alleine oder in
Kombination mit psychotischen Symptomen auftreten.
Aber auch eine leichte, mittelgradige oder schwere depressive Episode kann in
Kombination mit psychotischen Symptomen auftreten. (vgl. Wagner, Bräunig 2006,
S.174ff)
Abb.2.: DSM-IV classification of mood disorders. NOS = not otherwise specified.
(Goodwin, Jamison 2007, S.91)
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Abb.3.: Diagnostische Kriterien nach ICD-10. (Assion, Vollmoeller 2006, S.69)
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„Bipolare Störungen“
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7. Verlaufsformen
Der Verlauf einer bipolaren Störung ist oft unterschiedlich und erheblich individuell
bestimmt. Bei einigen der Betroffenen treten sowohl die manischen, als auch die
depressiven Phasen gleich häufig auf, bei anderen wiederum kommt es vor, dass
entweder die manische oder die depressive Phase länger andauert. Tritt eine Manie in
abgeschwächter Form auf, so spricht man von einer Hypomanie.
Bei beinahe über der Hälfte der Betroffenen, kippt der/die Betroffene entweder von der
manischen in die depressive Phase oder umgekehrt.
Bezüglich der Dauer von den einzelnen Phasen ist zu erkennen, dass hypomanische
oder manische Phasen kürzer anhalten als depressive Phasen, welche oft länger als
sechs Monate andauern können. (vgl. Meyer 2005, S. 26f)
7.1 Bipolar I
Diese Diagnose wird üblicherweise als „manisch-depressiv“ bezeichnet. Personen, die
eine Bipolar I Störung aufweisen, durchleben neben manischen oder gemischten
Phasen auch depressive Phasen. (vgl. Meyer 2005, S.28)
Bei einer Bipolar I Störung ist die Stimmung und das Aktivitätsniveau des/der
Betroffenen deutlich verändert und gestört. (vgl. Assion, Vollmoeler 2006, S.69)
7.2 Bipolar II
Bei einer Bipolar II Störung erlebt man sowohl hypomane als auch depressive Phasen.
Der Unterschied zwischen einer Bipolar I und einer Bipolar II Störung besteht darin,
dass Personen die an einer Bipolar II Störung erkrankt sind keine manischen Phasen
durchlebt haben, was die Diagnostizierung dieser Erkrankung deutlich erschwert. Für
die Betroffenen bedeutet das, dass keine auffälligen Schwierigkeiten auftreten, dies
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kann wiederum dazu führen, dass einzig und allein die Depression behandelt wird und
aus Folge dessen die Hypomanie an Schwere zunimmt. (vgl. Meyer 2005, S. 28f)
7.3 Zyklothymia
Von einer Zyklothymia/Zyklothymie wird gesprochen, wenn es sich um die leichteste,
dafür aber auch um die am häufigsten auftretende chronische Form einer bipolaren
Störung handelt. Personen, welche an einer Zyklothymie erkrankt sind schwanken
ständig zwischen leichten depressiven und hypomanen Zuständen, wobei die leichte
depressive Phase nicht den Grad der Intensität und Dauer aufweist, wie man sie z.B. bei
einer Bipolar I – oder Bipolar II Störung vorfindet. Damit von einer Zyklothymie
gesprochen werden kann, muss der/die Betroffene mindestens zwei Jahre Symptome
einer Hypomanie und Depression aufweisen. Die/der Betroffene erlebt kaum Zeiten in
welchen der persönliche Stimmungszustand ausgeglichen und stabil ist. (vgl. Meyer
2005, S.29f)
Eine Zyklothymie entwickelt sich häufig schon im jungen Erwachsenenalter und tritt oft
in Kombination mit anderen affektiven und psychischen Erkrankungen auf. Wichtig ist
auch, dass keine der auftretenden Phasen die Schwere und Intensität einer manischen
oder depressiven Episode erreichen darf. Darüber hinaus darf in den ersten zwei Jahren
weder eine Major Depression, manische Phase oder gemischte Phase auftreten. Sollten
dennoch manische oder gemischte Phasen einhergehen, dann kann zusätzlich eine
Bipolar I Störung diagnostiziert werden. Wenn sich mehrere Phasen einer Major
Depression überlagern, dann kann eine Bipolar II Störung festgestellt werden. (vgl.
Assion, Vollmoeller 2006, S.70f)
7.4 Rapid Cycling
Rapid Cycling ist eine Unterform einer Bipolar I und Bipolar II Störung. Bei dieser
Erkrankung durchlebt der/die Betroffene mindestens vier Krankheitsepisoden in einem
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Jahr, wobei es kaum möglich ist, die Phasen zu erheben. Der/die Betroffene kippt nur
allzu schnell zwischen den unterschiedlichen Phasen hin und her. (vgl. Meyer 2005, S.
29)
Aufgrund von ausstehenden fundierten Aufzeichnungen kann nicht genau berichtet
werden wie häufig diese Form der Bipolaren Störung auftritt. Es wird ein Häufigkeitswert
zwischen 5% und 20% angenommen. Auffällig ist, dass 80% der Betroffenen, Frauen
sind, was unter anderen auf eine gestörte Schilddrüsenfunktion zurückzuführen ist.
Rapid Cycling ist eine Verlaufsform, die in jedem Alter auftreten kann und steht nicht
immer am Beginn einer bipolaren Erkrankung. Oft tritt diese Verlaufsform nur für eine
kurze Zeit in Zusammenhang mit Bipolar I oder II auf. Wie schon erwähnt, müssen
innerhalb von zwölf
Monaten mindestens vier Episoden einer affektiven Störung
durchlebt werden. Diese Episoden sind entweder durch eine zweimonatige Pause
voneinander abgegrenzt oder durch einen Wechsel zu einer entgegengesetzten
Episode gekennzeichnet. Zum Beispiel der Wechsel von einer depressiven Phase in
eine manische. (vgl. Assion, Volllmoeller 2006, S. 76f)
8. Ursachen
Wie bei jeder Erkrankung spielt auch hier die Frage nach den Ursachen eine zentrale
und wichtige Rolle. Bei meiner Literaturrecherche stieß ich auf viele wissenschaftlich
belegte Theorien und Annahmen.
Eine bipolare Störung ist eine Erkrankung, die jeden treffen kann und ist nicht auf eine
schwache Persönlichkeit zurückzuführen.
Erfahrungsgemäß ist das Zusammenspiel von unterschiedlichen Faktoren wie Stress,
Genetik und Lebensumstände die Ursache für die Entwicklung einer bipolaren Störung.
(vgl. Geislinger, Grunze 2005, S.7)
Im Folgenden sind die drei am häufigsten erwähnten Faktoren, die eine bipolare Störung
auslösen können, zusammengefasst.
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„Bipolare Störungen“
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8.1 Genetische Faktoren
Es ist anzumerken, dass bipolare Störungen in bereits vorbelasteten Familien häufiger
auftreten als in Familien, welche keine Stimmungsauffälligkeiten aufweisen.
