Komplettes Heft Onkologische Welt 3/2011

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E 45120
ISSN 1869-0874
Onkologische
Welt
3/2011
Gynäkologische
Onkologie
GEICO/ESMO-Nachlese
St. Gallen 2011
Hämato-Onkologie
13. Myeloma Workshop
Neuro-Onkologie
DGNC-Nachlese
Uro-Onkologie
Review – Bildgebende
Diagnostignostik bei P-Ca
EAU-Update
Pneumo-Onkologie
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Onkologische Welt 2011; 2: 97–148
Juni
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1 g
DGP-Nachlese
Zu diesem Heft
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Ist St. Gallen noch zeitgemäß?
Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass es
für den Entscheidungsfindungsprozess eine optimale Zahl von Diskutanten gibt. Das
hängt im Einzelfall von Faktoren wie der
Sachkunde und Disziplin der Teilnehmer
sowie den Fähigkeiten des Moderators bei
der Gesprächsführung ab. Aber mehr Menge ergibt selten mehr Qualität.
Auf der diesjährigen 12. Breast Cancer
Conference wurde das Panel der Teilnehmer bei der Abstimmung zu den Empfehlungen in diesem Jahr wieder um einige
Mitglieder verstärkt. Man fühlt sich inzwischen ein wenig an die Vollversammlung
der Vereinigten Nationen erinnert, wenn
man die lange Reihe der Diskutanten betrachtet. Man kann nun trefflich darüber
streiten, ab welcher Teilnehmerzahl der
Consensusprozess trotz einer hochrangigen Expertise jedes Teilnehmers zu zerfasern droht. Lassen Sie mich als advocatus
diaboli die Frage stellen, ob es nicht auch an
der Ausuferung der Zahl der Diskussionsteilnehmer lag, dass der Consensus in diesem Jahr so merkwürdig blass ausfiel. Eben
der kleinste gemeinsame Nenner.
Es fällt auf, dass die Ergebnisse der St.
Gallener Brustkrebskonferenz in den vergangenen Jahren immer seltener als Referenz zitiert werden. Ein sinkender Zitationsindex bzw. „Kongress-Impact-Faktor“
ist in der wissenschaftlichen Gemeinschaft
ein Warnsignal: Bin ich noch am Pulsschlag
der Wissenschaft, ist das Konzept noch zeitgemäß?
Andererseits: Wird mit diesem Diskussions- und Entscheidungsprozess nicht das
Ideal einer Verknüpfung von wissenschaftlicher Evidenz mit dem medizinischen Erfahrungshintergrund erreicht? Auf der
Web-Seite
„www.medizin-evidenz.de“
wird Evidenz-basierte Medizin definiert als
„die systematische Suche nach der relevanten Evidenz in der medizinischen Literatur
für ein konkretes klinisches Problem; die
kritischen Beurteilung der Validität der
Evidenz nach klinisch-epidemiologischen
Gesichtspunkten; die Bewertung der Größe
des beobachteten Effekts sowie die Anwendung dieser Evidenz auf den konkreten Patienten mit Hilfe der klinischen Erfahrung
und der Vorstellungen der Patienten. „
Es gibt genügend Guidelines, welche
dieses letzte Kriterium seit Jahren konsequent vernachlässigen und Datengräber
produzieren, die in der klinischen Praxis
nicht weiterhelfen. Müssen wir also nicht
froh sein, dass es „St. Gallen“ gibt?
Und muss es immer Spektakuläres sein,
das dort alle zwei Jahre beschlossen wird?
Der Consensus reflektiert den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis. Es ist nicht ungewöhnlich, wenn nach Jahren des stürmischen Fortschritts eine Phase der Konsolidierung und Evaluierung der Erfahrungen
in der Praxis folgt? Und in einigen Teilbereichen haben wir heute in der Therapie des
Mammakarzinoms einen Qualitätsstand erreicht, den wir vor 10 Jahren noch nicht vorhersehen konnten. Das ist aber kein Grund,
sich auf den Erfolgen auszuruhen. Es gibt
noch viele unbeantwortete Fragen.
Wichtig ist auch, dass uns die Guidelines
gelehrt haben, dass der behandelnde Arzt
gute Gründe vorweisen muss, wenn er von
den Guidelines abweicht. Er muss die individuelle Situation des Patienten und die dafür zur Verfügung stehenden Therapiemöglichkeiten umfassend prüfen und das
medizinisch Machbare mit dem Wunsch
des Patienten zu einem konsentierten Behandlungskonzept vereinen.
Wenn nicht jeder mit den Ergebnissen
von St. Gallen 2011 zufrieden ist, mag das
auch daran liegen, dass die Fachorganisationen in den letzten Jahren bei ihren Guidelines ihre Hausaufgaben besser gemacht
haben. Hier war St. Gallen ein wichtiger
Schrittmacher, der gezeigt hat, wie wichtig
ein schnelles, regelmäßiges Update des
Wissens- und Empfehlungsstands für die
Qualität der onkologischen Versorgung ist.
Was ich mir für die Zukunft der Breast
Cancer Conference wünsche, ist kein Erstarren in Traditionen, sondern selbstkritisch und unbequem zu sein und den Finger auf die Schwachstellen der Patientenversorgung zu legen.
Dr. Alexander Kretzschmar
Dr. Alexander Kretzschmar, München
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97
Inhalt
Contents
99
Zu diesem Heft
97
A. Kretzschmar
Ist St. Gallen noch zeitgemäß?
Focus Versorgung – Gesundheitspolitik
101
Jahresbericht – fünf Jahre DKG-Zertifizierung von Darmkrebszentren
104
Interview mit Prof. Thomas Seufferlein und Prof. Werner Hohenberger:
Die Crux der inter- und multidisziplinären Zusammenarbeit
Gynäkologische Onkologie
105
Kongressnachlese:
8. Internationales Symposium Advanced Ovarian Cancer update, Valencia 2011
108
Kongressnachlese:
12th International Breast Cancer Conference, St. Gallen 2011
110
Internationale Literatur:
Prognoseverbesserung beim duktalen Carcinoma in situ
Hämato-Onkologie
112
Kongressnachlese:
13th International Myeloma Workshop, Paris 2011
120
Kongressnachlese:
62. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie, Hamburg 2011
123
Internationale Literatur:
Tumorbiologie – Mechanismen der Strahlenresistenz sind komplex
Neuro-Onkologie
Uro-Onkologie
127
Review:
V. Zugor; A. Labanaris; D. Porres; R. Bauer; J. Witt
Bildgebende Diagnostik bei Prostatakarzinom
134
Kongressnachlese:
26. Jahresversammlung der European Association of Urology, Wien 2011
142
Forum Uro-Oncology
Giuliano Mariani
Therapy with Bone-Seeking Radiopharmaceuticals in Patients with
Skeletal Metastases Beyond Simple Palliation of Bone Pain
Pneumo-Onkologie
145
Kongressnachlese:
52. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, Dresden 2011
Titelbild
Pierre-Auguste Renoir, Junge Badende – digiArt
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Focus Versorgung
Gesundheitspolitik
101
Erster Jahresbericht vorgestellt
Fünf Jahre DKG-Zertifizierung
von Darmkrebszentren
Die Zunahme der Darmkrebs-Erkrankungsraten, verbesserte Überlebenschancen und
vor allem demographische Veränderungen haben zu einer erheblichen Zunahme der
Darmkrebsprävalenz geführt. Mit der die Zertifizierung von Organkrebszentren und
onkologischen Zentren, die im Namen der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) durch
das OnkoZert-Institut in Neu-Ulm durchgeführt werden, soll die Entstehung von onkologischen Zentren mit einem festgelegten qualitativen Anspruch auf freiwilliger Basis
gefördert werden und damit die Versorgung von Krebspatienten verbessert werden.
In zertifizierten onkologischen Zentren werden betroffene Patienten ganzheitlich und
in allen Phasen der Erkrankung betreut und versorgt.
Im Jahr 2010 lebten in Deutschland knapp
250 000 Frauen und Männer, die in den vergangenen 5 Jahren an Darmkrebs erkrankt sind (1).
Eine solche ganzheitliche Versorgung von Patienten ist idealerweise nur durch ein Netzwerk
von Spezialisten unterschiedlicher medizinischer und pflegerischer Fachrichtungen möglich, in denen die Fachrichtungen ihre Arbeitsweise gegenseitig auf die Bedürfnisse einer optimalen Patientenversorgung ausrichten. Hierzu wurden spezifische fachliche Anforderungen
festgelegt, nach denen OnkoZert – zum Beispiel im Bereich Darmkrebs – im März 2006
erstmals ein Zentrum zertifiziert hat („Darmkrebszentrum Ruhr“).
Seit 2009 zentrenvergleichendes Benchmarking
Mittlerweile haben sich etwa 200 Darmkrebszentren durch die DKG zertifizieren lassen
(Übersicht nach Bundesland auf der DKG-Website, http://bit.ly/j7XVtB). Nach erfolgreicher
Überprüfung der fachlichen Anforderungen im
Rahmen
eines
Zertifizierungsverfahrens
(씰Tab. 1), bestätigt ein zeitlich begrenztes Zertifikat dem jeweiligen Organkrebszentrum die
Anerkennung durch die DKG. Weitere Informationen zum Procedere hält die Website von
OnkoZert (www.onkozert.de) oder der DKG
(http://bit.ly/mTZeQA) vor.
Prof. Werner Hohenberger, Erlangen, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft, und
Prof. Thomas Seufferlein, Halle, Vorsitzender
der DKG-Zertifizierungskommission Darm-
krebszentren, stellten auf einer Pressekonferenz 5 Jahre nach der ersten Zertifizierung eines Darmkrebszentrum den ersten Jahresbericht zum Benchmarking der zertifizierten Zentren vor (Volltext http://bit.ly/jyjwjW) (2). Seufferlein betonte , dass es die zentrale Zielsetzung des Zertifizierungssystems war, die interdisziplinäre Versorgung von Krebspatienten in
konkreten Daten und Kennzahlen darzulegen.
Damit soll die leitliniengetreue Betreuung
der Patienten widergespiegelt und zugleich die
geforderte interdisziplinäre, sektoren- und berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit in
den zertifizierten Zentren abgebildet werden.
Durch die Zertifizierung ist nicht nur die qualitätsgesicherte Erhebung, so Seufferlein, sondern auch die vergleichende Darlegung der
Kennzahlen möglich, die mit den Erfahrungswerten aus dem Zertifizierungssystem kontinuierlich, zum Beispiel im Hinblick auf Referenzbereiche, weiterentwickelt werden.
Mit dem im März 2009 eingeführten neuen
Erhebungsbogen für die DKG-zertifizierten
Darmkrebszentren wurde erstmals auch eine
strukturierte Abbildung der zertifizierungsrelevanten Kennzahlen von den Darmkrebszentren
gefordert (aktuell gültiger Erhebungsbogen für
Darmkrebszentren: http://bit.ly/lQgQx7). Das
bedeutet, die Zentren müssen konkret, in Form
von eindeutigen, vergleichbaren Zahlen ihre
Leistungen bei der Betreuung der Patienten mit
Darmkrebs aufführen.
Diese Umstellung bzw. Neuerung erwies
sich für die Zentren als nicht immer einfach, berichtete Seufferlein. Zum Beispiel, weil die datentechnische Infrastruktur der Zentren ange-
passt werden musste. Für die Zentren ergibt
sich durch das Benchmarking jedoch eine wichtige Standortbestimmung, die gerade in der gemeinsamen interdisziplinären Diskussion aufzeigt, welche Schwerpunkte bei der Verbesserung der Patientenversorgung innerhalb der
Zentren gesetzt werden müssen. Dadurch trägt
der Bericht wesentlich zur Verbesserung der
Qualität der Behandlung von Patienten mit
Darmkrebs in den Zentren bei. Dies gilt für alle
Bereiche, von der Diagnostik bis zur Tumordokumentation.
25% aller Darmkrebspatienten in zertifizierten
Zentren
Doch es wird nicht nur die Betreuung von
Darmkrebspatienten bundesweit erfasst und
transparenter gemacht. Die Auswertungen dieser Daten dienen neben der Qualitätssicherung
auch der Weiterentwicklung einer effektiven
Leitlinienarbeit (bereits jetzt wird jeder 4.
Darmkrebs-Patient in einem DKG-zertifizierten
Zentrum versorgt). Vergleichbare und qualitätsgesicherte Kennzahlen sind die Voraussetzung, um die Wirksamkeit von Leitlinien in der
Praxis nachprüfbar zu machen, betonte Seufferlein. Damit sind sie auch, sogar europaweit,
ein erheblicher Wettbewerbsvorteil gegenüber
anderen Anbietern.
DKG-Zertifizierung
als Wettbewerbsvorteil
Hohenberger legte dar, dass der Veröffentlichung von Leitlinien immer auch eine Strategie zu ihrer Nutzbarmachung für das Versorgungssystem folgen muss. Dies bedeutet, dass
ein umfassendes Instrumentarium zur Verbreitung von Leitlinien, zur Vermittlung ihrer Akzeptanz durch die Leistungserbringer und damit zur Implementierung vorhanden sein muss.
Diesem Anspruch, so Hohenberger, werden die
zertifizierten Darmkrebszentren nun in vollem
Umfang gerecht.
Für sie stellt die S3-Leitlinie nämlich keine
unverbindliche Empfehlung dar, sondern sie ist
obligate Bewertungsgrundlage und somit Voraussetzung für eine Anerkennung als DKG-zertifiziertes Darmkrebszentrum (씰Tab. 2). Und
was für die Kassen gut ist, sollte für die Patien-
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Focus Versorgung
Gesundheitspolitik
102
Tumorkonferenzen („Tumorboards“)
verbindlich, mind. 1 x wöchentlich, auch hinsichtlich Patienten-Nachsorge,
hoher Rang der Tumordokumentation
Morbiditäts-/Mortalitätskonferenzen
mind. 2 x jährlich
Qualitätszirkel („Q-Zirkel“)
mind. 4 x jährlich
Inter-/Multidisziplinarität
Entscheidender, verbindlicher Faktor des gesamten Versorgungs-Konzeptes
Fortbildungen
im Netzwerk eines Darmkrebszentrums mind. 2 x jährlich
Psychoonkologie
mind. ein Psychoonkologe muss zur Verfügung stehen,
Angebot und Zugang für alle Patienten
Sozialdienst/Reha
patientenindividuelle Beratung, Notfallintervention
Patientenbeteiligung
Patientenbefragungen mind. 1 x jährlich über drei Monate,
schriftl. und mündl. Patienteninformationen,
Patientenveranstaltungen, Einbeziehung Selbsthilfegruppen
Fachärzte
Mindestzahl pro Fachrichtung (z. B. mind. ein Radiologe),
erhöhte Qualifikationsanforderungen, Erfahrungen
(mind. z. B. 200 Koloskopien/Jahr pro Untersucher;
mind. 10 Rektumkarzinome/Jahr pro Darmoperateur),
Aus- und Weiterbildung
Kapazitäten
Mindestfallzahlen pro Zentrum („Volume-Outcome-Hypothese“)
Palliativmedizin/Hospizarbeit
Kooperationsverträge sind nachzuweisen
Nachsorge
verpflichtend in offener Zusammenarbeit mit den Einweisern,
Rückmeldesystem Einweiser – Zentrum
Tab. 1
Zur DKG-Zertifizierung relevante Zieldimensionen (Auswahl)
weitere spezifische Infos: Erhebungsbogen für Darmkrebszentren (neueste Fassung ab 1.1.2011 gültig, http://bit.ly/lQgQx7).
Kennzahl
Sollvorgabe (%)
min. (%)
max. (%)
Mittel (%)
prätherapeutische Fallvorstellung
100
27,0
100
83,9
postoperative Fallvorstellung
100
60,0
100
96,4
Studienteilnahme
≥10
0
Rücklaufquote Patientenbefragung
(mind. 30 zurückerhaltene FB)
> 50
0
Kolorektalkarzinom-Patienten mit
pos. Familienanamnese
--
0
Genetische Beratung
--
Mikrosatelliteninstabilitäts-Untersuchung
≥90
0
Komplikationsrate therapeutische Koloskopien
≤0,2
0
vollständige elektive Koloskopien
≥95
50,3
operative Primärfälle – Kolon (mind. 30)
--
--
operative Primärfälle – Rektum (mind. 20)
--
--
Revisions-OPs – Kolon
< 10
0
25,8
8,9
Revisions-OPs – Rektum
< 10
0
37,9
9,5
postoperative Wundinfektion
---
0
21,1
7,1
Anastomoseninsuffizienzen – Kolon
≤3
0
17,5
4,9
Anastomoseninsuffizienzen – Rektum
< 15
0
36,4
8,6
Mortalität postoperativ
<5
0
14,3
3,3
94,40
100
18,2
Tab. 2
Bewertungsgrundlagen für die Zertifizierung: Sollvorgaben und klinische
Realität (nach [2])
54,4
52,1
7,3
--
100
78,2
5,19
100
0,54
96,1
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Focus Versorgung
Gesundheitspolitik
103
ten ebenfalls von Vorteil sein: „Ich hoffe, dass
die Patientinnen und Patienten dieses in
Deutschland einmalige Angebot in Anspruch
nehmen und sich nur noch in zertifizierten Zentren behandeln lassen. So haben sie die Gewissheit einer dem aktuellen Wissensstand
entsprechenden Behandlung und wir bald eine
noch breitere Datenbasis“.
Offene Fragen
Trotz der positiven Einschätzung Hohenbergers
– „gesicherte Versorgungsqualität erhöht Lebenserwartung onkologischer Patienten – in einigen Studien bis zu 100%“ – bleiben noch offene Fragen. Zum Beispiel nach der Einführung
flächendeckender Krebsregister, der Umset-
zung von dringlichen Forderungen des Nationalen Krebsplanes, der ungeklärten Kostenübernahme qualitätsbezogener Mehraufwendungen bei DKG-Zertifizierung, der möglichen
intersektoralen Leistungsverschiebung in Richtung Kliniken, der Bedeutung der Integrativen
Onkologie oder der Integration der allseits geforderten Krebs-Prävention in den überprüfbaren Leistungskatalog der Zentren.
In dieser Hinsicht, genau wie hinsichtlich
der so überaus bedeutsamen Nachsorge, weist
Seufferlein vor allem den Allgemeinärzten/
Hausärzten eine überragende Rolle zu. Ohne
allerdings zu erklären, woher – angesichts der
ohnehin überspannten Erwartungen an die Basisversorger – die nötigen Qualifikationen und
vor allem die Finanzierung herkommen sollen.
Literatur
1. Bertz J, Dahm S, Haberland J. Verbreitung von
Krebserkrankungen in Deutschland – Entwicklung
der Prävalenzen zwischen 1990 und 2010. In: Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes. 2010, Robert Koch-Institut, Berlin (Volltext:
http://bit.ly/myXFt9).
2. Deutsche Krebsgesellschaft (Hrsg.) in Zusammenarbeit mit OnkoZert: Benchmarking 2011 – Jahresbericht der zertifizierten Darmkrebszentren. DKG,
Berlin, 2011 (Volltext: http://bit.ly/jyjwjW).
Quelle: Pressegespräch der Deutschen Krebsgesellschaft am 16. März 2011, Berlin.
Rainer Bubenzer, Berlin
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Interview
Gesundheitspolitik
104
DKG-Zertifizierungs- und Qualitätssicherungssystem
Die Crux der inter- und multidisziplinären Zusammenarbeit
Eine entscheidende Hürde für die gewünschte Ausweitung des DKG-Zertifizierungsund Qualitätssicherungssystems ist jedoch, das gestand auch Hohenberger ein, die
Ausbildung der Ärzte und der anderen beteiligten Health Care Professionals voranzutreiben. Und dabei stehen vor allem die vielfältigen Fähigkeiten im Vordergrund, inter- und multidisziplinär miteinander arbeiten zu können. Hierzu äußerten sich Prof.
Werner Hohenberger, Erlangen, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft, und Prof.
Thomas Seufferlein, Halle, Vorsitzender der DKG-Zertifizierungskommission Darmkrebszentren im Interview:
?
Die Vorgaben des DKG-Zertifizierungskonzepts erhöhen menschliche
und fachliche Anforderungen an die Beteiligten in den Krebszentren immer weiter. Welche Forderungen haben Sie an die
dafür notwendige Aus- und Weiterbildungsinhalte?
Prof. Seufferlein: Die heutige, durchaus
auch problembehaftete Schnittstelle zwischen Chirurgie und Gastroenterologie
sollte – wenigstens bei der Ausbildung – in
Richtung einer modernen Viszeralmedizin
weiterentwickelt werden, bei der die jeweiligen Spezialisierungen im onkologischen
Bereich sinnvoll zusammenfinden. Dies
bedeutet unter anderem eine zunehmend
frühere Qualifizierung und differenziertere
Ausbildung.
Besonders wichtig ist, aus meiner Sicht,
eine Ausbildung, die immer mehr Fähigkeiten des interdisziplinären Zusammenarbeitens fördert. Das geht am besten,
wenn die jungen Ärztinnen und Ärzte –
zum Beispiel in den Tumorkonferenzen –
von Beginn an erfahren, dass eine optimale
Behandlung von Krebspatienten nur mit
aktiver interdisziplinärer Zusammenarbeit
möglich ist. Daneben sind strukturierte
Aus- und Weiterbildungsmodule zu definieren, die für alle verpflichtend erfüllt
werden müssen. Und für die – was bislang
noch nie dagewesen ist – auch ein interdisziplinäres Training als Grundlage einer
modernen Qualifzierung von Health Care
Professionals nachgewiesen werden muss.
Ich bin sicher, dass dies kommen muss und
wird.
Prof. Thomas Seufferlein, Halle,
Vorsitzender der DKG-Zertifizierungskommission Darmkrebszentren
Prof. Hohenberger: Das sehe ich ähnlich:
DEN Onkologen klassischer Prägung wird
es nicht mehr geben. Selbst wenn das eine
oder andere Fach diesen Anspruch immer
noch für sich erhebt. Hinsichtlich der Interdisziplinarität sehe ich derzeit allerdings
Probleme: Selbst wenn diese Grundfähigkeit schon in der Muster-Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer gefordert wird, wird es nicht gelebt, wird im Arbeitsalltag nicht umgesetzt. Deswegen ist es
sicher auch notwendig, dieses interdisziplinäre Arbeiten strukturiert zu lehren.
Doch der Impetus, dies in Angriff zu
nehmen, wird teilweise durch die Realpolitik gehemmt: Die Stimmenmehrheit im
Ärztetag, der letztlich über die Weiterbildungsordnung entscheidet, haben Hausärzte. Und deren Interesse an solchen Dingen ist nicht besonders groß. Trotzdem
müssen wir natürlich stetig versuchen, weiter für diese notwendige Grundlage eines
modernen onkologischen Handelns zu
werben und es in der Aus- und Weiterbildung zu verankern.
Prof. Seufferlein: Trotz solcher Probleme
kenne ich viele Kliniken mit viszeralmedizinischen Stationen, wo Gastroenterologen, Chirurgen und andere Disziplinen die
Patienten gemeinsam versorgen und genau
solche Konzepte im Lebensalltag umsetzen
– also zusammen und ohne Fachbegrenzungen lernen und vor allem auch voneinander lernen. Dieser „bottom up approach“ trägt sicher dazu bei, entsprechende
moderne Lehrinhalte allmählich in der Fläche umzusetzen.
Prof. Werner Hohenberger, Erlangen, Präsident der Deutschen
Krebsgesellschaft
Prof. Hohenberger: Ja, es gibt etliche, vor
allem auch von onkologischen Zentren her
entwickelte Curricula, die zu etwas führen
könnten, was ich immer den „onkologisch
kompetenten Arzt“ nenne. Die dabei mögliche Überwindung traditioneller Fachgrenzen finden bei den jüngeren Kolleginnen und Kollegen großen Zuspruch. Beispielsweise kann in solch einem, vielleicht
einjährigen Curriculum jeweils ein chirurgisch-onkologisches, ein internistisch-onkologisches Fach und die Strahlentherapie
durchlaufen werden. Nur so entsteht eine
wirklich praktische Erfahrung, Übersicht
und Übung in Interdisziplinarität.
Das Interview führte Rainer Bubenzer, Berlin.
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GEICO/ESMO 2011
105
8. Internationales Symposium Advanced Ovarian Cancer
update
Das richtige Target definieren und
gezieltere Kombinationstherapien
Seit 1996 ist das zweijährliche Weiterbildungsmeeting der spanischen Ovarialkarzinomgruppe eine Institution. Nunmehr wird es in Kooperation mit der ESMO durchgeführt, um insgesamt mehr Onkologen aus Europa zu erreichen. Denn die Behandlung des rezidivierten Ovarialkarzinoms stellt nach wie vor eine große Herausforderung dar. Zudem das Ovarialkarzinom meist erst im fortgeschrittenen Stadium entdeckt wird. Erst in den vergangenen Jahren konnten die Therapieoptionen in diesem
Bereich etwas verbessert werden. Immer mehr zielgerichtete Kombinationen werden
eingesetzt. Trotzdem muss eine noch genauere Zieldefinition am Anfang stehen, um
letztlich wirklich Erfolge zu erzielen.
Ergibt Screening Sinn?
„Das Beste wäre natürlich, das Ovarialkarzinom im Stadium I oder II zu detektieren, denn
dort haben die meisten Frauen reelle Heilungschancen“, sagte Prof. Nicole Urban, Seattle/
USA. Gerade in den vergangenen Jahren sind
einige Screening-Studien angelaufen. Bestes
Beispiel dafür ist die United Kingdom Collaborative Trial of Ovarian Cancer Screening
(UKCTOCS), an dem an 27 Zentren mehr als
200 000 postmenopausale Frauen (Alter 50 bis
74 Jahre) teilnehmen.
Dort wird das jährliche Multimodal Screening (MMS) eingesetzt. Das MMS besteht aus
dem jährlichen CA125-Nachweis im Blut. Ver-
änderungen führen zu einer Risikoabschätzung, die nach einem Algorithmus erfolgt und
entweder weitere CA125-Kontrollen oder eine
transvaginale Ultraschalluntersuchung nach
sich zieht. Bisherige Zwischenergebnisse zeigen, dass dies eine valide Option sein könnte:
Allerdings müssten drei Frauen operiert werden, um ein Karzinom zu entdecken, das sich
dann zu etwa 50% in einem kurablen Stadium
befände. Die Studie läuft noch bis Ende 2012,
und die Frauen werden danach noch bis Ende
2014 nachbeobachtet.
Gleichzeitig verwies Urban auf eine weitere
US-Studie, die beim vergangenen ASCO-Kongress präsentiert wurde (3). Dazu wurde bei
3238 Frauen der ROCA-Score evaluiert. Der
ROCA-Score beruht auf der Kinetik des Tumormarkers CA 125, der über einen Zeitraum von
mehreren Jahre hinweg bestimmt wurde und in
einen Algorithmus eingeflossen ist: Der „Risk
of Ovarian Cancer Algorithm“, der als Screening-Methode etabliert werden soll.
