E 45120 ISSN 1869-0874 Onkologische Welt 3/2011 Gynäkologische Onkologie GEICO/ESMO-Nachlese St. Gallen 2011 Hämato-Onkologie 13. Myeloma Workshop Neuro-Onkologie DGNC-Nachlese Uro-Onkologie Review – Bildgebende Diagnostignostik bei P-Ca EAU-Update Pneumo-Onkologie www.schattauer.de www.onkologische-welt.de Onkologische Welt 2011; 2: 97–148 Juni Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Ze Im rti Fo ab fiz cu S. ier s: 10 un 1 g DGP-Nachlese Zu diesem Heft © Schattauer 2011 Ist St. Gallen noch zeitgemäß? Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass es für den Entscheidungsfindungsprozess eine optimale Zahl von Diskutanten gibt. Das hängt im Einzelfall von Faktoren wie der Sachkunde und Disziplin der Teilnehmer sowie den Fähigkeiten des Moderators bei der Gesprächsführung ab. Aber mehr Menge ergibt selten mehr Qualität. Auf der diesjährigen 12. Breast Cancer Conference wurde das Panel der Teilnehmer bei der Abstimmung zu den Empfehlungen in diesem Jahr wieder um einige Mitglieder verstärkt. Man fühlt sich inzwischen ein wenig an die Vollversammlung der Vereinigten Nationen erinnert, wenn man die lange Reihe der Diskutanten betrachtet. Man kann nun trefflich darüber streiten, ab welcher Teilnehmerzahl der Consensusprozess trotz einer hochrangigen Expertise jedes Teilnehmers zu zerfasern droht. Lassen Sie mich als advocatus diaboli die Frage stellen, ob es nicht auch an der Ausuferung der Zahl der Diskussionsteilnehmer lag, dass der Consensus in diesem Jahr so merkwürdig blass ausfiel. Eben der kleinste gemeinsame Nenner. Es fällt auf, dass die Ergebnisse der St. Gallener Brustkrebskonferenz in den vergangenen Jahren immer seltener als Referenz zitiert werden. Ein sinkender Zitationsindex bzw. „Kongress-Impact-Faktor“ ist in der wissenschaftlichen Gemeinschaft ein Warnsignal: Bin ich noch am Pulsschlag der Wissenschaft, ist das Konzept noch zeitgemäß? Andererseits: Wird mit diesem Diskussions- und Entscheidungsprozess nicht das Ideal einer Verknüpfung von wissenschaftlicher Evidenz mit dem medizinischen Erfahrungshintergrund erreicht? Auf der Web-Seite „www.medizin-evidenz.de“ wird Evidenz-basierte Medizin definiert als „die systematische Suche nach der relevanten Evidenz in der medizinischen Literatur für ein konkretes klinisches Problem; die kritischen Beurteilung der Validität der Evidenz nach klinisch-epidemiologischen Gesichtspunkten; die Bewertung der Größe des beobachteten Effekts sowie die Anwendung dieser Evidenz auf den konkreten Patienten mit Hilfe der klinischen Erfahrung und der Vorstellungen der Patienten. „ Es gibt genügend Guidelines, welche dieses letzte Kriterium seit Jahren konsequent vernachlässigen und Datengräber produzieren, die in der klinischen Praxis nicht weiterhelfen. Müssen wir also nicht froh sein, dass es „St. Gallen“ gibt? Und muss es immer Spektakuläres sein, das dort alle zwei Jahre beschlossen wird? Der Consensus reflektiert den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis. Es ist nicht ungewöhnlich, wenn nach Jahren des stürmischen Fortschritts eine Phase der Konsolidierung und Evaluierung der Erfahrungen in der Praxis folgt? Und in einigen Teilbereichen haben wir heute in der Therapie des Mammakarzinoms einen Qualitätsstand erreicht, den wir vor 10 Jahren noch nicht vorhersehen konnten. Das ist aber kein Grund, sich auf den Erfolgen auszuruhen. Es gibt noch viele unbeantwortete Fragen. Wichtig ist auch, dass uns die Guidelines gelehrt haben, dass der behandelnde Arzt gute Gründe vorweisen muss, wenn er von den Guidelines abweicht. Er muss die individuelle Situation des Patienten und die dafür zur Verfügung stehenden Therapiemöglichkeiten umfassend prüfen und das medizinisch Machbare mit dem Wunsch des Patienten zu einem konsentierten Behandlungskonzept vereinen. Wenn nicht jeder mit den Ergebnissen von St. Gallen 2011 zufrieden ist, mag das auch daran liegen, dass die Fachorganisationen in den letzten Jahren bei ihren Guidelines ihre Hausaufgaben besser gemacht haben. Hier war St. Gallen ein wichtiger Schrittmacher, der gezeigt hat, wie wichtig ein schnelles, regelmäßiges Update des Wissens- und Empfehlungsstands für die Qualität der onkologischen Versorgung ist. Was ich mir für die Zukunft der Breast Cancer Conference wünsche, ist kein Erstarren in Traditionen, sondern selbstkritisch und unbequem zu sein und den Finger auf die Schwachstellen der Patientenversorgung zu legen. Dr. Alexander Kretzschmar Dr. Alexander Kretzschmar, München Onkologische Welt 3/2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 97 Inhalt Contents 99 Zu diesem Heft 97 A. Kretzschmar Ist St. Gallen noch zeitgemäß? Focus Versorgung – Gesundheitspolitik 101 Jahresbericht – fünf Jahre DKG-Zertifizierung von Darmkrebszentren 104 Interview mit Prof. Thomas Seufferlein und Prof. Werner Hohenberger: Die Crux der inter- und multidisziplinären Zusammenarbeit Gynäkologische Onkologie 105 Kongressnachlese: 8. Internationales Symposium Advanced Ovarian Cancer update, Valencia 2011 108 Kongressnachlese: 12th International Breast Cancer Conference, St. Gallen 2011 110 Internationale Literatur: Prognoseverbesserung beim duktalen Carcinoma in situ Hämato-Onkologie 112 Kongressnachlese: 13th International Myeloma Workshop, Paris 2011 120 Kongressnachlese: 62. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie, Hamburg 2011 123 Internationale Literatur: Tumorbiologie – Mechanismen der Strahlenresistenz sind komplex Neuro-Onkologie Uro-Onkologie 127 Review: V. Zugor; A. Labanaris; D. Porres; R. Bauer; J. Witt Bildgebende Diagnostik bei Prostatakarzinom 134 Kongressnachlese: 26. Jahresversammlung der European Association of Urology, Wien 2011 142 Forum Uro-Oncology Giuliano Mariani Therapy with Bone-Seeking Radiopharmaceuticals in Patients with Skeletal Metastases Beyond Simple Palliation of Bone Pain Pneumo-Onkologie 145 Kongressnachlese: 52. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, Dresden 2011 Titelbild Pierre-Auguste Renoir, Junge Badende – digiArt © Schattauer 2011 Onkologische Welt 3/2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Focus Versorgung Gesundheitspolitik 101 Erster Jahresbericht vorgestellt Fünf Jahre DKG-Zertifizierung von Darmkrebszentren Die Zunahme der Darmkrebs-Erkrankungsraten, verbesserte Überlebenschancen und vor allem demographische Veränderungen haben zu einer erheblichen Zunahme der Darmkrebsprävalenz geführt. Mit der die Zertifizierung von Organkrebszentren und onkologischen Zentren, die im Namen der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) durch das OnkoZert-Institut in Neu-Ulm durchgeführt werden, soll die Entstehung von onkologischen Zentren mit einem festgelegten qualitativen Anspruch auf freiwilliger Basis gefördert werden und damit die Versorgung von Krebspatienten verbessert werden. In zertifizierten onkologischen Zentren werden betroffene Patienten ganzheitlich und in allen Phasen der Erkrankung betreut und versorgt. Im Jahr 2010 lebten in Deutschland knapp 250 000 Frauen und Männer, die in den vergangenen 5 Jahren an Darmkrebs erkrankt sind (1). Eine solche ganzheitliche Versorgung von Patienten ist idealerweise nur durch ein Netzwerk von Spezialisten unterschiedlicher medizinischer und pflegerischer Fachrichtungen möglich, in denen die Fachrichtungen ihre Arbeitsweise gegenseitig auf die Bedürfnisse einer optimalen Patientenversorgung ausrichten. Hierzu wurden spezifische fachliche Anforderungen festgelegt, nach denen OnkoZert – zum Beispiel im Bereich Darmkrebs – im März 2006 erstmals ein Zentrum zertifiziert hat („Darmkrebszentrum Ruhr“). Seit 2009 zentrenvergleichendes Benchmarking Mittlerweile haben sich etwa 200 Darmkrebszentren durch die DKG zertifizieren lassen (Übersicht nach Bundesland auf der DKG-Website, http://bit.ly/j7XVtB). Nach erfolgreicher Überprüfung der fachlichen Anforderungen im Rahmen eines Zertifizierungsverfahrens (씰Tab. 1), bestätigt ein zeitlich begrenztes Zertifikat dem jeweiligen Organkrebszentrum die Anerkennung durch die DKG. Weitere Informationen zum Procedere hält die Website von OnkoZert (www.onkozert.de) oder der DKG (http://bit.ly/mTZeQA) vor. Prof. Werner Hohenberger, Erlangen, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft, und Prof. Thomas Seufferlein, Halle, Vorsitzender der DKG-Zertifizierungskommission Darm- krebszentren, stellten auf einer Pressekonferenz 5 Jahre nach der ersten Zertifizierung eines Darmkrebszentrum den ersten Jahresbericht zum Benchmarking der zertifizierten Zentren vor (Volltext http://bit.ly/jyjwjW) (2). Seufferlein betonte , dass es die zentrale Zielsetzung des Zertifizierungssystems war, die interdisziplinäre Versorgung von Krebspatienten in konkreten Daten und Kennzahlen darzulegen. Damit soll die leitliniengetreue Betreuung der Patienten widergespiegelt und zugleich die geforderte interdisziplinäre, sektoren- und berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit in den zertifizierten Zentren abgebildet werden. Durch die Zertifizierung ist nicht nur die qualitätsgesicherte Erhebung, so Seufferlein, sondern auch die vergleichende Darlegung der Kennzahlen möglich, die mit den Erfahrungswerten aus dem Zertifizierungssystem kontinuierlich, zum Beispiel im Hinblick auf Referenzbereiche, weiterentwickelt werden. Mit dem im März 2009 eingeführten neuen Erhebungsbogen für die DKG-zertifizierten Darmkrebszentren wurde erstmals auch eine strukturierte Abbildung der zertifizierungsrelevanten Kennzahlen von den Darmkrebszentren gefordert (aktuell gültiger Erhebungsbogen für Darmkrebszentren: http://bit.ly/lQgQx7). Das bedeutet, die Zentren müssen konkret, in Form von eindeutigen, vergleichbaren Zahlen ihre Leistungen bei der Betreuung der Patienten mit Darmkrebs aufführen. Diese Umstellung bzw. Neuerung erwies sich für die Zentren als nicht immer einfach, berichtete Seufferlein. Zum Beispiel, weil die datentechnische Infrastruktur der Zentren ange- passt werden musste. Für die Zentren ergibt sich durch das Benchmarking jedoch eine wichtige Standortbestimmung, die gerade in der gemeinsamen interdisziplinären Diskussion aufzeigt, welche Schwerpunkte bei der Verbesserung der Patientenversorgung innerhalb der Zentren gesetzt werden müssen. Dadurch trägt der Bericht wesentlich zur Verbesserung der Qualität der Behandlung von Patienten mit Darmkrebs in den Zentren bei. Dies gilt für alle Bereiche, von der Diagnostik bis zur Tumordokumentation. 25% aller Darmkrebspatienten in zertifizierten Zentren Doch es wird nicht nur die Betreuung von Darmkrebspatienten bundesweit erfasst und transparenter gemacht. Die Auswertungen dieser Daten dienen neben der Qualitätssicherung auch der Weiterentwicklung einer effektiven Leitlinienarbeit (bereits jetzt wird jeder 4. Darmkrebs-Patient in einem DKG-zertifizierten Zentrum versorgt). Vergleichbare und qualitätsgesicherte Kennzahlen sind die Voraussetzung, um die Wirksamkeit von Leitlinien in der Praxis nachprüfbar zu machen, betonte Seufferlein. Damit sind sie auch, sogar europaweit, ein erheblicher Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Anbietern. DKG-Zertifizierung als Wettbewerbsvorteil Hohenberger legte dar, dass der Veröffentlichung von Leitlinien immer auch eine Strategie zu ihrer Nutzbarmachung für das Versorgungssystem folgen muss. Dies bedeutet, dass ein umfassendes Instrumentarium zur Verbreitung von Leitlinien, zur Vermittlung ihrer Akzeptanz durch die Leistungserbringer und damit zur Implementierung vorhanden sein muss. Diesem Anspruch, so Hohenberger, werden die zertifizierten Darmkrebszentren nun in vollem Umfang gerecht. Für sie stellt die S3-Leitlinie nämlich keine unverbindliche Empfehlung dar, sondern sie ist obligate Bewertungsgrundlage und somit Voraussetzung für eine Anerkennung als DKG-zertifiziertes Darmkrebszentrum (씰Tab. 2). Und was für die Kassen gut ist, sollte für die Patien- © Schattauer 2011 Onkologische Welt 3/2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Focus Versorgung Gesundheitspolitik 102 Tumorkonferenzen („Tumorboards“) verbindlich, mind. 1 x wöchentlich, auch hinsichtlich Patienten-Nachsorge, hoher Rang der Tumordokumentation Morbiditäts-/Mortalitätskonferenzen mind. 2 x jährlich Qualitätszirkel („Q-Zirkel“) mind. 4 x jährlich Inter-/Multidisziplinarität Entscheidender, verbindlicher Faktor des gesamten Versorgungs-Konzeptes Fortbildungen im Netzwerk eines Darmkrebszentrums mind. 2 x jährlich Psychoonkologie mind. ein Psychoonkologe muss zur Verfügung stehen, Angebot und Zugang für alle Patienten Sozialdienst/Reha patientenindividuelle Beratung, Notfallintervention Patientenbeteiligung Patientenbefragungen mind. 1 x jährlich über drei Monate, schriftl. und mündl. Patienteninformationen, Patientenveranstaltungen, Einbeziehung Selbsthilfegruppen Fachärzte Mindestzahl pro Fachrichtung (z. B. mind. ein Radiologe), erhöhte Qualifikationsanforderungen, Erfahrungen (mind. z. B. 200 Koloskopien/Jahr pro Untersucher; mind. 10 Rektumkarzinome/Jahr pro Darmoperateur), Aus- und Weiterbildung Kapazitäten Mindestfallzahlen pro Zentrum („Volume-Outcome-Hypothese“) Palliativmedizin/Hospizarbeit Kooperationsverträge sind nachzuweisen Nachsorge verpflichtend in offener Zusammenarbeit mit den Einweisern, Rückmeldesystem Einweiser – Zentrum Tab. 1 Zur DKG-Zertifizierung relevante Zieldimensionen (Auswahl) weitere spezifische Infos: Erhebungsbogen für Darmkrebszentren (neueste Fassung ab 1.1.2011 gültig, http://bit.ly/lQgQx7). Kennzahl Sollvorgabe (%) min. (%) max. (%) Mittel (%) prätherapeutische Fallvorstellung 100 27,0 100 83,9 postoperative Fallvorstellung 100 60,0 100 96,4 Studienteilnahme ≥10 0 Rücklaufquote Patientenbefragung (mind. 30 zurückerhaltene FB) > 50 0 Kolorektalkarzinom-Patienten mit pos. Familienanamnese -- 0 Genetische Beratung -- Mikrosatelliteninstabilitäts-Untersuchung ≥90 0 Komplikationsrate therapeutische Koloskopien ≤0,2 0 vollständige elektive Koloskopien ≥95 50,3 operative Primärfälle – Kolon (mind. 30) -- -- operative Primärfälle – Rektum (mind. 20) -- -- Revisions-OPs – Kolon < 10 0 25,8 8,9 Revisions-OPs – Rektum < 10 0 37,9 9,5 postoperative Wundinfektion --- 0 21,1 7,1 Anastomoseninsuffizienzen – Kolon ≤3 0 17,5 4,9 Anastomoseninsuffizienzen – Rektum < 15 0 36,4 8,6 Mortalität postoperativ <5 0 14,3 3,3 94,40 100 18,2 Tab. 2 Bewertungsgrundlagen für die Zertifizierung: Sollvorgaben und klinische Realität (nach [2]) 54,4 52,1 7,3 -- 100 78,2 5,19 100 0,54 96,1 Onkologische Welt 3/2011 © Schattauer 2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Focus Versorgung Gesundheitspolitik 103 ten ebenfalls von Vorteil sein: „Ich hoffe, dass die Patientinnen und Patienten dieses in Deutschland einmalige Angebot in Anspruch nehmen und sich nur noch in zertifizierten Zentren behandeln lassen. So haben sie die Gewissheit einer dem aktuellen Wissensstand entsprechenden Behandlung und wir bald eine noch breitere Datenbasis“. Offene Fragen Trotz der positiven Einschätzung Hohenbergers – „gesicherte Versorgungsqualität erhöht Lebenserwartung onkologischer Patienten – in einigen Studien bis zu 100%“ – bleiben noch offene Fragen. Zum Beispiel nach der Einführung flächendeckender Krebsregister, der Umset- zung von dringlichen Forderungen des Nationalen Krebsplanes, der ungeklärten Kostenübernahme qualitätsbezogener Mehraufwendungen bei DKG-Zertifizierung, der möglichen intersektoralen Leistungsverschiebung in Richtung Kliniken, der Bedeutung der Integrativen Onkologie oder der Integration der allseits geforderten Krebs-Prävention in den überprüfbaren Leistungskatalog der Zentren. In dieser Hinsicht, genau wie hinsichtlich der so überaus bedeutsamen Nachsorge, weist Seufferlein vor allem den Allgemeinärzten/ Hausärzten eine überragende Rolle zu. Ohne allerdings zu erklären, woher – angesichts der ohnehin überspannten Erwartungen an die Basisversorger – die nötigen Qualifikationen und vor allem die Finanzierung herkommen sollen. Literatur 1. Bertz J, Dahm S, Haberland J. Verbreitung von Krebserkrankungen in Deutschland – Entwicklung der Prävalenzen zwischen 1990 und 2010. In: Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes. 2010, Robert Koch-Institut, Berlin (Volltext: http://bit.ly/myXFt9). 2. Deutsche Krebsgesellschaft (Hrsg.) in Zusammenarbeit mit OnkoZert: Benchmarking 2011 – Jahresbericht der zertifizierten Darmkrebszentren. DKG, Berlin, 2011 (Volltext: http://bit.ly/jyjwjW). Quelle: Pressegespräch der Deutschen Krebsgesellschaft am 16. März 2011, Berlin. Rainer Bubenzer, Berlin © Schattauer 2011 Onkologische Welt 3/2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Interview Gesundheitspolitik 104 DKG-Zertifizierungs- und Qualitätssicherungssystem Die Crux der inter- und multidisziplinären Zusammenarbeit Eine entscheidende Hürde für die gewünschte Ausweitung des DKG-Zertifizierungsund Qualitätssicherungssystems ist jedoch, das gestand auch Hohenberger ein, die Ausbildung der Ärzte und der anderen beteiligten Health Care Professionals voranzutreiben. Und dabei stehen vor allem die vielfältigen Fähigkeiten im Vordergrund, inter- und multidisziplinär miteinander arbeiten zu können. Hierzu äußerten sich Prof. Werner Hohenberger, Erlangen, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft, und Prof. Thomas Seufferlein, Halle, Vorsitzender der DKG-Zertifizierungskommission Darmkrebszentren im Interview: ? Die Vorgaben des DKG-Zertifizierungskonzepts erhöhen menschliche und fachliche Anforderungen an die Beteiligten in den Krebszentren immer weiter. Welche Forderungen haben Sie an die dafür notwendige Aus- und Weiterbildungsinhalte? Prof. Seufferlein: Die heutige, durchaus auch problembehaftete Schnittstelle zwischen Chirurgie und Gastroenterologie sollte – wenigstens bei der Ausbildung – in Richtung einer modernen Viszeralmedizin weiterentwickelt werden, bei der die jeweiligen Spezialisierungen im onkologischen Bereich sinnvoll zusammenfinden. Dies bedeutet unter anderem eine zunehmend frühere Qualifizierung und differenziertere Ausbildung. Besonders wichtig ist, aus meiner Sicht, eine Ausbildung, die immer mehr Fähigkeiten des interdisziplinären Zusammenarbeitens fördert. Das geht am besten, wenn die jungen Ärztinnen und Ärzte – zum Beispiel in den Tumorkonferenzen – von Beginn an erfahren, dass eine optimale Behandlung von Krebspatienten nur mit aktiver interdisziplinärer Zusammenarbeit möglich ist. Daneben sind strukturierte Aus- und Weiterbildungsmodule zu definieren, die für alle verpflichtend erfüllt werden müssen. Und für die – was bislang noch nie dagewesen ist – auch ein interdisziplinäres Training als Grundlage einer modernen Qualifzierung von Health Care Professionals nachgewiesen werden muss. Ich bin sicher, dass dies kommen muss und wird. Prof. Thomas Seufferlein, Halle, Vorsitzender der DKG-Zertifizierungskommission Darmkrebszentren Prof. Hohenberger: Das sehe ich ähnlich: DEN Onkologen klassischer Prägung wird es nicht mehr geben. Selbst wenn das eine oder andere Fach diesen Anspruch immer noch für sich erhebt. Hinsichtlich der Interdisziplinarität sehe ich derzeit allerdings Probleme: Selbst wenn diese Grundfähigkeit schon in der Muster-Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer gefordert wird, wird es nicht gelebt, wird im Arbeitsalltag nicht umgesetzt. Deswegen ist es sicher auch notwendig, dieses interdisziplinäre Arbeiten strukturiert zu lehren. Doch der Impetus, dies in Angriff zu nehmen, wird teilweise durch die Realpolitik gehemmt: Die Stimmenmehrheit im Ärztetag, der letztlich über die Weiterbildungsordnung entscheidet, haben Hausärzte. Und deren Interesse an solchen Dingen ist nicht besonders groß. Trotzdem müssen wir natürlich stetig versuchen, weiter für diese notwendige Grundlage eines modernen onkologischen Handelns zu werben und es in der Aus- und Weiterbildung zu verankern. Prof. Seufferlein: Trotz solcher Probleme kenne ich viele Kliniken mit viszeralmedizinischen Stationen, wo Gastroenterologen, Chirurgen und andere Disziplinen die Patienten gemeinsam versorgen und genau solche Konzepte im Lebensalltag umsetzen – also zusammen und ohne Fachbegrenzungen lernen und vor allem auch voneinander lernen. Dieser „bottom up approach“ trägt sicher dazu bei, entsprechende moderne Lehrinhalte allmählich in der Fläche umzusetzen. Prof. Werner Hohenberger, Erlangen, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft Prof. Hohenberger: Ja, es gibt etliche, vor allem auch von onkologischen Zentren her entwickelte Curricula, die zu etwas führen könnten, was ich immer den „onkologisch kompetenten Arzt“ nenne. Die dabei mögliche Überwindung traditioneller Fachgrenzen finden bei den jüngeren Kolleginnen und Kollegen großen Zuspruch. Beispielsweise kann in solch einem, vielleicht einjährigen Curriculum jeweils ein chirurgisch-onkologisches, ein internistisch-onkologisches Fach und die Strahlentherapie durchlaufen werden. Nur so entsteht eine wirklich praktische Erfahrung, Übersicht und Übung in Interdisziplinarität. Das Interview führte Rainer Bubenzer, Berlin. Onkologische Welt 3/2011 © Schattauer 2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kongressnachlese GEICO/ESMO 2011 105 8. Internationales Symposium Advanced Ovarian Cancer update Das richtige Target definieren und gezieltere Kombinationstherapien Seit 1996 ist das zweijährliche Weiterbildungsmeeting der spanischen Ovarialkarzinomgruppe eine Institution. Nunmehr wird es in Kooperation mit der ESMO durchgeführt, um insgesamt mehr Onkologen aus Europa zu erreichen. Denn die Behandlung des rezidivierten Ovarialkarzinoms stellt nach wie vor eine große Herausforderung dar. Zudem das Ovarialkarzinom meist erst im fortgeschrittenen Stadium entdeckt wird. Erst in den vergangenen Jahren konnten die Therapieoptionen in diesem Bereich etwas verbessert werden. Immer mehr zielgerichtete Kombinationen werden eingesetzt. Trotzdem muss eine noch genauere Zieldefinition am Anfang stehen, um letztlich wirklich Erfolge zu erzielen. Ergibt Screening Sinn? „Das Beste wäre natürlich, das Ovarialkarzinom im Stadium I oder II zu detektieren, denn dort haben die meisten Frauen reelle Heilungschancen“, sagte Prof. Nicole Urban, Seattle/ USA. Gerade in den vergangenen Jahren sind einige Screening-Studien angelaufen. Bestes Beispiel dafür ist die United Kingdom Collaborative Trial of Ovarian Cancer Screening (UKCTOCS), an dem an 27 Zentren mehr als 200 000 postmenopausale Frauen (Alter 50 bis 74 Jahre) teilnehmen. Dort wird das jährliche Multimodal Screening (MMS) eingesetzt. Das MMS besteht aus dem jährlichen CA125-Nachweis im Blut. Ver- änderungen führen zu einer Risikoabschätzung, die nach einem Algorithmus erfolgt und entweder weitere CA125-Kontrollen oder eine transvaginale Ultraschalluntersuchung nach sich zieht. Bisherige Zwischenergebnisse zeigen, dass dies eine valide Option sein könnte: Allerdings müssten drei Frauen operiert werden, um ein Karzinom zu entdecken, das sich dann zu etwa 50% in einem kurablen Stadium befände. Die Studie läuft noch bis Ende 2012, und die Frauen werden danach noch bis Ende 2014 nachbeobachtet. Gleichzeitig verwies Urban auf eine weitere US-Studie, die beim vergangenen ASCO-Kongress präsentiert wurde (3). Dazu wurde bei 3238 Frauen der ROCA-Score evaluiert. Der ROCA-Score beruht auf der Kinetik des Tumormarkers CA 125, der über einen Zeitraum von mehreren Jahre hinweg bestimmt wurde und in einen Algorithmus eingeflossen ist: Der „Risk of Ovarian Cancer Algorithm“, der als Screening-Methode etabliert werden soll. % verstorbene Patienten „Wir haben immerhin das 5-Jahres-Überleben beim Ovarialkarzinom von 37% auf 46% in den vergangenen 15 Jahren steigern können“; erklärte Prof. Robert Bast, Houston/USA, zu Beginn des Symposiums. Allerdings werden bei rund 70% der Patientinnen weiterhin mangels spezifischer Frühsymptome und effektiver Screening-Maßnahmen Ovarialkarzinome erst in den fortgeschrittenen Stadien (FIGO III-IV) diagnostiziert. Mehr als 260 000 Frauen weltweit versterben an dieser Erkrankung. Während bei anderen Tumorarten die Mortalität abgenommen hat, ist sie beim Ovarialkarzinom gleichbleibend hoch (씰Abb. 1). Trotz Primärtherapie erleiden mehr als die Hälfte der Patientinnen ein Rezidiv (1). „Besonders für diese Patientinnen besteht ein dringender Bedarf an innovativen Therapieoptionen“, fügte Bast an. Uterus Magen Brust Das Prinzip der US-Studie besteht darin, den CA-125-Wert in der Normalpopulation ab dem Alter von 50 Jahren einmal im Jahr zu bestimmen und Frauen auf Basis der Messwerte je nach Risikokategorie entweder erst im nächsten Jahr wieder zu untersuchen (geringes Risiko), bereits nach 3 Monaten wieder zu untersuchen (mittleres Risiko) oder eine transvaginale Ultraschalluntersuchung durchzuführen und die Frauen an einen gynäkologischen Onkologen zu überweisen, der weitere Empfehlungen ausspricht (hohes Risiko). In der US-Studie wurde das ROCA-Screening als machbare Methode mit sehr hoher Spezifität >99,7% ausgewiesen. Urban schlussfolgerte: „Wir machen Schritte in die richtige Richtung, aber es ist sehr aufwändig und wir können noch nicht abschließend sagen, ob ein Screening sich lohnt.