Erkrankte
Familienmitglieder
weisen
im
Vergleich
zu
nicht
erkrankten
Familienmitgliedern einen Unterschied im genetischen Code auf. (vgl. Meyer 2005,
S.39f)
Der genetische Faktor spielt somit eine bedeutende Rolle in der Entstehung von
bipolaren Störungen. Etwa die Hälfte der Angehörigen eines/einer Patienten/Patientin,
welcher/welche an einer bipolaren Störung erkrankt ist, leidet ebenfalls an einer
bipolaren Erkrankung. (vgl Geislinger, Grunze 2005, S.7)
Liegt eine genetische Veranlagung vor, so bedeutet das nicht, dass die betroffene
Person erkranken muss, es besteht aber ein erhöhtes Risiko. (vgl. Meyer 2005, S.39fff)
Es ist bekannt, dass nicht “ein” einziges dominierendes Gen für die Erkrankung
verantwortlich ist, sondern dass es sich um einen komplexen Vererbungsmodus handelt.
(vgl. Assion, Vollmoeller 2006, S.35f)
Zu erkennen ist auch, dass die Vererbung von der mütterlichen Seite stärker ist, als die
der väterlichen Seite. Dies ist vermutlich auf die Vererbung der mitochondrialen DNA
oder auf das Phänomen der Antizipation zurückzuführen. Bei bipolaren Störungen
handelt es sich, berücksichtigt man den genetischen Faktor, um eine genetischdeterminierte Erkrankung mit einer zusätzlichen komplizierten und komplexen,
genetischen Ursache. (vgl. Assion, Vollmoeller 2006, S.35f)
8.2 Biologische Faktoren
Serotonin, Noradrenalin, Dopamin und Acetylcholin sind Neurotransmitter, welche an
der Regulation unserer Stimmungslage beteiligt sind. (vgl. Butcher, Mineka, Hooly 2009,
S.315)
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Veränderte Gene beeinflussen den Stoffwechsel von Neurotransmittern, welche
mitverantwortlich für die Weiterleitung von Nervenimpulsen im Gehirn sind. Erkrankte
Personen weisen somit Veränderungen, abhängig von den einzelnen Episoden, an den
Neurotransmittern auf.
Diese Veränderungen führen dazu, dass die Vorgänge in einer Nervenzelle nicht
problemlos ablaufen können und somit wird das Auftreten einer weiteren Episode
begünstigt wird. (vgl Geislinger, Grunze 2005, S.7f)
Liegt ein Mangel der Überträgerstoffe Serotonin und Noradrenalin vor, so unterstützt das
die Entstehung einer depressiven Phase. Auch Modifizierungen der Neurotransmitter
Dopamin und Acetylcholin begünstigen einzelne bipolare Episoden. (vgl. Paulitsch,
Karwautz 2008, S. 147)
8.3 Psychosoziale Faktoren
Ereignisse und Erlebnisse, die von Stress begleitet werden, wirken auch auf bipolare
Erkrankungen. Unter Anspannung und Stress stehende Betroffene, brauchen längere
Zeit, um sich von einer Episode zu erholen, als Betroffene, welche von keinem
negativen Ereignis begleitet werden. (vgl. Butcher, Mineka, Hooly 2009, S.316)
8.3.1 Stress
Stress ist neben dem genetischen Faktor eine häufig diskutierte Ursache. In den
meisten Fällen befindet sich der/die Patient/Patientin kurz vor dem Auftreten einer
erneuten Episode in einer Stresssituation. Stress in Form von Schlafmangel, Konflikten
im familiären oder beruflichen Bereich, Sorgen oder andere stressfördernde Situationen.
Interessant ist außerdem, dass auch positive Ereignisse, die mit Anspannung,
Überlastung verbunden sind, die Entstehung einer Episode begünstigen, da es dem/der
Patient/Patientin
meist
schwer
fällt,
sich
anzupassen. (vgl. Bräunig, Dietrich 2004, S.43)
22
möglichst
rasch
an
Veränderungen
Tanja Hartner
„Bipolare Störungen“
0633031
Stress ist ein psychosozialer Faktor, welcher Stimmungsveränderungen hervorrufen
kann. Durch Stress können sowohl Depressionen als auch Manien ausgelöst werden.
Personen die an einer bipolaren Störung erkrankt sind leiden oft an erhöhtem Blutdruck,
erhöhter Herzfrequenz und/oder fühlen sich ängstlich und sind angespannt. Das
Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-System
vermittelt
einen
Teil
der
Stressreaktionen. Vermehrt bei depressiven aber ebenso bei manischen und
gemischten Phasen kommt es zu einer erhöhten Cortisol- Konzentration und auch der
im Hypothalamus gebildete Corticotropin-releasing- Factor (CRF) ist erhöht. Anhand von
Tiermodellen konnte festgestellt werden, dass Stress im Kleinkindalter zu einer
dauerhaft erhöhten CRF-Ausschüttung führen kann. Stress ist somit ein psychosozialer
Faktor, der nicht nur die funktionelle sondern auch die strukturelle Plastizität des
Gehirns beeinflusst. (vgl. Assion, Vollmoeller 2006, S.41f)
8.3.2 Soziales Umfeld und Interaktion
Patienten/Patientinnen, welche sich in einem starken und gesunden sozialen Umfeld
befinden, weisen im Bereich einer depressiven Phase eine kürzere Remissionsrate und
eine geringere Rückfallquote auf als Patienten/Patientinnen, die sozial schwach
integriert sind. (vgl. Wagner, Bräunig 2006, S.8)
9. Behandlung
Je früher bipolare Erkrankungen erkannt und behandelt werden, desto größer ist die
Chance, mit zukünftig auftretenden Problemen/Phasen besser umgehen zu können.
Eine frühzeitige Diagnose kann den Verlauf der Erkrankung positiv beeinflussen und
kann dabei unterstützen, dass jene Phasen, in welchen der Patient sich weder in einer
Manie noch in einer Depression befindet, länger andauern. Vor allem im frühen Stadium
dieser Erkrankung leidet der/die Patient/Patientin vermehrt an Suizidgedanken, hierbei
kann eine frühzeitige Behandlung bereits unterstützend wirken (vgl. Meyer 2005, S.58f)
23
Tanja Hartner
„Bipolare Störungen“
0633031
Die Art der Behandlung hängt von der Phase ab, in welcher sich der/die Betroffene
gerade befindet. Die geeignete Methode ist von großer Bedeutung, um den/die
Patienten/Patientin zu stabilisieren oder vor einen Rückfall zu bewahren. (vgl. Meyer
2005, S.61) Die Behandlung erfolgt mittels angepasster Medikation, Psychotherapie
oder alternativen Therapiearten. Im Normalfall, müssen jedoch die einzelnen
Behandlungsmethoden miteinander kombiniert werden, um zu einem nachhaltigen und
sichtbaren Ergebnis zu gelangen.
9.1 Pharmakologische Behandlung
Der Einsatz von Medikamenten ist bei der Behandlung von bipolaren Erkrankungen
unausweichlich und ist einer der wichtigsten Bestandteile, um den Umgang mit dieser
Erkrankung
zu
erleichtern
Leistungsfähigkeit
zu
und
erreichen.
eine
Die
Verbesserung
Medikation
hinsichtlich
erfolgt
der
normalen
normalerweise
mittels
Antidepressiva, Medikamente zur Stimmungsstabilisierung und Antipsychotika. (vgl.