% verstorbene Patienten
„Wir haben immerhin das 5-Jahres-Überleben
beim Ovarialkarzinom von 37% auf 46% in den
vergangenen 15 Jahren steigern können“; erklärte Prof. Robert Bast, Houston/USA, zu Beginn des Symposiums. Allerdings werden bei
rund 70% der Patientinnen weiterhin mangels
spezifischer Frühsymptome und effektiver
Screening-Maßnahmen Ovarialkarzinome erst
in den fortgeschrittenen Stadien (FIGO III-IV)
diagnostiziert. Mehr als 260 000 Frauen weltweit versterben an dieser Erkrankung. Während bei anderen Tumorarten die Mortalität abgenommen hat, ist sie beim Ovarialkarzinom
gleichbleibend hoch (씰Abb. 1). Trotz Primärtherapie erleiden mehr als die Hälfte der Patientinnen ein Rezidiv (1). „Besonders für diese
Patientinnen besteht ein dringender Bedarf an
innovativen Therapieoptionen“, fügte Bast an.
Uterus
Magen
Brust
Das Prinzip der US-Studie besteht darin, den
CA-125-Wert in der Normalpopulation ab dem
Alter von 50 Jahren einmal im Jahr zu bestimmen und Frauen auf Basis der Messwerte je
nach Risikokategorie entweder erst im nächsten Jahr wieder zu untersuchen (geringes Risiko), bereits nach 3 Monaten wieder zu untersuchen (mittleres Risiko) oder eine transvaginale Ultraschalluntersuchung durchzuführen
und die Frauen an einen gynäkologischen Onkologen zu überweisen, der weitere Empfehlungen ausspricht (hohes Risiko). In der US-Studie wurde das ROCA-Screening als machbare
Methode mit sehr hoher Spezifität >99,7%
ausgewiesen. Urban schlussfolgerte: „Wir machen Schritte in die richtige Richtung, aber es
ist sehr aufwändig und wir können noch nicht
abschließend sagen, ob ein Screening sich
lohnt.“
In der First-Line alle
Optionen überprüfen
„In der Erstlinientherapie sind zukünftig ebenfalls alle Optionen zu überprüfen“, forderte
Prof. Michael Bookman, Tuscon, USA. Paclitaxel plus Carboplatin ist nach wie der Standard,
auf welchem aufgebaut werden kann. Darüber
hinaus befinden sich dosisdichte Regime in der
Überprüfung, aber auch in Valencia wurde
deutlich, dass diese noch indifferent bewertet
werden und weitere Ergebnisse und bessere
Datenlage noch abgewartet werden muss, ehe
dazu endgültig etwas zu sagen ist. Die Hinzunahme einer dritten Substanz ist mehrheitlich in den Studien der vergangenen 15 Jahre
mit keinem verbesserten klinischen Erfolg begleitet gewesen.
Die Erhaltungstherapie mit antiangiogenetischen Substanzen oder Paclitaxel ist ebenfalls
Kolon & Rektum
Ovarien
Pankreas
Lungen & Bronchien
40
20
0
1930 1935 1940 1945 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1996 2000 2005
Abb. 1 Tumormortalität in den USA von 1930 bis 2006 (Pfeil: Zytoreduktion).
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Wie geht es weiter?
In Valencia trafen
sich die Onkologen
für ein Update in der
Diagnostik und Therapie des Ovarialkarzinoms.
in der Diskussion nach der Vorstellung mehrerer Studien im vergangenen Jahr. Als Zukunft
der Konsolidierungstherapie beim Ovarialkarzinom nannte Bookman u.a. folgende Studien:
GOG 212 mit Paclitaxel Poliglumex über einen
Zeitraum von 12 Monaten; GOG-218 mit Bevacizumab über 6 Monate (bzw. ICON 7) und
schließlich ICON 6 mit dem Angiogenesehemmer Cediranib über 12 Monate. Ebenso müsse
weiter an einer genauen Zielstrukturfestlegung
gearbeitet werden, betonte der amerikanische
Ovarialkarzinom-Experte. Seiner Meinung
nach reicht es bei weitem nicht aus, nur die Angiogenese zu hemmen oder PARP, sondern es
müssen wahrscheinlich mehrere Zielstrukturen
gleichzeitig oder sequenziell attackiert werden.
Kombinationen im Rezidiv
oft besser
Dieser Forderung stimmte sein Kollege Prof.
Eric Pujade-Lauraine, Paris, zu. Gleichzeitig
verwies aber auch auf folgende Tatsache: „Unserer wachsender Kenntnisstand bezüglich des
Tab. 1
Management des Rezidivs hat in den vergangenen 10 Jahren zu einem wirklich verlängerten Überleben in diesem Bereich geführt“. So
wurde unter anderem im Rahmen einer Klassifikation festgelegt, dass ein Platin-freies Intervall (PFI) von <6 Monaten einen platinresistenten Tumor anzeigt. Der Tumor gilt als platinsensibel, wenn es frühestens 12 Monate nach Abschluss der Therapie zu einem Rezidiv kommt.
Die Zeitspanne für das Rezidiv zwischen 6 und
12 Monaten kennzeichnet einen intermediären
Bereich mit teilweiser Platinsensibilität (4).
Der französische Krebsexperte verwies darauf, dass die Prognose der Frauen maßgeblich
von der Länge des platinfreien Intervalls abhängt. Weitere Fortschritte leitete er aus der Erkenntnis ab, dass auch beim rezidivierten Ovarialkarzinom Kombinationstherapien eine Effektivitätssteigerung bei adäquater Verträglichkeit bedingen können. Während SingleSubstanzen in diesem Intervall meist nur einen
Bereich von 5 Monaten hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens erreichen, kann
dieses Intervall mit Kombinationen auf bis zu 9
Monate verlängert werden (씰Tab. 1).
Progressionsfreies Überleben in Phase-III-Studien
Therapie
Gruppe/Name
Medianes PFS
(Monate)
Carboplatin/pegyliertes liposomales Doxorubicin
CALYPSO
9,4
Carboplatin/Paclitaxel
CALYPSO
8,8
Carboplatin/Gemcitabin
AGO-GCIG
7,9
Trabectedin/pegyliertes liposomales Doxorubicin
OVA-301
7,1
Pegyliertes liposomales Doxorubicin
OVA-301
5,5
Carboplatin
AGO-GCIG
5,2
Gerade im Rezidiv laufen eine große Anzahl
von Studien, die nicht nur neue Substanzen
überprüfen, sondern auch die Rolle der Operation evaluieren wollen. So ist die unter Federführung der deutschen AGO stehende DESKTOP III-Studie bereits gestartet worden. In dieser Studie wird bei platin-sensitiven Patientinnen die Rolle einer erneuten Operation in diesem Stadium überprüft. Zudem werden eine
ganze Reihe antiangiogenetischer Substanzen
wie Bevacizumab, AMG 386, Cediranib sowie
Sorafenib noch erforscht.
Viel versprechen sich ebenfalls die Experten, so Pujade-Lauraine weiter, von den PARPInhibitoren. Zu durch BRCA-1,2-Mutationen
gekennzeichnete hereditäre Ovarialkarzinome
zählt eine hohe Sensitivität gegenüber Platinanaloga und gegenüber PARP-Inibitoren. Diese
richten sich gegen einen Defekt in der homologen Rekombination. Insbesondere bei BRCAmutierten Tumoren scheint der Einsatz sehr
vielversprechend zu sein. Anhand von Untersuchungen könnte ein Fingerprint aus 16 Genen, der mit Platinsensitivität, mit dem homologem Rekombinationsdefekt und mit dem Ansprechen auf PARP-Inhibitoren und darüber hinaus auch mit klinischen Parametern wie dem
krankheitsfreien Überleben und dem Gesamtüberleben korrelierte, zur Patientenselektion
herangezogen werden (2).
Abschließend verwies der Spezialist darauf,
dass weitere Substanzen in der Untersuchung
sind. So auch ein Hedge-hog-Signalweg-Inhibitor, welcher in einer Studie kürzlich erste Erfolge zeigen konnte. Pujade-Lauraine: „Ich bin mir
sicher, dass wir in den nächsten Jahren – insbesondere im Rezidiv – die Situation der Patientinnen verbessern können. Aber wir müssen uns immer bewusst machen, dass wir nicht
einfach irgendetwas geben können, sondern
vorher die Zielstrukturen genau definieren sollten.“
Bettina Reich, Hamburg
Literatur
1. Heintz AP et al. Int J Gynaecol Obstet 2006; 95
(Suppl. 1): S161-S192.
2. Konstantinopoulos et al. ASCO Abstract 5004.
3. Lu et al. ASCO Abstract 5003.
4. Monk BJ et al. JCO 2010; 28: 3107–3114.
Quelle: 8. Internationales Symposium Advanced Ovarian Cancer update GEICO/ESMO am 4. März 2011, Valencia
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Kongressnachlese
St. Gallen 2011
108
Primary Therapy of Early Breast Cancer
Wenig Änderungen, deutsche
Leitlinien konkreter und weiter
Rund 4200 Ärzte aus mehr als 100 Ländern informierten sich im März vier Tage lang
über neueste Erkenntnisse der Brustkrebs-Forschung. Den Abschluss des alle zwei Jahre in St. Gallen stattfindenden Mammakarzinom-Kongresses bildete traditionsgemäß
eine Konsensus-Sitzung. 2011 war das Panel mit 46 Personen besetzt, abgestimmt
wurde über mehr als 100 Fragen. Daraus werden bis Mitte 2011 die „St. Galler Standards für die Primärtherapie von Brustkrebs“ formuliert werden. Die neuen Änderungen werden sich aber in Grenzen halten. Im Vergleich dazu gehen die deutschen AGOEmpfehlungen und die evidenzbasierte S3-Leitlinie weiter und sind besser anwendbar
in der Praxis.
●
●
●
Zwei Jahre sind seit der vergangenen Konferenz in Sankt Gallen vergangen. In der Eröffnungsveranstaltung wurde von Prof. Hans-Jörg
Senn, Leiter des Kongresses, deutlich herausgestellt, dass sich in diesen zwei Jahren wesentliche Fortschritte auf dem Gebiet des Mammakarzinoms ereignet haben. Er betonte insbesondere, dass in den vergangenen Jahren die
Brustkrebs-spezifische Mortalität gesunken ist
trotz steigender Inzidenz des Mammakarzinoms. Dies ist nach Meinung der Experten zu
einem kleineren Teil der Früherkennung zuzuschreiben, vor allem jedoch der besseren Therapie, die immer individueller zugeschnitten wird.
Aktuelle Empfehlungen
Auch in diesem Jahr wurde von einem internationalen Expertengremium wieder abge-
stimmt, was bleiben soll, was sich ändert und
was noch nicht bewiesen ist. Als Experten aus
Deutschland waren Prof. Manfred Kaufmann,
Frankfurt, Prof. Kurt Possinger, Berlin, Prof.
Michael Untch, Berlin und Prof. Gunnar von
Minckwitz, Neu Isenburg, berufen. Erwartungsgemäß war es auch dieses Jahr wieder ein
Minimalkonsens, da sehr viele Länder mit unterschiedlichem wissenschaftlichem Stand im
internationalen Panel vertreten sind.
Als wichtigste Änderung ist einzuschätzen,
dass bei HER2-positiven Tumoren die Chemotherapie immer mit Trastuzumab für ein Jahr
kombiniert werden sollte. Auch bei kleinen Tumoren wird aufgrund der erhöhten Rezidivrate
einstimmig eine Kombination von Trastuzumab
und Chemotherapie empfohlen. Weitere Ergebnis des Konsensus waren:
● Nur in wenigen Fällen ist eine Bestimmung
der genetischen Signatur erforderlich, meist
●
reichen die immunhistochemischen Marker
aus.
Bei Frauen mit kleinen Tumoren und ein bis
zwei befallen Lymphknoten, die brusterhaltend operiert worden, kann im Rahmen einer engen Indikationsstellung (cN0, 1–2 befallene Sentinel-LK, BET, cT1/2, tangentiales
Bestrahlungsfeld der Brust, adäquate Systemtherapie) auf die Axilladissektion verzichtet werden.
Das Panel stimmte zu, dass alle postmenopausalen Frauen innerhalb von 5 Jahren einen Aromatase-Inhibitor erhalten sollten. Nur bei Frauen mit positiven Lymphknoten wurde einstimmig der upfront-Einsatz empfohlen. Im Unterschied zur AGOEmpfehlung wurde Zoledronat nicht für die
adjuvante Behandlung empfohlen.
Zur Bestimmung, welche Frauen mit nodalnegativen Mammakarzinomen von einer
(beispielsweise zur Hormontherapie zusätzlichen) Chemotherapie profitieren, wurde
der Gentest Onkotype DX als positiv befürwortet. Die eigentlich einfache Bestimmung
von uPA/PAI-1 aus Frischgewebe wurde abgelehnt. Dies ist aus deutscher Sicht völlig
unverständlich.
HER2-positives Mammakarzinom: Die Indikation zum Einsatz einer adjuvanten Therapie wird auf kleine Tumoren mit einem
Durchmesser von 5–10 mm erweitert. Auch
bei diesen Tumoren wird aufgrund der erhöhten Rezidivrate eine Kombination von
Trastuzumab und Chemotherapie empfohlen.
Auch bei der neoadjuvanten Therapie wurde
wieder einmal deutlich, dass die aktiven Studiengruppen aus Deutschland Vorreiter sind. Das
Panel vertrat beispielsweise die Ansicht, dass
die neoadjuvante Chemotherapie in erster Line
dafür da sein, das Operationsergebnis zu verbessern.
HER2-positiver Brustkrebs
– Hoffnung auf Heilung
St. Gallen Luftaufnahme (Foto: ©St.
Gallen-BodenseeTourismus)
Eines der Highlights des Kongresses war zweifellos die Session zu den HER2-positiven Tumoren, die von Prof. Martine Piccard, Brüssel geleitet wurde. Sie erläuterte, dass 1978 Slamon
entdeckte, dass mit dieser Tumorbiologie ein
besonders aggressives Verhalten verbunden
ist. Indem Substanzen wie Trastuzumab, Lapati-
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Kongressnachlese
St. Gallen 2011
109
nib und Pertuzumab entdeckt wurden, die speziell gegen den HER2-Rezeptor gerichtet sind,
kann laut Piccard 2011 festgestellt werden,
dass mittlerweile sogar die Rate an pathologischen Komplettremissionen (pCR) durch den
Einsatz dieser Substanzen verdoppelt werden
kann.
Sie verwies auf Studien, die den Erfolg einer
dualen Blockade begründen. Bestätigt werden
konnte dieser Ansatz in der neoadjuvanten Situation in der Neo-ALTTO-Studie. Im Kombinationsarm Lapatinib + Trastuzumab konnte hier
nahezu eine Verdopplung des primären Studienendpunkts, der pCR-Rate, gegenüber den
Monotherapien erzielt werden (51,3% vs. 29,5
bzw. 24,7%, p = 0,0001) (1).
Als den interessantesten Ansatz zu diesem
Thema bezeichnete Piccard die Kombination
aus dem HER-Dimerisierungs-Inhibitor Pertuzumab und Trastuzumab in der NEOSPHEREStudie (2). Diese neoadjuvante Phase-II-Studie
prüfte bei 417 Frauen mit HER2-positivem
Brustkrebs im Frühstadium die Wirkung von
Pertuzumab und Trastuzumab plus Docetaxel.
Die Daten zeigen, dass die Antikörperkombination plus Docetaxel die pCR-Rate im Vergleich
zu den Einzelsubstanzen signifikant verbesserte (45,8% vs. 29% Trastuzumab + Docetaxel vs.
24% Pertuzumab + Docetaxel, p = 0,014). Die
Kombination der beiden zielgerichteten Therapien ohne Chemotherapie erzielte eine pCR
von 16,8%.
Wird dies bei PR- und ER-positiven Patienten betrachtet, so liegt die Rate sogar bei
29,1%. Dazu gibt es weitere Untersuchungen
über die Immunhistochemie des HER2-positiven Tumore. Es zeigt sich, dass bei Unterstützung dieses Immunsystems ebenfalls positive
Effekte bei diesem Tumor ausgeübt werden.
Piccard schlussfolgerte: „Wenn wir das Puzzle
aus genauer Patientenselektion, dualer Blockade, Biomarkern und Immunsystem-Boost zusammensetzen, dann haben wir in den nächsten Jahren die Chance darauf, HER2-positive
Patienten zu heilen.“
Jede zielgerichtete
Therapie braucht ein Ziel
Einer der weiteren wesentlichen Erkenntnisse
der vergangenen Jahre ist es, dass Fortschritte
in der molekularen Krebsdiagnostik eine individuell abgestimmte Therapie erlauben. Weniger
Frauen werden in Zukunft Chemotherapie benötigen, aber bei mehr Frauen wird wahrscheinlich eine antihormonelle Therapie erfolgen. Diese Auffassung vertrat Prof. Craig
Jordan, Rochester/USA. Zudem werden sich
mehr zielgerichtete Therapien etablieren.
„Aber jede zielgerichtete Therapie braucht ein
Ziel bzw. einen Surrogatmarker für das Ziel“,
betonte von Minckwitz. Er erinnerte daran,
dass insbesondere die vielen deutschen neoadjuvanten Studien als Surrogatmarker die pCR
bestätigt haben.
Als eine der ersten Studien konnte die TECHNO-Studie (Taxol-Epirubicin-Cyclophosphamid-Herceptin Neoadjuvant) der AGO dieses
Konzept bestätigen (4). In dieser multizentrischen Phase-II-Studie erhielten 230 Patientinnen mit HER2-positivem lokal fortgeschrittenem Mammakarzinom präoperativ 4 Zyklen
Epirubicin und Cyclophosphamid, gefolgt von 4
Zyklen Paclitaxel q3w in Kombination mit Trastuzumab (Initialdosis 8 mg/kgKG i.v. d1, anschließend 6 mg/kgKG i.v. q3w). Bei 39% der
Patientinnen induzierte diese Behandlung eine
pathologische Komplettremission.
Von den Frauen, die eine pCR aufwiesen, erreichten 88% ein krankheitsfreies Überleben,
während dies in der Gruppe ohne pCR nur 73%
der Frauen betraf (p = 0,01). Ebenso war das
Gesamtüberleben deutlich erhöht in der Gruppe der Frauen mit einem pCR (96% vs. 86%, p
= 0,025).
In der NOAH-Studie fungierte die pCR-Rate
ebenfalls als Surrogatmarker (3). Für diese Untersuchung (NeOAdjuvant Herceptin) wurden
228 Patientinnen mit lokal fortgeschrittenem
Mammakarzinom in zwei Therapiearme rando-
misiert. Die Patientinnen erhielten präoperativ
eine Anthrazyklin-/Taxan-haltige Chemotherapie ± Trastuzumab. Zusätzlich zu den 228 Studienpatientinnen gab es eine Vergleichsgruppe
mit 99 Patientinnen ohne HER2-Überexpression.
Laut der finalen Daten waren noch 70,1%
der Patientinnen mit HER2-Überexpression unter Chemotherapie plus Trastuzumab ohne Rezidiv im Vergleich zu 53,3% der Patientinnen im
Kontrollarm (HR 0,56; p = 0,006) nach drei Jahren. Die Gesamtansprechrate war ebenfalls signifikant höher (89% vs. 77%, p = 0,02).
Ausgangspunkt des Therapieerfolgs war die
fast doppelt so hohe pCR-Rate unter zusätzlicher Trastuzumab-Therapie (43% vs. 22%; p =
0,0007). Von Minckwitz äußerte: “Die pCR-Rate ist für die frühe Behandlung offensichtlich
sensitiver als das progressionsfreie Überleben.”
Neue Therapien integrieren
Jetzt müssen weiterführende Wege beschritten
werden, die weitere Tumorbiologien nutzen,
sagte Prof. Andrew Tutt, London. Ein Beispiel
dafür könnten die PARP-Inhibitoren werden.
Der nächste logische Schritt war es, so der britische Experte, sie in frühe Stadien beim Brustkrebs einzuführen. Eine neoadjuvante Studie
ist mit dem NEPTUNE-Trial unter Einsatz des
PARP-Inhibitors Iniparib bereits gestartet worden.
Bettina Reich, Hamburg
Literatur
1.
2.
3.
4.
Baselga J et al. SABCS 2010, Abstract S3–3.
Gianni L et al. SABCS 2010, Abstract S3–2.
Gianni L et al. Lancet 2010; 375: 377.
Untch M et al. Cancer Res 2010; 70 (Suppl. 1): Abstr
S3–1.
Quelle: 12th International Breast Cancer Conference
2011 vom 16.-19. März 2011, St. Gallen
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Internationale
Literatur
110
Prognoseverbesserung beim DCIS
Weniger invasive Rezidive
durch adjuvante Therapien
Patientinnen mit duktalem Carcinoma in situ (DCIS) müssen nicht mastektomiert werden; sie haben auch nach brusterhaltender Operation ein günstiges Outcome. Eine
weitere Prognoseverbesserung wird durch Nachbestrahlung und adjuvante TamoxifenGabe erreicht.
Kumulative Inzidenz (%)
Der Stellenwert der brusterhaltenden Operation (BCS: breast conserving surgery) beim DCIS
wurde zwischen 1985 und 1994 in zwei großen
US-Studien untersucht. Die Studie NSABP-B17
randomisierte gut 800 DCIS-Patientinnen zur
alleinigen BCS oder zur BCS mit anschließender
Radiatio. NSABP-B24 schloss 1800 Frauen ein,
die brusterhaltend operiert und nachbestrahlt
wurden und randomisiert Placebo oder Tamoxifen erhielten. Erste Analysen beider Studien
zeigten bereits den Benefit von Nachbestrahlung und endokriner Therapie anhand der signifikanten Risikoreduktion für invasive ipsilaterale Brustkrebs-Rezidive (IIBR).
Sehr gute Langzeitprognose
Jetzt liegen Studien-Updates mit einem medianen Follow-up von 207 Monaten in NSABP-B17
und 163 Monaten in NSABP-B24 vor. Sie untermauern die sehr gute Langzeitprognose von
DCIS-Patienten nach BCS und adjuvanter Therapie (1). In der Studie B-17 wurde das Risiko
für IIBR durch die Nachbestrahlung signifikant
um 52% im Vergleich zur alleinigen BCS gesenkt (HR 0,48; p = 0,001; Abb. 1). Die Tamoxifen-Gabe in B-24 bewirkte gegenüber Placebo
Brusterhaltende OP (Studie B-17)
Brusterhaltende OP + Radiatio (Studie B-17)
Brusterhaltende OP + Radiatio + Placebo (Studie B-24)
Brusterhaltende OP + Tamoxifen (Studie B-24)
30
25
20
15
eine Risikoreduktion um 32% (HR: 0,68; p =
0,025). Die kumulative 15-Jahres-Inzidenz für
IIBR sank von 19,4% bei alleiniger BCS auf
8,9% bei Nachbestrahlung und von 10% im
Placeboarm von B-24 auf 8,5% mit Tamoxifen.
Im Vergleich zur BCS allein in der Studie B-17
bewirkten Nachbestrahlung plus Tamoxifen in
B-24 eine ausgeprägte relative Risikoreduktion
für IIBR um 70% (HR: 0,30; p<0,001).
Auch ipsilaterale DCIS wurden durch die adjuvanten Maßnahmen verhindert: Die Radiatio
in B-17 resultierte in einer Risikoreduktion um
47% (HR: 0,53; p<0,001). Bei Tamoxifen-Gabe
in B-24 sank das DCIS-Risiko um 16%; dieser
Effekt war allerdings mit einem p-Wert von
0,33 nicht signifikant. Die Häufigkeit kontralatraler Mammakarzinome wurde durch die
Nachbestrahlung in B-17 erwartungsgemäß
nicht beeinflusst: Die 15-Jahres-Inzidenz lag in
beiden Armen bei rund 10%. Dagegen reduzierte Tamoxifen zusätzlich zur Radiatio das Risiko für kontralaterale Tumoren signifikant um
etwa ein Drittel (HR: 0,68; p = 0,023).
Die adjuvanten Maßnahmen hatten keinen
Effekt auf die Gesamtmortalität, die in allen
vier Studienarmen ähnlich war. Auch bei der
Brustkrebs-spezifischen Mortalität gab es keine signifikanten Unterschiede. Allerdings hatten Frauen mit IIBR ein rund siebenfach erhöhtes Risiko, am Brustkrebs zu sterben als Frauen
ohne invasiven Tumor. Bei Frauen mit invasivem kontralateralen Tumor war dieses Risiko
rund dreimal so groß. Adjuvante Maßnahmen
nach BCS sind daher ausgesprochen sinnvoll,
um invasive Mammakarzinome und dadurch
bedingte Todesfälle zu verhindern.
Dr. Katharina Arnheim, Freiburg
10
5
0
0
5
10
Jahre
15
20
Abb. 1 Wirkung von Nachbestrahlung und Tamoxifen auf die Inzidenz von IIBR in den Studien NSABP
B-17 und B-24. Abkürzungen: Lo B-17 = Brusterhaltende OP (Studie B-17); LRT B-17 = Brusterhaltende
OP + Radiatio (Studie B-17); LRT + Placebo B-24 = Brusterhaltende OP + Radiatio + Placebo (Studie
B-24); LRT + Tam B-24 = Brusterhaltende OP + Tamoxifen (Studie B-24)
Literatur
1. Wapnir IL et al. Long-term outcomes of invasive ipsilateral breast tumor recurrences after lumpectomy in NSABP B-17 and B-24 randomized clinical
trials for DCIS. J Natl Cancer Inst 2011; 103:
478–488.
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Gynäkologische
Onkologie
111
Metastasiertes Mammakarzinom
Mit nab-Technologie gezielt
zum Tumor
Bisher wurden die extrem hydrophoben Taxane Paclitaxel und Docetaxel mit Lösungsmitteln wasserlöslich und damit infundierbar gemacht. Die Solventien limitieren das
Potenzial der Zytostatika, beeinflussen die Pharmakokinetik und können zu einer reaktiven Hypersensitivität führen. Mit der ‚nab’-Technologie kann dies laut Prof. Andreas Schneeweiss, Heidelberg, vermieden werden, meinte er auf einer Pressekonferenz.
Laut Schneeweiss führen die Lösungsmittel zu
einer nicht-linearer Pharmakokinetik der Taxane. Gesteigerte Standarddosen von Paclitaxel
und Docetaxel erhöhen dann nur die Toxizität,
ohne größere Effektivität zu erzielen (2). Mit
nab-Paclitaxel (Abraxane®) (nanoparticle albumin-bound) können diese Probleme vermieden
werden. Nach Schneeweiss sorgen die natürlichen Eigenschaften von Albumin als Transportprotein für wasserunlösliche Substanzen im Blut
nach der Infusion der Nanopartikel für eine gezielte Anreicherung im Tumor. So werden höhere
Effektivität und bessere Verträglichkeit erreicht.