“ In der First-Line alle Optionen überprüfen „In der Erstlinientherapie sind zukünftig ebenfalls alle Optionen zu überprüfen“, forderte Prof. Michael Bookman, Tuscon, USA. Paclitaxel plus Carboplatin ist nach wie der Standard, auf welchem aufgebaut werden kann. Darüber hinaus befinden sich dosisdichte Regime in der Überprüfung, aber auch in Valencia wurde deutlich, dass diese noch indifferent bewertet werden und weitere Ergebnisse und bessere Datenlage noch abgewartet werden muss, ehe dazu endgültig etwas zu sagen ist. Die Hinzunahme einer dritten Substanz ist mehrheitlich in den Studien der vergangenen 15 Jahre mit keinem verbesserten klinischen Erfolg begleitet gewesen. Die Erhaltungstherapie mit antiangiogenetischen Substanzen oder Paclitaxel ist ebenfalls Kolon & Rektum Ovarien Pankreas Lungen & Bronchien 40 20 0 1930 1935 1940 1945 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1996 2000 2005 Abb. 1 Tumormortalität in den USA von 1930 bis 2006 (Pfeil: Zytoreduktion). © Schattauer 2011 Onkologische Welt 3/2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kongressnachlese GEICO/ESMO 2011 106 Wie geht es weiter? In Valencia trafen sich die Onkologen für ein Update in der Diagnostik und Therapie des Ovarialkarzinoms. in der Diskussion nach der Vorstellung mehrerer Studien im vergangenen Jahr. Als Zukunft der Konsolidierungstherapie beim Ovarialkarzinom nannte Bookman u.a. folgende Studien: GOG 212 mit Paclitaxel Poliglumex über einen Zeitraum von 12 Monaten; GOG-218 mit Bevacizumab über 6 Monate (bzw. ICON 7) und schließlich ICON 6 mit dem Angiogenesehemmer Cediranib über 12 Monate. Ebenso müsse weiter an einer genauen Zielstrukturfestlegung gearbeitet werden, betonte der amerikanische Ovarialkarzinom-Experte. Seiner Meinung nach reicht es bei weitem nicht aus, nur die Angiogenese zu hemmen oder PARP, sondern es müssen wahrscheinlich mehrere Zielstrukturen gleichzeitig oder sequenziell attackiert werden. Kombinationen im Rezidiv oft besser Dieser Forderung stimmte sein Kollege Prof. Eric Pujade-Lauraine, Paris, zu. Gleichzeitig verwies aber auch auf folgende Tatsache: „Unserer wachsender Kenntnisstand bezüglich des Tab. 1 Management des Rezidivs hat in den vergangenen 10 Jahren zu einem wirklich verlängerten Überleben in diesem Bereich geführt“. So wurde unter anderem im Rahmen einer Klassifikation festgelegt, dass ein Platin-freies Intervall (PFI) von <6 Monaten einen platinresistenten Tumor anzeigt. Der Tumor gilt als platinsensibel, wenn es frühestens 12 Monate nach Abschluss der Therapie zu einem Rezidiv kommt. Die Zeitspanne für das Rezidiv zwischen 6 und 12 Monaten kennzeichnet einen intermediären Bereich mit teilweiser Platinsensibilität (4). Der französische Krebsexperte verwies darauf, dass die Prognose der Frauen maßgeblich von der Länge des platinfreien Intervalls abhängt. Weitere Fortschritte leitete er aus der Erkenntnis ab, dass auch beim rezidivierten Ovarialkarzinom Kombinationstherapien eine Effektivitätssteigerung bei adäquater Verträglichkeit bedingen können. Während SingleSubstanzen in diesem Intervall meist nur einen Bereich von 5 Monaten hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens erreichen, kann dieses Intervall mit Kombinationen auf bis zu 9 Monate verlängert werden (씰Tab. 1). Progressionsfreies Überleben in Phase-III-Studien Therapie Gruppe/Name Medianes PFS (Monate) Carboplatin/pegyliertes liposomales Doxorubicin CALYPSO 9,4 Carboplatin/Paclitaxel CALYPSO 8,8 Carboplatin/Gemcitabin AGO-GCIG 7,9 Trabectedin/pegyliertes liposomales Doxorubicin OVA-301 7,1 Pegyliertes liposomales Doxorubicin OVA-301 5,5 Carboplatin AGO-GCIG 5,2 Gerade im Rezidiv laufen eine große Anzahl von Studien, die nicht nur neue Substanzen überprüfen, sondern auch die Rolle der Operation evaluieren wollen. So ist die unter Federführung der deutschen AGO stehende DESKTOP III-Studie bereits gestartet worden. In dieser Studie wird bei platin-sensitiven Patientinnen die Rolle einer erneuten Operation in diesem Stadium überprüft. Zudem werden eine ganze Reihe antiangiogenetischer Substanzen wie Bevacizumab, AMG 386, Cediranib sowie Sorafenib noch erforscht. Viel versprechen sich ebenfalls die Experten, so Pujade-Lauraine weiter, von den PARPInhibitoren. Zu durch BRCA-1,2-Mutationen gekennzeichnete hereditäre Ovarialkarzinome zählt eine hohe Sensitivität gegenüber Platinanaloga und gegenüber PARP-Inibitoren. Diese richten sich gegen einen Defekt in der homologen Rekombination. Insbesondere bei BRCAmutierten Tumoren scheint der Einsatz sehr vielversprechend zu sein. Anhand von Untersuchungen könnte ein Fingerprint aus 16 Genen, der mit Platinsensitivität, mit dem homologem Rekombinationsdefekt und mit dem Ansprechen auf PARP-Inhibitoren und darüber hinaus auch mit klinischen Parametern wie dem krankheitsfreien Überleben und dem Gesamtüberleben korrelierte, zur Patientenselektion herangezogen werden (2). Abschließend verwies der Spezialist darauf, dass weitere Substanzen in der Untersuchung sind. So auch ein Hedge-hog-Signalweg-Inhibitor, welcher in einer Studie kürzlich erste Erfolge zeigen konnte. Pujade-Lauraine: „Ich bin mir sicher, dass wir in den nächsten Jahren – insbesondere im Rezidiv – die Situation der Patientinnen verbessern können. Aber wir müssen uns immer bewusst machen, dass wir nicht einfach irgendetwas geben können, sondern vorher die Zielstrukturen genau definieren sollten.“ Bettina Reich, Hamburg Literatur 1. Heintz AP et al. Int J Gynaecol Obstet 2006; 95 (Suppl. 1): S161-S192. 2. Konstantinopoulos et al. ASCO Abstract 5004. 3. Lu et al. ASCO Abstract 5003. 4. Monk BJ et al. JCO 2010; 28: 3107–3114. Quelle: 8. Internationales Symposium Advanced Ovarian Cancer update GEICO/ESMO am 4. März 2011, Valencia Onkologische Welt 3/2011 © Schattauer 2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kongressnachlese St. Gallen 2011 108 Primary Therapy of Early Breast Cancer Wenig Änderungen, deutsche Leitlinien konkreter und weiter Rund 4200 Ärzte aus mehr als 100 Ländern informierten sich im März vier Tage lang über neueste Erkenntnisse der Brustkrebs-Forschung. Den Abschluss des alle zwei Jahre in St. Gallen stattfindenden Mammakarzinom-Kongresses bildete traditionsgemäß eine Konsensus-Sitzung. 2011 war das Panel mit 46 Personen besetzt, abgestimmt wurde über mehr als 100 Fragen. Daraus werden bis Mitte 2011 die „St. Galler Standards für die Primärtherapie von Brustkrebs“ formuliert werden. Die neuen Änderungen werden sich aber in Grenzen halten. Im Vergleich dazu gehen die deutschen AGOEmpfehlungen und die evidenzbasierte S3-Leitlinie weiter und sind besser anwendbar in der Praxis. ● ● ● Zwei Jahre sind seit der vergangenen Konferenz in Sankt Gallen vergangen. In der Eröffnungsveranstaltung wurde von Prof. Hans-Jörg Senn, Leiter des Kongresses, deutlich herausgestellt, dass sich in diesen zwei Jahren wesentliche Fortschritte auf dem Gebiet des Mammakarzinoms ereignet haben. Er betonte insbesondere, dass in den vergangenen Jahren die Brustkrebs-spezifische Mortalität gesunken ist trotz steigender Inzidenz des Mammakarzinoms. Dies ist nach Meinung der Experten zu einem kleineren Teil der Früherkennung zuzuschreiben, vor allem jedoch der besseren Therapie, die immer individueller zugeschnitten wird. Aktuelle Empfehlungen Auch in diesem Jahr wurde von einem internationalen Expertengremium wieder abge- stimmt, was bleiben soll, was sich ändert und was noch nicht bewiesen ist. Als Experten aus Deutschland waren Prof. Manfred Kaufmann, Frankfurt, Prof. Kurt Possinger, Berlin, Prof. Michael Untch, Berlin und Prof. Gunnar von Minckwitz, Neu Isenburg, berufen. Erwartungsgemäß war es auch dieses Jahr wieder ein Minimalkonsens, da sehr viele Länder mit unterschiedlichem wissenschaftlichem Stand im internationalen Panel vertreten sind. Als wichtigste Änderung ist einzuschätzen, dass bei HER2-positiven Tumoren die Chemotherapie immer mit Trastuzumab für ein Jahr kombiniert werden sollte. Auch bei kleinen Tumoren wird aufgrund der erhöhten Rezidivrate einstimmig eine Kombination von Trastuzumab und Chemotherapie empfohlen. Weitere Ergebnis des Konsensus waren: ● Nur in wenigen Fällen ist eine Bestimmung der genetischen Signatur erforderlich, meist ● reichen die immunhistochemischen Marker aus. Bei Frauen mit kleinen Tumoren und ein bis zwei befallen Lymphknoten, die brusterhaltend operiert worden, kann im Rahmen einer engen Indikationsstellung (cN0, 1–2 befallene Sentinel-LK, BET, cT1/2, tangentiales Bestrahlungsfeld der Brust, adäquate Systemtherapie) auf die Axilladissektion verzichtet werden. Das Panel stimmte zu, dass alle postmenopausalen Frauen innerhalb von 5 Jahren einen Aromatase-Inhibitor erhalten sollten. Nur bei Frauen mit positiven Lymphknoten wurde einstimmig der upfront-Einsatz empfohlen. Im Unterschied zur AGOEmpfehlung wurde Zoledronat nicht für die adjuvante Behandlung empfohlen. Zur Bestimmung, welche Frauen mit nodalnegativen Mammakarzinomen von einer (beispielsweise zur Hormontherapie zusätzlichen) Chemotherapie profitieren, wurde der Gentest Onkotype DX als positiv befürwortet. Die eigentlich einfache Bestimmung von uPA/PAI-1 aus Frischgewebe wurde abgelehnt. Dies ist aus deutscher Sicht völlig unverständlich. HER2-positives Mammakarzinom: Die Indikation zum Einsatz einer adjuvanten Therapie wird auf kleine Tumoren mit einem Durchmesser von 5–10 mm erweitert. Auch bei diesen Tumoren wird aufgrund der erhöhten Rezidivrate eine Kombination von Trastuzumab und Chemotherapie empfohlen. Auch bei der neoadjuvanten Therapie wurde wieder einmal deutlich, dass die aktiven Studiengruppen aus Deutschland Vorreiter sind. Das Panel vertrat beispielsweise die Ansicht, dass die neoadjuvante Chemotherapie in erster Line dafür da sein, das Operationsergebnis zu verbessern. HER2-positiver Brustkrebs – Hoffnung auf Heilung St. Gallen Luftaufnahme (Foto: ©St. Gallen-BodenseeTourismus) Eines der Highlights des Kongresses war zweifellos die Session zu den HER2-positiven Tumoren, die von Prof. Martine Piccard, Brüssel geleitet wurde. Sie erläuterte, dass 1978 Slamon entdeckte, dass mit dieser Tumorbiologie ein besonders aggressives Verhalten verbunden ist. Indem Substanzen wie Trastuzumab, Lapati- Onkologische Welt 3/2011 © Schattauer 2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kongressnachlese St. Gallen 2011 109 nib und Pertuzumab entdeckt wurden, die speziell gegen den HER2-Rezeptor gerichtet sind, kann laut Piccard 2011 festgestellt werden, dass mittlerweile sogar die Rate an pathologischen Komplettremissionen (pCR) durch den Einsatz dieser Substanzen verdoppelt werden kann. Sie verwies auf Studien, die den Erfolg einer dualen Blockade begründen. Bestätigt werden konnte dieser Ansatz in der neoadjuvanten Situation in der Neo-ALTTO-Studie. Im Kombinationsarm Lapatinib + Trastuzumab konnte hier nahezu eine Verdopplung des primären Studienendpunkts, der pCR-Rate, gegenüber den Monotherapien erzielt werden (51,3% vs. 29,5 bzw. 24,7%, p = 0,0001) (1). Als den interessantesten Ansatz zu diesem Thema bezeichnete Piccard die Kombination aus dem HER-Dimerisierungs-Inhibitor Pertuzumab und Trastuzumab in der NEOSPHEREStudie (2). Diese neoadjuvante Phase-II-Studie prüfte bei 417 Frauen mit HER2-positivem Brustkrebs im Frühstadium die Wirkung von Pertuzumab und Trastuzumab plus Docetaxel. Die Daten zeigen, dass die Antikörperkombination plus Docetaxel die pCR-Rate im Vergleich zu den Einzelsubstanzen signifikant verbesserte (45,8% vs. 29% Trastuzumab + Docetaxel vs. 24% Pertuzumab + Docetaxel, p = 0,014). Die Kombination der beiden zielgerichteten Therapien ohne Chemotherapie erzielte eine pCR von 16,8%. Wird dies bei PR- und ER-positiven Patienten betrachtet, so liegt die Rate sogar bei 29,1%. Dazu gibt es weitere Untersuchungen über die Immunhistochemie des HER2-positiven Tumore. Es zeigt sich, dass bei Unterstützung dieses Immunsystems ebenfalls positive Effekte bei diesem Tumor ausgeübt werden. Piccard schlussfolgerte: „Wenn wir das Puzzle aus genauer Patientenselektion, dualer Blockade, Biomarkern und Immunsystem-Boost zusammensetzen, dann haben wir in den nächsten Jahren die Chance darauf, HER2-positive Patienten zu heilen.“ Jede zielgerichtete Therapie braucht ein Ziel Einer der weiteren wesentlichen Erkenntnisse der vergangenen Jahre ist es, dass Fortschritte in der molekularen Krebsdiagnostik eine individuell abgestimmte Therapie erlauben. Weniger Frauen werden in Zukunft Chemotherapie benötigen, aber bei mehr Frauen wird wahrscheinlich eine antihormonelle Therapie erfolgen. Diese Auffassung vertrat Prof. Craig Jordan, Rochester/USA. Zudem werden sich mehr zielgerichtete Therapien etablieren. „Aber jede zielgerichtete Therapie braucht ein Ziel bzw. einen Surrogatmarker für das Ziel“, betonte von Minckwitz. Er erinnerte daran, dass insbesondere die vielen deutschen neoadjuvanten Studien als Surrogatmarker die pCR bestätigt haben. Als eine der ersten Studien konnte die TECHNO-Studie (Taxol-Epirubicin-Cyclophosphamid-Herceptin Neoadjuvant) der AGO dieses Konzept bestätigen (4). In dieser multizentrischen Phase-II-Studie erhielten 230 Patientinnen mit HER2-positivem lokal fortgeschrittenem Mammakarzinom präoperativ 4 Zyklen Epirubicin und Cyclophosphamid, gefolgt von 4 Zyklen Paclitaxel q3w in Kombination mit Trastuzumab (Initialdosis 8 mg/kgKG i.v. d1, anschließend 6 mg/kgKG i.v. q3w). Bei 39% der Patientinnen induzierte diese Behandlung eine pathologische Komplettremission. Von den Frauen, die eine pCR aufwiesen, erreichten 88% ein krankheitsfreies Überleben, während dies in der Gruppe ohne pCR nur 73% der Frauen betraf (p = 0,01). Ebenso war das Gesamtüberleben deutlich erhöht in der Gruppe der Frauen mit einem pCR (96% vs. 86%, p = 0,025). In der NOAH-Studie fungierte die pCR-Rate ebenfalls als Surrogatmarker (3). Für diese Untersuchung (NeOAdjuvant Herceptin) wurden 228 Patientinnen mit lokal fortgeschrittenem Mammakarzinom in zwei Therapiearme rando- misiert. Die Patientinnen erhielten präoperativ eine Anthrazyklin-/Taxan-haltige Chemotherapie ± Trastuzumab. Zusätzlich zu den 228 Studienpatientinnen gab es eine Vergleichsgruppe mit 99 Patientinnen ohne HER2-Überexpression. Laut der finalen Daten waren noch 70,1% der Patientinnen mit HER2-Überexpression unter Chemotherapie plus Trastuzumab ohne Rezidiv im Vergleich zu 53,3% der Patientinnen im Kontrollarm (HR 0,56; p = 0,006) nach drei Jahren. Die Gesamtansprechrate war ebenfalls signifikant höher (89% vs. 77%, p = 0,02). Ausgangspunkt des Therapieerfolgs war die fast doppelt so hohe pCR-Rate unter zusätzlicher Trastuzumab-Therapie (43% vs. 22%; p = 0,0007). Von Minckwitz äußerte: “Die pCR-Rate ist für die frühe Behandlung offensichtlich sensitiver als das progressionsfreie Überleben.” Neue Therapien integrieren Jetzt müssen weiterführende Wege beschritten werden, die weitere Tumorbiologien nutzen, sagte Prof. Andrew Tutt, London. Ein Beispiel dafür könnten die PARP-Inhibitoren werden. Der nächste logische Schritt war es, so der britische Experte, sie in frühe Stadien beim Brustkrebs einzuführen. Eine neoadjuvante Studie ist mit dem NEPTUNE-Trial unter Einsatz des PARP-Inhibitors Iniparib bereits gestartet worden. Bettina Reich, Hamburg Literatur 1. 2. 3. 4. Baselga J et al. SABCS 2010, Abstract S3–3. Gianni L et al. SABCS 2010, Abstract S3–2. Gianni L et al. Lancet 2010; 375: 377. Untch M et al. Cancer Res 2010; 70 (Suppl. 1): Abstr S3–1. Quelle: 12th International Breast Cancer Conference 2011 vom 16.-19. März 2011, St. Gallen © Schattauer 2011 Onkologische Welt 3/2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Internationale Literatur 110 Prognoseverbesserung beim DCIS Weniger invasive Rezidive durch adjuvante Therapien Patientinnen mit duktalem Carcinoma in situ (DCIS) müssen nicht mastektomiert werden; sie haben auch nach brusterhaltender Operation ein günstiges Outcome. Eine weitere Prognoseverbesserung wird durch Nachbestrahlung und adjuvante TamoxifenGabe erreicht. Kumulative Inzidenz (%) Der Stellenwert der brusterhaltenden Operation (BCS: breast conserving surgery) beim DCIS wurde zwischen 1985 und 1994 in zwei großen US-Studien untersucht. Die Studie NSABP-B17 randomisierte gut 800 DCIS-Patientinnen zur alleinigen BCS oder zur BCS mit anschließender Radiatio. NSABP-B24 schloss 1800 Frauen ein, die brusterhaltend operiert und nachbestrahlt wurden und randomisiert Placebo oder Tamoxifen erhielten. Erste Analysen beider Studien zeigten bereits den Benefit von Nachbestrahlung und endokriner Therapie anhand der signifikanten Risikoreduktion für invasive ipsilaterale Brustkrebs-Rezidive (IIBR). Sehr gute Langzeitprognose Jetzt liegen Studien-Updates mit einem medianen Follow-up von 207 Monaten in NSABP-B17 und 163 Monaten in NSABP-B24 vor. Sie untermauern die sehr gute Langzeitprognose von DCIS-Patienten nach BCS und adjuvanter Therapie (1). In der Studie B-17 wurde das Risiko für IIBR durch die Nachbestrahlung signifikant um 52% im Vergleich zur alleinigen BCS gesenkt (HR 0,48; p = 0,001; Abb. 1). Die Tamoxifen-Gabe in B-24 bewirkte gegenüber Placebo Brusterhaltende OP (Studie B-17) Brusterhaltende OP + Radiatio (Studie B-17) Brusterhaltende OP + Radiatio + Placebo (Studie B-24) Brusterhaltende OP + Tamoxifen (Studie B-24) 30 25 20 15 eine Risikoreduktion um 32% (HR: 0,68; p = 0,025). Die kumulative 15-Jahres-Inzidenz für IIBR sank von 19,4% bei alleiniger BCS auf 8,9% bei Nachbestrahlung und von 10% im Placeboarm von B-24 auf 8,5% mit Tamoxifen. Im Vergleich zur BCS allein in der Studie B-17 bewirkten Nachbestrahlung plus Tamoxifen in B-24 eine ausgeprägte relative Risikoreduktion für IIBR um 70% (HR: 0,30; p<0,001). Auch ipsilaterale DCIS wurden durch die adjuvanten Maßnahmen verhindert: Die Radiatio in B-17 resultierte in einer Risikoreduktion um 47% (HR: 0,53; p<0,001). Bei Tamoxifen-Gabe in B-24 sank das DCIS-Risiko um 16%; dieser Effekt war allerdings mit einem p-Wert von 0,33 nicht signifikant. Die Häufigkeit kontralatraler Mammakarzinome wurde durch die Nachbestrahlung in B-17 erwartungsgemäß nicht beeinflusst: Die 15-Jahres-Inzidenz lag in beiden Armen bei rund 10%. Dagegen reduzierte Tamoxifen zusätzlich zur Radiatio das Risiko für kontralaterale Tumoren signifikant um etwa ein Drittel (HR: 0,68; p = 0,023). Die adjuvanten Maßnahmen hatten keinen Effekt auf die Gesamtmortalität, die in allen vier Studienarmen ähnlich war. Auch bei der Brustkrebs-spezifischen Mortalität gab es keine signifikanten Unterschiede. Allerdings hatten Frauen mit IIBR ein rund siebenfach erhöhtes Risiko, am Brustkrebs zu sterben als Frauen ohne invasiven Tumor. Bei Frauen mit invasivem kontralateralen Tumor war dieses Risiko rund dreimal so groß. Adjuvante Maßnahmen nach BCS sind daher ausgesprochen sinnvoll, um invasive Mammakarzinome und dadurch bedingte Todesfälle zu verhindern. Dr. Katharina Arnheim, Freiburg 10 5 0 0 5 10 Jahre 15 20 Abb. 1 Wirkung von Nachbestrahlung und Tamoxifen auf die Inzidenz von IIBR in den Studien NSABP B-17 und B-24. Abkürzungen: Lo B-17 = Brusterhaltende OP (Studie B-17); LRT B-17 = Brusterhaltende OP + Radiatio (Studie B-17); LRT + Placebo B-24 = Brusterhaltende OP + Radiatio + Placebo (Studie B-24); LRT + Tam B-24 = Brusterhaltende OP + Tamoxifen (Studie B-24) Literatur 1. Wapnir IL et al. Long-term outcomes of invasive ipsilateral breast tumor recurrences after lumpectomy in NSABP B-17 and B-24 randomized clinical trials for DCIS. J Natl Cancer Inst 2011; 103: 478–488. Onkologische Welt 3/2011 © Schattauer 2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Gynäkologische Onkologie 111 Metastasiertes Mammakarzinom Mit nab-Technologie gezielt zum Tumor Bisher wurden die extrem hydrophoben Taxane Paclitaxel und Docetaxel mit Lösungsmitteln wasserlöslich und damit infundierbar gemacht. Die Solventien limitieren das Potenzial der Zytostatika, beeinflussen die Pharmakokinetik und können zu einer reaktiven Hypersensitivität führen. Mit der ‚nab’-Technologie kann dies laut Prof. Andreas Schneeweiss, Heidelberg, vermieden werden, meinte er auf einer Pressekonferenz. Laut Schneeweiss führen die Lösungsmittel zu einer nicht-linearer Pharmakokinetik der Taxane. Gesteigerte Standarddosen von Paclitaxel und Docetaxel erhöhen dann nur die Toxizität, ohne größere Effektivität zu erzielen (2). Mit nab-Paclitaxel (Abraxane®) (nanoparticle albumin-bound) können diese Probleme vermieden werden. Nach Schneeweiss sorgen die natürlichen Eigenschaften von Albumin als Transportprotein für wasserunlösliche Substanzen im Blut nach der Infusion der Nanopartikel für eine gezielte Anreicherung im Tumor. So werden höhere Effektivität und bessere Verträglichkeit erreicht. Die Albumin-Partikel docken an gp60-Rezeptoren auf Endothelzellen an, der AlbuminRezeptor-Komplex wird in Membranvesikel eingeschlossen und durch die Endothelzelle geschleust, gelangt ins Interstitium des Tumors und dort reichern sich Albumin und der daran gebundene Wirkstoff an (1). Nach Schneeweiss bewirkt dieser Transportmechanismus eine lineare Pharmakokinetik. Bei Bedarf kann die nab-Paclitaxel-Dosis im klinisch wirksamen Bereich von 135–300 mg/m2 gesteigert werden, die Infusion wird deutlich einfacher. Kombination aus Bevacizumab und Capecitabin HER2-negatives Mammakarzinom jetzt besser erreichbar „Patientinnen mit chronischen Mammakarzinom ohne großen Remissionsdruck profitieren besonders von verträglicheren Therapieschemata.“ Dem entspricht für Priv.Doz. Sherko Kümmel, Essen, der Nutzen der Kombination aus Bevacizumab (Avastin®) und Capecitabin (Xeloda®) beim metastasiertem HER2-negativen Mammakarzinom, falls keine lebensbedrohlichen Metastasen zu aggressiveren Therapien zwingen. Die Formulierung in der demnächst erwarteten Zulassung, die Kombination sei anwendbar bei Patientinnen, bei denen eine Behandlung mit anderen Chemotherapeutika einschließlich Taxanen und Anthrazyklinen nicht als geeignet angesehen wird, gibt dem behandelnden Onkologen Spielraum, die individuelle Präferenzen der Patientin in die Therapieentscheidung einzubeziehen. Dr. Norbert Marschner, Freiburg, erinnerte hier daran, dass gerade Alopezie und Neuropathien als Nebenwirkungen bis- heriger Therapien die Patientin sehr belasten. Wenn eine Verlängerung des Progressions-freien Überlebens (PFS) ohne solche Belastung möglich ist, bieten sich Bevacizumab und Capecitabin als echte Alternative an. Nach Marschner zeigt auch eine in Deutschland laufende Studie mit diesem Therapie-Schema einen unerwartet großen Zuspruch – eine Art „Abstimmung mit den Füßen“. Die Zulassungserweiterung für Bevacizumab beruht auf den Ergebnissen der Ribbon- nab-Paclitaxel ist zur Therapie des metastasierten Mammakarzinoms (MBC) bei Erwachsenen zugelassen, die nicht auf eine Erstlinientherapie ansprachen oder bei denen eine anthrazyklinhaltige Standardtherapie kontraindiziert ist. Prof. Christian Jackisch, Offenbach, berichtete über Daten der Phase-III-Zulassungsstudie (n = 460). Die Patientinnen erhielten dreiwöchentlich 260 mg/m2 nab-Paclitaxel oder lösungsmittelbasiertes Paclitaxel in der Standarddosierung von 175 mg/m2. nab-Paclitaxel bewirkte im direkten Vergleich ein signifikant besseres Gesamtansprechen (33% vs. 19%) und verlängerte die mediane progressionsfreie Zeit (23,0 vs. 16,9 Wochen). nab-Paclitaxel verbesserte signifikant das Gesamtüberleben – ein beim metastasierten Mammakarzinom noch für keine Substanz gezeigter Effekt. Jürgen Setton, Chemnitz Literatur 1. Kiessling F et al. Invest Radiol 2002; 37: 193–198. 