Persönliche PDF-Datei für P. Young, G. Möddel www.thieme.de Mit den besten Grüßen vom Georg Thieme Verlag Schlafwandeln und andere Non-REM-Parasomnien DOI 10.1055/s-0034-1372567 Akt Neurol 2014; 41: 225–236 Nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt. Keine kommerzielle Nutzung, keine Einstellung in Repositorien. Verlag und Copyright: © 2014 by Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14 70469 Stuttgart ISSN 0302-4350 Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlags Übersicht Schlafwandeln und andere Non-REM-Parasomnien Sleep Walking and other Non-REM-Parasomnias Autoren P. Young, G. Möddel Institut Department für Neurologie, Klinik für Schlafmedizin und Neuromuskuläre Erkrankungen, Münster Schlüsselwörter Zusammenfassung Abstract ▼ ▼ Parasomnien umfassen eine große Gruppe unterschiedlicher motorischer Phänomene während des Schlafes. Entsprechend der Internationalen Klassifikation von Schlafstörungen II (ICSD II) werden Parasomnien in Formen unterteilt, die aus dem Non-REM-Schlaf heraus auftreten und Formen, die aus dem REM-Schlaf auftreten. Als andere Parasomnien werden die Formen bezeichnet, bei denen keine feste Zuordnung zu einem Schlafstadium möglich ist. Schlafwandeln, Schlaftrunkenheit und der Pavor nocturnus sind die klinisch wichtigsten Formen der Non-REM Parasomnien. Hauptmerkmal dieser Formen ist der Beginn aus dem Schlafstadium Non-REM 3, dem durch hohen Anteil an Deltaaktivität gekennzeichneten Tiefschlaf. Die Gesamtprävalenz der Non-REM-Parasomnien bei Erwachsenen wird mit ca. 4 % angegeben. Damit ist diese Form der Parasomnien eine klinisch relevante, aber vermutlich unterdiagnostizierte Gruppe von Schlafstörungen. Als besondere Form der Parasomnie gilt neben den Non-REM-Parasomnien die schlafbezogene Essstörung. Diese in die Gruppe der anderen Parasomnien klassifizierte Schlafstörung tritt aus Non-REM-Stadium 2 und 3 auf. Für alle hier beschriebenen Parasomnien gilt, dass assoziierte Symptome wie Tagesschläfrigkeit, Traumerinnern und nächtliche autonome Aktivierungen häufiger zu finden sind als allgemein angenommen wurde. Die wichtigsten Differenzialdiagnosen des Schlafwandelns und der gesamten Gruppe der Non-REM-Parasomnien sind die REM-Schlaf-assoziierten Parasomnien, wie die REM-Schlaf-Verhaltensstörung und epileptische Anfälle aus dem Schlaf, bspw. bei Patienten mit nächtlicher Frontallappenepilepsie. Da die nächtlichen, motorischen Symptome keine ausreichende und sichere Differenzierung der verschiedenen Differenzialdiagnosen zulassen, stellt die videobasierte Polysomnografie im Parasomnias comprise a great variety of motor phenomena during sleep. According to the International Classification of Sleep Disorders II (ICSDII) parasomnias are subclassified into forms originating from Non-REM sleep stages or from the REM-sleep-stage. A third group comprises other parasomnias, which are not clearly originating form a definite sleep stage. Sleep walking, sleep terrors and confusional arousals are clinically the most important forms of Non-REM parasomnias. The hallmark of all these forms is an arousal from Non-REM sleep stage 3 (slow wave sleep). The overall prevalence of Non-REM parasomnia is about 4% in the general population. Therefore they represent a common but underdiagnosed group of sleep disorders. Sleep related eating (SRED) is classified as a distinct form of other parasomnias in which the mechanism of arousal varies from Non-REM sleep stage 2 to 3. Daytime symptoms, recalling dreams and autonomic activation during parasomnic episodes is much more frequent than formerly postulated. The most important differential diagnoses of sleep walking and other Non-REM parasomnias are forms of REM-sleep parasomnias as the REM behavorial disorder, and epileptic seizures during sleep, for example in patients withnocturnal frontal lobe epilepsy. Since abnormal sleep related motor symptoms are not specific enough to exclude the differential diagnoses, video based polysomnography is the gold standard to differentiate these different sleep disorders and to decide if further electrophysiological diagnostic procedures such as video-electroencephalopathy is needed. For that reason, cooperation of sleep specialists and epileptologists is highly recommended. ▶ Schlafwandeln ● ▶ Parasomnien ● ▶ Epilepsie ● Keywords ▶ sleep walking ● ▶ parasomnias ● ▶ epilepsy ● Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1372567 Akt Neurol 2014; 41: 225–236 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0302-4350 Korrespondenzadresse Prof. Dr. med. Peter Young Department für Neurologie, Klinik für Schlafmedizin und Neuromuskuläre Erkrankungen Albert-Schweitzer Campus 1 48149 Münster [email protected] Young P, Möddel G. Schlafwandeln und andere Non-REM … Akt Neurol 2014; 41: 225–236 225 226 Übersicht Schlaflabor den Gold-Standard in der technischen Diagnosestellung dar. Ebenso dient die videobasierte Polysomnografie der Entscheidung zur erweiterten video-basierten elektroenzephalografischen Diagnostik. Vor diesem Hintergrund ist für die Diagnosestellung von Schlafwandeln und Non-REM-Parasomnien die enge Zusammenarbeit zwischen Schlafmedizinern und Epileptologen empfehlenswert. Einleitung ▼ Parasomnien sind gekennzeichnet durch unerwünschte und oft als abnorm angesehene Handlungen, die entweder im WachSchlaf-Übergang, aus dem Rapid Eye Movement (REM)-Schlaf oder aus dem Non-REM-Schlaf auftreten können. Dabei ist das eigentliche motorische Phänomen immer in Bezug zum jeweiligen Schlafstadium zu setzen, wie es nur unter videobasierter polysomnografischer Ableitung (PSG) möglich ist. Durch diese technische schlafmedizinische Untersuchung ist eine differenzialdiagnostische Zuordnung