Hochtemperatur-Supraleitung M. Wittenberg und J. Kalden 22. Januar 2004 1 1.1 Einleitung Entdeckung der Supraleitung Anfang des letzten Jahrhunderts machten Physiker eine interessante Entdeckung. 1911 fanden Kamerlingh Onnes, die kurz zuvor erstmals flüssiges Helium hergestellt hatten, dass Quecksilber bei Temperaturen unter 4.5K jeglichen elektrischen Widerstand verliert. Normalerweise gilt für Metalle R (T ) = R0 + aT 2 + bT 5 aber hier fiel der Widerstand auf exakt Null ab (Die Theorie zeigt exakt Null, im Experiment konnte gezeigt werden, dass Er um mindestens 20 Zehnerpotenzen fällt) . Man hatte also einen neuen Zustand gefunden, den Zustand der Supraleitung. In diesem Zustand gilt innerhalb des Materials ~ = 0. σ = ∞, B Dieser Zustand stellt sich ein, sobald die sogenannte Sprungtemperatur Tc ~ =0 unterschritten wird, und zwar (wie der Name schon sagt) sprunghaft. B heisst, dass die innere Magnetisierung das äußere Feld exakt kompensiert, also χ = −1. Man versuchte sich auch an anderen Metallen und stellte fest, dass sich die Supraleiter aufs ganze Periodensystem verteilen. Allerding ist erstaunlich (aber erklärbar), warum die guten Normalleiter nicht (oder nur bei sehr kleinen Sprungtemperaturen) supraleiten. 1.2 Keramische bzw. CuO2 -Supraleiter Neben den eigentlichen Supraleitern fand man 1986 eine neue Klasse von Supraleitern. Bis dato hielt eine Niob-Verbindung den Rekord für die höchste Sprungtemperatur - bei 23,2K. Um flüssigen Stickstoff nutzen zu können, fehlten mehr als 50K. Doch dann fand man heraus, dass einige CuO2 Verbindungen bei Temperaturen von bis zu 40K plötzlich ihren Widerstand verloren. Diese Temperatur konnte immer weiter gesteigert werden, und mittlerweile bewegen sich die Rekorde bei 150K. Viele der heute bekannten Hochtemperatur-Supraleiter sind keramischer Natur oder eben CuO2 Verbindungen. 1 1.3 Typ-II-Supraleiter Bleibt noch zu klären, warum man in verschiedene Typen unterteilt. Während die Supraleiter von Onnes alle metallisch waren, bestehen die Typ-II-Supraleiter aus Verbindungen, die unter normalen Umständen nie in den Verdacht geraten wären, als Leiter in Frage zu kommen. Viele Hochtemperatur-Supraleiter sind Keramiken, die entsprechend verunreinigt wurden. Außerdem unterscheiden sie sich bei der Untersuchung des Meißner-Ochsenfeld-Effekts. Denn während die Typ-I-SL eine Sprungtemperatur haben, bei der der elektrische Widerstand verschwindet, haben die Typ-II-SL zwei Sprungtemperaturen. Die Tiefere beschreibt die Temperatur, bei der der SL komplett supraleitend wird. Im Bereich zwischen den beiden spezifischen Temperaturen ist der SL immer noch supraleitend, aber das Magnetfeld kann bereits teilweise eindringen, wodurch die Leitfähigkeit langsam schlechter wird. Oberhalb der oberen Grenztemperatur ist der SL allenfalls normalleitend, wenn er überhaupt leiten sollte. Zu den Typ-II-SL gehören unter anderem die oben erwähnten CuO2 -SL und Keramik-SL sowie auch die hier benutzte Niob-Verbindung! 1.4 Cooper-Paare Was passiert, wenn ein Material supraleitend wird? Bei tiefen Temperaturen findet eine Art Phasenübergang statt, bei dem je zwei Elektronen ein sogenanntes Cooper-Paar bilden. Während Elektronen dem Pauliprinzip unterliegen, tun Cooperpaare das nicht, da sie ganzzahligen Spin haben. Das ermöglicht letztendlich den widerstandsfreien Ladungstransport. Auch in der Bildung der Cooper-Paare unterscheiden sich die beiden SL-Typen, auf eine Beschreibung verzichten wir an dieser Stelle. 1.5 Meißner-Ochsenfeld-Effekt (MOE) Bringt man eine noch normal leitende Probe in ein Magnetfeld, so wird sie erst mal von dem Magnetfeld durchsetzt (µ ≈ 1, keine Ferromagnetika). Kühlt man anschliessend unter die Sprungtemperatur ab, so verdrängt die Probe das Magnetfeld vollständig aus sich heraus, Binnen = 0. Dadurch wird die Probe vom Magnetfeld abgestossen. Binnen = 0 ist gleichbedeutend mit χ = −1, was einen perfekten Diamagneten beschreibt. Als Erklärung sagt die London-Theorie, dass sich auf einer sehr dünnen Oberflächenschicht des Leiters Abschirmströme ausbilden. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass der Umkehrschluss - Diamagnetismus ist auf ideale Leitfähigkeit zurückzuführen - falsch ist! 2 1.6 London-Theorie der Supraleitung Um den Rahmen dieses Protokolls nicht zu sprengen, beschränken wir uns hier auf eine phänomenologische Einführung. Die Theorie nimmt ihren Ausgangspunkt in der Überlegung, dass die in der Oberfläche fließenden elektrischen Dauerströme, die das Eindringen eines magnetischen Feldes verhindern, nicht in einer unendlich dünnen Schicht fließen können. Aus der Vorstellung, dass die Elektronen in Folge ihrer endlichen Masse eine gewisse Trägheit haben, erhält man die Größe dieser endlichen Eindringtiefe eines magnetischen Feldes in einen Supraleiter. Es dauert eine bestimmte endliche (aber sehr kurze) Zeit bis die Ströme ganz ausgebildet sind. In dieser Zeit kann das B-Feld ein Stück in den Supraleiter eindringen. Die erste Londonsche Gleichung findet man eben aus diesem Trägheitsgesetz der Elektronen: d ³ ~´ λ·j , dt m ~ mit λ = ne 2 , j=Stromdichte, m = Masse des Elektrons, e = Elektronenladung und n = Konzentration der supraleitenden Ladungsträger (in dieser Theorie unbekannt). Sie liefert jedoch nicht den oben beschriebenen Meißner-Ochsenfeld-Effekt; dieser wird erst durch die zweite Londonsche Gleichung erklärt: ³ ´ ~ rot λ · ~j = −B, mit B = magn. Induktion. Die erste und zweite Londonsche Gleichung treten für den Fall der Supraleitung an die Stelle des Ohmschen Gesetzes. 2 2.1 Durchführung und Auswertung Nachweis der Supraleitung durch den Schwebetest In diesem Versuchsteil wurden verschiedene Proben mit LN2 gekühlt und anschließend in ein Magnetfeld gebracht. Dabei konnten wir drei verschiedene Reaktionen beobachten. Zum einen gab es Proben, die ihr Verhalten gar nicht änderten. Dann gab es Proben, die den MOE zeigten, also als Hochtemperatur-SL eingestuft werden konnten. Außerdem gab es zwei Proben, die zwar nicht schwebten, aber beim Gleiten über den Magneten deutlich abgebremst wurden. Letztgenannte Proben waren ein Kupferring und ein amerikanischer Cent. Da ihr elektrischer Widerstand mit der Temperatur geht, war er bei 77K gering genug, so daß sich Wirbelströme in der Probe ausbilden konnten. Diese streben dem Gleiten durch das Magnetfeld entgegen, und so wurden die Proben abgebremst. Wir konnten hier auch beobachten, dass die Abbremsung bei Zimmertemperatur wesentlich geringer war als bei 77K, was auch auf die Temperaturabhängigkeit des Widerstands deutet. 3 Die supraleitenden Proben wurden anschließend noch einmal auf andere Weise untersucht. Wir brachten ein auf 77K gekühltes SL-Pellet über einen Magneten, der in einem dursichtigen Dewar-Gefäß angebracht war. Es schwebte dort über dem Magneten, bis es auf Grund der Erwärmung langsam absank und auf dem Magnet zu liegen kam. Während es schwebte, konnten wir das Pellet anstossen, so dass es rotierte. Eine Videoaufnahme davon ist zu sehen unter http://www.jkalden.de/supra2.avi. Nachdem das Pellet auf den Magneten gesunken war, übergossen wir beides mit LN2 und beobachteten, dass das Pellet erneut abhob (http://www.jkalden.de/supra1.avi). Damit ist der MOE gezeigt, denn anders als beim ersten Teil konnten hier keine Wirbelströme entstehen wie z.B. beim Eindringen in ein Magnetfeld. Abbildung 1: Schwebendes Supraleiter-Pellet über 4-Pol-Magnet 2.2 2.2.1 Widerstandsmessung Widerstandsmessung an dickem Kupferdraht Das Problem der folgenden Versuchsteile war vor allen Dingen, dass die Messgeräte im Grenzbereich betrieben werden mussten, um überaupt was zu messen. Das ist natürlich eine relevante Felerquelle. Um die Tücken der Widerstandsmessung kennenzulernen, sollten wir den Widerstand eines Kupferdrahtes in Abhängigkeit von Länge, Geometrie und Temperatur bestim4 men. Dazu maßen wir den Widerstand eines 40cm langen, etwa 4, 05mm