2. Weiss RB. J Clin Oncol 1990; 8: 1263–1268. Quelle: Pressekonferenz „Intelligent verpackt – besonders wirksam. Abraxane zur Behandlung des metastasierten Mammakarzinoms” am 19. Mai 2011 in Frankfurt. Veranstalter: Celgene GmbH. 1-Studie mit 614 Patientinnen mit metastasiertem, HER2-negativem Mammakarzinom, bei denen die adjuvante Behandlung über 12 Monate zurück lag. Sie erhielten als First-Line-Therapie Capecitabin (2000 mg/m²/d, d1–14 q3w. Im experimentellen Arm (n = 409) der wurde zusätzlich Bevacizumab (15 mg/kg KG q3w) kombiniert. Primärer Endpunkt war das Progressions-freie Überleben (PFS). Dieses verlängerte sich unter der Kombination im Vergleich zur Monotherapie um median 2,9 Monate (8,6 vs. 5,7 Monate; HR 0,69, p<0,001). Die Wahrscheinlichkeit, länger ohne ein Fortschreiten der Erkrankung zu leben, erhöhte sich unter der Kombination um 45%. Die objektive Ansprechrate stieg von 23,6 auf 35,4% (p=0,0097). Das Sicherheitsprofil entsprach den vorausgegangenen Studien. Dr. Till U. Keil, München Literatur 1. Robert NJ et al. J Clin Oncol 2011; 29: 1252–1260. Quelle: Pressekonferenz „Zulassungserweiterung für Avastin® in der Brustkrebstherapie“ am 23. Mai 2011, Köln. Veranstalter: Roche Pharma AG Grenzach-Wyhlen. © Schattauer 2011 Onkologische Welt 3/2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kongressnachlese Myeloma-Workshop 112 13. Internationaler Myelom-Workshop in Paris Stetiger Fortschritt in der Therapie Die Therapiemöglichkeiten des multiplen Myeloms (MM) haben sich in der vergangenen Dekade durch verschiedene neue Substanzen deutlich verbessert. Dies hat sich auch auf das Überleben der Patienten positiv ausgewirkt. Doch immer noch ist das MM eine unheilbare Erkrankung, die oft rezidiviert. Um damit fertig zu werden, muss die Vielfalt von möglichen Therapieregimes und Substanzen weiter zunehmen, und sich das Verständnis von Krankheitsbiologie und Prognosefaktoren weiter vertiefen. Beim rezidivierten oder refraktären Myelom hat eine Therapie mit Lenalidomid und Dexamethason die Responserate und das Gesamtüberleben im Vergleich zu Placebo/Dexamethason signifikant verbessert (1, 6). Eine neue retrospektive Analyse ergab, dass die Zahl vorher verabreichter Substanzen ein stärkerer Prädiktor für das progressionsfreie Überleben war als die Zahl der vorausgehenden Therapielinien – unabhängig davon, wann diese Substanzen verabreicht worden waren (2). Die besten Effekte erzielte die Therapie mit Lenalidomid/Dexamethason, wenn sie frühzeitig im Krankheitsverlauf und bei Patienten eingesetzt wurde, die nur mit wenigen anderen Substanzen behandelt worden waren. Sehr gute Ergebnisse erzielte man in einer Phase-II-Studie mit Elotuzumab, einem humanisierten monoklonalen Antikörper gegen das Oberflächen-Glykoprotein CS-1, das von Myelomzellen, aber kaum von normalem Gewebe exprimiert wird (4). Patienten mit rezidiviertem MM erhielten Elotuzumab in einer Dosis von 10 oder 20 mg/kg in Kombination mit Lenalidomid und low-dose Dexamethason. Insgesamt sah man bei akzeptabler Tolerabilität eine hohe Gesamtresponserate von 82%, bei den Patienten, die 10 mg/kg erhalten hatten, sogar 92%. Patienten, die nur eine Vortherapie erhalten hatten, sprachen zu 100% an. Das spricht dafür, die Elotuzumab-Kombination in weiteren Studien schon früher im Krankheitsverlauf zu untersuchen. Der Proteasom-Inhibitor Bortezomib hat einen großen Fortschritt in der Primär- und Sekundärtherapie des multiplen Myeloms gebracht. Die Hauptnebenwirkung dieser generell gut verträglichen Substanz ist eine sensorische Polyneuropathie. Derzeit sucht man nach Wegen, die Verträglichkeit weiter zu optimieren, ohne an Wirksamkeit zu verlieren. Die prospektive Phase-III-Studie (MMY-3021) zeigte, dass dies mit einer subkutanen Applikation gelingen kann. Bei vergleichbarer Antitumoraktivität trat eine Neuropathie ≥Grad 3 bei 16% (i.v.) versus 6% (s.c.) der Patienten auf (3). MM-Patienten, die gegen Bortezomib und Immunmodulatoren wie Thalidomid oder Lenalidomid refraktär sind, haben ein sehr schlechtes medianes Überleben von nur 6 Monaten. Der orale Pan-Deacetylaseinhibitor Panobinostat verstärkt die Acetylierung von Proteinen, die in onkogenen Signalwegen bedeutsam sind. In Kombination mit dem Proteasominhibitor Bortezomib hat die Substanz synergistische Aktivität gezeigt. Durch das Zusammenwirken beider Substanzen häufen sich falsch gefaltete Proteine in den Myelomzellen an, die schließlich zur Apoptose führen. Erste Ergebnisse der PANORAMA-2-Studie, weisen darauf hin, dass die Kombination von Bortezomib und Dexamethason mit Panobinostat die Bortezomib-refraktären Myelomzellen wieder empfindlich gegen die Proteasominhinition macht (5). Mit MLN9708 hat inzwischen auch der erste orale Proteasominhibitor das Stadium der klinischen Entwicklung erreicht. In einer PhaseI-Studie hat die Substanz gute Antitumoraktivität gezeigt. Besonders erfreulich war, dass keine periphere Neuropathie ≥Grad 3 beobachtet wurde. Dr. Angelika Bischoff, Planegg Literatur 1. Dimopoulos M et al. Long-term follow-up on overall survival from the MM-009 and MM-010 phase III trials of lenalidomide plus dexamethasone in patients with relapsed or refractory multiple myeloma. Leukemia 2009; 23: 2147–2152. 2. Dimpopoulos M et al. Lines of therapy vs. number of drugs as predictors of progression-free survival (PFS) in patients (pts) with relapsed/refractory multiple myeloma (RRMM); 13th International Myeloma Workshop, Paris, 3. bis 6. Mai 2011, Poster 240. 3. Moreau P et al. Lancet Oncol 2011 (Epub ahead of print). 4. Richardson PG et al. Phase 2 study of elotuzumab in combination with lenalidomide and dexamethasone in patients with relapsed multiple myeloma. 13th International Myeloma Workshop, Paris, 3. bis 6. Mai 2011, Poster P-254.7Richardson P et al. Phase 1 dose-escalation study of investigational agent MLN9708, an oral proteasome inhibitor, in patients woth relapsed and/or refractory multiple myeloma. 13th International Myeloma Workshop, Paris, 3. bis 6. Mai 2011. 5. Schlossmann R et al.: PANORAMA 2: A phase II study of oral panobinostat in combination with bortezomib and dexamethasone in patients with relapsed and bortezomib-refractory multiple Myeloma. 13th International Myeloma Workshop, Paris, 3. bis 6. Mai 2011, Poster 241. 6. Weber DM et al. Lenalidomide plus dexamethasone for relapsed multiple myeloma in North America. N Engl J Med 2007; 357: 2133–2142. Quelle: 13th International Myeloma Workshop von 3. bis 6. Mai 2011, Paris. Onkologische Welt 3/2011 © Schattauer 2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kongressnachlese Myeloma-Workshop 113 Multiples Myelom Hochrisiko-Patienten bleiben eine Herausforderung für die Therapie Klinische Studien haben sich bisher überwiegend mit Niedrigrisiko-Patienten beschäftigt, bei denen durch neue Substanzen erhebliche Fortschritte erzielt werden konnten. „Bei Hochrisiko-Patienten hat sich bisher nicht viel getan trotz Knochenmarkstransplantation und neuen Substanzen“, betonte Prof. Bart Barlogie, Little Rock/USA. Die Herausforderung für die Therapie bei diesen Patienten kann nur gemeistert werden, wenn molekulare Risikokategorien besser definiert und gezielte Ansätze entwickelt werden. Etwa 15% der Patienten mit neu diagnostiziertem multiplen Myelom sind Hochrisikopatienten. Als Konsequenz wiederholter Rezidive entwickelt sich diese Situation aber irgendwann bei allen Patienten. Charakteristisch dafür sind eine ausgeprägte genomische Instabilität und intraklonale Heterogenität der Myelomzellen. Bei mehr als der Hälfte der Patienten kommt es zu mehr als drei genetischen Veränderungen über die Zeit von Rezidiv zu Rezidiv. Wechselnde Medikamentenempfindlichkeit Für die Therapie hat die genomische Instabilität und das gleichzeitige Vorhandensein multipler Klone eine Reihe von Implikationen, wie Prof. P. Leif Bergsagel, Scottsdale/USA, ausführte. Als Primärtherapie sind daher Kombinationsregime angezeigt, da sie effektiver verschiedene Klone eliminieren als eine sequenzielle Therapie. Zum anderen besteht bei einer niedrig dosierten Erhaltungstherapie ein höheres Risiko dafür, dass präexistierende resistente Klone selektiert werden. In dieser Hinsicht können auch Substanzen, welche die DNA schädigen können, beispielsweise Melphalan, ungünstig sein. Bei Rezidiven nach einer Melphalan-Therapie beobachtete man häufiger genetische Veränderungen als bei Rezidiven nach Behandlung mit anderen Substanzen, die nicht an der DNA angreifen. Den besten Zeitpunkt für den Einsatz von Melphalan sieht Bergsagel direkt nach einer maximalen Zytoreduktion, sodass möglichst wenig verbleibende Zellen dem mutagenen Po- tenzial der Substanz ausgesetzt werden. Auch für Patienten in kompletter Remission ist Melphalan unproblematisch. Die Empfindlichkeit gegen Medikamente ist aufgrund der genomischen Instabilität auch sehr variabel. Es kann allein dadurch geschehen, dass resistente Klone ihre Empfindlichkeit wiedergewinnen. Dies muss auch bei der Bewertung von Therapie-Effekten in klinischen Studien berücksichtigt werden. Denn häufig wird dieses Phänomen der Re-Sensibilisierung der Tumorzellen dem Einsatz neuer Medikamente zugeschrieben. „Das könnte falsch sein“, so Bergsagel. Möglicherweise hat auch die Knochenmarkstransplantation bei Hochrisikopatienten negative Effekte, weil mit der hämatopoetischen Rekonstitution ein „Zytokinsturm“ verbunden ist, der das Tumorwachstum fördern könnte. Auf molekularem Weg zu neuen Therapieoptionen Ein Marker für die genomische Instabilität und schlechtere Prognose ist beispielsweise die Translokation t(4;14), die bei 10–15% aller Denovo-Patienten gefunden wird. Sie führt zu einer Dysregulation der Gene für MMSET und FGFR3. Das Protein MMSET, das die Histonmethylierung reguliert, ist bei Patienten mit t(4;14) überexprimiert. Die Histon-Modifikationen führen zu einer verstärkten Adhäsion und zu einer Stimulation des Wachstums von Myelomzellen und Hemmung der Apoptose. MMSET bietet sich deshalb auch als therapeutisches Ziel beim multiplen Myelom an. Es befinden sich bereits solche Substanzen in Entwicklung, sagte Prof. Jonathan D. Licht, Chicago/USA. Wie Prof. A. Keith Stewart, Scottsdale/Arizona, ausführte, haben Mutationsanalysen gezeigt, dass einige Mutationen in vielen Tumorzelltypen auftreten. Daneben gibt es aber andere, die spezifisch sind für Bortezomib-resistente bzw. Lenalidomid-resistente Zellen. Frühtherapie bei besonderer Risikokonstellation Das Konzept, schon frühe Stadien zu behandeln, um damit eine Heilung zu erreichen, erscheint auch beim multiplen Myelom attraktiv. Doch klinische Studien haben bisher keinen Response- oder Überlebensvorteil zeigen können für eine Therapie von klinischen Vorstufen wie der monoklonalen Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) oder dem indolenten Myelom (smoldering myeloma). Es besteht sogar die Befürchtung, dass man anstatt einer Heilung die Selektion aggressiverer Klone bewirkt. Doch Prof. Maria-Victoria Mateos, Salamanca/Spanien, wies darauf hin, dass in keiner dieser Studien zwischen Patienten mit hohem und geringem Risiko unterschieden wurde. In einer Phase-III-Studie erhielten Patienten mit smoldering myeloma und hohem Risiko (≥10% Plasmazellen im Knochenmark plus ≥30/g/L M-Protein) entweder eine Lenalidomid/Dexamethason-Induktionstherapie und eine Erhaltungstherapie mit Lenalidomid oder keine Therapie (1). Während des medianen Follow-up von 22 Monaten trat nur bei 10% der Patienten der Therapiegruppe eine Progression zur aktiven Erkrankung ein, im Vergleich zu 46% in der nicht behandelten Gruppe. Das Toxizitätsprofil war akzeptabel. Es zeigte sich auch ein Trend zu einem besseren Gesamtüberleben. Künftige Studien zur Frühtherapie sollten sich auf Patienten mit höherem Risiko fokussieren. Bei allen anderen Patienten und außerhalb von Studien ist nach wie vor Beobachtung der Standard. Dr. Angelika Bischoff, Planegg Literatur 1. Mateos M-V et al. Blood 2010; 116 (abstract 1935). Quelle: 13th International Myeloma Workshop von 3. bis 6. Mai 2011, Paris © Schattauer 2011 Onkologische Welt 3/2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kongressnachlese Myeloma-Workshop 114 Proteasominhibition Zentrales Therapieprinzip bei multiplem Myelom Der Proteasom-Inhibitor Bortezomib (Velcade®) ist bisher in Kombination mit Melphalan/Prednison für die Primärtherapie des multiplen Myeloms zugelassen bei Patienten, die für eine Hochdosischemotherapie mit Knochenmarkstransplantation nicht in Frage kommen. Zudem kann Bortezomib als Monotherapie eingesetzt werden bei Patienten, die schon mindestens seine Vortherapie durchlaufen haben. Eine Verbesserung des Outcomes der Patienten erwartet man sich von Bortezomib auch im Rahmen der Induktions-, Konsolidierungs- und Erhaltungstherapie bei Patienten, die transplantiert werden. Bessere Response, längeres Überleben In der VISTA-Studie erhielten Patienten, die für eine Knochenmarkstransplantation nicht in Frage kamen, eine Primärtherapie mit Melphalan/Prednison (MP) oder Bortezomib plus MP (VMP) (1). Die Gesamtresponserate lag in der VMP-Gruppe doppelt so hoch wie in der MP- Gruppe: 71% versus 35%; p<0,001). Die Rate an kompletten Remissionen betrug 30% versus 4% (p<0,001) und die Zeit bis zur Progression 24 versus 16,6 Monate (p<0,001). Wie Prof. Paul Richardson, Boston, ausführte, war in der VMP-Gruppe nach einem medianen Follow-up von 36,7 Monaten immer noch ein signifikanter Überlebensvorteil (p = 0,0008), zu sehen, obwohl mehr als die Hälfte der MP-Patienten bei einer Progression eben- Patienten (%) 100 80 60 VMP 40 MP 20 0 0 6 12 18 24 30 36 Zeit (Monate) 42 48 Abb. 1 Die Therapie mit Bortezomib in Kombination mit Melphalan und Prednison (VMP) erhöht signifikant (p = 0,0008) das 3-Jahres-Gesamtüberleben gegenüber der Therapie mit Melphalan und Prednison (MP) alleine (modifiziert nach [2]). Wirksamkeit VTD TD P Induktion ≥ nCR 31% 11% <0,0001 Nach 1. ASCT ≥ nCR 52% 31% <0,0001 Nach doppelter ASCT ≥ nCR 55% 41% 0,002 Nach Konsolidierung ≥ nCR 62% 45% 0,0002 nCR = nahezu komplette Remission, ASCT = autologe Stammzelltransplantation Tab. 1 Phase-II-Studie GIMEMA zeigt signifikant bessere Responseraten mit VTD vs. TD. falls Bortezomib bekommen hatten. In der VMP-Gruppe überlebten 68,5% und in der MPGruppe 54% der Patienten drei Jahre (2). Insgesamt 52% der VMP-Patienten und 69% der MP-Patienten erhielten während der Beobachtungszeit Zweittherapien. Dabei fiel auf, dass auch eine erneute Therapie mit Bortezomib bei 47% der Patienten zu einer mindestens partiellen Response führte. Es spricht also nichts dagegen, Bortezomib bei einer Progression erneut einzusetzen. Inzwischen gibt es immer mehr Hinweise darauf, dass die Zeit bis zur Progression (TTP), das ereignisfreie Überleben (EFS) und das Gesamtüberleben (OS) mit der Tiefe der Response bei der Induktionstherapie korrelieren. Das gilt für Patienten mit und ohne Transplantation. Bortezomib im Kontext der Knochenmarkstransplantation Interessant ist der Einsatz von Bortezomib deshalb auch bei Patienten, die eine Knochenmarkstransplantation erhalten. In der Induktionstherapie vor der Transplantation erwartet man sich eine Zunahme kompletter Remissionen, in der Post-Transplantationstherapie eine Konsolidierung und einen langfristigen Erhalt der Response, wie Prof. Pieter Sonneveld, Rotterdam, erklärte. Bortezomib-basierte Induktionsregimes haben tatsächlich die Raten an kompletten Remissionen, nahezu kompletten Remissionen (nCR) und sehr guter partieller Response (VGPR) nach der Induktion und der Transplantation signifikant verbessert. Das gilt beispielsweise für ein Regime mit drei Zyklen VTD (Bortezomib, Thalidomid, Dexamethason), das in zwei Studien mit TD (Thalidomid/Dexamethason) verglichen wurde (3, 4). In der Phase-III-Studie GIMEMA kamen VTD bzw. TD nicht nur als Induktionstherapien, sondern auch als Konsolidierungsregimes (zwei Zyklen zu 35 Tagen) nach der Transplantation zum Einsatz. Dabei wurden mit VTD sowohl in der Induktion als auch in der Konsolidierung signifikant bessere Responseraten erzielt als mit TD (씰Tab. 1). Dies führte auch zu einem signifikant besseren progressionsfreien Überleben (p = 0,0057). Bei Patienten, die eine nahezu komplette Remission (nCR) erreicht hatten, trat auch eine mole- Onkologische Welt 3/2011 © Schattauer 2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kongressnachlese Myeloma-Workshop 115 kulare Remission (PCR-negativ nach zwei Zyklen Konsolidierungstherapie) unter VTD signifikant häufiger ein. PCR-negativ waren vor der Konsolidierung 39% versus 31% (n.s.), danach 64% versus 48% (p = 0,007) (5). Das beste Timing der Transplantation im Zeitalter neuer Substanzen wird derzeit in Studien untersucht. Ausblick Neue Substanzen haben das Outcome der Patienten erheblich verbessern. Dies und auch das tiefere Verständnis der Krankheitsbiologie und individueller Krankheits-Charakteristika werden es in Zukunft mehr und mehr erlauben, personalisierte und risikoadaptierte Therapiestrategien zu entwickeln. Dazu gehört auch, Regimes so zu modifizieren, dass sie trotz hoher Effektivität möglichst gut verträglich sind und die Lebensqualität möglichst wenig beeinträchtigen. Schon die VISTA-Studie und andere klinische Studien geben zum Beispiel Hinweise darauf, dass eine einmal wöchentliche Applikation von Bortezomib ebenso effektiv wie die zweimal wöchentliche ist, dass aber neurotoxische Nebeneffekte deutlich seltener auftreten. Dr. Angelika Bischoff, Planegg Literatur 1. San Miguel JF et al. Bortezomib plus melphalan and prednisone for initial treatment of MM. New Engl J Med 2008; 359(9): 906–917. 2. Mateos M-V et a. Bortezomib plus melphalan and prednisone compared with melphalan and predni- International Myeloma Workshop Paris 2011 Das Multiple Myelom auf dem Weg zur chronischen Erkrankung In den vergangenen Jahren hat sich die Behandlung des Multiplen Myeloms wesentlich gewandelt. Durch neue Therapieoptionen konnte das progressionsfreie Überleben im Vergleich zu vor 10 Jahren nahezu verdoppelt werden. Ebenso verlängert sich das Gesamtüberleben. Selbst bei den älteren Patienten entwickelt sich die Therapie stetig voran. Neben den bereits etablierten Therapieoptionen, die die Behandlung deutlich bereichert haben wie Bortezomib und Lenalidomid, zeichnen sich neue Wirkstoffe bereits ab, wie auf dem alle zwei Jahre stattfindenden Myeloma Workshop in Paris ersichtlich war. „Obwohl sich immer mehr junge Patienten mit einem multiplen Myelom präsentieren, haben wir doch in der klinischen Praxis, die große Gruppe der über 65 Jahre alten Patienten, die auf Grund ihres Allgemeinzustandes häufig nicht mehr für eine Stammzelltransplantation geeignet sind“, sagte Prof. Vincent Rajkumar von der Mayo Klinik in Rochester/USA. Für ältere, neu diagnostizierte Patienten wählt er die Anfangsbehandlung danach aus, ob dieser ein normales, mittleres oder hohes Risiko aufweist. Bei normalem Risiko empfiehlt er Lenalidomid und niedrig dosiertes Dexamethason über 18 Monate. Danach bespricht er mit jedem Pa- sone in previously untreated multiple myeloma: updated follow-up and Impact of subsequent therapy in the Phase III VISTA trial. J Clin Oncol 2010; 28(13): 2259–2266. 3. Rosinol et al. Blood 2010; 28 (15 Suppl.): Abstract 8014 (oral presentation). 4. Cavo et al. Bortezomib with thalidomide plus dexamethasone compared with thalidomide plus dexamethasone as induction therapy before, and consolidation therapy after, double autologous stem-cell transplantation in newly diagnosed multiple myeloma: a randomised phase 3 study. Lancet 2010; 376(9758): 2075–2085. 5. Terragna et al. Blood 2010; 116(21): Abstract 861 (oral presentation). tienten die Möglichkeit einer Lenalidomid-Erhaltungstherapie. Melphalan setzt er ungern ein, da er den Eindruck hat, dass zukünftige Behandlungen dadurch negativ beeinflusst werden. Bei mittlerem Risiko ist eine Bortezomibhaltige Kombinationstherapie seine erste Wahl. Als besonders geeignet sieht der amerikanische Myelom-Experte die Kombination aus Bortezomib, Cyclophosphamid und Dexamethason (VCd oder CyBorD) über ein Jahr, gefolgt von einer Bortezomib-Erhaltungstherapie über zwei Jahre. Bei hohem Risiko ist das vordringliche Ziel eine komplette Remission. Um dies zu erreichen, wählt Rajkumar meist die Quelle: Symposium „Optimising patient outcomes through individulaises treatment approaches: phase III data“, Veranstalter Takeda, Janssen-Cilag, 13th International Myeloma Workshop, Paris, 5. Mai 2011. Kombination Lenalidomid, Bortezomib und Dexamethason (RVd). Danach wird bis zur Krankheitsprogression weiter Bortezomib gegeben. Für die älteren Patienten empfiehlt der Experte zudem noch die Gabe vom subkutanem Bortezomib, um die Entwicklung von peripheren Neuropathien so gering wie möglich zu halten. Prof. Antonio Palumbo, Turin/Italien, Italien, ergänzte, dass bei älteren Patienten mit Komorbiditäten ebenfalls Dosisreduktionen der bekannten Substanzen zu erwägen seien, um die Behandlung durchführen zu können (씰Abb. 1). Derzeit läuft speziell bei dieser Patientenpopulation eine Reihe von klinischen Studien, sodass in den nächsten Jahren auf diesem Gebiet durchaus noch mit neuen Erkenntnissen zu rechnen ist. In der Entwicklung befindliche Therapien viel versprechend Mit dem ersten, bereits zugelassenen Proteasom-Inhibitor Bortezomib, bleibt die Entwicklung in dieser Substanzklasse nicht stehen. Der am weitesten entwickelte Kandidat in dieser Gruppe ist laut Prof. Kenneth Anderson vom Dana Farber Cancer Institut in Boston/USA Carfilzomib. Andere Substanzen aus dieser Substanzklasse befinden sich noch in frühen © Schattauer 2011 Onkologische Welt 3/2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kongressnachlese Myeloma-Workshop 116 Hohes Risiko Mittleres Risiko Normales Risiko Lenalidomid, Bortezomib und Dexamethason (RVd) Bortezomib, Cyclophosphamid und Dexamethason (VCd) Lenalidomid + Dexamethason Ziel: Komplette Remission (CR) und dann BortezomibErhaltungstherapie bis zur Progression 1 Jahr und dann BortezomibErhaltungstherapie über 2 Jahre 18 Monate dann mit dem Patienten besprechen LenalidomidErhaltungstherapie Abb. 1 Behandlungsplan für ältere Patienten, stratifiziert nach ihrem Risiko (Rajkumar, 2011) Stadien der klinischen Entwicklung wie CEP-18770, NPI-0052 und P5091. Carfilzomib wurde in klinischen Studien bereits in Kombination mit Lenalidomid und Dexamethason (CRd) bei neu diagnostizierten Patienten mit einem Multiplen Myelom eingesetzt. Dabei handelte es sich sowohl Induktionstherapien als auch Konsolidierungs- und Erhaltungstherapien (1). Der Proteasom-Inhibitor der zweiten Generation erzielte bei 97% der Patienten eine partielle Remission, 60% der Teilnehmer erreichten sogar eine komplette Remission. Nach neun Monaten hatte noch keiner der Patienten eine Progression, alle Patienten leben noch. Hinsichtlich der peripheren Neuropathien, eine häufige unerwünschte Wirkung der Proteasom-Inhibitoren, sieht das Profil der neuen Substanz ebenfalls gut aus. Nur 11% zeigten diese Nebenwirkung. Auf der Basis dieser Studie wird nun eine Phase-III-Studie geplant. Weitere neue Substanzen Aber auch die Immunmodulatoren wie Thalidomid und Lenalidomid erfahren eine Weiterentwicklung. Prof. Martha Lacy, Rochester/USA, verwies in diesem Zusammenhang insbesondere auf Pomalidomid. Dieser orale Wirkstoff wurde in bisherigen Studien insbesondere bei Patienten verwendet, die rezidiviert oder refraktär waren. Lacy betonte: „Selbst bei Myelompatienten, die sechs oder mehr unterschiedliche vorherige Therapien erhalten hatten, haben mehr als 25% der Patienten, die Pomalidomid bekommen hatten, mindestens eine teilweise Remission erreicht.