Meyer 2005, S. 64f)
Einen/eine Patienten/Patientin auf die richtige Behandlung einzustellen, bedeutet für
den/die
behandelnden/behandelnde
Arzt/Ärztin
eine
große
Herausforderung.
Grundsätzlich sollte eine leichte bis hin zur mittelschweren depressiven Phase mit
Antidepressiva und stimmungsstabilisierenden Medikamente behandelt werden. (vgl.
Assion, Vollmoeller 2006, S.133)
Bei der Behandlung mit Medikamenten ist es von großer Wichtigkeit, dass die
vorgeschriebene Medikation regelmäßig eingenommen wird um das gewünschte
Ergebnis zu erlangen. Auf Grund der unterschiedlichen Stimmungslagen ist zu
berücksichtigen,
dass
Patienten/Patientinnen
welche
sich
gerade
in
einem
Stimmungshoch befinden, das Verlangen verspüren, die notwendige Medikation zu
reduzieren. (vgl. Basco 2006, S.174
Außerdem ist zu beachten, dass das Absetzen der Medikamente häufig zu Problemen
führt und auch ein Rückfall kann in vielen Fällen nicht mehr ausgeschlossen werden.
(vgl. Basco 2006, S.181)
24
Tanja Hartner
„Bipolare Störungen“
0633031
Bei einer medikamentösen Behandlung, sind unterschiedliche Theoriemodelle zu
berücksichtigen. Je nach auftretender Phase werden Akuttherapie, Erhaltungstherapie
und Rückfallprophylaxe unterschieden. Wenn die Symptome der unterschiedlichen
Phasen verschwinden, wird versucht den verbesserten Zustand mithilfe der passenden
Therapie aufrechtzuerhalten. Die ausgewählte Medikation, wobei eine Einnahmedauer
von sechs bis zwölf Monaten empfohlen wird, soll einen Rückfall, welcher im ersten Jahr
am
häufigsten
auftritt,
verhindern.
(vgl.
Bock,
Koesler
2005,
S.183)
Die
unterschiedlichen Phasen, die eine bipolare Erkrankung kennzeichnen, benötigen den
jeweils auftreten Phasen entsprechend, eine unterschiedliche auf die Zyklen
abgestimmte, Medikation. (vgl. Bock, Koesler 2005, S.186fff)
9.1.1 Stimmungsstabilisierende Medikamente
Diese Medikamentengruppe ist dafür geeignet, die Symptome manischer, hypomaner,
gemischter und depressiver Phasen abzuschwächen und ist wichtiger Bestandteil einer
andauernden und präventiven Behandlung für Manie und Depression.
Zu den Medikamenten zählen unter anderem Lithium, Carbamazepin, Valproinsäure,
Lamotrigin und Olanzapin. (vgl. Meyer 2005, S.66ff) Wobei Lithium am häufigsten
eingesetzt wird. (vgl. Assion, Vollmoeller 2006, S. 133)
Stimmungsstabilisierende Medikamente werden vor allem in der Akuttherapie
angewandt. (vgl. Bock, Koesler 2005, S.191)
9.1.2 Antidepressiva
Antidepressiva werden zur Linderung von Depressionen und zur Aufheiterung der
Stimmung eingesetzt und brauchen dabei Zeit bis ihre Wirkung eintritt. Zu beachten gilt,
dass
die
alleinige
Einnahme
von
Antidepressiva
ohne
zusätzliche
stimmungsstabilisierende Medikamente zu Komplikationen, wie zum Auftreten von
starker euphorischer Stimmung, führen kann. (vgl. Meyer 2005, S.69ff)
Antidepressiva können bei dem/der Patienten/Patientin unterschiedlich wirken. Wie
bereits erwähnt, wirken Antidepressiva nicht sofort, sondern erst nach einer
25
Tanja Hartner
„Bipolare Störungen“
0633031
Einnahmezeit von zwei bis drei Wochen, wobei die Nebenwirkungen oft schon davor
eintreten können. Bei etwa zwei Drittel der Patienten/Patientinnen kommt es zu einer
Abschwächung der depressiven
Symptome.
Kommt es nach
einer
längeren
Behandlungszeit von etwa sechs Wochen zu keiner Besserung, dann ist es von großer
Wichtigkeit, dass das Medikament durch ein anderes Präparat ersetzt wird. Die
Dosierung wird immer in Zusammenarbeit zwischen Arzt/Ärztin und Patient/Patientin
festgelegt, wobei man mit einer niedrigen Dosis beginnt und diese über eine geraume
Zeit kontinuierlich steigert, bis sie ideal für den/die Patienten/Patientin eingestellt ist. Will
der/die Patient/Patientin das Antidepressivum absetzten, so muss dies ganz langsam
geschehen. (vgl. Bock, Koesler 2005, S.182f)
Folgende Antidepressiva kommen häufig zum Einsatz:
Trizyklische Antidepressiva (NSMRI = Non Selective Monoamino Reuptake Inhibitors,
Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer
(NRI), Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI). (vgl. Meyer 2005,
S.69f)
Insbesondere bei Patienten/Patientinnen, welche eine Gefahr für sich selbst darstellen
und an Suizidgedanken leiden, ist eine Behandlung mit Antidepressiva kaum
vermeidbar. (vgl. Assion, Vollmoeller 2006, S.126)
9.2 Weitere Therapiemöglichkeiten
Neben dem Einsatz von Pharmakotherapie und Psychotherapie bei der Behandlung von
bipolaren Erkrankungen kommen auch andere Therapieformen zum Einsatz.
9.2.1 EKT- Elektrokonvulsionstherapie bei bipolaren Störungen
Diese somatische Therapieform wurde schon vor langer Zeit oft ohne Narkose bei
schwerwiegenden
psychotischen
Erkrankungen
eingesetzt.
Der
Einsatz
dieser
Elektrokrampftherapie war sehr umstritten, da die Anwendung nicht wie heute mit,
26
Tanja Hartner
„Bipolare Störungen“
0633031
sondern ohne Narkose angewandt wurde, was für den/die Betroffenen/Betroffene
erhebliche Nebenwirkungen mit sich brachte. Diese Therapie erlangt gegenwärtig immer
mehr Akzeptanz als ein effektives Therapieverfahren. (vgl. Assion, Volmoeller 2006,
S.166)
9.2.2 Schlafentzugstherapie
Personen, die an einer affektiven Erkrankung leiden, weisen oft Einschlafprobleme und
Schlafstörungen auf und nicht nur die Depression, sondern auch die Manie beeinflussen
das Schlafverhalten des/der Betroffenen/Betroffenen. Die Schlafentzugstherapie kann
antidepressiv wirken und den/die Betroffenen/Betroffene dabei unterstützen, die
Auswirkungen einer Depression in Grenzen zu halten oder diese zu lindern.