dicken Drahtes als erstes mit einem einfachen Multimeter. Die Anzeige des Multimeter schwankte stark zwischen Werten im Bereich von 0 bis 1 Ω. Anschließend wiederholten wir die Messung mit dem qualitativ hochwertigeren HP-Multimeter. Es zeigte 80mΩ. Nun maßen wir mittels 4-Punktmessung noch einmal den Widerstand. Nun wurden 9mΩ gemessen. Diese Werte stellen im Wesentlichen den Innenwiderstand der Messgeräte dar und sagen leider nichts über den Widerstand des Drahtes. Dann wurde am Netzgerät ein Strom von 1A bei einer Spannung von 0, 42V eingestellt. Dann wurde die Länge des zu messenden Drahtes variiert und die Spannung entlang des Drahts zwischen den Kontakten gemessen. Folgendes Diagramm ergibt sich aus den Messdaten: Abbildung 2: Widerstand in µΩ in Abhängigkeit von der Länge in cm Aus der von Excel eingefügten Ausgleichsgeraden lässt sich der Widerstand pro Länge berechnen. Er beträgt 22, 46 µΩ cm . Dieser Wert stimmt von der Größenordnung her, ist aber noch sehr ungenau. Der Offset ergibt sich aus dem Eigenwiderstand der Geräte und Messdrähte. 2.2.2 Vergleichsmessung an dünnem Draht Hier wurde der Widerstand eines etwa 1m langen Kupferdrahtes (Durcmesser etwa 1, 3mm mit Schutzlack, also tatsächlich d ≈ 1, 2mm) sowohl bei Raumtemperatur als auch bei 77K gemessen. Folgende Messwerte kamen zu Stande: 5 Temperatur in K Widerstand in mΩ 293 17,567 77 3,08 Für den Widerstand gilt ρ·l , A wobei l die Länge, A die Querschnittsfläche und ρ der spezifische Widerstand ist. A ist durch den Durchmesser gegeben, l ebenfalls. ρ (20◦ C) = 1, 78µΩ · cm, daraus ergibt sich bei unseren Werten ein theoretischer Widerstand von Rtheor = 15, 74mΩ, der Fehler beträgt also 13%. Die Temperaturabhängigkeit des Widerstands ist wie folgt gegeben: R= RT = R20◦ [1 + α(T − 20◦ C)] Für Kupfer ist α = 3, 9 · 10−3 K −1 . Daraus ergibt sich R77K = 2, 48mΩ. Aus Ashcroft-Mermin: Solid State Physics, Tabelle 1.2 ist ρ(77K) = 0, 2µΩcm, damit ergibt sich ein theoretischer Widerstand von etwa 1, 76mΩ bei 77K. Das entspricht etwa 58% des Messwertes. Die theoretischen Werte unterscheiden sich um einen Faktor 8,9, während sich die Experimentellen nur um den Faktor 5,7 unterscheiden. Die Gründe hierfür sind zum einen, dass diese lineare Gleichung eine Näherung im Bereich der Raumtemperatur darstellt; noch mehr aber wohl, dass unser Kupferdraht kein perfekter Cu-Kristall, sondern ein verschmutzer und durch viele Benutzungen (Verbiegen etc) auch strukturell minderwertiger Kristall ist. Wir vermaßen auch einen industriell gefertigten Widerstand, der auf Platinen Verwendung findet. Wir konnten aber keine Abweichung vom Nennwiderstand von 1kΩ bei 77K feststellen. 2.3 R-T-Kennlinie des Hochtemperatur-Supraleiters Zum Abschluss des Versuchs wurden nun noch R-T-Kennlinien eines SL aufgenommen. Es wurden insgesamt drei Kennlinien gemessen. Dabei wurde ein Silberstreifen benutzt, in den supraleitende Filamente eingebracht waren. An diesem Silberstreifen wurde ein PT100-Widerstandsthermometer angebracht. Dieses misst einen Referenzwiderstand, der bei 0◦ C exakt 100Ω groß ist. Dann kann man an Hand einer Tabelle für den jeweils gemessenen Widerstand eine Temperatur ablesen. Am Supraleiter wurde eine -PolSpannungsmessung durchgeführt. Da Spannung und Widerstand proportional sind (U = R · I), war das hier irrelevant, denn wir wollten ja nur die Sprungtemperatur messen. Diese Messung wurde mit zwei verschiedenen Strömen durchgeführt. Bei beiden Kurven sieht man zunächst einen linearen Abfall der Spannung bei sinkender Temperatur. Es sind die Eigenschaften des Silbers, die hier gemessen werden. Beide Male knickt die Kurve bei 6 etwa 37Ω ein, was einer Sprungtemperatur von etwa 117K entspricht. Die letzte Kurve entstammt der Messung, bei der wurde ein Permanentmagnet an dem Silberstreifen angebracht war. Daraufhin knickt die Kurve erst bei 32, 5Ω ein, was der Temperatur von 106K gleich kommt. Abbildung 3: 7 Abbildung 4: Abbildung 5: 8