“ Allerdings weist die Substanz ein Neutropenierisiko auf. Darüber hinaus befinden sich ganz neue Substanzklassen in der klinischen Entwicklung. Mit am interessantesten scheint laut Dr. Enrique Ocio, Salamanca/Spanien, die Klasse der Histondeacetylase (HDAC)-Inhibitoren zu sein, deren am weitesten entwickelte Vertreter Panobinostat und Vorinostat sind. Beide Substanzen werden in verschiedenen Studien sowohl in Kombination mit Bortezomib als auch mit Lenalidomid und Dexamethason geprüft. Erste Ergebnisse dieser Studien sind vielversprechend, sowohl in Bezug auf die Wirkung als auch in Bezug auf Nebenwirkungen. Zudem befinden sich noch die monoklonalen Antikörper in der Entwicklung beim multiplen Myelom. Dabei handelt es sich um die Substanzen Elotuzumab und Siltuximab. Beide sollten in Kombinationen mit anderen Myelommedikamenten gegeben werden. Momentan ist eine Phase 3-Studie in Vorbereitung, die Elotuzumab mit Lenalidomid und Dexamethason bei neudiagnostizierten Patienten prüft. Abschließend bekundete Prof. Paul Richardson, Boston/USA: „Angesichts der erreichten Fortschritte und in Anblick der weiteren, sich rasant entwickelnden Therapieoptionen, bin ich überzeugt, dass das Multiple Myelom sich auf dem Weg befindet, eine chronische Krankheit mit sehr langen Überlebenszeiten zu werden.“ Bettina Reich, Hamburg Literatur 1. Jakubowiak A et al., ASH 2010, Abstract 862. Quelle: International Myeloma Workshop vom 5. Mai 2011 in Paris. Onkologische Welt 3/2011 © Schattauer 2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kongressnachlese Myeloma-Workshop 117 Neu diagnostiziertes multiples Myelom Signifikanter Überlebensvorteil durch Lenalidomid-Dauertherapie Bei der Behandlung des Multiplem Myeloms deutet sich ein Paradigmenwechsel an: Ausgelöst werden könnte dieser durch die Daten der Cancer and Leukemia Group B Phase-III-Studie (CALGB 100104), die auf dem International Myeloma Workshop 2011 in Paris vorgestellt wurde. Sie belegen, dass durch eine Lenalidomid-Erhaltungstherapie nach autologer Stammzelltransplantation (ASCT) ein signifikanter Überlebensvorteil für Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom (p = 0,018) erzielt werden kann. Dies entspricht einer Risikoreduktion von Krankheitsprogression oder Tod gegenüber Placebo um 56% (p<0,0001) „Die wirkliche Neuigkeit ist, dass nach den Ergebnissen die Patienten nicht nur länger ohne Krankheitssymptome leben, sondern sie überleben insgesamt länger“, berichtete Prof. Kenneth Anderson, Boston/USA. Im Rahmen der CALGB-100104-Studie wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von Lenalidomid (Revlimid®) bzw. Placebo als Erhaltungstherapie bei unter 70-jährigen Myelompatienten im Krankheitsstadium I bis III verglichen. Patienten mit mindestens einer SD (stabiler Erkrankung), stratifiziert nach Beta-2-MikroglobulinSpiegel (Beta-2M) bei Diagnose und Thalidomid bzw. Lenalidomid in der Induktionstherapie, wurden zwischen Tag 100 und 110 nach ASCT doppelblind zu Lenalidomid (Startdosis 10 mg/d, Erhöhung auf 15 mg/d nach 3 Monaten, n = 231) oder Placebo (n = 229) randomisiert. Bis April 2011 wurde bei Patienten, die im Anschluss an eine ASCT in einer Folgestudie über einen mittleren Zeitraum von 28 Monaten dauerhaft mit Lenalidomid behandelt wurden, eine signifikante Verbesserung der Gesamtüberlebensrate von 90% vs. 83% in der Placebo-Gruppe erzielt. Dabei hatten fast 80% der Patienten in der Placebogruppe zum Zeitpunkt der Studien-Entblindung den Cross-over in die Verumgruppe wahrgenommen. Eine weitere Analyse des Gesamtüberlebens zum Zeitpunkt der Studien-Entblindung bestätigte den Überlebensvorteil (94% vs. 89%, p = 0,05). In der Folgestudie über einen mittleren Zeitraum von 28 Monaten war die mittlere progressionsfreie Zeit (Time to Progression, TTP) für den Lenalidomid-Arm nach 48 Monaten signifikant länger als die mittlere TTP von 30,9 Monaten für den Placebo-Arm (p<0,0001) HR 0,44 (95% KI 0,32–0,60). Dieser Vorteil galt für alle Untergruppen mit Lenalidomid-Erhaltungstherapie. Kein Einfluss von SPM auf Überlebensvorteil In der Studie erwies sich Lenalidomid nicht nur als effektiv, sondern auch als verträglich. Die häufigsten unerwünschten Wirkungen unter Lenalidomid waren Neutropenien, Thrombozytopenien und Infektionen. Ein Anstieg der Häufigkeit der zweiten primären Malignome (Second Primary Malignancies, SPM) – vor allem hämatologischer Malignome – wurde zwar bei Patienten in Lenalidomid-Behandlung im Vergleich zu Patienten der Placebo-Gruppe beobachtet. In der Analyse des ereignisfreien Überlebens, bei der SPM als Ereignis neben Tod und Krankheitsprogression berücksichtigt wurde, konnte jedoch kein signifikanter Einfluss von SPMs auf den beobachteten TTP- oder OS-Vorteil nachgewiesen werden. Bettina Reich, Hamburg Quelle: Pressekonferenz “The Continuum of Care for the Multiple Myeloma Patient“ im Rahmen des International Myeloma Workshop 2011 am 4. Mai.2011, Paris. Veranstalter: Celgene Corp., Summit/USA. © Schattauer 2011 Onkologische Welt 3/2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Forum HämatoOnkologie 118 Neue Daten zur Radioimmuntherapie mit Zevalin® Konsolidierung verlängert progressionsfreies Überleben um fast 3 Jahre Die Konsolidierungstherapie mit 90Y-Ibritumumab-Tiuxetan (Zevalin®) führt bei Patienten mit fortgeschrittenem follikulären Lymphom zu einer Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS) um 34 Monate im Vergleich zur Kontrollgruppe. Dies zeigt eine neue Auswertung nach 5,5 Jahren Follow-Up. Eine Radioimmuntherapie (RIT) mit dem Radioliganden könnte darüber hinaus eine effektive und gut verträgliche Alternative zur First-line-Chemotherapie werden. In einer auf der vergangenen ASH-Jahrestagung vorgestellten Phase-II-Studie wurden ähnlich hohe Remissionsraten wie mit einer Standard-Chemotherapie erreicht. In der Phase-III-Studie FIT (First-line-Indolent Trial) erhielten 409 neu diagnostizierte Patienten mit fortgeschrittenem follikulärem Lymphom in kompletter (CR) oder partieller Remission (PR) nach einer Induktionstherapie eine einmalige Infusion mit Ibritumomab-Tiuxetan zur Konsolidierung oder keine weitere Behandlung (1). Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS). Die kürzlich vorgestellte Auswertung nach 5,5 Jahren bestätigt die signifikante Überlegenheit der Konsolidierungstherapie, erklärte Prof. Christian Buske, Ulm, auf einer Pressekonferenz. Das Radioimmunkonjugat führte im Vergleich zum Kontrollarm zu einer signifikanten Verlängerung des 5-Jahres-PFS um 34 Monate (49 vs. 15 Monate; p<0,001). Nach 5 Jahren waren im Kontrollarm nur noch 29% der Patienten ohne Progress vs. 47% unter dem Radioimmunkonjugat. Auch die Qualität des Ansprechens wurde verbessert: 78% der 100 Patienten mit einer PR nach Induktionstherapie kamen durch die Konsolidierung in eine komplette oder unbestätigte komplette Remission (CR/Cru), im Kontrollarm nur 19,3%. Darüber hinaus wurde der Bedarf einer Folgetherapie verzögert: Das Intervall bis zur nächsten Therapie wurde gegenüber dem Kontrollarm um >5 Jahre auf >99 vs. 35 Monate verlängert. Die Therapie wurde laut Buske gut vertragen, es traten keine unerwarteten Langzeittoxizitäten auf. Auch gibt es keinen Hinweis auf eine erhöhte Rate sekundärer Neoplasien im Ver- gleich zu Kontrollen. Laut Buske ist das langfristige Nutzen/Risiko-Profil des Radioimmunkonjugats damit als positiv zu werten. Auch als First-line-Therapie Aufgrund der hohen Konversionsrate von PR zu CR in der FIT-Studie scheint es möglich, die Induktions-Chemotherapie durch eine First-lineTherapie mit Ibritumomab-Tiuxetan zu ersetzen, meinte Priv.-Doz. Christian Scholz, Berlin. Das Konzept wurde in einer Phase-II-Studie an 59 Patienten >50 Jahre mit der Erstdiagnose eines follikulären Lymphoms (Stadium II: 20%; III: 44%; IV: 36%) geprüft (2). Die Teilnehmer erhielten als First-line-Therapie eine RIT mit 90 Y-Ibritumumab-Tiuxetan in der Standarddosierung von 14,8 MBq (0,4 mCi) pro kg KG als einmalige Injektion. Primärer Endpunkt war die Rate klinischer und molekularer Remissionen nach 6 Monaten. Nach Studienende hatten 53% der Teilnehmer eine CR/Cru erreicht, bei weiteren 31% wurde eine PR festgestellt (Gesamtansprechrate 84%). Zudem führte das Radioimmunkonjugat bei 73% der Patienten zur PCR-Negativität, d. h. eine bcl-2-IgH-Translokation war im peripheren Blut nicht mehr nachweisbar. Das PFS beträgt median 25,5 Monate. Über die Hälfte der Patienten hatte zum Zeitpunkt der Analyse noch keine Folgetherapie benötigt. Die Raten an CR und molekularen Remissionen (73%) sind mit denen einer Chemotherapie vergleich- bar, betonte Scholz. Er wies darauf hin, dass sie bei guter Verträglichkeit erreicht wurden, sodass die RIT gerade für ältere und/oder gebrechliche Patienten eine gute First-line-Option sein kann. Erfahrungen aus der Praxis Inzwischen liegen zahlreiche Erfahrungen ambulant tätiger Internisten und Onkologen bei neu diagnostizierten Patienten mit 90Y-Ibritumumab-Tiuxetan vor, auch als First-line-Konsolidierungstherapie. In vielen Fällen gelang bei Patienten mit partiellem Ansprechen die Konversion zu einer CR, berichtete Dr. Nicole Lewke, Leverkusen. Die subjektive Verträglichkeit wurde als gut eingestuft. Erwartungsgemäß tritt eine Myelosuppression auf, die aber nur in Einzelfällen die Gabe von Wachstumsfaktoren erfordert. Lewke wies darauf hin, dass diese Konsolidierungstherapie für Patienten mit CR oder PR nach Induktionstherapie unabhängig vom Alter geeignet ist. Der Antikörper muss nur einmal über einen Zeitraum von 10 Minuten infundiert werden. Damit hebt sich die RIT positiv von einer über mehrere Zyklen zu verabreichenden klassischen Chemotherapie ab. Die mit der Therapie assoziierte Hämatotoxizität ist vorhersagbar, gut beherrschbar und reversibel. Dr. Alexander Kretzschmar, München Literatur 1. Hagenbeek A et al. 90Y-Ibritumomab Tiuxetan (Zevalin®) consolidation of first remission in advanced-stage follicular non-Hodgkin’s lymphoma: Updated results after a median follow-up of 66.2 months from the international, randomized, phase III First-line Indolent Trial (FIT) in 414 patients. Blood 2010: 116(21); Abstract 594. 2. Pezzutto A et al. 90Yttrium ibritumomab tiuxetan as first line treatment for follicular lymphoma. First results from an international phase II clinical trial. ASH 2010; Abstract 593. Quelle: Pressekonferenz „Radioimmuntherapie – denn sie tun nicht, was sie wissen!“ am 12. April 2011, Köln. Veranstalter: Bayer Vital GmbH, Leverkusen. Hinweis: Dieser Beitrag entstand mit freundl. Unterstützung der Bayer Vital GmbH, Leverkusen. Onkologische Welt 3/2011 © Schattauer 2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. HämatoOnkologie 119 Indolente Lymphome Höherer Patientennutzen in der First-line-Therapie Lange galt bei indolenten Lymphomen (iNHL) als First-line Standard die Immunochemotherapie. Hier und bei Mantelzell-Lymphomen hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Denn Bendamustin plus Rituximab (B-R) ist im direkten Vergleich in randomisierten Studien anderen Immunochemotherapien wie CHOP-R oder F-R in der Primärtherapie als auch im Rezidiv überlegen. Interessant ist, dass jüngere Patienten mindestens in gleichem Maße von B-R profitieren wie ältere. In der First-line-Therapie gehört B-R klar zum empfohlenen Therapiestandard. Dies spiegelt sich in den deutschen DGHO-Leitlinien 2010 und sogar in den aktuellen amerikanischen NCCNEmpfehlungen wider (1, 2). Zudem wird dieser Standard in Deutschland im Behandlungsalltag in der Praxis umgesetzt, wie die Daten des deutschen Lymphomregisters belegen. B-R ist die am häufigsten durchgeführte First-line-Therapie in der onkologischen Praxis, betonte Dr. Wolfgang Abenhardt, niedergelassener Onkologe aus München. Eine Subgruppenauswertung der zum ASH 2010 präsentierte Studie NHL 2–2003 bei Patienten unter 60 Jahre demonstrierte, dass dieses Schema bei jüngeren Patienten sogar noch mehr Effektivität aufweist. Prof. Wolfgang Dreyling, München, vertrat den Standpunkt, dass B-R auch in Zukunft das Rückgrat der Therapie ist: „Auf Grund seiner geringeren Toxizität und hohen Effektivität ist Bendamustin wichtig für die weitere Entwicklung der Therapie, denn es bietet sich auch als Kombinationspartner für die neuen Substanzen an“. Für den Giessener Hämatologe Prof. Mathias J. Rummel ist auch wichtig, „dass wir neue Therapien finden, die besser wirksam sind Schlüssel zur Bekämpfung der medikamentenresistenten ALL entdeckt? BCL6 als therapeutisches Target Bei der Therapie der akuten Lymphoblastische Leukämie (ALL) im Kindesalter wird man immer wieder mit der Tatsache konfrontiert, dass manche Krebszellen den Einsatz der wirksamsten und neuesten Medikamente überleben. Ein internationales Team unter Leitung der University of California, San Francisco/USA (UCSF), mit Beteiligung des Freiburger Exzellenzclusters BIOSS – Centre for Biological Signalling Studies – hat nun mit BCL6 ein Protein identifiziert, das eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von resistenten Leukämiezellen spielt. „Die Aktivierung von BCL6 ist eine Art Notfallmechanismus, mit dem Tumorzellen versuchen, einer Medikamentenbehandlung zu entkommen”, meinte Forschungsleiter Dr. Markus Müschen, San Francisco/USA. Die Entdeckung des Proteins könnte den Weg zur Herstellung effektiverer Medikamente weisen. In der Fachzeitschrift „Nature“ erklären die Autoren, wie sie Mäuse mit medikamentenresistenter Leukämie heilten, indem sie ihnen eine Kombination aus konventionellen Krebsmedikamenten in Verbindung mit einem Wirkstoff verabreichten, der die Funktion von BCL6 blockiert. Die ALL schreitet sehr schnell voran, und eine Behandlung ist teuer und schwierig. Sie beinhaltet lang andauernde Medikamentengaben, die und nicht mehr Toxizität, sondern sogar weniger haben.“ Dieser Wunschvorstellung entspricht das B-R-Schema: B-R erwies sich als deutlich besser verträglich als CHOP-R mit signifikant weniger Hämatotoxizität. Ebenso ließ sich die Häufigkeit von Alopezie, peripherer Neuropathie und Stomatitis durch B-R deutlich senken. Gerade bei den Jüngeren spielt, so Rummel, die Alopezie eine bedeutende Rolle, der Erhalt der Haare sei für viele Patienten ein Herzensanliegen, denn gerade hier spielen psychosoziale Faktoren eine große Rolle. Insbesondere jüngere, noch berufstätige Patienten könnten durch die fehlende Alopezie unter B-R ihren beruflichen Pflichten ohne Stigmatisierung und ohne ständige Erklärungen nachkommen. Bettina Reich, Hamburg Literatur 1. DGHO-Leitlinien unter http://www.dgho.de/in formationen/leitlinien/mein-onkopedia/Follikulaeres%20Lymphom%20P%20Version%201.pdf/ 2. NCCN-Guidelines unter http://www.nccn.org/ professionals/physician_gls/f_guidelines.asp Quelle: Pressekonferenz „Indolente Lymphome und Mantelzell-Lymphome: State of the Art 2011 in Forschung und Praxis“ am 14. März 201, München. Veranstalter: Mundipharma GmbH, Limburg. oft physisch und emotional extrem belastend für die Kinder und ihre Eltern werden. Ist dies jedoch überstanden, sind viele Kinder völlig geheilt und können ein normales Leben führen. Allerdings scheinen einige Krebszellen den Medikamenten zu widerstehen und unerkannt im Körper zu überleben. Bricht die ALL erneut aus, sind alle Tumorzellen gegen die Medikamente resistent. Bis zu ihrer Entdeckung haben die Wissenschaftler vier Jahre daran gearbeitet, Tumorzellen einer Krebsbehandlung auszusetzen. Sie untersuchten, wie sich die Expression von 22 000 Genen verändert, wenn verschiedenen Krebszellen unterschiedliche Medikamente verabreicht werden. „Wir glauben, dass unsere Entdeckung direkten Einfluss auf die Bekämpfung der medikamentenresistenten Leukämie haben wird”, sagt Dr. Hassan Jumaa, Freiburg, Co-Autor der Studie. red. Literatur 1. Müschen M et al. BCL6 enables Ph+ acute lymphoblastic leukaemia cells to survive BCR–ABL1 kinase inhibition. Nature 2011; 473, 384–388. © Schattauer 2011 Onkologische Welt 3/2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kongressnachlese DGNC 2011 120 Trends in der Behandlung von Gliompatienten Biomarker geben die Richtung an „Wenn man die letzten 25 Jahre unseres Faches Revue passieren lässt, hat sich in der jüngsten Vergangenheit gerade auf dem Gebiet der Hirntumorerkrankungen die rascheste Entwicklung vollzogen“, meinte Prof. Jörg-Christian Tonn, München, auf der 62. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC). Hier sind Gliome besonders interessante „Targets“ für die Tumorforschung, weil sie sich aufgrund ihrer molekularen Eigenheiten als „Modell“ für grundlegende Mechanismen des Tumorwachstums eignen. Tonns besonderes Interesse gilt den Gliomen. Denn diese vom Nervenstützgewebe ausgehenden Tumore sind nicht nur die häufigsten primären Neoplasien im Gehirn, sondern weisen auch ein breites Malignitätsspektrum auf – von den kurablen/selten progressiven pilozytischen Astrozytomen (WHO-Grad 1) bis zu den hochaggressiven Glioblastomen (WHO-Grad IV) mit einer mittleren Überlebenswahrscheinlichkeit von 15 Monaten. moren, betonte Tonn. Das helfe dabei, besser zu verstehen, warum von zwei Patienten mit gleichem Tumor, gleicher Operation und gleicher Histologie der eine nach 12 Monaten stirbt und der andere nach 3 Jahren noch lebt. Fortschritte bei Bildgebung und der Neurochirurgie Im interdisziplinären Verbund von Grundlagenforschern, Neuropathologen und Klinikern konnten an großen Serien Gene identifiziert werden, die eine Vorhersage zum Krankheitsverlauf oder zum Ansprechen auf verschiedene chemotherapeutischen Regime erlauben. Relativ gut ist hier der Wissenstand zur Bedeutung von Mutationen der IDH1- und IDH2-Gene (Isocitrat Dehydrogenase). Gliome mit dieser Charakteristik scheinen hinsichtlich ihrer metabolischen und klinischen Eigenschaften einen Tumorsubtyp zu repräsentieren, der für die Patienten mit besseren Überlebenschancen einhergeht. Als ein valider Marker für das Ansprechen maligner Gliome auf eine Chemotherapie – vor allen mit Alkylantien – gilt inzwischen der Methylierungsstatus des MGMT-Promotors (Methylguaninmethyltransferase) (씰Kasten „ALDH1-Hemmung überwindet TemozolomidResistenz“). Ebenfalls als Zielstrukturen für maßgeschneiderte Therapiekonzepte bieten sich Moleküle an, die entweder von der Oberfläche der Tumorzellen aus wie Integrine oder mutierte EGF-Rezeptoren (Epidermal Growth Faktor) oder vom Tumor freigesetzt wie VEGF (Vascular Endothelial Growth Faktor) die Angiopoese an- Als einen wichtigen Baustein führte Tonn die Fortschritte im Bereich der bildgebenden Diagnostik an. Dank der inzwischen sehr hohen Auflösung von Magnetresonanztomographie (MRT) und Computertomographie (CT) lässt sich nicht nur die Lokalisation der Gliome, sondern auch ihre Ausdehnung heute viel exakter bestimmen als noch vor wenigen Jahren. Mit ergänzenden Verfahren wie Positronenemissionstomographie (PET), Singlephotonenemissionstomographie (SPECT) und Magnetresonanzspektroskopie können auch kleinste Herde besonders malignen Gewebes im Tumorinneren identifiziert und Informationen zum Tumorstoffwechsel erlangt werden. Dazu kommt die verfeinerte neurochirurgische Technik, aufgrund derer sich heute Gliome sehr viel vollständiger, aber gleichzeitig auch schonender operieren lassen. Das verbessert nicht nur die Chancen auf Funktionserhalt, sondern auch für einen möglichst raschen Beginn der in der Regel postoperativ erforderlichen Radio- oder Chemotherapie. Viel gelernt in den vergangenen Jahren habe man aber vor allem über die Biologie der Tu- Genetische Informationen zu Prognose und Therapieresponse ALDH1-Hemmung überwindet TemozolomidResistenz Ein Beispiel, wie man sich die molekulargenetischen Erkenntnisse im klinischen Alltag zu Nutze machen könnte, lassen Untersuchungen einer Arbeitsgruppe am Klinikum rechts der Isar in München erkennen (1). Die Prognose von Patienten mit Glioblastom gilt als besonders schlecht, wenn der positive Status des MGMT-Promotors (Methylguaninmethyltransferase) ein Ansprechen auf eine adjuvante Therapie mit Temozolomid verhindert. Einen wichtigen Beitrag für das aggressive Wachstum der Tumorzellen scheint die Überexpression von ALDH1 (Aldehyddehydrogenase) zu leisten. Die immunohistochemischen Analysen von Glioblastomgewebeproben mit positivem MGMT-Status ergab eine signifikante Korrelation von hohen ALDH1-Spiegeln und Resistenz auf Temozolomid. Wurde jedoch das Zytostatikum in Kombination mit den ALDH1-Hemmern 4-Diethylaminobenzaldehyd (DEAB) oder Tetraethylthiuramdisulfid (DSF) verabreicht kam es zu Resensitivierung für Temozolomid und zur Verlangsamung des Wachstums der Gliomzellen. Quelle: 1. Ringel F et al. Targeting the prognostic marker ALDH1 overcomes temozolomide resistance in human glioblastoma patients with unfavourable MGMT status. Vortrag auf der 62. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC) vom 7. bis 11. Mai, Hamburg. regen. Studien, in denen versucht wird, diese Vorgänge zu unterbrechen und damit den Tumor auszuhungern, sind angelaufen. Verfeinerte Analysemethoden Die Biomarker werden bisher vornehmlich aus Operationspräparaten bestimmt. Das reicht nach Aussage von Tonn in den meisten Fällen aus, weil die Chemotherapie der chirurgischen Intervention nachgeschaltet ist. Zeitlich früher lässt sich Untersuchungsmaterial mit der stereotaktischen Serienbiopsie gewinnen. Diese Gewebeproben, deren Volumen sehr viel klei- Onkologische Welt 3/2011 © Schattauer 2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kongressnachlese DGNC 2011 122 ner ist als ein Streichholzkopf, können nicht nur Auskunft über die Histologie, sondern auch über molekulare Besonderheiten des Tumors geben. Biomarker aus dem Blut zu bestimmen, sei im Moment noch Zukunftsmusik, stellte Tonn klar. Aber die Entwicklung der dafür erforderlichen Technologien mache große Fortschritte. In einem weiteren Ansatz werde versucht, die biologische Charakteristik der Tumoren mit Hilfe der nuklearmedizinischen Diagnostik im Gehirn der Patienten sichtbar zu machen. Der Wissenszuwachs kommt nach Überzeugung von Tonn nicht nur der Behandlung von Gliompatienten zugute. Sondern mit den Ergebnissen der Verbundforschung schreite man auch konzeptionell auf dem Gebiet der personalisierten Tumortherapie voran. Da viele der molekulargenetischen Charakteristika auch für andere Tumore von Belang seien, diene das Gliom gewissermaßen als Modell und ließen sich bisherige und zukünftiger Erkenntnisgewinne möglicherweise auch für die Behandlung anderen Krebspatienten nutzen. Gabriele Kiel, Hamburg Quelle: Pressekonferenz bei der 62. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC) am 9. Mai 2011, Hamburg. Onkologische Welt 3/2011 © Schattauer 2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Internationale Literatur 123 Neue Erkenntnisse aus der Tumorbiologie Komplexe Mechanismen der Strahlenresistenz Eine Radiotherapie kann zur Selektion strahlenresistenter Tumorstammzellen führen, aus denen sich im weiteren Verlauf ein Rezidiv oder Metastasen entwickeln. Ursächlich ist die Überexpression des MET-Onkogens, das die Zellinvasion begünstigt und Zellen vor der Apoptose schützt. Gezielt gegen MET gerichtete Substanzen erhöhen die Radiosensibilität und verhindern den strahleninduzierten Tumorprogress. Die Arbeitsgruppe um Prof. Francesca de Bacco, Turin, untersuchte den komplexen Prozess der Strahlenresistenz in Zelllinien mehrerer Tumoren nach Bestrahlung in therapeutischen Dosen bis 10 Gy (1). 24 Stunden nach Radiatio maßen sie deutlich erhöhte Spiegel des c-MET-Proteins, der als Rezeptor für HGF (Hepatocyte Growth Factor) fungiert. Dabei fiel ein biphasisches Profil mit einem frühen Gipfel 1–2 Stunden und einem späten Gipfel bzw. einem Plateau 24 Stunden nach Bestrahlung auf. Auch die vom c-MET-Rezeptor ausgehende intrazelluläre Signalkaskade wurde durch die Bestrahlung aktiviert, wie die Phosphorylierung von c-MET und nachgeschalteter Proteine belegt. Der überexprimierte Rezeptor wird nach Bestrahlung auch ohne Ligandenbindung aktiviert und ist zudem sensibler gegenüber einer Stimulierung durch HGF. Die Bestrahlung induziert die vermehrte Synthese des c-MET-Protein auf der Ebene der Transkription. Verantwortlich dafür ist der durch Strahlung aktivierte Transkriptionsfaktor NF-κB, dem bei der Ausbildung einer Strahlenresistenz eine wichtige Rolle zukommt. Die NFκB-Aktivierung ist abhängig von der Proteinkinase ATM (Ataxia Teleangiectasia Mutated) als Sensor für DNA-Schäden. Zudem induziert die Strahlung eine HGF-Synthese in Stromazellen, was auf einen parakrinen Signalaustausch zwischen Tumor und Stroma hindeutet und die MET-Expression und Aktivierung weiter steigert. HGF wiederum stimuliert einen komplexen, Zellmigration, Proliferation und räumliche Reorganisation umfassenden physiologischen Prozess. Insgesamt fördert der von c-MET ausgehende Signalweg einen epithelial-mesenchymalen Phänotyp mit erhöhter Motilität und vermehrtem invasiven Potenzial, erläuterten O. Guryanova und S. Bao in einem Kommentar zu der kürzlich publizierten Arbeit (2). Dieser Mechanismus ist in gesundem Gewebe für die Heilung von Strahlenschäden verantwortlich, begünstigt in Krebszellen jedoch die Progression zur Malignitiät. c-MET- Inhibition als therapeutisches Target Im Mausmodell mit Tumor-Xenografts führte die Gabe eines selektiven MET-Inhibitors zu einer erheblich stärkeren Tumorschrumpfung als eine Bestrahlung, die lediglich das Tumorwachstum stoppte. Kombinierte man eine sehr niedrig dosierte und daher ineffektive Bestrahlung (4,5 Gy fraktioniert) mit dem MET-Inhibitor, so ließ sich das Tumorvolumen um im Mittel 75% reduzieren. Die Inhibition von c-MET könnte sich damit künftig als attraktives Target für pharmakologische Strategien erweisen, resümieren die Kommentatoren. Von besonderem Interesse ist das z. B. beim Glioblastom, bei dem die verabreichten Strahlendosen aufgrund der strahlenbedingten Toxizität limitiert sind. Die MET-Inhibition könnte hier die Effektivität der niedrig dosierten Ganzhirnbestrahlung verstärken. Dr. Katharina Arnheim, Freiburg Literatur 1. de Bacco F et al. J Natl Cancer Inst 2011; 103: 645−661. 