Die Albumin-Partikel docken an gp60-Rezeptoren auf Endothelzellen an, der AlbuminRezeptor-Komplex wird in Membranvesikel
eingeschlossen und durch die Endothelzelle
geschleust, gelangt ins Interstitium des Tumors
und dort reichern sich Albumin und der daran
gebundene Wirkstoff an (1). Nach Schneeweiss
bewirkt dieser Transportmechanismus eine lineare Pharmakokinetik. Bei Bedarf kann die
nab-Paclitaxel-Dosis im klinisch wirksamen Bereich von 135–300 mg/m2 gesteigert werden,
die Infusion wird deutlich einfacher.
Kombination aus Bevacizumab und Capecitabin
HER2-negatives Mammakarzinom
jetzt besser erreichbar
„Patientinnen mit chronischen Mammakarzinom ohne großen Remissionsdruck profitieren besonders von verträglicheren Therapieschemata.“ Dem entspricht für Priv.Doz. Sherko Kümmel, Essen, der Nutzen der Kombination aus Bevacizumab (Avastin®)
und Capecitabin (Xeloda®) beim metastasiertem HER2-negativen Mammakarzinom,
falls keine lebensbedrohlichen Metastasen zu aggressiveren Therapien zwingen.
Die Formulierung in der demnächst erwarteten
Zulassung, die Kombination sei anwendbar bei
Patientinnen, bei denen eine Behandlung mit
anderen Chemotherapeutika einschließlich Taxanen und Anthrazyklinen nicht als geeignet
angesehen wird, gibt dem behandelnden Onkologen Spielraum, die individuelle Präferenzen der Patientin in die Therapieentscheidung
einzubeziehen. Dr. Norbert Marschner, Freiburg, erinnerte hier daran, dass gerade Alopezie und Neuropathien als Nebenwirkungen bis-
heriger Therapien die Patientin sehr belasten.
Wenn eine Verlängerung des Progressions-freien Überlebens (PFS) ohne solche Belastung
möglich ist, bieten sich Bevacizumab und Capecitabin als echte Alternative an. Nach
Marschner zeigt auch eine in Deutschland laufende Studie mit diesem Therapie-Schema einen unerwartet großen Zuspruch – eine Art
„Abstimmung mit den Füßen“.
Die Zulassungserweiterung für Bevacizumab beruht auf den Ergebnissen der Ribbon-
nab-Paclitaxel ist zur Therapie des metastasierten Mammakarzinoms (MBC) bei Erwachsenen
zugelassen, die nicht auf eine Erstlinientherapie
ansprachen oder bei denen eine anthrazyklinhaltige Standardtherapie kontraindiziert ist. Prof.
Christian Jackisch, Offenbach, berichtete über
Daten der Phase-III-Zulassungsstudie (n = 460).
Die Patientinnen erhielten dreiwöchentlich 260
mg/m2 nab-Paclitaxel oder lösungsmittelbasiertes
Paclitaxel in der Standarddosierung von 175
mg/m2. nab-Paclitaxel bewirkte im direkten Vergleich ein signifikant besseres Gesamtansprechen
(33% vs. 19%) und verlängerte die mediane progressionsfreie Zeit (23,0 vs. 16,9 Wochen). nab-Paclitaxel verbesserte signifikant das Gesamtüberleben – ein beim metastasierten Mammakarzinom
noch für keine Substanz gezeigter Effekt.
Jürgen Setton, Chemnitz
Literatur
1. Kiessling F et al. Invest Radiol 2002; 37: 193–198.
2. Weiss RB. J Clin Oncol 1990; 8: 1263–1268.
Quelle: Pressekonferenz „Intelligent verpackt – besonders wirksam. Abraxane zur Behandlung des metastasierten Mammakarzinoms” am 19. Mai 2011 in
Frankfurt. Veranstalter: Celgene GmbH.
1-Studie mit 614 Patientinnen mit metastasiertem, HER2-negativem Mammakarzinom, bei
denen die adjuvante Behandlung über 12 Monate zurück lag. Sie erhielten als First-Line-Therapie Capecitabin (2000 mg/m²/d, d1–14 q3w.
Im experimentellen Arm (n = 409) der wurde
zusätzlich Bevacizumab (15 mg/kg KG q3w)
kombiniert. Primärer Endpunkt war das Progressions-freie Überleben (PFS).
Dieses verlängerte sich unter der Kombination im Vergleich zur Monotherapie um median
2,9 Monate (8,6 vs. 5,7 Monate; HR 0,69,
p<0,001). Die Wahrscheinlichkeit, länger ohne
ein Fortschreiten der Erkrankung zu leben, erhöhte sich unter der Kombination um 45%. Die
objektive Ansprechrate stieg von 23,6 auf
35,4% (p=0,0097). Das Sicherheitsprofil entsprach den vorausgegangenen Studien.
Dr. Till U. Keil, München
Literatur
1. Robert NJ et al. J Clin Oncol 2011; 29: 1252–1260.
Quelle: Pressekonferenz „Zulassungserweiterung für
Avastin® in der Brustkrebstherapie“ am 23. Mai 2011,
Köln. Veranstalter: Roche Pharma AG Grenzach-Wyhlen.
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Kongressnachlese
Myeloma-Workshop
112
13. Internationaler Myelom-Workshop in Paris
Stetiger Fortschritt in der Therapie
Die Therapiemöglichkeiten des multiplen Myeloms (MM) haben sich in der vergangenen Dekade durch verschiedene neue Substanzen deutlich verbessert. Dies hat sich
auch auf das Überleben der Patienten positiv ausgewirkt. Doch immer noch ist das
MM eine unheilbare Erkrankung, die oft rezidiviert. Um damit fertig zu werden, muss
die Vielfalt von möglichen Therapieregimes und Substanzen weiter zunehmen, und
sich das Verständnis von Krankheitsbiologie und Prognosefaktoren weiter vertiefen.
Beim rezidivierten oder refraktären Myelom
hat eine Therapie mit Lenalidomid und Dexamethason die Responserate und das Gesamtüberleben im Vergleich zu Placebo/Dexamethason signifikant verbessert (1, 6). Eine neue retrospektive Analyse ergab, dass die Zahl vorher
verabreichter Substanzen ein stärkerer Prädiktor für das progressionsfreie Überleben war als
die Zahl der vorausgehenden Therapielinien –
unabhängig davon, wann diese Substanzen
verabreicht worden waren (2). Die besten Effekte erzielte die Therapie mit Lenalidomid/Dexamethason, wenn sie frühzeitig im Krankheitsverlauf und bei Patienten eingesetzt wurde, die nur mit wenigen anderen Substanzen
behandelt worden waren.
Sehr gute Ergebnisse erzielte man in einer
Phase-II-Studie mit Elotuzumab, einem humanisierten monoklonalen Antikörper gegen das
Oberflächen-Glykoprotein CS-1, das von Myelomzellen, aber kaum von normalem Gewebe
exprimiert wird (4). Patienten mit rezidiviertem
MM erhielten Elotuzumab in einer Dosis von 10
oder 20 mg/kg in Kombination mit Lenalidomid
und low-dose Dexamethason. Insgesamt sah
man bei akzeptabler Tolerabilität eine hohe Gesamtresponserate von 82%, bei den Patienten,
die 10 mg/kg erhalten hatten, sogar 92%. Patienten, die nur eine Vortherapie erhalten hatten, sprachen zu 100% an. Das spricht dafür,
die Elotuzumab-Kombination in weiteren Studien schon früher im Krankheitsverlauf zu untersuchen.
Der Proteasom-Inhibitor Bortezomib hat einen großen Fortschritt in der Primär- und Sekundärtherapie des multiplen Myeloms gebracht. Die Hauptnebenwirkung dieser generell gut verträglichen Substanz ist eine sensorische Polyneuropathie. Derzeit sucht man nach
Wegen, die Verträglichkeit weiter zu optimieren, ohne an Wirksamkeit zu verlieren. Die prospektive Phase-III-Studie (MMY-3021) zeigte,
dass dies mit einer subkutanen Applikation gelingen kann. Bei vergleichbarer Antitumoraktivität trat eine Neuropathie ≥Grad 3 bei 16%
(i.v.) versus 6% (s.c.) der Patienten auf (3).
MM-Patienten, die gegen Bortezomib und
Immunmodulatoren wie Thalidomid oder Lenalidomid refraktär sind, haben ein sehr schlechtes medianes Überleben von nur 6 Monaten.
Der orale Pan-Deacetylaseinhibitor Panobinostat verstärkt die Acetylierung von Proteinen,
die in onkogenen Signalwegen bedeutsam
sind. In Kombination mit dem Proteasominhibitor Bortezomib hat die Substanz synergistische
Aktivität gezeigt. Durch das Zusammenwirken
beider Substanzen häufen sich falsch gefaltete
Proteine in den Myelomzellen an, die schließlich zur Apoptose führen. Erste Ergebnisse der
PANORAMA-2-Studie, weisen darauf hin, dass
die Kombination von Bortezomib und Dexamethason mit Panobinostat die Bortezomib-refraktären Myelomzellen wieder empfindlich
gegen die Proteasominhinition macht (5).
Mit MLN9708 hat inzwischen auch der erste orale Proteasominhibitor das Stadium der
klinischen Entwicklung erreicht. In einer PhaseI-Studie hat die Substanz gute Antitumoraktivität gezeigt. Besonders erfreulich war, dass keine periphere Neuropathie ≥Grad 3 beobachtet
wurde.
Dr. Angelika Bischoff, Planegg
Literatur
1. Dimopoulos M et al. Long-term follow-up on overall survival from the MM-009 and MM-010 phase
III trials of lenalidomide plus dexamethasone in patients with relapsed or refractory multiple myeloma. Leukemia 2009; 23: 2147–2152.
2. Dimpopoulos M et al. Lines of therapy vs. number
of drugs as predictors of progression-free survival
(PFS) in patients (pts) with relapsed/refractory
multiple myeloma (RRMM); 13th International
Myeloma Workshop, Paris, 3. bis 6. Mai 2011, Poster
240.
3. Moreau P et al. Lancet Oncol 2011 (Epub ahead of
print).
4. Richardson PG et al. Phase 2 study of elotuzumab in
combination with lenalidomide and dexamethasone in patients with relapsed multiple myeloma. 13th
International Myeloma Workshop, Paris, 3. bis 6.
Mai 2011, Poster P-254.7Richardson P et al. Phase 1
dose-escalation study of investigational agent
MLN9708, an oral proteasome inhibitor, in patients
woth relapsed and/or refractory multiple myeloma.
13th International Myeloma Workshop, Paris, 3. bis
6. Mai 2011.
5. Schlossmann R et al.: PANORAMA 2: A phase II
study of oral panobinostat in combination with
bortezomib and dexamethasone in patients with relapsed and bortezomib-refractory multiple Myeloma. 13th International Myeloma Workshop, Paris,
3. bis 6. Mai 2011, Poster 241.
6. Weber DM et al. Lenalidomide plus dexamethasone
for relapsed multiple myeloma in North America. N
Engl J Med 2007; 357: 2133–2142.
Quelle: 13th International Myeloma Workshop von 3.
bis 6. Mai 2011, Paris.
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Kongressnachlese
Myeloma-Workshop
113
Multiples Myelom
Hochrisiko-Patienten bleiben eine
Herausforderung für die Therapie
Klinische Studien haben sich bisher überwiegend mit Niedrigrisiko-Patienten beschäftigt, bei denen durch neue Substanzen erhebliche Fortschritte erzielt werden konnten.
„Bei Hochrisiko-Patienten hat sich bisher nicht viel getan trotz Knochenmarkstransplantation und neuen Substanzen“, betonte Prof. Bart Barlogie, Little Rock/USA. Die
Herausforderung für die Therapie bei diesen Patienten kann nur gemeistert werden,
wenn molekulare Risikokategorien besser definiert und gezielte Ansätze entwickelt
werden.
Etwa 15% der Patienten mit neu diagnostiziertem multiplen Myelom sind Hochrisikopatienten. Als Konsequenz wiederholter Rezidive entwickelt sich diese Situation aber irgendwann
bei allen Patienten. Charakteristisch dafür sind
eine ausgeprägte genomische Instabilität und
intraklonale Heterogenität der Myelomzellen.
Bei mehr als der Hälfte der Patienten kommt es
zu mehr als drei genetischen Veränderungen
über die Zeit von Rezidiv zu Rezidiv.
Wechselnde Medikamentenempfindlichkeit
Für die Therapie hat die genomische Instabilität
und das gleichzeitige Vorhandensein multipler
Klone eine Reihe von Implikationen, wie Prof. P.
Leif Bergsagel, Scottsdale/USA, ausführte. Als
Primärtherapie sind daher Kombinationsregime angezeigt, da sie effektiver verschiedene Klone eliminieren als eine sequenzielle Therapie. Zum anderen besteht bei einer niedrig
dosierten Erhaltungstherapie ein höheres Risiko dafür, dass präexistierende resistente Klone
selektiert werden. In dieser Hinsicht können
auch Substanzen, welche die DNA schädigen
können, beispielsweise Melphalan, ungünstig
sein. Bei Rezidiven nach einer Melphalan-Therapie beobachtete man häufiger genetische
Veränderungen als bei Rezidiven nach Behandlung mit anderen Substanzen, die nicht an der
DNA angreifen.
Den besten Zeitpunkt für den Einsatz von
Melphalan sieht Bergsagel direkt nach einer
maximalen Zytoreduktion, sodass möglichst
wenig verbleibende Zellen dem mutagenen Po-
tenzial der Substanz ausgesetzt werden. Auch
für Patienten in kompletter Remission ist
Melphalan unproblematisch.
Die Empfindlichkeit gegen Medikamente ist
aufgrund der genomischen Instabilität auch
sehr variabel. Es kann allein dadurch geschehen, dass resistente Klone ihre Empfindlichkeit
wiedergewinnen. Dies muss auch bei der Bewertung von Therapie-Effekten in klinischen
Studien berücksichtigt werden. Denn häufig
wird dieses Phänomen der Re-Sensibilisierung
der Tumorzellen dem Einsatz neuer Medikamente zugeschrieben. „Das könnte falsch
sein“, so Bergsagel.
Möglicherweise hat auch die Knochenmarkstransplantation bei Hochrisikopatienten
negative Effekte, weil mit der hämatopoetischen Rekonstitution ein „Zytokinsturm“ verbunden ist, der das Tumorwachstum fördern
könnte.
Auf molekularem Weg zu
neuen Therapieoptionen
Ein Marker für die genomische Instabilität und
schlechtere Prognose ist beispielsweise die
Translokation t(4;14), die bei 10–15% aller Denovo-Patienten gefunden wird. Sie führt zu einer
Dysregulation der Gene für MMSET und FGFR3.
Das Protein MMSET, das die Histonmethylierung
reguliert, ist bei Patienten mit t(4;14) überexprimiert. Die Histon-Modifikationen führen zu einer
verstärkten Adhäsion und zu einer Stimulation
des Wachstums von Myelomzellen und Hemmung der Apoptose. MMSET bietet sich deshalb
auch als therapeutisches Ziel beim multiplen
Myelom an. Es befinden sich bereits solche Substanzen in Entwicklung, sagte Prof. Jonathan D.
Licht, Chicago/USA.
Wie Prof. A. Keith Stewart, Scottsdale/Arizona, ausführte, haben Mutationsanalysen gezeigt, dass einige Mutationen in vielen Tumorzelltypen auftreten. Daneben gibt es aber andere, die spezifisch sind für Bortezomib-resistente bzw. Lenalidomid-resistente Zellen.
Frühtherapie bei besonderer Risikokonstellation
Das Konzept, schon frühe Stadien zu behandeln, um damit eine Heilung zu erreichen, erscheint auch beim multiplen Myelom attraktiv.
Doch klinische Studien haben bisher keinen Response- oder Überlebensvorteil zeigen können
für eine Therapie von klinischen Vorstufen wie
der monoklonalen Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) oder dem indolenten Myelom
(smoldering myeloma). Es besteht sogar die
Befürchtung, dass man anstatt einer Heilung
die Selektion aggressiverer Klone bewirkt.
Doch Prof. Maria-Victoria Mateos, Salamanca/Spanien, wies darauf hin, dass in keiner
dieser Studien zwischen Patienten mit hohem
und geringem Risiko unterschieden wurde. In
einer Phase-III-Studie erhielten Patienten mit
smoldering myeloma und hohem Risiko (≥10%
Plasmazellen im Knochenmark plus ≥30/g/L
M-Protein) entweder eine Lenalidomid/Dexamethason-Induktionstherapie und eine Erhaltungstherapie mit Lenalidomid oder keine Therapie (1). Während des medianen Follow-up von
22 Monaten trat nur bei 10% der Patienten der
Therapiegruppe eine Progression zur aktiven Erkrankung ein, im Vergleich zu 46% in der nicht
behandelten Gruppe. Das Toxizitätsprofil war
akzeptabel. Es zeigte sich auch ein Trend zu einem besseren Gesamtüberleben. Künftige Studien zur Frühtherapie sollten sich auf Patienten
mit höherem Risiko fokussieren. Bei allen anderen Patienten und außerhalb von Studien ist
nach wie vor Beobachtung der Standard.
Dr. Angelika Bischoff, Planegg
Literatur
1. Mateos M-V et al. Blood 2010; 116 (abstract 1935).
Quelle: 13th International Myeloma Workshop von 3.
bis 6. Mai 2011, Paris
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Kongressnachlese
Myeloma-Workshop
114
Proteasominhibition
Zentrales Therapieprinzip
bei multiplem Myelom
Der Proteasom-Inhibitor Bortezomib (Velcade®) ist bisher in Kombination mit Melphalan/Prednison für die Primärtherapie des multiplen Myeloms zugelassen bei Patienten,
die für eine Hochdosischemotherapie mit Knochenmarkstransplantation nicht in Frage
kommen. Zudem kann Bortezomib als Monotherapie eingesetzt werden bei Patienten,
die schon mindestens seine Vortherapie durchlaufen haben. Eine Verbesserung des
Outcomes der Patienten erwartet man sich von Bortezomib auch im Rahmen der Induktions-, Konsolidierungs- und Erhaltungstherapie bei Patienten, die transplantiert
werden.
Bessere Response,
längeres Überleben
In der VISTA-Studie erhielten Patienten, die für
eine Knochenmarkstransplantation nicht in
Frage kamen, eine Primärtherapie mit Melphalan/Prednison (MP) oder Bortezomib plus MP
(VMP) (1). Die Gesamtresponserate lag in der
VMP-Gruppe doppelt so hoch wie in der MP-
Gruppe: 71% versus 35%; p<0,001). Die Rate
an kompletten Remissionen betrug 30% versus
4% (p<0,001) und die Zeit bis zur Progression
24 versus 16,6 Monate (p<0,001).
Wie Prof. Paul Richardson, Boston, ausführte, war in der VMP-Gruppe nach einem medianen Follow-up von 36,7 Monaten immer
noch ein signifikanter Überlebensvorteil (p =
0,0008), zu sehen, obwohl mehr als die Hälfte
der MP-Patienten bei einer Progression eben-
Patienten (%)
100
80
60
VMP
40
MP
20
0
0
6
12
18
24 30 36
Zeit (Monate)
42
48
Abb. 1 Die Therapie mit Bortezomib in Kombination mit Melphalan und Prednison (VMP) erhöht
signifikant (p = 0,0008) das 3-Jahres-Gesamtüberleben gegenüber der Therapie mit Melphalan und
Prednison (MP) alleine (modifiziert nach [2]).
Wirksamkeit
VTD
TD
P
Induktion ≥ nCR
31%
11%
<0,0001
Nach 1. ASCT ≥ nCR
52%
31%
<0,0001
Nach doppelter ASCT ≥ nCR
55%
41%
0,002
Nach Konsolidierung ≥ nCR
62%
45%
0,0002
nCR = nahezu komplette Remission,
ASCT = autologe Stammzelltransplantation
Tab. 1
Phase-II-Studie
GIMEMA zeigt signifikant bessere Responseraten mit VTD
vs. TD.
falls Bortezomib bekommen hatten. In der
VMP-Gruppe überlebten 68,5% und in der MPGruppe 54% der Patienten drei Jahre (2).
Insgesamt 52% der VMP-Patienten und
69% der MP-Patienten erhielten während der
Beobachtungszeit Zweittherapien. Dabei fiel
auf, dass auch eine erneute Therapie mit Bortezomib bei 47% der Patienten zu einer mindestens partiellen Response führte. Es spricht also
nichts dagegen, Bortezomib bei einer Progression erneut einzusetzen.
Inzwischen gibt es immer mehr Hinweise
darauf, dass die Zeit bis zur Progression (TTP),
das ereignisfreie Überleben (EFS) und das Gesamtüberleben (OS) mit der Tiefe der Response
bei der Induktionstherapie korrelieren. Das gilt
für Patienten mit und ohne Transplantation.
Bortezomib im Kontext
der Knochenmarkstransplantation
Interessant ist der Einsatz von Bortezomib deshalb auch bei Patienten, die eine Knochenmarkstransplantation erhalten. In der Induktionstherapie vor der Transplantation erwartet
man sich eine Zunahme kompletter Remissionen, in der Post-Transplantationstherapie eine
Konsolidierung und einen langfristigen Erhalt
der Response, wie Prof. Pieter Sonneveld,
Rotterdam, erklärte.
Bortezomib-basierte Induktionsregimes haben tatsächlich die Raten an kompletten Remissionen, nahezu kompletten Remissionen
(nCR) und sehr guter partieller Response
(VGPR) nach der Induktion und der Transplantation signifikant verbessert. Das gilt beispielsweise für ein Regime mit drei Zyklen VTD (Bortezomib, Thalidomid, Dexamethason), das in
zwei Studien mit TD (Thalidomid/Dexamethason) verglichen wurde (3, 4).
In der Phase-III-Studie GIMEMA kamen VTD
bzw. TD nicht nur als Induktionstherapien, sondern auch als Konsolidierungsregimes (zwei
Zyklen zu 35 Tagen) nach der Transplantation
zum Einsatz. Dabei wurden mit VTD sowohl in
der Induktion als auch in der Konsolidierung
signifikant bessere Responseraten erzielt als
mit TD (씰Tab. 1).
Dies führte auch zu einem signifikant besseren progressionsfreien Überleben (p = 0,0057).
Bei Patienten, die eine nahezu komplette Remission (nCR) erreicht hatten, trat auch eine mole-
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Kongressnachlese
Myeloma-Workshop
115
kulare Remission (PCR-negativ nach zwei Zyklen
Konsolidierungstherapie) unter VTD signifikant
häufiger ein. PCR-negativ waren vor der Konsolidierung 39% versus 31% (n.s.), danach 64% versus 48% (p = 0,007) (5). Das beste Timing der
Transplantation im Zeitalter neuer Substanzen
wird derzeit in Studien untersucht.
Ausblick
Neue Substanzen haben das Outcome der Patienten erheblich verbessern. Dies und auch
das tiefere Verständnis der Krankheitsbiologie
und individueller Krankheits-Charakteristika
werden es in Zukunft mehr und mehr erlauben,
personalisierte und risikoadaptierte Therapiestrategien zu entwickeln.
Dazu gehört auch, Regimes so zu modifizieren, dass sie trotz hoher Effektivität möglichst
gut verträglich sind und die Lebensqualität
möglichst wenig beeinträchtigen. Schon die
VISTA-Studie und andere klinische Studien geben zum Beispiel Hinweise darauf, dass eine
einmal wöchentliche Applikation von Bortezomib ebenso effektiv wie die zweimal wöchentliche ist, dass aber neurotoxische Nebeneffekte
deutlich seltener auftreten.
Dr. Angelika Bischoff, Planegg
Literatur
1. San Miguel JF et al. Bortezomib plus melphalan and
prednisone for initial treatment of MM. New Engl J
Med 2008; 359(9): 906–917.
2. Mateos M-V et a. Bortezomib plus melphalan and
prednisone compared with melphalan and predni-
International Myeloma Workshop Paris 2011
Das Multiple Myelom auf dem Weg
zur chronischen Erkrankung
In den vergangenen Jahren hat sich die Behandlung des Multiplen Myeloms wesentlich gewandelt. Durch neue Therapieoptionen konnte das progressionsfreie Überleben
im Vergleich zu vor 10 Jahren nahezu verdoppelt werden. Ebenso verlängert sich das
Gesamtüberleben. Selbst bei den älteren Patienten entwickelt sich die Therapie stetig
voran. Neben den bereits etablierten Therapieoptionen, die die Behandlung deutlich
bereichert haben wie Bortezomib und Lenalidomid, zeichnen sich neue Wirkstoffe bereits ab, wie auf dem alle zwei Jahre stattfindenden Myeloma Workshop in Paris ersichtlich war.
„Obwohl sich immer mehr junge Patienten mit
einem multiplen Myelom präsentieren, haben
wir doch in der klinischen Praxis, die große
Gruppe der über 65 Jahre alten Patienten, die
auf Grund ihres Allgemeinzustandes häufig
nicht mehr für eine Stammzelltransplantation
geeignet sind“, sagte Prof. Vincent Rajkumar
von der Mayo Klinik in Rochester/USA. Für ältere, neu diagnostizierte Patienten wählt er die
Anfangsbehandlung danach aus, ob dieser ein
normales, mittleres oder hohes Risiko aufweist.
Bei normalem Risiko empfiehlt er Lenalidomid und niedrig dosiertes Dexamethason über
18 Monate. Danach bespricht er mit jedem Pa-
sone in previously untreated multiple myeloma:
updated follow-up and Impact of subsequent therapy in the Phase III VISTA trial. J Clin Oncol 2010;
28(13): 2259–2266.
3. Rosinol et al. Blood 2010; 28 (15 Suppl.): Abstract
8014 (oral presentation).
4. Cavo et al. Bortezomib with thalidomide plus dexamethasone compared with thalidomide plus dexamethasone as induction therapy before, and consolidation therapy after, double autologous stem-cell
transplantation in newly diagnosed multiple myeloma: a randomised phase 3 study. Lancet 2010;
376(9758): 2075–2085.
5. Terragna et al. Blood 2010; 116(21): Abstract 861
(oral presentation).
tienten die Möglichkeit einer Lenalidomid-Erhaltungstherapie. Melphalan setzt er ungern
ein, da er den Eindruck hat, dass zukünftige Behandlungen dadurch negativ beeinflusst werden. Bei mittlerem Risiko ist eine Bortezomibhaltige Kombinationstherapie seine erste Wahl.
