200_208_BIOsp_0206.qxd 20.03.2006 9:27 Uhr Seite 203 Special 203 Parallele Detektion für parallele Interaktionen – neue Konzepte zur miniaturisierten Analyse von Proteinkomplexen in der zellulären Signaltransduktion Oda Stoevesandt und Roland Brock Interfakultäres Institut für Zellbiologie, Eberhard Karls Universität Tübingen Lebende Zellen sind in der Lage, auf komplexe Stimuli aus ihrer Umwelt in spezifischer Weise zu reagieren, indem sie Information in Signalnetzwerken aus enzymatischen Reaktionen und ProteinProtein-Wechselwirkungen integrieren. Die isolierte Betrachtung einzelner Reaktionen oder molekularer Wechselwirkungen ist für das Verständnis dieser komplexen Signaltransduktionsvorgänge unzureichend[1]. Eine Voraussetzung für die Aufklärung des Zusammenspiels der Moleküle im Netzwerk ist daher die parallele Detektion vieler oder aller der darin vorkommenden Protein-Protein-Interaktionen. Klassische Co-Immunpräzipitationen mit anschließender Elektrophorese und Western Blot sind aufgrund der vielen Arbeitsschritte und des relativ hohen Materialbedarfs nur begrenzt parallelisierbar und geben daher nur punktuelle Einblicke in solche Interaktionsnetzwerke. 왘 Wir entwickeln am Modell der T-Zell-Sig- naltransduktion Ansätze zur miniaturisierten und parallelisierten Detektion von ProteinProtein-Interaktionen. Dabei spielen Peptidmicroarrays und Fluoreszenz-Kreuzkorrelations-Spektroskopie (FCCS) zentrale und komplementäre Rollen. Unsere Ansätze kommen ohne überexprimierte, mit einem Detektionsmarker (z. B. Pulldown-Tag, GFP) versehene Fusionsproteine aus, durch deren zusätzliche Expression das zelluläre BIOspektrum · 2/06 · 12. Jahrgang Abb. 1: a) Kompetitions- und Rekrutierungseffekte führen zu signaltransduktionsabhängigen Änderungen von Signalen auf dem Peptidmicroarray. b) Objektträger mit 16 Peptidmicroarrays und montierbarem 16-well-Rahmen für separate Inkubation. Darüber Arrays nach Inkubation mit Lysat ruhender bzw. aktivierter Zellen und indirekter Immunfluoreszenzfärbung mit dem gleichen Primärantikörper (Falschfarbendarstellung). 왘왘 200_208_BIOsp_0206.qxd 20.03.2006 9:27 Uhr Seite 204 Special 204 왘왘 Signalgeschehen verzerrt werden könnte. Stattdessen erlauben sie die Arbeit mit ausschließlich endogenen Proteinen. T-Lymphozyten-Zellen sind Hauptakteure im adaptiven Immunsystem der Säugetiere, das die spezifische Abwehr von Krankheitserregern erlaubt. Über den TCR/CD3-Rezeptorkomplex auf ihrer Oberfläche erkennen T-Zellen körperfremde Strukturen, die auf der Oberfläche anderer Zellen präsentiert werden. In der TZelle erfolgt die Signalweiterleitung über eine Kaskade von Tyrosin-Phosphorylierungen (pTyr), die zur Entstehung von Bindestellen für Proteine mit SH2-Domänen führen. SH3-Domänen und poly-Prolin-Motive (polyPro) vermitteln weitere Interaktionen. Eine Besonderheit der T-Zell-Signaltransduktion ist das häufige Auftreten dieser beiden, auf linearen Peptidmotiven basierenden, Interaktionstypen. Diesen Umstand nutzen wir beim Einsatz von Peptidmicroarrays für die Detektion von Proteinkomplexen. Peptide, die den pTyroder polyPro-Motiven der T-Zell-Signalproteine entsprechen, werden anstelle der kompletten Proteine als Fängermoleküle im Microarrayformat immobilisiert. Bei Inkubation mit Zelllysaten binden Proteine mit geeigneten Interaktionsdomänen an die Peptide und werden anschließend mittels indirekter Immunfluoreszenz detektiert. Zwei mit dem zellulären Signalgeschehen assoziierte Effekte führen dabei zu Veränderungen der Anbindung auf dem Array (Abb. 1a). Einerseits kann die Bildung von Proteinkomplexen Domänen involvieren, für die es auch auf dem Array ein