und Planung der therapeutischen Optionen möglich [1]. Die Gruppe der Parasomnien, die neben dem Auftreten von komplexen Handlungsfolgen auch verschiedene Formen des Erlebens und der autonomen Aktivität aufweisen können [2, 3] werden gemäß der internationalen Klassifikation der „International Classification of Sleep Orders II“ (ICSD II) folgendermaßen klassifiziert: 1. Erkrankungen mit Erwachen aus dem Non-REM-Schlaf 2. Erkrankungen mit Erwachen aus dem REM-Schlaf 3. Andere Parasomnien Die zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen für Parasomnien können generell in einer kurzen Aktivierung oder kurzzeitigen Einstreuung von elektroenzephalografischen Merkmalen des Wachzustandes in den Zustand des Schlafens gesehen werden. Diese Episoden führen dann ihrerseits zu dem abnormen Verhalten oder den anderen Symptomen, durch die die jeweilige Parasomnieform gekennzeichnet ist [3, 4] und eine Dissoziation von Schlafen und Wachen darstellt. Die Patienten sind häufig amnestisch für die nächtlichen Ereignisse. Die elektrophysiologische Einstreuung von alpha-Aktivität mit mindestens 3 s und maximal 15 s Dauer (Arousal) in den Non-REMSchlaf führt zu den nach ICSD II klassifizierten Non-REM-Parasomnien [4, 5]. Im Fall der REM-Schlaf-Parasomnien können eingestreute Arousals in den REM-Schlaf beobachtet werden [4, 5]. Das wichtigste polysomnografische Merkmal ist jedoch entweder die fehlende Atonie (sog. REM without atonia, RWA) der Skelettmuskulatur oder die intermittierende, phasische und/oder tonische Tonuserhöhung im REM-Schlaf, die durch verschiedene Ausprägungen von Verhaltensauffälligkeiten gekennzeichnet sein kann. Für die Detektion dieser Tonusanomalien im REM-Schlaf wurden kürzlich Grenzwerte beschrieben [6]. In dieser Übersichtsarbeit werden die verschiedenen Formen der Non-REM-Parasomnien gemäß der ICSD II und deren klinisch relevanten Differenzialdiagnosen und Differenzialtherapien dargestellt. Obwohl es für die verschiedenen Formen der Parasomnien mittlerweile einige pathophysiologische Ansätze zur Entstehung gibt, wird in dieser Übersicht nicht auf die einzelnen, zum Teil wegweisenden Befunde aus SPECT-Untersuchungen [7] und intrazerebraler EEG-Ableitung [8] eingegangen, da die klinische Abgrenzung der verschiedenen Non-REM-Parasomnien im Vordergrund stehen soll. Epidemiologie ▼ In den letzten Jahren wurde in klinischen Beobachtungen eine Frequenz von 22,3 % der Schlafwandler mit täglichen Episoden und 43,5 % mit wöchentlichen Episoden von Schlafwandeln beschrieben [9]. Dabei konnte festgestellt werden, dass entgegen der Meinung und wissenschaftlichen Ansicht dass Schlafwandeln bei Erwachsenen selten sei, eine Gesamtprävalenz von 29,2 % in den größten epidemiologischen Studien nachgewiesen werden [9]. Chronisches Schlafwandeln wird mit einer Prävalenz von bis zu 4 % angegeben [10]. Es scheinen besondere Risikofaktoren für die klinische Manifestation von Schlafwandels zu existieren [11, 12]. Zu diesen Risikofaktoren zählen das Obstruktive Schlaf-Apnoe-Syndrom (OSAS), zirkadiane Rhythmusstörung, Insomnie, Alkoholmissbrauch, depressive Erkrankungen und verschiedene Pharmaka. Es ist auch bekannt, dass eine ausgeprägte Familiarität für Schlafwandeln besteht. Über 80 % der Schlafwandler haben mindestens einen Familienangehörigen, der ebenfalls unter Schlafwandeln leidet oder litt [13, 14]. Ebenfalls ist ein Risiko für Kinder von schlafwandelnden Eltern beschrieben. Ist ein Familienmitglied im Verwandtschaftsgrad ersten Grades ein Schlafwandler, besteht ein 10-fach erhöhtes Risiko selber an Schlafwandeln zu leiden [13, 14]. Für Schlafwandeln konnte eine Assoziation zum HLA System vor einigen Jahren gefunden werden. Es besteht eine erhöhte Prävalent für das Allel HLA DQB 01* 0502 [15]. Diese Assoziation wurde bislang jedoch noch nicht in einer weiteren Gruppe von Schlafwandlern bestätigt. Arousalstörungen ▼ In der Gruppe der Arousalstörungen sind verschiedene Schlafstörungen und Parasomnien zusammengefasst. In diese Gruppe gehören das Schlafwandeln, der Pavor Nocturnus und die Schlaftrunkenheit (im Englischen: Confusional Arousal). Generell ist bekannt, dass schlafbezogene Atmungsstörungen, wie das Obstruktive Schlafapnoe-Syndrom (OSAS), durch die Induktion von Arousals mit einem erhöhtem Risiko für Arousalstörungen im Sinne der Non-REM-Parasomnien einhergehen [5]. Eine weitere, hauptsächlich aus Non-REM-Schlafstadien auftretende Parasomnie ist die schlafbezogene Essstörung (sleep-related eating disorder, SRED) [16]. Bislang wird diese Form der Parasomnie gem. ICSD II zu den unklassifizierten oder anderen Parasomnien gezählt. Die Prävalenz von depressiven Störungen scheint beim SRED erhöht zu sein [17]. Klinische Präsentation und Polysomnografiebefund Schlafwandeln ▼ Die Prävalenz von Schlafwandeln wird in der Allgemeinbevölkerung mit insgesamt 1–17 % und bei Erwachsenen mit bis zu 4 % angegeben [10]. Dabei ist bekanntermaßen bei Kindern im Alter von 4–8 Jahren das Hauptmanifestationsalter für Schlafwandeln [18]. In der Regel handelt es sich um komplexe Handlungsabfolgen, die vom simplen Aufrichten aus dem Bett bis zum Verlassen ▶ Abb. 1). Auch ist es möglich, dass während des Bettes reichen (● einer Schlafwandel-Episode das Zimmer oder sogar das Haus verlassen wird. Häufig enden die Episoden, indem ein Erwachen stattfindet. Auffällig ist beim Erwachen dann häufig eine Form Young P, Möddel G. Schlafwandeln und andere Non-REM … Akt Neurol 2014; 41: 225–236 Übersicht Abb. 1 Video-PSG einer Episode mit Schlafwandeln. Vor der EMG Überlagerung deutliche Hypersynchrone Delta-Aktivität für 2 s gefolgt von einem Arousal und anschließendem Verlassen des Bettes bei weiterhin erkennbarer Delta-Aktivität im