Als besonders geeignet sieht der amerikanische Myelom-Experte die Kombination aus
Bortezomib, Cyclophosphamid und Dexamethason (VCd oder CyBorD) über ein Jahr, gefolgt von einer Bortezomib-Erhaltungstherapie
über zwei Jahre. Bei hohem Risiko ist das vordringliche Ziel eine komplette Remission. Um
dies zu erreichen, wählt Rajkumar meist die
Quelle: Symposium „Optimising patient outcomes
through individulaises treatment approaches: phase III
data“, Veranstalter Takeda, Janssen-Cilag, 13th International Myeloma Workshop, Paris, 5. Mai 2011.
Kombination Lenalidomid, Bortezomib und Dexamethason (RVd). Danach wird bis zur Krankheitsprogression weiter Bortezomib gegeben.
Für die älteren Patienten empfiehlt der Experte zudem noch die Gabe vom subkutanem
Bortezomib, um die Entwicklung von peripheren Neuropathien so gering wie möglich zu halten. Prof. Antonio Palumbo, Turin/Italien, Italien, ergänzte, dass bei älteren Patienten mit
Komorbiditäten ebenfalls Dosisreduktionen
der bekannten Substanzen zu erwägen seien,
um die Behandlung durchführen zu können
(씰Abb. 1). Derzeit läuft speziell bei dieser Patientenpopulation eine Reihe von klinischen
Studien, sodass in den nächsten Jahren auf diesem Gebiet durchaus noch mit neuen Erkenntnissen zu rechnen ist.
In der Entwicklung
befindliche Therapien viel
versprechend
Mit dem ersten, bereits zugelassenen Proteasom-Inhibitor Bortezomib, bleibt die Entwicklung in dieser Substanzklasse nicht stehen. Der am weitesten entwickelte Kandidat in
dieser Gruppe ist laut Prof. Kenneth Anderson
vom Dana Farber Cancer Institut in Boston/USA
Carfilzomib. Andere Substanzen aus dieser
Substanzklasse befinden sich noch in frühen
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Myeloma-Workshop
116
Hohes Risiko
Mittleres Risiko
Normales Risiko
Lenalidomid,
Bortezomib und
Dexamethason (RVd)
Bortezomib,
Cyclophosphamid und
Dexamethason (VCd)
Lenalidomid +
Dexamethason
Ziel: Komplette Remission
(CR) und dann BortezomibErhaltungstherapie bis zur
Progression
1 Jahr und dann
BortezomibErhaltungstherapie
über 2 Jahre
18 Monate dann mit dem
Patienten besprechen
LenalidomidErhaltungstherapie
Abb. 1 Behandlungsplan für ältere Patienten, stratifiziert nach ihrem Risiko (Rajkumar, 2011)
Stadien der klinischen Entwicklung wie
CEP-18770, NPI-0052 und P5091.
Carfilzomib wurde in klinischen Studien bereits in Kombination mit Lenalidomid und Dexamethason (CRd) bei neu diagnostizierten Patienten mit einem Multiplen Myelom eingesetzt. Dabei handelte es sich sowohl Induktionstherapien als auch Konsolidierungs- und Erhaltungstherapien (1). Der Proteasom-Inhibitor
der zweiten Generation erzielte bei 97% der
Patienten eine partielle Remission, 60% der
Teilnehmer erreichten sogar eine komplette Remission. Nach neun Monaten hatte noch keiner
der Patienten eine Progression, alle Patienten
leben noch. Hinsichtlich der peripheren Neuropathien, eine häufige unerwünschte Wirkung
der Proteasom-Inhibitoren, sieht das Profil der
neuen Substanz ebenfalls gut aus. Nur 11% zeigten diese Nebenwirkung. Auf der Basis dieser
Studie wird nun eine Phase-III-Studie geplant.
Weitere neue Substanzen
Aber auch die Immunmodulatoren wie Thalidomid und Lenalidomid erfahren eine Weiterentwicklung. Prof. Martha Lacy, Rochester/USA,
verwies in diesem Zusammenhang insbesondere auf Pomalidomid. Dieser orale Wirkstoff
wurde in bisherigen Studien insbesondere bei
Patienten verwendet, die rezidiviert oder refraktär waren. Lacy betonte: „Selbst bei Myelompatienten, die sechs oder mehr unterschiedliche vorherige Therapien erhalten hatten, haben mehr als 25% der Patienten, die Pomalidomid bekommen hatten, mindestens eine
teilweise Remission erreicht.“ Allerdings weist
die Substanz ein Neutropenierisiko auf.
Darüber hinaus befinden sich ganz neue
Substanzklassen in der klinischen Entwicklung.
Mit am interessantesten scheint laut Dr. Enrique Ocio, Salamanca/Spanien, die Klasse der
Histondeacetylase (HDAC)-Inhibitoren zu sein,
deren am weitesten entwickelte Vertreter Panobinostat und Vorinostat sind. Beide Substanzen werden in verschiedenen Studien sowohl in
Kombination mit Bortezomib als auch mit Lenalidomid und Dexamethason geprüft. Erste
Ergebnisse dieser Studien sind vielversprechend, sowohl in Bezug auf die Wirkung als
auch in Bezug auf Nebenwirkungen.
Zudem befinden sich noch die monoklonalen Antikörper in der Entwicklung beim multiplen Myelom. Dabei handelt es sich um die
Substanzen Elotuzumab und Siltuximab. Beide
sollten in Kombinationen mit anderen Myelommedikamenten gegeben werden. Momentan
ist eine Phase 3-Studie in Vorbereitung, die Elotuzumab mit Lenalidomid und Dexamethason
bei neudiagnostizierten Patienten prüft. Abschließend bekundete Prof. Paul Richardson,
Boston/USA: „Angesichts der erreichten Fortschritte und in Anblick der weiteren, sich rasant
entwickelnden Therapieoptionen, bin ich überzeugt, dass das Multiple Myelom sich auf dem
Weg befindet, eine chronische Krankheit mit
sehr langen Überlebenszeiten zu werden.“
Bettina Reich, Hamburg
Literatur
1. Jakubowiak A et al., ASH 2010, Abstract 862.
Quelle: International Myeloma Workshop vom 5. Mai
2011 in Paris.
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Myeloma-Workshop
117
Neu diagnostiziertes multiples Myelom
Signifikanter Überlebensvorteil
durch Lenalidomid-Dauertherapie
Bei der Behandlung des Multiplem Myeloms deutet sich ein Paradigmenwechsel an:
Ausgelöst werden könnte dieser durch die Daten der Cancer and Leukemia Group B
Phase-III-Studie (CALGB 100104), die auf dem International Myeloma Workshop 2011
in Paris vorgestellt wurde. Sie belegen, dass durch eine Lenalidomid-Erhaltungstherapie nach autologer Stammzelltransplantation (ASCT) ein signifikanter Überlebensvorteil für Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom (p = 0,018) erzielt werden kann. Dies entspricht einer Risikoreduktion von Krankheitsprogression oder Tod
gegenüber Placebo um 56% (p<0,0001)
„Die wirkliche Neuigkeit ist, dass nach den Ergebnissen die Patienten nicht nur länger ohne
Krankheitssymptome leben, sondern sie überleben insgesamt länger“, berichtete Prof.
Kenneth Anderson, Boston/USA. Im Rahmen
der CALGB-100104-Studie wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von Lenalidomid
(Revlimid®) bzw. Placebo als Erhaltungstherapie bei unter 70-jährigen Myelompatienten im
Krankheitsstadium I bis III verglichen. Patienten mit mindestens einer SD (stabiler Erkrankung), stratifiziert nach Beta-2-MikroglobulinSpiegel (Beta-2M) bei Diagnose und Thalidomid bzw. Lenalidomid in der Induktionstherapie, wurden zwischen Tag 100 und 110 nach
ASCT doppelblind zu Lenalidomid (Startdosis
10 mg/d, Erhöhung auf 15 mg/d nach 3 Monaten, n = 231) oder Placebo (n = 229) randomisiert.
Bis April 2011 wurde bei Patienten, die im
Anschluss an eine ASCT in einer Folgestudie
über einen mittleren Zeitraum von 28 Monaten
dauerhaft mit Lenalidomid behandelt wurden,
eine signifikante Verbesserung der Gesamtüberlebensrate von 90% vs. 83% in der Placebo-Gruppe erzielt. Dabei hatten fast 80% der
Patienten in der Placebogruppe zum Zeitpunkt
der Studien-Entblindung den Cross-over in die
Verumgruppe wahrgenommen. Eine weitere
Analyse des Gesamtüberlebens zum Zeitpunkt
der Studien-Entblindung bestätigte den Überlebensvorteil (94% vs. 89%, p = 0,05).
In der Folgestudie über einen mittleren Zeitraum von 28 Monaten war die mittlere progressionsfreie Zeit (Time to Progression, TTP) für den
Lenalidomid-Arm nach 48 Monaten signifikant
länger als die mittlere TTP von 30,9 Monaten für
den Placebo-Arm (p<0,0001) HR 0,44 (95% KI
0,32–0,60). Dieser Vorteil galt für alle Untergruppen mit Lenalidomid-Erhaltungstherapie.
Kein Einfluss von SPM auf
Überlebensvorteil
In der Studie erwies sich Lenalidomid nicht nur
als effektiv, sondern auch als verträglich. Die
häufigsten unerwünschten Wirkungen unter
Lenalidomid waren Neutropenien, Thrombozytopenien und Infektionen. Ein Anstieg der Häufigkeit der zweiten primären Malignome (Second Primary Malignancies, SPM) – vor allem
hämatologischer Malignome – wurde zwar bei
Patienten in Lenalidomid-Behandlung im Vergleich zu Patienten der Placebo-Gruppe beobachtet. In der Analyse des ereignisfreien Überlebens, bei der SPM als Ereignis neben Tod und
Krankheitsprogression berücksichtigt wurde,
konnte jedoch kein signifikanter Einfluss von
SPMs auf den beobachteten TTP- oder OS-Vorteil nachgewiesen werden.
Bettina Reich, Hamburg
Quelle: Pressekonferenz “The Continuum of Care for
the Multiple Myeloma Patient“ im Rahmen des International Myeloma Workshop 2011 am 4. Mai.2011,
Paris. Veranstalter: Celgene Corp., Summit/USA.
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Forum HämatoOnkologie
118
Neue Daten zur Radioimmuntherapie mit Zevalin®
Konsolidierung verlängert progressionsfreies Überleben um fast 3 Jahre
Die Konsolidierungstherapie mit 90Y-Ibritumumab-Tiuxetan (Zevalin®) führt bei Patienten mit fortgeschrittenem follikulären Lymphom zu einer Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS) um 34 Monate im Vergleich zur Kontrollgruppe. Dies zeigt
eine neue Auswertung nach 5,5 Jahren Follow-Up. Eine Radioimmuntherapie (RIT) mit
dem Radioliganden könnte darüber hinaus eine effektive und gut verträgliche Alternative zur First-line-Chemotherapie werden. In einer auf der vergangenen ASH-Jahrestagung vorgestellten Phase-II-Studie wurden ähnlich hohe Remissionsraten wie mit
einer Standard-Chemotherapie erreicht.
In der Phase-III-Studie FIT (First-line-Indolent
Trial) erhielten 409 neu diagnostizierte Patienten mit fortgeschrittenem follikulärem Lymphom in kompletter (CR) oder partieller Remission (PR) nach einer Induktionstherapie eine
einmalige Infusion mit Ibritumomab-Tiuxetan
zur Konsolidierung oder keine weitere Behandlung (1). Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS).
Die kürzlich vorgestellte Auswertung nach
5,5 Jahren bestätigt die signifikante Überlegenheit der Konsolidierungstherapie, erklärte
Prof. Christian Buske, Ulm, auf einer Pressekonferenz. Das Radioimmunkonjugat führte im
Vergleich zum Kontrollarm zu einer signifikanten Verlängerung des 5-Jahres-PFS um 34 Monate (49 vs. 15 Monate; p<0,001). Nach 5 Jahren waren im Kontrollarm nur noch 29% der Patienten ohne Progress vs. 47% unter dem Radioimmunkonjugat.
Auch die Qualität des Ansprechens wurde
verbessert: 78% der 100 Patienten mit einer PR
nach Induktionstherapie kamen durch die Konsolidierung in eine komplette oder unbestätigte komplette Remission (CR/Cru), im Kontrollarm nur 19,3%. Darüber hinaus wurde der Bedarf einer Folgetherapie verzögert: Das Intervall bis zur nächsten Therapie wurde gegenüber dem Kontrollarm um >5 Jahre auf >99 vs.
35 Monate verlängert.
Die Therapie wurde laut Buske gut vertragen, es traten keine unerwarteten Langzeittoxizitäten auf. Auch gibt es keinen Hinweis auf eine erhöhte Rate sekundärer Neoplasien im Ver-
gleich zu Kontrollen. Laut Buske ist das langfristige Nutzen/Risiko-Profil des Radioimmunkonjugats damit als positiv zu werten.
Auch als First-line-Therapie
Aufgrund der hohen Konversionsrate von PR zu
CR in der FIT-Studie scheint es möglich, die Induktions-Chemotherapie durch eine First-lineTherapie mit Ibritumomab-Tiuxetan zu ersetzen, meinte Priv.-Doz. Christian Scholz, Berlin.
Das Konzept wurde in einer Phase-II-Studie an
59 Patienten >50 Jahre mit der Erstdiagnose eines follikulären Lymphoms (Stadium II: 20%;
III: 44%; IV: 36%) geprüft (2). Die Teilnehmer erhielten als First-line-Therapie eine RIT mit
90
Y-Ibritumumab-Tiuxetan in der Standarddosierung von 14,8 MBq (0,4 mCi) pro kg KG
als einmalige Injektion. Primärer Endpunkt war
die Rate klinischer und molekularer Remissionen nach 6 Monaten.
Nach Studienende hatten 53% der Teilnehmer eine CR/Cru erreicht, bei weiteren 31%
wurde eine PR festgestellt (Gesamtansprechrate 84%). Zudem führte das Radioimmunkonjugat bei 73% der Patienten zur PCR-Negativität,
d. h. eine bcl-2-IgH-Translokation war im peripheren Blut nicht mehr nachweisbar. Das PFS
beträgt median 25,5 Monate. Über die Hälfte
der Patienten hatte zum Zeitpunkt der Analyse
noch keine Folgetherapie benötigt. Die Raten
an CR und molekularen Remissionen (73%)
sind mit denen einer Chemotherapie vergleich-
bar, betonte Scholz. Er wies darauf hin, dass sie
bei guter Verträglichkeit erreicht wurden, sodass die RIT gerade für ältere und/oder gebrechliche Patienten eine gute First-line-Option
sein kann.
Erfahrungen aus der Praxis
Inzwischen liegen zahlreiche Erfahrungen ambulant tätiger Internisten und Onkologen bei
neu diagnostizierten Patienten mit 90Y-Ibritumumab-Tiuxetan vor, auch als First-line-Konsolidierungstherapie. In vielen Fällen gelang
bei Patienten mit partiellem Ansprechen die
Konversion zu einer CR, berichtete Dr. Nicole
Lewke, Leverkusen. Die subjektive Verträglichkeit wurde als gut eingestuft. Erwartungsgemäß tritt eine Myelosuppression auf, die
aber nur in Einzelfällen die Gabe von Wachstumsfaktoren erfordert. Lewke wies darauf hin,
dass diese Konsolidierungstherapie für Patienten mit CR oder PR nach Induktionstherapie
unabhängig vom Alter geeignet ist. Der Antikörper muss nur einmal über einen Zeitraum
von 10 Minuten infundiert werden. Damit hebt
sich die RIT positiv von einer über mehrere Zyklen zu verabreichenden klassischen Chemotherapie ab. Die mit der Therapie assoziierte
Hämatotoxizität ist vorhersagbar, gut beherrschbar und reversibel.
Dr. Alexander Kretzschmar, München
Literatur
1. Hagenbeek A et al. 90Y-Ibritumomab Tiuxetan
(Zevalin®) consolidation of first remission in advanced-stage follicular non-Hodgkin’s lymphoma:
Updated results after a median follow-up of 66.2
months from the international, randomized, phase
III First-line Indolent Trial (FIT) in 414 patients.
Blood 2010: 116(21); Abstract 594.
2. Pezzutto A et al. 90Yttrium ibritumomab tiuxetan as
first line treatment for follicular lymphoma. First
results from an international phase II clinical trial.
ASH 2010; Abstract 593.
Quelle: Pressekonferenz „Radioimmuntherapie –
denn sie tun nicht, was sie wissen!“ am 12. April 2011,
Köln. Veranstalter: Bayer Vital GmbH, Leverkusen.
Hinweis: Dieser Beitrag entstand mit freundl. Unterstützung der Bayer Vital GmbH, Leverkusen.
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HämatoOnkologie
119
Indolente Lymphome
Höherer Patientennutzen in der
First-line-Therapie
Lange galt bei indolenten Lymphomen (iNHL) als First-line Standard die Immunochemotherapie. Hier und bei Mantelzell-Lymphomen hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Denn Bendamustin plus Rituximab (B-R) ist im direkten Vergleich in randomisierten Studien anderen Immunochemotherapien wie CHOP-R oder F-R in der Primärtherapie als auch im Rezidiv überlegen. Interessant ist, dass jüngere Patienten
mindestens in gleichem Maße von B-R profitieren wie ältere.
In der First-line-Therapie gehört B-R klar zum
empfohlenen Therapiestandard. Dies spiegelt
sich in den deutschen DGHO-Leitlinien 2010 und
sogar in den aktuellen amerikanischen NCCNEmpfehlungen wider (1, 2). Zudem wird dieser
Standard in Deutschland im Behandlungsalltag
in der Praxis umgesetzt, wie die Daten des deutschen Lymphomregisters belegen. B-R ist die am
häufigsten durchgeführte First-line-Therapie in
der onkologischen Praxis, betonte Dr. Wolfgang
Abenhardt, niedergelassener Onkologe aus
München. Eine Subgruppenauswertung der zum
ASH 2010 präsentierte Studie NHL 2–2003 bei
Patienten unter 60 Jahre demonstrierte, dass
dieses Schema bei jüngeren Patienten sogar
noch mehr Effektivität aufweist.
Prof. Wolfgang Dreyling, München, vertrat
den Standpunkt, dass B-R auch in Zukunft das
Rückgrat der Therapie ist: „Auf Grund seiner geringeren Toxizität und hohen Effektivität ist Bendamustin wichtig für die weitere Entwicklung
der Therapie, denn es bietet sich auch als Kombinationspartner für die neuen Substanzen an“.
Für den Giessener Hämatologe Prof.
Mathias J. Rummel ist auch wichtig, „dass wir
neue Therapien finden, die besser wirksam sind
Schlüssel zur Bekämpfung der medikamentenresistenten
ALL entdeckt?
BCL6 als therapeutisches Target
Bei der Therapie der akuten Lymphoblastische Leukämie (ALL) im Kindesalter wird
man immer wieder mit der Tatsache konfrontiert, dass manche Krebszellen den Einsatz der wirksamsten und neuesten Medikamente überleben. Ein internationales Team
unter Leitung der University of California, San Francisco/USA (UCSF), mit Beteiligung
des Freiburger Exzellenzclusters BIOSS – Centre for Biological Signalling Studies – hat
nun mit BCL6 ein Protein identifiziert, das eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von
resistenten Leukämiezellen spielt.
„Die Aktivierung von BCL6 ist eine Art Notfallmechanismus, mit dem Tumorzellen versuchen,
einer Medikamentenbehandlung zu entkommen”, meinte Forschungsleiter Dr. Markus
Müschen, San Francisco/USA. Die Entdeckung
des Proteins könnte den Weg zur Herstellung
effektiverer Medikamente weisen. In der Fachzeitschrift „Nature“ erklären die Autoren, wie
sie Mäuse mit medikamentenresistenter Leukämie heilten, indem sie ihnen eine Kombination aus konventionellen Krebsmedikamenten in
Verbindung mit einem Wirkstoff verabreichten,
der die Funktion von BCL6 blockiert.
Die ALL schreitet sehr schnell voran, und eine
Behandlung ist teuer und schwierig. Sie beinhaltet lang andauernde Medikamentengaben, die
und nicht mehr Toxizität, sondern sogar weniger
haben.“ Dieser Wunschvorstellung entspricht
das B-R-Schema: B-R erwies sich als deutlich
besser verträglich als CHOP-R mit signifikant
weniger Hämatotoxizität. Ebenso ließ sich die
Häufigkeit von Alopezie, peripherer Neuropathie
und Stomatitis durch B-R deutlich senken.
Gerade bei den Jüngeren spielt, so Rummel,
die Alopezie eine bedeutende Rolle, der Erhalt
der Haare sei für viele Patienten ein Herzensanliegen, denn gerade hier spielen psychosoziale Faktoren eine große Rolle. Insbesondere jüngere, noch berufstätige Patienten könnten durch die fehlende Alopezie unter B-R ihren
beruflichen Pflichten ohne Stigmatisierung und
ohne ständige Erklärungen nachkommen.
Bettina Reich, Hamburg
Literatur
1. DGHO-Leitlinien unter http://www.dgho.de/in
formationen/leitlinien/mein-onkopedia/Follikulaeres%20Lymphom%20P%20Version%201.pdf/
2. NCCN-Guidelines unter http://www.nccn.org/
professionals/physician_gls/f_guidelines.asp
Quelle: Pressekonferenz „Indolente Lymphome und
Mantelzell-Lymphome: State of the Art 2011 in Forschung und Praxis“ am 14. März 201, München. Veranstalter: Mundipharma GmbH, Limburg.
oft physisch und emotional extrem belastend für
die Kinder und ihre Eltern werden. Ist dies jedoch
überstanden, sind viele Kinder völlig geheilt und
können ein normales Leben führen. Allerdings
scheinen einige Krebszellen den Medikamenten
zu widerstehen und unerkannt im Körper zu
überleben. Bricht die ALL erneut aus, sind alle Tumorzellen gegen die Medikamente resistent.
Bis zu ihrer Entdeckung haben die Wissenschaftler vier Jahre daran gearbeitet, Tumorzellen
einer Krebsbehandlung auszusetzen. Sie untersuchten, wie sich die Expression von 22 000 Genen verändert, wenn verschiedenen Krebszellen
unterschiedliche Medikamente verabreicht werden. „Wir glauben, dass unsere Entdeckung direkten Einfluss auf die Bekämpfung der medikamentenresistenten Leukämie haben wird”, sagt
Dr. Hassan Jumaa, Freiburg, Co-Autor der Studie.
red.
Literatur
1. Müschen M et al. BCL6 enables Ph+ acute lymphoblastic leukaemia cells to survive BCR–ABL1 kinase
inhibition. Nature 2011; 473, 384–388.
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Kongressnachlese
DGNC 2011
120
Trends in der Behandlung von Gliompatienten
Biomarker geben die Richtung an
„Wenn man die letzten 25 Jahre unseres Faches Revue passieren lässt, hat sich in der
jüngsten Vergangenheit gerade auf dem Gebiet der Hirntumorerkrankungen die
rascheste Entwicklung vollzogen“, meinte Prof. Jörg-Christian Tonn, München, auf der
62. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC). Hier sind
Gliome besonders interessante „Targets“ für die Tumorforschung, weil sie sich aufgrund ihrer molekularen Eigenheiten als „Modell“ für grundlegende Mechanismen
des Tumorwachstums eignen.
Tonns besonderes Interesse gilt den Gliomen.
Denn diese vom Nervenstützgewebe ausgehenden Tumore sind nicht nur die häufigsten
primären Neoplasien im Gehirn, sondern weisen auch ein breites Malignitätsspektrum auf –
von den kurablen/selten progressiven pilozytischen Astrozytomen (WHO-Grad 1) bis zu den
hochaggressiven Glioblastomen (WHO-Grad
IV) mit einer mittleren Überlebenswahrscheinlichkeit von 15 Monaten.
moren, betonte Tonn. Das helfe dabei, besser zu
verstehen, warum von zwei Patienten mit gleichem Tumor, gleicher Operation und gleicher
Histologie der eine nach 12 Monaten stirbt und
der andere nach 3 Jahren noch lebt.
Fortschritte bei Bildgebung
und der Neurochirurgie
Im interdisziplinären Verbund von Grundlagenforschern, Neuropathologen und Klinikern
konnten an großen Serien Gene identifiziert
werden, die eine Vorhersage zum Krankheitsverlauf oder zum Ansprechen auf verschiedene
chemotherapeutischen Regime erlauben.
Relativ gut ist hier der Wissenstand zur Bedeutung von Mutationen der IDH1- und
IDH2-Gene (Isocitrat Dehydrogenase). Gliome
mit dieser Charakteristik scheinen hinsichtlich
ihrer metabolischen und klinischen Eigenschaften einen Tumorsubtyp zu repräsentieren, der
für die Patienten mit besseren Überlebenschancen einhergeht.
Als ein valider Marker für das Ansprechen
maligner Gliome auf eine Chemotherapie – vor
allen mit Alkylantien – gilt inzwischen der Methylierungsstatus des MGMT-Promotors (Methylguaninmethyltransferase)
(씰Kasten
„ALDH1-Hemmung überwindet TemozolomidResistenz“).
Ebenfalls als Zielstrukturen für maßgeschneiderte Therapiekonzepte bieten sich
Moleküle an, die entweder von der Oberfläche
der Tumorzellen aus wie Integrine oder mutierte EGF-Rezeptoren (Epidermal Growth Faktor)
oder vom Tumor freigesetzt wie VEGF (Vascular
Endothelial Growth Faktor) die Angiopoese an-
Als einen wichtigen Baustein führte Tonn die
Fortschritte im Bereich der bildgebenden Diagnostik an. Dank der inzwischen sehr hohen Auflösung von Magnetresonanztomographie
(MRT) und Computertomographie (CT) lässt
sich nicht nur die Lokalisation der Gliome, sondern auch ihre Ausdehnung heute viel exakter
bestimmen als noch vor wenigen Jahren. Mit
ergänzenden Verfahren wie Positronenemissionstomographie (PET), Singlephotonenemissionstomographie (SPECT) und Magnetresonanzspektroskopie können auch kleinste Herde
besonders malignen Gewebes im Tumorinneren identifiziert und Informationen zum Tumorstoffwechsel erlangt werden. Dazu kommt die
verfeinerte neurochirurgische Technik, aufgrund derer sich heute Gliome sehr viel vollständiger, aber gleichzeitig auch schonender
operieren lassen. Das verbessert nicht nur die
Chancen auf Funktionserhalt, sondern auch für
einen möglichst raschen Beginn der in der Regel postoperativ erforderlichen Radio- oder
Chemotherapie.
Viel gelernt in den vergangenen Jahren habe man aber vor allem über die Biologie der Tu-
Genetische Informationen
zu Prognose und Therapieresponse
ALDH1-Hemmung
überwindet TemozolomidResistenz
Ein Beispiel, wie man sich die molekulargenetischen Erkenntnisse im klinischen Alltag
zu Nutze machen könnte, lassen Untersuchungen einer Arbeitsgruppe am Klinikum
rechts der Isar in München erkennen (1). Die
Prognose von Patienten mit Glioblastom gilt
als besonders schlecht, wenn der positive
Status des MGMT-Promotors (Methylguaninmethyltransferase) ein Ansprechen auf
eine adjuvante Therapie mit Temozolomid
verhindert.
