01/2013 Haftpflichtschäden sind nicht die Hauptsache in der Medizin Von der Skandalisierung zur Vertrauensbildung Liebe Leserinnen und Leser, sehr geehrte Damen und Herren, in einem Brennpunkt-Thema befasste sich der Informationsdienst 3/4/2012 mit der Arzthaftung in Deutschland und Europa und der Frage: Wo wollen wir hin? Das Problem sind wirklich nicht die tatsächlichen Fehlleistungen, die berechtigte Schadenersatzansprüche auslösen - jeder Fehler ist schlimm genug -, sondern die Größenordnungen des Schadenersatzes und die dynamischen Entwicklungen von bereits ausgeurteilten oder entschiedenen Schadenersatzansprüchen in der Höhe. Die Politik ist auf die Finanzierungsnotwendigkeit eines ausreichenden Haftpflicht-Versicherungsschutzes aufmerksam geworden. Gemeinsam haben wir aber auch Themen und Stellschrauben identifiziert, die zu anderen Lastenverteilungen beitragen könnten. Lesen Sie dazu auf den Folgeseiten unsere Bestandsaufnahme März/2013. Ihr Manfred Klocke 1 INFO-DIENST Wir sind ein halbes Jahr weiter, alle Krankenhäuser in Deutschland haben auch zum Ende des Jahrs 2012 Haftpflichtversicherungsschutz bekommen, die am Markt agierenden Haftpflichtversicherer haben unter großen Mühen einen Deckungsnotstand verhindert. Wen wundert eigentlich die Zurückhaltung der Versicherungswirtschaft, wenn in der Diskussion um das Patientenrechtegesetz medial der Fehler in der Medizin in den Mittelpunkt der „Abendunterhaltung“ gestellt wird und in Patientenumfragen die größten Sorgen der Patienten sind, dass sie vom Arzt falsch behandelt werden könnten oder sich wegen fehlender Hygiene Infektionen „einfangen“. Das besondere Thema Haftpflichtversicherung für Krankenhäuser und Gesundheitsberufe Eine Zwischenbetrachtung März 2013 U nsere patientenorientierte Rechtsprechung (auch das Patientenrechtegesetz) und der in den Schadenersatz einfließende hohe Lebensstandard, inkl. der Kosten einer sehr guten Patientenversorgung und den umfassenden Möglichkeiten von Rehabilitation und häuslicher Pflege, bestimmen den Leistungsaufwand der Versicherungswirtschaft für schuldhaft verursachte Personenschäden. Dies gilt generell: Kraftfahrzeughaftpflicht, Produkthaftpflicht, Privat- und Betriebshaftpflicht und ist nicht nur ein Phänomen in der Versicherung von Heilberufen und Krankenhäusern. Die Prämiensteigerungen betrugen bei zu sanierenden Verträgen zwischen 25 und 50%, bei notwendig werdenden Umdeckungen wegen Vertragskündigungen der Vorversicherer Zurich / Westf. Provinzial Nord/West Münster 50 und 100% oder zum Teil mehr. Der an sich unbestrittene Prämienmehrbedarf von rd. 150 bis 200 Mio. Euro pro Jahr für die Haftpflichtversicherung der Krankenhäuser und ihrer Mitarbeitenden in Deutschland ist in der Politik angekommen. Wir haben dazu ein Positionspapier verfasst, das ausgetauscht ist und das Sie auf Seite 4 nachlesen können. INFO-DIENST 01/2013 2 Krankenhäuser haben neben den höheren Prämien Einschränkungen in der Versicherungssumme, sowohl in der Höhe (von 15 Mio. auf 10 Mio. oder 7,5 Mio. Euro) als auch in der Breite (2-3fache Jahresmaximierung) vereinbart. Dieses sind Themen, die jetzt unter Kapazitätsgesichtspunkten mit der Assekuranz aufzuarbeiten sind. Die weitere Aufgabe, wieder mehr Versicherungsanbieter zu gewinnen, ist ebenso vordringlich. In der Gesundheitswirtschaft haben wir es allerdings mit einer natürlich gegebenen Risikokonzentration und relativ wenigen versicherten Personen/ Institutionen zu tun. Versicherer-Markt oder Einheitslösungen, lange Verjährungsstrecken und unbegrenzte Haftungshöhen oder neue eingrenzende gesetzliche Regelungen? Diese Fragen werden nach einem Jahr der Vertragssanierung und Neueindeckung in der Haftpflichtversicherung für Krankenhäuser vor einem enormen Kostendruck derzeit diskutiert. bei dem engen Anbieter-Markt es gelungen ist, ursprüngliche Forderungen der Versicherer um etwa 8 Mio. Euro reduziert zu bekommen. Politische Stellschrauben Bringen wir es fertig, die dem medizinischen Handeln zuzuordnenden Risikokosten im Gesundheitssystem zu finanzieren und damit den „Komfort“ unseres Rechts- und Schadenersatzsystems zu sichern? Unsere Unternehmensgruppe war mit 560 Krankenhäusern betroffen. Zum Teil wurden Mehrjahresschritte vereinbart, für einige Verträge nur erste Schritte, und rd. 270 Krankenhäuser in unserer Betreuung werden erst in diesem oder dem nächsten Jahr angesprochen werden. Bei den verständlichen Sorgen über die hohen Mehrkosten ist den Krankenhäusern kaum bewusst geworden, dass auch Wo wirken sich politische Akzente nicht direkt auf die Dienstleister und die Patienten aus? Sind Risikofinanzierungen zum Beispiel pro Geburt (250 bis 350 Euro) denkbar? So etwas wäre enorm systementlastend und zielgerichtet investiert. Risikokosten sind zum Beispiel MDC basiert kalkulierbar. Lesen Sie bitte dazu auch Franz-Michael Petry „Können wir uns die Geburt von Kindern nicht mehr leisten?“ auf Seite 5. Die von uns aufgeworfene Frage nach den Krankenkassen-Regressen, 25 bis 30% der Zahlungen der Assekuranz, wird bereits politisch diskutiert. Weniger Versicherungssteuer speziell für die Haftpflichtversicherung der Krankenhäuser und Ärzte wäre einfach, ist aber wohl nicht durchsetzbar. Haftungsbegrenzungen bedeuten Systemveränderungen und sind sehr langfristig zu planen (siehe Schweden). Ob sie notwendig sind, wenn es im Gesamtgesundheitssystem um 150 bis 200 Mio. Euro Haftpflichtprämie geht, ist fraglich. Ärzten selbst auf Claims-Made-Basis enger als in Deutschland. Wir haben sechs zeichnende Versicherer bundesweit – einige Regionalversicherer und die kommunalen Schadenausgleiche. Auch in Österreich wird über Versicherer, die im Land ansässig sind und mit dem Land verbunden sind, noch eingegrenzt aber ausreichend Versicherungsschutz zur Verfügung gestellt. Namhaft ist beispielsweise in Italien kein italienisches Unternehmen in diesem Markt tätig. In Europa und zum Teil weltweit sieht die Assekuranz wenig Motivation, auf den deutschen Heilwesen-Haftpflichtmarkt zu kommen - eine zu leistende Überzeugungsarbeit in der Zukunft. Soweit unser Zwischenbericht Stand März 2013. Patientenrechtegesetz Manfred Klocke Die Versicherungspflicht für Ärzte wirft noch einige zu lösende Fragen auf: Höhe der Versicherungssummen, Insolvenzsicherungen bei Stellung des Versicherungsschutzes durch den Arbeitgeber; in diesem Zusammenhang auch Selbstbehalte in den Krankenhauspolicen und auch die Administration der Kontrollen. Inhalt Titelthema Haftpflichtschäden sind nicht die Hauptsache in der Medizin 1 Das besondere Thema Haftpflichtversicherung für Krankenhäuser und Gesundheitsberufe 2 Haftpflichtversicherungsprämien für Krankenhäuser und Ärzte 4 Können wir uns die Geburt von Kindern nicht mehr leisten? 5 Patientenrechtegesetz 2013 6 Nachrichten und Aktuelles IHK würdigt Ausbildungsarbeit der Ecclesia Gruppe 7 Aus den Märkten Zypern als Blaupause für Europa? 8 Reise Ertrunken? Eine Frage der Beweisführung 10 Weltjugendtag in Rio de Janeiro 11 Versicherungspraxis Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, das derzeitige Occurrence Versicherungsprinzip aufrecht zu erhalten; wie gehen wir bei Claims-Made neben der Frage der Anschlussdeckung mit Insolvenzen und Ruhestand um? Europa In der Ecclesia Gruppe arbeiten wir in Belgien, Österreich, der Schweiz, Italien und Polen. In vielen Ländern sind die Märkte für die Haftpflichtversicherung von Krankenhäusern und Zähes Ringen um Beträge 12 Ausschluss „Schwamm“ – BGH präzisiert Begriff 14 Klein, rund, lebensrettend 16 Bargeld besser unter Verschluss verwahren 19 Schadenpraxis Von Datenfressern und anderen Desastern 20 Loch in der Leinwand 22 Rechtsprechung Vermeidbarer Sturz einer Heimbewohnerin 23 Sturz außerhalb des Pflegeheims 25 3 INFO-DIENST 01/2013 QM und RM sind mehr als CIRS, wofür wollen die Kostenträger wieviel zahlen? Lesen Sie dazu auch Dr. Peter Gausmann auf Seite 6. +++ Positionen der Ecclesia Gruppe / Anregungen für die Politik +++ Haftpflichtversicherungsprämien für Krankenhäuser und Ärzte Patientenrechtegesetz / Qualitätsdiskussion / Beeinflussbare Faktoren E s ist wichtig, dass die Diskussion um das Patientenrechtegesetz abflacht und wir eine Umkehr von der Skandalisierung zur Vertrauensbildung in das Gesundheitswesen und das Handeln der Ärzte und Pflegenden bekommen. Klärungsbedürftig ist die Frage, inwieweit die Mithilfe der Sozialversicherungsträger bei von Patienten vermuteten Fehlleistungen nach dem Patientenrechtegesetz ausgeweitet werden soll. Die Versicherungswirtschaft wird in den Medien überwiegend neutral/freundlich behandelt. Es leuchtet ein, dass unsere patientenfreundliche Rechtsprechung und die dadurch zu übernehmenden Schadenersatzkosten, die durch Wohlstand, Gesundheitskosten (Personal/ medizinischer Fortschritt/Lebenserwartung etc.) und das Anspruchsverständnis in unserem Land beeinflusst sind, finanziert werden müssen. Weiter besteht die Frage von Besitzstand/Anspruchsgrundlage/Anspruchshöhen und „linke Tasche/rechte TascheKosten“ sowie deren Finanzierungsmöglichkeiten durch Krankenhäuser und medizinische Dienstleistungserbringer. Kernpunkte: 1. Schadenersatzbegehren / Verfahrensdauern 1.1. Ist mit der gesetzlichen Verpflichtung der Sozialversicherungsträger zur Patientenunterstützung auch an eine „Eigenfinanzierung“ durch vermehrte Regresse gedacht? INFO-DIENST 01/2013 4 1.2. Kann die Unterstützung zur Sachverhaltsaufklärung mit den Gutachter- und Schlichtungsstellen gekoppelt werden? Stichwort: Personalressourcen! die bei der Schadenbearbeitung und Finanzierung nicht helfen. 