2. AFOK Newsletter - Folgen des Klimawandels für den Verkehr

Werbung
Folgen des Klimawandels für den Verkehr
Im Folgenden werden die klimabedingte Beeinträchtigung des Verkehrsgeschehens und der
Verkehrswege näher vorgestellt. Ein weiterer Fokus liegt auf der klimabedingten Verschärfung der verkehrsbedingten Umweltbelastung: Klimawandel als „Smog-Verstärker“.
•
Klimabedingte Beeinträchtigung des Verkehrsgeschehens
Große Sensitivität des Straßenverkehrsbetriebs besteht gegenüber Eisbildung und Schneefall. Die im Projekt erstellten Klimaprojektionen zeigen: In Zukunft nehmen diese Wetterphänomene sowohl in ihrer Häufigkeit als auch in ihrer Intensität ab. Die Winter werden
wärmer, so dass die zunehmenden Niederschläge im Wesentlichen nicht als Schneefall, sondern als Regen auftreten werden – und zwar in der Summe bis zu 30% mehr als heute. Auch
die Anzahl der Frosttage nimmt ab. Dadurch werden durch Eisglätte bedingte Verkehrsunfälle tendenziell wahrscheinlich abnehmen.
Dennoch werden extreme Schneefälle und (Blitz-)Eisbildung in Zukunft (auch über das 21.
Jahrhundert hinaus) vorkommen. Das bedeutet, dass die bestehenden Kapazitäten (z.B. für
die Schneeräumung) weiter vorgehalten werden müssen, was Kosten verursacht. Erfahrungsgemäß ist dies schwieriger zu rechtfertigen, wenn die extremen Ereignisse nur noch
sporadisch auftreten, also die letzte Nutzung möglicherweise einige Jahre zurückliegt.
Grundsätzlich ist jedoch in Folge eines verminderten Bedarfs der Vorhaltung von Streugut
sowie des abnehmenden Personalbedarfes für Winterdienst langfristig eine gewisse Entlastung zu erwarten.
Unwägbar sind Verkehrsstörungen durch Baumfall (Straßen- und Schienenblockaden). Hier
gibt es derzeit keine Hinweise, dass zukünftig mit einer erhöhten Häufigkeit von Starkwindereignissen zu rechnen ist. Allerdings sind die Modellunsicherheiten in diesem Bereich relativ hoch.
Starkregenereignisse und Hitzewellen werden dagegen mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich zunehmen und negative Auswirkungen auf das Verkehrsgeschehen haben. Aus der Literatur ist bekannt, dass Hitze die Konzentrationsfähigkeit der Verkehrsteilnehmenden beeinträchtigt, Regen vermindert die Bodenhaftung des straßengebundenen Verkehrs. Damit
steigt die Wahrscheinlichkeit von Verkehrsunfällen. 1 Diese hängt natürlich auch vom Verkehrsaufkommen ab, welches wiederum wetter- und witterungsabhängig ist (Zunahme der
Fahrradfahrer bei wärmerem Wetter). Die Wichtigkeit dieser unterschiedlichen Faktoren
wird im Projekt derzeit für Berlin untersucht.
Treten Hitzewellen auf, nehmen der Kühlungsbedarf in Bussen und Bahnen und damit der
Energiebedarf zu. Mit dem zukünftigen Anstieg von Hitzetagen wird dieses Problem gravierender, sowohl bezüglich der Kosten als auch der damit verbundenen zusätzlichen CO2-
1
Vgl. Arminger, G.; Bonne, T. (1999): Einfluss der Witterung auf das Unfallgeschehen im Straßenverkehr. ATZ Automobiltechnische Zeitschrift, 101(9): 675-678. Laut ADAC Unfallforschung ereignet sich jeder siebte
schwere Unfall an Tagen mit Temperaturen von mehr als 25 Grad Celsius. Während der Anteil konzentrationsrelevanter Unfälle an kühleren Tagen (Temperaturen von unter 15 Grad Celsius) bei 47 Prozent liegt,
steigt er an sehr warmen Tagen auf 63 Prozent an (vgl. https://www.adac.de/infotestrat/ratgeberverkehr/sicher-unterwegs/hitze-verstaerkt-unfallgefahr/default.aspx).