Einen wichtigen Beitrag für das aggressive Wachstum der Tumorzellen scheint die
Überexpression von ALDH1 (Aldehyddehydrogenase) zu leisten. Die immunohistochemischen Analysen von Glioblastomgewebeproben mit positivem MGMT-Status ergab
eine signifikante Korrelation von hohen
ALDH1-Spiegeln und Resistenz auf Temozolomid. Wurde jedoch das Zytostatikum in
Kombination mit den ALDH1-Hemmern
4-Diethylaminobenzaldehyd (DEAB) oder
Tetraethylthiuramdisulfid (DSF) verabreicht
kam es zu Resensitivierung für Temozolomid
und zur Verlangsamung des Wachstums der
Gliomzellen.
Quelle: 1. Ringel F et al. Targeting the prognostic
marker ALDH1 overcomes temozolomide resistance
in human glioblastoma patients with unfavourable
MGMT status. Vortrag auf der 62. Jahrestagung der
Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC)
vom 7. bis 11. Mai, Hamburg.
regen. Studien, in denen versucht wird, diese
Vorgänge zu unterbrechen und damit den Tumor auszuhungern, sind angelaufen.
Verfeinerte Analysemethoden
Die Biomarker werden bisher vornehmlich aus
Operationspräparaten bestimmt. Das reicht
nach Aussage von Tonn in den meisten Fällen
aus, weil die Chemotherapie der chirurgischen
Intervention nachgeschaltet ist. Zeitlich früher
lässt sich Untersuchungsmaterial mit der stereotaktischen Serienbiopsie gewinnen. Diese
Gewebeproben, deren Volumen sehr viel klei-
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Kongressnachlese
DGNC 2011
122
ner ist als ein Streichholzkopf, können nicht nur
Auskunft über die Histologie, sondern auch
über molekulare Besonderheiten des Tumors
geben.
Biomarker aus dem Blut zu bestimmen, sei
im Moment noch Zukunftsmusik, stellte Tonn
klar. Aber die Entwicklung der dafür erforderlichen Technologien mache große Fortschritte. In
einem weiteren Ansatz werde versucht, die biologische Charakteristik der Tumoren mit Hilfe
der nuklearmedizinischen Diagnostik im Gehirn der Patienten sichtbar zu machen.
Der Wissenszuwachs kommt nach Überzeugung von Tonn nicht nur der Behandlung von
Gliompatienten zugute. Sondern mit den Ergebnissen der Verbundforschung schreite man
auch konzeptionell auf dem Gebiet der personalisierten Tumortherapie voran. Da viele der
molekulargenetischen Charakteristika auch für
andere Tumore von Belang seien, diene das
Gliom gewissermaßen als Modell und ließen
sich bisherige und zukünftiger Erkenntnisgewinne möglicherweise auch für die Behandlung anderen Krebspatienten nutzen.
Gabriele Kiel, Hamburg
Quelle: Pressekonferenz bei der 62. Jahrestagung der
Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC) am
9. Mai 2011, Hamburg.
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Internationale
Literatur
123
Neue Erkenntnisse aus der Tumorbiologie
Komplexe Mechanismen
der Strahlenresistenz
Eine Radiotherapie kann zur Selektion strahlenresistenter Tumorstammzellen führen,
aus denen sich im weiteren Verlauf ein Rezidiv oder Metastasen entwickeln. Ursächlich ist die Überexpression des MET-Onkogens, das die Zellinvasion begünstigt und
Zellen vor der Apoptose schützt. Gezielt gegen MET gerichtete Substanzen erhöhen
die Radiosensibilität und verhindern den strahleninduzierten Tumorprogress.
Die Arbeitsgruppe um Prof. Francesca de
Bacco, Turin, untersuchte den komplexen Prozess der Strahlenresistenz in Zelllinien mehrerer Tumoren nach Bestrahlung in therapeutischen Dosen bis 10 Gy (1). 24 Stunden nach Radiatio maßen sie deutlich erhöhte Spiegel des
c-MET-Proteins, der als Rezeptor für HGF (Hepatocyte Growth Factor) fungiert. Dabei fiel ein
biphasisches Profil mit einem frühen Gipfel 1–2
Stunden und einem späten Gipfel bzw. einem
Plateau 24 Stunden nach Bestrahlung auf. Auch
die vom c-MET-Rezeptor ausgehende intrazelluläre Signalkaskade wurde durch die Bestrahlung aktiviert, wie die Phosphorylierung von
c-MET und nachgeschalteter Proteine belegt.
Der überexprimierte Rezeptor wird nach Bestrahlung auch ohne Ligandenbindung aktiviert und ist zudem sensibler gegenüber einer
Stimulierung durch HGF.
Die Bestrahlung induziert die vermehrte
Synthese des c-MET-Protein auf der Ebene der
Transkription. Verantwortlich dafür ist der
durch Strahlung aktivierte Transkriptionsfaktor
NF-κB, dem bei der Ausbildung einer Strahlenresistenz eine wichtige Rolle zukommt. Die NFκB-Aktivierung ist abhängig von der Proteinkinase ATM (Ataxia Teleangiectasia Mutated) als
Sensor für DNA-Schäden. Zudem induziert die
Strahlung eine HGF-Synthese in Stromazellen,
was auf einen parakrinen Signalaustausch zwischen Tumor und Stroma hindeutet und die
MET-Expression und Aktivierung weiter steigert.
HGF wiederum stimuliert einen komplexen,
Zellmigration, Proliferation und räumliche Reorganisation umfassenden physiologischen
Prozess. Insgesamt fördert der von c-MET ausgehende Signalweg einen epithelial-mesenchymalen Phänotyp mit erhöhter Motilität und
vermehrtem invasiven Potenzial, erläuterten
O. Guryanova und S. Bao in einem Kommentar zu der kürzlich publizierten Arbeit (2). Dieser
Mechanismus ist in gesundem Gewebe für die
Heilung von Strahlenschäden verantwortlich,
begünstigt in Krebszellen jedoch die Progression zur Malignitiät.
c-MET- Inhibition als
therapeutisches Target
Im Mausmodell mit Tumor-Xenografts führte
die Gabe eines selektiven MET-Inhibitors zu einer erheblich stärkeren Tumorschrumpfung als
eine Bestrahlung, die lediglich das Tumorwachstum stoppte. Kombinierte man eine sehr
niedrig dosierte und daher ineffektive Bestrahlung (4,5 Gy fraktioniert) mit dem MET-Inhibitor, so ließ sich das Tumorvolumen um im Mittel
75% reduzieren.
Die Inhibition von c-MET könnte sich damit
künftig als attraktives Target für pharmakologische Strategien erweisen, resümieren die Kommentatoren. Von besonderem Interesse ist das
z. B. beim Glioblastom, bei dem die verabreichten Strahlendosen aufgrund der strahlenbedingten Toxizität limitiert sind. Die MET-Inhibition könnte hier die Effektivität der niedrig dosierten Ganzhirnbestrahlung verstärken.
Dr. Katharina Arnheim, Freiburg
Literatur
1. de Bacco F et al. J Natl Cancer Inst 2011; 103:
645−661.
2. Guryanova OA, Bao S. J Natl Cancer Inst 2011;
DOI:10.1093/jnci/djr103.
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Forum NeuroOnkologie
124
Thermo-Therapie mit magnetischen Nanopartikeln
Neuer Ansatz in der Krebstherapie
Tumorgewebe ist im Vergleich zu Normalgewebe aufgrund seiner schlechteren Thermoregulation wesentlich empfindlicher gegenüber einer Wärmebehandlung. Die Kombination aus Re-Bestrahlung und intratumoraler Thermotherapie mit magnetischen
Nanopartikeln wurde im Rahmen einer klinischen Phase-II-Studie an 59 Patienten mit
einem Glioblastom-Rezidiv untersucht (Abb. 1). Neben der direkten Thermoablation
von Tumorzellen bewirkt die NanoTherm® Therapie eine Verstärkung der begleitenden
Strahlentherapie im Temperaturbereich von 40–44°C. Als medianes Überleben wurden
in einer Studie 13,4 Monate „Overall Survival“ nach Diagnose des ersten Tumorrezidivs ermittelt (1).
Damit zeigt sich die Nanopartikel-vermittelte
Tumortherapie im Magnetfeld als neuer Ansatz
in der Krebstherapie.
Erste Indikation
Gehirntumore stellen die erste zugelassene Indikation dar. Besonders Patienten mit einem
Glioblastom-Rezidiv könnten wegen der begrenzten Zahl an Behandlungsalternativen von
dieser neuen Technologie profitieren. Pro Jahr
treten ca. 2800 Glioblastom-Neuerkrankungen
in Deutschland auf.
Nach DGN-Leitlinie sind die bestehenden
Optionen für die Primär- und Rezidivtherapie
die Resektion sowie Strahlen- und Chemothe-
Mittleres Überleben
(Monate)
Primärer
Studienendpunkt
30
25
rapie. Mit diesen Verfahren konnte in den vergangenen zwei Jahrzehnten nur eine unbefriedigende Verbesserung bei der Lebenserwartung erreicht werden. Das Ziel dieser Nanopartikel-vermittelten Thermo-Therapie ist, einen zusätzlichen, positiven Einfluss auf die
Überlebenszeit der Patienten mit Hirntumoren
zu nehmen.
In einer klinischen Phase-II-Studie wurden Rezidive des Glioblastoms behandelt, wobei die
Therapie in Kombination mit stereotaktischer
Bestrahlung eingesetzt wurde. Der primäre
Studienendpunkt „Gesamtüberleben ab Diagnose des 1. Tumorrezidivs“ wurde mit einem Ergebnis von 13,4 Monaten (Median) Gesamtüberleben bei 59 ausgewerteten Patienten mit
Glioblastom-Rezidiv erreicht. Diese Studien-
Sekundärer
Studienendpunkt
NanoTherm® Therapie *
Historische Kontrolle **, ***
95% Konfidenzintervall
20
15
0
Funktionsweise der
Behandlung
Bei dem neuartigen Verfahren zur lokalen Tumorbehandlung werden superparamagnetische
Eisenoxid-Partikel in kolloidaler Dispersion mit
einer Eisen-Konzentration von 112 mg/ml sowie
einer Umhüllung aus Aminosilanen nach vorheriger Planung mit konventionellen Techniken
direkt in einen soliden Tumor eingebracht. Anschließend werden die Partikel in einem magnetischen Wechselfeld erwärmt. Durch den Verbleib der Nanopartikel am Ort der Applikation
sind wiederholte Behandlungen möglich.
Umliegendes, gesundes Gewebe wird bei
der Behandlung geschont, da die Wärmeerzeugung aus dem Tumorinneren erfolgt. Die gewünschte Behandlungstemperatur und dazu
erforderliche Magnetfeldstärke werden vom
behandelnden Arzt (Neurochirurg, Strahlentherapeut) vor Therapiebeginn im Rahmen einer Postimplantationsanalyse (PIA) auf Basis
der Dichteverteilung der Nanopartikel im postoperativen CT geplant. Er wird dabei durch die
Software NanoPlan® unterstützt, welche die
Temperaturverteilung im Zielgebiet simuliert.
Grundlage für den Einsatz sind ein präoperatives MRT (씰Abb. 2) sowie ein postoperatives
CT (씰Abb. 3), welche Lage und Konzentration
der applizierten Nanopartikel ermitteln.
Die eingebrachten Nanopartikel werden
mittels eines Magnetwechselfeldapplikators
(NanoActivator®) von außen aktiviert. Sie wandeln dabei die Energie des Magnetfelds durch
Relaxationsprozesse in Wärme um. Dabei können Behandlungstemperaturen von bis zu 80°C
erreicht werden (씰Abb. 4).
23,2
10
5
ergebnisse (1) waren Basis der europäischen
Zulassung der Therapie zur Behandlung von
Gehirntumoren.
14,6
13,4
Effekt und Nutzen
6,2
Nach Diagnose des
ersten Tumorrezidivs
* Maier-Hauff et al. (2010),
J Neurooncol Sep 16.
[Epub ahead of print]
Nach Diagnose des
Primärtumors
** Stupp et al. (2009)
Lancet Oncology
10:459–466
*** Stupp et al. (2005),
N Engl J Med
352: 987–996
Abb. 1 Überlebenszeiten nach kombinierter NanoTherm®-/Strahlentherapie vs. historischem Vergleichskollektiv bei 59 Patienten mit Glioblastom-Rezidiv. Primärer Endpunkt: Gesamtüberleben ab Diagnose des 1. Tumorrezidivs (OS 2) 13,4 Monate* vs. 6,2** Monate; sekundärer Endpunkt: Gesamtüberleben ab Diagnose des Primärtumors (OS 1) 23,2* Monate vs. 14,6*** Monate.
Temperaturen zwischen 40°C und 44°C verstärken die Wirkung von parallelen Strahlen- oder
Chemotherapien und machen die so behandelten Zellen angreifbarer für körpereigene Abwehrmechanismen. Ab einem Schwellenwert
von 43°C, appliziert über einen Zeitraum von 60
Minuten, entstehen nicht reversible Schäden in
den Tumorzellen. Auf diese schonende Weise
werden hypertherme und thermoablative Tem-
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Forum NeuroOnkologie
125
Abb. 2 Präoperatives MRT
Abb. 3 CT nach Applikation der Nanopartikel
Abb. 4 Isothermen zur Simulation im Zielgebiet
peraturen in soliden Tumoren erreicht. Die Therapie dauert drei Wochen, in denen der Patient
zweimal pro Woche für jeweils 60 Minuten im
Magnetfeldapplikator behandelt wird.
Welche Patienten
profitieren?
Die Therapie ist für alle Gehirntumoren zugelassen. In der klinischen Studie wurden Patienten mit einem Glioblastom-Rezidiv behandelt.
Ausgeschlossen von der Behandlung wurden
Patienten mit Infiltration des Balkens, der Ventrikel und des Hirnstamms sowie beim Vorliegen
von
Schmetterlingsglioblastomen.
Schwangere und Patienten mit Herzschrittmachern oder implantierten Defibrillatoren sowie mit nicht entfernbaren, metallischen Gegenständen im Behandlungsgebiet (Abstand
von weniger als 40 cm zum Tumor) konnten
ebenfalls nicht behandelt werden.
Metallische Zahnfüllungen, Kronen, Brücken wurden für die Dauer der Therapie entfernt, da sie sich wie die Nanopartikel im Magnetfeld erhitzen könnten. MRT-Untersuchungen zur Diagnostik weiteren Tumorwachstums
können nach Einbringen der Nanopartikel wegen Artefakten in der Bildgebung nicht mehr
eingesetzt werden. Für Körperpartien außerhalb der Zielregion eignet sich das MRT nach
wie vor uneingeschränkt. Positronen-Emissions-Tomographie (PET) Untersuchungen oder
Computertomografie (CT) sind uneingeschränkt möglich.
laufen zurzeit klinische Studien zur Behandlung
des Pankreas- sowie des Prostatakarzinoms.
Darüber hinaus wird an der Erweiterung des
therapeutischen Einsatzes des Verfahrens
durch Kopplung der Nanopartikel an Radiound Chemotherapeutika oder biologischer
Wirkstoffe gearbeitet. Die Markteinführung der
Therapie in Deutschland erfolgte im 1. Quartal
2011. Das erste Behandlungszentrum befindet
sich in der Charité –Universitätsmedizin Berlin.
Jörg Camp, Fürstenfeldbruck
Literatur
Ausblick
Die guten Perspektiven dieser neuen und für
den Patienten gut verträglichen Behandlungsform konnten in der klinischen Studie anhand
der vielversprechenden Überlebensdaten aufgezeigt werden. Zur Erweiterung der Indikation
1. Maier-Hauff et al. Efficacy and safety of intratumoral thermotherapy using magnetic iron-oxide nanoparticles combined with external beam radiotherapy on patients with recurrent glioblastoma multiforme. J Neurooncol 2010; Sep 16. [Epub ahead of
print]
Hinweis: Mit freundl. Unterstützung der MagForce
Nanotechnologie AG, Berlin
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Uro-Onkologie
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Bildgebende Diagnostik
bei Prostatakarzinom
V. Zugor1; A. Labanaris1; D. Porres1; R. Bauer2; J. Witt1
1Abteilung
für Urologie und Kinderurologie, St. Antonius-Hospital Gronau; 2Urologische Klinik und Poliklinik der Universität München, Campus Grosshadern
Schlüsselwörter
Prostatakarzinom, Bildgebung, Elastographie, MRT, HistoScanning
Zusamenfassung
Das Prostatakarzinom ist der häufigste bösartige Tumor des Mannes in der westlichen
Welt. Da der Tumor nur in frühen Stadien geheilt werden kann und hier meist keine Beschwerden verursacht, kommt der Früherkennung eine entscheidende Bedeutung zu. Die
Eckpfeiler der Früherkennung bestehen aus
der digital rektalen Untersuchung der Prostata und der Bestimmung des PSA-Werts (prostataspezifisches Antigen) im Blut. Bei Auffälligkeiten erfolgt meist eine sonographisch gesteuerte Biopsie der Prostata. Da ein Karzinom im gewöhnlichen Ultraschall nicht sicher
darstellbar ist, erfolgt die Biopsie nach einem
bestimmten Schema (z.B. 8-fach, 10-fach oder
mehr Biopsien). Große Studien konnten jedoch zeigen, dass auch bei systematischen
Korrespondenzadresse
Priv.-Doz. Dr. med. V. Zugor
Oberarzt der Abteilung für Urologie und Kinderurologie
Prostatazentrum Nordwest
St. Antonius-Hospital
Möllenweg 22
48599 Gronau
Tel.: 0 25 62 / 9 15 71 14
Fax : 0 25 62 / 9 15 21 05
E-Mail: [email protected]
Einleitung
Das Prostatakarzinom ist der häufigste Tumor des Mannes und die zweithäufigste Todesursache unter den malignen Erkrankungen bei Männern in den meisten Industrienationen. Sowohl in den Niedrig- wie
auch in den Hochrisikopopulationen der
Welt steigt die Inzidenz deutlich an. Bei
steigender Lebenserwartung und einer Verschiebung der Bevölkerungspyramide in
Biopsien bis zu 35% der Prostatakarzinome
übersehen werden. Der Diagnostik des Prostatakarzinoms kommt wegen seiner hohen Inzidenz und den verbesserten stadienadaptierten Therapiemöglichkeiten eine große Bedeutung zu. Im Gegensatz zu vielen anderen Tumorentitäten kommt bildgebenden Verfahren
in der Diagnostik des Primärherds in der Prostata und dessen Ausdehnung derzeit aufgrund der eingeschränkter Diskriminierung
von gesunden Gewebsstrukturen nur eine untergeordnete Rolle zu. Die Entwicklung neuer
Verfahren könnte zukünftig verbesserte Optionen eröffnen.
Dieser Artikel gibt einen Überblick über klinische Indikationen zu unterschiedlichen bildgebenden Verfahren in der Prostatakarzinomdiagnostik und berichtet über neuen bzw. aktuellen Techniken (Elastographie, Spektroskopie, PET-CT, Hochfeld-MRT und die dynamische kontrastverstärkte MRT der Prostata,
HistoScanning)
Radiological diagnostics in Prostate cancer
Onkologische Welt 2011; 2: 127–133
den älteren Anteil nimmt damit die Problematik des Prostatakarzinoms zu.
Durch die Einführung der PSA-Bestimmung zeigt sich ein deutlicher Wechsel des
Karzinomprofils. Die heutzutage diagnostizierten Karzinome sind zumeist nicht palpabel, haben niedrigere PSA-Werte, sind
überwiegend organbegrenzt und mit kleinerem Tumorvolumen. Das Durchschnittsalter der Patienten mit Erstdiagnose eines Prostatakrebses ist ebenfalls deut-
Keywords
Prostate cancer, detection, elastography, conventional and functional MRI, HistoScanning
Summary
Prostate cancer is the most common malignat
tumour of men in the West world. Early detection of this disease is important, since its mostly
asymptomatic and it can be only cured in its
early stages. The cornerstone of early detection
is based on digital rectal examination and assessment of PSA-values. In cases of abnormal
features, a transrectal ultrasound assisted core
biopsy is performed. Since the accuracy of
transrectal ultrasound in not high, various systematic core biopsy schemas are performed (8
core, 10 core, or more). Large series have exhibited that systematic biopsies of the prostate
miss approximately 35% of prostate cancer.
With the development of new methods, new
horizons have opened in the detection of prostate cancer. The aim of this article is to review
the clinical indications and applications of
these various new techniques (elastography,
PET-CT, conventional and functional MRI and
HistoScanning) in their assistance in early diagnosis of prostate cancer.
lich gesunken. Die Bildgebung hat beim
Prostatakarzinom sowohl in der Diagnostik als auch im Staging seinen fixen Stellenwert. Die aktuellen Leitlinien (EAU 2009,
interdisziplinäre S3 Konsultationsleitlinie
DGU 2009) weisen den bildgebenden Verfahren, insbesondere TRUS und MRT, in
der Diagnostik des klinischen Tumorstadiums nach der DRU einen ergänzenden
Charakter zu.
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Zugor V et al.: Bildgebende Diagnostik bei Prostatakarzinom
Abb. 1 Transrektaler Ultraschall mit echoarmen Arealen und damit fragliches Prostatakarzinom
Abb. 2 Hyperperfundiertes ProstatakarzinomAreal objektivierbar durch farbkodierte PowerDoppler-Sonographie
In der Ausbreitungsdiagnostik hat das
Knochenszintigramm bei PSA-Werten
>10–20ng/ml, Gleason Score >7 und klinischer Symptomatik ein hohes Evidenzlevel
mit entsprechendem hohen Empfehlungsgrad zur Anwendung. MRT, CT und andere Verfahren wie z.B. Colin-PET CT gelten
jedoch ebenfalls nur als ergänzende Verfahren mit erheblich geringerer Wertigkeit.
Aber auch beim PSA-Rezidiv nach erfolgter
radikaler Prostatektomie oder Strahlentherapie bzw. im Rahmen eines Active Surveillance und in der Therapieüberwachung
von metastasierten Patienten ist die Bildgebung ein wesentlicher Teil des klinischen
Alltags.
Alle Bemühungen in der Karzinomdiagnostik zielen darauf ab, lokal begrenzte Tu-
more bei asymptomatischen Männern mit
einer Lebenserwartung von zumindest
10–15 Jahren zu entdecken. Die Untersuchung der Prostata mit Hilfe des transrektalen Ultraschalls (TRUS) ist zwar wenig aufwändig, die anfängliche Erwartung,
dass mit Hilfe des TRUS durch Darstellung
von echoarmen Arealen in der Prostata die
Früherkennung von lokalisierten Prostatakarzinomen gesteigert werden kann, hat
sich jedoch nicht bestätigt (1).
Sämtliche
bildgebenden
Untersuchungsverfahren unterliegen einem
ständigen Entwicklungsprozess. So haben
sich die Möglichkeiten der bildgebenden
Methoden in vielerlei Hinsicht in den vergangenen Jahren deutlich weiter entwickelt. Eine Verbesserung, insbesondere
des lokalen Tumorstadiums, ist hiermit jedoch nicht zwingend verbunden.
Die in der Diagnostik des Prostatakarzinoms meist genutzten klinischen Untersuchungsmethoden Tastbefund und transrektaler Ultraschall (TRUS) sind hinsichtlich ihrer Aussagekraft in einer Unterscheidung zwischen bösartigen oder gutartigen
Gewebe nicht ausreichend. Mit Hilfe des
TRUS ist es aber möglich unter Sicht praktisch jedes Areal der Prostata gezielt zu
biopsieren. Das gravierende Problem der
visuellen TRUS-Beurteilung ist die mangelnde Spezifität, insbesondere bei geringer
Erfahrung mit der Methode.
Ziel diese Arbeit ist die Darstellung zur
Verfügung stehenden bildgebenden Verfahren mit ihrem Stellenwert in der Diagnostik des Prostatakarzinoms. Der Beitrag
soll insbesondere neue Techniken zur Detektion des Prostatakarzinoms beschreiben.
Ultraschallverfahren
TRUS
Abb. 3
Blau markierte Elastographie-Befund
vereinbar mit dem
Bild eines Prostatakarzinoms.
Die Prostatasonographie ist das bildgebende Verfahren der ersten Wahl in der Abklärung von Prostataerkrankungen. Die Wertigkeit der konventionellen transrektalen
B-Bild-Sonographie wird kontrovers diskutiert. Die transrektale Ultraschalluntersuchung (씰Abb. 1) eignet sich gut zur Volumenbestimmung der Prostata, ebenso
kann der Adenomanteil gut von der peri-
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Zugor V et al.: Bildgebende Diagnostik bei Prostatakarzinom
pheren Zone abgegrenzt werden. Verkalkungen und Prostatasteine und zystische
Veränderungen lassen sich gut darstellen,
auch eignet sich das Verfahren zur Darstellung eines Mittellappens, besonders in der
longitudinalen Untersuchungsebene.
In der Diskriminierung zwischen benignen und malignen Gewebsstrukturen
kommt dem TRUS nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Echoarme Arale können
hinweisgebend für Karzinome sein, Spezifität und Sensitivität sind jedoch gering (2).
Farbkodierte Power-Dopplersonographie
Die farbkodierte Duplexsonographie,
Power-Dopplersonographie nativ und mit
Anwendung von Ultraschallkontrastmitteln (Echosignalverstärker) haben neue
Möglichkeiten zur Früherkennung des
Prostatakarzinoms eröffnet, bzw. bieten
wertvolle Information sowohl in der präoperativen Abklärung als auch in der therapeutischen Verlaufskontrolle.
Ein mögliches Hilfsinstrument zur Detektion eines Prostatakarzinoms ist die
farbkodierte Power-Dopplersonographie
(씰Abb. 2). Dabei können Areale mit verstärkter Durchblutung oder veränderter
Gefäßarchitektur dargestellt und biopsiert
werden. Durch zusätzliche Applikation eines Ultraschallkontrastmittels im Sinne eines Echosignalverstärkers kann die Früherkennung des Prostatakarzinoms verbessert werden (2, 3). Hierdurch ist im Gegensatz zu anderen Ultraschallsonden die zielgenaue Punktion verdächtiger Prostatabezirke möglich. Sind im Schwarz-Weißbild keine Bezirke auffällig, kann durch die
farbkodierte Power-Doppler-Technik und
zusätzliche Gabe eines Ultraschallkontrastmittels die Erkennungsrate krebsverdächtiger Bezirke erhöht werden (3).