1.3. Zwar werden nur 20-25% aller Anspruchsbegehren durch Gerichte entschieden, es handelt sich dabei allerdings um die gravierendsten Fälle! Hilfreich wäre eine Spezialisierung und Konzentration der zuständigen Gerichte (pointiert: Vermeidung der Entscheidungen „post mortem“). Vielfach wird die Frage nach einem Risiko-Pooling auf einen Spezialversicherer diskutiert. Dies hilft den Krankenhäusern und Kostenträgern nicht, Wettbewerb ist nötig. 2. Anspruchsfristen / Anspruchshöhen 2.1. Derzeit: Verjährung 30 Jahre / unbegrenzt. 2.2. Ist die politisch derzeit bewegte Begrenzung der Haftung für „medizinische Fehlleistung/Arzthaftung“ (auch Hebammen, Pflege etc.?) politisch wirklich machbar und für Deutschland wünschenswert? Was ist mit anderen Berufen? 3. „Linke Tasche / rechte TascheKosten“ 3.1. Derzeit machen die Regresse der Sozialversicherungsträger nach Behandlungsfehlern rund 25-30% der Versichererzahlungen aus. 3.2. Eine Prämienerhöhung von 500.000 auf 1 Mio. Euro kostet die Krankenhäuser/Kostenträger rd. 100.000 Euro Versicherungssteuer, die nicht absetzbar ist. Bei 500 Mio. Euro Prämienaufkommen in Deutschland = 80 Mio. Euro, •Reduzierte Sätze (sh. Feuer) oder Erstattungsregelungen? Wenn das bisherige patientenfreundliche und nach anerkannter Rechtsmeinung richtige Schadenkompensationssystem mit seiner Präventionswirkung erhalten bleiben soll, gibt es zur Finanzierung der dazu notwendigen Aufwendungen nur wenige Stellschrauben. 4. Qualitäts- und Risikomanagement Hierzu für Krankenhäuser und Ärzte finanzielle Anreize zu bieten, ist der richtige Weg; wir kennen viele Projekte, in denen sich ein eingehaltenes Unternehmensziel QM/RM auch auf der Kostenseite positiv auswirkt. Der Weg dorthin kostet Geld (Stichworte: Organisationsveränderungen, KTQ-, pCCZertifizierungen und notwendige Strukturveränderungen etc.). Die bloße Teilnahme an einem nationalen CIRS ist ein Nebenprodukt. QM/RM müssen gelebt und nachgewiesen werden (Zertifikate). Detmold, Januar 2013 Manfred Klocke Aus Deutsche Hebammen Zeitschrift 3/2013 INFO-DIENST 01/2013 5 Aus KU Gesundheitsmanagement 4/2013 INFO-DIENST 01/2013 6 Nachrichten und Aktuelles Aus der Gruppe IHK würdigt Ausbildungsarbeit der Ecclesia Gruppe F ür besondere Bemühungen um den Fachkräftenachwuchs hat die Industrie- und Handelskammer Lippe zu Detmold die Ecclesia ausgezeichnet. IHK-Hauptgeschäftsführer Axel Martens (Foto rechts) überreichte im Februar eine Urkunde der Initiative „Nordrhein-Westfalen. Doppelt stark.“, bei der die Ecclesia Gruppe mitwirkt. „Mit ihrem großen Engagement über Jahre hinweg weist die Ecclesia den Weg für die dauerhafte Bindung motivierter junger Leute an die Region“, sagte er. In einem Jahr, in dem es doppelt so viele Abiturienten gebe wie sonst, sei das besonders wichtig (Nordrhein-Westfalen). Im Sommer beginnen in Detmold 26 junge Leute ihre Ausbildung, davon 22 mit dem Ziel, Kaufleute für Versicherungen und Finanzen zu werden. Zwei streben den Abschluss Fachinformatiker/in an, zwei sind Duale Studierende. den 26 neuen bildet das Unternehmen dann am Standort Detmold 69 junge Leute aus. Seit 2010 hat die Ecclesia Gruppe, die aktuell rund 1.350 Mitarbeitende beschäftigt, die Zahl der Azubis kontinuierlich gesteigert (2011: plus 21 %, 2012: plus 23 %, 2013: plus 19 %). Mit 7 INFO-DIENST 01/2013 Tilman Kay (Foto links), Hauptgeschäftsführer der Ecclesia Gruppe, nahm die Urkunde mit Dank entgegen und sagte: „Unser Erfolg ist auch darin begründet, dass wir trotz Wachstums und internationaler Ausrichtung durch die feste Verwurzelung in Ostwestfalen-Lippe authentisch geblieben sind.“ Aus den Märkten Nach der erfolgreichen Rettungsaktion Zypern als Blaupause für Europa? S elbst nach Ausbruch der EURSchuldenkrise hätte niemand geglaubt, dass Zypern so intensiv die europäische Politik, die Finanzmärkte weltweit, aber vor allen Dingen die Berichterstattung in der Eurozone beherrschen könnte. Schließlich ging es hier um ein Rettungsvolumen von 17 Mrd. EUR mit geringem Einfluss auf die Eurozone. Bei Griechenland, Irland und Portugal waren nicht nur die Beträge, sondern die Summen wesentlich größer. Ein Großteil der Diskussion um Zypern basiert allerdings auf der überraschenden Entscheidung, bei dieser Rettung auch Kunden der zypriotischen Kreditinstitute zu beteiligen. Allerdings gibt es hierfür keine wirkliche Begründung. Zwar ist der Bankensektor in Zypern für die volkswirtschaftliche Leistungskraft des Staates natürlich völlig überdimensioniert, man lockte durch niedrige Steuersätze jedoch auch Anleger an, bei denen die Vermögensherkunft mindestens zweifelhaft ist. Dies galt aber auch für Irland, das sich fälschlicherweise gern als Musterstaat darstellt, der die Hilfen aus den EUR-Rettungsmaßnahmen genutzt hat, um sich strukturell optimal aufzustellen. Mit Blick auf die Arbeitslosigkeit und die dortigen Wirtschaftsstrukturen ist dies zu bezweifeln. Der Wegfall der überragenden Bedeutung des Finanzsektors kann einfach nicht kompensiert werden. Ähnliches wird nun auch für Zypern gelten, wobei die Auswirkungen durch die Beteiligung der Bankkunden noch dramatischer werden. Dies hätte man bei dem Ziel, ausschließlich ausländische Investoren an den Maßnahmen INFO-DIENST 01/2013 8 beteiligen zu wollen, wesentlich einfacher lösen können. So wäre es möglich gewesen, den Finanztransfer aus Zypern heraus - ggf. ab bestimmten Summen und in bestimmten Fristen zu beschränken oder mit einer Steuer zu belegen. anderen wollte man augenscheinlich testen, ob eine Bereitschaft der Bevölkerung besteht, über das normale Maß hinaus Beteiligungen an der Sanierung von Staatshaushalten zu akzeptieren. Bei der ursprünglich geplanten Abgabe handelte es sich um nichts anderes Ebenso wenig überzeugt das Argument, dass zypriotische Bankkunden deutlich höhere Zinsen als beispielsweise deutsche Anleger erhalten haben und damit die ursprünglich geplante Abgabe auf Bankeinlagen nur ein Teil der Zinsen aufgezehrt hätte. als eine Art Vermögenssteuer auf eine bestimmte Vermögensform. Zinsen sind eine Form von Einkommen aus Kapitalvermögen und hätten dann als solches - ggf. auch rückwirkend besteuert werden können. Aber dies ist eben nicht erfolgt, weil man mit dem Vorgehen in Zypern zwei Dinge erreichen wollte. Zum einen verfolgte man das Ziel, eine Art Exempel zu statuieren, dass große volkswirtschaftliche Ungleichgewichte innerhalb der Eurozone nicht toleriert werden. Zum Insofern wäre ein ähnliches Modell beispielsweise in Deutschland, wo aber zumindest derzeit auch nicht die Notwendigkeit besteht, nicht durchsetzbar. Allerdings stellt sich dennoch die Frage nach den generellen Auswirkungen des nun für Zypern geschaffenen Rettungsplans, bei dem teilweise große Vermögen weitgehend verloren gehen. Diese Anleger werden aber auch knapp die Hälfte ihres Vermögens verlieren. Vor allen Dingen hat die europäische Politik nun zu einer immensen Verunsicherung beigetragen, die den - ohnehin nicht gerade hervorragend aufgestellten Finanzsektor europaweit belasten wird. Dabei droht in den meisten europäischen Staaten überhaupt keine Gefahr. Dies gilt auch für Deutschland, obwohl man dennoch hier die hohe Abhängigkeit von Kreditinstituten reduzieren sollte. Im DVAM-Finanzmanagement, das vereinfacht formuliert eine honorarbasierte, strategische Finanzplanung darstellt, erleben wir immer wieder Situationen, in denen ein Kunde zwar mit zwei oder drei Banken zusammenarbeitet und nicht nur Tages-, Festgeld und Spareinlagen hat, sondern auch über ein Wertpapierdepot verfügt. Allerdings sind in vielen Fällen dort Anleihen von Kreditinstituten übergewichtet. Besonders häufig findet man dann dort einen weiteren Schwerpunkt in Anlagen des Kreditinstituts vor, bei dem das Depot geführt wird. Damit ist nur vordergründig eine Risikodiversifikation erfolgt. Insofern ist die Diversifikation von Anlagen besonders wichtig. Dies bedeutet insbesondere, bei mittel- und langfristigen Wertpapieranlagen Werte aus dem Finanzsektor eher zu meiden und dafür erstklassige Unternehmensanleihen und - je nach