EEG zwischen den EMG-Überlagerungen. PSG-Ableitung gem. der American Association of Sleep Medicine (AASM). der Verwirrtheit und langsame Reorientierung. Typischerweise treten somnambule Episoden in zeitlichen Clustern auf. Die Frequenz kann von vereinzeltem Auftreten alle paar Monate bis zu mehrfachem Auftreten pro Woche bestehen. Die einzelne Episode dauert selten länger als 30 min. Länger andauernde Episoden wurden unter dem Einfluss von Sedativa beschrieben [19]. Eine besondere Beachtung bedarf der Eigengefährdung während somnambuler Phasen. Während der Phase können Stürze und verschiedene Formen von Unfällen auftreten. Als auslösende Faktoren für somnambule Episoden werden die Einnahme von Sedativa, Schlafentzug und Fieber diskutiert [19]. Weiterhin sind andere Schlafstörungen, wie das Schlaf-Apnoe-Syndrom oder das Upper Airway Resistance Syndrom (UARS) mögliche Auslöser für somnambule Phasen [19]. Als besondere Form des Schlafwandelns gilt die Sexsomnie. Sie ist gekennzeichnet durch sexuelle Handlungen während der Episode des Schlafwandels. Für vereinzelte Fälle von nachgewiesener Sexsomnie wird berichtet, dass häufig eine positive Eigenoder Familienanamnese für Schlafwandeln besteht. Sexuelle Handlungen können von ganz unterschiedlicher Ausprägung sein [20, 21]. Therapeutisch können in der Behandlung des Schlafwandelns können versuchsweise Benzodiazepine oder verschiedene anekdotisch als wirksam berichtete Antikonvulsiva eingesetzt werden [22, 23]. Bevor eine Therapie begonnen wird, sollte jedoch die Notwendigkeit und die Indikation einer pharmakologischen Therapie überprüft werden. Vorsatzbildung kann eine mögliche verhaltenstherapeutische Intervention darstellen [24]. Es liegen aber ebenso wie für die pharmakologischen Interventionen keine Daten zum Effekt über einen längeren Zeitraum vor. Im klinischen Gebrauch kann deshalb die verhaltenstherapeutische verwendete Vorsatzbildung nicht als sichere Therapieempfehlung angesehen werden. Ebenso ist die Wertigkeit von Hypnose in der Therapie des Schlafwandeln einzustufen [22, 25]. Häufig reicht es aus, die Besonderheit der Schlafstörung und den sicheren Ausschluss von anderen Differenzialdiagnosen getätigt zu haben. Betroffene müssen ausführlich über mögliche Konsequenzen und wichtige Vorsichtsmaßnahmen aufgeklärt werden. Eine Verhaltensmaßnahme kann auch in der reinen Absicherung der Schlafumgebung, z. B. Abschließen der Fenster, Abschließen der Türen bestehen. Ebenso sollten Bettpartner instruiert Young P, Möddel G. Schlafwandeln und andere Non-REM … Akt Neurol 2014; 41: 225–236 227 228 Übersicht Abb. 2 Video-PSG einer Episode mit Pavor nocturnus im Erwachsenenalter. Vor der EMG-Aktivierung kurze hypersynchrone Delta-Aktivität. Mit der Episode erwacht die Patientin (s. hellblaue Markierung im Hypnogramm). Abrupte Zunahme der Herzfrequenz mit Verdopplung von 71 auf 146 Schläge/min. PSG-Ableitung gem. der American Association of Sleep Medicine (AASM). werden den Schlafwandelnden in Ruhe wieder ins Bett zu begleiten. Da häufig eine starke Schläfrigkeit und Schlaftrunkenheit auch beim Erwecken besteht, wird vom forcierten Wecken abgeraten. Pavor Nocturnus ▼ Schlafterror wird mit einer Prävalenz von 3 % bei Kindern angegeben [26]. Dabei sind mehr Jungen als Mädchen betroffen [27]. Im Erwachsenenalter gibt es keine gesicherten Daten zur Epidemiologie des Pavor Nocturnus [28]. Der Pavor Nocturnus ist gekennzeichnet durch ein sehr plötzliches Arousal aus dem NonREM-Schlafstadium 3, dem Tiefschlaf. In der Regel ist dieses Arousal verbunden mit Zeichen der akuten sympathischen autonomen Aktivierung in Form von Herzfrequenzsteigerung bis zur Tachykardie, Mydriasis und angespanntem Muskeltonus. Typischerweise zeigen sich auch klinisch Zeichen der ausgeprägten Angst, z. T. mit Schreien und Verwirrtheit. In der Regel kommt es dann zu einer Phase der Schlaftrunkenheit und verlangsamten ▶ Abb. 2). In welchem AusReorientierung bis zum Erwachen (● maß die klinische Abgrenzung zu Alpträumen bei Erwachsenen wie bei Kindern über Traumerinnern erfolgen kann, ist bislang für den Pavor Nocturnus nicht in systematischen Untersuchungen geklärt. Im klinischen Kontext ist jedoch der Alptraum in der Regel gerade durch Traumerinnern bei Kindern, wie auch bei Erwachsenen gekennzeichnet. Differenzialdiagnostische Abgrenzungen zu Albträumen lassen sich mittels der Polysomnografie (PSG) vornehmen [29]. Eine Therapie sollte initiiert werden, wenn subjektive Beschwerden wie Tagesschläfrigkeit oder allgemeine Symptome eines unerholsamen Nachtschlafes bestehen. In seltenen Fällen ist eine Behandlung aus sozialer Indikation notwendig. Die Therapie wird weiterhin in der Verabreichung von Benzodiazepinen beschrieben [5]. Die Frage zur Wirksamkeit von L-5-hydroxytryptophan (L-5-HTP) ist bislang nur in einer Studie nachgegangen worden [30]. Pragmatisch kann die Therapie auch in der Anwendung eines Benzodiazepins nur in besonderen Situationen bestehen (z. B. beim Schlafen in Gemeinschaftsunterkünften). Die psychotherapeutische Betreuung und Vermeidung von psychosozialer Belastung kann ebenfalls verhaltenstherapeutisch genutzt werden, um die Episoden des Pavor Nocturnus zu reduzieren. Young P, Möddel G. Schlafwandeln und andere Non-REM … Akt Neurol 2014; 41: 225–236 Übersicht Abb. 3 Video-PSG einer Episode mit Schlaftrunkenheit. Vor der EMG-Aktivierung Mikroarousal über 3 s. Mit der Episode erwacht der Patient (s. hellblaue Markierung im Hypnogramm). Zunahme der Herzfrequenz über 6 s. PSG-Ableitung gem. der American Association of Sleep Medicine (AASM). Schlaftrunkenheit (Confusional Arousal) Schlafbezogene Essstörung ▼ ▼ Schlaftrunkenheit als Arousalstörung wird bei Erwachsenen selten als