Die Anwendung von Ultraschallkontrastmitteln mit neuen Ultraschalltechnologien (z. B. “B-Bild-Harmonic-Sonographie”) scheint eine weitere Verbesserung des diagnostischen Potenzials zu ermöglichen. Weiterführende Studien sind
jedoch notwendig, um den eindeutigen klinischen Stellenwert der kontrastmittelverstärkten Sonographie zu evaluieren. Limitierend bei der Anwendung von Ultra-
Abb. 4 Exemplarisches Beispiel einer Auswertung des histologischen Befundes des Prostatakarzinoms im Vergleich zum Histo-Scanning.
schallkontrastmitteln sind die relativ hohen Kosten, der erhöhte Untersuchungsaufwand und das kurze Zeitfenster in der
die Untersuchung nach Gabe des Kontrastmittels durchgeführt werden kann.
Eine weitere Möglichkeit zur Verbesserung der positiven Biopsieraten ist die
Auswertung der Ultraschallbilder mit Hilfe
eines Computers, des sogenannten
C-TRUS (3). Um die diagnostische Treff-
sicherheit des TRUS zu erhöhen, wurde eine computergestützte Auswertung des Ultraschallsignals (C-TRUS/ANNA) entwickelt und an Hand von radikalen Prostatektomiepräparaten überprüft. Die
C-TRUS-Auswertung basiert auf subvisuellen graustufendifferenten Bildinformationen. Eine deutsche Studie berichtet über
gezielte Biopsien vom C-TRUS als verdächtig markierten Arealen. Bei 66 (50%) der
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Zugor V et al.: Bildgebende Diagnostik bei Prostatakarzinom
HistoScanning™
Abb. 5
a
HistoScanning
a) sagittale Schnittebene
b) transversale
Schnittebene
Rot markierte
suspekte Areale
objektivierbar durch
Histo-Scanning.
b
Abb. 6
Rot markierte
suspekte Areale
objektivierbar durch
Histo-Scanning.
132 Männer konnte durch die C-TRUS gezielte Biopsie ein Prostatakarzinom festgestellt werden. In dieser Gruppe von 66
Männer lag die mediane Rate an vorhergegangenen Biopsiesitzungen bei 2 und die
Anzahl der einzelnen Stanzen bei 12 (2, 3).
Elastographie
Bei der Elastographie (씰Abb. 3) werden
Bilder auf Basis unterschiedlicher Dichtegrade des Gewebes erstellt. Bei diesem Ultraschallverfahren wird die Prostata durch
die transrektale Ultraschallsonde mit saften, rhythmischen und schnellen Druckbewegungen komprimiert und dekomprimiert. Tumorgewebe ist im Vergleich zu
normalem Prostatagewebe härter und lässt
sich daher weniger leicht komprimieren
(4). Dieses Phänomen wird vom Ultraschallgerät verarbeitet und farbkodiert dargestellt. Harte, und somit krebsverdächtige
Areale, werden farbkodiert, z.B. blau dargestellt. Solche Areale können unter lokaler
Betäubung gezielt biopsiert werden. Die
genaue Lokalisation erhöht die Treffsicherheit der Biopsie. Studien konnten zeigen,
dass die Wahrscheinlichkeit, einen Tumor
elastographiegesteuert zu treffen, gegenüber der randomisierten Biopsie zirka dreimal höher ist (5). Weiter konnte gezeigt
werden, dass Prostatakarzinome in 72–93%
der Fälle mittels Elastographie erkannt
werden (6–8). Nachteilig ist die untersucherabhängige Kompressionsbewegung.
HistoScanning™ ist eine Methode, die
computerunterstützt die Rohdaten einer
konventionellen rektalen Ultraschalluntersuchung auswertet (씰Abb. 4–6). Hierdurch kann eine genauere Unterscheidung,
Visualisierung und Größenbestimmung
von verändertem Prostatagewebe, vor allem bei Verdacht auf ein Prostatakarzinom
erfolgen. Basierend auf rechnergestützten
Auswertungen von Unterschieden im Ultraschallverhalten von Karzinomgewebe
im Gegensatz zu benignen Gewebe (9, 10)
werden „karzinomähnliche“ Ultraschallmuster farblich markiert. Vorteil hierbei ist
die Untersucherunabhängigkeit der Methodik.
Bei einer Untersuchungsdauer von rund
15 Minuten liegt die eigentliche computergestützte Auswertung direkt im Anschluss
an die Untersuchung vor. Im Falle eines
vorliegenden Prostatakrebses können die
Tumorgröße, die Anzahl der Tumorareale
und die Lokalisation in der Prostatadrüse
mit hoher Treffsicherheit bestimmt werden
(9, 10). Hierdurch ist eine gezielte Prostatabiopsie möglich. Zudem bietet dieses Verfahren bei gesichertem Prostatakrebs eine
bessere Planung einer lokalen Therapie.
Ähnlich der Elastographie kann ein im
HistoScanning™ ein auffälliger Befund
zielgerichtet biopsiert werden. Somit erhöht sich bei Biopsie die Wahrscheinlichkeit, die tumorverdächtigen Areale zu treffen. Folgebiopsien können damit vermindert werden. Die lokale Tumorausdehnung
kann besser beurteilt werden und damit
das weitere therapeutische Vorgehen (z.B.
Schonung der neurovaskulären Strukturen) beeinflussen. Weitere randomisierte
Studien sind jedoch erforderlich um diese
Methode zu validieren.
Magnetresonanztomographie (MRT)
Die MRT ist ein mögliches Instrument zur
Bestimmung der Ausdehnung des Lokalbefundes. Mit der 3T Magnetresonanztomographie (MRT) kann neuerdings eine Verbesserung bei der Diagnostik des Prostatakarzinoms erreicht werden. Um eine ausreichende Auflösung zur erzielen wird übli-
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cherweise, insbesondere bei 1,5 Tesla Geräten, die Anwendung einer endorektalen
Spule gefordert. Durch diese Bildgebungstechnik kann auffälliges Gewebe lokalisiert
werden; zudem können die Informationen
ergänzend zum Tastbefund mit in das klinische Tumorstadium einfließen. Die
Empfindlichkeit des Tumornachweises
kann im Vergleich und besonders in Kombination zum TRUS oder zur rektalen Tastuntersuchung allein, möglicherweise gesteigert werden.
Konventionelles endorektales MRI
(e-MRI, e-kMRT)
Das MRT deckt morphologische Informationen auf, indem T1- und T2-gewichtete
Bilder mit oder ohne einer endorektale Spirale auf. Die Prostata zeigt eine einheitliche
Zwischensignalintensität bei T1-gewichteter Darstellung, obwohl die Zonalanatomie
nicht klar identifiziert werden kann. Somit
werden T1-gewichtete axiale Bilder von der
Beckenregion hauptsächlich für die Darstellung von Lymphknoten, Knochenmetastasen und starker Drüsenblutung genutzt (11).
T2-gewichtete Bilder in axialer, sagittaler und koronarer Ebene demonstrieren
einen (hohen) Anstieg der Signalintensität
in der peripheren, und im Kontrast eine
schwache Signalintensität in der zentralen
und Übergangszone (씰Abb. 8). Für die Tumorerkennung werden T2-gewichtete Bilder für die Lokalisation genutzt. Auf T2-gewichteten MR-Bildern wird am häufigsten
die abfallende (niedrige) Signalintensität
bei Prostatakarzinom in der normalen peripheren Zone gezeigt (12). Allerdings
kann die niedrige Signalintensität in der
peripheren Zone auch durch Blutungen,
Prostatitis, hyperplastische Knötchen oder
Folgen von Bestrahlung oder hormoneller
Behandlung hervorgerufen sein (13).
Die Diagnosekriterien für extrakapsuläre Ausdehnung sind Verödung des rektoprostatischen Winkels, Unregelmäßigkeiten der Prostatakontur, Asymmetrie der
neurovaskulären Strukturen und angrenzende Tumorsignalintensität im periprostatischen Fettgewebe. Diagnosekriterien für Samenblaseninvasion beinhalteten
signalarme Läsionen in der Samenblase
Abb. 7 Computertomographie (CT Prostata) – fraglich suspekte Areale der Prostata mit möglichen
Karzinominfiltrationen in der Harnblase
oder direkte Extension der intensitätsarmen Masse von der Prostata bis zur Samenblase.
Funktionelles e-MRI (e-fMRT)
Derzeit beinhaltet ein e-fMRI die dynamisch
kontrastmittelangereicherte
e-MRI
(e-dkMRI), die Diffusions-gewichtete Darstellungen e-MRT (e-DWI) und Spektroskopie. Das e-dkMRI ermöglicht die Beurteilung
einer Tumorangiogenese. Es ist bekannt, dass
die Anzahl der Gefäße im karzinomatösen
Gewebe ansteigt und Tumorgefäße eine höhere Permeabilität haben (13). Experimentelle Studien haben gezeigt, dass kontrastmittelangereicherte Parameter, solche wie Übergangszeit, Blutfluss, Permeabilitätsoberfläche
und interstitielles Volumen in kanzerösem
Gewebe signifikant höher ist als in normalem
Gewebe und deshalb Differenzierungen zwischen benignem und malignem Gewebe ermöglicht (14–17). Schnellen Darstellungstechniken, wie „gradient-echo“ Sequenzen,
ist es möglich das gesamte Volumen der Prostata innerhalb weniger Sekunden zu erfassen.
Abb. 8 Magnetresonanztomographie (MRT) a-b) Koronare und axiale T2-Sequenzen zeigen eine signalarme Region in der normalerweise signalreichen peripheren Zone c) Axiale T2-Sequenz zeigt eine
suspekte Kontrastmittelanreicherung d) Axiale T2-DWI-Sequenz zeigt eine eingeschränkte Diffusion
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Abb. 9
Ein typisches Frequenzmuster einer
MR-Spektroskopie
bei der Prostatauntersuchung.
vermehrung zu einer Erhöhung von Cholin, einem Bestandteil der Zellmembran.
Citrat und Cholin lassen sich mit der MRSpektroskopie (MRS) messen. Mit der
3D-MRS wird die gesamte Prostata in kleine Volumenelemente von <1 mm unterteilt
und in jedem Volumenelement Citrat und
Cholin bestimmt. Bösartige Tumoren können anhand einer Erniedrigung von Citrat
und einer Erhöhung von Cholin mit der
3D-MRS erkannt werden. Das Absinken
des Citratgehalts und der Anstieg des Cholingehalts in der Prostata lassen sich in der
Spektroskopie, die auf der Analyse unterschiedlicher Resonanzfrequenzen beruht,
gut erkennen. Sie verbindet eine gute
räumliche Auflösung des Organs mit der
Möglichkeit, Einblicke in die Gewebezusammensetzung zu erzielen (20).
Cholin-PET/CT
Abb. 10
Cholin PET/CT –
suspektes Areal in
der Prostata durch
Anreicherung des
radio-aktiven Stoffes
(Cholin)
Engelbrecht et al. (18) und Kim et al.
(19) zeigten den Nutzen der Angabe der relativen Höchstanreicherung, „wash-in“
und „wash-out“ Rate für Karzinomdetektion und Lokalisation. Jedoch existiert noch
keine Übereinstimmung in punkto Akquisitionsprotokoll und optimalen Infusionsparameter, um die Tumore von normalem
Gewebe zu unterscheiden; daher sind weitere Studien nötig um den klinischen Wert
dieser Technik zu erfassen.
Die Technik ist durch räumlich begrenzte Auflösung eingeschränkt und das potenzielle Risiko von Darstellungsverzerrung
von einer Blutung vor der Biopsie, resultierend in magnetischer Ungleichmäßigkeit.
Daher muss die DWI in weiteren klinischen
Studien evaluiert werden.
MR-Spektroskopie
Ein weiters interessantes und entwicklungsfähiges Verfahren ist die MR-Spektroskopie (씰Abb. 9). Bislang war der Einsatz
der MR-Spektroskopie in der Medizin auf
Messungen von Gewebeproben oder von
großen Organen beschränkt. Erst in den
vergangenen Jahren konnte die Technik der
MR-Spektroskopie so verbessert werden,
dass nichtinvasiv auch kleine Organe wie
die Prostata in allen drei Raumrichtungen
(3D) mit hoher räumlicher Auflösung (<1
mm) untersucht werden können.
Die gesunde Prostata bildet Citrat. Bei
Prostataerkrankungen sinkt der Citratgehalt des Gewebes ab. Bösartige Prostatatumoren führen zusätzlich durch die Zell-
In der lokalen Tumordiagnostik, besonders
aber in der Ausbreitungsdiagnostik bezüglich regionären Lymphknoten und Knochensystem kommt neuerdings ein Verfahren zum Einsatz das die Schnittbild-Diagnostik mit der Visualisierung von Stoffwechselvorgängen verknüpft: Die CholinPET/CT steht für Positronen-EmissionsTomographie und CT für Computer-Tomographie (씰Abb. 7). Die PET-CT ist eine
Kombination aus beiden Techniken
(씰Abb. 10).
Durch das Erstellen von Fusionsbildern
wird möglicherweise eine präziser Informationen zur Lokalisierung von Tumoren
ermöglicht. Die Positronen-Emissions-Tomographie macht Stoffwechselprozesse
von Tumorzellen sichtbar. Der veränderte
Stoffwechsel von Karzinomzellen lässt sich
sichtbar machen, indem der Patient ein
schwach radioaktiv angereichertes Zuckerderivat verabreicht bekommt. Dieses reichert sich vermehrt in den aktiven Krebszellen an und gibt Strahlung ab. So erscheinen die Tumore auf dem PET-Bild als
leuchtende Punkte und können von den
gesunden Geweben abgegrenzt werden.
Beim Nachweis von Prostatakarzinomzellen wird der schon beschriebene Tumormarker Cholin verwendet. Als radioaktiv
markierter Stoff (als C11-Cholin, in Verbindung mit einem radioaktiven Kohlenwasserstoff) wir er intravenös appliziert.
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Zugor V et al.: Bildgebende Diagnostik bei Prostatakarzinom
Fazit für die Praxis
Neue und innovative bildgebende Verfahren
in der Diagnostik des Prostatakarzinoms gewinnen immer mehr an Bedeutung. Eine verbesserte Bildgebung bei Diagnosestellung
und in der Stadieneinteilung kann zu einer
erheblichen Verbesserung bei den Therapieentscheidungen und der Behandlungsplanung führen. Welche Verfahren dauerhaft in
den klinischen Alltag Eingang finden werden, ist derzeit noch unklar. Weitere Studien
müssen die Wertigkeit der einzelnen Verfahren belegen. Derzeit erscheinen HistoScanning™ als Ultraschallverfahren, endorektale
3 Tesla MRT und Cholin-PET/CT als aussichtsreichste Kandidaten für eine verbesserte Diagnostik.
Durch die Fusion von konventioneller CTSchnittbildtechnik und PET können die
stoffwechselaktiven Areale exakt lokalisiert
werden kann. Auch kleine Karzinomherde
lassen sich auf diese Weise nachweisen.
Präliminäre Ergebnisse zeigen jedoch,
dass die Unterscheidung zwischen Prostatakarzinom, BPH und fokaler chronischer
Prostatitis schwierig ist (21). Cholin- oder
Azetat-basierende PET/CT-Untersuchungen sind bisher nicht ausreichend validierte
bildgebende Verfahren bei Diagnose und
Staging des Prostatakarzinoms. Deswegen
sollten diese Untersuchungen außerhalb
von Studien nur in ausgewählten Einzelfällen angewendet werden, auch in Bezug auf
Patienten mit einem biochemischen Rezidiv (20).
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Kongressnachlese
EAU 2011
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Highlights von der Jahresversammlung der European
Association of Urology
Neue Entwicklungen bei urologischen Karzinomen im Fokus
Mehr als 15 000 Urologen besuchten den Jahreskongress der EAU in Wien. Erfahrungsgemäß nehmen die urologischen Tumore – insbesondere das Prostatakarzinom – einen
breiten Raum ein. Gerade beim Prostatakarzinom gibt es einige medikamentöse Neuentwicklungen, die wie Cabazitaxel bereits zugelassen sind oder wie Padeliporfin
noch in den Studien überprüft werden. Aber auch bei den anderen Tumoren wie dem
Nierenzellkarzinom und dem Urothelkarzinom gibt es interessante Neuentwicklungen.
Der erste Preis des „Residents-in-Urology
Award 2011“ für den besten Abstract gewann
eine belgische Arbeitsgruppe aus Leuven
(씰Kasten „Resident in Urology Award“)
Wie machen wir es richtig?
Ebenso wie die Pharmakotherapie befinden
sich auch die chirurgischen Interventionen
beim Nierenzellkarzinom in einer Evolutionsphase. Hier hat sich die partielle Nephrektomie
neben der Radikaloperation als Standard
durchgesetzt. Aber wie soll die Operation erfolgen – offen, laparoskopisch oder Roboter-assistiert? Dieser Fragestellung stellten sich mehrere Experten im der finalen Plenarsitzung im
Rahmen de EAU. Der innovativste Ansatz kam
aus Deutschland. Prof. Michael Stöckle, Homburg, plädierte für den Einsatz des Roboters bei
der Nierenresektion. „Wir können den Blutverlust minimieren sowie Schmerzen deutlich reduzieren“. Er favorisierte die Nierenteilresektion. Nach seiner Ansicht steht der durch die radikale Nierenoperation herbeigeführte Verlust
an Nierenfunktion in keinem Verhältnis zum
unterschiedlichen Erfolg beider Operationsmethoden. Er räumte ein, dass die Roboter-assistierte Operation eine Lernkurve verlangt,
dann aber sehr sicher und gut beherrschbar
wäre.
Resident in Urology Award
Grundlagenforschung Nierenzellkarzinom
Für ihre Grundlagenforschung zum Nierenzellkarzinom erhielt eine belgische Arbeitsgruppe aus Leuven um J. Berkers den erste Preis des „Residents-in-Urology Award
2011“. Sie untersuchten die Zusammenhänge zwischen der MicroRNA-141-Expression und dem Ansprechen auf Sunitinib (1).
Sunitinib ist die erste zielgerichtete Substanz
beim fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom
und die Ansprechrate auf die Substanz betrug
in den klinischen Studien etwa 40%. Gesucht
werden auch hier Marker, die darüber Auskunft geben können, ob der Patient darauf anspricht.
Beim Menschen kennt man inzwischen
mehr als 500 MicroRNAs, wovon jede die Aktivität mehrerer Gene beeinflusst. MicroRNA-141 ist bei verschiedenen Tumoren mit der
Proliferation und Invasion des Malignoms assoziiert. Bei der Untersuchung von Gewebeproben von 20 Patienten, die mit Sunitinib
zwischen 2006 und 2010 behandelt wurden,
zeigte sich, dass die Expression der MicroRNA-141 bei schlechten Respondern signifikant niedriger war (p = 0,0098) (씰Abb. 1). Als
schlechte Responder wurden Patienten einge-
stuft, die innerhalb von 6 Monaten eine Progression der Erkrankung erlitten. Dieser Zusammenhang zwischen der Herunterregulierung der MicroRNA sollte nun noch in größeren
Präsentation der Wissenschaftspreise – der 1.
Preis ging nach Belgien (Foto: P. Henning, Stuttgart)
Studien validiert werden, könnte aber zukünftig nach Einschätzung der Fachleute ein wichtiger Hinweis sein.
Bettina Reich, Hamburg
Literatur
Abb. 1 Expression von MicroRNA-141 bei Patienten mit einem mRCC in Abhängigkeit von einer guten und schlechten Response auf die Therapie mit Sunitinib.
1. Berkers JHM et al. MicroRNA-141 expression in
clear cell renal cell carcinoma is linked with sunitinib response. EAU 2011, Abstract 740.
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Kongressnachlese
EAU 2011
135
Neue Zweitlinientherapie
beim mHRPC
Pünktlich zum EAU-Kongress kam die Zulassung von Cabazitaxel (Jevtana®) in Kombination mit Prednison zur Zweitlinientherapie beim
metastasierten hormonrefraktären Prostatakarzinom (mHRPC): Damit konnte das Gesamtüberleben von Patienten mit mHRPC, die unter
Docetaxel progredient sind, signifikant verlängert werden, so Prof. Stephane Oudard, Paris/
Frankreich. Basis für die Zulassung war die
TROPIC-Studie. In dieser multizentrischen, randomisierten Phase-III-Studie mit 755 Patienten
kam es unter Cabazitaxel zu einer statistisch
signifikanten und klinisch relevanten Verlängerung des primären Endpunkts Gesamtüberlebens im Vergleich zu Mitoxantron (1).
Das mediane Gesamtüberleben lag im Cabazitaxel-Arm bei 15,1 Monate im Vergleich zu
12,7 Monaten im Mitoxantron-Arm (HR 0,70
95% CI: 0,59–0,83), p<00001). Dies entspricht
einer 30%igen Reduktion des Mortalitätsrisikos. Außerdem war eine signifikante Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS;
sekundärer Endpunkt) unter Cabazitaxel zu beobachten (2,8 Monate vs. 1,4 Monate im Mitoxantron-Arm; HR 0,74; CI: 0,64–0,86;
p<0,00001). Eine Krankheitskontrolle (CR + PR
+ SD) wurde bei 61,7% in der CabazitaxelGruppe im Vergleich zu 47,5% in der Mitoxantron-Gruppe erzielt.
Die häufigsten relevanten Therapie-assoziierten Nebenwirkungen mit Cabazitaxel waren
hämatologischer Art (Grad 3/4: Neutropenie
(81,7%); febrile Neutropenie (7,5%); Anämie
(10,5%). Dies erfordert ein aufmerksames Nebenwirkungsmanagement, insbesondere der
Neutropenie, erläuterte Oudard. Die Therapie
wird bereits in den aktuellen Leitlinien der EAU
zur Zweitlinientherapie nach Docetaxel empfohlen.
Momentan wird Cabazitaxel auch in der
Erstlinientherapie in einer Dosis von 25 oder 20
mg/m2 gegen Docetaxel getestet.
Eingangsbereich zum
Kongressgebäude
(Foto: P. Henning,
Stuttgart)
sich auch beim Prostatakarzinom in der Untersuchung. Hierbei spritzt man eine Substanz direkt in die Prostata, die sich im Tumor anreichert und diesen nach Aktivierung mit Licht einer geeigneten Wellenlänge schädigt. Auf dem
EAU stellte Prof. Abdel Rahmene Azzouzi, Angers/Frankreich, zwei Phase-II-Studien über
sechs Monate mit einem BacteriochlorophyllDerivat als Photosensibilisator vor, welches als
Photosensibilisator arbeitet (2). Dazu wurde
die Substanz Padeliporfin in die Prostata eingebracht und mit Licht bestrahlt. Im Rahmen der
beiden Studien zeigte sich, dass 4 mg/kg die
optimalste Dosis für die PDT ist. Damit konnte
eine Rate an 83% negativen Biopsien erzielt
werden. Die Nebenwirkungsrate war in den
Studien gering und die Lebensqualität der Patienten nicht beeinträchtigt. Eine Phase-III-Studie wurde inzwischen begonnen.
Neues orales Antiandrogen
in der Pipeline
Männer mit einem fortgeschrittenen Prostatakarzinom haben nach Versagen der Antiandro-
gentherapie nur noch limitierte Behandlungsoptionen. Die Chemotherapie bietet beim kastrationsresistenten PCa zwar eine Überlebenszeitverlängerung, aber sie ist meist von einer
hohen Toxizität begleitet. Neue Therapieoptionen werden daher dringend benötigt, erklärte
Prof. Kurt Miller, Berlin. Mit MDV3100 befindet sich ein orales Antiandrogen in der Entwicklung, welches die Androgenspiegel wesentlich starker erniedrigen könnte als bisherige Therapien und zudem gut verträglich ist.
Bei MDV3100 handelt es sich um ein Antiandrogen der zweiten Generation. Im präklinischen Modell verzögerte die Substanz das
Wachstum von Tumorzellen und induzierte bei
Bicalutamid-resistenten Tumoren den Zelltod
über drei verschiedene Signalwege:
● direkte Antagonisierung des Androgenrezeptors mit hoher Rezeptoraffinität
● Hemmung der Transkription des mutierten
Androgenrezeptorproteins sowie
● Inhibition der Rezeptors-DANN-Bindung
(3).
In einer aktuell vorgestellten Phase-II-Studie
wurden Chemotherapie-naiven Patienten oder
Mit Phototherapie gegen
das Prostatakarzinom
Seit einigen Jahren werden mit Hochdruck
neue, minimal invasive Methoden zur lokalen
Behandlung des Prostatakarzinoms entwickelt:
Die PDT (photodynamische Therapie) befindet
Eine MultimediaAusstellung zu Geschichte der EAU
(Foto: P. Henning,
Stuttgart)
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EAU 2011
136
Tab. 1
Behandlung von Patienten mit kastrationsresistentem PCa (n = 140) mit MDV3100
Chemotherapie-naiv
Vorbehandelt
Mediane Dauer bis zur PSA-Progression
(PSA-Anstieg ≥ 25%)
Nicht erreicht
33 Wochen
Mediane Dauer bis zur PSA-Progression
(nach Def. der Prostata Working Group)
41 Wochen
20 Wochen
Mediane Dauer bis zur radiografischen
Progression
56 Wochen
24 Wochen
„Nehmt ein hübsches Souvenir mit
aus der kaiserlichen
Welt! Alles innig, lieb
und sinnig, so wie es
euch gefällt:
KITSCH!“ (Zit. nach:
Kunze M, Levay S.
Elisabeth -– Musical;
aus dem Lied
Kitsch!; Foto: P. Henning, Stuttgart)
solche, die gegen Bicalutamid oder andere
Standard-Anti-Androgene resistent geworden
waren, mit der Substanz behandelt (4). Die mediane Therapiedauer betrug 51 Wochen bei den
Chemotherapie-naiven Patienten bzw. 17 Wochen bei den vorbehandelten Patienten. Die
antitumorale Aktivität zeigte sich in einer Reduktion der PSA-Progression (definiert als PSAAnstieg von ≥25%). Diese wurde in der Gruppe
der Chemotherapie-naiven Patienten noch
nicht erreicht, nach Chemotherapie betrug sie
33 Wochen (씰Tab. 1).
Die Verträglichkeit war meist gut bei Dosen
bis zu 240 mg/Tag, Fatigue war die am häufigsten berichtete Nebenwirkung. Miller sieht
Möglichkeiten, die Substanz schon sehr früh in
der Behandlung des kastrationsresistenten
PCa einzusetzen.
Momentan erfolgt die Überprüfung des
neuen
Androgen-Rezeptor-Antagonisten
MDV3100 in zwei internationalen Phase-IIIStudien. Die AFFIRM-Studie bezieht Männer
mit hormonrefraktärem, fortgeschrittenem
Prostatakarzinom ein, die vorher mit Docetaxel-basierter Chemotherapie behandelt wurden. Die PREVAIL-Studie ist für Chemotherapie-naïve Patienten ausgelegt.