2. Guryanova OA, Bao S. J Natl Cancer Inst 2011; DOI:10.1093/jnci/djr103. © Schattauer 2011 Onkologische Welt 3/2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Forum NeuroOnkologie 124 Thermo-Therapie mit magnetischen Nanopartikeln Neuer Ansatz in der Krebstherapie Tumorgewebe ist im Vergleich zu Normalgewebe aufgrund seiner schlechteren Thermoregulation wesentlich empfindlicher gegenüber einer Wärmebehandlung. Die Kombination aus Re-Bestrahlung und intratumoraler Thermotherapie mit magnetischen Nanopartikeln wurde im Rahmen einer klinischen Phase-II-Studie an 59 Patienten mit einem Glioblastom-Rezidiv untersucht (Abb. 1). Neben der direkten Thermoablation von Tumorzellen bewirkt die NanoTherm® Therapie eine Verstärkung der begleitenden Strahlentherapie im Temperaturbereich von 40–44°C. Als medianes Überleben wurden in einer Studie 13,4 Monate „Overall Survival“ nach Diagnose des ersten Tumorrezidivs ermittelt (1). Damit zeigt sich die Nanopartikel-vermittelte Tumortherapie im Magnetfeld als neuer Ansatz in der Krebstherapie. Erste Indikation Gehirntumore stellen die erste zugelassene Indikation dar. Besonders Patienten mit einem Glioblastom-Rezidiv könnten wegen der begrenzten Zahl an Behandlungsalternativen von dieser neuen Technologie profitieren. Pro Jahr treten ca. 2800 Glioblastom-Neuerkrankungen in Deutschland auf. Nach DGN-Leitlinie sind die bestehenden Optionen für die Primär- und Rezidivtherapie die Resektion sowie Strahlen- und Chemothe- Mittleres Überleben (Monate) Primärer Studienendpunkt 30 25 rapie. Mit diesen Verfahren konnte in den vergangenen zwei Jahrzehnten nur eine unbefriedigende Verbesserung bei der Lebenserwartung erreicht werden. Das Ziel dieser Nanopartikel-vermittelten Thermo-Therapie ist, einen zusätzlichen, positiven Einfluss auf die Überlebenszeit der Patienten mit Hirntumoren zu nehmen. In einer klinischen Phase-II-Studie wurden Rezidive des Glioblastoms behandelt, wobei die Therapie in Kombination mit stereotaktischer Bestrahlung eingesetzt wurde. Der primäre Studienendpunkt „Gesamtüberleben ab Diagnose des 1. Tumorrezidivs“ wurde mit einem Ergebnis von 13,4 Monaten (Median) Gesamtüberleben bei 59 ausgewerteten Patienten mit Glioblastom-Rezidiv erreicht. Diese Studien- Sekundärer Studienendpunkt NanoTherm® Therapie * Historische Kontrolle **, *** 95% Konfidenzintervall 20 15 0 Funktionsweise der Behandlung Bei dem neuartigen Verfahren zur lokalen Tumorbehandlung werden superparamagnetische Eisenoxid-Partikel in kolloidaler Dispersion mit einer Eisen-Konzentration von 112 mg/ml sowie einer Umhüllung aus Aminosilanen nach vorheriger Planung mit konventionellen Techniken direkt in einen soliden Tumor eingebracht. Anschließend werden die Partikel in einem magnetischen Wechselfeld erwärmt. Durch den Verbleib der Nanopartikel am Ort der Applikation sind wiederholte Behandlungen möglich. Umliegendes, gesundes Gewebe wird bei der Behandlung geschont, da die Wärmeerzeugung aus dem Tumorinneren erfolgt. Die gewünschte Behandlungstemperatur und dazu erforderliche Magnetfeldstärke werden vom behandelnden Arzt (Neurochirurg, Strahlentherapeut) vor Therapiebeginn im Rahmen einer Postimplantationsanalyse (PIA) auf Basis der Dichteverteilung der Nanopartikel im postoperativen CT geplant. Er wird dabei durch die Software NanoPlan® unterstützt, welche die Temperaturverteilung im Zielgebiet simuliert. Grundlage für den Einsatz sind ein präoperatives MRT (씰Abb. 2) sowie ein postoperatives CT (씰Abb. 3), welche Lage und Konzentration der applizierten Nanopartikel ermitteln. Die eingebrachten Nanopartikel werden mittels eines Magnetwechselfeldapplikators (NanoActivator®) von außen aktiviert. Sie wandeln dabei die Energie des Magnetfelds durch Relaxationsprozesse in Wärme um. Dabei können Behandlungstemperaturen von bis zu 80°C erreicht werden (씰Abb. 4). 23,2 10 5 ergebnisse (1) waren Basis der europäischen Zulassung der Therapie zur Behandlung von Gehirntumoren. 14,6 13,4 Effekt und Nutzen 6,2 Nach Diagnose des ersten Tumorrezidivs * Maier-Hauff et al. (2010), J Neurooncol Sep 16. [Epub ahead of print] Nach Diagnose des Primärtumors ** Stupp et al. (2009) Lancet Oncology 10:459–466 *** Stupp et al. (2005), N Engl J Med 352: 987–996 Abb. 1 Überlebenszeiten nach kombinierter NanoTherm®-/Strahlentherapie vs. historischem Vergleichskollektiv bei 59 Patienten mit Glioblastom-Rezidiv. Primärer Endpunkt: Gesamtüberleben ab Diagnose des 1. Tumorrezidivs (OS 2) 13,4 Monate* vs. 6,2** Monate; sekundärer Endpunkt: Gesamtüberleben ab Diagnose des Primärtumors (OS 1) 23,2* Monate vs. 14,6*** Monate. Temperaturen zwischen 40°C und 44°C verstärken die Wirkung von parallelen Strahlen- oder Chemotherapien und machen die so behandelten Zellen angreifbarer für körpereigene Abwehrmechanismen. Ab einem Schwellenwert von 43°C, appliziert über einen Zeitraum von 60 Minuten, entstehen nicht reversible Schäden in den Tumorzellen. Auf diese schonende Weise werden hypertherme und thermoablative Tem- Onkologische Welt 3/2011 © Schattauer 2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Forum NeuroOnkologie 125 Abb. 2 Präoperatives MRT Abb. 3 CT nach Applikation der Nanopartikel Abb. 4 Isothermen zur Simulation im Zielgebiet peraturen in soliden Tumoren erreicht. Die Therapie dauert drei Wochen, in denen der Patient zweimal pro Woche für jeweils 60 Minuten im Magnetfeldapplikator behandelt wird. Welche Patienten profitieren? Die Therapie ist für alle Gehirntumoren zugelassen. In der klinischen Studie wurden Patienten mit einem Glioblastom-Rezidiv behandelt. Ausgeschlossen von der Behandlung wurden Patienten mit Infiltration des Balkens, der Ventrikel und des Hirnstamms sowie beim Vorliegen von Schmetterlingsglioblastomen. Schwangere und Patienten mit Herzschrittmachern oder implantierten Defibrillatoren sowie mit nicht entfernbaren, metallischen Gegenständen im Behandlungsgebiet (Abstand von weniger als 40 cm zum Tumor) konnten ebenfalls nicht behandelt werden. Metallische Zahnfüllungen, Kronen, Brücken wurden für die Dauer der Therapie entfernt, da sie sich wie die Nanopartikel im Magnetfeld erhitzen könnten. MRT-Untersuchungen zur Diagnostik weiteren Tumorwachstums können nach Einbringen der Nanopartikel wegen Artefakten in der Bildgebung nicht mehr eingesetzt werden. Für Körperpartien außerhalb der Zielregion eignet sich das MRT nach wie vor uneingeschränkt. Positronen-Emissions-Tomographie (PET) Untersuchungen oder Computertomografie (CT) sind uneingeschränkt möglich. laufen zurzeit klinische Studien zur Behandlung des Pankreas- sowie des Prostatakarzinoms. Darüber hinaus wird an der Erweiterung des therapeutischen Einsatzes des Verfahrens durch Kopplung der Nanopartikel an Radiound Chemotherapeutika oder biologischer Wirkstoffe gearbeitet. Die Markteinführung der Therapie in Deutschland erfolgte im 1. Quartal 2011. Das erste Behandlungszentrum befindet sich in der Charité –Universitätsmedizin Berlin. Jörg Camp, Fürstenfeldbruck Literatur Ausblick Die guten Perspektiven dieser neuen und für den Patienten gut verträglichen Behandlungsform konnten in der klinischen Studie anhand der vielversprechenden Überlebensdaten aufgezeigt werden. Zur Erweiterung der Indikation 1. Maier-Hauff et al. Efficacy and safety of intratumoral thermotherapy using magnetic iron-oxide nanoparticles combined with external beam radiotherapy on patients with recurrent glioblastoma multiforme. J Neurooncol 2010; Sep 16. [Epub ahead of print] Hinweis: Mit freundl. Unterstützung der MagForce Nanotechnologie AG, Berlin © Schattauer 2011 Onkologische Welt 3/2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Uro-Onkologie © Schattauer 2011 Bildgebende Diagnostik bei Prostatakarzinom V. Zugor1; A. Labanaris1; D. Porres1; R. Bauer2; J. Witt1 1Abteilung für Urologie und Kinderurologie, St. Antonius-Hospital Gronau; 2Urologische Klinik und Poliklinik der Universität München, Campus Grosshadern Schlüsselwörter Prostatakarzinom, Bildgebung, Elastographie, MRT, HistoScanning Zusamenfassung Das Prostatakarzinom ist der häufigste bösartige Tumor des Mannes in der westlichen Welt. Da der Tumor nur in frühen Stadien geheilt werden kann und hier meist keine Beschwerden verursacht, kommt der Früherkennung eine entscheidende Bedeutung zu. Die Eckpfeiler der Früherkennung bestehen aus der digital rektalen Untersuchung der Prostata und der Bestimmung des PSA-Werts (prostataspezifisches Antigen) im Blut. Bei Auffälligkeiten erfolgt meist eine sonographisch gesteuerte Biopsie der Prostata. Da ein Karzinom im gewöhnlichen Ultraschall nicht sicher darstellbar ist, erfolgt die Biopsie nach einem bestimmten Schema (z.B. 8-fach, 10-fach oder mehr Biopsien). Große Studien konnten jedoch zeigen, dass auch bei systematischen Korrespondenzadresse Priv.-Doz. Dr. med. V. Zugor Oberarzt der Abteilung für Urologie und Kinderurologie Prostatazentrum Nordwest St. Antonius-Hospital Möllenweg 22 48599 Gronau Tel.: 0 25 62 / 9 15 71 14 Fax : 0 25 62 / 9 15 21 05 E-Mail: [email protected] Einleitung Das Prostatakarzinom ist der häufigste Tumor des Mannes und die zweithäufigste Todesursache unter den malignen Erkrankungen bei Männern in den meisten Industrienationen. Sowohl in den Niedrig- wie auch in den Hochrisikopopulationen der Welt steigt die Inzidenz deutlich an. Bei steigender Lebenserwartung und einer Verschiebung der Bevölkerungspyramide in Biopsien bis zu 35% der Prostatakarzinome übersehen werden. Der Diagnostik des Prostatakarzinoms kommt wegen seiner hohen Inzidenz und den verbesserten stadienadaptierten Therapiemöglichkeiten eine große Bedeutung zu. Im Gegensatz zu vielen anderen Tumorentitäten kommt bildgebenden Verfahren in der Diagnostik des Primärherds in der Prostata und dessen Ausdehnung derzeit aufgrund der eingeschränkter Diskriminierung von gesunden Gewebsstrukturen nur eine untergeordnete Rolle zu. Die Entwicklung neuer Verfahren könnte zukünftig verbesserte Optionen eröffnen. Dieser Artikel gibt einen Überblick über klinische Indikationen zu unterschiedlichen bildgebenden Verfahren in der Prostatakarzinomdiagnostik und berichtet über neuen bzw. aktuellen Techniken (Elastographie, Spektroskopie, PET-CT, Hochfeld-MRT und die dynamische kontrastverstärkte MRT der Prostata, HistoScanning) Radiological diagnostics in Prostate cancer Onkologische Welt 2011; 2: 127–133 den älteren Anteil nimmt damit die Problematik des Prostatakarzinoms zu. Durch die Einführung der PSA-Bestimmung zeigt sich ein deutlicher Wechsel des Karzinomprofils. Die heutzutage diagnostizierten Karzinome sind zumeist nicht palpabel, haben niedrigere PSA-Werte, sind überwiegend organbegrenzt und mit kleinerem Tumorvolumen. Das Durchschnittsalter der Patienten mit Erstdiagnose eines Prostatakrebses ist ebenfalls deut- Keywords Prostate cancer, detection, elastography, conventional and functional MRI, HistoScanning Summary Prostate cancer is the most common malignat tumour of men in the West world. Early detection of this disease is important, since its mostly asymptomatic and it can be only cured in its early stages. The cornerstone of early detection is based on digital rectal examination and assessment of PSA-values. In cases of abnormal features, a transrectal ultrasound assisted core biopsy is performed. Since the accuracy of transrectal ultrasound in not high, various systematic core biopsy schemas are performed (8 core, 10 core, or more). Large series have exhibited that systematic biopsies of the prostate miss approximately 35% of prostate cancer. With the development of new methods, new horizons have opened in the detection of prostate cancer. The aim of this article is to review the clinical indications and applications of these various new techniques (elastography, PET-CT, conventional and functional MRI and HistoScanning) in their assistance in early diagnosis of prostate cancer. lich gesunken. Die Bildgebung hat beim Prostatakarzinom sowohl in der Diagnostik als auch im Staging seinen fixen Stellenwert. Die aktuellen Leitlinien (EAU 2009, interdisziplinäre S3 Konsultationsleitlinie DGU 2009) weisen den bildgebenden Verfahren, insbesondere TRUS und MRT, in der Diagnostik des klinischen Tumorstadiums nach der DRU einen ergänzenden Charakter zu. Onkologische Welt 3/2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 127 128 Zugor V et al.: Bildgebende Diagnostik bei Prostatakarzinom Abb. 1 Transrektaler Ultraschall mit echoarmen Arealen und damit fragliches Prostatakarzinom Abb. 2 Hyperperfundiertes ProstatakarzinomAreal objektivierbar durch farbkodierte PowerDoppler-Sonographie In der Ausbreitungsdiagnostik hat das Knochenszintigramm bei PSA-Werten >10–20ng/ml, Gleason Score >7 und klinischer Symptomatik ein hohes Evidenzlevel mit entsprechendem hohen Empfehlungsgrad zur Anwendung. MRT, CT und andere Verfahren wie z.B. Colin-PET CT gelten jedoch ebenfalls nur als ergänzende Verfahren mit erheblich geringerer Wertigkeit. Aber auch beim PSA-Rezidiv nach erfolgter radikaler Prostatektomie oder Strahlentherapie bzw. im Rahmen eines Active Surveillance und in der Therapieüberwachung von metastasierten Patienten ist die Bildgebung ein wesentlicher Teil des klinischen Alltags. Alle Bemühungen in der Karzinomdiagnostik zielen darauf ab, lokal begrenzte Tu- more bei asymptomatischen Männern mit einer Lebenserwartung von zumindest 10–15 Jahren zu entdecken. Die Untersuchung der Prostata mit Hilfe des transrektalen Ultraschalls (TRUS) ist zwar wenig aufwändig, die anfängliche Erwartung, dass mit Hilfe des TRUS durch Darstellung von echoarmen Arealen in der Prostata die Früherkennung von lokalisierten Prostatakarzinomen gesteigert werden kann, hat sich jedoch nicht bestätigt (1). Sämtliche bildgebenden Untersuchungsverfahren unterliegen einem ständigen Entwicklungsprozess. So haben sich die Möglichkeiten der bildgebenden Methoden in vielerlei Hinsicht in den vergangenen Jahren deutlich weiter entwickelt. Eine Verbesserung, insbesondere des lokalen Tumorstadiums, ist hiermit jedoch nicht zwingend verbunden. Die in der Diagnostik des Prostatakarzinoms meist genutzten klinischen Untersuchungsmethoden Tastbefund und transrektaler Ultraschall (TRUS) sind hinsichtlich ihrer Aussagekraft in einer Unterscheidung zwischen bösartigen oder gutartigen Gewebe nicht ausreichend. Mit Hilfe des TRUS ist es aber möglich unter Sicht praktisch jedes Areal der Prostata gezielt zu biopsieren. Das gravierende Problem der visuellen TRUS-Beurteilung ist die mangelnde Spezifität, insbesondere bei geringer Erfahrung mit der Methode. Ziel diese Arbeit ist die Darstellung zur Verfügung stehenden bildgebenden Verfahren mit ihrem Stellenwert in der Diagnostik des Prostatakarzinoms. Der Beitrag soll insbesondere neue Techniken zur Detektion des Prostatakarzinoms beschreiben. Ultraschallverfahren TRUS Abb. 3 Blau markierte Elastographie-Befund vereinbar mit dem Bild eines Prostatakarzinoms. Die Prostatasonographie ist das bildgebende Verfahren der ersten Wahl in der Abklärung von Prostataerkrankungen. Die Wertigkeit der konventionellen transrektalen B-Bild-Sonographie wird kontrovers diskutiert. Die transrektale Ultraschalluntersuchung (씰Abb. 1) eignet sich gut zur Volumenbestimmung der Prostata, ebenso kann der Adenomanteil gut von der peri- Onkologische Welt 3/2011 © Schattauer 2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Zugor V et al.: Bildgebende Diagnostik bei Prostatakarzinom pheren Zone abgegrenzt werden. Verkalkungen und Prostatasteine und zystische Veränderungen lassen sich gut darstellen, auch eignet sich das Verfahren zur Darstellung eines Mittellappens, besonders in der longitudinalen Untersuchungsebene. In der Diskriminierung zwischen benignen und malignen Gewebsstrukturen kommt dem TRUS nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Echoarme Arale können hinweisgebend für Karzinome sein, Spezifität und Sensitivität sind jedoch gering (2). Farbkodierte Power-Dopplersonographie Die farbkodierte Duplexsonographie, Power-Dopplersonographie nativ und mit Anwendung von Ultraschallkontrastmitteln (Echosignalverstärker) haben neue Möglichkeiten zur Früherkennung des Prostatakarzinoms eröffnet, bzw. bieten wertvolle Information sowohl in der präoperativen Abklärung als auch in der therapeutischen Verlaufskontrolle. Ein mögliches Hilfsinstrument zur Detektion eines Prostatakarzinoms ist die farbkodierte Power-Dopplersonographie (씰Abb. 2). Dabei können Areale mit verstärkter Durchblutung oder veränderter Gefäßarchitektur dargestellt und biopsiert werden. Durch zusätzliche Applikation eines Ultraschallkontrastmittels im Sinne eines Echosignalverstärkers kann die Früherkennung des Prostatakarzinoms verbessert werden (2, 3). Hierdurch ist im Gegensatz zu anderen Ultraschallsonden die zielgenaue Punktion verdächtiger Prostatabezirke möglich. Sind im Schwarz-Weißbild keine Bezirke auffällig, kann durch die farbkodierte Power-Doppler-Technik und zusätzliche Gabe eines Ultraschallkontrastmittels die Erkennungsrate krebsverdächtiger Bezirke erhöht werden (3). Die Anwendung von Ultraschallkontrastmitteln mit neuen Ultraschalltechnologien (z. B. “B-Bild-Harmonic-Sonographie”) scheint eine weitere Verbesserung des diagnostischen Potenzials zu ermöglichen. Weiterführende Studien sind jedoch notwendig, um den eindeutigen klinischen Stellenwert der kontrastmittelverstärkten Sonographie zu evaluieren. Limitierend bei der Anwendung von Ultra- Abb. 4 Exemplarisches Beispiel einer Auswertung des histologischen Befundes des Prostatakarzinoms im Vergleich zum Histo-Scanning. schallkontrastmitteln sind die relativ hohen Kosten, der erhöhte Untersuchungsaufwand und das kurze Zeitfenster in der die Untersuchung nach Gabe des Kontrastmittels durchgeführt werden kann. Eine weitere Möglichkeit zur Verbesserung der positiven Biopsieraten ist die Auswertung der Ultraschallbilder mit Hilfe eines Computers, des sogenannten C-TRUS (3). Um die diagnostische Treff- sicherheit des TRUS zu erhöhen, wurde eine computergestützte Auswertung des Ultraschallsignals (C-TRUS/ANNA) entwickelt und an Hand von radikalen Prostatektomiepräparaten überprüft. Die C-TRUS-Auswertung basiert auf subvisuellen graustufendifferenten Bildinformationen. Eine deutsche Studie berichtet über gezielte Biopsien vom C-TRUS als verdächtig markierten Arealen. Bei 66 (50%) der © Schattauer 2011 Onkologische Welt 3/2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 129 130 Zugor V et al.: Bildgebende Diagnostik bei Prostatakarzinom HistoScanning™ Abb. 5 a HistoScanning a) sagittale Schnittebene b) transversale Schnittebene Rot markierte suspekte Areale objektivierbar durch Histo-Scanning. b Abb. 6 Rot markierte suspekte Areale objektivierbar durch Histo-Scanning. 132 Männer konnte durch die C-TRUS gezielte Biopsie ein Prostatakarzinom festgestellt werden. In dieser Gruppe von 66 Männer lag die mediane Rate an vorhergegangenen Biopsiesitzungen bei 2 und die Anzahl der einzelnen Stanzen bei 12 (2, 3). Elastographie Bei der Elastographie (씰Abb. 3) werden Bilder auf Basis unterschiedlicher Dichtegrade des Gewebes erstellt. Bei diesem Ultraschallverfahren wird die Prostata durch die transrektale Ultraschallsonde mit saften, rhythmischen und schnellen Druckbewegungen komprimiert und dekomprimiert. Tumorgewebe ist im Vergleich zu normalem Prostatagewebe härter und lässt sich daher weniger leicht komprimieren (4). Dieses Phänomen wird vom Ultraschallgerät verarbeitet und farbkodiert dargestellt. Harte, und somit krebsverdächtige Areale, werden farbkodiert, z.B. blau dargestellt. Solche Areale können unter lokaler Betäubung gezielt biopsiert werden. Die genaue Lokalisation erhöht die Treffsicherheit der Biopsie. Studien konnten zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, einen Tumor elastographiegesteuert zu treffen, gegenüber der randomisierten Biopsie zirka dreimal höher ist (5). Weiter konnte gezeigt werden, dass Prostatakarzinome in 72–93% der Fälle mittels Elastographie erkannt werden (6–8). Nachteilig ist die untersucherabhängige Kompressionsbewegung. HistoScanning™ ist eine Methode, die computerunterstützt die Rohdaten einer konventionellen rektalen Ultraschalluntersuchung auswertet (씰Abb. 4–6). Hierdurch kann eine genauere Unterscheidung, Visualisierung und Größenbestimmung von verändertem Prostatagewebe, vor allem bei Verdacht auf ein Prostatakarzinom erfolgen. Basierend auf rechnergestützten Auswertungen von Unterschieden im Ultraschallverhalten von Karzinomgewebe im Gegensatz zu benignen Gewebe (9, 10) werden „karzinomähnliche“ Ultraschallmuster farblich markiert. Vorteil hierbei ist die Untersucherunabhängigkeit der Methodik. Bei einer Untersuchungsdauer von rund 15 Minuten liegt die eigentliche computergestützte Auswertung direkt im Anschluss an die Untersuchung vor. Im Falle eines vorliegenden Prostatakrebses können die Tumorgröße, die Anzahl der Tumorareale und die Lokalisation in der Prostatadrüse mit hoher Treffsicherheit bestimmt werden (9, 10). Hierdurch ist eine gezielte Prostatabiopsie möglich. Zudem bietet dieses Verfahren bei gesichertem Prostatakrebs eine bessere Planung einer lokalen Therapie. Ähnlich der Elastographie kann ein im HistoScanning™ ein auffälliger Befund zielgerichtet biopsiert werden. Somit erhöht sich bei Biopsie die Wahrscheinlichkeit, die tumorverdächtigen Areale zu treffen. Folgebiopsien können damit vermindert werden. Die lokale Tumorausdehnung kann besser beurteilt werden und damit das weitere therapeutische Vorgehen (z.B. Schonung der neurovaskulären Strukturen) beeinflussen. Weitere randomisierte Studien sind jedoch erforderlich um diese Methode zu validieren. Magnetresonanztomographie (MRT) Die MRT ist ein mögliches Instrument zur Bestimmung der Ausdehnung des Lokalbefundes. Mit der 3T Magnetresonanztomographie (MRT) kann neuerdings eine Verbesserung bei der Diagnostik des Prostatakarzinoms erreicht werden. Um eine ausreichende Auflösung zur erzielen wird übli- Onkologische Welt 3/2011 © Schattauer 2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Zugor V et al.: Bildgebende Diagnostik bei Prostatakarzinom cherweise, insbesondere bei 1,5 Tesla Geräten, die Anwendung einer endorektalen Spule gefordert. Durch diese Bildgebungstechnik kann auffälliges Gewebe lokalisiert werden; zudem können die Informationen ergänzend zum Tastbefund mit in das klinische Tumorstadium einfließen. Die Empfindlichkeit des Tumornachweises kann im Vergleich und besonders in Kombination zum TRUS oder zur rektalen Tastuntersuchung allein, möglicherweise gesteigert werden. Konventionelles endorektales MRI (e-MRI, e-kMRT) Das MRT deckt morphologische Informationen auf, indem T1- und T2-gewichtete Bilder mit oder ohne einer endorektale Spirale auf. Die Prostata zeigt eine einheitliche Zwischensignalintensität bei T1-gewichteter Darstellung, obwohl die Zonalanatomie nicht klar identifiziert werden kann. Somit werden T1-gewichtete axiale Bilder von der Beckenregion hauptsächlich für die Darstellung von Lymphknoten, Knochenmetastasen und starker Drüsenblutung genutzt (11). T2-gewichtete Bilder in