Schlafentzug sollte immer vorher mit der Medikation abgestimmt werden, sodass in der
Zeit in welcher der/die Patient/Patientin nicht schläft, keine sedierenden Medikamente
eingenommen werden. (vgl. Nickel 2009, S.23)
9.2.3 Lichttherapie
Diese Art der Therapie stieß erst in den vergangenen Jahren auf wachsende Akzeptanz.
Die Lichttherapie wurde zuerst für die Behandlung von affektiven Störungen mit
saisonaler Struktur eingesetzt.
Die Behandlung erfolgt mittels Bestrahlung mit hellem Licht aus einer Lichtquelle oder
dem Tageslicht. (vgl. Butcher, Mineka, Hooly 2009, S.323)
Studien zeigen, dass diese Form der Therapie auch bei depressiven Phasen eine
antidepressive Wirkungsweise hat. (vgl. Nickel 2009, S.91)
27
Tanja Hartner
„Bipolare Störungen“
0633031
9.3 Psychotherapie
Die Psychotherapie ist ein sehr wichtiger Teil bei der Behandlung bipolarer
Erkrankungen und kann eine große Unterstützung sein, um mit den einzelnen Phasen
der Erkrankung zu Recht zu kommen oder diese zu lindern. (vgl. Meyer 2005, S.85)
„Demnach geht es in der Psychotherapie um die systematische und theoriegeleitete
Anwendung von psychologischem Wissen zur Linderung von subjektivem Leiden und
von Problemen in einer Situation, in der mindestens ein Therapeut und ein Betroffener
miteinander sprechen.“ (zit. Meyer 2005, S.86)
Unterschiedliche Formen der Psychotherapie können, je nach Krankheitsbild, bei
bipolaren
Erkrankungen
Verhaltenstherapie,
eingesetzt
werden.
Familientherapie,
Die
da
Gruppentherapie,
wären:
Psychoanalyse,
Einzeltherapie
und
Selbsthilfegruppen. (vgl. Meyer 2005, S.87fff)
Bock und Koesler beschreiben Therapieverfahren, welche nachweislich wissenschaftlich
belegt und beim Einsatz bei bipolaren Erkrankungen empirisch nachgewiesen wurden.
Sie
schildern
den
Einsatz
der
kognitiv-behavioralen
Verhaltenstherapie,
die
Familientherapie und die Anwendung von psychodynamischen Therapieansätzen.
So soll bei der Vorgehensweise mittels kognitiv-behavioraler Verhaltenstherapie,
dem/der
Patienten/Patientin
möglichst
viel
Information
hinsichtlich
seiner/ihrer
Erkrankung vermittelt werden, um die Auswirkungen und das Geschehen zu verstehen.
Bei dieser Therapieart wird darauf hingearbeitet, neue Fertigkeiten zu erlangen, um die
Erkrankung
besser
kontrollieren
zu
können
und
zu
erfahren,
dass
der/die
Patient/Patientin auch selbst positiv auf den Verlauf dieser Erkrankung einwirken kann.
Der/die Patient/Patientin wird über den Ursprung, die Vorgehensweise und das Ziel
genauestens informiert. Bei dieser Therapieart wird sehr viel Wert auf die Medikation
gelegt und neue Verhaltensmuster und Bewertungsmöglichkeiten werden eingeübt, um
28
Tanja Hartner
„Bipolare Störungen“
0633031
die Schwere der auftretenden Phasen abzuschwächen. Weiteres wird darauf
hingearbeitet, den auftretenden Stress zu regulieren, um dadurch eine Krise
abzuwenden. (vgl. Bock, Koesler 2005, S.142f)
Die interpersonelle soziale Rhythmustherapie soll bei bipolar erkrankten Menschen die
Eigenbeobachtung schulen, damit sie ihr persönliches Leben, ihren täglichen
Lebensrhythmus und Lösungsstrategien festigen können. Auf diese Weise können
Verlustängste vermindert werden.
Die
systematische
Familientherapie
splittet
sich
in
der
Therapie
in
einen
familiendynamischen und einen psychoedukativen Ansatz auf. Kurz gesagt, es wird
darauf hingearbeitet, dass der/die Patient/Patientin in der Lage ist, unterschiedliche
Sichtweisen anzunehmen, wie zum Beispiel, dass aus einer Entweder-Oder
Anschauung eine Sowohl-als-Auch Anschauung möglich wird. Was für den/die
Patienten/Patientin bedeutet, dass es ihm/ihr erlaubt ist, in jeder auftretenden Phase
Emotionen ausleben zu können. So kann der Überschuss an Gefühlen, der aus einer
Manie oder Depression hervorgeht, verarbeitet werden. Bei diesem Therapieansatz
spielt die Mitarbeit und Aufklärung der einzelnen Familienmitglieder eine wichtige Rolle,
um die Rückfallrate des/der Patienten/Patientin zu senken. Das Augenmerk bei dieser
Therapieform wird nicht auf die Frage nach dem Warum, gelegt sondern auf die Frage
nach dem Wofür. Der Einbezug der Familienmitglieder führt dazu, dass der/die
Patient/Patientin Teil eines offenen, funktionierenden Systems ist und sich somit leichter
in das Leben integrieren kann. Die Familie wird in ihrem Verhalten sensibilisiert und ist
somit fester Bestandteil dieser Therapie.
Bei
den
psychotherapeutischen
Therapieansätzen
spielen
viele
verschiedene
Abwehrmechanismen eine Rolle. Dem/der Patient/Patientin wird in der Therapie Raum
geschaffen, um unbewusste Aggressionen ausleben zu können, ohne dabei
Mitmenschen zu schaden. Durch diese Freiheit erlebt der/die Patient/Patientin
Akzeptanz und Sicherheit und muss nicht befürchten, dass sein/ihr Verhalten zum
Scheitern sozialer Beziehungen führen kann. Das Selbstwertgefühl des/der Betroffenen
wird langsam stabilisiert und ein wenig kritischer Umgang mit sich selbst wird gefördert.
In dieser Therapie wird an den Verlustängsten des/der Patienten/Patientin gearbeitet.
So tastet man sich an neue Verhaltens- und Erlebnismuster heran, die während der
29
Tanja Hartner
„Bipolare Störungen“
0633031
Therapie ausprobiert werden können. Scheitern soll nicht mehr als Niederlage
empfunden werden. (vgl. Bock, Koesler 2005, S.143fff)
10. Psychoedukation
Die
Grundlage
bei
der
Behandlung
von
an
bipolar
Erkrankten
bildet
die
Pharmakotherapie, welche allein aber nicht ausreichend ist, um eine nachhaltig
erwünschte
Veränderung
zu
erzielen.
Die
Psychoedukation
ist
ein
psychotherapeutisches Verfahren und widmet sich unter anderem der Behandlung von
Stressfaktoren, welche den Verlauf der Krankheit beeinflussen. Diese Art der
Behandlung soll dazu führen, dass der/die Patient/Patientin sich bewusst und
dynamisch mit der Erkrankung auseinandersetzt und sich fortlaufend darüber. (vgl.
Assion, Vollmoeller 2006, S.160f)
In der Psychoedukation soll der Patient über seine Krankheit aufgeklärt, Wissen
erarbeitet und zur Weiterbildung angeregt werden.