isolierte Schlafstörung diagnostiziert. Phänomenologisch besteht die Episode aus plötzlichem Erwachen aus dem Tiefschlaf mit dem Bild der Verwirrtheit und Desorientierung ▶ Abb. 3). Dabei kommt es dann infolge zu komplexen Hand(● lungen und einer ausgesprochenen Verzögerung der Reaktion auf Außenreize wie z. B. das Ansprechen des Bettpartners. Die Episoden dauern in der Regel nur wenige Minuten und sind gekennzeichnet durch eine retrograde und anterograde Amnesie [2, 31]. Eine Häufung dieser Arousals durch Schlafentzug oder ZNS-wirksame Hypnotika und Alkohol sowie Antihistaminika ist beschrieben [31]. Gesicherte Therapieoptionen pharmakologischerseits gibt es nicht. Empfehlung besteht insbesondere in der Meidung von Schlafentzug, Vermeidung von Störungen der zirkadianen Rhythmik, wie z. B. Schichtarbeit, aber auch in der Vermeidung von Alkohol oder anderen Sedativa. Schlafbezogenes Essen in der Nacht wird als sehr seltene Schlafstörung gem. ICSD II in die Gruppe der „anderen Parasomnien“ klassifiziert. Da das schlafbezogenes Essen zu 80 % aus dem NonREM-Schlaf auftritt [32] und die klinischen Symptome des schlafbezogenen Essens vielen Neurologen, Nervenärzten und selbst Schlafmedizinern nicht geläufig sind, wird diese Parasomnie in dieser Übersicht auch beschrieben. Unter normalen physiologischen Bedingungen ist die Nachtund Schlafenszeit charakterisiert durch eine verlängerte Phase, in der keine Nahrung aufgenommen wird. Für Stoffwechselgesunde ist eine an den Schlaf gebundene Nahrungsaufnahme nicht physiologisch, wenn keine nächtliche Hypoglykämie besteht. Im Gegensatz dazu isst der Patient mit der Parasomnie des schlafbezogenen Essens aus dem abrupten Erwachen heraus ▶ Abb. 4). Der Hauptbefund in der PSG besteht in einer akuten (● Arousalreaktion aus dem Non-REM-Schlaf Stadium 2 oder 3 heraus, die gefolgt ist von einer impulsiven Nahrungsaufnahme. Sehr häufig handelt es sich dabei um hochkalorische Nahrungsmittel. Dabei beschreiben Patienten häufig das Gefühl nicht wieder ins Bett gehen zu können, bevor sie nicht etwas ausreichend Young P, Möddel G. Schlafwandeln und andere Non-REM … Akt Neurol 2014; 41: 225–236 229 230 Übersicht Abb. 4 Video-PSG einer Episode mit Schlafbezogener Essstörung. Arousal aus dem Non-REM Schlafstadium 2. Die Patientin greift gezielt nach Essen in der Schublade des Nachtschränkchens. Anschließend wird die Patientin wach, wie sich aus der EMG Aktivität herleiten lässt (s. auch Schlafstadienwechsel im Hypnogramm markiert durch hellblaue Linie). PSG-Ableitung gem. der American Association of Sleep Medicine (AASM). hochkalorisches gegessen haben. Bekanntermaßen werden diese Essattacken durch verschiedene Sedativa, insbesondere Zolpidem und Zopiclon, ausgelöst [33] und sind häufig mit Depressionen assoziiert. Differenzialdiagnostisch abgrenzen muss man das schlafbezogene Essen zum nächtlichen Essen. Das nächtliche Essen ist gekennzeichnet durch eine vorübergehende Episode des Wachens im EEG, sodass die Nahrungsaufnahme nicht direkt aus dem Tiefschlaf erfolgt, sondern immer eine kurze Wachphase vorausgeht [32]. Es besteht dabei ein Zusammenhang zwischen schlafbezogenem Essen und dem Restless-Legs-Syndrom (RLS) [34]. In einer Umfrage konnte bei 88 Patienten mit einem RLS bei 61 % regelmäßiges nächtliches Essen gefunden werden und bei 36 % schlafbezogenes Essen im Sinne der Non-REM-Parasomnie [35]. Ein Zusammenhang mit dem Dopaminhaushalt wird diskutiert. Einerseits ist unter dopaminerger Therapie gehäuft schlafbezogenes Essen beobachtet worden. Andererseits gibt es Einzelfälle, die durch eine Levodopa-Therapie eine Verbesserung der Symptomatik des schlafbezogenen Essen aufwiesen. Therapeutisch gibt es unterschiedliche Optionen mit Antikonvulsiva (z.B.Topiramat) und Dopaminergika (z. B. Pramipexol) [36]. Therapieversuche mit Pramipexol führten zu einer Reduktion der nächtlichen Aktivität, aber nicht in einer Verminderung der Essattacken. Insgesamt ist bei Patienten mit einem schlafbezogenen Essen darauf zu achten, dass keine sog. Z-Substanzen (Zolpidem, Zopiclon) eingenommen werden. Gemeinsame Aspekte der Non-REM-Parasomnien ▼ Tagessymptomatik bei Schlafwandeln und Non-REMParasomnien Die klinischen Konsequenzen von nächtlichem Schlafwandeln wurde lange Zeit als unbedeutsam eingeschätzt. Bislang wurde nur in wenigen Untersuchungen die Konsequenz auf Tagesschläfrigkeit und Leistungsfähigkeit am Tage bei Patienten mit Schlafwandeln untersucht. Es ist jetzt in einer kleinen Studie gezeigt worden, dass Schlafwandler durchaus eine relevante Tagesschläfrigkeit angaben [37]. Ebenfalls konnte in einer anderen Studie gezeigt werden, dass gemessen am Epworth-Schläfrigkeits-Skalen-Wert, die Hälfte von 43 Patienten mit Non-REMSchlafparasomnien durchaus einen relevanten pathologischen Wert in der Angabe von Tagesschläfrigkeit in der Epworth- Young P, Möddel G. Schlafwandeln und andere Non-REM … Akt Neurol 2014; 41: 225–236 Übersicht Schläfrigkeits-Skala (mehr als 10 von 24 möglichen Punkten) angaben [38]. Diese Daten wurden in einer Studie von einer kanadischen Arbeitsgruppe um Montplaisir ebenfalls bestätigt, in der gefunden wurde, dass 45 % der Patienten mit Schlafwandeln eine relevante, in der Epworth-Schläfrigkeits-Skala gemessene Tagesschläfrigkeit hatten [39]. In unserem eigenen Kollektiv sehen wir auch regelmäßig eine relevante signifikante Tagesschläfrigkeit bei der Patienten mit Arousalstörungen (Schlafwandeln, Pavor Nocturnus und Schlaftrunkenheit). Amnesie bei Schlafwandeln und anderen Non-REMParasomnien Für Schlafwandeln wurde lange angenommen, dass eine komplette Amnesie für die Episode besteht. Es gibt jedoch mittlerweile Arbeiten, die zeigen, dass ein Großteil der Patienten (80 %) in