Bindemotiv gibt. Aufgrund dieser Maskierung der Bindungsdomänen kommt es zur verminderten Bindung auf dem Array[2]. Andererseits können Proteine durch Integration in einen Komplex indirekt an ein immobilisiertes Peptid binden. Zu betonen ist, dass in beiden Fällen die Änderung des Signals nicht, wie sonst bei Arrayanwendungen üblich, eine Änderung der Gesamtmenge des detektierten Proteins wiedergibt, sondern eine durch Signaltransduktion hervorgerufene Änderung in dessen Bindungszustand. Pro Objektträger werden 16 identische Peptidarrays mit je etwa 25 verschiedenen Bindemotiven aus der T-Zell-Signaltransduktion pipettiert (Abb. 1b). Pro Array werden zwei Primärantikörper zur Detektion eingesetzt, die über verschiedenfarbig fluoreszent markierte Sekundärantikörper differenziert werden. Die Auslesung erfolgt mit einem Zweikanal-Arrayscanner. Dies ermöglicht pro Objektträger die Inkubation der Arrays unter 16 verschiedenen Bedingungen (z. B. verschiedenartige Stimulation der Zellen vor der Lyse, Detektion mit verschiedenen Antikörpern) und damit die Er- zeugung von bis zu 800 Datenpunkten. Dabei müssen lediglich 16 Millionen Zellen eingesetzt werden, im Gegensatz zu den gängigen 1 – 10 Millionen Zellen für eine einzige, klassische Co-Immunopräzipitation[3]. Ein Beispiel für die Komplexdetektion auf einem Peptidarray ist die Interaktion von ZAP-70 mit CD3ζ und ε2. In ruhenden Zellen ist ZAP-70 gleichmäßig verteilt, nach der Stimulation, hier mit dem Phosphataseinhibitor Pervanadat (PV), bindet ZAP-70 an phosphoryliertes CD3ζ/ε an der Plasmamembran (Abb. 2a). Die Komplexe liegen auch nach Lyse der Zellen im Lysat vor (Abb. 2b). Als Fängerpeptid auf dem Array fungiert das phosphorylierte Bindemotiv aus CD3ζ. Durch Kompetition mit den Bindemotiven der zellulären CD3ζ/ε-Proteine ist nach Stimulation der Zellen weniger ZAP70 auf dem Array nachweisbar (Abb. 2c). Durch weitere arraybasierte Analysen lässt sich abschätzen, welcher Anteil der ZAP-70Moleküle durch die Stimulation der Zellen ins Signalgeschehen involviert wird[2]. Auf den Arrays werden nicht die Proteinkomplexe selber nachgewiesen, sodass nur indirekte Rückschlüsse auf die vorliegenden Komplexe möglich sind. Hier kommt eine zweite, von uns entwickelte Methode zur miniaturisierten Komplexdetektion zum Einsatz[4], die auf FCCS basiert. In einem Schritt werden dem Lysat Primärantikörper gegen die vermuteten Komplexpartner und Abb. 2: Analyse von Proteinkomplexen durch Peptidmicroarrays und FCCS am Beispiel der Interaktion von ZAP-70 mit CD3ζ/ε. a) Verteilung von ZAP-70 in ruhenden und Pervanadat-stimulierten Zellen. Konfokale Aufnahmen von Zellen, ein Fusionsprotein von ZAP-70 mit YFP (Yellow Fluorescent Protein; gelb) exprimieren. b) Schema der stimulationsabhängigen Phosphorylierung (rot) von CD3ζ/ε (blaugrau) und Bindung von ZAP-70 (gelb). c) Schema und experimentelle Bestätigung der komplexierungsabhängigen Verminderung der Bindung von ZAP-70 an den Peptidarray. Im Western Blot ist ZAP-70 nicht vermindert. d) Schema und experimentelles Beispiel der Komplexdetektion durch FCCS. Den Lysaten zugesetzte Reagenzien: anti-ZAP-70 (Antikörper aus Maus), anti-CD3ε (biotinylierter Antikörper aus Hamster), anti-Maus Antikörper markiert mit Fluorophor Alexa488 und Streptavidin markiert mit Cy5. e) Titration mit pTyr-Peptid aus CD3ζ zur Bestimmung des IC50-Wertes der Bindung von ZAP-70 und CD3ε. FCCS von ZAP-70-YFP und indirekt Cy-5-markiertem CD3ε wie in Abbildung 2d. BIOspektrum · 2/06 · 12. Jahrgang 200_208_BIOsp_0206.qxd 20.03.2006 9:27 Uhr Seite 205 Special eingesetzt werden. Die Titration der Interaktion von ZAP-70-YFP und CD3ε mit