Im psychotherapeutischen Bereich beinhaltet der Begriff „Psychoedukation“ den
Austausch von Informationen und Erfahrungen aller Betroffenen hinsichtlich der
vorliegenden Krankheit und des damit verbundenen Krankheitsbildes. Den Ursprung
findet die Psychoedukation vorrangig in der Verhaltenstherapie und beinhaltet
Interventionsformen, um über die vorliegende Krankheit und die beschlossene
Behandlung zu informieren.
Eine der wichtigsten Aufgaben der Psychoedukation ist die Förderung der Gesundheit.
(vgl. Bäuml, Pitschel-Walz 2008, S.3f)
Die Psychoedukation informiert und klärt die Betroffenen über die Erkrankung, dessen
Ursache, den Verlauf und die Behandlungsmöglichkeiten auf und kann nicht nur zu
Zweit oder in der Gruppe stattfinden, sondern auch Literatur kann zur Rate gezogen
werden. (vgl. Meyer 2005, S.86)
Der Aufbau einer Psychoedukation gliedert sich in mehrere Schritte. Meist wird die
Vorgehensweise nach einem Modell abgearbeitet, welches folgende Bekunde
beinhaltet. Dem/der Patient/Patientin wird der Begriff erklärt, auftretende Symptome,
30
Tanja Hartner
„Bipolare Störungen“
0633031
unterschiedlichen Verlaufsformen, Behandlungsmöglichkeiten und dessen möglichen
Nebenwirkungen werden genauestens besprochen und bearbeitet. Darüber hinaus wird
erörtert, was die Ursache für die Erkrankung ist und mit welchen Stressfaktoren der/die
Patient/Patientin konfrontiert ist. Es werden Maßnahmen der Gesundheitsförderung
diskutiert und Mittel und Wege erarbeitet, um gesund zu bleiben. Das Verfahren der
Psychoedukation verbessert die Chance auf eine erwünschte Prognose deutlich und ist
ein wichtiger Bestandteil bei der Behandlung von bipolaren Erkrankungen. (vgl. Assion,
Vollmoeller 2006, S.161fff)
11. Selbsthilfe und Prävention
Dieses Kapitel soll darüber informieren inwiefern Selbsthilfe passieren kann und wie
der/die Betroffene und auch Angehörige eigenständig Maßnahmen ergreifen können,
um
die
einzelnen
Krankheitsphasen
kontrollieren
und
die
Schwere
der
unterschiedlichen Phasen eindämmen zu können, um ein Fortschreiten der Krankheit
zu verhindern.
11.1 Krankheitsprävention
Bei der Prävention von Krankheiten geht es im Großen und Ganzen darum, dass darauf
hingearbeitet wird, Krankheit zu vermeiden oder das Weiterfortschreiten der Erkrankung
zu verhindern. (vgl. Hurrelman, Klotz, Haisch 2007, S11).
Krankheitsprävention bedeutet Krankheitsverhütung und zielt auf eine generelle
Vermeidung eines schlechteren physischen/psychischen Zustandes ab. Sie umfasst alle
dafür erforderlichen, zielgerichteten Maßnahmen und Aktionen, die dazu beitragen,
gesundheitliche Beeinträchtigungen verhindern, verzögern oder verringern zu können.
(vgl. Hegedusch 2007, S.53)
31
Tanja Hartner
„Bipolare Störungen“
0633031
In diesem Abschnitt werden Sie über Präventionsmöglichkeiten im Bereich der
Selbsthilfe informiert. Nichts desto trotzt werde ich anfangs kurz über das Medikament
informieren welches, nicht nur zur Akuttherapie sondern auch zur Prävention bei
bipolaren Erkrankungen eingesetzt wird.
Lithium gehört zu jenen Medikamenten, welches auch zur Prävention, vorrangig der
Manie, eingesetzt wird. Merkt die betroffene Person, dass sie sich kurz vor einer
manischen Episode befindet, so kann die Lithiumdosierung erhöht werden um die in
einer Manie auftretenden Symptome abzufangen oder abzuschwächen. Alternativen zu
Lithium wären Medikamente wie Valproad oder Carbamazepin, vor allem bei der
Verlaufsform Rapid Cycling. Die Vorrausetzung für das rechtzeitige Erkennen einer
manischen Phase ist, dass der/die Betroffene genau über sich selbst Bescheid weiß und
Frühwarnsignale rechtzeitig erkennt.(vgl. Frank 2007, S.79)
11.2 Selbsthilfe
Selbsthilfegruppen (SHG) für bipolar erkrankte Personen gibt es in den USA bereits seit
den 50er Jahren. In einer Selbsthilfegruppe treffen sich die Betroffenen auf freiwilliger
Basis, um über ihre Erkrankung und das Leben mit dieser zu sprechen. So kann man
gemeinsam aktiv werden und aufkommende Konflikte lösen. (vgl. Assion, Voelmoeller
2006, S.217)
Im Normalfall treffen sich die Mitglieder einer Selbsthilfegruppe einmal in der Woche
oder monatlich und tauschen Erfahrungen und Informationen aus. Für gewöhnlich
kommt es in einer Selbsthilfegruppe nicht zu Rangordnungen, es besteht gleiches Recht
für alle. Anzumerken ist aber, dass durchaus eine oder mehrere Personen bestimmt
werden, die das Gespräch leiten. Ausgetauscht werden Erfahrungen und Erkenntnisse,
informiert
wird
über
unterschiedliche
Themen
wie
Präventionsmaßnahmen,
Beziehungen, Therapie und Themenbereiche, welche aktuell von Bedeutung sind.