der Phase des Erwachens nach einer Episode von Schlafwandeln eine Form des Erinnerns an Inhalte während dieser Phase hat. Dabei können sich 61 % sogar an spezielle Handlungen und Handlungsabläufe, die in diesen Episoden eine Rolle spielten, erinnern [40]. In verschiedenen Fallberichten wird Erinnern an Träume ebenfalls berichtet [41, 42]. Insbesondere gibt ein hoher Anteil der Schlafwandler auch an, die in der Episode nach außen gespiegelten Emotionen auch tatsächlich empfunden zu haben, sodass die Hypothese der kompletten Amnesie durchweg für Schlafwandler nicht zu halten ist [43]. Traumerinnerungen bei Schlafwandeln und anderen Non-REM-Parasomnien Die Differenzierung zwischen Non-REM-Parasomnien und REM-Parasomnien (REM-Verhaltensstörungen und Albträume) wird häufig klinisch anhand der Frage des Traumerinnerns entschieden. Mittlerweile gibt es einige Untersuchungen, in denen vergleichbar zu den REM-Parasomnien auch bei Non-REM-Parasomnien Patienten Trauminhalte angeben, welche meist als unangenehm erlebt oder mit negativen Emotionen belegten werden [42]. Somit ist die phänomenologische Unterscheidung unabhängig der polysomnografischen Daten nicht eindeutig und durchaus ein Traumerleben in Verbindung mit Non-REM-Parasomnien möglich [44]. Die Interaktion mit der Umwelt bei NonREM-Parasomnien wird auch weiterhin durch die Tatsache gestützt, dass Patienten mit Non-REM-Parasomnien in der Episode in der Regel geöffnete Augen haben, auch ein zielgerichtetes Umherschauen beobachtet wird, sodass hier besonders zu bedenken ist, dass im Sinne der Trauminhalte die Interaktion mit der Umwelt und Umgebung aufgenommen wird [45, 46]. Differenzialdiagnosen von Schlafwandeln und anderen Non-REM-Parasomnien ▼ Die Non-REM-Parasomnien, die sich in der Regel in der ersten Nachthälfte präsentieren, sind klinisch differenzialdiagnostisch ▶ Abb. 5) und Albvon den REM-Schlaf-Verhaltensstörungen (● träumen abzugrenzen. Eine weitere wichtige Abgrenzung besteht gegenüber andere Formen von Parasomnien, die in der ICSD II als andere Parasomnien klassifiziert werden. Dazu zählen die Katathrenie, die nächtliche Enuresis, und das Exploding Head Syndrome. Bei der Katathrenie handelt es sich um ein nächtliches lautes wiederkehrendes Stöhnen ohne assoziierte Atmungsstörungen. Das Exploding Head Syndrome, besteht in einem akuten Erwachen mit dem Sinneseindruck einen Knall oder ein anderes sehr lautes Geräusch gehört zu haben. Kopfschmerzen bestehen im Gegensatz zum nächtlichen, schlafgebundenen Kopfschmerz (sog. Hypnic headache) nicht. Die nächtliche Enuresis kann entweder als primäre Enuresis ab dem 5. Lebensjahr diagnostiziert werden, wenn immer schon nächtliche Episoden mit Enuresis bestanden oder als sekundäre Enuresis, wenn mindestens für 6 Monate keine Phasen mit nächtlichem Einnässen bestanden. Mit einer noch höheren klinischen Relevanz müssen Schlafwandeln, Pavor Nocturnus und Schlaftrunkenheit von nächtlichen ▶ Abb. 6), insbesondere von nächtlichen epileptischen Anfällen (● ▶ Tab. 1) [47] und anderen Formen Frontallappenanfällen (● nächtlicher Anfälle abgrenzt werden [48]. Die einzige Möglichkeit, diese Differenzierung sicher vorzunehmen ist die simultane Video- und EEG-Aufzeichnung, z. B. mithilfe der videobasierten PSG [29, 49]. Folgende klinische Aspekte können zur Differenzierung von Arousalstörungen bzw. Non-REM-Parasomnien einerseits und nächtlichen epileptischen Anfällen andererseits herangezogen werden: Epileptische Anfälle können zwar auch sehr komplexe und bizarre Bewegungsabläufe zeigen, diese sind aber meistens stereotyp, die Variation von einer Episode zur nächsten ▶ Abb. 7) [50]. Häufig tritt nach nächtlichen Anfällen ist gering (● vollständiges Erwachen auf. Traumerinnern wird nach Anfällen in der Regel nicht angegeben. Im EEG findet sich häufig – aber nicht immer – ein korrelierendes Anfallsmuster, in der Regel in Form von rhythmischer Aktivität, die eine Evolution hinsichtlich Amplitude, Frequenz und Ausbreitung aufweist. Auch zwischen den Attacken zeigt das EEG bei Patienten mit nächtlichen Anfällen häufig epilepsietypische Potenziale (Spikes oder Sharp Waves), die – wenn vorhanden – im Schlaf-EEG besonders gut sichtbar werden. Bei entsprechendem Verdacht lohnt es daher, das nächtliche EEG in hoher zeitlicher Auflösung (10 oder 15 s pro Bildschirmseite) nach epilepsietypischen Potenzialen zu durchsuchen. Schwierig kann die Diagnose von schlafgebundenen epileptischen Anfällen dann werden, wenn korrelierende EEG-Anfallsmuster und interiktuale epilepsietypische Potenziale fehlen, wie es in 10–20 % der Patienten mit Frontallappenepilepsien der Fall ist (z. B. bei einem oberflächenfernen epileptogenen Areal wie etwa orbtitofrontal oder fronto-mesial. Dann ist man auf die Analyse und Interpretation der im Video dokumentierten motorischen Symptome angewiesen. Eine gewisse zusätzliche differenzialdiagnostische Hilfe kann noch das mitregistrierte EKG liefern. Während bei Non-REM-Parasomnien wie z. B. bei Pavor Nocturnus die Herzfrequenzbeschleunigung etwa zeitgleich mit den motorischen Symptomen einsetzt, beginnt sie im Fall von schlafgebundenen Anfällen oft schon mehrere Sekunden vor Einsetzen der motorischen Symptome. Die Abgrenzung des Schlafwandels zur REM-Schlaf-Verhaltensstörung ist ebenfalls nur mittels videobasierter Polysomnografie möglich, da die motorische Aktivierung und die Handlungsabfolge einem konkreten Schlafstadium zugeordnet werden muss. Um eine ausreichende Differenzierung der verschiedenen Diagnosen Schlafwandeln, nächtlichen epileptischen Anfällen und REM-Schlaf-Verhaltensstörung vorzunehmen, ist also in der Regel eine Video-Polysomnografie notwendig. Des Weiteren kann eine erweiterte EEG-Montage (10–20-EEG) notwendig sein, um epilepsietypische Aktivität während der Episoden und interiktual zu detektieren [50, 51]. Young P, Möddel G. Schlafwandeln und andere Non-REM … Akt Neurol 2014; 41: 225–236 231 232 Übersicht Abb. 5 Video-PSG einer Episode mit REM-Schlafverhaltensstörung. Arousal tritt aus dem REM auf und besteht in einer ausfahrenden schlagenden Bewegung des rechten Arms. Der Patient berichtet am darauffolgenden Morgen, dass er von einem ehemaligen Mitarbeiter geträumt habe, den er schlagen wollte, weil er ihn provoziert habe. Vor dieser Bewegung zeigen sich im EMG der Kinns und der Arme rezidivierende phasische Tonuserhöhungen. In den augennahen Ableitungen (EOG li. und re.) zeigen sich die für den REM-Schlaf namensgebenden schnellen Augenbewegungen (rapid eye movements, REM)PSG-Ableitung gem. der American Association of Sleep Medicine (AASM). Diagnostisches Vorgehen beim Schlafwandel und anderen Non-REM-Parasomnien ▼ Der klinische Verdacht einer Non-REM-Parasomnie ergibt sich in der Regel aus dem Anamnesegespräch und vor allem der Fremdanamnese. Häufig ist es notwendig in die Anamneseerhebung den Bett- oder Zimmerpartner mit einzubeziehen. Diese berichten typischerweise, dass komplexe Handlungen durchgeführt werden, dabei sind häufig die Augen des Patienten geöffnet. Es scheint auf den ersten Blick so, dass der Patient wach ist, er reagiert aber nicht adäquat auf Ansprache. Eine genaue Beschreibung der schlafbezogenen Verhaltensweisen ist oft sehr hilfreich in der Eingrenzung der Verdachtsdiagnose. Bei weiterem Vorgehen sollte die Tagesschläfrigkeit mittels Epworth- Schläfrigkeits-Skala oder andere evaluierten und validierten Testverfahren erhoben werden. Es sollte auch eine Frage zur Familiarität erfolgen. In der weiterführenden technischen Diagnostik ist dann die videobasierte PSG unerlässlich, um eine sichere Zuordnung des motorischen Phänomens, der komplexen Handlungsabfolgen auf ein spezifisches Schlafstadium zu beziehen. Die sichere Abgrenzung zu Arousals, die durch schlafbezogene Atmungsstörungen hervorgerufen werden kann in der PSG erfolgen. Die PSG hilft auch herauszufinden, ob es sich um eine Non-REM- oder REM-Parasomnie handelt [51]. Ebenfalls dient dann die PSG der Bewertung verschiedener Besonderheiten, die sich bei Non-REM-Parasomnie-Patienten gehäuft finden lassen. Hierzu ist eine genaue Betrachtung der Mikrostruktur des Schlafes der Patienten notwendig. Es zeigen sich gehäuft eine Young P, Möddel G. Schlafwandeln und andere Non-REM … Akt Neurol 2014; 41: 225–236 Übersicht Abb. 6 Video-PSG einer Episode eines nächtlichen epileptischen Anfalls bei einer Patientin mit Temporallappenepilepsie. Die Patientin ist vor dem Anfall wach. Mit Anfallsbeginn zeigt sich im EEG ein evolvierendes rhythmisches Muster, im Video zeigen sich dezente orale und manuelle Automatismen (Kauen, Schmatzen, Nesteln unter der Bettdecke). Postiktual ist die Patientin verwirrt und verlässt das Bett. PSG-Ableitung gem. der American Association of Sleep Medicine (AASM). Tab. 1 Vergleich der Klinischen und Elektrophysiologischen Merkmale von Schlafwandeln, nächtlichen Frontallappenanfällen und der REM-Schlaf-Verhaltensstörung. Schlafwandeln Nächtliche frontale Anfälle REM-Schlaf-Verhaltensstörung variabel < 40 % jederzeit Non-REM Stadium 2 (Leichtschlaf) > 50 Jahre selten letzte Hälfte der Nacht REM-Schlafstadium Verlassen des Bettes Kindheit 69–90 % 1. Drittel der Nacht Non-REM Stadium 3 (Tiefschlaf) 1–30 min 0–3/Woche einfach bis komplexe Handlungsabfolgen mit geöffneten Augen häufig wenige Minuten ( < 10 min) sehr variabel kurze ausfahrende Bewegungen, oft myokloniform (sog. jerks). Passend zu Traumerleben, Augengeschlossen häufig Spontanes Erwachen aus der Episode Traumerinnern Weck-Schwelle Autonome Aktivierung möglich möglich hoch wenig PSG häufig Mikroarousal aus Non-REM Stadium 3 (Tiefschlaf) möglich wenige Sekunden bis 3 min häufig (oft jede Nacht) Stereotype und für den Betrachter sinnlose Handlungen mit geöffneten Augen nicht im Anfall aber möglich in der Phase der EEG-Normalisierung selten nein nicht möglich im Anfall stark häufig bevor Motorik zu beobachten nur in 10 % epilepsietypische Muster Manifestationsalter Familienanamnese Auftreten in der Nacht Schlafstadium Dauer der Episoden Frequenz der Episoden Motorik, Handlungen Gefahr der Fremd- und/oder Eigenverletun vermehrte Arousalaktivität aus dem Non-REM Stadium 3 (Tiefschlaf, Deltaschlaf). Ebenfalls zeigt sich gehäuft, ohne dass eine motorische Aktivität aus dem Tiefschlaf direkt zu beobachten ist, eine autonome Aktivierung. Bei verschiedenen motorischen Aktivitäten aus dem Tiefschlaf kann häufiger auch eine hypersynchrone Deltaaktivität gefunden werden [52–54]. Diese können Hinweise auf das Vorliegen einer Non-REM-Parasomnie, wie ebenso auch die zyklischen alternierenden Muster (cyclic alternating pattern; CAP), die als Marker der Non-REM-Instabilität dienen. Bei uneindeutigem Befund und der Tatsache geschuldet, dass nur ca. 10 % der nächtlichen Frontallappenanfälle in der Polysomnografie elektropsychologisch auffallende Muster möglich häufig häufig niedrig keine keine Muskelatonie im REM oder rezidivierende phasische Muskelaktivität im REM-Schlafstadium möglich zeigen [55, 56], ist eine erweiterte EEG-Montage (nach dem 10–20-System) in der zweiten Nacht zu empfehlen. Die Detektion von epilepsietypischen Mustern mittels 10–20 System ist dann erhöht, da bekanntermaßen ca. die Hälfte der Patienten mit nächtlicher Frontallappenepilepsie interiktal und iktal epilepsietypische Muster (ETM) aufweisen [47]. Ein standardisiertes Vorgehen für die Diagnostik für Non-REM-Parasomnien im Schlaflabor mittels PSG und Video-EEG ist bislang nicht