AFOK Newsletter 2 I Dezember 2015
Emissionen. Umso wichtiger ist es, das Berliner Verkehrssystem insgesamt zu dekarbonisieren.
Eine weitere und ohne Gegenmaßnahmen sehr wahrscheinlich zunehmender Folge von
Starkregenereignissen ist die Unterbrechung des Individual- und öffentlichen Verkehrs infolge von Straßenüberschwemmungen. Dieses Problem steht im engen Zusammenhang mit
dem aktuell erreichten „Entwässerungskomfort“ in der Stadt und weist auf die Notwendigkeit einer engeren und innovativen Planungszusammenarbeit zwischen Straßen-/
Schienenwegebau und Planung der Entwässerungssysteme unter den absehbaren Klimaveränderungen hin.
Die in vieler Hinsicht vorteilhafte Mobilitätsform des Fahrradverkehrs (Emissionsfreiheit 2,
geringer Verkehrsraumbedarf, Gesundheitseffekte) ist stark witterungsabhängig. Ein positiver Aspekt der zukünftig wärmeren Winter ist, dass der Anteil des Fahrradverkehrs zunehmen wird. Mehr Starkregen wird sich dagegen negativ auf den Radverkehr auswirken. Der
Nettoeffekt des Klimawandels dürfte nach derzeitigem Erkenntnisstand positiv sein. Zu überlegen ist dennoch, wie der Wegekomfort für RadfahrerInnen gesteigert werden kann, um
diesen positiven Effekt weiter zu verstärken.
•
Klimabedingte Beeinträchtigung der Verkehrswege
Berlin hat ein S-Bahn-Netz von ca. 330 km Streckenlänge, die U-Bahn hat ca. 150 km an Streckennetz aufzuweisen, die Straßenbahn 300 km. Es gibt allein 77 km an Bundesautobahnen
im Berliner Stadtgebiet und 186 km an Bundeswasserstraßen. Zählt man das übrige Straßennetz sowie die Bahn- und Betriebshöfe hinzu, dann wird deutlich, wie groß, bedeutsam und
verflochten mit der Stadt die Berliner Verkehrsinfrastrukturen sind.
Frost und Eis spielen ein große Rolle bei der Schädigung von Straßen und Bürgersteigen (Auffrieren), Schienenwegen (Vereisen von Weichen) und Oberleitungen (Vereisen). Durch Stürme verursachter Baumfall kann neben der direkten Verkehrsbehinderung auch zu Schäden
an der Verkehrsinfrastruktur führen. Hier ist allerdings kein klimawandelbedingter Anstieg
der Häufigkeiten dieser Ereignisse zu erwarten, teilweise sogar ein Rückgang. Allerdings ist
zu beachten, dass diese Ereignisse auch zukünftig vorkommen werden und insofern Vorsorge zum Erhalt bzw. zur Verbesserung der Qualität der Verkehrsinfrastruktur zu treffen ist.
Anders verhält es sich bei den zunehmenden Starkniederschlägen, die zu einer verstärkten
Erosion von erdgebundenen Wegen (meist für den Fußgänger- und Fahrradverkehr) führen
werden. Drainagesysteme kommen an ihre Grenzen, und Bahndämme sowie Gleisanlagen
können unterspült werden.
Auch die zunehmende Anzahl der heißen Tage schädigt die Verkehrsinfrastruktur, da es
hierdurch vermehrt zu Deformationen von Asphaltdecken und einer Beeinträchtigung des
Schienenverkehrs kommen kann. Bei Brücken sind thermischen Ausdehnungen möglich. Die
Leit- und Sicherungstechnik des schienengebundenen Verkehrs weist bei Hitze ein erhöhtes
Ausfallrisiko auf. Darüber hinaus kann es vermehrt zu Vegetations- und Böschungsbränden
kommen.