Urothelkarzinom –
längeres Überleben durch
Vinflunin
Heilige Dreifaltigkeit der Pestsäule Wien am Graben (Foto: P. Henning, Stuttgart)
Nachdem es bisher keinen Standard in der
Zweitlinientherapie beim fortgeschrittenen
Urothelkarzinom gab, hat sich Vinflunin nun in
diesem Bereich etabliert. Nachdem die Substanz bereits in zwei Phase-II-Studien seine
Wirksamkeit in der Zweitlinientherapie unter
Beweis gestellt hatte, wurde Vinflunin in einer
Phase-III-Studie bei insgesamt 370 Patienten
untersucht. Diese erhielten entweder Vinflunin
plus Best Supportive Care (BSC) bis zum Progress (n = 253) oder BSC allein für 18 Wochen
(n = 117).
Hinsichtlich des primären Endpunkts – des
Gesamtüberlebens – zeigte sich in der ersten
Analyse nach 1,8 Jahren ein Vorteil für Vinflunin. Die prospektiv geplante Multivarianzanalyse nach Adjustierung für vorab definierte
prognostische Faktoren ergab einen signifikanten Überlebensvorteil zugunsten von Vinflunin
mit einer Reduktion des relativen Sterberisikos
um 23% gegenüber dem BSC-Arm (HR 0,77; p
= 0,036). Eine Auswertung der geeigneten Patienten nach Ausschluss aller Patienten mit essenziellen Protokollverletzungen belegte ebenfalls einen statistisch signifikanten Überlebensvorteil von 2,6 Monaten im Vinflunin-Arm (6,9
vs. 4,3 Monate; p = 0,0403). Ein weiteres Update nach median 3,5 Jahren Follow-up untermauert noch einmal den positiven und statistisch signifikanten Effekt von Vinflunin auf das
Gesamtüberleben in der Zweitlinie.
Darüber hinaus wurde auch hinsichtlich der
sekundären Endpunkte wie Gesamtansprechrate (ORR), progressionsfreies Überleben (PFS)
sowie der Krankheitskontrolle (DC) ein signifikanter Vorteil durch Vinflunin erzielt. Zudem
belegen die Studienergebnisse, dass mit Vinflunin eine adäquate Krankheitskontrolle erreicht
wird, was sich auch in einem Erhalt der Lebensqualität und einer guter Symptombeherrschung – insbesondere der Schmerzen – widerspiegelt. Prof. Jürgen Gschwend, München,
betonte abschließend, dass Vinflunin ein vorhersehbares, akzeptables und in der Praxis gut
handhabbares Verträglichkeitsprofil besitzt.
Bettina Reich, Hamburg
Literatur
1. Tombal B et al. Clinical benefit of cabazitaxel plus
prednisone in the TROPIC trial in men with metastatic castration resistant prostate cancer (mCRPC)
who progressed after docetaxel-based treatment.
2. Azzouzi AR et al. Results of TOOKAD® Soluble Vascular Targeted Photodynamic therapy (VTP) for
low
risk
localized
prostate
cancer
(PCM201/PCM203).
3. Tran C et al. Science. 2009;324:787.
4. Higano C et al. Long-term efficacy results from the
phase 1–2 study of MDV3100 in pre- and post-docetaxel advanced prostate cancer
Quelle: 26. Jahresversammlung der European Association of Urology (EAU) vom 18. bis 22. März,2011, Wien
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EAU 2011
137
Translationale Forschung und multidisziplinärer Ansätze
in der Uro-Onkologie
se nach anderen Angaben bei im median 43,4
Millionen $ (13) (Anmerkung d. Redaktion).
Von Standardtherapien und
kontroversen Ansätzen
Neue Herangehensweise
an Marker für Blasenkrebs
Die gemeinsame Sitzung von EORTC GU, ESUR und ESOU diskutierte im Rahmen des
EAU umfassend die modernsten Standardtherapien und kontroverse Ansätze in der
Uro-Onkologie.
Das Prostatakarzinom entwickelt sich über die
Jahre in einem Kontinuum. Ausgehend von lokalisiert (T1–2, N0, M0) über lokal fortgeschritten (T3–4, alle N, M0 oder alle T, N+, M0), dann
fortgeschritten (alle T, alle N, M+) hin zur Palliativtherapie (kastrationsresistent).
Experimentelle Ansätze
beim Prostatakarzinom
Für Hing Y. Leung, Universität Glasgow gibt es
prinzipiell drei experimentelle und klinische
Ansätze zur Verbesserung der Chemotherapie
beim Prostata-Karzinom (P-Ca). Ansatz 1 ist
das Optimieren der bereits bestehenden Therapiemöglichkeiten. So können vom Taxan abgeleitete Substanzen die Chemotherapie verbessern: Cabazitaxel – zugelassen in der Zweitlinientherapie beim mHRPC (siehe S. 135) wird
weniger von der P-Glykoprotein-Efflux-Pumpe
(PgP) erfasst (1).
Ein weiterer Ansatz ist die Identifikation
neuer Therapieziele. Dies geschieht einmal auf
der Ebene von In-vitro-Modellen. Hierzu gehören phänotypisch modifizierte Zellmodelle wie
zum Beispiel invasive, Chemotherapie(Docetaxel)-resistente Zellen, CRPC und das RNA-Interferenz (RNAi)-Screening.
Ein Tubulin-bindendes Agens der Kinesin5-Familie ist das S-trityl-L-cystein (STLC), ein
spezifischer Inhibitor von Eg5. Leung präsentierte Daten von Carolyn Witlshire, die zeigen,
dass STLC eine sogenannte monastrale bipolare Spindelbildung (2) statt einer normalen bipolaren Spindelbildung induziert.
Werden LNCaP und Docetaxel-resistente
LNCaP-Zellen mit STLC behandelt, so kommt es
bei beiden Zell-Linen gleichermaßen zum Zelltod. PC3M und Docetaxel-resistente PC3M
sprechen ebenfalls auf STLC an. Wichtig, so
Leung, ist die Erkenntnis, dass es unter einer Taxan-basierten Chemotherapie zu einer Androgen-Rezeptor-Aktivierung
(Augmentation)
kommt.
Eine weitere Zielfindungsmethode ist das
RNAi-Screening, eine Technik, bei der systematisch der Effekt eines einzelnen Gens des Genoms auf das interessierende Protein untersucht werden kann. So können Proteine identifiziert werden, die einen Phänotyp verstärken
oder reduzieren, beispielsweise Zelltod, Metastase; in Verbindung mit einem weiteren Agens
oder innerhalb eines bestimmten genetischen
Hintergrundes. Diese „synthetische Letalität“
kann dann dazu herangezogen werden, die
Wirksamkeit bestehender Chemotherapeutika
zu verbessern und die Empfindlichkeit spezifischer Tumortypen zu identifizieren.
Der dritte Ansatz ist die Entdeckung von
neuen Medikamenten. Hierzu merkte Leung
an, dass mehr als eine Milliarde $ über einen
Zeitraum von 12 Jahren notwendig ist bis zur
Marktreife eines neuen Medikaments (3).
Die Kosten für die Neuentwicklung eines
Arzneimittels werden jedoch sehr unterschidelich eingeschätzt (12) und liegen beispielswei-
Ellen C. Zwarthoff, Rotterdam, diskutierte
Marker zur Detektion von Blasenkrebs, die mindestens in 2 unabhängigen Studien untersucht
wurden. Sie beantwortete die Frage, warum
FGFR3-Mutationstest zur Detektion von rezidivierenden Tumoren im Urin eingesetzt werden
sollten.
Für Rezidive von Tumoren, die kleiner als der
Primärtumor und niedriggradig sind, ist ein Test
notwendig, der speziell diese Subgruppe anspricht. 60–70% der NMI-BC (Non Muscle Invasive Bladder Cancer) haben eine Mutation in
FGFR3. Mutationen werden ausschließlich in
Tumoren gefunden, daher liegt die Genauigkeit
des Tests bei 100%. Der Test bietet gegenüber
der Zytoskopie den Vorteil nicht-invasiv zu sein,
das Ergebnis liegt jedoch erst nach einigen Tagen vor und hat eine Sensitivität von
68–100%. Werden Urintest und Zytoskopie
kombiniert, so lassen sich Blasenkrebsrezidive
besser entdecken.
Denkbar ist, Biomarker einzusetzen zur Vorhersage der Prognose in Bezug auf die Rückfallrate bei NMI-BC, die Progression zu MI-BC
und das Überleben bei MI-BC.
Biomarker und zielgerichtete
Therapien
Zu den möglichen Zielen gehören FGFR3,
EGFR, VEGFR, ERBB2, PIK3CA, RAS und TOR.
Wie Zwarthoff folgert, kann eine FGFR3-Muta-
Tagungsort AustriaCenter, Wien (Foto: P.
Henning, Stuttgart)
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EAU 2011
138
Diskussion im Foyer
des Austria-Centers
(Foto: P. Henning,
Stuttgart)
tion eine benigne Subgruppe von Blasentumoren identifizieren. Sie empfiehlt die
FGFR3-Analyse und eine Zytoskopie zur Kontrolle in Betracht zu ziehen. Für Rezidiv-Raten
existieren keine Marker. Mehrere Marker sind
bestätigt für die Progression des MI-BC. Myopodin ist ein vielversprechender Marker für
T1G3. Zellzyklus-Marker sagen das Überleben
bei MI-BC voraus und Zielgerichtete Therapien
sollten bei hochgradigem Blasenkrebs in Erwägung gezogen werden, so Zwarthoff.
Hodentumore – offene
Fragen
Die altersadjustierte Inzidenz für Hodentumoren pro 10 000 Personen Männer ist zwischen
1973 und 1997 von ca. 3,5 auf rund 5,5 gestiegen, betonte Prof. Susanne Osanto, Klinische
Onkologie, Leiden, Niederlande. Die Mammakarzinom-Inzidenz ist im gleichen Zeitraum
von etwa 100 auf rund 140 gestiegen – zumindest sind das deutliche Differenzen in den Steigerungsraten – wenn auch auf unterschiedlichem Niveau.
Die Mortalitätsraten für das Hodenkarzinom unterscheiden sich in Europa erheblich.
1995 lag die Mortalität Deutschland mit deutlich mehr als 5% noch etwas unterhalb des
westeuropäischen Durchschnitts; trauriger
Spitzenreiter zu diesem Zeitpunkt war Mazedonien mit 30% (4).
Nach dem derzeit gültigen Paradigma gilt
laut Osanto für Hodentumore:
● Hohe Ansprechraten und Heilung nach Erstlinientherapie, moderat-hohe Ansprechrate
auf die Zweitlinien-Chemotherapie.
● Die Chemotherapie ist der Schlüssel zur Therapieerfolg in der metastasierten Situation.
●
●
Hodenkrebs ist hoch radiosensitiv. Die Chirurgie bleibt eine wichtige Behandlungsoption. Die Zusammenarbeit in einem multimodalen Team ist essenziell.
Die Chirurgie einer Resterkrankung und die
Notfall-OP stellen eine Herausforderung
dar.
In der Erstlinien-Chemotherapie für Patienten
mit schlechter Prognose ist bisher kein bestes
Therapie-Regimen definiert. Hier sind gut kontrollierte Studien nötig, forderte Osanto.
Studien seien statistisch unterpowert, da eine adäquate Rekrutierung von Patienten in RCT
(randomized contolled trials) mit ausreichender statistischer Power nicht erreicht werde,
um einen aussagefähigen Unterschied zu erzielen.
In Ermangelung aussagekräftiger Studien
bleibt der Behandlungsstandard in der Erstlinien-Therapie bei Patienten mit schlechter Prognose 4 Zyklen BEP (Bleomycin, Etoposid, Cisplatin). Bei überlebensfähigen Tumorzellen in
Resektionsproben werden 2 zusätzliche Chemotherapie-Zyklen gegeben, dies sollte jedoch
in erfahrenen Zentren geschehen, so die Expertin. Im Falle einer R0-Resektion von lebensfähigen Rest-Tumorzellen <10% im Resektat, ist es
fraglich, ob eine vertiefende Chemotherapie
nicht indiziert ist. Retrospektive Daten hierzu
sind kontrovers.
Ein optimales Notfall-Regimen in der Zweitund Drittlinien-Chemotherapie ist bisher nicht
durch RTCs definiert. Es werden verschiedene
Regimen genutzt.
Eine große retrospektive Analyse von 1594
Patienten zwischen 1990–2008 con 38 Zentren
(5) identifizierte 5 prognostische Gruppen mit
signifikant unterschiedlichen Überlebensraten
(Histologie, Lage des Primärtumors, Ansprechen auf Erstlinien-Chemotherapie, progressionsfreies Überleben, Leber-/Knochen-/GehirnMetastasen). Die Studie ergab jedoch keine definitive Antwort auf die Frage nach konventioneller Dosis vs. Hochdosis-Chemotherapie bei
Rezidiv oder refraktärem Hodenkrebs, kommentierte Osanto.
Somit bleiben offene Fragen. In der Erstlinien-Chemotherapie mit schlechter Prognose für
Keimzelltumore ist die Hochdosis-Chemotherapie nicht besser. Bei Zweit- und Drittlinien-Notfall-Regimen bei rezidivierenden Keimzelltumoren gibt es keine RCT-Vergleichsstudien
für VIP, Ve-IP, TIP. Drei RCT haben gezeigt, dass
eine Hochdosis-Chemotherapie nicht besser
ist, so das Fazit von Osanto.
Erweiterte LymphknotenDissektion beim ProstataKarzinom
Wie in der Online-Enzyklopädie Wikipedia nachzulesen ist, wurden den Wiener Fiakerpferden –
hier vor der Hofburg – 2004 das Tragen von Pferdewindeln per Landesgesetz verordnet (Foto: P.
Henning, Stuttgart)
Steven Joniau, Universitätsklinikum Leuven,
Belgien, ging auf das sehr kontrovers diskutierte Thema der Lymphknoten (LN)-Dissektion ein.
Bei der Diskussion um den Erfolg einer Lymphknoten-Dissektion ist – besonders bei der statistischen Auswertung – zu berücksichtigen,
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EAU 2011
139
dass je mehr Knoten entfernt werden, desto
weniger positive Knoten gesehen werden, weil
es insgesamt weniger Knoten werden.
Die Inzidenz von LN positivem Prostata-Karzinom in der PSA-Ära scheint niedrig zu sein,
sie mag jedoch unterschätzt werden, aufgrund
einer abnehmenden Rate und Ausdehnung von
Becken-Lymphknoten-Dissektionen (pLND).
Die pLND liefert das genaueste Staging.
Dies ist von besonderer Bedeutung für die Erfolgs-Prognose und die Durchführung adjuvanten Therapie-Strategien.
Bei LN-positiven Patienten resultiert das
Entfernen des Primärtumors in einem signifikanten Überlebensvorteil gegenüber dem
Überlassen einer radikalen Prostatektomie
Die Charakteristika des Primärtumors sind
für die Erfolgs-Prognose mindestens so wichtig
wie die Anzahl an positiven LN.
Die pLND allein könnte Patienten mit begrenzter LN-Beteiligung heilen, andererseits
sind >2 beteiligte Knoten ein unabhängiger
Prediktor für ein schlechteres CSS (cancer specific survival). Diese Patienten erfordern einen
multimodalen Ansatz.
Das sehr extensive Entfernen von pLND
(>20 Knoten) bei Hochristiko-P-Ca-Patienten
könnte das Todesrisiko jedweder Ursache verringern. Dieser Effekt kann jedoch nicht die Unterschiede im CSS erklären. Diese Beobachtung
müssen weitergehend bestätigt werden, forderte Joniau. Zudem mahnte er an, dass weiter
Untersuchungen in diesem Gebiet dringen erforderlich seien, vorzugsweise durch prospektive Studien, die eine begrenzte LND mit einer erweiterten LND vergleichen bei HochrisikoP-Ca-Patienten, zusätzlich mit einer Radiotherapie oder Hormontherapie, wenn diese angebracht sind.
Der Blaue Reiter in der Albertina
Kunstgenuss in Wien
Wien als attraktiver Kongress-Standort bietet ein vielfältiges Kulturangebot. Neben
den bekannten Hauptattraktionen „imperiales Wien“ mit Hofburg, Ringstraße und
Schönbrunn bot sich den Kongressteilnehmern die Gelegenheit die Ausstellung
„Der Blaue Reiter“ in der Albertina zu besichtigen.
Nicht wenige Kongressteilnehmer haben die
Gelegenheit genutzt, Wien zu erkunden – gut
erkennbar im Straßenbild an den Kongresstaschen. Zahlreiche Besucher nutzten so auch
die Gelegenheit für einen Abstecher in die Albertina, in der – zufällig parallel zum Kongress
– die Sonderausstellung „Der Blaue Reiter“ in
reizvoller Weise graphische Blätter der Künstlergruppe um Franz Marc und Wassily Kandinsky aus dem Lenbachhaus in München
und den Beständen der Albertina zusammenführt.
Im Rahmen der Ausstellung ist gut nachzuvollziehen, wie die Künstlergruppe den Bogen spannt von den bewusst schlichten und
am Gegenstand orientierten Zeichnungen
Gabriele Münters oder auch August Mackes über die filigrane Linienkunst Paul
Klees, die bildhaft ausgearbeiteten, stilisierten Tiersymbole Marcs bis zu den abstrakten
Aquarellen Kandinskys.
Kernstück der Ausstellung sind die Arbeiten von Kandinsky, die neben den bereits erwähnten Künstlern ergänzt werden durch
Werke von Heinrich Capendonk, Lyonel
Feininger, Alexej Jawlensky, Alfred Kubin
und Marianne von Werefkin.
Wassily Kandinsky, Entwurf für den Umschlag
des Almanach „Der Blaue Reiter“, 1911, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau
München © VBK Wien, 2011
Die Ausstellung ist verlängert bis zum 29.
Mai 2011. Zur Ausstellung ist ein Katalog zum
Preis von 29 Euro erschienen und im Shop der
Albertina erhältlich.
Peter Henning, Stuttgart
Quelle: Pressemitteilung Albertina, Wien
Zweitlinientherapie beim
metastasierten ProstataKarzinom
Prof. Axel Heidenreich, Klinik für Urologie, Aachen, der in Vertretung von S. Ciuline, Montpellier, Frankreich, sprach, diskutierte die Frage
einer Zweitlinien-Hormontherapie für das metastasierte Prostata-Karzinom (P-Ca). Die therapeutische Wirksamkeit der Standard-Antiandrogen-Behandlung (ADT) ist begrenzt durch
die Reduktion aber nicht Elimination von Androgenen im Zielgewebe und die verbleibende
Alte und Neue Welt
in der Kunst – drei
Ausstellungen in
der Albertina, Wien
(Foto: P. Henning,
Stuttgart)
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EAU 2011
140
●
Neue EAU-Guidelines 2011
Zum Kongress in Wien hat die European Association of Urology die Ausgabe 2011
der neuen Leitlinien vorgelegt. Der Leitlinienband ist in Wien am Stand der EAA an
alle Mitglieder der Fachgesellschaft kostenlos verteilt worden.
Wie Keith F. Parsons, Präsident des EAU Leitlinien-Büros, in seinem Geleitwort betont, ist
das Erstellen von Leitlinien ein kontinuierlicher Prozess und die Rückmeldungen der Nutzer sind ausschlaggebend für die Bemühungen um die Leitlinien. Im vergangenen Jahr
hatte die EAU eine E-Mail-Befragung unter ihren Mitgliedern vorgenommen, um den Nutzen ihrer Leitlinien zu hinterfragen. Für die Anwendbarkeit jedes Abschnitts in der Praxis
sollte der Bedeutungsgrad eingeschätzt werden. Im Ergebnis werden die Leitlinien als
hoch-relevant für die klinisch-urologische
Praxis erachtet.
P. Henning, Stuttgart
Den Leitlinien Gesichter geben (Foto: P. Henning,
Stuttgart)
Am Stand der EAU
erhielten die Mitglieder der Gesellschaft die neu erschienenen Leitlinien (Foto: P. Henning, Stuttgart).
intakte Androgen-Rezeptor-Expression und
Signalwirkung.
Eine Standard-Zweitlinientherapie verlängert das progressionsfreie Überleben, hat jedoch keinen Einfluss auf das Gesamtüberleben.
Zu den Nachteilen einer klassischen AndrogenDeprivationstherapie (ADT) gehören
● Resistenz tritt typischerweise nach etwa
18–24 Monaten auf
●
●
●
Die zeitnahe Behandlungsoption reduziert
zwar die Androgene am Zielgewebe, eliminiert sie jedoch nicht.
Das Dihydrotestosteron in der Prostata wird
lediglich um 50–70% reduziert.
Die Testosteron-Konzentration im kastrationsresistenten Prostata-Karzinom (CRPC)
ist vergleichbar der einer benignen Prostata-Hyperplasie (BPH).
Die Androgen-Rezepor-(AR)Expression und
das AR-Signal bleibt erhalten nach einer
ADT, selbst beim CRPC.
Deshalb, so Heidenreich, seien Medikamente
notwendig, die den AR-Signalweg effektiver
unterbrechen. Die vielversprechendsten Ansätze könnten für das hormon-Naive P-Ca oder
das nicht-kastrationsresistente Prostata-Karzinom die Lyase-Inhibitoren sein sowie neue Antiandrogene wie das MDV3100 sein. Das Toxizitäts-Profil sollte minimal sein, da es sich um eine nicht-kurative Therapie handelt, so Heidenreich. Lyase-Inhibitoren regulieren die adrenale
Androgen-Synthese herunter durch die Inhibition von 17α-Hydroxylase und C17/20-Lyase.
Der hochspezifische 17α-Hydroxylase-Inhibitor Abirateron-Acetat zeichnet sich durch seine Selektivität zu CYP450c17 aus und inhibiert
so die adrenale Androgen-Synthese. Das Prodrug Abirateron-Acetat wird nach der Absorption durch eine Esterase zu Abirateron deacetyliert. Es reduziert die Serum-Cortisol-Konzentration mit einem entsprechenden Anstieg von
ACTH und unterdrückt signifikant die androgenen Steroide und Östrogene im Serum, erläuterte Heidenreich. In Phase-II-Studien hat Abirateron vor und nach Docetaxel eine Anti-Tumor-Aktivität gezeigt (6, 7).
Eine weitere Substanz, das MDV3100, zeigt
eine gegenüber Bicatulamid erhöhte Bindung
an den AR. Es verhindert die AR-Verschiebung
zum Nukelus und hemmt so das Tumorwachstum.
In einer Studie (8) erhielten 140 Patienten
mit progressivem CRCP eine orale Dosis von
30–600 mg/Tag in Gruppen von 3–6 Patienten.
Der PSA sank um >50% in der 12. Woche bei
57% und um 36% für Chemotherapie-naive
und vorbehandelte Patienten (p = 0,02). Es gab
keinen Unterschied in den Reduktionsraten des
PSA in Abhängigkeit von hormonellen oder zytotoxischen Regimen. Signifikante Unterschiede gab es zwischen Patienten ohne (69%) und
mit
(49%)
Ketokonazol-Vorbehandlung
(p<0,001). Die Progressionsdaten ergeben bessere und verlängerte Ergebnisse für die Chemotherapie-naive Patienten, bisher liegen jedoch
keine Daten zum Überleben vor, führte Heidenreich aus.
Für ihn ist MDV eine vielversprechende Substanz sowohl für Chemotherapie-naive als
auch vorbehandelte Patienten. Eine prospektive randomisierte Phase-III-Studie zu MDV3100
vs. Placebo für vorbehandelte Patienten ist be-
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EAU 2011
141
reits erfolgt. Ihr primärer Studienendpunkt ist
das Gesamtüberleben.
Eine Phase-II-Studie bei Chemotherapienaiven Patienten ist auf den Weg gebracht. Ihr
primärer Studienendpunkt ist das PSA-progressionsfreie Überleben. In ihr wird MDV3100
(160 mg/Tag) vs. Bicalutamid (50 mg/Tag) eingesetzt. An der Studie sind 300 Patienten mit
metastasiertem Progress beteiligt.
Lymphknotenmetastasen treten bei 15% der
Frauen im Stadium IB und bei 25% der Patienten
im Stadium IIA (International Federation of Gynecology and Ostretics, FIGO) auf. Eine bilaterale Lymphadenektomie (LAD) wird üblicherweise
bei Klasse-II bis -V radikalen Hysterektomien
vorgenommen, allerdings ist die erweiterte LAD
umstritten und eine Definition von limitierter vs.
erweiterter LAD ist in der Gynäkologie bisher
nicht erfolgt, so das Fazit des Experten.
Dr. Peter Henning, Stuttgart
Lokal fortgeschrittenes
Hochrisiko-Prostata-Karzinom – multimodaler Ansatz
Seinen zweiten Vortrag leitete Heidenreich mit
der Frage ein, was unter „lokal fortgeschritten“
zu verstehen ist. Lokal fortgeschrittene P-CA
sind beispielsweise ein cT3a, der unter dem
Verdacht einer extrakapsulären Extension
steht, ein cT4 mit Verdacht auf eine BlasenhalsInfiltration und ein cT4 mit einer Infiltration von
Blase, Rektum und Beckenboden.
Eine gute Diagnose steht und fällt mit einer
qualitativ guten Biopsie, so Heidenreich (9). Eine Bildgebungs-Studie (10) konnte zeigen,
dass es für ein MRI-Staging langer Erfahrung
für eine korrekte Interpretation bedarf.
Nach den aktuellen EAU-Guidelines 2011
(씰Kasten S. 140)
ist eine radikale Prostatektomie (RP) bei lokal fortgeschrittenem P-CA ist eine angemessene Behandlungsoption bei ausgewählten Patienten mit cT3a P-CA, Gleason Score 8–100 oder PSA>20.
Wenn eine RP vorgenommen wird, dann
muss ebenfalls eine erweiterte BeckenLymphknoten-Dissektionen erfolgen, da eine Lymphknoten-Beteiligung häufig ist.
Der Patient muss über die Wahrscheinlichkeit eines multimodalen Ansatzes informiert werden. Im Falle von ungünstigen Tumor-Charakteristika (positive Randbegrenzung, extrakapsuläre Ausdehnung, Samenblasen-Invasion) kann eine adjuvante Radiotherapie angemessen sein nach Erholung vom chirurgischen Eingriff.
Das Hochrisiko-P-CA ist eine heterogene Erkrankung: es ist Hormon-sensitiv (Androgen-Deprivation), zeigt eine Kastrations-Resistenz (Chemotherapie, Docetaxel) und es kommt zu Knochenmetastasen (Bisphosphonate, Denusomab), so Heidenreichs Fazit.