erstellt. In der klinischen Vorgehensweise empfiehlt es sich aus unserer Sicht in der ersten Nacht eine videobasierte Polysomnografie durchzuführen und dann in der zweiten Nacht eine erweiterte EEG-Ableitung zu montieren. Es gibt bislang aber keine höhere Young P, Möddel G. Schlafwandeln und andere Non-REM … Akt Neurol 2014; 41: 225–236 233 234 Übersicht Abb. 7 Nächtlicher epileptischer Anfall: Hypermotorischer Anfall mit komplexen proximal betonten Bewegungsautomatismen bei einem Patienten mit einer Frontallappenepilepsie infolge einer kortikalen Dysplasie rechts frontal. Der Bewegungsablauf ist von einem Anfall zum nächsten stereotyp, nach dem Anfall ist der Patient wach und sehr rasch reorientiert. Im korrelierenden EEG zeigt sich ein Anfallsmuster mit rhythmischem Spiking rechts frontal (Maximum über der Elektrode F4). Evidenz aus größeren Studien für diese Vorgehen und spiegelt persönliche Meinung der Autoren wieder und wird von verschiedenen Laboren durchaus unterschiedlich gehandhabt. Häufig kann es jedoch auch notwendig sein, dass nach 2-maliger Polysomnografie bei unsicherem anamnestischem Befund und differenzialdiagnostischem Verdacht auf Frontallappenanfällen eine erneute Video-EEG-Untersuchung unter epileptologischer Fragestellung durchgeführt werden muss. Je nach Häufigkeit der nächtlichen Ereignisse ist dann eine Ableitung über 2–7 Tage sinnvoll. Aus diesem Grund ist ein gute Kooperation und Kommunikation zwischen Schlafmedizinern und Epileptologen wichtig in der Differenzialdiagnostik des Schlafwandelns und anderer Non-REM-Parasomnien. Durch dieses diagnostische Vorgehen könnten letztendlich die unerwartet hohen Zahlen für die Prävalenz der Non-REM-Parasomnien in großen Kollektiven [57] besser zugeordnet werden. Danksagung ▼ Die Autoren bedanken sich bei Frau A. Okegwo und Herrn Dipl.Ing. C. Glatz für die hervorragende technische Assistenz und die Aufbereitung der Abbildungen. Young P, Möddel G. Schlafwandeln und andere Non-REM … Akt Neurol 2014; 41: 225–236 Übersicht Zur Person Prof. Dr. med. Peter Young ist Universitäts-Professor für Klinische Neurologie und Neurogenetik mit der Funktion des Direktors der Klinik für Schlafmedizin und Neuromuskuläre Erkrankungen im Department für Neurologie des Universitätsklinikums Münster. In die Klinik für Schlafmedizin und Neuromuskuläre Erkrankungen ist ein Bereich für Epileptologie integriert. Die besonderen wissenschaftlichen und klinischen Interessen sind die Gruppe der neuromuskulären Erkrankungen mit Schwerpunkt der erblichen Neuropathien, der Zusammenhang von Atmungsstörungen bei neuromuskulären Erkrankungen im Schlafen und im Wachen, die gesamte Gruppe der Parasomnien und die Genregulation von Schlafen und Wachen bei Hypersomnien und Insomnien. Interessenkonflikt ▼ P. Young hat in den letzten 5 Jahren Vortraghonorare der Firmen UCB Pharma, GENZY-ME, TEVA, Heinen und Löwenstein und ResMed erhalten. P. Young ist Mitglied im advisory board RLS der Firma UCB Pharma. G. Möddel hat in den letzten 5 Jahren Vortraghonorare der Firmen UCB Pharma und Eisai. Bezüglich der in dieser Übersicht vorgestellten Daten und Präparate gibt es keine Interessenkonflikte. Literatur 1 Brooks S, Kushida CA. Behavioral parasomnias. Curr Psychiatry Rep 2002; 4: 363–368 2 Parkes JD. The parasomnias. Lancet 1986; 2: 1021–1025 3 Boeve BF, Silber MH, Parisi JE et al. Synucleinopathy pathology and REM sleep behavior disorder plus dementia or parkinsonism. Neurology 2003; 61: 40–45 4 Schenck CH, Mahowald MW. Rapid eye movement sleep parasomnias. Neurol Clin 2005; 23: 1107–1126 5 Schenck CH, Bundlie SR, Mahowald MW. Delayed emergence of a parkinsonian disorder in 38 % of 29 older men initially diagnosed with idiopathic rapid eye movement sleep behaviour disorder. Neurology 1996; 46: 388–393 6 Frauscher B, Iranzo A, Gaig C et al. Normative EMG values during REM sleep for the diagnosis of REM sleep behavior disorder. Sleep 2012; 35: 835–847 7 Bassetti C, Vella S, Donati F et al. SPECT during sleepwalking. Lancet 2000; 356: 484–485 8 Terzaghi M, Sartori I, Tassi L et al. Dissociated local arousal states underlying essential clinical features of non-rapid eye movement arousal parasomnia: an intracerebral stereo-electroencephalographic study. J Sleep Res 2012; 21: 502–506 9 Oluwole OS. Lifetime prevalence and incidence of parasomnias in a population of young adult Nigerians. J Neurol 2010; 257: 1141–1147 10 Bjorvatn B, Gronli J, Pallesen S. Prevalence of different parasomnias in the general population. Sleep Med 2010; 11: 1031–1034 11 Petit D, Touchette E, Tremblay RE et al. Dyssomnias and parasomnias in early childhood. Pediatrics 2007; 119: e1016–e1025 12 Touchette E, Petit D, Tremblay RE et al. Risk factors and consequences of early childhood dyssomnias: New perspectives. Sleep Med Rev 2009; 13: 355–361 13 Kales A, Soldatos CR, Bixler EO et al. Hereditary factors in sleepwalking and night terrors. Br J Psychiatry 1980; 137: 111–118 14 Hublin C, Kaprio J, Partinen M et al. Prevalence and genetics of sleepwalking: a population-based twin study. Neurology 1997; 48: 177–181 15 Lecendreux M, Bassetti C, Dauvilliers Y et al. HLA and genetic susceptibility to sleepwalking. Mol Psychiatry 2003; 8: 114–117 16 Winkelmann J, Lichtner P, Putz B et al. Evidence for further genetic locus heterogeneity and confirmation of RLS-1 in restless legs syndrome. Mov Disord 2006; 21: 28–33 17 Santin J, Mery V, Elso MJ et al. Sleep-related eating disorder: a descriptive study in Chilean patients. Sleep Med 2014; 15: 163–167 18 Agargun MY, Cilli AS, Sener S et al. The prevalence of parasomnias in preadolescent school-aged children: a Turkish sample. Sleep 2004; 27: 701–705 19 Guilleminault C, Palombini L, Pelayo