4. November 2010 Quantitative Easing – Der richtige Treibstoff für den Wirtschaftsmotor? Die Diskussionen und Spekulationen über eine erneute quantitative Lockerung der Geldpolitik (Quantitative Easing, QE2) in den USA waren seit August 2010 in den Medien omnipräsent. Nun hat die US Notenbank (Fed) angekün digt, in den nächsten acht Monaten für 600 Milliarden US Dollar Staatsanleihen aufzukaufen. Doch welche Ziele verfolgt die Fed mit dieser geldpolitischen Lockerung? Einen Rückfall der amerikanischen Wirtschaft in eine zweite Rezession erwartet derzeit fast niemand mehr. Allerdings verharrt die Arbeitslosenrate hartnäckig in der Nähe von 10%, was den Ruf nach einer zusätzlichen Stimulierung der Konjunktur durch die Fed immer lauter werden liess. Fed Präsident Ben Bernanke wurde deshalb auch nie müde zu betonen, dass die Arbeitslosenrate klar zu hoch und die Inflation zu tief sei. Spielraum für Zinssenkungen ausgeschöpft Im Zuge der Finanzkrise hat die amerikanische Notenbank die Leitzinsen bereits in mehreren Schritten praktisch auf Null gesetzt. Neben dem Mittel der Leitzinssenkung haben die Zentralbanken jedoch noch weitere geldpolitische Mög lichkeiten, um die Wirtschaft zu stimulieren. Eine davon ist die Ausweitung der Geldmenge. Entsprechend hat sich die amerikanische Notenbank Anfang November für den Weg der quantitativen Lockerung entschieden. Durch Zukäufe von Obligationen sollen die Kapitalmarktzinsen tief und die Finanzmärkte bei Laune gehalten werden. Veränderung der Zinskurve aufgrund Quantitative Easing Renditen in % Zinsveränderung in % 4.50 0.20 4.00 0.10 3.50 0.00 3.00 -0.10 2.50 -0.20 2.00 -0.30 1.50 -0.40 1.00 -0.50 0.50 -0.60 -0.70 0.00 0.25 1 2 3 4 5 6 Zinsveränderung (rechte Skala) 7 8 9 10 15 US Treasuries 30. Juni 2010 20 30 US Treasuries 19. Oktober 2010 Quelle: Bloomberg Ziele der amerikanischen Notenbank Durch die tiefen Kapitalmarktrenditen bleiben auch Kredit und Hypothekarzinsen tief oder sinken sogar weiter. Alleine die Ankündigung einer weiteren Lockerung der Geldpolitik hat die Märkte schon in diese Richtung beeinflusst. Die Nachfrage nach Krediten für Investitionen und Häuserkäufe soll damit stimuliert werden. Weiter sollen die Finanzinstitu te über mehr und billiges Geld angeregt werden, freizügi ger Kredite zu sprechen. Zudem soll durch steigende Akti enpreise über den sogenannten „wealth effect“ der Konsum angeregt werden. Ein schöner Nebeneffekt ist ebenfalls die Schwächung der eigenen Währung, welcher den Export zusätzlich ankurbelt. Entwicklung der Hypothekarzinsen (30 J.) in den USA Zinsen in % 7.00 6.50 6.00% 6.00 5.50 5.00 4.50% 4.50 4.00 3.50 3.50% 3.00 Jan 07 Jul 07 Jan 08 Jul 08 Jan 09 Jul 09 Jan 10 Jul 10 Quelle: Bloomberg Fazit: Ist Quantitative Easing der richtige Treibstoff? Dass die Fed die Geldmenge weiter ausweitet und dadurch ihre Bilanz ein weiteres Mal ausdehnt, hinterlässt einen gemischten Eindruck. Positiv zu werten ist, dass die Noten bank ihren Auftrag, eine maximale Beschäftigung und Wirtschaftswachstum zu fördern, konsequent verfolgt und entsprechende Massnahmen ergreift. Dies ist im Interesse der Weltwirtschaft, schliesslich ist die USA noch immer die grösste Volkswirtschaft der Welt. Andererseits soll bei QE2 mit viel Liquidität ein Problem gelöst werden, dessen Ursa che gar nicht in einem Liquiditätsproblem liegt, sondern in fehlendem Vertrauen in die konjunkturelle Erholung gründet. QE2 ist entsprechend nur Symptombekämpfung. Es stellt sich deshalb die Frage, ob das zusätzliche Geld auch tatsächlich in die Realwirtschaft fliesst und diese so stimu liert wird, oder ob ein grosser Teil des Geldes unverändert im Bankensektor hängen bleibt. Gleichzeitig darf die po tenziell inflationäre Langfristwirkung dieser Geldschwemme nicht vollständig ignoriert werden. Wir gehen davon aus, dass die Renditen vorerst weiter auf tiefem Niveau bleiben werden. Die Aussicht auf ein länger anhaltendes Tiefzins Umfeld ist positiv für Aktien. Zudem fehlen zunehmend die Alternativen. Die tiefen Zinsen sprechen immer weniger für Obligationen, speziell für Staatsanleihen. Kontakt: Hyposwiss, Patrick Häfeli, Tel.: 044 214 33 23, E Mail: [email protected] 1/2 4. November 2010 Glossar Fed Abkürzung für Federal Reserve System; US Notenbank Geldpolitik Als Geldpolitik (auch Geldmarktpolitik) bezeichnet man zusammenfassend alle wirtschaftspolitischen Massnahmen, die eine Zentralbank ergreift, um ihre Ziele zu verwirklichen Kapitalmarkt Am Kapitalmarkt werden Obligationen gehandelt. Er ist der Finanzmarkt für mittel und langfristige Kapitalbeschaffung und dient den Unternehmen und dem Staat zur Finanzie rung von Investitionen und anderen Ausgaben Quantitative Easing, QE2 Quantitative Lockerung der Geldpolitik; Ausweitung, re spektive Erhöhung der Geldmenge, zum Beispiel durch Kauf von Staatsanleihen durch die Notenbank US Treasuries Amerikanische Staatsanleihen „wealth effect“ Als „wealth effect“ bezeichnet man die Auswirkungen auf die Konsumenten, die aufgrund höherer Aktien oder Immo bilienpreise mehr Vermögen zur Verfügung haben, was zu mehr Konsum anregt Zinskurve Die Zinskurve ist die grafische Darstellung der jeweiligen Zinssätze verschiedener Laufzeiten Disclaimer: Die Angaben dieser Empfehlung und insbesondere die Beschreibung des einzelnen Wertpa piers stellt weder eine Offerte zum Kauf des Produktes noch eine Aufforderung zu einer anderen Transakti on dar. Sämtliche dieser Empfehlung zugrunde liegenden Informationen sind sorgfältig ausgewählt und stammen aus Quellen, die vom Investment Center der St.Galler Kantonalbank grundsätzlich als verlässlich betrachtet werden. Meinungsäusserungen oder andere Darstellungen dieser Empfehlung können jederzeit und ohne vorherige Ankündigung geändert werden. Es wird keine Garantie, Verantwortung oder Haftung bezüglich der Genauigkeit und Vollständigkeit der Informationen übernommen. Kontakt: Hyposwiss, Patrick Häfeli, Tel.: 044 214 33 23, E Mail: [email protected] 2/2