Risikoneigung und Anlagedauer - auch Aktien aus anderen Branchen beizumischen. Die über den gesetzlichen Anspruch hinausgehende Einlagensicherung kann sich nämlich sehr schnell als theoretischer Wert herausstellen, der ohnehin zukünftig angepasst wird. Aber allein eine temporäre Nicht-Verfügbarkeit von Liquidität kann schon zu massiven Belastungen der betroffenen Anleger führen. Natürlich werden diese Aspekte in der DVAM-Vermögensverwaltung strikt berücksichtigt, die damit eine einfache und effektive Lösung bietet, um einseitige Risikostrukturen zu vermeiden. Einen ersten Einblick zu unserem Vorgehen in der DVAM-Vermögensverwaltung und beim DVAM- Finanzmanagement bietet auch unser wöchentlich per Mail erscheinender DVAM-Finanzmarkt-Newsletter, für den Sie sich jederzeit kostenlos und unverbindlich unter [email protected] anmelden können. Markus Schön 9 INFO-DIENST 01/2013 Durch den Zahlungsverkehr und fehlende Alternativen in der kurzfristigen Geldanlage sind Kreditinstitute ohnehin schon ein wesentlicher Faktor in der Vermögensstrukturierung, den man dann in anderen, verzichtbaren Bereichen nicht auch noch übergewichten sollte. Zudem ist es wichtig, sich bei den Bankpartnern Limits zu setzen, die man dort maximal investiert, um so auch dort Klumpenrisiken zu vermeiden. Reise Ertrunken? Eine Frage der Beweisführung Tod im Wasser: Unfall oder nicht Unfall N ach Schätzungen der World Health Organization (WHO) kommen jährlich rund 450.000 Menschen im Wasser ums Leben. Ertrinken gilt nach den tödlichen Verkehrsunfällen als die zweithäufigste Unfallursache. Gerade in der Reisezeit haben wir oft mit Todesfällen durch Ertrinken zu tun, meist infolge von Bade- oder Tauchunfällen. Ob der Tod im Wasser eine Leistung der Unfallversicherung nach sich zieht, steht und fällt mit der Todesursache. Geistes- und Bewusstseinsstörungen sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Ist nicht Ertrinken, sondern eine Krankheit die Todesursache, liegt kein Ertrinkungstod, sondern ein so genannter Badetod vor. In diesem Fall lehnt die Unfallversicherung die Todesfallleistung ab. Beim Ertrinken ist unmittelbar das Wasser für den Tod des Menschen verantwortlich (z.B. durch Aspiration), beim Badetod hingegen eine Begleiterkrankung (z.B. Herzinfarkt, Schlaganfall, Ganzkörperkrämpfe, Bewusstseinsstörung, epileptischer Anfall etc.). Man unterscheidet zwei Arten von „echten“ Ertrinkungstoden: das feuchte und das trockene Ertrinken. Bei der feuchten Form verschluckt der oder die Ertrinkende Wasser und aspiriert es. Wasser, Luft und Bronchialsekret vermischen sich in der Lunge zu einer schaumigen Masse. Dieser so genannte Schaumpilz gilt als eines der charakteristischen Ertrinkungszeichen. Eine sichere Aussage lässt sich INFO-DIENST 01/2013 10 allerdings nur treffen, wenn zusätzlich zum Schaumpilz eine Ertrinkungslunge (Emphysema aquosum) vorliegt. Das Vorhandensein eines Schaumpilzes allein ist kein hundertprozentiges Indiz für einen Ertrinkungstod. Das typische Sekret kann z.B. auch entstehen, wenn bei einem Herz-Kreislauf-Zusammenbruch, etwa infolge hochgradiger Alkoholisierung oder anderer Vergiftungen, ein Lungenödem auftritt (Oberlandesgericht Zweibrücken, 11.06.1982). Beim trockenen Ertrinken ist das Wasser nur mittelbar am Tod des Menschen beteiligt. Sowohl das Eintauchen in kaltes Wasser als auch die initiale Wasseraspiration können einen Stimmritzenkrampf auslösen. Dieser verhindert zwar, dass weiterhin Wasser eingeatmet wird, er blockiert aber auch die lebensnotwendige Zufuhr von Sauerstoff. Löst sich der Krampf nicht mehr, erstickt der oder die Betroffene. Beweisführung mitunter schwierig Die Rechtsprechung akzeptiert den Ertrinkungstod einhellig als Unfalltod. Dies bestätigt der Bundesgerichtshof (BGH) einmal mehr in einem aktuellen Beschluss: Demnach genügt es, wenn Anspruchsstellende das „Eindringen von Wasser in den Kehlkopf“ der verstorbenen Person nachweisen können, damit das Ereignis als „Unfalltod i.S.d. AUB“ gilt (AUB = Allgemeine Bedingungen in der Unfallversicherung). Ob letztendlich eine Geistes- oder Bewusstseinsstörung (Ausschlusstatbestand) die Ursache des Ertrinkens war, muss wiederum der Versicherer belegen (BGH-Beschluss vom 18.01.2012, IV ZR 116/11, OLG Nürnberg). Der Beweis, dass tatsächlich Ertrinken die Todesursache war, ist für die Hinterbliebenen der verstorbenen Person dennoch oft schwer zu führen. Steht im Totenschein als Todesursache „Ertrinkungsfall unklarer Genese“ oder Vergleichbares, können Bezugsberechtigte den Unfalltod nicht nachweisen (Landgericht Neubrandenburg, Urteil vom 05.06.1997, 8 O 253/96). Besonders problematisch ist, dass wir von dem tödlichen Ereignis oft erst nach der Beerdigung der verunglückten Person erfahren – obwohl es gemäß AUB zu den Obliegenheiten der Versicherungsnehmenden gehört, jeden Unfalltod, auch einen Ertrinkungstod, innerhalb von 48 Stunden zu melden (§ 9 Abs. 7 AUB 88). Ist keine Obduktion erfolgt, lässt sich zu diesem Zeitpunkt meist nicht mehr klären, ob der Tod tatsächlich durch Ertrinken eingetreten ist oder ob die verstorbene Person ggf. erst nach Eintritt des Todes unter Wasser geraten ist. Gibt es zudem keine Zeugen für den Ertrinkungsvorgang, ist die Beweisführung praktisch unmöglich. Obduktion schafft Klarheit Leichname von Ertrunkenen weisen äußerlich kaum Anhaltspunkte auf, die Rückschlüsse auf die Todesursache zulassen. Ein Ertrinkungstod lässt sich daher in der Regel nur durch eine Obduktion nachweisen (Feststellung einer Ertrinkungslunge nebst Schaumpilz). Jan-Luc Weber Unser Rat: Bei Personen die sich freiwillig ins Wasser begeben haben und darin ertrunken sind, ist eine Obduktion als Beweissicherung dringend anzuraten. Bei Personen, die – nachweislich! – unfreiwillig ins Wasser geraten sind (z.B. durch Ausrutschen und Hineinfallen), ist eine Obduktion nicht notwendig. In solchen Fällen wird der Sturz ins Wasser als Unfallursache anerkannt. Pilgerpolice 2013 Weltjugendtag in Rio de Janeiro io de Janeiro, die Stadt des berühmten Karnevals und vieler Sehenswürdigkeiten, lockt Jahr für Jahr eine Vielzahl von Touristinnen und Touristen auf den südamerikanischen Kontinent. In diesem Sommer aber könnten Zuckerhut und Copacabana ein wenig in den Hintergrund des Interesses rücken. Als Wallfahrtsort wird die brasilianische Metropole junge Katholikinnen und Katholiken aus aller Welt beherbergen, die gemeinsam Gebet und Gottesdienst feiern wollen. Vom 23. bis 28. Juli 2013 findet der internationale katholische Weltjugendtag in Rio de Janeiro, Brasilien, statt. Das diesjährige Motto: „Geht hin und macht zu Jüngern alle Völker“ (vgl. Mt 28, 19). mit der sich Wallfahrerinnen und Wallfahrer aus Deutschland bis zu einer Reisedauer von 31 Tagen versichern können. Für Einzel- wie für Gruppenreisen kann der Versicherungsschutz aus folgenden Bausteinen, je nach individuellem Bedarf, zusammengestellt werden: Haftpflicht-/Unfallversicherung Auslandsreise-Krankenversicherung Reisegepäckversicherung Reiserücktrittskostenversicherung Wer dorthin fliegen möchte, sollte einige Vorbereitungen treffen. Dazu gehört auch die Absicherung. Weitere Informationen sowie die detaillierten Bedingungen finden Sie auf der Homepage www.ecclesia.de/wjt2013. Hier können Sie den Versicherungsschutz auch online beantragen. Bei Fragen hilft Ihnen unser Reise-Serviceteam gerne. E-Mail: [email protected] Der Ecclesia Versicherungsdienst hat eine spezielle Pilgerpolice entwickelt, Telefon: 05231 603-6487 Telefax: 05231 603-372 Sascha Kluge 11 INFO-DIENST 01/2013 R Versicherungspraxis Schadenersatz für beschädigte Sachen – wie viel ist angemessen? Zähes Ringen um Beträge D as Schadenersatzrecht beruht auf dem Ausgleichsgedanken. Kommt es zu einem Haftpflichtfall, sollen mit der Schadenersatzleistung Nachteile ausgeglichen werden, die durch den Schaden entstanden sind. Wer zum Schadenersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre – so jedenfalls die Vorstellung des Gesetzgebers (§ 249, 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). So gesehen, sollte die schadenverursachende Person eigentlich selbst Hand anlegen, indem sie die notwendige Reparatur vornimmt. Das ist aber in der Regel weder technisch noch personell möglich, sodass dieser Ausgleichsform kaum praktische Bedeutung zukommt. Statt der Wiederherstellung können geschädigte Personen den zur Reparatur erforderlichen Geldbetrag verlangen (§ 249, II BGB). Übersteigen die Reparaturkosten den Wert der Sache, liegt ein wirtschaftlicher Totalschaden vor und es besteht Anspruch auf den Wiederbeschaffungswert einer gleichartigen Sache. Die Verwendung der Entschädigungsleistung steht dem Empfänger oder der Empfängerin frei. D.h. es besteht weitgehende Dispositionsfreiheit, ob von der Reparaturoption Gebrauch gemacht oder ob die Summe für etwas