Entscheidet sich die Gruppe dafür, ein neues Modell/Konzept zur Selbsthilfe bei
bipolaren Störungen anzuwenden, so werden dementsprechend Regeln und Richtlinien
32
Tanja Hartner
„Bipolare Störungen“
0633031
bezüglich der Vorgehensweise festgelegt. Für die Betroffenen besteht immer die
Möglichkeit, sollte das aktuelle Modell auf Grund von persönlichen Faktoren zur
Belastung werden, auszusteigen. Wenn einer der Mitglieder überfordert ist, dann ist es
wichtig, dass dieses sich professionelle Hilfe holt. (vgl. Assion, Volmoeller 2006, S. 218)
Das Besondere an einer Selbsthilfegruppe ist das Gefühl von Zugehörigkeit und
Gemeinschaft. In diesen Gruppen geht es nicht vorrangig um die Arbeit nach außen, es
geht um die Orientierung innerhalb der Gruppe. In der Gruppe fühlt sich ein/eine
Betroffener/Betroffene verstanden und kann Informationen bezüglich der Erkrankung
austauschen. Die gemeinsame Reflexion hilft dabei, dass der/die Patient/Patientin
sein/ihr Wissen erweitert und auf mehr Akzeptanz stößt, diese aber auch sich selbst
gegenüber entwickelt. Wenn die Person, die einem gegenüber sitzt, sich in einer
ähnlichen Situation befindet wie man selbst, so kann davon ausgegangen werden, dass
sie durch die eigene persönliche Erfahrung, auf angemessenere Art und Weise reagiert
und interagiert. Diese gegenseitige Akzeptanz und Harmonie steigert sowohl das
persönliche Vertrauen als auch das Vertrauen in die Mitmenschen. Dieses Gefühl der
Zugehörigkeit, Akzeptanz und Normalität ist eine wichtige Ressource für die
Betroffenen. Eine Ressource die den/die Betroffenen/Betroffene vor sozialer Isolation
bewahren soll und ihn/sie dabei unterstützt, seine/ihre sozialen Kontakte aufrecht
erhalten zu können. Die Gruppenmitglieder sind Vertrauenspersonen, die sich
gegenseitig bei unterschiedlichen Belangen unterstützen. Sie geben sich Sicherheit und
helfen unter anderem bei medizinischer Versorgung, Klinikeinweisungen und, sofern die
Möglichkeit besteht, bei akut auftretenden Problemen. Das vorhandene Wissen einer
Selbsthilfegruppe besteht aus Erfahrungen und Erlerntem und hat somit für Betroffene
wie Angehörige, die Bedeutung eines Beratungsgespräches. Man wird sensibilisiert und
erlangt immer mehr Wissen und Erfahrung bezüglich eines Lebens mit einer bipolaren
Erkrankung. (vgl. Assion, Volmoeller 2006, S.218)
Selbsthilfe fängt dann an, wenn erkrankte Personen versuchen, sich genauer und
intensiver mit dem Thema „bipolare Erkrankungen“ auseinanderzusetzen und bemüht
sind, an sich selbst zu arbeiten und sich zu informieren. Aber nicht einzig und allein die
Beschäftigung mit der eigenen Person spielt eine Rolle, sondern auch das Bescheid
33
Tanja Hartner
„Bipolare Störungen“
0633031
wissen und wenn möglich das Verstehen von den subjektiven Erfahrungen der
Angehörigen. (vgl. Meyer 2005, S.95)
Bei der Selbsthilfe geht es darum, dass die betroffene Person persönlich in der Lage ist,
folgende Grundmechanismen verstehen und anwenden zu können.
Die da wären: Vorhersehen, das Ergreifen von methodisch passenden Maßnahmen, die
Reduzierung der auftretenden Symptome und die Evaluierung der Prozesse und der
Fortschritte. (vgl. Basco 2007, S.16f)
Vor allem mit Hilfe von Testfragen und Fragebögen erarbeitet sich die betroffene Person
Daten über die Krankheit, das Leben mit ihr und Fakten rundum das Leben mit einer
bipolaren Störung.
Das Ziel der Selbsthilfe ist es, zu lernen mit dieser Krankheit umzugehen und diese
durch persönliches Engagement soweit wie möglich zu kontrollieren.
Damit Depression und Manie soweit abgeschwächt werden können, dass die
persönliche Lebensqualität nicht im höchsten Ausmaß darunter leidet, oder soweit
kontrolliert werden können, dass die betroffene Person trotz des Auftretens der
unterschiedlichsten Symptome ein möglichst normales Leben führen kann. Die
betroffene Person setzt sich mit der Krankheit aktiv auseinander, was ihr sehr viel Kraft
und Ausdauer abverlangt. Dadurch, dass man sich selbst in einem intensiven Ausmaß
mit der Krankheit beschäftigt, wird man in vielerlei Hinsicht sensibilisiert und arbeitet
darauf hin, Warnzeichen rechtzeitig zu erkennen und frühzeitig handeln zu können.
Der/die Patient/Patientin versucht aus eigener Kraft heraus, die auftretenden Symptome
aufzuhalten oder zu kontrollieren, sodass die Person selbst und nicht die Krankheit bzw.
die Symptome überhand nehmen. Der/die Betroffene kennt sich selbst so gut, dass
er/sie die Symptome der auftretenden Manie oder Depression frühzeitig registriert und
die damit gestörten Denk- und Handelsweisen erkennt und korrigiert. Um einen
nachhaltig erwünschten Effekt zu erlangen, muss die betroffene Person sich selbst
kennen lernen und sensibilisieren. (vgl. Basco 2007, S.9fff)
34
Tanja Hartner
„Bipolare Störungen“
0633031
Für Patienten/Patientinnen welche an einer bipolaren Erkrankung leiden, gibt es
unterschiedliche Modelle und Vorgehensweisen zur Selbsthilfe.
Die meisten Modelle der Selbsthilfe ähneln sich in ihrem Konzept und beinhalten
beinahe immer die gleichen Basisbereiche, Unterschiede gibt es vor allem in der
Ausführung und der Vorgehensweise.
Die unterschiedlichen Modelle und Arbeitspunkte der Selbsthilfekonzepte können dabei
helfen die Kontrolle im alltäglichen Leben wiederzugewinnen und die rasche Wiederkehr
der Symptome einzuschränken.
11.2.1 Vorhersehen
Um die Phasen und Symptome einer bipolaren Störung frühzeitig erkennen zu können,
müssen die Kenntnisse des/der Betroffenen hinsichtlich der Erkrankung über das
Grundwissen hinausgehen. Der/die Patient/Patientin muss ausreichend über die Fakten
der bipolaren Störung Bescheid wissen und sich darüber bewusst sein, was und wie die
Diagnose zustande gekommen ist und was die Kernpunkte dieser Erkrankung sind.
Welche Unterschiede es zwischen Manie, Depression, Major Depression etc. gibt.
Welche Symptome wann und wie auftreten und welche Bedeutung ihnen zugeschrieben
wird. (vgl. Basco 2007, S. 44fff)
Der/die Betroffene versucht genau zu beobachten, wie sich die Verlaufsform bei ihm/ihr
auswirkt, welche Stressfaktoren auf die unterschiedlichen Phasen einwirken und wie
man diesen entgegenwirken kann. Sicher ist, dass nicht alle Risikofaktoren von dem/der
Patienten/Patientin vorhergesehen, geschweige denn kontrolliert, werden können. Oft ist
dem Patienten im Vorhinein nicht bewusst, was in welcher Situation Stress verursacht
hat und aus welchem Grund. Es werden immer Lebenssituationen auftreten auf welche
der/die Betroffene keinen Einfluss hat, dennoch kann versucht werden, durch gründliche
Beobachtung, Reflexion und Dokumentation, die Auslöser oder Risikofaktoren für
negative
Stimmungen
vorherzusehen
und
abzuschwächen. (vgl. Meyer 2005, S. 97f)
35
sie
rechtzeitig
zu
umgehen
oder
Tanja Hartner
„Bipolare Störungen“
0633031
Um Vorhersehen zu können, muss der/die Patient/Patientin sein/ihr Leben mit der
Krankheit exakt skizzieren damit wichtige Gesichtspunkte und Muster im Verlauf dieser
Erkrankung erkannt werden können. Das Führen eines Tagebuches unterstützt dabei,
über das Auftreten und den Verlauf der unterschiedlichen Phasen, zeitlich und in
Hinblick auf den Schweregrad, besser Bescheid zu wissen und somit Prognosen über
die zukünftigen Phasen treffen zu können.