R et al. Sleepwalking and sleep terrors in prepubertal children: what triggers them? Pediatrics 2003; 111: e17–e25 20 Ebrahim IO. Somnambulistic sexual behaviour (sexsomnia). J Clin Forensic Med 2006; 13: 219–224 21 Schenck CH, Arnulf I, Mahowald MW. Sleep and sex: what can go wrong? A review of the literature on sleep related disorders and abnormal sexual behaviors and experiences. Sleep 2007; 30: 683–702 22 Reid WH, Ahmed I, Levie CA. Treatment of sleepwalking: a controlled study. Am J Psychother 1981; 35: 27–37 23 Reid WH, Haffke EA, Chu CC. Diazepam in intractable sleepwalking: a pilot study. Hillside J Clin Psychiatry 1984; 6: 49–55 24 Oudiette D, Constantinescu I, Leclair-Visonneau L et al. Evidence for the re-enactment of a recently learned behavior during sleepwalking. PLoS One 2011; 6: e18056 25 Hurwitz TD, Mahowald MW, Schenck CH et al. A retrospective outcome study and review of hypnosis as treatment of adults with sleepwalking and sleep terror. J Nerv Ment Dis 1991; 179: 228–233 26 Kahn A, Van de Merckt C, Rebuffat E et al. Sleep problems in healthy preadolescents. Pediatrics 1989; 84: 542–546 27 Mahowald MW, Rosen GM. Parasomnias in children. Pediatrician 1990; 17: 21–31 28 Hublin C, Kaprio J. Genetic aspects and genetic epidemiology of parasomnias. Sleep Med Rev 2003; 7: 413–421 29 Schenck CH, Boyd JL, Mahowald MW. A parasomnia overlap disorder involving sleepwalking, sleep terrors, and REM sleep behavior disorder in 33 polysomnographically confirmed cases. Sleep 1997; 20: 972–981 30 Brunia CH, van Boxtel GJ. Anticipatory attention to verbal and nonverbal stimuli is reflected in a modality-specific SPN. Exp Brain Res 2004; 156: 231–239 31 Zaiwalla Z. Parasomnias. Clin Med 2005; 5: 109–112 32 Schenck CH, Mahowald MW. Review of nocturnal sleep-related eating disorders. Int J Eat Disord 1994; 15: 343–356 33 Chiang A, Krystal A. Report of two cases where sleep related eating behavior occurred with the extended-release formulation but not the immediate-release formulation of a sedative-hypnotic agent. J Clin Sleep Med 2008; 4: 155–156 34 Provini F, Antelmi E, Vignatelli L et al. Association of restless legs syndrome with nocturnal eating: a case-control study. Move Disord 2009; 24: 871–877 35 Howell MJ, Schenck CH. Restless nocturnal eating: a common feature of Willis-Ekbom Syndrome (RLS). J Clin Sleep Med 2012; 8: 413–419 36 Howell MJ, Schenck CH. Treatment of nocturnal eating disorders. Curr Treat Options Neurol 2009; 11: 333–339 37 Montplaisir J, Petit D, Pilon M et al. Does sleepwalking impair daytime vigilance? J Clin Sleep Med 2011; 7: 219 38 Oudiette D, Leu S, Pottier M et al. Dreamlike mentations during sleepwalking and sleep terrors in adults. Sleep 2009; 32: 1621–1627 39 Desautels A, Zadra A, Labelle MA et al. Daytime somnolence in adult sleepwalkers. Sleep Med 2013; 14: 1187–1191 40 Zadra A, Pilon M. NREM parasomnias. Handb Clin Neurol 2011; 99: 851–868 41 Broughton RJ, Shimizu T. Sleep-related violence: a medical and forensic challenge. Sleep 1995; 18: 727–730 42 Schenck CH, Mahowald MW. A polysomnographically documented case of adult somnambulism with long-distance automobile driving and frequent nocturnal violence: parasomnia with continuing danger as a noninsane automatism? Sleep 1995; 18: 765–772 43 Zadra A, Desautels A, Petit D et al. Somnambulism: clinical aspects and pathophysiological hypotheses. Lancet Neurol 2013; 12: 285–294 44 Pilon M, Montplaisir J, Zadra A. Precipitating factors of somnambulism: impact of sleep deprivation and forced arousals. Neurology 2008; 70: 2284–2290 45 Schenck CH, Bundlie SR, Ettinger MG et al. Chronic behavioral disorders of human REM sleep: a new category of parasomnia. Sleep 1986; 9: 293–308 46 Schenck CH, Hurwitz TD, Mahowald MW. REM sleep behavior disorder. Am J Psychiatry 1988; 145: 652 Young P, Möddel G. Schlafwandeln und andere Non-REM … Akt Neurol 2014; 41: 225–236 235 236 Übersicht 47 Provini F, Plazzi G, Tinuper P et al. Nocturnal frontal lobe epilepsy. A clinical and polygraphic overview of 100 consecutive cases. Brain 1999; 122: 1017–1031 48 Bernasconi A, Andermann F, Cendes F et al. Nocturnal temporal lobe epilepsy. Neurology 1998; 50: 1772–1777 49 Schenck CH, Mahowald MW. REM sleep behavior disorder: clinical, developmental, and neuroscience perspectives 16 years after its formal identification in SLEEP. Sleep 2002; 25: 120–138 50 Tinuper P, Provini F, Bisulli F et al. Movement disorders in sleep: guidelines for differentiating epileptic from non-epileptic motor phenomena arising from sleep. Sleep Med Rev 2007; 11: 255–267 51 Derry CP, Davey M, Johns M et al. Distinguishing sleep disorders from seizures: diagnosing bumps in the night. Arch Neurol 2006; 63: 705–709 52 Pilon M, Zadra A, Joncas S et al. Hypersynchronous delta waves and somnambulism: brain topography and effect of sleep deprivation. Sleep 2006; 29: 77–84 53 Guilleminault C. Hypersynchronous slow delta, cyclic alternating pattern and sleepwalking. Sleep 2006; 29: 14–15 54 Pressman MR. Hypersynchronous delta sleep EEG activity and sudden arousals from slow-wave sleep in adults without a history of parasomnias: clinical and forensic implications. Sleep 2004; 27: 706–710 55 Malow BA, Kushwaha R, Lin X et al. Relationship of interictal epileptiform discharges to sleep depth in partial epilepsy. Electroencephalogr Clin Neurophysiol 1997; 102: 20–26 56 Malow BA. Paroxysmal events in sleep. J Clin Neurophysiol 2002; 19: 522–534 57 Ohayon MM, Mahowald MW, Dauvilliers Y et al. Prevalence and comorbidity of nocturnal wandering in the U.S. adult general population. Neurology 2012; 78: 1583–1589 Young P, Möddel G. Schlafwandeln und andere Non-REM … Akt Neurol 2014; 41: 225–236