anderes, z.B. für einen Urlaub, ausgegeben wird. Gänzlich schrankenlos ist diese Dispositionsfreiheit natürlich nicht. INFO-DIENST 01/2013 12 Geschädigte dürfen sich durch den Schaden nicht bereichern, heißt: Sie dürfen – dank Schadenersatz – wirtschaftlich nicht besser als vor dem Schadenfall dastehen. Die Ersatzpflicht reicht im Normalfall nur bis zu der Summe, die zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlich ist. Zur Ermittlung der genauen Höhe des Betrags ziehen die Gerichte den „gesunden Menschenverstand“ zu Rate. Bewilligt werden Aufwendungen in einer Höhe, die ein vernünftiger, verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der jeweiligen Lage sinnvollerweise machen würde. Soweit die Theorie. Aber wie sieht die Abwicklung von Sachschadenfällen in der Praxis aus? Wenn eine Reparatur technisch und wirtschaftlich möglich ist, gibt es in der Regel keine Probleme. In diesem Fall besteht grundsätzlich Anspruch auf die notwendigen schadenbedingten Reparaturkosten, die zur Wiederher- stellung der beschädigten Sache aufzuwenden sind. Häufig Streit über Summe Die Berechnung des Wiederbeschaffungswerts führt immer wieder zu Unstimmigkeiten zwischen geschädigten und schadenverursachenden Personen bzw. den hinter Letzteren stehenden Haftpflichtversicherungen. Ist die beschädigte Sache neu, lässt sich der zu erstattende Wert in der Regel leicht ermitteln. In diesem Fall sind die Kosten der Neubeschaffung zu ersetzen. Hinzu kommen ggf. die Entsorgungskosten für die beschädigte Sache. Gibt es für die beschädigte Sache keinen Gebrauchtwarenmarkt, fehlt es natürlich an den entsprechenden Möglichkeiten, den durchschnittlichen (Kauf-)Preis für gleichartige gebrauchte Sachen und damit den konkreten Wiederbeschaffungswert zu ermitteln. In solchen Fällen haben die Sachen weder einen Marktpreis noch einen Verkehrswert und somit auch nicht wirklich einen Wiederbeschaffungswert. Man kann allenfalls von einem fiktiven Wiederbeschaffungswert sprechen. Berechnung durch Annäherung Die Ermittlung der angemessenen Schadenersatzsumme gestaltet sich in solchen Fällen schwierig. Nähern kam man sich dem Wert einer ge- brauchten beschädigten Sache, indem man zunächst ihren Neupreis ermittelt. Im Anschluss ist zu klären, ob und, wenn ja, in welchem Umfang ein Austausch Neu gegen Alt der geschädigten Person einen Vorteil einbringen würde, der in Geld zu beziffern ist. Als Vorteil ließe sich z.B. die längere Nutzungsmöglichkeit der neuen Sache – in Geldwerten – anrechnen (Vorteilsausgleich). Eine solche Vorgehensweise hat sich in der Praxis als praktikabel und hilfreich erwiesen. Dennoch sind bei der Berechnung fallspezifische Besonderheiten zu beachten. So ist etwa zu differenzieren, ob es sich bei der beschädigten Sache um einen reinen Gebrauchsgegenstand handelt – dann wäre z.B. von einem langsamen, gleichmäßigen Wertverfall auszugehen – oder um einen rein modischen Gegenstand etc. Neben der Möglichkeit, sich an den Wiederbeschaffungswert einer Sache anzunähern, steht es den Gerichten natürlich auch frei, die Schadenhöhe zu schätzen (§ 287 Zivilprozessordnung). Der Einzelfall entscheidet Ist eine beschädigte Sache reparabel, werden in der Regel die Reparaturkosten ersetzt. Voraussetzung ist, dass diese den Wert, den die beschädigte Sache vor Schadeneintritt hatte, nicht übersteigen. Sind die Reparaturkosten aber höher, liegt ein wirtschaftlicher Totalschaden vor und Geschädigte haben Anspruch auf den Wert einer gleichartigen Sache (Wiederbeschaffungswert). Die Rechtsprechung macht aber Ausnahmen, wenn spezielle Konstellationen vorliegen. Hat eine geschädigte Person ein berechtigtes Interesse daran, die beschädigte, vertraute Sache zu erhalten, billigen die Gerichte 13 INFO-DIENST 01/2013 Bei gebrauchten Sachen liegen die Dinge etwas komplizierter. Gibt es einen Gebrauchtmarkt – wie z.B. für Fahrzeuge –, sodass ein gleichwertiger, dem Alter und der Abnutzung entsprechender Ersatz beschafft werden kann, sind die Kosten für diesen zu übernehmen. In einigen Fällen kann man auf Zeitwertberechnungstabellen zur Orientierung zurückgreifen (bei KfzSchäden z.B. auf die Schwacke-Liste). in Einzelfällen auch Reparaturkosten zu, die bis zu 30 Prozent über dem Wiederbeschaffungswert liegen. Der oder die Geschädigte kann, sofern die Reparatur nachgewiesen wird, die vollen Reparaturkosten verlangen (Opfergrenze). Andererseits muss sich die geschädigte Person aber Wertverbesserungen durch die Reparatur als Vorteil anrechnen lassen. Wenn durch die Wiederherstellung der beschädigten Sache eine Wertsteigerung eintritt, kommt ein Abzug von der Entschädigungsleistung in Betracht („Neu für Alt“). Allein die Verwendung von neuen Ersatzteilen rechtfertigt einen solchen Abzug allerdings nicht. Voraussetzung ist vielmehr, dass sich die Verbesserung für die geschädigte Person wirtschaftlich positiv auswirkt. Bei einer Fahrzeugreparatur etwa, bei der üblicherweise Neuteile verbaut werden, kommt ein Abzug tendenziell nicht in Frage, sofern sich der Wert des Fahrzeugs insgesamt nicht erhöht. Unter Umständen ist sogar eine Wertminderung zu berücksichtigen, schon deswegen, weil Unfallschäden beim Wiederverkauf eines Fahrzeugs offenbart werden müssen und dies den Verkaufswert des Fahrzeugs drückt. Bei größeren Schadenfällen schalten Haftpflichtversicherer nicht selten Sachverständige ein, um Feststellungen zur Schadenhöhe zu treffen. Aber auch Sachverständige können sich Entschädigungsbeträge nicht „ausdenken“, sondern sie müssen die vorgenannten Erwägungen bei der Berechnung berücksichtigen. Ziel aller Parteien sollte es sein, zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen, die wirtschaftlich mach- und tragbar ist. Als Versicherungsmakler verstehen wir uns vorrangig als Ihr Interessenvertreter, aber gleichzeitig als Moderator und Vermittler zwischen Geschädigten, Versicherungsnehmenden und Versicherungen. Im Rahmen unserer Regulierungsvollmachten hat eine sachgerechte, ökonomische und zielführende Abwicklung der Schadenfälle für uns stets Priorität. Gerald Kohl Übrigens: Für den Zeitaufwand, den die Beschaffung eines Ersatzes erfordert, besteht kein berechtigter Anspruch auf Entschädigung. „Laufereien“ während oder nach einem Schadenfall bleiben das Privatvergnügen von Geschädigten. Unkalkulierbare Folgeschäden in der Leitungswasserversicherung Ausschluss „Schwamm“ – BGH präzisiert Begriff S chwämme sind holzzerstörende Pilze. Befallen sie Gebäude, richten sie mitunter verheerende Schäden an. In der Leitungswasserversicherung sind Schwammschäden – ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen – üblicherweise ausgeschlossen. In der Praxis wird der Leistungsausschluss „Schwamm“ oft nur auf den so genannten Echten Hausschwamm angewendet (siehe Kasten auf Seite 10). Dieser Gepflogenheit hat sich die Rechtsprechung bisher überwiegend angeschlossen. Mit dieser eindimensionalen Definition soll jetzt Schluss sein. In einem aktuellen Beschluss stellt der Bundesgerichtshof (BGH) klar, dass un- INFO-DIENST 01/2013 14 ter der Bezeichnung „Schwamm“ in den Versicherungsbedingungen alle Hausfäulepilze zu fassen sind und nicht nur eine Art (BGH, Beschluss vom 27.06.12, IV ZR 212/10, AbrufNr. 122914). Folgeschaden durch Feuchtigkeit Hausfäulepilzen“, nicht nur den Echten Hausschwamm (BGH, IV ZR 212/10). Grundlage der BGH-Entscheidung ist ein Leitungswasserschaden, in dessen Folge es zum Pilzbefall eines Gebäudes gekommen ist. Die Vorgeschichte: Eine defekte Heizungsleitung führt zu einem Durchnässungsschaden im Gebäude. Der Eigentümer lässt die betroffenen Gebäudeteile, den Fußboden des Obergeschosses und die Decke des Erdgeschosses, von einer Fachfirma trocknen. Der Leitungswasserschaden ist zunächst behoben. Der Senat betont zunächst, dass der Leistungsausschluss „Schwamm“ eine durchaus nachvollziehbare Schutz- eines Gebäudes mit Pilzen würde oft erst entdeckt, wenn der Befall schon weit fortgeschritten sei. Der Nachweis, ob die pilzbegünstigende Feuchtigkeit die Folge eines früheren, bereits ausgeglichenen Leitungswasserschadens Allerdings kommt es etwa ein Jahr später erneut zu Problemen, nachdem der Versicherungsnehmer im Obergeschoss einen luftundurchlässigen PVC-Boden verlegt hat. Nach Abschluss der Arbeiten beginnen Küchenmöbel in den neu verlegten Boden einzusinken. Die Ursache ist schnell gefunden: Die Holzteile der Fußboden- bzw. Deckenkonstruktion sind durch Feuchtigkeit, die sich im Gemäuer ausgebreitet hat, mit Braunem Kellerschwamm befallen. Der geschädigte Gebäudeeigentümer ist der Ansicht, dass der Pilzbefall eine Folge des früheren Leitungsschadens ist, und verlangt erneut Ersatz von seiner Versicherung. Diese aber verweigert die Zahlung unter Berufung auf die Ausschlussklausel. Der Hauseigentümer klagt und bekommt zunächst Recht. BGH stärkt Versicherer