Diese Lebensskizzen sollen Informationen bezüglich Stimmung, Verhalten, Zeitspanne,
wiederkehrende
Muster,
Bedeutsamkeit,
Auslösemechanismen,
Stressfaktoren,
Zusammenhänge zwischen den Behandlungen und den Symptomen, pharmakologische
Behandlung und Alkoholkonsum beinhalten. (vgl. Basco 2007)
Eine Vielzahl von Plänen, Katalogen und Dokumentationsformen helfen dem/der
Patienten/Patientin dabei, eine Übersicht über die Erkrankung zu erlangen.
Einige dieser Dokumentationsformen wären unter anderem:
Das Führen eines Stimmungstagebuches, damit sich Auslöser für Manie und
Depression herauskristallisieren oder um die Zusammenhänge von individuellen
Situationen und die damit auftretenden Stimmungen und Emotionen zu beobachten.(vgl.
Meyer 2005, S. 99)
36
Tanja Hartner
„Bipolare Störungen“
Abb.4.: Stimmungstagebuch. (Meyer 2005, S.100f)
37
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Tanja Hartner
„Bipolare Störungen“
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In einem Stimmungstagebuch haben Informationen, abgesehen von der Stimmung, nur
begrenzt Platz. Deshalb ist es für den/die Beteiligten/Beteiligte auch von Nutzen, einen
Wochenplan zu führen, in welchem er/sie tägliche Ereignisse und Tagesabläufe
festhalten kann. Für Personen welche an einer bipolaren Störung leiden, sind gut
strukturierte Abläufe ein Weg, um Stresssituationen zu vermeiden. Der Wochenplan
beinhaltet Informationen über alltägliche Abläufe, Termine, Schlaf- und Essverhalten,
Gewohnheiten, sportlichen Aktivitäten und andere Tätigkeiten welche für die betroffene
Person von Bedeutung erscheinen. (vgl. Meyer 2005, S. 117fff)
Der wahrscheinlich wichtigste Punkt des Schrittes “Vorhersehen” ist die Entwicklung
eines Frühwarnsystems, um Warnzeichen rechtzeitig erkennen und rasch handeln zu
können. Ein Frühwarnsystem hilft der Person, sich selbst dafür zu sensibilisieren, wann
und wie sie reagieren und agieren muss, um die Symptome der einzelnen Episoden in
den Griff zu bekommen. Mit Hilfe der Tagebücher und der Arbeitsblätter kann die
betroffene Person herausfinden, was ihr wahres Ich ist und welche Veränderungen ihre
Persönlichkeit in den unterschiedlichen Episoden durchlebt und welche Veränderungen
stattfinden, wenn die Symptome zurückzukehren scheinen. Das Erkennen dieser
Warnzeichen vor einer aufkommenden Manie oder Depression spielt in diesem Punkt
die Hauptrolle. (vgl. Basco 2007, S.98fff)
Manchmal kommt es vor, dass Freunden und Angehörigen andere Anzeichen und
Frühwarnsymptome auffallen als der Person selbst, weshalb es wichtig wäre, dass auch
mit Angehörigen über diese Erkrankung offen gesprochen wird und ein ständiger
Informationsaustausch stattfindet. (vgl. Meyer 2005, S.141)
11.2.2 Maßnahmen ergreifen
Nachdem die betroffene Person nun so gut wie möglich über die Erkrankung und das
persönliche Leben mit dieser Krankheit Bescheid weiß, geht es in diesem Abschnitt
darum, dass der/die Patient/Patientin auf konkrete Ressourcen oder erlernte
Maßnahmen zurückgreifen kann, um die einzelnen Episoden einzudämmen und zu
kontrollieren.(vgl. Basco 2007, S.120)
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Unterschiedliche Strategien werden eingesetzt, um eine depressive Phase rechtzeitig
erkennen und ihr entgegen wirken zu können. Der/die Betroffene weiß was ihm/ihr gut
tut und dabei hilft, sich zu entspannen und kann auf Handlungsformen zurückgreifen,
welche in der Person angenehme Gefühle auslösen. Die erkrankte Person kann mit
Hilfe der Tagebücher und Protokolle erkennen wann negative Gefühle verstärkt
auftreten und kann schon im Vorhinein angenehme Aktionen und Handlungen fest
einplanen.(vgl. Meyer 2005, S.143f)
Da der/die Erkrankte darüber Bescheid weiß, was die Manie oder Depression
verschlimmert, kann er/sie versuchen, rechtzeitig vorzubeugen. Sie achten auf Ess- und
Schlafgewohnheiten sowie darauf, dass sie ihre Gedanken und ihre Gefühle
kontrollieren und mit sozialem Umfeld und auftretenden Aufgaben bewältigen, ohne sich
zu sehr von den Symptomen reizen zu lassen. Die Person gibt sich Mühe, dass sich die
Depression oder Manie nicht verschlimmert und versucht Situationen die den Anschein
erwecken, sie zu überfordern, nicht in einer Katastrophe enden zu lassen. Auch wenn
die betroffene Person in auftretenden Episoden das Bedürfnis hat, sich zu isolieren und
zurückzuziehen, so soll diese aber den sozialen Kontakt aufrechterhalten, um nicht die
Motivation für alltägliche Rituale völlig aufzugeben. Die Vermeidung von äußeren
Stimuli, welche die Manie oder Depression verstärken, spielt eine große Rolle, weshalb
es wichtig ist, darüber Bescheid zu wissen, was in der Person selbst verstärktes
Verhalten auslöst. Das eigene Schlafverhalten zu kennen erlaubt der betroffenen
Person zukünftige Dinge so zu planen, dass sie den persönlichen Schlafrhythmus nicht
beeinflussen und damit einen Ausbruch der Manie nicht begünstigen. Zu wissen, was
meinen Schlaf fördert oder stört, eröffnet die Möglichkeit Einschlafprobleme zu
verhindern. Kündigt sich eine depressive Episode an, so ist es hilfreich positive Gründe
verinnerlicht zu haben, warum der Kontakt zu anderen etwas Gutes ist. Wenn die
Person in der Lage ist zu wissen, was ihm/ihr gut tut und was nicht, dann ist er/sie auch
in der Lage, Unerwünschtes zu vermeiden und Erwünschtes zu bestärken. Kommt es zu
einer Festigung dieses Wissens, so kann sich die Person darauf konzentrieren,
Negatives mittels alltäglicher Bewältigungsstrategien abzubauen. Wichtig ist, dass viele
zukünftige Schritte geplant und organisiert sind, um so das erlernte Verhalten zu
festigen. Lob und Anerkennung für die erbrachte Arbeit annehmen und bewusst machen
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und die kleinsten Erfolge zulassen. Routine und Stabilität in den Alltag bringen und
regelmäßigen Aktivitäten nachgehen. (vgl. Basco 2007, S.120fff)
Die regelmäßige Einnahme der Medikamente sollte unbedingt gegeben sein. Ist dies
nicht der Fall, sollte sich der/die Patient/Patientin bewusst machen, was ihn/sie davon
abhält und einen Behandlungsplan erstellen. (vgl. Basco 2007, S.172fff)
11.2.3 Reduktion der Symptome
In diesem Schritt geht es darum, dass der/die Patient/Patientin in der Lage ist,
herauszufinden, wie er/sie Stimmungen, Gedanken und Reaktionsweisen beeinflussen
kann und wie es dazu kommt, dass die eigenen Gedanken sich in eine falsche Richtung
entwickeln. Teil dieses Punktes ist es, eine Vorgehensweise zu entwickeln, um die
eigenen Gedanken zu klären und richtig zu stellen. Fehlerhafte Denkweisen zu
erkennen, zuzuordnen, zu kontrollieren und Schritt für Schritt zu korrigieren. Den
Symptomen, sowohl der Manie als auch der Depression, sollte nicht mehr Bedeutung
beigemessen werden als wirklich notwendig ist. Bei Auftritt der Symptome muss man
lernen, Dinge nicht verzerrt wahrzunehmen. Zur Aufrechterhaltung der Distanz in
problematischen Situationen müssen Strategien entwickelt werden, um eine verzerrte
Interpretation zu vermeiden. Zu vermeiden, dass die auftretenden Symptome mich
blenden und dazu leiten, ausschließlich eigene Meinungen und Annahmen zu stützen
ohne Information von außen überhaupt zuzulassen. Der/die Patient/Patientin lernt, seine
Gedanken mit Hilfe eines Gedankenprotokolls zu kontrollieren und somit mit den
Symptomen der einzelnen Episoden leichter umzugehen. Die eigenen Gedanken zu
ordnen ist ein wichtiger Punkt, um zu bemerken, wann das eigene Denken verzerrte und
unsystematische Gestalten annimmt. Mit Hilfe von Strategien und Methoden ist es
möglich, die eigenen Gedanken zu ordnen und Entscheidungen leichter zu treffen. (vgl.