dem pTyr-Peptid aus CD3ζ ergab einen IC50 von 1 µM (Abb. 2e)[4]. FCCS ermöglicht die Detektion von Protein-Protein-Interaktionen aus wenigen Mikrolitern Lysat. Die Wechselwirkung der Proteine kommt im physiologischen Kontext der übrigen zellulären Komponenten zustande. Daher eröffnet diese Methode eine Perspektive insbesondere für Screening und Charakterisierung von Inhibitoren von Interaktionen, die auf signalabhängigen posttranslationalen Modifikationen beruhen. Sowohl die Peptidmicroarrays als auch die FCCS erlauben alleine oder in Kombination eine umfassende Aufklärung der ProteinProtein-Wechselwiekungen, die den vielfältigen Antworten von Zellen auf ihre Umgebung zugrunde liegen. Danksagung Abb. 3: Messprinzip der Fluoreszenz-Kreuzkorrelations-Spektroskopie[5]. a) Wenige Mikroliter Probe mit zwei verschieden Fluorophoren werden mit zwei überlagerten Lasern angeregt. Die durch Diffusion bedingten Fluoreszenzfluktuationen beider Fluorophore in überlagerten konfokalen Beobachtungsvolumina werden zeitaufgelöst detektiert und kreuzkorreliert. b) Je höher der Anteil von Partikeln, die beide Fluorophore tragen, desto höher die Amplitude der Kreuzkorrelationsfunktion Gcc(τ). Sekundärreagenzien zugegeben. Letztere sind mit unterschiedlichen Fluorophoren markiert und für jeweils einen der Primärantikörper spezifisch. Nach Inkubation dieser Ansätze bilden sich nur dann beide Fluorophore tragende Partikel, wenn im Lysat Komplexe der beiden Interaktionspartner vorliegen (Abb. 2d). Solche zweifarbig markierten Partikel in Lösung lassen sich mittels FCCS nachweisen. Das Messprinzip der FCCS ist in Abbildung 3 erläutert. Im Gegensatz zu Co-Immunpräzipitationen ermöglicht FCCS die trennungsfreie Messung in wenigen Mikrolitern Zelllysat in Multiwellplatten. Zusammen mit dem auf einen einzigen Pipettierschritt reduzierten Probenansatz ist FCCS damit bestens geeignet zur miniaturisierten und parallelisierten Detektion von Proteinkomplexen. Im Beispiel wurde FCCS eingesetzt, um die PV-induzierte Interaktion von CD3ε mit ZAP-70 zu verifizieren (Abb. 2e). Die FCCS-Messung zeigt im Lysat stimulierter Zellen eine signifikant erhöhte Kreuzkorrelation gegenüber dem Lysat ruhender Zellen. Für die weitergehende Charakterisierung von Proteinkomplexen kann FCCS zur Bestimmung von IC50-Werten für Komplexinhibitoren BIOspektrum · 2/06 · 12. Jahrgang Die Autoren danken der Volkswagenstiftung (Nachwuchsgruppen an Universitäten, I/77 472) für die finanzielle Unterstützung dieser Arbeiten. Literatur [1] Hunter, T. (2000): Signaling—2000 and beyond. Cell 100: 113–127. [2] Stoevesandt, O., Elbs, M., Köhler, K., Lellouch, A. C., Fischer, R., André, T., & Brock, R. (2005): Peptide Microarrays for the Detection of Molecular Interactions in Cellular Signal Transduction. Proteomics 5: 2010–2017. [3] Sambrook, J., & Russel, D. W. (2001): Molecular cloning: a laboratory manual. (CSHL Press, New York). [4] Stoevesandt, O., Köhler, K., Fischer, R., Johnston, I. C., & Brock, R. (2005): One-step analysis of protein complexes in microliters of cell lysate. Nat Methods 2: 833–835. [5] Schwille, P., Meyer-Almes, F. J., & Rigler, R. (1997): Dual-color fluorescence cross-correlation spectroscopy for multicomponent diffusional analysis in solution. Biophys. J. 72: 1878–1886. Korrespondenzadresse: PD Dr. Roland Brock AG Zelluläre Signaltransduktion Abteilung Molekularbiologie Interfakultäres Institut für Zellbiologie Auf der Morgenstelle 15 D-72076 Tübingen [email protected] Darmstadt hat eine weitere Topadresse: AppliChem GmbH Ottoweg 4 64291 Darmstadt Fon 06151/93 57-0 Fax 06151/93 57-11 [email protected] www.applichem.com