Der BGH sieht das anders und präzisiert: Der übliche Leistungsausschluss „Schwamm“ bezeichne „alle Arten von maßnahme der Versicherer sei, die verhindere, dass über die „normalen“ Durchnässungsschäden hinaus auch noch unabsehbare, kaum zu kalkulierende Folgeschäden durch Gebäudeschädlinge ausgeglichen werden müssen. Zudem sei bei Schwammschäden häufig die Schadenrekonstruktion problematisch. Die Kontamination ist oder andere Ursachen hat, sei wegen der verspäteten Entdeckung des Schadens oft nicht mehr möglich. Die (bis dato) übliche Praxis, dass Versicherungen nur bei einem Gebäudebefall durch den Echten Hausschwamm leistungsfrei sind, können die Richter nicht nachvollziehen. Der Klauselwortlaut „Schwamm“, so der BGH, gebe eine Beschränkung auf 15 INFO-DIENST 01/2013 Die Richter zweier Instanzen legen ihrer Entscheidung die allgemein übliche Auslegung der Schwammschadenklausel zugrunde: Demnach wäre der Braune Kellerschwamm nicht vom Ausschluss „Schwamm“ betroffen – und der Leitungswasserversicherer somit leistungspflichtig. einzelne bzw. auf wenige, besonders gefährliche Arten von Hausfäulepilzen jedenfalls nicht her. Nach allgemeiner Rechtsprechung seien Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie „ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss“ (Senatsurteil vom 23.06.1993, IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85 m.w.N. und ständig). Branchenspezifische Interpretationen von Begriffen (hier: „Schwamm“ = „Echter Hausschwamm“) dürften bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen nicht das Maß der Dinge sein. Eine unangemessene Benachteiligung oder Irreführung von Versicherungsnehmenden durch die Erweiterung des Ausschlusstatbestands sieht das Gericht nicht. Weder in der Umgangsnoch in der Rechtssprache, so der BGH, sei mit dem Wort „Schwamm“ nur eine einzige Pilzart gemeint. Einmal mehr betont der BGH des Weiteren, dass auch ein Schwammbefall, Extrem gefährlich: Der Echte Hausschwamm Der Echte Hausschwamm gehört zu den holzzerstörenden Pilzen, setzt sich aber nicht nur in Hölzern fest, sondern auch im Mauerwerk. Fachleute attestieren Serpula lacrymans, so die lateinische Bezeichnung, ein immenses Zerstörungspotenzial. Im Laborversuch hat sich gezeigt, dass der Pilz ein Holzteil innerhalb von drei Monaten derart zersetzen kann, dass nur ein braunes Pulver übrig bleibt. Der Echte Hausschwamm ist häufig in alten Gebäuden mit Fachwerk zu finden. Kommt er – z.B. infolge eines Leitungswasseraustritts – mit Feuchtigkeit in Verbindung, beginnt er zu wachsen und entfaltet seine vernichtende Kraft. Der Pilz breitet sich so lange sternförmig aus, bis die umgebende Feuchtigkeit zu gering für sein Wachstum ist. Bei aller Gefährlichkeit: Der Echte Hausschwamm ist bei Weitem nicht der einzige Pilz, der ein Gebäude regelrecht zersetzen kann. Es gibt zahlreiche andere Hausfäulepilze, die ihm in ihrer destruktiven Wirkung kaum nachstehen. der durch einen bedingungsgemäßen Leitungswasserschaden entstanden ist, nicht versichert ist („ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen“). arbeitenden unserer Schadenabteilung Ihre Fragen dazu. Ina Haubrock Mit dem Urteil stärkt der BGH die Position der Versicherer. Entsprechende Ablehnungen im Schadenfall sind zu erwarten. Gerne beantworten die Mit- Klein, rund, lebensrettend Rauchmelder: Gesetzliche Regelungen für Privathaushalte W enn es brennt, entsteht Qualm. Eine große Zahl brandbedingter Verletzungen und Todesfälle sind nicht auf das Feuer selbst, sondern auf Rauchgasvergiftungen zurückzuführen. Rauchmelder können helfen. Sie „riechen“ buchstäblich die Gefahr und warnen durch ein Signal – bevor tödliche Rauchgaskonzentrationen entstehen. Über Normen und Vorschriften zu Rauchmeldern in Deutschland und die damit einhergehenden Pflichten für Gebäudeeigentümer haben wir im Informationsdienst 03/2009 erstmals berich- INFO-DIENST 01/2013 16 tet. In dieser Ausgabe greifen wir das Thema erneut auf, denn seither sind einige gesetzliche Änderungen zur Rauchmelderpflicht in Kraft getreten. Die Gesetze zur Rauchmelderpflicht für Privathaushalte unterliegen der Länderhoheit. Detaillierte Infos zur Rechtslage können in den einzelnen Landesbauordnungen nachgelesen werden (z.B. unter www.rauchmelder-lebensretter. de/aus-den-bundeslaendern.html; per Klick auf die Länderwappen). Eine Kurzübersicht geben wir in der Tabelle auf Seite 18. Ein Großteil der Länder hat die Installationspflicht für Rauchmelder inzwischen verbindlich eingeführt. Entsprechende gesetzliche Regelungen gibt es in Rheinland-Pfalz, im Saarland, in Schleswig-Holstein, in Hessen, in Hamburg, in Mecklenburg-Vorpommern, in Thüringen, in Sachsen-Anhalt, in Bremen, in Niedersachsen und – seit diesem Jahr – in Bayern. In fünf Ländern besteht bisher keine Rauchmelderpflicht: in NordrheinWestfalen, Sachsen, Brandenburg, Baden-Württemberg und Berlin. In Nordrhein-Westfalen ist eine entspre- chende Gesetzgebung in Vorbereitung und in Berlin fordert die Politik die Einführung einer Installationspflicht. Verantwortlichkeiten unterschiedlich In den meisten – aber nicht in allen – Bundesländern sind die Eigentümer oder Eigentümerinnen bzw. die Vermieter oder Vermieterinnen für das Vorhandensein funktionierender Rauchmelder zuständig. Die Pflichten der Verantwortlichen reichen von der Anschaffung des Rauchmelders über die Installation bis hin zur Wartung und Funktionskontrolle – dazu gehört auch, die ständige Betriebsbereitschaft der Geräte im Auge zu behalten. In Mecklenburg-Vorpommern sind nicht die Eigentümerinnen oder Eigentümer des Wohnobjekts, sondern die Besitzerinnen und Besitzer für die Anbringung der Rauchmelder zuständig. Der Begriff meint diejenigen Personen, die das Haus oder die Wohnung bewohnen. Ähnlich wie Mecklenburg-Vorpommern handhaben die Rauchmelderpflicht Schleswig-Holstein, Bremen, Niedersachsen, Bayern und Hessen. In diesen Ländern muss zwar die Eigentümerin oder der Eigentümer des Wohnobjekts die Rauchmelder anbringen, für die Betriebsbereitschaft aber haben auch hier die Mieterinnen und Mieter bzw. die unmittelbaren Besitzerinnen und Besitzer zu sorgen. In den Ländern, wo die Verantwortlichkeit für die Betriebsbereitschaft der Rauchmelder auf der Vermie- terseite liegt, kann die Installationsund Instandhaltungspflicht (z.B. der regelmäßige Batteriewechsel) per Mietvertrag auf die Mieterinnen und Mieter übertragen werden. Der Vermieter sollte sich allerdings – nachgewiesenermaßen! – davon überzeugen, dass die auf diese Weise in die Verantwortung genommenen Personen in der Lage sind, die Rauchmelder ordnungsgemäß zu installieren und zu warten. Lässt sich dieser Nachweis im Schadenfall nicht erbringen, haftet der Vermieter – trotz Aufgabendelegation – wegen Verletzung von Sorgfaltspflichten (Auswahlverschulden). Steigerung der Sicherheit im Wohnobjekt auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden können. Für die Installation von Rauchmeldern kann eine anteilige Mieterhöhung veranschlagt werden (maximal 11 Prozent der Investitionskosten jährlich). Die Wartungskosten können in die Nebenkosten einfließen. Nichteinhaltung ist ordnungswidrig Als Alternative zur Pflichtendelegation an die Mieterinnen und Mieter bietet sich die Beauftragung einer externen Fachfirma an. Tipp: Diese sollte rund um die Uhr erreichbar sein und über eingeübte Verfahren zur Fehlerbeseitigung verfügen. Werden Rauchmelder entgegen der Installationspflicht nicht eingebaut, ist dies eine baurechtliche Ordnungswidrigkeit, die beträchtliche versicherungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann – von der einfachen Nachrüstauflage über die Kürzung der Entschädigungsleistung bis hin zur kompletten Ablehnung der Schadenregulierung wegen Obliegenheitsverletzung. Das Mietrecht (Bürgerliches Gesetzbuch) sieht vor, dass Investitionen zur Mona Liebchen 17 INFO-DIENST 01/2013 Wird das Objekt zur Miete bewohnt, liegt die Verantwortung also ab Schlüsselübergabe beim Mieter (Besitzer). Selbst gekaufte Rauchmelder können bei Auszug aus der gemieteten Wohnung wieder ausgebaut und mitgenommen werden. Der Besitzerstatus – und damit noch vorhandene Rauchmelder mit allen dazu gehörigen Pflichten – geht bei Schlüsselrückgabe wieder an den Vermieter über. Mehr Infos rund um Rauchmelderpflichten gibt es im Web, z.B. unter Rauchmelderpflicht in den Bundesländern Bundesland Gebäude Räume Einführung Nachrüstpflicht RheinlandPfalz Neubauten Umbauten Bestandsbauten Schlafzimmer Kinderzimmer Flure, die als Rettungsweg dienen 2003 bis Juli 2012 Neubauten Umbauten Schlafzimmer Kinderzimmer Flure, die als Rettungsweg dienen 2004 SchleswigHolstein Neubauten Umbauten Bestandsbauten Schlafzimmer Kinderzimmer Flure, die als Rettungsweg dienen 2005 Änderung 2008 bis 31.12.2010 Hessen Neubauten Umbauten Bestandsbauten