axialer, sagittaler und koronarer Ebene demonstrieren einen (hohen) Anstieg der Signalintensität in der peripheren, und im Kontrast eine schwache Signalintensität in der zentralen und Übergangszone (씰Abb. 8). Für die Tumorerkennung werden T2-gewichtete Bilder für die Lokalisation genutzt. Auf T2-gewichteten MR-Bildern wird am häufigsten die abfallende (niedrige) Signalintensität bei Prostatakarzinom in der normalen peripheren Zone gezeigt (12). Allerdings kann die niedrige Signalintensität in der peripheren Zone auch durch Blutungen, Prostatitis, hyperplastische Knötchen oder Folgen von Bestrahlung oder hormoneller Behandlung hervorgerufen sein (13). Die Diagnosekriterien für extrakapsuläre Ausdehnung sind Verödung des rektoprostatischen Winkels, Unregelmäßigkeiten der Prostatakontur, Asymmetrie der neurovaskulären Strukturen und angrenzende Tumorsignalintensität im periprostatischen Fettgewebe. Diagnosekriterien für Samenblaseninvasion beinhalteten signalarme Läsionen in der Samenblase Abb. 7 Computertomographie (CT Prostata) – fraglich suspekte Areale der Prostata mit möglichen Karzinominfiltrationen in der Harnblase oder direkte Extension der intensitätsarmen Masse von der Prostata bis zur Samenblase. Funktionelles e-MRI (e-fMRT) Derzeit beinhaltet ein e-fMRI die dynamisch kontrastmittelangereicherte e-MRI (e-dkMRI), die Diffusions-gewichtete Darstellungen e-MRT (e-DWI) und Spektroskopie. Das e-dkMRI ermöglicht die Beurteilung einer Tumorangiogenese. Es ist bekannt, dass die Anzahl der Gefäße im karzinomatösen Gewebe ansteigt und Tumorgefäße eine höhere Permeabilität haben (13). Experimentelle Studien haben gezeigt, dass kontrastmittelangereicherte Parameter, solche wie Übergangszeit, Blutfluss, Permeabilitätsoberfläche und interstitielles Volumen in kanzerösem Gewebe signifikant höher ist als in normalem Gewebe und deshalb Differenzierungen zwischen benignem und malignem Gewebe ermöglicht (14–17). Schnellen Darstellungstechniken, wie „gradient-echo“ Sequenzen, ist es möglich das gesamte Volumen der Prostata innerhalb weniger Sekunden zu erfassen. Abb. 8 Magnetresonanztomographie (MRT) a-b) Koronare und axiale T2-Sequenzen zeigen eine signalarme Region in der normalerweise signalreichen peripheren Zone c) Axiale T2-Sequenz zeigt eine suspekte Kontrastmittelanreicherung d) Axiale T2-DWI-Sequenz zeigt eine eingeschränkte Diffusion © Schattauer 2011 Onkologische Welt 3/2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 131 132 Zugor V et al.: Bildgebende Diagnostik bei Prostatakarzinom Abb. 9 Ein typisches Frequenzmuster einer MR-Spektroskopie bei der Prostatauntersuchung. vermehrung zu einer Erhöhung von Cholin, einem Bestandteil der Zellmembran. Citrat und Cholin lassen sich mit der MRSpektroskopie (MRS) messen. Mit der 3D-MRS wird die gesamte Prostata in kleine Volumenelemente von <1 mm unterteilt und in jedem Volumenelement Citrat und Cholin bestimmt. Bösartige Tumoren können anhand einer Erniedrigung von Citrat und einer Erhöhung von Cholin mit der 3D-MRS erkannt werden. Das Absinken des Citratgehalts und der Anstieg des Cholingehalts in der Prostata lassen sich in der Spektroskopie, die auf der Analyse unterschiedlicher Resonanzfrequenzen beruht, gut erkennen. Sie verbindet eine gute räumliche Auflösung des Organs mit der Möglichkeit, Einblicke in die Gewebezusammensetzung zu erzielen (20). Cholin-PET/CT Abb. 10 Cholin PET/CT – suspektes Areal in der Prostata durch Anreicherung des radio-aktiven Stoffes (Cholin) Engelbrecht et al. (18) und Kim et al. (19) zeigten den Nutzen der Angabe der relativen Höchstanreicherung, „wash-in“ und „wash-out“ Rate für Karzinomdetektion und Lokalisation. Jedoch existiert noch keine Übereinstimmung in punkto Akquisitionsprotokoll und optimalen Infusionsparameter, um die Tumore von normalem Gewebe zu unterscheiden; daher sind weitere Studien nötig um den klinischen Wert dieser Technik zu erfassen. Die Technik ist durch räumlich begrenzte Auflösung eingeschränkt und das potenzielle Risiko von Darstellungsverzerrung von einer Blutung vor der Biopsie, resultierend in magnetischer Ungleichmäßigkeit. Daher muss die DWI in weiteren klinischen Studien evaluiert werden. MR-Spektroskopie Ein weiters interessantes und entwicklungsfähiges Verfahren ist die MR-Spektroskopie (씰Abb. 9). Bislang war der Einsatz der MR-Spektroskopie in der Medizin auf Messungen von Gewebeproben oder von großen Organen beschränkt. Erst in den vergangenen Jahren konnte die Technik der MR-Spektroskopie so verbessert werden, dass nichtinvasiv auch kleine Organe wie die Prostata in allen drei Raumrichtungen (3D) mit hoher räumlicher Auflösung (<1 mm) untersucht werden können. Die gesunde Prostata bildet Citrat. Bei Prostataerkrankungen sinkt der Citratgehalt des Gewebes ab. Bösartige Prostatatumoren führen zusätzlich durch die Zell- In der lokalen Tumordiagnostik, besonders aber in der Ausbreitungsdiagnostik bezüglich regionären Lymphknoten und Knochensystem kommt neuerdings ein Verfahren zum Einsatz das die Schnittbild-Diagnostik mit der Visualisierung von Stoffwechselvorgängen verknüpft: Die CholinPET/CT steht für Positronen-EmissionsTomographie und CT für Computer-Tomographie (씰Abb. 7). Die PET-CT ist eine Kombination aus beiden Techniken (씰Abb. 10). Durch das Erstellen von Fusionsbildern wird möglicherweise eine präziser Informationen zur Lokalisierung von Tumoren ermöglicht. Die Positronen-Emissions-Tomographie macht Stoffwechselprozesse von Tumorzellen sichtbar. Der veränderte Stoffwechsel von Karzinomzellen lässt sich sichtbar machen, indem der Patient ein schwach radioaktiv angereichertes Zuckerderivat verabreicht bekommt. Dieses reichert sich vermehrt in den aktiven Krebszellen an und gibt Strahlung ab. So erscheinen die Tumore auf dem PET-Bild als leuchtende Punkte und können von den gesunden Geweben abgegrenzt werden. Beim Nachweis von Prostatakarzinomzellen wird der schon beschriebene Tumormarker Cholin verwendet. Als radioaktiv markierter Stoff (als C11-Cholin, in Verbindung mit einem radioaktiven Kohlenwasserstoff) wir er intravenös appliziert. Onkologische Welt 3/2011 © Schattauer 2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Zugor V et al.: Bildgebende Diagnostik bei Prostatakarzinom Fazit für die Praxis Neue und innovative bildgebende Verfahren in der Diagnostik des Prostatakarzinoms gewinnen immer mehr an Bedeutung. Eine verbesserte Bildgebung bei Diagnosestellung und in der Stadieneinteilung kann zu einer erheblichen Verbesserung bei den Therapieentscheidungen und der Behandlungsplanung führen. Welche Verfahren dauerhaft in den klinischen Alltag Eingang finden werden, ist derzeit noch unklar. Weitere Studien müssen die Wertigkeit der einzelnen Verfahren belegen. Derzeit erscheinen HistoScanning™ als Ultraschallverfahren, endorektale 3 Tesla MRT und Cholin-PET/CT als aussichtsreichste Kandidaten für eine verbesserte Diagnostik. Durch die Fusion von konventioneller CTSchnittbildtechnik und PET können die stoffwechselaktiven Areale exakt lokalisiert werden kann. Auch kleine Karzinomherde lassen sich auf diese Weise nachweisen. Präliminäre Ergebnisse zeigen jedoch, dass die Unterscheidung zwischen Prostatakarzinom, BPH und fokaler chronischer Prostatitis schwierig ist (21). Cholin- oder Azetat-basierende PET/CT-Untersuchungen sind bisher nicht ausreichend validierte bildgebende Verfahren bei Diagnose und Staging des Prostatakarzinoms. Deswegen sollten diese Untersuchungen außerhalb von Studien nur in ausgewählten Einzelfällen angewendet werden, auch in Bezug auf Patienten mit einem biochemischen Rezidiv (20). Literatur 1. Flanigan RC et al. Accuracy of digital rectal examination and transrectal ultrasonography in localizing prostate cancer. J Urol 1994; 152: 1506–1509. 2. Loch T. Computerized supported transrectal ultrasound (C-TRUS) in the diagnosis of prostate cancer. Urologe A 2004; 43(11): 1377–1384. 3. Loch T. Computerized transrectal ultrasound (C-TRUS) of the prostate: detection of cancer in patients with multiple negative systematic random biopsies. World J Urol 2007; 25(4): 375–380. 4. Pallwein L et al. Comparison of sonoelastography guided biopsy with systematic biopsy: impact on prostate cancer detection. Eur Radiol 2007; 17(9): 2278–2285. 5. Krouskop TA et al. Dinnerences in the compressive stress-strain response of infiltrating ductal carcinomas with and without lobular features-implications for mammography and elastography. Ultrason Imaging 2003; 25(3); 162–170. 6. Pallwein L et al. Sonoelastography of the prostate: comparison with systematic biopsy findings in 492 patients. Eur J Radiol 2008; 65(2): 304–310. 7. Sumura M et al. Initial evaluation of prostate cancer with real-time elastography based on step-section pathologic analysis after radical prostatectomy: a preliminary study. Int J Urol 2007; 14(9): 811–816. 8. Miyanaga N, Akaza H, Yamakawa M. Tissue elasticity imaging for diagnosis of prostate cancer: a preliminary report. Int J Urol 2006; 13(12): 1514–1518. 9. Braeckman J et al. Computer-aided ultrasonography (HistoScanning): a novel technology for locating and characterizing prostate cancer. BJU International 2008; 101(3): 293–298. 10. Braeckmann J et al. The ability of Prostate HistoScanning to identify low volume prostate cancer tumour foci. Accepted for publication at the ESR 2008 annual scientific meeting. March 26–28, 2008. Milan, Italy. 11. Aigner F et al. Value of magnetic resonance imaging in prostate cancer diagnosis. World J Urol 2007; 25(4): 351–359. 12. Schnall MD, Pollack HM. Magnetic resonance imaging of the prostate. Urol Radiol 1990; 12: 109–114. 13. Ikonen S et al. Optimal timing of post-biopsy MR imaging of the prostate. Acta Radiol 2001; 42: 70–73. 14. Brix G al. Pharmacokinetic parameters in CNS GdDTPA enhanced MRI. J Comput Assist Tomogr 1991; 15: 621–628. 15. Buckley DL et al. Prostate cancer: evaluation of vascular characteristics with dynamic contrast enhanced T1-weighted MR imaging – initial experience. Radiology 2004; 233: 709–715. 16. Hawighorst H et al. Pharmacokinetic MRI for assessment of malignant glioma response to stereotactic radiotherapy: initial results. J Magn Reson Imaging 1998; 8: 783–788. 17. Hofmann U MV et al. Pharmacokinetic mapping of the breast: a new method for dynamic MR-mammography. Magn Reson Med 1995; 33: 506–514. 18. Engelbrecht MR et al. Discrimination of prostate cancer from normal peripheral zone and central gland tissue by using dynamic contrast-enhanced MR imaging. Radiology 2003; 229(1): 248–254. 19. Kim JK et al. Wash-in rate on the basis of dynamic contrast-enhanced MRI: usefulness for prostate cancer detection and localization. J Magn Reson Imaging 2005; 22: 639–646. 20. Seitz M et al. Imaging procedures to diagnose prostate cancer. Urologe A 2007; 46(10): W1435-W1446. 21. Reske SN, Blumstein NM, Glatting G. PET and PET/CT in relapsing prostate carcinoma. Urologe A 2006; 45(10): 1240, 1242–4, 1246–8, 1250. © Schattauer 2011 Onkologische Welt 3/2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 133 Kongressnachlese EAU 2011 134 Highlights von der Jahresversammlung der European Association of Urology Neue Entwicklungen bei urologischen Karzinomen im Fokus Mehr als 15 000 Urologen besuchten den Jahreskongress der EAU in Wien. Erfahrungsgemäß nehmen die urologischen Tumore – insbesondere das Prostatakarzinom – einen breiten Raum ein. Gerade beim Prostatakarzinom gibt es einige medikamentöse Neuentwicklungen, die wie Cabazitaxel bereits zugelassen sind oder wie Padeliporfin noch in den Studien überprüft werden. Aber auch bei den anderen Tumoren wie dem Nierenzellkarzinom und dem Urothelkarzinom gibt es interessante Neuentwicklungen. Der erste Preis des „Residents-in-Urology Award 2011“ für den besten Abstract gewann eine belgische Arbeitsgruppe aus Leuven (씰Kasten „Resident in Urology Award“) Wie machen wir es richtig? Ebenso wie die Pharmakotherapie befinden sich auch die chirurgischen Interventionen beim Nierenzellkarzinom in einer Evolutionsphase. Hier hat sich die partielle Nephrektomie neben der Radikaloperation als Standard durchgesetzt. Aber wie soll die Operation erfolgen – offen, laparoskopisch oder Roboter-assistiert? Dieser Fragestellung stellten sich mehrere Experten im der finalen Plenarsitzung im Rahmen de EAU. Der innovativste Ansatz kam aus Deutschland. Prof. Michael Stöckle, Homburg, plädierte für den Einsatz des Roboters bei der Nierenresektion. „Wir können den Blutverlust minimieren sowie Schmerzen deutlich reduzieren“. Er favorisierte die Nierenteilresektion. Nach seiner Ansicht steht der durch die radikale Nierenoperation herbeigeführte Verlust an Nierenfunktion in keinem Verhältnis zum unterschiedlichen Erfolg beider Operationsmethoden. Er räumte ein, dass die Roboter-assistierte Operation eine Lernkurve verlangt, dann aber sehr sicher und gut beherrschbar wäre. Resident in Urology Award Grundlagenforschung Nierenzellkarzinom Für ihre Grundlagenforschung zum Nierenzellkarzinom erhielt eine belgische Arbeitsgruppe aus Leuven um J. Berkers den erste Preis des „Residents-in-Urology Award 2011“. Sie untersuchten die Zusammenhänge zwischen der MicroRNA-141-Expression und dem Ansprechen auf Sunitinib (1). Sunitinib ist die erste zielgerichtete Substanz beim fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom und die Ansprechrate auf die Substanz betrug in den klinischen Studien etwa 40%. Gesucht werden auch hier Marker, die darüber Auskunft geben können, ob der Patient darauf anspricht. Beim Menschen kennt man inzwischen mehr als 500 MicroRNAs, wovon jede die Aktivität mehrerer Gene beeinflusst. MicroRNA-141 ist bei verschiedenen Tumoren mit der Proliferation und Invasion des Malignoms assoziiert. Bei der Untersuchung von Gewebeproben von 20 Patienten, die mit Sunitinib zwischen 2006 und 2010 behandelt wurden, zeigte sich, dass die Expression der MicroRNA-141 bei schlechten Respondern signifikant niedriger war (p = 0,0098) (씰Abb. 1). Als schlechte Responder wurden Patienten einge- stuft, die innerhalb von 6 Monaten eine Progression der Erkrankung erlitten. Dieser Zusammenhang zwischen der Herunterregulierung der MicroRNA sollte nun noch in größeren Präsentation der Wissenschaftspreise – der 1. Preis ging nach Belgien (Foto: P. Henning, Stuttgart) Studien validiert werden, könnte aber zukünftig nach Einschätzung der Fachleute ein wichtiger Hinweis sein. Bettina Reich, Hamburg Literatur Abb. 1 Expression von MicroRNA-141 bei Patienten mit einem mRCC in Abhängigkeit von einer guten und schlechten Response auf die Therapie mit Sunitinib. 1. Berkers JHM et al. MicroRNA-141 expression in clear cell renal cell carcinoma is linked with sunitinib response. EAU 2011, Abstract 740. Onkologische Welt 3/2011 © Schattauer 2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kongressnachlese EAU 2011 135 Neue Zweitlinientherapie beim mHRPC Pünktlich zum EAU-Kongress kam die Zulassung von Cabazitaxel (Jevtana®) in Kombination mit Prednison zur Zweitlinientherapie beim metastasierten hormonrefraktären Prostatakarzinom (mHRPC): Damit konnte das Gesamtüberleben von Patienten mit mHRPC, die unter Docetaxel progredient sind, signifikant verlängert werden, so Prof. Stephane Oudard, Paris/ Frankreich. Basis für die Zulassung war die TROPIC-Studie. In dieser multizentrischen, randomisierten Phase-III-Studie mit 755 Patienten kam es unter Cabazitaxel zu einer statistisch signifikanten und klinisch relevanten Verlängerung des primären Endpunkts Gesamtüberlebens im Vergleich zu Mitoxantron (1). Das mediane Gesamtüberleben lag im Cabazitaxel-Arm bei 15,1 Monate im Vergleich zu 12,7 Monaten im Mitoxantron-Arm (HR 0,70 95% CI: 0,59–0,83), p<00001). Dies entspricht einer 30%igen Reduktion des Mortalitätsrisikos. Außerdem war eine signifikante Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS; sekundärer Endpunkt) unter Cabazitaxel zu beobachten (2,8 Monate vs. 1,4 Monate im Mitoxantron-Arm; HR 0,74; CI: 0,64–0,86; p<0,00001). Eine Krankheitskontrolle (CR + PR + SD) wurde bei 61,7% in der CabazitaxelGruppe im Vergleich zu 47,5% in der Mitoxantron-Gruppe erzielt. Die häufigsten relevanten Therapie-assoziierten Nebenwirkungen mit Cabazitaxel waren hämatologischer Art (Grad 3/4: Neutropenie (81,7%); febrile Neutropenie (7,5%); Anämie (10,5%). Dies erfordert ein aufmerksames Nebenwirkungsmanagement, insbesondere der Neutropenie, erläuterte Oudard. Die Therapie wird bereits in den aktuellen Leitlinien der EAU zur Zweitlinientherapie nach Docetaxel empfohlen. Momentan wird Cabazitaxel auch in der Erstlinientherapie in einer Dosis von 25 oder 20 mg/m2 gegen Docetaxel getestet. Eingangsbereich zum Kongressgebäude (Foto: P. Henning, Stuttgart) sich auch beim Prostatakarzinom in der Untersuchung. Hierbei spritzt man eine Substanz direkt in die Prostata, die sich im Tumor anreichert und diesen nach Aktivierung mit Licht einer geeigneten Wellenlänge schädigt. Auf dem EAU stellte Prof. Abdel Rahmene Azzouzi, Angers/Frankreich, zwei Phase-II-Studien über sechs Monate mit einem BacteriochlorophyllDerivat als Photosensibilisator vor, welches als Photosensibilisator arbeitet (2). Dazu wurde die Substanz Padeliporfin in die Prostata eingebracht und mit Licht bestrahlt. Im Rahmen der beiden Studien zeigte sich, dass 4 mg/kg die optimalste Dosis für die PDT ist. Damit konnte eine Rate an 83% negativen Biopsien erzielt werden. Die Nebenwirkungsrate war in den Studien gering und die Lebensqualität der Patienten nicht beeinträchtigt. Eine Phase-III-Studie wurde inzwischen begonnen. Neues orales Antiandrogen in der Pipeline Männer mit einem fortgeschrittenen Prostatakarzinom haben nach Versagen der Antiandro- gentherapie nur noch limitierte Behandlungsoptionen. Die Chemotherapie bietet beim kastrationsresistenten PCa zwar eine Überlebenszeitverlängerung, aber sie ist meist von einer hohen Toxizität begleitet. Neue Therapieoptionen werden daher dringend benötigt, erklärte Prof. Kurt Miller, Berlin. Mit MDV3100 befindet sich ein orales Antiandrogen in der Entwicklung, welches die Androgenspiegel wesentlich starker erniedrigen könnte als bisherige Therapien und zudem gut verträglich ist. Bei MDV3100 handelt es sich um ein Antiandrogen der zweiten Generation. Im präklinischen Modell verzögerte die Substanz das Wachstum von Tumorzellen und induzierte bei Bicalutamid-resistenten Tumoren den Zelltod über drei verschiedene Signalwege: ● direkte Antagonisierung des Androgenrezeptors mit hoher Rezeptoraffinität ● Hemmung der Transkription des mutierten Androgenrezeptorproteins sowie ● Inhibition der Rezeptors-DANN-Bindung (3). In einer aktuell vorgestellten Phase-II-Studie wurden Chemotherapie-naiven Patienten oder Mit Phototherapie gegen das Prostatakarzinom Seit einigen Jahren werden mit Hochdruck neue, minimal invasive Methoden zur lokalen Behandlung des Prostatakarzinoms entwickelt: Die PDT (photodynamische Therapie) befindet Eine MultimediaAusstellung zu Geschichte der EAU (Foto: P. Henning, Stuttgart) © Schattauer 2011 Onkologische Welt 3/2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kongressnachlese EAU 2011 136 Tab. 1 Behandlung von Patienten mit kastrationsresistentem PCa (n = 140) mit MDV3100 Chemotherapie-naiv Vorbehandelt Mediane Dauer bis zur PSA-Progression (PSA-Anstieg ≥ 25%) Nicht erreicht 33 Wochen Mediane Dauer bis zur PSA-Progression (nach Def. der Prostata Working Group) 41 Wochen 20 Wochen Mediane Dauer bis zur radiografischen Progression 56 Wochen 24 Wochen „Nehmt ein hübsches Souvenir mit aus der kaiserlichen Welt! Alles innig, lieb und sinnig, so wie es euch gefällt: KITSCH!“ (Zit. nach: Kunze M, Levay S. Elisabeth -– Musical; aus dem Lied Kitsch!; Foto: P. Henning, Stuttgart) solche, die gegen Bicalutamid oder andere Standard-Anti-Androgene resistent geworden waren, mit der Substanz behandelt (4). Die mediane Therapiedauer betrug 51 Wochen bei den Chemotherapie-naiven Patienten bzw. 17 Wochen bei den vorbehandelten Patienten. Die antitumorale Aktivität zeigte sich in einer Reduktion der PSA-Progression (definiert als PSAAnstieg von ≥25%). Diese wurde in der Gruppe der Chemotherapie-naiven Patienten noch nicht erreicht, nach Chemotherapie betrug sie 33 Wochen (씰Tab. 1). Die Verträglichkeit war meist gut bei Dosen bis zu 240 mg/Tag, Fatigue war die am häufigsten berichtete Nebenwirkung. Miller sieht Möglichkeiten, die Substanz schon sehr früh in der Behandlung des kastrationsresistenten PCa einzusetzen. Momentan erfolgt die Überprüfung des neuen Androgen-Rezeptor-Antagonisten MDV3100 in zwei internationalen Phase-IIIStudien. Die AFFIRM-Studie bezieht Männer mit hormonrefraktärem, fortgeschrittenem Prostatakarzinom ein, die vorher mit Docetaxel-basierter Chemotherapie behandelt wurden. Die PREVAIL-Studie ist für Chemotherapie-naïve Patienten ausgelegt. Urothelkarzinom – längeres Überleben durch Vinflunin Heilige Dreifaltigkeit der Pestsäule Wien am Graben (Foto: P. Henning, Stuttgart) Nachdem es bisher keinen Standard in der Zweitlinientherapie beim fortgeschrittenen Urothelkarzinom gab, hat sich Vinflunin nun in diesem Bereich etabliert. Nachdem die Substanz bereits in zwei Phase-II-Studien seine Wirksamkeit in der Zweitlinientherapie unter Beweis gestellt hatte, wurde Vinflunin in einer Phase-III-Studie bei insgesamt 370 Patienten untersucht. Diese erhielten entweder Vinflunin plus Best Supportive Care (BSC) bis zum Progress (n = 253) oder BSC allein für 18 Wochen (n = 117). Hinsichtlich des primären Endpunkts – des Gesamtüberlebens – zeigte sich in der ersten Analyse nach 1,8 Jahren ein Vorteil für Vinflunin. Die prospektiv geplante Multivarianzanalyse nach Adjustierung für vorab definierte prognostische Faktoren ergab einen signifikanten Überlebensvorteil zugunsten von Vinflunin mit einer Reduktion des relativen Sterberisikos um 23% gegenüber dem BSC-Arm (HR 0,77; p = 0,036). Eine Auswertung der geeigneten Patienten nach Ausschluss aller Patienten mit essenziellen Protokollverletzungen belegte ebenfalls einen statistisch signifikanten Überlebensvorteil von 2,6 Monaten im Vinflunin-Arm (6,9 vs. 4,3 Monate; p = 0,0403). Ein weiteres Update nach median 3,5 Jahren Follow-up untermauert noch einmal den positiven und statistisch signifikanten Effekt von Vinflunin auf das Gesamtüberleben in der Zweitlinie. Darüber hinaus wurde auch hinsichtlich der sekundären Endpunkte wie Gesamtansprechrate (ORR), progressionsfreies Überleben (PFS) sowie der Krankheitskontrolle (DC) ein signifikanter Vorteil durch Vinflunin erzielt. Zudem belegen die Studienergebnisse, dass mit Vinflunin eine adäquate Krankheitskontrolle erreicht wird, was sich auch in einem Erhalt der Lebensqualität und einer guter Symptombeherrschung – insbesondere der Schmerzen – widerspiegelt. Prof. Jürgen Gschwend, München, betonte abschließend, dass Vinflunin ein vorhersehbares, akzeptables und in der Praxis gut handhabbares Verträglichkeitsprofil besitzt. Bettina Reich, Hamburg Literatur 1. Tombal B et al. Clinical benefit of cabazitaxel plus prednisone in the TROPIC trial in men with metastatic castration resistant prostate cancer (mCRPC) who progressed after docetaxel-based treatment. 2. Azzouzi AR et al. Results of TOOKAD® Soluble Vascular Targeted Photodynamic therapy (VTP) for low risk localized prostate cancer (PCM201/PCM203). 3. Tran C et al. Science. 2009;324:787. 