Literatur
2012 in Paris (Foto: P. Henning, Stuttgart)
Mulimodaler Ansatz bei Urogynäkologischen Tumoren
Ein ungewöhnliches Thema sind die urogynäkologischen Tumoren, auf die Maurizio A. Brausi,
Modena, einging. Ein Problem stellen Harnwegsverletzungen bei gynäkologischen Operationen
dar: Für intraoperative Verletzungen der Blase bei
radikaler Hysterektomie bei onkologischen Erkrankungen liegt die Inzidenz zwischen 0,4 und
3,7%, erläuterte Brausi. Die Inzidenz für Urogenital-Fisteln reicht in entwickelten Ländern von
<0,5% nach einer einfachen Hysterektomie bis zu
10% nach radikaler Hysterektomie (11). Wichtigster Faktor für operative Harnwegs- und Blasenschäden ist wohl ein fortgeschrittenes Krankheitsstadium; für Post-Op-Fisteln sind es Stadium,
intraoperative Blasenschäden, Diabetes und Infektionen des OP-Gebiets. Zu den Indikationen
der radikalen Hysterektomie gehören:
● Stadium IB oder IIA Zervix-Karzinom
● Stadium II Adenokarzinom des Endometriums (ausgewählte Fälle)
● Oberes Vaginal-Karzinom
● Uterus- oder Zervix-Sarkom
● Weitere seltene Malignitäten, beschränkt
auf Zervix, Uterus und/oder obere Vagina.
Hier kann der Urogenital-Apparat involviert sein.
Ureter und Blase sind am häufigsten betroffen.
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11. Garely et al. 2011.
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13. Light DW, Warburton R. BioSocieties 2011; 6: 34–50.
Quelle: “Translational research and multidisciplinary
approach to urological cancers” Joint meeting of the European Organisation for Research and Treatment of
Cancer Genito-Urinary Group (EORTC-GU-Group) in
conjunction with the EAU Section for Urological Research (ESUR) and the EAU Section of Oncological Urology (ESOU), 19. März 2011, im Rahmen des EAU, Wien.
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Uro-Oncology
142
Therapy with Bone-Seeking
Radiopharmaceuticals in Patients
with Skeletal Metastases Beyond
Simple Palliation of Bone Pain
Preliminary Experience with the SAMDOCET Protocol
Giuliano Mariani
Regional Center of Nuclear Medicine, University of Pisa Medical School, Pisa (Italy)
Summary
Bone metastases account for most of the
morbidity and deterioration in the quality of
life experienced by patients with various
types of solid cancers, and occur in about
65–70% of the cases with advanced breast
or prostate cancer. Clinical management of
metastatic bone pain includes several options (1, 2) to be employed either alone or in
varying combinations. One step further in
this direction is a multicenter trial exploring
the anti-tumour therapeutic potential of the
association between 153Sm-EDTMP (Quadramet®) and Docetaxel in patients with hormone-refractory prostate cancer with predominant bone metastases.
In particular, palliative therapy with bone-seeking radiopharmaceuticals of pain from bone
has proven effective since at least three decades, especially in patients with predominantly
osteoblastic skeletal lesions (3–5). This occurrence in particularly frequent typically in patients with prostate cancer, although also other
cancers with mixed osteolytic and osteoblastic
reaction to bone metastasis (such as, e.g.,
breast cancer, non-small-cell lung cancer, and
others) are also good candidates to this form of
therapy. Palliation of bone pain following therapy with radiolabeled bone-seeking agents is
due to the radiation targeted to the bone marrow space, which includes the normal hematopoietic component, the growing tumour cells,
and inflammatory/immune cells attracted by
the presence of the metastasis. The overall
average response rates with this therapy range
between 50%-80%, complete response (i.e.,
disapperance of bone pain) being experienced
in 10%-30% of the cases; duration of this palliation effect is also variable, from several
weeks to several months (6). Moreover, there
are occasional observations on the efficacy of
these radiopharmaceuticals not only for purely
palliative purposes, but also with actual regression of metastatic bone lesions.
Nevertheless, therapy of metastatic bone
pain with these radiopharmaceuticals, which is
feasible and safe even upon repeated treatments (7) when following correct indications
and adopting adequate exclusion criteria (8), is
largely underutilized with respect to the actual
clinical needs. Reasons for such underutilization include unjustified prejudices concerning
the fear of potential myelotoxicity, diffuse attitude among oncologists that this therapy
should be deferred as much possible (to be employed as a last resource), and that bone-seeking agents might adversely affect the efficacy
of other therapeutic approaches. Whereas,
growing clinical evidence supports the concept
that benefits from this therapy are greatest
when employed earlier during the course of
metastatic disease to bone, and occasional.
Furthermore, several reports and ongoing clinical trials disclose exciting results about the
possible anti-tumour efficacy of bone-seeking
radiopharmaceuticals beyond simple palliation
of bone pain. In particular, synergistic effects
and/or the lack of significant additive toxicity
have been observed when combining therapy
with these radiolabeled agents with other
forms of anti-tumour treatment (9–13).
The clinical need therefore exists for defining by consensus (based on analysis of published literature) general recommendations to
identify the clinical conditions where integration of this form of therapy with other treatments (chemotherapy and/or external beam
radiation therapy among others) is feasible and
potentially leading not only to improved
quality of life but also to better progressionfree and overall survival of patients.
In this scenario, investigators at the University Hospital of Pisa/Italy launched a multicenter clinical trial exploring the anti-tumor
therapeutic potential of the association between 153Sm-EDTMP (Quadramet®) and docetaxel in patients with hormone-refractory prostate cancer with predominant bone metastases; title of the study is “A multicenter phase
III randomized study of 153Sm-EDTMP and
Docetaxel + Prednisone versus Docetaxel +
Prednisone in Taxane-naive patients with
metastatic
hormone-refractory
prostate
cancer” (EudraCT number 2008–004628–21).
The study is coordinated by the Regional
Center of Nuclear Medicine of the University
Hospital of Pisa, while other participating
centers include sites in Italy (Brindisi, Cosenza,
Meldola, Messina, San Giovanni Rotondo) as
well as in France (Angers, Grenoble, Lille, Marseille, Montpellier).
The trial is designed as a randomized, openlabel study comparing time-to-progression in
taxane-naive patients with hormone-refractory
prostate cancer with skeletal metastases receiving standard chemotherapy (prednisone +
docetaxel, 75 mg/m2 every three weeks) versus
patients receiving the combination prednisone
+ docetaxel + Quadramet®; 153Sm-EDTMP is
administered at the first cycle of docetaxel,
then repeated at cycles 5 and 9 secondary endpoints of the trial include assessment of tumour
response, overall survival, quality of life, bone
pain, and safety (씰Fig. 1).
Concerning in particular the bone-seeking
radiopharmaceutical, 153Sm-EDTMP was
chosen rather than the other agent commer-
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Uro-Oncology
143
References
D
D
D
D
D
D
D
D
D
50%
308 pts:
randomize
Sm
Sm
Sm
50%
D
Fig. 1
The SAMDOCET
protocol
D
D = Docetaxel (75 mg/m2 3W)
cially available in Europe (89Sr-chloride) because of the more predictable pattern of myelotoxicity (with nadir in, e.g., platelet counts at
about 4 weeks post-administration), linked to
the much shorter physical half-life of 153Sm (47
hours versus about 50 days for 89Sr). The
relatively short half-life ensures high dose-rate
in the local delivery of ionizing radiation at the
sites of uptake in the skeletal lesions associated with prompt recovery from the expected
mild myelotoxicity (within about eight weeks
after administration of 153Sm-EDTMP).
A total of 31 patients have been so far enrolled, respectively 18 in the Italian centres and
13 in the French centres; these patients are divided approximately half and half between the
two arms of the protocol. The preliminary available results show no additional toxicity from
the combination therapy, all patients completed the planned treatment protocol. Although based on an exceedingly small number
of patients, these preliminary observations are
very important with respect to the major concern of oncologists, that is, additional toxicity
when combining the bone-seeking radiopharmaceutical with a standard chemotherapy
D
D
D
D
D
D
D
Sm = 153Sm-EDTMP (37 MBq/kg)
regimen. Follow-up is ongoing to assess timeto-progression in this small group of patients
enrolled until now, also enrollment of new patients.
Fazit für die Praxis
Knochenmetastasen haben den größten Anteil an der Morbidität und dem Rückgang an
Lebensqualität bei Patienten mit verschiedenen Entitäten solider Tumore. Ihre Häufigkeit
bei fortgeschrittenem Mamma- und Prostata-Karzinom liegt bei etwa 65–70%. Für die
klinische Berhandlung von Knochenschmerzen bei Knochenmetastasen existieren mehrere Optionen (1, 2). Diese können allein
oder in diversen Kombinationen eingesetzt
werden. Ein weiterer Schritt diese Richtung
ist eine Multicenter-Studie, die das therapeutische Antitumor-Potenzial der Kombination
von 153Sm-EDTMP (Quadramet®) und Docetaxel bei Patienten mit hormonrefraktärem
Prostata-Karzinom vorwiegend mit Knochenmetastasen untersucht.
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UroOnkologie
144
Metastasiertes Nierenzellkarzinom (mRCC)
Therapiemöglichkeiten
voll ausschöpfen
Beim metastasierten Nierenzellkarzinom (mRCC) wurde der entscheidende Schritt für
eine bessere Prognose durch die Einführung der zielgerichteten Substanzen in die
Therapie vollzogen. Um ein optimiertes Therapieergebnis mit Substanzen wie Sunitinib (Sutent®) sowie Temsirolimus (Torisel®) zu erlangen, sind neben einer adäquate
Dosierung und ausreichend langer Behandlungsdauer auch ein aufmerksames Management von Nebenwirkungen notwendig. Mit dieser patientenorientierte Rationale
lässt sich für die Patienten eine bestmögliche Lebensqualität erreichen, so das Ergebnis eines Fachjournalisten-Workshops.
Prof. Markus Kuczyk, Hannover, berichtete,
dass sich das progressionsfreie Überleben
(PFS) in der Zulassungsstudie unter Sunitinib
im Vergleich zu IFN-α in diesem Setting verdoppelte (median 11 vs. 5 Monate; p<0,001)
und die objektive Ansprechrate ließ sich vervierfachen (47 vs. 12%; p<0,001). Das Gesamtüberleben (OS) betrug 26,4 Monate (IFN-α
21,8 Monate; p = 0,051) (1). Dementsprechend
empfehlen die internationalen und nationalen
Leitlinien auch diese Substanz bei einem geringen und mittleren Risiko als Erstlinientherapie.
Bei Hochrisikopatienten sollte dagegen auf den
m-TOR-Inhibitor Temsirolimus zurückgegriffen
werden (2, 3).
Im
Sunitinib-Expanded-Access-Programm
(EAP) ließen sich die Daten aus den klinischen
Studien auch in die klinische Praxis in einem heterogenen Patientenkollektiv mit mehr als 4500
mRCC-Patienten übertragen, so Kuczyk weiter (4).
Adäquates Nebenwirkungsmanagement
wesentlich für Behandlungserfolg
Der Einsatz von Sunitinib erscheint laut Dr. Viktor Grünwald, Hannover, in der konventionel-
len Dosis von 50 mg nach dem 4/2-Schema (4
Wochen Behandlung/2 Wochen Pause) am effektivsten. Zudem hat sich erwiesen, dass mit
zunehmender Dauer der mRCC-Therapie mit
Sunitinib auch die Aussicht auf Remissionen
ansteigen.
Zur Erreichung des bestmöglichen Therapieerfolgs sind neben Dosierung und Therapiedauer eine möglichst effektive Prävention sowie
die geeignete Therapie von begleitenden Nebenwirkungen und – nicht zuletzt – eine fundierte Information und Aufklärung der Patienten essenzielle Bestandteile eines wirkungsvollen Therapiemanagements. „Die vielen klinischen Erfahrungen mit Sunitinib und Temsirolimus haben dazu geführt, dass die Nebenwirkungen dieser zielgerichteten Substanzen viel
besser gehandhabt werden können“, ergänzte
Priv.-Doz. Axel Merseburger, Hannover.
Bettina Reich, Hamburg
Literatur
1. Motzer RJ et al. J Clin Oncol 2009; 27: 3584−3590.
2. Miller K et al. Aktuel Urol 2010; 41: 193−196.
3. Ljungberg B et al: Guidelines on renal cell carcinoma. Update 2010, www.uroweb.org/professional-re
sources/guidelines/online
4. Gore ME et al. Lancet Oncol 2009; 10(8): 757−763.
Quelle: Fachjournalisten-Workshop Pfizer Oncology,
„Potenziale von Sunitinib und Temsirolimus voll ausschöpfen: Therapiemanagement beim metastasierten
Nierenzellkarzinom (mRCC)“ am 02. Mai 2011 Hannover.
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Kongressnachlese
DGP 2011
145
Aktuelle S3-Leitlinie des Lungenkarzinoms im Fokus
Auf dem Weg zur individualisierten
Therapie
Der dritthäufigste Tumor in Deutschland ist das Lungenkarzinom. Erst im vergangenen
Jahr wurde eine neue, interdisziplinäre S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für
Pneumologie und Beatmungsmedizin und der Deutschen Krebsgesellschaft zur Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Lungenkarzinoms publiziert. Diese
wurde in Dresden lebhaft diskutiert, wobei insbesondere die besonderen Anforderungen an die Diagnostik hervorgehoben wurden.
Nach wie vor ist die Mortalität bei diesem häufigen Krebs hoch: Unter allen Krebssterbefällen
liegt das Lungenkarzinom bei Frauen an 3. und
bei Männern an 1. Stelle. Zudem holen die Frauen stark auf. Die Fünfjahres-Überlebensrate ist
ebenfalls noch immer in keinem guten Bereich
und sie liegt in Deutschland zwischen 13% und
19%. Angesichts dieser Zahlen ist es ganz klar,
dass die gesamte Früherkennung und Behandlung – angefangen bei der Diagnostik – noch
weiter optimiert werden sollte. Prof. Dieter
Ukena, Bremen, betonte zu Beginn eines Symposiums zur Diagnostik: „Beim Lungenkarzinom stellt bereits die Gewinnung einer aussagekräftigen Gewebeprobe die erste Herausforderung dar, gefolgt von der Aufgabe durch
ein rationales Staging eine Unter- oder Übertherapie zu vermeiden.“
Zentrale Bedeutung des
PET-CT beim Staging
Um einen ersten Überblick über die individuelle Situation des Patienten zu gewinnen, steht
am Beginn der klinischen Diagnostik bei erstem Verdacht ein initiales konventionelles
Röntgen des Thorax in zwei Ebenen. Diese Untersuchungsmethode ist bei geringer Strahlenbelastung geeignet, einen ersten Überblick
über die individuelle Situation des Patienten zu
bekommen. Allerdings wies Dr. Frederik Giesel, Heidelberg, darauf hin, dass ein unauffälliges Röntgenbild keinesfalls ein Lungenkarzinom ausschließt, denn bei Herden kleiner 2 cm
im Durchmesser werden bis zur Hälfte der Befunde nicht erkannt.
Zur Sicherung einer pulmonalen Raumforderung mit Beschreibung ihrer Lage, Morpho-
logie, Ausdehnung und Größe kommen laut
den S3-Leitlinien die Schnittbildverfahren CT
und Positronen-Emissions-Tomographie (PET)
als PET/CT sowie die Magnetresonanz-Tomographie (MRT) zum Einsatz (1). Insbesondere
das PET-CT wird sich in Zukunft immer mehr als
integraler Bestandteil des präoperativen Stagings etablieren, konnten doch Studien wie die
aus der Arbeitsgruppe von Lardinois et al. zeigen, dass diese Methode bei fast 90% der Fälle exakte Staging-Ergebnisse stellt. Zudem
konnte in 16% der Fälle eine Fernmetastasierung aufgedeckt werden, die im CT nicht ersichtlich war (2).
Im Rahmen der Leitlinie wird formuliert,
dass das PET/CT nicht nur besonders gut geeignet ist für die Stadienfestlegung, sondern auch
der mediastinale Lymphknoten-Status besser
beurteilt und dokumentiert werden kann. Bei
einem negativen PET/CT kann sofort operiert
werden, bei einem positiven PET/CT sollte sich
eine histologische Sicherung des Tumorherdes
anschließen. Ein PET/CT sollte routinemäßig ab
einer Tumorgröße von 3 cm durchgeführt wer-
den und bei kleineren Tumoren bei fraglich positivem LK-Befall.
Weiterhin ist die Bronchoskopie das Hauptinstrument der histologischen Abklärung und
erlaubt auch die Stadienbestimmung beim zentralen Lungenkarzinom. Zudem ist sie wenig invasisv. „Ein wesentlicher Punkt ist, dass wir
über die Histologie mehr erreichen können
beim Mediastinum über den endobronchialen
Ultraschall“, ergänzte Prof. Franz Stanzel, Hemer.
Obligatorischer EGFR-Test
gefordert
Für den Onkologen ist diese exakte Diagnose
außerordentlich wichtig, sagte Dr. Monika
Serke, Hemer: „Unser Ziel ist eine individualisierte Therapie“. Dies gilt insbesondere als sich
die Therapie doch seit Einführung der zielgerichteten Therapie wesentlich verbessert
(씰Abb. 1). Serke verwies darauf, dass bei verschiedenen Patienten mit aufgedeckten Mutationen auch schon Überlebenszeiten bis zu drei
Jahre möglich sind. Dazu helfen TyrosinkinaseInhibitoren wie Gefitinib oder Erlotinib. Basis
dafür ist, dass eine exakte Histologie und Stadienbestimmung vorliegt.
Darüber hinaus braucht der Onkologe den
Mutationsstatus insbesondere EGFR und KRAS.
Die EGFR-Mutation ist offensichtlich ein sehr
dominanter Wachstumsfaktor, sodass der Patienten darauf obligatorisch untersucht werden sollte. In Zukunft wird nach Meinung der
Lungenspezialistin ebenfalls die Bestimmung
von c-MET sowie ALK notwendig sein, wenn
die Substanzen, die gegen diese Mutationen
gerichtet sind, verfügbar sind. Abschließend
wurde daran erinnert, dass für die Bestimmung
Abb. 1
Entwicklung des medianen Gesamtüberlebens in der Erstlinientherapie des metastasierten NSCLC
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Kongressnachlese
DGP 2011
146
aller dieser Faktoren ausreichend Probenmaterial verfügbar sein sollte, sodass von Anfang an
daran gedacht wird, genügend Material zu entnehmen.
Bettina Reich, Hamburg
Literatur
Frauenkirche Dresden im Frühling
(Foto: ch.muench/
Dresden Marketing
GmbH)
Therapie des fortgeschrittenen NSCLC
Der Pathologe stellt die Weichen
Entscheidend bei der Erstlinientherapie von Patienten mit metastasiertem nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) ist der histologische Befund. Mit einem medianen
Gesamtüberleben von über einem Jahr bei der Therapie eines Nicht-Plattenepithelkarzinoms (Adeno- oder großzelliges Karzinom) ist die Kombination Pemetrexed
(Alimta®) plus Cisplatin eine wirksame Behandlungsoption.
Nach dem histologischen Bild werden beim
NSCLC Adenokarzinome (30–50%), Plattenepithelkarzinome (etwa 30%) und großzellige
Karzinome (etwa 10%) unterschieden. Bei den
großzelligen Karzinome ist eine frühe hämatogene und lymphogene Metastasierung bekannt, die Prognose ist entsprechend ungünstig.
Pemetrexed hemmt als „Multi-Target-Enzym-Inhibitor” drei wichtige Enzyme für die
DNA-Replikation und -reparatur. Dazu gehört
die Thymidylat-Synthase (TS), die in den histologischen Gruppen des NSCLC unterschiedlich stark exprimiert wird. Bei Adenokarzinomen geschieht dies in geringerem Umfang als
bei Plattenepithelkarzinomen, günstig für eine
effektive Enzym-Blockade durch Pemetrexed
(1).
Auch Patienten mit
großzelligem Karzinom
profitieren
Mit Pemetrexed/Cisplatin können Patienten
mit fortgeschrittenen Nicht-Plattenepithelkarzinomen (Adeno- und großzelliges Karzinome)
individualisiert therapiert werden. Eine PhaseIII-Studie mit 1725 Teilnehmern ergab signifikante Lebenszeitverlängerungen in der Erstlinientherapie, am deutlichsten bei Patienten mit
Adenokarzinom, die median 12,6 Monate versus 10,9 Monate unter Gemcitabin/Cisplatin
überlebten (2). Erstmals konnte so mit einer cisplatinhaltigen Zweifachkombination die Überlebenszeit auf mehr als ein Jahr verlängert werden.
Auch Patienten mit großzelligem Karzinom
profitierten davon, in der Studie fast 10% der
Gesamtpopulation. Unter der Therapie mit Pemetrexed/Cisplatin erreichten diese Patienten
mit 10,4 Monaten gegenüber der Vergleichs-
1. Goeckenjan G et al. Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Lungenkarzinoms. Pneumologie 2010; 64 (Suppl. 2): e1–164.
2. Lardinois D et al. Staging of non-small-cell lung
cancer with integrated positron-emission tomography and computed tomography. N Engl J Med 2003;
348: 2500–2507.
Quelle: 52. Kongress der 52. Kongress der Deutschen
Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin
e. V. vom 7. bis 10. April, Dresden
gruppe (Gemcitabin/Cisplatin: 6,7 Monate) eine um median 3,7 Monate verlängerte Überlebenszeit – ein deutlicher und signifikanter
Vorteil.
Histologie als therapeutischer Wegweiser
Die aufgezeigten Therapieerfolge beim Adenokarzinom und beim großzelligen Karzinom unterstreichen den hohen Stellenwert der Histologie als prädiktiven Faktor bei der Therapiewahl.
Denn während in der Gesamtauswertung aller
Patienten beide Therapieansätze vergleichbar
effektiv waren, ergab sich bei getrennter Auswertung der histologischen Subgruppen ein
klarer Therapievorteil für Pemetrexed/Cisplatin
für Patienten mit Nicht-Plattenepithelkarzinomen.
Die histologische NSCLC-Typisierung liefert
somit einen wichtigen Beitrag zur Therapiesteuerung und ist bereits zu einem festen Bestandteil der Tumordiagnostik geworden.
Jürgen Setton, Chemnitz
Literatur
1. Ceppi P et al. Cancer 2006; 107: 1589–1596.
2. Scagliotti G et al. J Clin Oncol 2008; 26: 3543–3551.
Quelle: Satellitensymposium „Die Therapie des metastasierten NSCLC-Patienten als interdisziplinäre Herausforderung” im Rahmen des 52. Kongresses der DG
für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) am 08.
April 2011, Dresden. Veranstalter: Lilly Deutschland
GmbH, Bad Homburg.
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DGP 2011
148
Fortgeschrittenes NSCLC
TITAN-Studie – Nutzen unabhängig
vom EGFR-Status
Zielgerichtete Therapien etablieren sich beim Nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom
(NSCLC). So ist die platinhaltige Chemotherapie in Kombination mit Bevacizumab
(Avastin®) ein wichtiger Faktor in der Firstline-Therapie. Überlebenszeiten von median
bis zu 14 Monaten bestätigen den Stellenwert. Zudem ist die Verträglichkeit gut. Dr.
David Heigener, Großhansdorf, berichtete aus der Praxis: „Bevacizumab wird im Allgemeinen gut vertragen. Die Patienten empfinden subjektiv oft keinerlei Beeinträchtigung“. Entsprechend den Ergebnissen der SAiL-Studie (1) sollte die Substanz dann bis
zur Progression der Erkrankung weiter gegeben werden.
Erlotinib ebenso wirksam
wie Chemotherapie in der
Zweitlinie
„Insbesondere nach Versagen der Firstline-Therapie sind die Therapieoptionen begrenzt und
die Prognose sehr schlecht“ führte Priv.-Doz.
Wolfgang Schütte, Halle, aus. Eine effektive
Alternative zur Chemotherapie mit ihren
schweren Nebenwirkungen ist erforderlich. Die
nun von ihm vorgestellte TITAN-Studie bietet
einen Ausweg aus diesem therapeutischen Dilemma und untermauert die Bedeutung von
Erlotinib in der Zweitlinientherapie bei NSCLC
(2). Im Rahmen dieser Phase-III-Untersuchung
erhielten 424 Patienten mit einem Progress innerhalb der ersten 4 Zyklen eines Platin-Doublets entweder eine Erlotinib-Monotherapie
(150 mg/pro Tag) oder Chemotherapie. Insgesamt wurde ein unselektiertes Patientenkollektiv in die Studie aufgenommen.
Der primäre Endpunkt der TITAN-Studie war
das Gesamtüberleben. Im direkten Vergleich
mit dem Chemotherapiearm zeigt sich kein Unterschied zu Patienten, die Erlotinib erhalten
haben. Bei einem medianen Gesamtüberleben
(OS) von 5,3 Monaten im Erlotinib-Arm (n =
203) und 5,5 Monaten bei der Standard-Chemotherapie (n = 221) war der Unterschied im
Sterberisiko nicht statistisch signifikant (HR
0,96; 95%-KI 0,78–1,19; p = 0,7299).
In der TITAN-Studie haben insgesamt 30 Patienten mit Plattenepithelkarzinom im Chemotherapiearm Pemetrexed erhalten. In einer Analyse
der Gesamtüberlebens ohne diese Patienten (um
einem potenziell negativen Effekt von Pemetrexed
in dieser Patientenpopulation auszuschließen),
zeigte sich, dass auch beim reinen Vergleich Docetaxel (n = 47) vs. Erlotinib (n = 77) bei Plattenepithelkarzinom das Gesamtüberleben in der Gesamtpopulation nicht signifikant unterschiedlich
ist (medianes OS Chemotherapie = 5,3 Monate vs.
Erlotinib = 5,3 Monate; p = 0,5455).
Die Gleichwertigkeit konnte in allen Subgruppen und somit unabhängig von prädiktiv
und prognostisch relevanten Parametern, wie
Geschlecht, Raucherstatus und Tumorhistologie sowie Krankheitsstadium und Allgemeinzustand bestätigt werden. Patienten mit nicht
mutiertem EGFR profitierten ebenso so stark
von Erlotinib wie das Gesamtkollektiv. Dies ist
als bemerkenswerter Fakt zu werten. Schütte
sagte dazu: „Es kann sein, dass dies an der Tumorbiologie liegt, dieser Fakt sollte noch weiter
untersucht werden.“
Erlotinib-Erhaltungstherapie bei Krankheitsstabilisierung
In der parallel durchgeführten SATURN-Studie
konnte Erlotinib ebenfalls belegen, dass eine
anschließende Erhaltungstherapie mit dem
EGFR-Inhibitor an eine Erstlinientherapie das
Progressionsrisiko signifikant um 29% verringert (3). Professor Martin Wolf, Kassel, sagte
bezogen auf die klinische Praxis: „Wir versuchen den Patienten immer die Erhaltungstherapie mit Erlotinib anzubieten – insbesondere wenn ein starker Remissionsdruck besteht.“
Bettina Reich, Hamburg
Literatur
1. Dansin E et al. ESMO 2010, 428 P.
2. Ciuleanu T et al. EMCTO 2011, Abstract 88 PD.
3. Capuzzo F et al. Lancet Oncol 2010; 11 (6):
521–529.
Quelle: Pressekonferenz Roche im Rahmen des DGP,
Dresden, am 07. April 2011.
Onkologische Welt 3/2011
© Schattauer 2011
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