Schlafzimmer Kinderzimmer Flure, die als Rettungsweg dienen 2005 (für Neubauten) Änderung 2011 bis 31.12.2014 (nur für Bestandsbauten) Hamburg Neubauten Umbauten Bestandsbauten Schlafzimmer Kinderzimmer Flure, die als Rettungsweg dienen 2006 bis 31.12.2010 MecklenburgVorpommern Neubauten Umbauten Bestandsbauten Schlafzimmer Kinderzimmer Flure, die als Rettungsweg dienen 2006 bis 31.12.2009 Thüringen Neubauten Umbauten Schlafzimmer Kinderzimmer Flure, die als Rettungsweg dienen 2008 SachsenAnhalt Neubauten Umbauten Bestandsbauten Schlafzimmer Kinderzimmer Flure 2009 (für Neubauten) bis 31.12.2015 (nur für Bestandsbauten) Bremen Neubauten Umbauten Bestandsbauten Schlafzimmer Kinderzimmer Flure 2010 bis 31.12.2015 Niedersachsen Neubauten Umbauten Bestandsbauten Schlafzimmer Kinderzimmer Flure 2012 (für Neubauten) bis 31.12.2015 (nur für Bestandsbauten) Bayern Wohnungen von Neubauten oder genehmigungspflichtigen Umbauten Schlafzimmer Kinderzimmer Flure, die zu Aufenthaltsräumen führen 2013 bis 31.12.2017 (nur für Bestandsbauten) Saarland http://www.rauchmelder-lebensretter. de/rechte-und-pflichten.html http://rauchmelderpflicht.net/ NordrheinWestfalen Gesetz in Vorbereitung (Stand 13.12.2012) BadenWürttemberg bisher kein Gesetz Berlin bisher kein Gesetz Brandenburg bisher kein Gesetz Sachsen bisher kein Gesetz Quelle: http://www.rauchmelder-lebensretter.de/aus-den-bundeslaendern.html INFO-DIENST 01/2013 18 http://www.rauchmelder-lebensretter. de/aus-den-bundeslaendern.html Bargeld besser unter Verschluss verwahren Einbruchdiebstahlpolicen: Voraussetzungen für Versicherungsschutz U nter welchen Voraussetzungen ist Bargeld gegen Diebstahl versichert? Früher waren die Bedingungen in der Einbruchdiebstahlversicherung eher starr. Heute stellt sich die Versicherungswirtschaft zunehmend auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der (gewerblichen) Kundinnen und Kunden ein. Die Versicherungssummen werden, keiten, in denen das Bargeld aufbewahrt wird, nicht frei zugänglich sind. Der Diebstahl von Bargeld beispielsweise, das sich zum Tatzeitpunkt in einem abgeschlossenen (!) Zimmer befindet, ist bis zur vereinbarten Summe versichert – selbst, wenn die Banknoten offen auf dem Tisch liegen. sehen die Versicherungsbedingungen keine Deckung vor. Gemeinhin klein, leicht und nicht fest mit einem „unverrückbaren“ Untergrund verbunden, können Diebe die Kassette problemlos an sich nehmen. Qualifizierter Verschluss Der so genannte qualifizierte Verschluss empfiehlt sich zur Aufbewahrung großer Bargeldsummen. Voraussetzung für den Versicherungsschutz ist hier das Vorhandensein besonderer Sicherungen, z.B. ein Tresor mit einem Mindestgewicht von 300 Kilogramm oder ein eingemauerter Stahlwandschrank mit mehrwandiger Tür. Macht sich z.B. jemand mit einem Schweißgerät am Tresor zu schaffen und stiehlt dessen Inhalt, leistet der Versicherer Ersatz für den Schaden. In der Regel gewähren Einbruchdiebstahlpolicen Versicherungsschutz bei bestimmten Aufbewahrungsarten. Unterschieden wird üblicherweise zwischen erweitertem Verschluss, einfachem Verschluss und qualifiziertem Verschluss. Wir erklären die Besonderheiten dieser Varianten. Erweiterter Verschluss Um die Voraussetzung für den so genannten erweiterten Verschluss zu erfüllen, genügt es, dass die Räumlich- Einfacher Verschluss Im Fachjargon wird der so genannte einfache Verschluss wie folgt definiert: „Das Geld muss sich in einem Behältnis befinden, welches gegen die einfache Wegnahme gesichert ist.“ Wird das Bargeld z.B. in einer festgedübelten Geldkassette, einem Schrank oder einem verschließbaren Schreibtisch verwahrt, geht der Versicherer davon aus, dass die Wegnahme, zumindest für die meisten Menschen, nur unter größerer Anstrengung möglich ist. Die für die jeweilige Verschlussart vereinbarte Versicherungssumme wird erstattet, wenn Langfinger, etwa durch Aufbrechen, Aufhebeln oder Wegstemmen des Behältnisses, das darin befindliche Geld entwenden. Für Bargeld indessen, das sich in einer nicht fixierten Geldkassette befindet, Ina Haubrock Unsere Mitarbeitenden beantworten gerne Ihre Fragen rund um die Absicherung von Bargeld und Wertsachen – etwa, wenn Sie sich einen neuen Tresor anschaffen wollen. Denn Vorsicht: Manche Hersteller werben mit konkreten Versicherungssummen. Auf solche Lockangebote sollten Sie nicht allzu viel geben. Die genannten Summen sind rein fiktiv und daher nicht allgemeingültig. 19 INFO-DIENST 01/2013 ebenso wie die Verschlussvorschriften, immer verbraucherfreundlicher. Man beachte: Die drei hier genannten Verschlussarten (erweiterter, einfacher, qualifizierter Verschluss) sind zwar Bestandteil vieler, aber durchaus nicht aller Versicherungsverträge. Was zählt, sind allein die Bedingungen, die Ihrer persönlichen Police zugrundeliegen (Regelungen und Versicherungssummen für Bargeld). Schadenpraxis Bedrohte IT-Welten: Viren, Trojaner, Würmer auf dem Vormarsch Von Datenfressern und anderen Desastern C omputer beschleunigen Arbeitsprozesse. Daten jagen in Windeseile über den Globus. Internet und IT sind heute längst nicht mehr aus dem täglichen Leben wegzudenken. Doch die wachsende „Computerisierung“ hat ihre Tücken. Je komplexer die Technik, desto anfälliger ist sie für Schäden, je sensibler die Daten, desto begehrter sind sie bei Betrügern und Hackern. Zu den Risiken der IT- und Internetnutzung haben wir in unseren Informationsdiensten bereits berichtet. In Ausgabe 04/2007 stellten wir erstmals unser Spezialprodukt SecurITy-Police vor („Kombiniertes Produkt für ITEigenschäden“). Und im Informationsdienst 02/2009 griffen wir einen Fall von Datenphishing auf („‚Fischen‘ einmal anders“). Sowohl Schäden an der Hardware als auch Schäden an der Software nehmen zu. Nachfolgend haben wir für Sie, liebe Leserinnen und Leser, einige aktuelle Beispiele aus unserer Schadenpraxis zusammengestellt. Unser Kunde betreibt ein Krankenhaus. 16 Server und 400 PCs unterstützen die rund 900 Mitarbeitenden im täglichen Betrieb. An das Netzwerk, das die Verbindung der Systeme ermöglicht, sind u.a. auch die Telefonanlage und die digitale Radiologie angeschlossen. PE_SALITY.EN setzt sich vor allem in ausführbaren Dateien (EXE-Dateien) fest und verändert deren Code. Im vorliegenden Fall macht das Virus sich daran, Einträge in den Windows-Registrierungsdatenbanken zu verändern und zu löschen. Wegen der dadurch, zumindest teilweise, unbrauchbar gewordenen Anwendungen wird der Betrieb des Krankenhauses stark eingeschränkt. Besonders perfide: Auch den zentralen Virenscanner setzt der Eindringling außer Betrieb. Im Mai 2012 treten erstmals Fehler im System auf. Die installierten Unter Einbindung externer Dienstleistungsfirmen sind Mitarbeitende des Virus schleicht sich ein INFO-DIENST 01/2013 20 Wächterprogramme schlagen Alarm. Schnell wird klar, dass sich das Virus PE_SALITY.EN in das EDV-System eingenistet hat und sich dort massiv ausbreitet. Wie genau das Virus in das System gelangt ist, lässt sich später nicht mehr nachvollziehen. betroffenen Krankenhauses tagelang damit beschäftigt, das EDV-Netzwerk von dem Virus zu säubern, damit der Betrieb wieder störungsfrei laufen kann. Bislang hat der IT-Versicherer unserem Klienten 70.000 Euro allein für die Wiederinbetriebnahme der Rechner, für die Säuberung der Systeme sowie für die Überstunden des Krankenhauspersonals wegen der notwendigen Mehrarbeit erstattet. Virus stört Medizintechnik In einem norddeutschen Krankenhaus werden im August 2011 die Herzkatheter-Messplätze einer technischen Überprüfung unterzogen. Dabei zeigt sich, dass der linke Messplatz eine ungewöhnliche Funktion aufweist, Da das Krankenhaus nahezu alle computergesteuerten Anlagen vernetzt hat, ist nicht auszuschließen, dass der Eindringling auch auf andere Rechner oder medizinische Großgeräte übergesprungen ist. Bei mehr als 30 Großanlagen wird ein gründlicher Virencheck vorgenommen. Das Ergebnis bestätigt die Befürchtungen: Das Virus hat diverse medizinische Großgeräte befallen, und auch weitere EDV-Systeme im Haus sind betroffen. Für die Prüfung und Desinfektion sowohl der medizinischen Großgeräte als auch der EDV-Systeme fallen Kosten von mehr als 100.000 Euro an, die über die SecurITy-Police reguliert werden. Virus und Wurm greifen an Die diakonische Einrichtung, die eine Vielzahl sozialer Dienstleistungen anbietet, ist mit insgesamt 300 hauptund ehrenamtlichen Beschäftigten an 39 Standorten vertreten. Für ihre vielschichtigen Aufgabenfelder betreibt die Einrichtung ein IT-System mit 16 Servern, 210 stationären PCs und 35 Notebooks. Es ist März 2012. Eines Tages lassen sich auf mehreren PCs verschiedene Anwendungen nicht mehr starten. Es stellt sich heraus, dass das Virus „sality“ und der Wurm „conficker“ das EDV-System befallen haben. Die Virendesinfektion sowohl am Hauptsitz der