Basco 2007, S.217ff)
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11.2.4 Reflexion
In diesem Teil des Selbsthilfekonzeptes geht es darum, dass der Patient bewusst über
das angewandte Vorgehen nachdenkt und sich noch einmal vor Augen hält, was in den
vorigen Schritten besprochen und ausgearbeitet wurde. Der/die Patient/Patientin
reflektiert
das eigene Verhalten der letzten Monate und versucht, Fortschritte und
Rückschläge zu überprüfen und setzt sich kleine Ziele, um die erlernte, methodische
Vorgehensweise richtig anzuwenden, um zukünftig auftretende Hindernisse zu
überwinden. In dieser Phase versucht der/die Betroffene, seine Stimmung in Form von
Kalendereinträgen zu überwachen und vorauszuplanen und die Erkrankung zu
akzeptieren. (vgl. Basco 2007, S.315fff)
Selbsthilfe bedeutet aber nicht nur den Austausch von Informationen, sondern auch die
Integration in ein soziales Netzwerk, welches unterstützend und aufbauend wirkt. Die
Mitglieder einer Selbsthilfegruppe unterstützten sich nicht nur indem sie loyale
Gesprächspartner sind, sondern sie bieten ihre Hilfe auch noch in anderen
Lebensbereichen an und helfen bei täglichen Aufgaben wie Einkäufen. Durch das mit
der Hilfe der Selbsthilfegruppe aufgebaute Netzwerk, erlangen die Betroffenen nach
schweren negativen Erfahrungen bis hin zur Isolation wieder neues Selbstvertrauen und
Akzeptanz. Die gegenseitige Loyalität und das Gefühl nicht nur eine Belastung sondern
eine Unterstützung für einen anderen Mitmenschen zu sein, ist für die Betroffenen ein
wichtiger Schritt in Richtung „Normalität“. (vgl. Geislinger, Grunze 2005, S.44f)
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12. Schlusswort
Bipolare Störungen haben ein kompliziertes und weitreichendes Krankheitsbild. Meine
Arbeit soll nicht nur auf die Schwere dieser Erkrankungen hinweisen sondern vielmehr
eine Informationsmöglichkeit für Betroffene und Angehörige sein.
Ziel
meiner
Arbeit
war
es,
eine
Antwort
auf
meine
vorab
ausgearbeitete
Forschungsfrage zu finden und somit aufzuzeigen, ob für betroffene Personen die
Möglichkeit besteht die auftretenden Episoden eigenständig zu erkennen, korrigieren
und zu beeinflussen. Anhand der umfassenden Literaturrecherche wird deutlich, dass
die Möglichkeit der frühzeitigen Erkennung der unterschiedlichen Episoden durchaus
besteht.
Mit einer motivierten Einstellung, passenden methodischen Werkzeugen sowie
professioneller Unterstützung und die intensive Auseinandersetzung mit der eigenen
Persönlichkeit, kann es den Betroffenen gelingen, Symptome nicht nur rechtzeitig
zuerkennen sondern auch Maßnahmen zur Abschwächung oder Vermeidung dieser zu
ergreifen.
Dass die Behandlungsmöglichkeit der „Selbsthilfe“ für eine erfolgreiche Therapie
ausschlaggebend ist, kann diesem Manuskript entnommen werden.
Weiteres wird auch sichtbar, dass Selbsthilfe eine erfolgreiche Präventionsmaßnahme
gesehen werden kann um ein geregelteres und besser strukturiertes Leben zu führen.
Der Weg der Selbsthilfe ist vor allem am Anfang intensiv und zeitintensiv. Das
Herausfinden der passenden Vorgehensweise, die Führung von Protokollen und die
gründliche Auseinandersetzung mit dem Krankheitsbild und der eigenen Person sind die
Grundsteine auf dem Weg zur Selbsthilfe. Eine aktive Kommunikation und
Informationsaustausch mit Angehörigen oder Mitglieder einer Selbsthilfegruppe ist ein
wesentlicher Therapieteil.
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Ein Leben ohne Stimmungsschwankungen und Gefühlsausbrüchen ist etwas
Unvorstellbares und Unmenschliches. Ein Leben ohne Kontrolle der eigenen Gefühle
führt zu großer Verzweiflung.
Mit der passenden Therapie, Medikation, Information und Selbsthilfe gelingt es in den
meisten Fällen, die richtige Balance zu finden und der tiefen Lähmung oder der Flucht
nach Vorne auszuweichen.
Zu erkennen und zu verstehen, dass für Betroffene die Möglichkeit besteht selbst aktiv
zu werden, um ein geregelteres Leben führen zu können, ist unausbleiblich und muss
aus diesem Grund einen breiteren Eingang in die Öffentlichkeit finden. Wenn
Mitmenschen nicht über diese Erkrankung noch weitlaufender und genauer informiert
werden,
kann
man
nicht
auf
Verständnis
Handlungsunfähigkeit zu reduzieren.
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appellieren,
um
Vorurteile
und
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Abbildungsverzeichnis
Abb.1.: Pfeildiagramm affektive Störungen. (Wagner, Bräunig 2006, S.169)
Abb.2.: DSM-IV classification of mood disorders. NOS= not otherwise specified.
(Goodwin, Jamison 2007, S.91)
Abb.3.: Diagnostische Kriterien nach ICD-10. (Assion, Vollmoeller 2006, S.69)
Abb.4.: Stimmungstagebuch. (Meyer 2005, S.100f)
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