2
Hier sind neben den Luftschadstoffen und klimarelevanten Gasen (Kohlendioxid, Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe und Stickstoffoxide) auch Lärmemissionen zu nennen, gilt doch der Verkehr in Berlin als der
Hauptverursacher der Lärmbelastung (siehe etwa den Lärmaktionsplan 2013-2018, hrsg. v. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Berlin 2014, der vom Senat am 6. Januar 2015 beschlossen wurde).
2
AFOK Newsletter 2 I Dezember 2015
•
Klimabedingte Verschärfung der verkehrsbedingten Umweltbelastung:
Klimawandel als „Smog-Verstärker“
Der Richtwert für die maximale Ozonkonzentration von 120 μg/l im 8-Stunden-Mittel wird in
Berlin in letzter Zeit an etwa 10-20 Tagen pro Jahr überschritten; es kommt zu „Sommersmog“. 3
Besondere Risikogruppen sind Kleinkinder, Menschen, die im Außenbereich körperlich anstrengende Arbeiten verrichten sowie Personen mit
chronischen Erkrankungen der Atemwege wie
Asthma. Darüber hinaus besteht unspezifisch bei
10-15 % der Gesamtbevölkerung über alle Altersgruppen hinweg ein Gesundheitsrisiko durch
Ozon. 4
Mehr heißere Tage mit erhöhter Sonnenscheindauer trägt zu einer verstärkten Ozonproduktion
aus den „Ausgangsstoffen“ NO2, CO und VOC bei.
Die gleiche Menge dieser „Ausgangsstoffe“ wird
also unter Klimawandel-Bedingungen in mehr
schädliches Ozon umgesetzt.
Wie hoch ist die klimawandelbedingte
Zunahme der Überschreitungstage für
die maximale Ozonkonzentration in
Berlin?
Das hängt zum einen von der Verfügbarkeit der Vorläufersubstanzen ab (die
wiederum stark vom Verkehrsaufkommen und dem Verkehrsträgermix bestimmt werden), zum anderen vom Klimawandel, hier von der künftigen Zunahme der heißen Sommertage. Da letzteres zu erwarten ist, kann einer Zunahme der Sommersmogtage nur mit der
Reduktion der Verkehrsemissionen entgegengewirkt werden.
Wählt man als Zielvorgabe den Erhalt der gegenwärtigen städtischen Ozonsituation, dann
muss – den zukünftigen Klimawandel und seine
„Smog-Verstärkerfunktion“ berücksichtigend - die Konzentration der Vorläufersubstanz NO2
entsprechend verringert werden. Der Anteil des Straßenverkehrs an den NO2-Emissionen
liegt im Sommer bei über 80%. Im Wesentlichen wird also hier anzusetzen sein.
Bereits heute ist abzusehen, dass unter den Bedingungen steigenden Transportaufkommens
die langsame Durchdringung der Fahrzeugflotte mit Euro 5 und 6 Fahrzeugen nicht ausreichen dürfte und eine deutliche Reduktion des Verbrennungsmotorisierten Verkehrs nötig
sein wird. Hier bestehen klare Synergien zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung, da beide Teilbereiche der Klimapolitik nach einer Einschränkung der fossil betriebenen Fahrzeugflotte verlangen.
3
Als „Sommersmog“ bezeichnet man eine hohe Ozon-Konzentration in der bodennahen Luft, die durch photochemische Umsetzung von Vorläufersubstanzen wie NO2, CO und flüchtigen organischen Verbindungen
(VOC) entsteht. Ozon reizt die Schleimhäute und Augen, je nach Konzentration führt es zu verstärktem Hustenreiz, verminderter sportlicher Leistung, einer Verminderung der Lungenfunktionen bis hin zu chronischen
Lungenerkrankungen.
4
Siehe LfU (2015): Bodennahes Ozon. UmweltWissen - Schadstoffe. Bayrisches Landesamt für Umwelt, Augsburg. Quelle: http://www.lfu.bayern.de/umweltwissen/doc/uw_47_bodennahes_ozon.pdf.
3
Herunterladen