Einrichtung als auch an allen Außenstellen nimmt komplette fünf Wochen in Anspruch. Für die Beauftragung externer Firmen, für Überstunden des eigenen IT-Personals sowie für die Anschaffung von Ersatzgeräten fallen Kosten an. Davon können dank abgeschlossener SecurITy-Police rund 70.000 Euro vom Versicherer übernommen werden. Defekte Storage verhindert Zugriff In dem betroffenen Klinikum findet sowohl die medizinische Notfallversorgung als auch die stationäre Versorgung von Patientinnen und Patienten statt. An einem Tag im Juni 2012 können sich die Beschäftigten plötzlich nicht mehr an ihren (nicht medizinischen) EDV-Programmen anmelden. Das Klinikum ist aufgrund des Fehlers nur noch begrenzt einsatzfähig und muss sich von der Rettungsstelle abmelden. SecurITy-Police und Co: Spezialprodukte unseres Hauses Wo Informationstechnologien genutzt werden, sind sie zahlreichen Gefahren ausgesetzt. Zur Absicherung der Risiken rund um Computer und Co. – inklusive Computerkriminalität – hält unser Haus spezielle Konzepte vor, die auf die besonderen Bedürfnisse der Sozial- und Gesundheitswirtschaft zugeschnitten sind. Fragen Sie uns. Gemeinsam mit Ihnen erarbeiten wir die passgenaue Lösung für Sie. Umfangreiche Analysen, welche die hauseigene IT-Abteilung zusammen mit dem betreuenden Systemhaus und der EDV-Lieferantenfirma vornimmt, bringen die Fehlerquelle zutage. Ein Defekt am Lesekopf der Storage ist für die Verweigerung des Programmzugriffs verantwortlich. Eine Ersatz-Storage in der richtigen Größe steht vor Ort nicht zur Verfügung. Sie muss zunächst aus England eingeflogen und neu installiert werden. Zweieinhalb Tage lang kann das Klinikum schließlich keine Notfälle über die Rettungsstelle annehmen. die das Systemhaus in Rechnung stellt, und vor allem durch den Ertragsausfall wegen nicht angenommener Notfälle entstanden ist, wird über die SecurITy-Police mit 60.000 Euro ausgeglichen. Bagger schlägt zu Unser Kunde betreibt an 13 Standorten Krankenhäuser, Hotels sowie Alten- und Pflegeheime. Ende Februar 2012 wird der zentrale Telefon- und Internetzugang unterbrochen. Der Grund ist eine Leitungsstörung im Telekom-Netz, ausgelöst durch eine Baggerschaufel, die bei Bauarbeiten das Kabel in der Erde durchtrennt hat. Der Ausfall hält etwas länger als einen Tag an. Viele Mitarbeitende müssen nach Hause geschickt werden. Die Hotels können während der Störung keine Buchungen annehmen. Die Ausgaben für den Ausfall des – unfreiwillig untätigen – Personals belaufen sich auf rund 11.000 Euro. Hinzu kommen Kosten wegen der Buchungsausfälle in den Hotels, deren Höhe allerdings schwer zu ermitteln ist, da die Zahl der (theoretisch) nicht getätigten Hotelbuchungen nur geschätzt werden kann. Am Ende kann über die SecurITyPolice für den gesamten Schaden eine Vergleichszahlung über 35.000 Euro erbracht werden. Stephan Scharf Weil der Storage-Defekt während der Gewährleistungszeit aufgetreten ist, übernimmt die Lieferantenfirma den Hardwareschaden. Der weitergehende Schaden, der durch Überstunden in der IT-Abteilung, durch die Auslagen, 21 INFO-DIENST 01/2013 weil, wie sich bei näherem Hinsehen herausstellt, das Gerät mit einem Virus befallen ist. Loch in der Leinwand Installationsarbeiten: Gemälde durch Gerüst beschädigt R und eine Million Euro ist es wert: Das Gemälde eines weltberühmten US-amerikanischen Pop-Art-Malers ziert die Wand des Konferenzraums bei unserem Kunden, als es Opfer unglücklicher Umstände wird. Über dem großen Konferenztisch wird ein neuer Beleuchtungskörper installiert. Eine Spezialfirma hat zu diesem ist, ermittelt nach Abschluss der Restaurationsarbeiten die Wertminderung. Sie beläuft sich auf 136.100 Euro. Hinzu kommen die Kosten für die Restaurierung und den Transport des Gemäldes sowie Aufwendungen für die Sachverständige: mithin eine GesamtSchadensumme von rund 167.000 Euro. auch deswegen als vorteilhaft, weil der Versicherer in Kontakt zu Kunstsachverständigen steht, die auf entsprechende Gemälde spezialisiert sind. Indessen läuft der Regress gegen die schadenverursachende Firma. Die Hälfte der geforderten Summe ist inzwischen geflossen. Um die Schadenquote zum Kunstversicherungsvertrag unseres Kunden möglichst wenig zu belasten, bemüht sich unser Haus aber nach wie vor darum, dass alle Forderungen erfüllt werden. Stephan Scharf Know-how in unserer Gruppe Kunstrisiken zu versichern erfordert Fachwissen und Erfahrung. Über unseren Spezialmakler für die Absicherung sämtlicher Kunst- und Ausstellungsrisiken – Fine Art Business Partner (FABP) – haben wir Sie im Informationsdienst 03/2011 bereits informiert („Von der Kunst, Kunst zu versichern“). Nutzen Sie die Expertise in unserem Hause und profitieren Sie von unserer professionellen Unterstützung im Schadenfall. Zweck zwei Gerüste errichtet. Beim Abbau kippt eines der Gerüste um, weil sich eine Strebe gelöst hat. Im Fallen trifft die Gerüstleiter das wertvolle Gemälde an der Wand und schlägt ein vier Zentimeter großes Loch in die Leinwand. Nachdem Mitarbeitende unseres Hauses sich vor Ort ein Bild vom Schaden gemacht haben, wird das Gemälde zwecks Restauration in die Werkstatt verbracht. Eine Sachverständige, die von Anfang an hinzugezogen worden INFO-DIENST 01/2013 22 Gegenüber der Haftpflichtversicherung der schadenverursachenden Handwerkerfirma wird ein Regressanspruch angemeldet. Die Gesellschaft behält sich vor, den Schadenersatzanspruch zunächst eingehend zu prüfen. Damit die Ersatzzahlungen dennoch schnell fließen können, gehen wir – parallel zum Regress – einen anderen Weg. Unser Kunde verfügt über eine Kunstversicherung. Über sie lassen wir den Schaden letztlich abwickeln. Das erweist sich, neben dem Zeitgewinn, Rechtsprechung Obhuts- und Schutzpflichten in Alten- und Pflegeheimen Vermeidbarer Sturz einer Heimbewohnerin D ie Obhuts- und Sorgfaltspflichten betreuender Einrichtungen verlangen dem Pflegepersonal einiges ab – und bergen entsprechende Risiken. Sturzgefährdete Bewohnerinnen und Bewohner sind vom Heimbetreiber besonders gegen Verletzungen abzusichern. Das hob das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf einmal mehr hervor, als es darüber zu entscheiden hatte, ob der Sturz einer Heimbewohnerin bei gehöriger Sorgfalt des Pflegepersonals hätte vermieden werden können (OLG Düsseldorf, I 24 U 78/11). Kommt eine betreute Person während eines Pflegevorgangs zu Schaden, weil das Betreuungspersonal Sorgfaltspflichten verletzt hat, muss der Einrichtungsträger die Unvermeidbarkeit des Schadenereignisses beweisen, um einer zivilrechtlichen Haftung zu entgehen (Entlastungsbeweis). Aufgrund einer Hirnblutung ist die 73-jährige Heimbewohnerin und gesetzlich Krankenversicherte halbseitig gelähmt. Wegen ihrer Einschränkungen (Pflegestufe II) befindet sie sich in vollstationärer Betreuung des beklagten Alten- und Pflegeheims. Dem Pflegepersonal ist bekannt, dass die Bewohnerin, sofern sie sich am Bettgitter festhält, zwar selbstständig aufstehen kann, aber niemals allein stehen gelassen werden darf. Nach der Benutzung des Toilettenstuhls kommt es zum Sturz der Betreuten. Sie hält sich mit beiden Händen am festgestellten Pflegebett fest, während die Pflegekraft hinter ihr steht, um ihr beim Wiederankleiden behilflich zu sein. Dabei kippt die 73-Jährige zur Seite und zieht sich beim Aufprall auf den Boden eine Beckenringfraktur zu. Für den Zeitraum von zwei Monaten vor dem Sturz sind mehrere Auffälligkeiten bei der Patientin dokumentiert: z.B. schlechtes Stehen nach Mobilisation, Sturz bei Transfervorgang ohne Schadenfolge, Ermahnung zur Vorsicht beim Toilettengang und starker Rechtsdrang beim Stehen. Pflichten verletzt? Per Gesetz gehen die Schadenersatzansprüche auf den Versicherungsträger – hier: die gesetzliche Krankenversicherung – über, der verpflichtet ist, Sozialleistungen zur Behebung des Schadens zu erbringen (§ 116 Sozialgesetzbuch X). Die Krankenkasse der geschädigten Person kann Ersatzansprüche gegen den Heimträger dann durchsetzen, 23 INFO-DIENST 01/2013 Sturz wegen bekannter Standunsicherheit wenn das von ihm beschäftigte Personal eine Pflicht gegenüber einer betreuten gesetzlich krankenversicherten Person schuldhaft verletzt und diese Pflichtverletzung unmittelbar zu einem Schaden geführt hat. Das gilt beispielsweise, wenn Sorgfalts- und Obhutspflichten missachtet wurden (diese ergeben sich als Nebenpflichten aus dem Heimvertrag und aus dem Heimgesetz). (vgl. BGH NJW 2005, 1937 ff). Dabei sind die Würde und die Interessen der betroffenen Person ebenso zu beachten wie ihre Selbstständigkeit, ihre Selbstbestimmung und ihre Selbstverantwortung (vgl. OLG Düsseldorf, I 24 U 78/11, Abs. 27). Vor diesem Hintergrund macht die Krankenkasse der verunfallten Heimbewohnerin gegenüber dem Träger des Alten- und Pflegeheims die entstandenen Heilbehandlungskosten