4. Higano C et al. Long-term efficacy results from the phase 1–2 study of MDV3100 in pre- and post-docetaxel advanced prostate cancer Quelle: 26. Jahresversammlung der European Association of Urology (EAU) vom 18. bis 22. März,2011, Wien Onkologische Welt 3/2011 © Schattauer 2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kongressnachlese EAU 2011 137 Translationale Forschung und multidisziplinärer Ansätze in der Uro-Onkologie se nach anderen Angaben bei im median 43,4 Millionen $ (13) (Anmerkung d. Redaktion). Von Standardtherapien und kontroversen Ansätzen Neue Herangehensweise an Marker für Blasenkrebs Die gemeinsame Sitzung von EORTC GU, ESUR und ESOU diskutierte im Rahmen des EAU umfassend die modernsten Standardtherapien und kontroverse Ansätze in der Uro-Onkologie. Das Prostatakarzinom entwickelt sich über die Jahre in einem Kontinuum. Ausgehend von lokalisiert (T1–2, N0, M0) über lokal fortgeschritten (T3–4, alle N, M0 oder alle T, N+, M0), dann fortgeschritten (alle T, alle N, M+) hin zur Palliativtherapie (kastrationsresistent). Experimentelle Ansätze beim Prostatakarzinom Für Hing Y. Leung, Universität Glasgow gibt es prinzipiell drei experimentelle und klinische Ansätze zur Verbesserung der Chemotherapie beim Prostata-Karzinom (P-Ca). Ansatz 1 ist das Optimieren der bereits bestehenden Therapiemöglichkeiten. So können vom Taxan abgeleitete Substanzen die Chemotherapie verbessern: Cabazitaxel – zugelassen in der Zweitlinientherapie beim mHRPC (siehe S. 135) wird weniger von der P-Glykoprotein-Efflux-Pumpe (PgP) erfasst (1). Ein weiterer Ansatz ist die Identifikation neuer Therapieziele. Dies geschieht einmal auf der Ebene von In-vitro-Modellen. Hierzu gehören phänotypisch modifizierte Zellmodelle wie zum Beispiel invasive, Chemotherapie(Docetaxel)-resistente Zellen, CRPC und das RNA-Interferenz (RNAi)-Screening. Ein Tubulin-bindendes Agens der Kinesin5-Familie ist das S-trityl-L-cystein (STLC), ein spezifischer Inhibitor von Eg5. Leung präsentierte Daten von Carolyn Witlshire, die zeigen, dass STLC eine sogenannte monastrale bipolare Spindelbildung (2) statt einer normalen bipolaren Spindelbildung induziert. Werden LNCaP und Docetaxel-resistente LNCaP-Zellen mit STLC behandelt, so kommt es bei beiden Zell-Linen gleichermaßen zum Zelltod. PC3M und Docetaxel-resistente PC3M sprechen ebenfalls auf STLC an. Wichtig, so Leung, ist die Erkenntnis, dass es unter einer Taxan-basierten Chemotherapie zu einer Androgen-Rezeptor-Aktivierung (Augmentation) kommt. Eine weitere Zielfindungsmethode ist das RNAi-Screening, eine Technik, bei der systematisch der Effekt eines einzelnen Gens des Genoms auf das interessierende Protein untersucht werden kann. So können Proteine identifiziert werden, die einen Phänotyp verstärken oder reduzieren, beispielsweise Zelltod, Metastase; in Verbindung mit einem weiteren Agens oder innerhalb eines bestimmten genetischen Hintergrundes. Diese „synthetische Letalität“ kann dann dazu herangezogen werden, die Wirksamkeit bestehender Chemotherapeutika zu verbessern und die Empfindlichkeit spezifischer Tumortypen zu identifizieren. Der dritte Ansatz ist die Entdeckung von neuen Medikamenten. Hierzu merkte Leung an, dass mehr als eine Milliarde $ über einen Zeitraum von 12 Jahren notwendig ist bis zur Marktreife eines neuen Medikaments (3). Die Kosten für die Neuentwicklung eines Arzneimittels werden jedoch sehr unterschidelich eingeschätzt (12) und liegen beispielswei- Ellen C. Zwarthoff, Rotterdam, diskutierte Marker zur Detektion von Blasenkrebs, die mindestens in 2 unabhängigen Studien untersucht wurden. Sie beantwortete die Frage, warum FGFR3-Mutationstest zur Detektion von rezidivierenden Tumoren im Urin eingesetzt werden sollten. Für Rezidive von Tumoren, die kleiner als der Primärtumor und niedriggradig sind, ist ein Test notwendig, der speziell diese Subgruppe anspricht. 60–70% der NMI-BC (Non Muscle Invasive Bladder Cancer) haben eine Mutation in FGFR3. Mutationen werden ausschließlich in Tumoren gefunden, daher liegt die Genauigkeit des Tests bei 100%. Der Test bietet gegenüber der Zytoskopie den Vorteil nicht-invasiv zu sein, das Ergebnis liegt jedoch erst nach einigen Tagen vor und hat eine Sensitivität von 68–100%. Werden Urintest und Zytoskopie kombiniert, so lassen sich Blasenkrebsrezidive besser entdecken. Denkbar ist, Biomarker einzusetzen zur Vorhersage der Prognose in Bezug auf die Rückfallrate bei NMI-BC, die Progression zu MI-BC und das Überleben bei MI-BC. Biomarker und zielgerichtete Therapien Zu den möglichen Zielen gehören FGFR3, EGFR, VEGFR, ERBB2, PIK3CA, RAS und TOR. Wie Zwarthoff folgert, kann eine FGFR3-Muta- Tagungsort AustriaCenter, Wien (Foto: P. Henning, Stuttgart) © Schattauer 2011 Onkologische Welt 3/2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kongressnachlese EAU 2011 138 Diskussion im Foyer des Austria-Centers (Foto: P. Henning, Stuttgart) tion eine benigne Subgruppe von Blasentumoren identifizieren. Sie empfiehlt die FGFR3-Analyse und eine Zytoskopie zur Kontrolle in Betracht zu ziehen. Für Rezidiv-Raten existieren keine Marker. Mehrere Marker sind bestätigt für die Progression des MI-BC. Myopodin ist ein vielversprechender Marker für T1G3. Zellzyklus-Marker sagen das Überleben bei MI-BC voraus und Zielgerichtete Therapien sollten bei hochgradigem Blasenkrebs in Erwägung gezogen werden, so Zwarthoff. Hodentumore – offene Fragen Die altersadjustierte Inzidenz für Hodentumoren pro 10 000 Personen Männer ist zwischen 1973 und 1997 von ca. 3,5 auf rund 5,5 gestiegen, betonte Prof. Susanne Osanto, Klinische Onkologie, Leiden, Niederlande. Die Mammakarzinom-Inzidenz ist im gleichen Zeitraum von etwa 100 auf rund 140 gestiegen – zumindest sind das deutliche Differenzen in den Steigerungsraten – wenn auch auf unterschiedlichem Niveau. Die Mortalitätsraten für das Hodenkarzinom unterscheiden sich in Europa erheblich. 1995 lag die Mortalität Deutschland mit deutlich mehr als 5% noch etwas unterhalb des westeuropäischen Durchschnitts; trauriger Spitzenreiter zu diesem Zeitpunkt war Mazedonien mit 30% (4). Nach dem derzeit gültigen Paradigma gilt laut Osanto für Hodentumore: ● Hohe Ansprechraten und Heilung nach Erstlinientherapie, moderat-hohe Ansprechrate auf die Zweitlinien-Chemotherapie. ● Die Chemotherapie ist der Schlüssel zur Therapieerfolg in der metastasierten Situation. ● ● Hodenkrebs ist hoch radiosensitiv. Die Chirurgie bleibt eine wichtige Behandlungsoption. Die Zusammenarbeit in einem multimodalen Team ist essenziell. Die Chirurgie einer Resterkrankung und die Notfall-OP stellen eine Herausforderung dar. In der Erstlinien-Chemotherapie für Patienten mit schlechter Prognose ist bisher kein bestes Therapie-Regimen definiert. Hier sind gut kontrollierte Studien nötig, forderte Osanto. Studien seien statistisch unterpowert, da eine adäquate Rekrutierung von Patienten in RCT (randomized contolled trials) mit ausreichender statistischer Power nicht erreicht werde, um einen aussagefähigen Unterschied zu erzielen. In Ermangelung aussagekräftiger Studien bleibt der Behandlungsstandard in der Erstlinien-Therapie bei Patienten mit schlechter Prognose 4 Zyklen BEP (Bleomycin, Etoposid, Cisplatin). Bei überlebensfähigen Tumorzellen in Resektionsproben werden 2 zusätzliche Chemotherapie-Zyklen gegeben, dies sollte jedoch in erfahrenen Zentren geschehen, so die Expertin. Im Falle einer R0-Resektion von lebensfähigen Rest-Tumorzellen <10% im Resektat, ist es fraglich, ob eine vertiefende Chemotherapie nicht indiziert ist. Retrospektive Daten hierzu sind kontrovers. Ein optimales Notfall-Regimen in der Zweitund Drittlinien-Chemotherapie ist bisher nicht durch RTCs definiert. Es werden verschiedene Regimen genutzt. Eine große retrospektive Analyse von 1594 Patienten zwischen 1990–2008 con 38 Zentren (5) identifizierte 5 prognostische Gruppen mit signifikant unterschiedlichen Überlebensraten (Histologie, Lage des Primärtumors, Ansprechen auf Erstlinien-Chemotherapie, progressionsfreies Überleben, Leber-/Knochen-/GehirnMetastasen). Die Studie ergab jedoch keine definitive Antwort auf die Frage nach konventioneller Dosis vs. Hochdosis-Chemotherapie bei Rezidiv oder refraktärem Hodenkrebs, kommentierte Osanto. Somit bleiben offene Fragen. In der Erstlinien-Chemotherapie mit schlechter Prognose für Keimzelltumore ist die Hochdosis-Chemotherapie nicht besser. Bei Zweit- und Drittlinien-Notfall-Regimen bei rezidivierenden Keimzelltumoren gibt es keine RCT-Vergleichsstudien für VIP, Ve-IP, TIP. Drei RCT haben gezeigt, dass eine Hochdosis-Chemotherapie nicht besser ist, so das Fazit von Osanto. Erweiterte LymphknotenDissektion beim ProstataKarzinom Wie in der Online-Enzyklopädie Wikipedia nachzulesen ist, wurden den Wiener Fiakerpferden – hier vor der Hofburg – 2004 das Tragen von Pferdewindeln per Landesgesetz verordnet (Foto: P. Henning, Stuttgart) Steven Joniau, Universitätsklinikum Leuven, Belgien, ging auf das sehr kontrovers diskutierte Thema der Lymphknoten (LN)-Dissektion ein. Bei der Diskussion um den Erfolg einer Lymphknoten-Dissektion ist – besonders bei der statistischen Auswertung – zu berücksichtigen, Onkologische Welt 3/2011 © Schattauer 2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kongressnachlese EAU 2011 139 dass je mehr Knoten entfernt werden, desto weniger positive Knoten gesehen werden, weil es insgesamt weniger Knoten werden. Die Inzidenz von LN positivem Prostata-Karzinom in der PSA-Ära scheint niedrig zu sein, sie mag jedoch unterschätzt werden, aufgrund einer abnehmenden Rate und Ausdehnung von Becken-Lymphknoten-Dissektionen (pLND). Die pLND liefert das genaueste Staging. Dies ist von besonderer Bedeutung für die Erfolgs-Prognose und die Durchführung adjuvanten Therapie-Strategien. Bei LN-positiven Patienten resultiert das Entfernen des Primärtumors in einem signifikanten Überlebensvorteil gegenüber dem Überlassen einer radikalen Prostatektomie Die Charakteristika des Primärtumors sind für die Erfolgs-Prognose mindestens so wichtig wie die Anzahl an positiven LN. Die pLND allein könnte Patienten mit begrenzter LN-Beteiligung heilen, andererseits sind >2 beteiligte Knoten ein unabhängiger Prediktor für ein schlechteres CSS (cancer specific survival). Diese Patienten erfordern einen multimodalen Ansatz. Das sehr extensive Entfernen von pLND (>20 Knoten) bei Hochristiko-P-Ca-Patienten könnte das Todesrisiko jedweder Ursache verringern. Dieser Effekt kann jedoch nicht die Unterschiede im CSS erklären. Diese Beobachtung müssen weitergehend bestätigt werden, forderte Joniau. Zudem mahnte er an, dass weiter Untersuchungen in diesem Gebiet dringen erforderlich seien, vorzugsweise durch prospektive Studien, die eine begrenzte LND mit einer erweiterten LND vergleichen bei HochrisikoP-Ca-Patienten, zusätzlich mit einer Radiotherapie oder Hormontherapie, wenn diese angebracht sind. Der Blaue Reiter in der Albertina Kunstgenuss in Wien Wien als attraktiver Kongress-Standort bietet ein vielfältiges Kulturangebot. Neben den bekannten Hauptattraktionen „imperiales Wien“ mit Hofburg, Ringstraße und Schönbrunn bot sich den Kongressteilnehmern die Gelegenheit die Ausstellung „Der Blaue Reiter“ in der Albertina zu besichtigen. Nicht wenige Kongressteilnehmer haben die Gelegenheit genutzt, Wien zu erkunden – gut erkennbar im Straßenbild an den Kongresstaschen. Zahlreiche Besucher nutzten so auch die Gelegenheit für einen Abstecher in die Albertina, in der – zufällig parallel zum Kongress – die Sonderausstellung „Der Blaue Reiter“ in reizvoller Weise graphische Blätter der Künstlergruppe um Franz Marc und Wassily Kandinsky aus dem Lenbachhaus in München und den Beständen der Albertina zusammenführt. Im Rahmen der Ausstellung ist gut nachzuvollziehen, wie die Künstlergruppe den Bogen spannt von den bewusst schlichten und am Gegenstand orientierten Zeichnungen Gabriele Münters oder auch August Mackes über die filigrane Linienkunst Paul Klees, die bildhaft ausgearbeiteten, stilisierten Tiersymbole Marcs bis zu den abstrakten Aquarellen Kandinskys. Kernstück der Ausstellung sind die Arbeiten von Kandinsky, die neben den bereits erwähnten Künstlern ergänzt werden durch Werke von Heinrich Capendonk, Lyonel Feininger, Alexej Jawlensky, Alfred Kubin und Marianne von Werefkin. Wassily Kandinsky, Entwurf für den Umschlag des Almanach „Der Blaue Reiter“, 1911, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München © VBK Wien, 2011 Die Ausstellung ist verlängert bis zum 29. Mai 2011. Zur Ausstellung ist ein Katalog zum Preis von 29 Euro erschienen und im Shop der Albertina erhältlich. Peter Henning, Stuttgart Quelle: Pressemitteilung Albertina, Wien Zweitlinientherapie beim metastasierten ProstataKarzinom Prof. Axel Heidenreich, Klinik für Urologie, Aachen, der in Vertretung von S. Ciuline, Montpellier, Frankreich, sprach, diskutierte die Frage einer Zweitlinien-Hormontherapie für das metastasierte Prostata-Karzinom (P-Ca). Die therapeutische Wirksamkeit der Standard-Antiandrogen-Behandlung (ADT) ist begrenzt durch die Reduktion aber nicht Elimination von Androgenen im Zielgewebe und die verbleibende Alte und Neue Welt in der Kunst – drei Ausstellungen in der Albertina, Wien (Foto: P. Henning, Stuttgart) © Schattauer 2011 Onkologische Welt 3/2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kongressnachlese EAU 2011 140 ● Neue EAU-Guidelines 2011 Zum Kongress in Wien hat die European Association of Urology die Ausgabe 2011 der neuen Leitlinien vorgelegt. Der Leitlinienband ist in Wien am Stand der EAA an alle Mitglieder der Fachgesellschaft kostenlos verteilt worden. Wie Keith F. Parsons, Präsident des EAU Leitlinien-Büros, in seinem Geleitwort betont, ist das Erstellen von Leitlinien ein kontinuierlicher Prozess und die Rückmeldungen der Nutzer sind ausschlaggebend für die Bemühungen um die Leitlinien. Im vergangenen Jahr hatte die EAU eine E-Mail-Befragung unter ihren Mitgliedern vorgenommen, um den Nutzen ihrer Leitlinien zu hinterfragen. Für die Anwendbarkeit jedes Abschnitts in der Praxis sollte der Bedeutungsgrad eingeschätzt werden. Im Ergebnis werden die Leitlinien als hoch-relevant für die klinisch-urologische Praxis erachtet. P. Henning, Stuttgart Den Leitlinien Gesichter geben (Foto: P. Henning, Stuttgart) Am Stand der EAU erhielten die Mitglieder der Gesellschaft die neu erschienenen Leitlinien (Foto: P. Henning, Stuttgart). intakte Androgen-Rezeptor-Expression und Signalwirkung. Eine Standard-Zweitlinientherapie verlängert das progressionsfreie Überleben, hat jedoch keinen Einfluss auf das Gesamtüberleben. Zu den Nachteilen einer klassischen AndrogenDeprivationstherapie (ADT) gehören ● Resistenz tritt typischerweise nach etwa 18–24 Monaten auf ● ● ● Die zeitnahe Behandlungsoption reduziert zwar die Androgene am Zielgewebe, eliminiert sie jedoch nicht. Das Dihydrotestosteron in der Prostata wird lediglich um 50–70% reduziert. Die Testosteron-Konzentration im kastrationsresistenten Prostata-Karzinom (CRPC) ist vergleichbar der einer benignen Prostata-Hyperplasie (BPH). Die Androgen-Rezepor-(AR)Expression und das AR-Signal bleibt erhalten nach einer ADT, selbst beim CRPC. Deshalb, so Heidenreich, seien Medikamente notwendig, die den AR-Signalweg effektiver unterbrechen. Die vielversprechendsten Ansätze könnten für das hormon-Naive P-Ca oder das nicht-kastrationsresistente Prostata-Karzinom die Lyase-Inhibitoren sein sowie neue Antiandrogene wie das MDV3100 sein. Das Toxizitäts-Profil sollte minimal sein, da es sich um eine nicht-kurative Therapie handelt, so Heidenreich. Lyase-Inhibitoren regulieren die adrenale Androgen-Synthese herunter durch die Inhibition von 17α-Hydroxylase und C17/20-Lyase. Der hochspezifische 17α-Hydroxylase-Inhibitor Abirateron-Acetat zeichnet sich durch seine Selektivität zu CYP450c17 aus und inhibiert so die adrenale Androgen-Synthese. Das Prodrug Abirateron-Acetat wird nach der Absorption durch eine Esterase zu Abirateron deacetyliert. Es reduziert die Serum-Cortisol-Konzentration mit einem entsprechenden Anstieg von ACTH und unterdrückt signifikant die androgenen Steroide und Östrogene im Serum, erläuterte Heidenreich. In Phase-II-Studien hat Abirateron vor und nach Docetaxel eine Anti-Tumor-Aktivität gezeigt (6, 7). Eine weitere Substanz, das MDV3100, zeigt eine gegenüber Bicatulamid erhöhte Bindung an den AR. Es verhindert die AR-Verschiebung zum Nukelus und hemmt so das Tumorwachstum. In einer Studie (8) erhielten 140 Patienten mit progressivem CRCP eine orale Dosis von 30–600 mg/Tag in Gruppen von 3–6 Patienten. Der PSA sank um >50% in der 12. Woche bei 57% und um 36% für Chemotherapie-naive und vorbehandelte Patienten (p = 0,02). Es gab keinen Unterschied in den Reduktionsraten des PSA in Abhängigkeit von hormonellen oder zytotoxischen Regimen. Signifikante Unterschiede gab es zwischen Patienten ohne (69%) und mit (49%) Ketokonazol-Vorbehandlung (p<0,001). Die Progressionsdaten ergeben bessere und verlängerte Ergebnisse für die Chemotherapie-naive Patienten, bisher liegen jedoch keine Daten zum Überleben vor, führte Heidenreich aus. Für ihn ist MDV eine vielversprechende Substanz sowohl für Chemotherapie-naive als auch vorbehandelte Patienten. Eine prospektive randomisierte Phase-III-Studie zu MDV3100 vs. Placebo für vorbehandelte Patienten ist be- Onkologische Welt 3/2011 © Schattauer 2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kongressnachlese EAU 2011 141 reits erfolgt. Ihr primärer Studienendpunkt ist das Gesamtüberleben. Eine Phase-II-Studie bei Chemotherapienaiven Patienten ist auf den Weg gebracht. Ihr primärer Studienendpunkt ist das PSA-progressionsfreie Überleben. In ihr wird MDV3100 (160 mg/Tag) vs. Bicalutamid (50 mg/Tag) eingesetzt. An der Studie sind 300 Patienten mit metastasiertem Progress beteiligt. Lymphknotenmetastasen treten bei 15% der Frauen im Stadium IB und bei 25% der Patienten im Stadium IIA (International Federation of Gynecology and Ostretics, FIGO) auf. Eine bilaterale Lymphadenektomie (LAD) wird üblicherweise bei Klasse-II bis -V radikalen Hysterektomien vorgenommen, allerdings ist die erweiterte LAD umstritten und eine Definition von limitierter vs. erweiterter LAD ist in der Gynäkologie bisher nicht erfolgt, so das Fazit des Experten. Dr. Peter Henning, Stuttgart Lokal fortgeschrittenes Hochrisiko-Prostata-Karzinom – multimodaler Ansatz Seinen zweiten Vortrag leitete Heidenreich mit der Frage ein, was unter „lokal fortgeschritten“ zu verstehen ist. Lokal fortgeschrittene P-CA sind beispielsweise ein cT3a, der unter dem Verdacht einer extrakapsulären Extension steht, ein cT4 mit Verdacht auf eine BlasenhalsInfiltration und ein cT4 mit einer Infiltration von Blase, Rektum und Beckenboden. Eine gute Diagnose steht und fällt mit einer qualitativ guten Biopsie, so Heidenreich (9). Eine Bildgebungs-Studie (10) konnte zeigen, dass es für ein MRI-Staging langer Erfahrung für eine korrekte Interpretation bedarf. Nach den aktuellen EAU-Guidelines 2011 (씰Kasten S. 140) ist eine radikale Prostatektomie (RP) bei lokal fortgeschrittenem P-CA ist eine angemessene Behandlungsoption bei ausgewählten Patienten mit cT3a P-CA, Gleason Score 8–100 oder PSA>20. Wenn eine RP vorgenommen wird, dann muss ebenfalls eine erweiterte BeckenLymphknoten-Dissektionen erfolgen, da eine Lymphknoten-Beteiligung häufig ist. Der Patient muss über die Wahrscheinlichkeit eines multimodalen Ansatzes informiert werden. Im Falle von ungünstigen Tumor-Charakteristika (positive Randbegrenzung, extrakapsuläre Ausdehnung, Samenblasen-Invasion) kann eine adjuvante Radiotherapie angemessen sein nach Erholung vom chirurgischen Eingriff. Das Hochrisiko-P-CA ist eine heterogene Erkrankung: es ist Hormon-sensitiv (Androgen-Deprivation), zeigt eine Kastrations-Resistenz (Chemotherapie, Docetaxel) und es kommt zu Knochenmetastasen (Bisphosphonate, Denusomab), so Heidenreichs Fazit. Literatur 2012 in Paris (Foto: P. Henning, Stuttgart) Mulimodaler Ansatz bei Urogynäkologischen Tumoren Ein ungewöhnliches Thema sind die urogynäkologischen Tumoren, auf die Maurizio A. Brausi, Modena, einging. Ein Problem stellen Harnwegsverletzungen bei gynäkologischen Operationen dar: Für intraoperative Verletzungen der Blase bei radikaler Hysterektomie bei onkologischen Erkrankungen liegt die Inzidenz zwischen 0,4 und 3,7%, erläuterte Brausi. Die Inzidenz für Urogenital-Fisteln reicht in entwickelten Ländern von <0,5% nach einer einfachen Hysterektomie bis zu 10% nach radikaler Hysterektomie (11). Wichtigster Faktor für operative Harnwegs- und Blasenschäden ist wohl ein fortgeschrittenes Krankheitsstadium; für Post-Op-Fisteln sind es Stadium, intraoperative Blasenschäden, Diabetes und Infektionen des OP-Gebiets. Zu den Indikationen der radikalen Hysterektomie gehören: ● Stadium IB oder IIA Zervix-Karzinom ● Stadium II Adenokarzinom des Endometriums (ausgewählte Fälle) ● Oberes Vaginal-Karzinom ● Uterus- oder Zervix-Sarkom ● Weitere seltene Malignitäten, beschränkt auf Zervix, Uterus und/oder obere Vagina. Hier kann der Urogenital-Apparat involviert sein. Ureter und Blase sind am häufigsten betroffen. 1. de Bobo JS et al. Prednisone plus cabazitaxel or mitoxantrone for metastatic castration-resistant prostate cancer progressing after docetaxel treatment: a randomised open-label trial. Lancet 2010; 376: 1147–1154. 2. Wilson PG, Fuller MT, Borisy. Monastral bipolar spindles: implications for dynamic centrosome organisation. Journal of Cell Science 1997; 110: 541–464. 3. Paul et al. How to improve R&D productivity: the pharmaceutical industry's grand challenge. Nature Reviews Drug Discovery 2010; 9: 203–214. 4. F. Bray et al. Estimates of cancer incidence and mortality in Europe in 1995. EJC 2002; 38: 99–166. 5. A. Lorch et al. Conventional-dose versus high-dose chemotherapy in relapsed or refractory male germ-cell tumors: A retrospective study in 1,594 patients. ASCO 2010. J Clin Oncol 201; 28: 15s (suppl; abstr 4513). 6. Reid AHM et al. Significant and sustained antitumor activity in post-docetaxel, castration-resistant prostate cancer with the CYP17 inhibitor abiraterone acetate. J Clin Oncol 2010; 28: 1489–1495. 7. Attard G et al. Selective inhibition of CYP17 with abiraterone acetate is highly active in the treatment of castration-resistant prostate cancer. J Clin Oncol 2009; 27: 3742–3748. 8. Scher HI et al. Antitumour activity of MDV3100 in castration-resistant prostate cancer: a phase 1–2 study. Lancet 2010; 375: 1437–1446. 9. Heidenreich AH et al. EAU guideline on clinically localized prostate cancer: Compliance among urologists concerning diagnosis, staging and treatment. Eur Urol Suppl 2011; 10: Abstr. #302. 10. Ruprecht O et al. MRI of the prostate: Interobserver agreement compared with histopathologic outcome after radical prostatectomy. Eur J Radiol 2011; Feb 26. [Epub ahead of print]. 11. Garely et al. 2011. 12. Im Blickpunkt. Der 800-Millionen-Dollar-Mythos...wa skostet die Entwicklung eines Arzneimittels wirklich? arznei-telegramm 2011; 42: 41–43. 