in Höhe von rund 6.500 Euro auf dem Klageweg geltend. Die Richter des OLG Düsseldorf geben der Krankenkasse der Geschädigten Recht. Sie argumentieren, dass der Schaden sich bei einer Pflegemaßnahme ereignet habe, die in den so genannten „voll beherrschbaren Gefahrenbereich“ fällt. Mit „voll beherrschbar“ sind Situationen gemeint, die das Personal, das eigens dafür ausgebildet ist, meistern kann und daher auch meistern muss, weil die Parameter, die zu einem Schaden führen könnten, bekannt sind. Ob im vorliegenden Fall eine Verletzung der Sorgfalts- und Obhutspflichten durch den Heimträger bzw. das Pflegepersonal gegeben ist, hat das OLG Düsseldorf zu entscheiden. Unstreitig ist, dass der Heimträger bzw. das Pflegepersonal Pflegeleistungen nach dem anerkannten Stand pflegewissenschaftlicher Erkenntnisse zu erbringen hat. Im konkreten Fall heißt das, das Pflegepersonal hat der Bewohnerin gegenüber notwendige, ihrem Status (Pflegestufe II) entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um sie in ihrem alltäglichen Lebensablauf zu unterstützen. Gemeinhin gilt, dass der Umfang solcher Unterstützungsmaßnahmen sich nach dem Gesundheits- und Pflegezustand der oder des Pflegebedürftigen richtet und auf die in Pflegeheimen üblichen Maßnahmen begrenzt ist, die mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar sind INFO-DIENST 01/2013 24 Voll beherrschbare Situation Mit anderen Worten: Wenn, wie vorliegend, das Wohl und Wehe der betreuten Personen buchstäblich in den Händen der Pflegekraft liegt und es in solch einer Situation zum Schaden kommt, hat der Einrichtungsträger zu beweisen, dass das Personal keine Schuld am Geschehen trifft. Der Entlastungsbeweis gelingt aber in der Regel nur, wenn dargelegt werden kann, dass individuelle, nicht vorhersehbare Aspekte zur Schadenentstehung (mit) beigetragen haben, die Situation mithin nicht oder nur noch begrenzt beherrschbar war. Das OLG betont, dass die Heimbewohnerin wegen ihrer gesundheitlichen Einschränkungen einer besonderen Betreuung bedurft habe, u.a. beim Anziehen. Die Pflegekraft hätte, so die Richter, die Gefährdungssituation – bekannte und dokumentierte Standunsicherheit der Betreuten und somit Sturz- und Verletzungsgefahr – so gestalten können, dass es eben nicht zu einer Körperverletzung kommt. Nach Ansicht der Richter wäre in der konkreten Situation noch eine zweite Pflegekraft zur Unterstützung notwendig gewesen, um den Sturz der Bewohnerin zu verhindern. Dem Heim und seinem Personal wird eine Verletzung der Sorgfalts- und Obhutspflichten unterstellt. Eine Haftung ist daher nur dann ausgeschlossen, wenn sich das Heim bzw. das Pflegepersonal entlasten kann. Der Entlastungsbeweis gelingt hier aber nicht. Das Gericht verurteilt den Träger des Alten- und Pflegeheims zum Schadenersatz. Über die Betriebs-Haftpflichtversicherung des beklagten Pflegeheims sind neben der ausgeurteilten Klageforderung auch die Gerichts- und Sachverständigenkosten sowie die eigenen und gegnerischen Anwaltskosten gedeckt. Den Heimträger und die mitversicherte Pflegekraft treffen somit keine finanziellen Folgen. Frank Betke Sturz außerhalb des Pflegeheims Altenpflege: Allgemeines Lebensrisiko vs. Aufsichtspflichtverletzung D as Thema „Aufsicht“ war einer der Themenschwerpunkte unserer Informationsdienste in 2012. Fälle von – vermeintlich – vernachlässigten Pflichten in betreuenden Einrichtungen begegnen uns sehr häufig in unserer Schadenpraxis. Wie das folgende Beispiel zeigt, hat die Aufsichtspflicht über betreute Personen aber durchaus Grenzen. gegen den haftpflichtversicherten Träger eines Pflegeheims geltend. Faust zu verlassen. Als es ihr schließlich doch gelingt wegzulaufen, zieht sie sich draußen auf der Straße bei einem Sturz Verletzungen zu. Die Vorgeschichte Die krankenversicherte Bewohnerin des beklagten Altenpflegeheims, einer offenen Einrichtung, leidet an Demenz. Die Begründung Die klagende Krankenversicherung begründet ihren Anspruch gegen das Altenpflegeheim damit, dass das Personal keine ausreichenden Vorkehrungen gegen das Entweichen der Bewohnerin getroffen habe. Der Versicherungsschutz Die Betriebs-Haftpflichtversicherung des Heims gewährt ihrem Versicherungsnehmer Abwehrschutz gegen unberechtigte Forderungen, indem sie einen Rechtsanwalt mit der Klageabwehr mandatiert. Mit dessen Unterstützung gelingt es schließlich, den gerichtlich geltend gemachten Anspruch der Krankenkasse erfolgreich abzuschmettern. Einrichtung trifft Obhutspflicht Die gesetzliche Krankenversicherung einer Pflegeheimbewohnerin macht einen auf sie übergegangenen Schadenersatzanspruch (rund 5.250 Euro) Sie gilt zwar als gangsicher, ist aber räumlich nicht orientiert und zeigt eine starke Weglauftendenz. Bis zu dem hier in Rede stehenden Vorfall hindert das Betreuungspersonal die Seniorin mehrfach daran, das Heim auf eigene Als mögliche Schadenursachen kämen beispielsweise Krankheit bzw. geistige oder körperliche Einschrän- 25 INFO-DIENST 01/2013 Die Klage Mit dem Fall befasst sich das Landgericht (LG) Aachen (Urteil vom 01.09.2011, 12 O 488/10). Um die Frage zu klären, ob das Pflegepersonal wegen mangelnder Aufsichtsführung eine (Mit-)Schuld an der Verletzung der Bewohnerin trifft, definiert das Gericht zunächst die Art und den Umfang der dem Heimträger obliegenden Obhutspflichten. Von Einrichtungen werde generell gefordert, die dort betreuten Personen – hier: die verunfallte Heimbewohnerin – vor drohenden Schäden zu schützen. kungen in Betracht, bedingt durch die eigene Person oder durch die Einrichtung. Auch die bauliche Gestaltung einer Pflegeeinrichtung berge mitunter Schadenpotenzial für die Betreuten (Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.04.2005, in BGHZ 163,53, vgl. auch Oberlandesgericht Koblenz, NJW-RR 2002,867 f.). Keine Totalüberwachung Der Umfang der Aufsichtspflicht bemisst sich grundsätzlich am konkreten Hilfebedarf jeder einzelnen betreuten Person, hängt also weitgehend von ihrem gesundheitlichen Status, also von ihren individuellen Erkrankungen ab. In der allgemeinen Rechtsprechung herrscht Konsens, dass die Aufsichtsund Verkehrssicherungspflichten von Einrichtungen nicht uneingeschränkt gelten. Als ausreichend werden in der Regel die in Pflegeheimen üblichen Maßnahmen betrachtet, die mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar sind (OLG München, VersR 2004, 618f.; vgl. auch unseren Beitrag „Vermeidbarer Sturz einer Heimbewohnerin“ auf Seite 23). Bei aller Verantwortung haben betreuende Einrichtungen auch die Selbstständigkeit und die Selbstbestimmung der betreuten Personen zu respektieren und zu fördern (BGH a.a.O.). Die Würde, die Interessen und die individuellen Bedürfnisse von betreuten Personen müssen gewahrt bleiben. Das Gericht stellt fest: Auch bei größtmöglicher Sorgfalt könne – besonders bei offenen Einrichtungen wie im vorliegenden Fall – niemals sicher ausgeschlossen werden, dass Bewohnerinnen oder Bewohner punktuell nicht unter der Kontrolle des Pflegepersonals stünden. Dies gelte vor allem auch vor dem Hintergrund, dass freiheitseinschränkende Maßnahmen unzulässig seien. Eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung ist nach Ansicht der Richter mit einem INFO-DIENST 01/2013 26 zumutbaren personellen oder wirtschaftlichen Aufwand nicht zu leisten. Schutzpflichten nicht vernachlässigt Auch bei näherer Betrachtung der konkreten Umstände trifft das Pflegeheim aus Sicht der Richter keine Schuld an der Verletzung der Bewohnerin, weder unter dem Aspekt des ersten Anscheins (Anscheinsbeweis) noch vor dem Hintergrund individueller Besonderheiten der Verunfallten. Da bei ihr keine generelle Sturzgefahr, sondern lediglich eine räumliche Desorientierung und eine Weglauftendenz vorgelegen hätten, sei das Heim der Verletzten gegenüber nicht verpflichtet gewesen, besondere Vorkehrungen gegen Stürze zu treffen. Im vorliegenden Fall sei der Körperschaden der Bewohnerin nicht dadurch eingetreten, dass sich die Gefahr der Orientierungslosigkeit verwirklicht habe, sondern aufgrund eines Sturzes, der dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen sei. Eine Aufsichtspflichtverletzung der offenen Einrichtung liegt nach Ansicht des Gerichts nicht vor. Die Richter weisen die Klage der Krankenkasse zurück. Frank Betke INFO-DIENST 01/2013 27 Herausgeber Union Versicherungsdienst GmbH Manfred Klocke, Geschäftsführer Klingenbergstr. 4 32754 Detmold Telefon: (+49) 05231 603-0 E-Mail: [email protected] INFO-DIENST 01/2013 28 Verantwortliche Redakteure Heidi Wentsch-Trinko Georg Westphal Design Angard® Werbung www.angard.de Druck Merkur Druck GmbH & Co. KG www.merkur-psg.de Fotos: WavebreakmediaMicro, viperag, mavka, Finkenherd, sfmthd, Sinisa Bot, Daniel Bujack, beatue, fovito, Gina Sander, aurema, Kaarste, Wissmann Design, m.schuckart – © www.fotolia.com