13. Light DW, Warburton R. BioSocieties 2011; 6: 34–50. Quelle: “Translational research and multidisciplinary approach to urological cancers” Joint meeting of the European Organisation for Research and Treatment of Cancer Genito-Urinary Group (EORTC-GU-Group) in conjunction with the EAU Section for Urological Research (ESUR) and the EAU Section of Oncological Urology (ESOU), 19. März 2011, im Rahmen des EAU, Wien. © Schattauer 2011 Onkologische Welt 3/2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Forum Uro-Oncology 142 Therapy with Bone-Seeking Radiopharmaceuticals in Patients with Skeletal Metastases Beyond Simple Palliation of Bone Pain Preliminary Experience with the SAMDOCET Protocol Giuliano Mariani Regional Center of Nuclear Medicine, University of Pisa Medical School, Pisa (Italy) Summary Bone metastases account for most of the morbidity and deterioration in the quality of life experienced by patients with various types of solid cancers, and occur in about 65–70% of the cases with advanced breast or prostate cancer. Clinical management of metastatic bone pain includes several options (1, 2) to be employed either alone or in varying combinations. One step further in this direction is a multicenter trial exploring the anti-tumour therapeutic potential of the association between 153Sm-EDTMP (Quadramet®) and Docetaxel in patients with hormone-refractory prostate cancer with predominant bone metastases. In particular, palliative therapy with bone-seeking radiopharmaceuticals of pain from bone has proven effective since at least three decades, especially in patients with predominantly osteoblastic skeletal lesions (3–5). This occurrence in particularly frequent typically in patients with prostate cancer, although also other cancers with mixed osteolytic and osteoblastic reaction to bone metastasis (such as, e.g., breast cancer, non-small-cell lung cancer, and others) are also good candidates to this form of therapy. Palliation of bone pain following therapy with radiolabeled bone-seeking agents is due to the radiation targeted to the bone marrow space, which includes the normal hematopoietic component, the growing tumour cells, and inflammatory/immune cells attracted by the presence of the metastasis. The overall average response rates with this therapy range between 50%-80%, complete response (i.e., disapperance of bone pain) being experienced in 10%-30% of the cases; duration of this palliation effect is also variable, from several weeks to several months (6). Moreover, there are occasional observations on the efficacy of these radiopharmaceuticals not only for purely palliative purposes, but also with actual regression of metastatic bone lesions. Nevertheless, therapy of metastatic bone pain with these radiopharmaceuticals, which is feasible and safe even upon repeated treatments (7) when following correct indications and adopting adequate exclusion criteria (8), is largely underutilized with respect to the actual clinical needs. Reasons for such underutilization include unjustified prejudices concerning the fear of potential myelotoxicity, diffuse attitude among oncologists that this therapy should be deferred as much possible (to be employed as a last resource), and that bone-seeking agents might adversely affect the efficacy of other therapeutic approaches. Whereas, growing clinical evidence supports the concept that benefits from this therapy are greatest when employed earlier during the course of metastatic disease to bone, and occasional. Furthermore, several reports and ongoing clinical trials disclose exciting results about the possible anti-tumour efficacy of bone-seeking radiopharmaceuticals beyond simple palliation of bone pain. In particular, synergistic effects and/or the lack of significant additive toxicity have been observed when combining therapy with these radiolabeled agents with other forms of anti-tumour treatment (9–13). The clinical need therefore exists for defining by consensus (based on analysis of published literature) general recommendations to identify the clinical conditions where integration of this form of therapy with other treatments (chemotherapy and/or external beam radiation therapy among others) is feasible and potentially leading not only to improved quality of life but also to better progressionfree and overall survival of patients. In this scenario, investigators at the University Hospital of Pisa/Italy launched a multicenter clinical trial exploring the anti-tumor therapeutic potential of the association between 153Sm-EDTMP (Quadramet®) and docetaxel in patients with hormone-refractory prostate cancer with predominant bone metastases; title of the study is “A multicenter phase III randomized study of 153Sm-EDTMP and Docetaxel + Prednisone versus Docetaxel + Prednisone in Taxane-naive patients with metastatic hormone-refractory prostate cancer” (EudraCT number 2008–004628–21). The study is coordinated by the Regional Center of Nuclear Medicine of the University Hospital of Pisa, while other participating centers include sites in Italy (Brindisi, Cosenza, Meldola, Messina, San Giovanni Rotondo) as well as in France (Angers, Grenoble, Lille, Marseille, Montpellier). The trial is designed as a randomized, openlabel study comparing time-to-progression in taxane-naive patients with hormone-refractory prostate cancer with skeletal metastases receiving standard chemotherapy (prednisone + docetaxel, 75 mg/m2 every three weeks) versus patients receiving the combination prednisone + docetaxel + Quadramet®; 153Sm-EDTMP is administered at the first cycle of docetaxel, then repeated at cycles 5 and 9 secondary endpoints of the trial include assessment of tumour response, overall survival, quality of life, bone pain, and safety (씰Fig. 1). Concerning in particular the bone-seeking radiopharmaceutical, 153Sm-EDTMP was chosen rather than the other agent commer- Onkologische Welt 3/2011 © Schattauer 2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Forum Uro-Oncology 143 References D D D D D D D D D 50% 308 pts: randomize Sm Sm Sm 50% D Fig. 1 The SAMDOCET protocol D D = Docetaxel (75 mg/m2 3W) cially available in Europe (89Sr-chloride) because of the more predictable pattern of myelotoxicity (with nadir in, e.g., platelet counts at about 4 weeks post-administration), linked to the much shorter physical half-life of 153Sm (47 hours versus about 50 days for 89Sr). The relatively short half-life ensures high dose-rate in the local delivery of ionizing radiation at the sites of uptake in the skeletal lesions associated with prompt recovery from the expected mild myelotoxicity (within about eight weeks after administration of 153Sm-EDTMP). A total of 31 patients have been so far enrolled, respectively 18 in the Italian centres and 13 in the French centres; these patients are divided approximately half and half between the two arms of the protocol. The preliminary available results show no additional toxicity from the combination therapy, all patients completed the planned treatment protocol. Although based on an exceedingly small number of patients, these preliminary observations are very important with respect to the major concern of oncologists, that is, additional toxicity when combining the bone-seeking radiopharmaceutical with a standard chemotherapy D D D D D D D Sm = 153Sm-EDTMP (37 MBq/kg) regimen. Follow-up is ongoing to assess timeto-progression in this small group of patients enrolled until now, also enrollment of new patients. Fazit für die Praxis Knochenmetastasen haben den größten Anteil an der Morbidität und dem Rückgang an Lebensqualität bei Patienten mit verschiedenen Entitäten solider Tumore. Ihre Häufigkeit bei fortgeschrittenem Mamma- und Prostata-Karzinom liegt bei etwa 65–70%. Für die klinische Berhandlung von Knochenschmerzen bei Knochenmetastasen existieren mehrere Optionen (1, 2). Diese können allein oder in diversen Kombinationen eingesetzt werden. Ein weiterer Schritt diese Richtung ist eine Multicenter-Studie, die das therapeutische Antitumor-Potenzial der Kombination von 153Sm-EDTMP (Quadramet®) und Docetaxel bei Patienten mit hormonrefraktärem Prostata-Karzinom vorwiegend mit Knochenmetastasen untersucht. 1. Cleeland CS, Gonin R, Hatfield AK, et al. Pain and its treatment in outpatients with metastatic cancer. N Engl J Med 1994; 330: 592–596 2. Coleman RE. Management of bone metastases. The Oncologist 2000; 5: 463–470. 3. Krishnamurthy GT, Krishnamurthy S. Radionuclides for metastatic bone pain palliation: a need for rational re-evaluation in the new millennium. J Nucl Med 2000; 41: 688–691. 4. Lewington VJ. Bone-seeking radionuclides for therapy. J Nucl Med 2005; 46: 38S-47S. 5. Paes FM, Serafini AN. Systemic metabolic radiopharmaceutical therapy in the treatment of metastatic bone pain. Semin Nucl Med 2010; 40: 89–104. 6. McQuay HJ, Collins S, Carroll D, Moore RA. Radiotherapy for the palliation of painful bone metastases. Cochrane Database Syst Rev 2000, CD001793. 7. Sartor O, Reid RH, Bushnell DL, Quick DP, Ell PJ. Safety and efficacy of repeat administration of samarium Sm-153 lexidronam to patients with metastatic bone pain. Cancer 2007; 109: 637–643. 8. Bodei L, Lam M, Chiesa C, Flux G, Brans B, Chiti A, Giammarile F. EANM procedure guidelines for treatment of refractory metastatic bone pain. Eur J Nucl Med Mol Imaging 2008; 35: 1934–1940. 9. Tu S-M, Millikan RE, Mengistu B, et al. Bone-targeted therapy for advanced androgen-independent carcinoma of the prostate: A randomised phase II trial. Lancet 2001; 357: 336–341. 10. Ricci S, Boni G, Pastina I, et al. Clinical benefit of bone-targeted radiometabolic therapy with 153SmEDTMP combined with chemotherapy in patients with metastatic hormone-refractory prostate cancer. Eur J Nucl Med Mol Imaging 2007; 34: 1023–1030. 11. Amato RJ, Hernandez-McClain J, Henary H. Bonetargeted therapy phase II study of strontium-89 in combination with alternating weekly chemohormonal therapies for patients with advanced androgen-independent prostate cancer. Am J Clin Oncol 2008; 31: 532–538. 12. Fizazi K, Beuzeboc P, Lumbroso J, et al. Phase II trial of consolidation Docetaxel and Samarium-153 in patients with bone metastases from castration-resistant prostate cancer. J Clin Oncol 2009; 27: 2429–2435. 13. Tu SM, Mathew P, Wong FC, Johnson MM, Logothetis CJ. Phase I Study of concurrent weekly Docetaxel and repeated Samarium-153 Lexidronam in patients with castration-resistant metastatic prostate cancer. J Clin Oncology 2009; 27: 3319–3324. © Schattauer 2011 Onkologische Welt 3/2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. UroOnkologie 144 Metastasiertes Nierenzellkarzinom (mRCC) Therapiemöglichkeiten voll ausschöpfen Beim metastasierten Nierenzellkarzinom (mRCC) wurde der entscheidende Schritt für eine bessere Prognose durch die Einführung der zielgerichteten Substanzen in die Therapie vollzogen. Um ein optimiertes Therapieergebnis mit Substanzen wie Sunitinib (Sutent®) sowie Temsirolimus (Torisel®) zu erlangen, sind neben einer adäquate Dosierung und ausreichend langer Behandlungsdauer auch ein aufmerksames Management von Nebenwirkungen notwendig. Mit dieser patientenorientierte Rationale lässt sich für die Patienten eine bestmögliche Lebensqualität erreichen, so das Ergebnis eines Fachjournalisten-Workshops. Prof. Markus Kuczyk, Hannover, berichtete, dass sich das progressionsfreie Überleben (PFS) in der Zulassungsstudie unter Sunitinib im Vergleich zu IFN-α in diesem Setting verdoppelte (median 11 vs. 5 Monate; p<0,001) und die objektive Ansprechrate ließ sich vervierfachen (47 vs. 12%; p<0,001). Das Gesamtüberleben (OS) betrug 26,4 Monate (IFN-α 21,8 Monate; p = 0,051) (1). Dementsprechend empfehlen die internationalen und nationalen Leitlinien auch diese Substanz bei einem geringen und mittleren Risiko als Erstlinientherapie. Bei Hochrisikopatienten sollte dagegen auf den m-TOR-Inhibitor Temsirolimus zurückgegriffen werden (2, 3). Im Sunitinib-Expanded-Access-Programm (EAP) ließen sich die Daten aus den klinischen Studien auch in die klinische Praxis in einem heterogenen Patientenkollektiv mit mehr als 4500 mRCC-Patienten übertragen, so Kuczyk weiter (4). Adäquates Nebenwirkungsmanagement wesentlich für Behandlungserfolg Der Einsatz von Sunitinib erscheint laut Dr. Viktor Grünwald, Hannover, in der konventionel- len Dosis von 50 mg nach dem 4/2-Schema (4 Wochen Behandlung/2 Wochen Pause) am effektivsten. Zudem hat sich erwiesen, dass mit zunehmender Dauer der mRCC-Therapie mit Sunitinib auch die Aussicht auf Remissionen ansteigen. Zur Erreichung des bestmöglichen Therapieerfolgs sind neben Dosierung und Therapiedauer eine möglichst effektive Prävention sowie die geeignete Therapie von begleitenden Nebenwirkungen und – nicht zuletzt – eine fundierte Information und Aufklärung der Patienten essenzielle Bestandteile eines wirkungsvollen Therapiemanagements. „Die vielen klinischen Erfahrungen mit Sunitinib und Temsirolimus haben dazu geführt, dass die Nebenwirkungen dieser zielgerichteten Substanzen viel besser gehandhabt werden können“, ergänzte Priv.-Doz. Axel Merseburger, Hannover. Bettina Reich, Hamburg Literatur 1. Motzer RJ et al. J Clin Oncol 2009; 27: 3584−3590. 2. Miller K et al. Aktuel Urol 2010; 41: 193−196. 3. Ljungberg B et al: Guidelines on renal cell carcinoma. Update 2010, www.uroweb.org/professional-re sources/guidelines/online 4. Gore ME et al. Lancet Oncol 2009; 10(8): 757−763. Quelle: Fachjournalisten-Workshop Pfizer Oncology, „Potenziale von Sunitinib und Temsirolimus voll ausschöpfen: Therapiemanagement beim metastasierten Nierenzellkarzinom (mRCC)“ am 02. Mai 2011 Hannover. Onkologische Welt 3/2011 © Schattauer 2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kongressnachlese DGP 2011 145 Aktuelle S3-Leitlinie des Lungenkarzinoms im Fokus Auf dem Weg zur individualisierten Therapie Der dritthäufigste Tumor in Deutschland ist das Lungenkarzinom. Erst im vergangenen Jahr wurde eine neue, interdisziplinäre S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin und der Deutschen Krebsgesellschaft zur Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Lungenkarzinoms publiziert. Diese wurde in Dresden lebhaft diskutiert, wobei insbesondere die besonderen Anforderungen an die Diagnostik hervorgehoben wurden. Nach wie vor ist die Mortalität bei diesem häufigen Krebs hoch: Unter allen Krebssterbefällen liegt das Lungenkarzinom bei Frauen an 3. und bei Männern an 1. Stelle. Zudem holen die Frauen stark auf. Die Fünfjahres-Überlebensrate ist ebenfalls noch immer in keinem guten Bereich und sie liegt in Deutschland zwischen 13% und 19%. Angesichts dieser Zahlen ist es ganz klar, dass die gesamte Früherkennung und Behandlung – angefangen bei der Diagnostik – noch weiter optimiert werden sollte. Prof. Dieter Ukena, Bremen, betonte zu Beginn eines Symposiums zur Diagnostik: „Beim Lungenkarzinom stellt bereits die Gewinnung einer aussagekräftigen Gewebeprobe die erste Herausforderung dar, gefolgt von der Aufgabe durch ein rationales Staging eine Unter- oder Übertherapie zu vermeiden.“ Zentrale Bedeutung des PET-CT beim Staging Um einen ersten Überblick über die individuelle Situation des Patienten zu gewinnen, steht am Beginn der klinischen Diagnostik bei erstem Verdacht ein initiales konventionelles Röntgen des Thorax in zwei Ebenen. Diese Untersuchungsmethode ist bei geringer Strahlenbelastung geeignet, einen ersten Überblick über die individuelle Situation des Patienten zu bekommen. Allerdings wies Dr. Frederik Giesel, Heidelberg, darauf hin, dass ein unauffälliges Röntgenbild keinesfalls ein Lungenkarzinom ausschließt, denn bei Herden kleiner 2 cm im Durchmesser werden bis zur Hälfte der Befunde nicht erkannt. Zur Sicherung einer pulmonalen Raumforderung mit Beschreibung ihrer Lage, Morpho- logie, Ausdehnung und Größe kommen laut den S3-Leitlinien die Schnittbildverfahren CT und Positronen-Emissions-Tomographie (PET) als PET/CT sowie die Magnetresonanz-Tomographie (MRT) zum Einsatz (1). Insbesondere das PET-CT wird sich in Zukunft immer mehr als integraler Bestandteil des präoperativen Stagings etablieren, konnten doch Studien wie die aus der Arbeitsgruppe von Lardinois et al. zeigen, dass diese Methode bei fast 90% der Fälle exakte Staging-Ergebnisse stellt. Zudem konnte in 16% der Fälle eine Fernmetastasierung aufgedeckt werden, die im CT nicht ersichtlich war (2). Im Rahmen der Leitlinie wird formuliert, dass das PET/CT nicht nur besonders gut geeignet ist für die Stadienfestlegung, sondern auch der mediastinale Lymphknoten-Status besser beurteilt und dokumentiert werden kann. Bei einem negativen PET/CT kann sofort operiert werden, bei einem positiven PET/CT sollte sich eine histologische Sicherung des Tumorherdes anschließen. Ein PET/CT sollte routinemäßig ab einer Tumorgröße von 3 cm durchgeführt wer- den und bei kleineren Tumoren bei fraglich positivem LK-Befall. Weiterhin ist die Bronchoskopie das Hauptinstrument der histologischen Abklärung und erlaubt auch die Stadienbestimmung beim zentralen Lungenkarzinom. Zudem ist sie wenig invasisv. „Ein wesentlicher Punkt ist, dass wir über die Histologie mehr erreichen können beim Mediastinum über den endobronchialen Ultraschall“, ergänzte Prof. Franz Stanzel, Hemer. Obligatorischer EGFR-Test gefordert Für den Onkologen ist diese exakte Diagnose außerordentlich wichtig, sagte Dr. Monika Serke, Hemer: „Unser Ziel ist eine individualisierte Therapie“. Dies gilt insbesondere als sich die Therapie doch seit Einführung der zielgerichteten Therapie wesentlich verbessert (씰Abb. 1). Serke verwies darauf, dass bei verschiedenen Patienten mit aufgedeckten Mutationen auch schon Überlebenszeiten bis zu drei Jahre möglich sind. Dazu helfen TyrosinkinaseInhibitoren wie Gefitinib oder Erlotinib. Basis dafür ist, dass eine exakte Histologie und Stadienbestimmung vorliegt. Darüber hinaus braucht der Onkologe den Mutationsstatus insbesondere EGFR und KRAS. Die EGFR-Mutation ist offensichtlich ein sehr dominanter Wachstumsfaktor, sodass der Patienten darauf obligatorisch untersucht werden sollte. In Zukunft wird nach Meinung der Lungenspezialistin ebenfalls die Bestimmung von c-MET sowie ALK notwendig sein, wenn die Substanzen, die gegen diese Mutationen gerichtet sind, verfügbar sind. Abschließend wurde daran erinnert, dass für die Bestimmung Abb. 1 Entwicklung des medianen Gesamtüberlebens in der Erstlinientherapie des metastasierten NSCLC © Schattauer 2011 Onkologische Welt 3/2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kongressnachlese DGP 2011 146 aller dieser Faktoren ausreichend Probenmaterial verfügbar sein sollte, sodass von Anfang an daran gedacht wird, genügend Material zu entnehmen. Bettina Reich, Hamburg Literatur Frauenkirche Dresden im Frühling (Foto: ch.muench/ Dresden Marketing GmbH) Therapie des fortgeschrittenen NSCLC Der Pathologe stellt die Weichen Entscheidend bei der Erstlinientherapie von Patienten mit metastasiertem nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) ist der histologische Befund. Mit einem medianen Gesamtüberleben von über einem Jahr bei der Therapie eines Nicht-Plattenepithelkarzinoms (Adeno- oder großzelliges Karzinom) ist die Kombination Pemetrexed (Alimta®) plus Cisplatin eine wirksame Behandlungsoption. Nach dem histologischen Bild werden beim NSCLC Adenokarzinome (30–50%), Plattenepithelkarzinome (etwa 30%) und großzellige Karzinome (etwa 10%) unterschieden. Bei den großzelligen Karzinome ist eine frühe hämatogene und lymphogene Metastasierung bekannt, die Prognose ist entsprechend ungünstig. Pemetrexed hemmt als „Multi-Target-Enzym-Inhibitor” drei wichtige Enzyme für die DNA-Replikation und -reparatur. Dazu gehört die Thymidylat-Synthase (TS), die in den histologischen Gruppen des NSCLC unterschiedlich stark exprimiert wird. Bei Adenokarzinomen geschieht dies in geringerem Umfang als bei Plattenepithelkarzinomen, günstig für eine effektive Enzym-Blockade durch Pemetrexed (1). Auch Patienten mit großzelligem Karzinom profitieren Mit Pemetrexed/Cisplatin können Patienten mit fortgeschrittenen Nicht-Plattenepithelkarzinomen (Adeno- und großzelliges Karzinome) individualisiert therapiert werden. Eine PhaseIII-Studie mit 1725 Teilnehmern ergab signifikante Lebenszeitverlängerungen in der Erstlinientherapie, am deutlichsten bei Patienten mit Adenokarzinom, die median 12,6 Monate versus 10,9 Monate unter Gemcitabin/Cisplatin überlebten (2). Erstmals konnte so mit einer cisplatinhaltigen Zweifachkombination die Überlebenszeit auf mehr als ein Jahr verlängert werden. Auch Patienten mit großzelligem Karzinom profitierten davon, in der Studie fast 10% der Gesamtpopulation. Unter der Therapie mit Pemetrexed/Cisplatin erreichten diese Patienten mit 10,4 Monaten gegenüber der Vergleichs- 1. Goeckenjan G et al. Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Lungenkarzinoms. Pneumologie 2010; 64 (Suppl. 2): e1–164. 2. Lardinois D et al. Staging of non-small-cell lung cancer with integrated positron-emission tomography and computed tomography. N Engl J Med 2003; 348: 2500–2507. Quelle: 52. Kongress der 52. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. vom 7. bis 10. April, Dresden gruppe (Gemcitabin/Cisplatin: 6,7 Monate) eine um median 3,7 Monate verlängerte Überlebenszeit – ein deutlicher und signifikanter Vorteil. Histologie als therapeutischer Wegweiser Die aufgezeigten Therapieerfolge beim Adenokarzinom und beim großzelligen Karzinom unterstreichen den hohen Stellenwert der Histologie als prädiktiven Faktor bei der Therapiewahl. Denn während in der Gesamtauswertung aller Patienten beide Therapieansätze vergleichbar effektiv waren, ergab sich bei getrennter Auswertung der histologischen Subgruppen ein klarer Therapievorteil für Pemetrexed/Cisplatin für Patienten mit Nicht-Plattenepithelkarzinomen. Die histologische NSCLC-Typisierung liefert somit einen wichtigen Beitrag zur Therapiesteuerung und ist bereits zu einem festen Bestandteil der Tumordiagnostik geworden. Jürgen Setton, Chemnitz Literatur 1. Ceppi P et al. Cancer 2006; 107: 1589–1596. 2. Scagliotti G et al. J Clin Oncol 2008; 26: 3543–3551. Quelle: Satellitensymposium „Die Therapie des metastasierten NSCLC-Patienten als interdisziplinäre Herausforderung” im Rahmen des 52. Kongresses der DG für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) am 08. April 2011, Dresden. Veranstalter: Lilly Deutschland GmbH, Bad Homburg. Onkologische Welt 3/2011 © Schattauer 2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kongressnachlese DGP 2011 148 Fortgeschrittenes NSCLC TITAN-Studie – Nutzen unabhängig vom EGFR-Status Zielgerichtete Therapien etablieren sich beim Nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC). So ist die platinhaltige Chemotherapie in Kombination mit Bevacizumab (Avastin®) ein wichtiger Faktor in der Firstline-Therapie. Überlebenszeiten von median bis zu 14 Monaten bestätigen den Stellenwert. Zudem ist die Verträglichkeit gut. Dr. David Heigener, Großhansdorf, berichtete aus der Praxis: „Bevacizumab wird im Allgemeinen gut vertragen. Die Patienten empfinden subjektiv oft keinerlei Beeinträchtigung“. Entsprechend den Ergebnissen der SAiL-Studie (1) sollte die Substanz dann bis zur Progression der Erkrankung weiter gegeben werden. Erlotinib ebenso wirksam wie Chemotherapie in der Zweitlinie „Insbesondere nach Versagen der Firstline-Therapie sind die Therapieoptionen begrenzt und die Prognose sehr schlecht“ führte Priv.-Doz. Wolfgang Schütte, Halle, aus. Eine effektive Alternative zur Chemotherapie mit ihren schweren Nebenwirkungen ist erforderlich. Die nun von ihm vorgestellte TITAN-Studie bietet einen Ausweg aus diesem therapeutischen Dilemma und untermauert die Bedeutung von Erlotinib in der Zweitlinientherapie bei NSCLC (2). Im Rahmen dieser Phase-III-Untersuchung erhielten 424 Patienten mit einem Progress innerhalb der ersten 4 Zyklen eines Platin-Doublets entweder eine Erlotinib-Monotherapie (150 mg/pro Tag) oder Chemotherapie. Insgesamt wurde ein unselektiertes Patientenkollektiv in die Studie aufgenommen. Der primäre Endpunkt der TITAN-Studie war das Gesamtüberleben. Im direkten Vergleich mit dem Chemotherapiearm zeigt sich kein Unterschied zu Patienten, die Erlotinib erhalten haben. Bei einem medianen Gesamtüberleben (OS) von 5,3 Monaten im Erlotinib-Arm (n = 203) und 5,5 Monaten bei der Standard-Chemotherapie (n = 221) war der Unterschied im Sterberisiko nicht statistisch signifikant (HR 0,96; 95%-KI 0,78–1,19; p = 0,7299). In der TITAN-Studie haben insgesamt 30 Patienten mit Plattenepithelkarzinom im Chemotherapiearm Pemetrexed erhalten. In einer Analyse der Gesamtüberlebens ohne diese Patienten (um einem potenziell negativen Effekt von Pemetrexed in dieser Patientenpopulation auszuschließen), zeigte sich, dass auch beim reinen Vergleich Docetaxel (n = 47) vs. Erlotinib (n = 77) bei Plattenepithelkarzinom das Gesamtüberleben in der Gesamtpopulation nicht signifikant unterschiedlich ist (medianes OS Chemotherapie = 5,3 Monate vs. Erlotinib = 5,3 Monate; p = 0,5455). Die Gleichwertigkeit konnte in allen Subgruppen und somit unabhängig von prädiktiv und prognostisch relevanten Parametern, wie Geschlecht, Raucherstatus und Tumorhistologie sowie Krankheitsstadium und Allgemeinzustand bestätigt werden. Patienten mit nicht mutiertem EGFR profitierten ebenso so stark von Erlotinib wie das Gesamtkollektiv. Dies ist als bemerkenswerter Fakt zu werten. Schütte sagte dazu: „Es kann sein, dass dies an der Tumorbiologie liegt, dieser Fakt sollte noch weiter untersucht werden.“ Erlotinib-Erhaltungstherapie bei Krankheitsstabilisierung In der parallel durchgeführten SATURN-Studie konnte Erlotinib ebenfalls belegen, dass eine anschließende Erhaltungstherapie mit dem EGFR-Inhibitor an eine Erstlinientherapie das Progressionsrisiko signifikant um 29% verringert (3). Professor Martin Wolf, Kassel, sagte bezogen auf die klinische Praxis: „Wir versuchen den Patienten immer die Erhaltungstherapie mit Erlotinib anzubieten – insbesondere wenn ein starker Remissionsdruck besteht.“ Bettina Reich, Hamburg Literatur 1. Dansin E et al. ESMO 2010, 428 P. 2. Ciuleanu T et al. EMCTO 2011, Abstract 88 PD. 3. Capuzzo F et al. Lancet Oncol 2010; 11 (6): 521–529. Quelle: Pressekonferenz Roche im Rahmen des DGP, Dresden, am 07. April 2011. Onkologische Welt 3/2011 © Schattauer 2011 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-30 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved.