Haftung des Arbeitnehmers, Haufe-Index: HI711721

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Haftung des Arbeitnehmers
1 Einleitung
Unter der Haftung des Arbeitnehmers versteht man in der arbeitsrechtlichen Literatur und
Rechtsprechung die Folgen, die den Arbeitnehmer treffen, sofern er bei seiner betrieblichen
Tätigkeit eine Pflichtverletzung begeht, die einen Schaden verursacht. Dabei kann es sich um
Sach- oder Vermögensschäden sowie Personenschäden des Arbeitgebers, eines Kollegen oder
eines außenstehenden Dritten, wie z. B. eines Kunden, handeln.
Zu den allgemeinen Pflichten des Arbeitnehmers gehört es, die im Rahmen des Arbeitsvertrags
geschuldete Leistung gewissenhaft und ordnungsgemäß auszuführen ( § 41 S. 1 TVöD BT-V).
Verstößt ein Arbeitnehmer gegen diese Pflichten und verursacht dadurch einen Schaden, stellt
sich die Frage, ob und in welchem Umfang er für den Schaden einzustehen hat.
Grundsätzlich haftet nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) derjenige, der den
Schaden verursacht hat. Da jedoch gerade im Arbeitsleben kleine Fehler bereits große finanzielle
Auswirkungen haben können, der Arbeitnehmer besonderen betrieblichen Risiken bei seiner
Tätigkeit nicht ausweichen kann und darüber hinaus das finanzielle Risiko für den Arbeitnehmer
meist in krassem Missverhältnis zu seinem Einkommen steht, wurden in der Rechtsprechung
Haftungserleichterungen für Arbeitnehmer bei Ausübung ihrer betrieblichen Tätigkeit entwickelt.
Die Grundsätze der Haftung des Arbeitnehmers weichen daher von den allgemeinen Regelungen
des BGB ab. Sie sind zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht, von dem nur zugunsten des
Arbeitnehmers abgewichen werden kann[1].
Die durch Richterrecht entwickelten Grundsätze der Haftungsmilderung für Arbeitnehmer finden
nun mit dem In-Kraft-Treten des TVöD zum 1. Oktober 2005 auch für die Arbeitnehmer des
öffentlichen Dienstes unmittelbare und uneingeschränkte Anwendung.
Besondere tarifvertragliche Haftungserleichterungen, wie sie z. B. in § 14 BAT unter Verweis auf
das Beamtenrecht vorgesehen waren, sind im TVöD nicht mehr aufgegriffen worden, da es gerade
ein erklärtes Ziel der Reform war, jede Anlehnung an beamtenrechtliche Regelungen abzuschaffen
und die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes anderen Arbeitnehmern gleichzustellen.
Hinweis
Die Neuregelung hat gegenüber der Regelung des § 14 BAT im Fall der Arbeitnehmerhaftung zu
einer gewissen Verschlechterung der Situation der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes geführt.
Der Verweis auf die beamtenrechtlichen Regelungen hatte grundsätzlich nur eine Haftung für
Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (§ 78 BGB) zur Folge, während die Arbeitnehmer nach den von
der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung nun auch im Falle
mittlerer Fahrlässigkeit zumindest eine eingeschränkte Haftung trifft.
Arbeitsrechtliche Konsequenzen, mit denen der Arbeitgeber auf die Verletzung arbeitsvertraglicher
Pflichten reagieren könnte, wie z. B. Abmahnung oder verhaltensbedingte Kündigung, werden
im Nachfolgenden nicht behandelt (siehe unter den entsprechenden Stichwörtern), ebenso wenig
wie mögliche strafrechtliche Konsequenzen, die sich für den Arbeitnehmer im Einzelfall aus
seinem Verhalten ergeben können.
Nicht unter den Begriff der Arbeitnehmerhaftung fällt die Haftung für vertragswidrige Nichtleistung
der Arbeit, diese richtet sich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Ansprüchen aus dem
Vertragsbruch gem. § 276 BGB.
1
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Praxis-Beispiel
Ein Computerspezialist verlässt seine Arbeitsstelle ohne Einhaltung der Kündigungsfrist, weil ihm
ein neuer, besser bezahlter Job angeboten wurde.
Hier kommt dann eine Haftung in Betracht, wenn dem Arbeitgeber dadurch ein Schaden entsteht,
dass die Kündigungsfrist nicht eingehalten wurde. Kosten, die auch bei Einhaltung der
Kündigungsfrist entstanden wären, z. B. für die Personalsuche, Schulung des neuen Mitarbeiters
etc., kann der Arbeitgeber aus den allgemeinen zvilrechtlichen Regelungen nicht herleiten[2].
[1] BAG, Urt. v. 17.09.1998 - 8 AZR 175/97, NJW 99, 1049; Urt. v. 27.01.2000 - 8 AZR 876/98, NZA
2000, 727.
[2] BAG, Urt. v. 23.03.1984 - 7 AZR 37/81, AP Nr. 8 zu § 276 BGB Vertragsbruch.
2 Grundsätze der eingeschränkten Arbeitnehmerhaftung
2.1 Gesetzliche Ausgangslage
Eine eigenständige gesetzliche Regelung zur Haftung des Arbeitnehmers gibt es nicht. Auch eine
tarifvertragliche Regelung ist im neuen TVöD nicht mehr zu finden. Grundsätzlich haftet der
Arbeitnehmer daher gem. § 280 BGB bei schuldhafter Pflichtverletzung seines Arbeitsvertrags (vgl.
§ 41 S. 1 TVöD BT-V) für jeden eintretenden Schaden in voller Höhe. Gleiches gilt gem. § 823
BGB bei jeder vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung absoluter Rechte des Arbeitgebers oder
eines Dritten.
2.2 Richterliche Rechtsfortbildung
Da die zivilrechtliche Regelung von der Rechtsprechung als zu streng empfunden wurde, hat das
Bundesarbeitsgericht bereits erstmals in einer Entscheidung aus dem Jahr 1957[1] Grundsätze
für eine Haftungsmilderung für Arbeitnehmer entwickelt. Eine Haftungserleichterung kam dabei
jedoch grundsätzlich nur bei gefahrgeneigter Tätigkeit in Betracht. Von der Voraussetzung der
gefahrgeneigten Tätigkeit ist die Rechtsprechung erst später in einer Entscheidung des Großen
Senats des Bundesarbeitgerichts vom 27. September 1994[2] abgewichen. Seitdem finden die
Grundsätze über eine Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung auf alle Arbeiten Anwendung, die
durch den Betrieb veranlasst sind und aufgrund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden. Die
Anwendung dieser Grundsätze ist nicht davon abhängig, dass die den Schaden verursachenden
Arbeiten gefahrgeneigt sind, sondern es muss grundsätzlich in entsprechender Anwendung des
§ 254 BGB als mitwirkendes Verschulden des Arbeitgebers die für den Eintritt des Schadens
wesentliche und dem Arbeitgeber zuzurechnende Sach- und Betriebsgefahr berücksichtigt
werden.
[1] BAG GS, Beschl. v. 25. 09.1957, DB 1957, 947.
[2] BAG GS, Beschl. v. 27.09.1994 - GS 1/89 (A) - BAGE 78, 56, AP Nr. 103 zu § 611 BGB Haftung des
Arbeitnehmers, NJW 1995, 210.
2.3 Betriebliche Tätigkeit
Die Haftungsbeschränkung kann nur dann eintreten, wenn es sich um betrieblich veranlasste
Tätigkeiten handelt, d. h. Arbeiten, die dem Arbeitnehmer arbeitsvertraglich übertragen wurden
oder die er im Interesse des Betriebs ausgeführt hat[1]. Die Tätigkeit muss in nahem
Zusammenhang mit dem Betrieb und seinem betrieblichen Wirkungskreis stehen[2].
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[1] BAG GS, Beschl. v. 27.09.1994 - GS 1/89, a. a. O.
[2] BAG GS, Beschl. v. 12.06.1992 - GS 1/89, BAGE 70, 337, AP Nr. 101 zu § 611 BGB Haftung des
Arbeitnehmers; BAG, Urt. v. 22.04.2004 - 8 AZR 159/03, NZA 2004, 163.
2.3.1 Weite Auslegung des betrieblichen Interesses
Eine betriebliche Tätigkeit liegt nicht nur dann vor, wenn ein Arbeitnehmer eine Aufgabe verrichtet,
die unmittelbar zu der vertraglich vereinbarten bzw. ihm zugewiesenen Tätigkeit gehört. Der Begriff
der betrieblichen Tätigkeit ist vielmehr sehr weit auszulegen. Die Handlung des Arbeitnehmers
muss nur in irgendeiner Weise betriebsbezogen sein.
Praxis-Beispiel
Ein Auszubildender ohne entsprechenden Führerschein benutzt entgegen dem ausdrücklichen
Verbot seines Arbeitgebers den Gabelstapler, um einen Lkw voller Fahrräder schneller entladen zu
können und beschädigt beim Fahren den Gabelstapler.
Die Art, wie die Tätigkeit ausgeführt wird (sachgemäß oder fehlerhaft, vorsichtig oder leichtsinnig),
entscheidet nicht darüber, ob es sich um eine betriebliche Tätigkeit handelt oder nicht.
Praxis-Beispiel
Ein Lkw-Fahrer wirft seinem Kollegen vor, zu spät vom Tanken zurückgekommen zu sein, sodass
sein Lkw nicht mehr rechtzeitig beladen werden kann. Im Laufe dieses Wortwechsels versetzt er
dem Kollegen einen Stoß vor die Brust, worauf dieser einen Schritt rückwärts macht, über die dort
stehende Schubkarre fällt und sich schwere Verletzungen an einer Stahlschiene zuzieht.
Der betriebliche Charakter der Tätigkeit geht nicht dadurch verloren, dass der Arbeitnehmer bei
der Ausführung der Tätigkeit grob fahrlässig oder vorsätzlich seine Verhaltenspflichten verletzt,
auch wenn derartige Verhaltensverstöße nicht im Interesse des Arbeitgebers liegen. Es kommt
dabei entscheidend darauf an, zu welchem Zweck die zum Schadensereignis führende Handlung
bestimmt war[1]. Eine betriebliche Tätigkeit liegt immer schon dann vor, wenn der Schädiger bei
objektiver Betrachtungsweise aus seiner Sicht im Betriebsinteresse handeln durfte, sein Verhalten
unter Berücksichtigung der Verkehrsüblichkeit nicht untypisch ist und keinen Exzess darstellt[2].
[1] BAG, Urt. v. 18.04.2002 - 8 AZR 348/01, AP Nr. 122 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, NZA
2003, 37.
[2] BAG, Urt. v. 22.04.2004 - 8 AZR 159/03, a. a. O.
2.3.2 Private Veranlassung
Durch das Merkmal der betrieblichen Veranlassung soll sichergestellt werden, dass der
Arbeitgeber nicht mit dem allgemeinen Lebensrisiko des Arbeitnehmers belastet wird.
Unternimmt der Arbeitnehmer eine bloße "Spaßfahrt" mit einem Fahrzeug des Arbeitgebers oder
eines Kunden, dann haftet er ohne Einschränkung in vollem Umfang, auch wenn ihm nur leichteste
Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann[1].
Praxis-Beispiel
1
Ein Tankstellengehilfe unternimmt abends nach Dienstschluss eine Schwarzfahrt mit
einem Kundenfahrzeug und verursacht beim Heranrollen an eine rote Ampel einen
Auffahrunfall.
2
3
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Ein Auszubildender fährt zum Spaß mit einem Gabelstapler auf dem Betriebsgelände
umher und beschädigt beim Ausfahren aus der Halle das Lagertor.
3
Bei einer Schlägerei unter Arbeitskollegen wegen Wettschulden wird einer der Männer
schwer verletzt.
Ein lediglich räumlicher und zeitlicher Zusammenhang der Pflichtverletzung mit der Arbeit ist daher
nicht ausreichend[2]. Das heißt, dass es zur Annahme einer betrieblichen Tätigkeit nicht genügt,
wenn es sich bei dem Schädiger oder dem Geschädigten bloß um einen Arbeitnehmer, der sich
mehr oder weniger zufällig im Betrieb aufhält, handelt[3], ebenso wenig ist die bloße missbräuchliche - Nutzung eines Betriebsmittels ausreichend[4]. Tritt der Schaden nur bei
Gelegenheit der Tätigkeit im Betrieb auf, ist er nur dem persönlich-privaten Bereich des
schädigenden Arbeitnehmers zuzuordnen. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Schaden
aufgrund einer neben der betrieblichen Arbeit verübten, gefahrenträchtigen Spielerei, Neckerei
oder Schlägerei[5] eingetreten ist und die schädigende Handlung erst gar nicht auf die Förderung
der Betriebsinteressen ausgerichtet ist oder ihnen gar zuwiderläuft.
[1] BAG, Urt. v. 18.04.2002 - 8 AZR 348/01, a. a. O.; Urt. v. 09.11.1967 - 5 AZR 147/67, AP Nr. 1 zu
§ 67 VVG.
[2] BAG, Urt. v. 18.04.2002 - 8 AZR 348/01, a. a. O.
[3] BAG, Urt. v. 09.08.1966 - 1 AZR 426/65, BAGE 19, 41; AP Nr. 1 zu § 637 RVO.
[4] BAG, Urt. v. 18.04.2002 - 8 AZR 348/01, a. a. O.
[5] BGH, Urt. v. 30.06.1998 - VI ZR 286/97, NZA-RR 1998, 454.
2.4 Haftungsregeln
Im Beschluss des Großen Senats vom 27. September 1994 sind die Grundsätze über die
Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung wie folgt zusammengefasst worden:
Bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer in aller Regel den gesamten Schaden zu tragen,
bei leichtester Fahrlässigkeit haftet er dagegen nicht, während bei normaler Fahrlässigkeit der
Schaden in aller Regel zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer quotal zu verteilen ist.
Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit - i. d. R. volle Haftung des Arbeitnehmers
Normale Fahrlässigkeit - Quotelung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber
Leichteste Fahrlässigkeit - keine Haftung des Arbeitgebers
Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Arbeitnehmer an den Schadensfolgen zu
beteiligen ist, richtet sich im Rahmen einer Abwägung der Gesamtumstände, insbesondere von
Schadensanlass und Schadensfolgen, nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten.
Zu den Umständen, denen je nach Lage desEinzelfalls ein unterschiedliches Gewicht
beizumessen ist und die im Hinblick auf die Vielfalt möglicher Schadensursachen auch nicht
abschließend bezeichnet werden können, gehören
•
der Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Verschuldens,
•
die Gefahrgeneigtheit der Arbeit,
•
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die Höhe des Schadens,
•
ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes Risiko,
•
ein durch Versicherung deckbares Risiko,
•
die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb,
•
die Höhe des Arbeitsentgelts und
•
ob möglicherweise eine Risikoprämie im Arbeitsentgelt enthalten ist.
Auch können unter Umständen die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers wie
•
die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit,
•
sein Lebensalter,
•
seine Familienverhältnisse und
•
sein bisheriges Verhalten
zu berücksichtigen sein.
2.4.1 Grad des Verschuldens
2.4.1.1 Leichteste Fahrlässigkeit
Leichteste Fahrlässigkeit liegt vor, wenn es sich um geringfügige und leicht entschuldbare
Pflichtwidrigkeiten handelt, die jedem Arbeitnehmer unterlaufen können und somit als
unerhebliches zu vernachlässigendes Verschulden angesehen werden.
Praxis-Beispiel
Die Sekretärin kippt aus Unachtsamkeit die auf dem Schreibtisch stehende halbvolle Kaffeetasse
um, die dabei einen kleinen Fleck auf dem Teppichboden verursacht.
Hier handelt es sich um ein Alltagsversehen, für das keine Haftung in Betracht kommt.
2.4.1.2 Normale - mittlere - Fahrlässigkeit
Handelt es sich nicht mehr um ein bloßes Alltagsversehen, so kommt als Verschuldensgrad die
mittlere Fahrlässigkeit in Betracht. Zur Abgrenzung der einzelnen Verschuldensgrade werden alle
erdenklichen Umstände des Einzelfalls genau betracht und bewertet.
Praxis-Beispiel
5
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1
Die Sekretärin stellt die halbvolle Kaffeetasse unmittelbar neben dem Drucker ab, kippt
diese aus Unachtsamkeit um und der Kaffee läuft in den Drucker und zerstört ihn.
2
Ein Orchestermusiker lässt ohne ersichtlichen Grund einen wertvollen Violabogen
fallen[1].
Hier dürfte grundsätzlich ein mittlerer Verschuldensgrad anzunehmen sein.
Anders wäre der Fall unter Umständen zu beurteilen, wenn die Verhältnisse für den Musiker im
Probenraum besonders beengt oder sonst schwierig gewesen wären oder im Fall der Sekretärin
Leistungs- oder Zeitdruck bestanden hätte.
[1] BAG, Urt. v. 27.01.2000 - 8 AZR 876/98, AZ Nr. 31 zu § 611 BGB Musiker, NZA
2000, 727.
2.4.1.3 Grobe Fahrlässigkeit
Im Gegensatz zur einfachen Fahrlässigkeit sind bei grober Fahrlässigkeit nicht nur objektive
sondern auch subjektive Umstände zu berücksichtigen:
Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen
in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte
einleuchten müssen[1]. Es kommt aber nicht nur darauf an, was von einem durchschnittlichen
Anforderungen entsprechenden Angehörigen des jeweiligen Verkehrskreises in der jeweiligen
Situation erwartet werden konnte, ob also die Gefahr erkennbar und der Erfolg vorhersehbar und
vermeidbar war, sondern auch darauf, ob der Schädigende nach seinen individuellen Fähigkeiten
die objektiv gebotene Sorgfalt erkennen und erbringen konnte.
Praxis-Beispiel
1
Ein Restaurantleiter eines Zugrestaurants lässt die Kellnerbrieftasche mit
Tageseinnahmen in Höhe von ca. 3.000 EUR in einem zwar zugezogenen aber
unverschlossenen Schiebetürenschrank im Küchenabteil liegen und verlässt den
Restaurantwagen für etwa fünf Minuten um zu telefonieren. Bei seiner Rückkehr ist die
Kellnerbrieftasche mit dem Geld verschwunden.
2
Ein Berufskraftfahrer nimmt auf einer innerstädtischen Straße im Lkw mit einer
Freisprechanlage einen Anruf entgegen, blättert im Rahmen des Gesprächs in
Unterlagen, die auf dem Beifahrersitz liegen, und fährt dann bei Rot in die Kreuzung
ein, wo er mit einem anderen Fahrzeug kollidiert.
In beiden Fällen geht das BAG von grober Fahrlässigkeit aus[2].
[1] BGH, Urt. v. 18.12.1996 - IV ZR 321/95, NJW 1997, 1012.
[2] BAG, Urt. v. 15.11.2001 - 8 AZR 95/01, NZA 2002, 612; BAG, Urt. v. 12.11.1998 - 8 AZR 221/97, NZA
1999, 263.
2.4.1.4 Besonders grobe Fahrlässigkeit
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Im Einzelfall scheidet eine Haftungserleichterung deshalb aus, weil der Arbeitnehmer mit
besonders grober (gröbster) Fahrlässigkeit gehandelt hat[1]. Eine besonders grobe
Fahrlässigkeit liegt z. B. vor bei einer Häufung von Fehlern und Unterlassungen, ohne dass eine
besondere Stresssituation vorgelegen hat.
Praxis-Beispiel
Eine Ärztin in der Weiterbildung zur Fachärztin für Anästhesie verabreichte routinemäßig bei einer
Magenoperation einer Patientin mit der Blutgruppe Null zwei Blutkonserven, fälschlicherweise
jedoch solche der Blutgruppe A. Die Ärztin hat weder selber die Blutgruppe der Patientin
festgestellt noch gemerkt, dass auf dem Transfusionsprotokoll der Name einer andere Patientin
stand. Auch den anschließenden Test zur Überprüfung der Übereinstimmung von Blutkonserve
und Patientenblut hat sie nicht fachgerecht durchgeführt. Die Verwechslung der Blutgruppen wurde
daher zu spät festgestellt, so dass die Patientin verstarb.
Da die Beklagte hier gleich mehrere Sicherheitsmaßnahmen, die ein Arzt bei einer Bluttransfusion
zu beachten hat, nicht eingehalten hat, geht das BAG von einem besonders groben Verschulden
aus, so dass eine Haftungsmilderung ausscheidet[2].
[1] BAG, Urt. v. 25. 09.1997 - 8 AZR 288/96, NZA19 98,
310.
[2] BAG, Urt. v. 25. 09.1997 - 8 AZR 288/96, a. a. O.
2.4.1.5 Vorsatz
Vorsatz bedeutet das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolgs[1], also des Schadens. Der
Handelnde muss den rechtwidrigen Erfolg vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen
haben. Der Erfolg muss zumindest billigend in Kauf genommen worden sein. Nicht erforderlich ist,
dass der Erfolg gewünscht oder beabsichtigt worden ist.
Zur Annahme einer vorsätzlichen Handlung reicht es aber nicht aus, wenn sich der Vorsatz
lediglich auf die Pflichtverletzung bezieht, sondern auch der Schadenseintritt muss zumindest
billigend in Kauf genommen werden[2]. Nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen ist zwar
das Verschulden nur auf die Pflichtwidrigkeit oder Rechtsgutverletzung zu beziehen und nicht auf
den eingetretenen Schaden, allerdings hat das BAG in seiner Entscheidung vom 18.4.2002 sehr
grundlegend ausgeführt, dass sich in den Fällen der privilegierten Haftung für den Arbeitnehmer
das Verschulden auch auf den Schadenseintritt als solchen beziehen muss, da man ansonsten
das verfolgte Ziel der Haftungserleichterung für Arbeitnehmer nicht erreichen könne. Die
bezweckte Entlastung von der Risikozurechnung werde nicht erreicht, wenn sich der Vorsatz nur
auf die Pflicht- bzw. Schutzgesetzverletzung beziehen müsste.
Praxis-Beispiel
Ein Bauleiter verletzt vorsätzlich seine Sorgfaltspflichten und verursacht dadurch die Tötung eines
Menschen.
Hier hat das BAG trotz der vorsätzlichen Verletzung der Sorgfaltspflichten insgesamt nur grobe
Fahrlässigkeit angenommen[3].
[1] Palandt BGB § 276 Rn 10.
[2] BAG, Urt. v. 10.10.2002 - 8 AZR 103/02, AP Nr. 1 zu § 104 SGB VII, NZA 2003, 436; Urt. v. 18.04.2002
- 8 AZR 348/01, a. a. O.; Urt. v. 22. 04.2004 - 8 AZR 159/03, a. a. O.
[3] BAG, Urt. v. 01.12.1988 - 8 AZR 65/84, AP Nr. 2 zu § 840 BGB.
2.4.2 Weitere Abwägungskriterien
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In allen Fällen, in denen weder eine Haftungsfreistellung wegen geringfügigem Verschulden oder
wegen Eintritts der gesetzlichen Unfallversicherung in Betracht kommt, noch mit Vorsatz oder
besonders grober Fahrlässigkeit der Schaden herbeigeführt worden ist, sind für die Ermittlung des
Umfangs der Haftung durch den Arbeitnehmer alle Umstände des Einzelfalls genauestens zu
prüfen und zu berücksichtigen.
2.4.2.1 Einkommensverhältnisse des Arbeitnehmers
Auch wenn der Arbeitnehmer bei grober Fahrlässigkeit in aller Regel den gesamten Schaden zu
tragen hat, sind Haftungserleichterungen bei grober Fahrlässigkeit nicht ausgeschlossen. Die
Entscheidung ist nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu treffen, wobei es entscheidend
darauf ankommen kann, dass der Verdienst des Arbeitnehmers in einem deutlichen Missverhältnis
zum Schadensrisiko der Tätigkeit steht[1].
Unter dem Gesichtspunkt der Existenzgefährdung beschränkt das LAG Köln die Haftung bei
grober Fahrlässigkeit auf bis zu drei Monatsgehälter[2]. Dies entspricht auch dem Höchstbetrag,
der in der Reformdiskussion um die Schaffung eines einheitlichen Arbeitsgesetzbuchs im
Gespräch ist[3]. Das BAG hat bereits die Berücksichtigung der Dauer der Schadenstilgung gebilligt
und dabei anerkannt, dass die Dauer der Tilgung bis zur Restschuldbefreiung nach §§ 286 ff. InsO
von 7 Jahren ein Maßstab für die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung im Sinne einer
äußersten Leitlinie schaffen könnte[4].
[1] BAG, AP Nr. 97 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, NZA
1990, 97.
[2] Hanau/Rolfs NJW 1994, 1439.
[3] BAG, Urt. v. 15.11.2001 - 8 AZR 95/01, a. a. O.
[4] BAG, Urt. v. 18.04.2002 - 8 AZR 348/01, a. a. O.
2.4.2.2 Mankofälle
Haben Arbeitnehmer mit der Verwaltung und Aufbewahrung von Geld zu tun, tritt häufig die Frage
der Haftung für fehlende Beträge auf.
Praxis-Beispiel
1
Ein Zugrestaurantleiter lässt die Tageseinnahme unbeaufsichtigt in einem
unverschlossenen Schrank zurück und diese sind nach seiner Rückkehr
verschwunden.
2
Ein Busfahrer lässt das eingenommene Fahrgeld in seiner Pause ohne weitere
Sicherungsmaßnahmen im zwar verschlossenen, aber leicht zu öffnenden Bus zurück.
3
Ein Kassierer gibt einem Kunden ein Bündel Geldscheine heraus, ohne diese
nachzuzählen.
Ohne ein Verschulden des Arbeitnehmers kommt grundsätzlich keine Haftung in Betracht. Der
Arbeitnehmer haftet also nicht grundsätzlich und verschuldensunabhängig für alle Fehlbeträge in
seinem Verantwortungsbereich. Vielmehr sind die Grundsätze der eingeschränkten
Arbeitnehmerhaftung auch hier anzuwenden und insbesondere die summenmäßige Begrenzung
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erstellt am 17.03.2006
im Hinblick auf die Höhe des Verdienstes des Arbeitnehmers (s. o. 2.4.3.1).
Etwas anderes kann dann gelten, wenn der Arbeitnehmer für die Übernahme des besonderen
Risikos beim Verwalten von Kassen, Geld oder Warenbeständen als Risikoprämie eine
zusätzliche Vergütung erhält.
Ist damit auch eine Haftungsverschärfung verbunden, in dem Sinne, dass der Arbeitnehmer eine
verschuldensunabhängige Garantiehaftung übernimmt, dann bedarf dies einer besonderen
vertraglichen Vereinbarung, der sog. Mankoabrede, die die Rechtsprechung nur in engen
Grenzen für zulässig erachtet[1].
[1] BAG, Urt. v. 02.12.1999 - 8 AZR 386/98, AP Nr. 3 zu § 611 BGB Mankohaftung, NZA
2000, 715.
2.4.2.3 Eintritt einer Versicherung
Die Versicherbarkeit des eingetretenen Schadens hat große Bedeutung für die Bestimmung des
Haftungsumfangs.
Bestehende
Versicherungen
z. B.
Betriebshaftpflichtversicherung,
Feuerversicherung, etc. muss der Arbeitgeber vorrangig in Anspruch nehmen. Hat er die
zumutbaren und üblichen Versicherungen nicht abgeschlossen, muss er sich so behandeln lassen,
als habe er dies getan[1].
Ebenso wenig kann sich der Arbeitnehmer auf die Haftungsbeschränkung berufen, wenn zu seinen
Gunsten eine gesetzlich vorgeschriebene Haftpflichtversicherung eingreift[2]. Bei Bestehen einer
Pflichtversicherung liegen Risiken vor, die der Gesetzgeber als so gefahrträchtig ansieht, dass er
den Handelnden im Hinblick auf mögliche Gefahren für andere nicht ohne Versicherungsschutz
tätig sehen wollte. Diese Tatsache überlagert gleichsam die Grundsätze der beschränkten
Arbeitnehmerhaftung, sodass für deren Anwendung kein Raum ist[3].
Besteht ein solcher Pflichtversicherungsschutz jedoch nicht, hängt die Anwendung der Grundsätze
der Arbeitnehmerhaftung nicht davon ab, ob zufällig ein privater Haftpflichtversicherungsschutz
besteht oder nicht. Hat sich der Arbeitnehmer selbst gegen das Risiko seiner betrieblichen
Tätigkeit freiwillig versichert, so hat dass grundsätzlich keine Auswirkungen auf den
Haftungsumfang, sondern die private Haftpflichtversicherung haftet nur in dem Umfang, in dem der
Arbeitnehmer selbst haftet.
[1] BAG, Urt. v. 24.11.1987 - 8 AZR 66/82, DB 1988,
1606.
[2] BAG, Urt. v. 25.09.1997 - 8 AZR 288/96, a. a. O.
[3] BAG, Urt. v. 25.09.1997 - 8 AZR 288/96, a. a. O.
2.4.2.4 Besonders gefährdete Berufsgruppen
Berufsgruppen, die sich besonders häufig mit Schadensersatzansprüchen konfrontiert sehen, sind
beispielsweise Ärzte oder auch pädagogisches Personal.
Medizinisches Personal
Gerade bei Ärzten ist bei der Gesamtabwägung immer zu berücksichtigen, ob sie sich gerade in
einer Stresssituation befunden haben, z. B. bei einer Notfalloperation, wie vertraut sie mit der
Tätigkeit waren, ob es sich um einen Berufsanfänger gehandelt hat, ob eine arbeitsmäßige
Überlastung vorgelegen hat, die Länge der Arbeitszeit etc.
Bei der Beurteilung eines ärztlichen Behandlungsfehlers sind die von den Fachgesellschaften
herausgegebenen Leitlinien für das jeweilige medizinische Handeln zu berücksichtigen.
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Pädagogisches Personal
Für den Umgang mit zu beaufsichtigenden Kindern haben sich folgende Richtlinien entwickelt:
Das Maß der gebotenen Aufsicht bestimmt sich nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes,
nach der Vorhersehbarkeit des schädigenden Verhaltens sowie danach, was verständige Eltern
nach vernünftigen Anforderungen in der konkreten Situation an erforderlichen und zumutbaren
Maßnahmen treffen müssen, um Schädigungen Dritter durch ihr Kind zu verhindern[1]. Das Maß
der Aufsicht muss mit dem Erziehungsziel, der wachsenden Fähigkeit und dem wachsenden
Bedürfnis der Kinder zum selbstständigen, verantwortungsvollen Handeln in Einklang gebracht
werden. Diese angestrebte Persönlichkeitsentwicklung würde durch eine dauernde Überwachung
behindert oder gar verhindert werden; deshalb dürfen und müssen Kindern altersgemäße
Freiräume eingeräumt werden.
Bei Kleinkindern bis drei Jahre ist eine ständige Aufsicht erforderlich und deshalb ein längeres
Alleinlassen regelmäßig als grob fahrlässig zu bewerten. Bei Kindern im Kindergartenalter ist
hingegen eine Überwachung auf Schritt- und Tritt nicht mehr erforderlich. So dürfen vierjährige
Kinder sich ohne ständige Überwachung alleine auf einem Spielplatz oder Sportgelände aufhalten
und müssen nur gelegentlich beobachtet werden.
Unabhängig von der Frage des Verschuldens führen Unfälle von Kindern und Jugendlichen, die
sich während des Besuchs der Kindertagesstätte oder der Schule ereignen, zum
Haftungsausschluss des Arbeitnehmers ebenso wie des Arbeitgebers, da hierfür gem. § 106
Abs. 1 Nr. 3 SGB VII die gesetzliche Unfallversicherung eintritt (siehe auch unten 2.5).
Praxis-Beispiel
Ein Kindergartenkind erleidet infolge der Unachtsamkeit der Erzieherin bei einem Sturz von dem
Klettergerüst schwere Verletzungen.
Das Kind hat weder Ansprüche gegen die Erzieherin noch gegen den Träger der Einrichtung,
sondern ausschließlich gegen die Berufsgenossenschaft.
Praxis-Beispiel
Eine Erzieherin greift aus pädagogischen Gründen bei einer Rangelei unter den Kindern nicht
direkt ein. Ein Kind erhält einen Stoß und fällt dabei mit dem Kopf auf die Tischkante, so dass
mehrere Vorderzähne beschädigt werden.
Bei Raufereien und Rangeleien unter Kindern und Jugendlichen geht das Bundessozialgericht
davon aus, dass diese Ausfluss typischer gruppendynamischer Verhaltensweisen sind und dass
Verletzungen, die dabei eintreten, nicht vorsätzlich herbeigeführt sind[2].
Auch wenn ein vorsätzlicher Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften vorliegt, entfällt der
Haftungsausschluss nicht, wenn kein Vorsatz bezüglich des Verletzungserfolgs, d. h. bezüglich
des Personenschadens vorliegt[3].
[1] BGH, Urt. v. 19.01.1993 - IX ZR 76/92, NJW 1993, 1003.
[2] BSG, Urt. v. 07.11.2000 - B 2 U 40/99, R-NJW 2001,
2009.
[3] LAG Köln, Urt. v. 29.09.1994 - 6 SA 763/94, NZA 1995,
470.
2.5 Ausschluss der Schadenshaftung durch Eintritt der gesetzlichen
Unfallversicherung bei Arbeitsunfällen
Nach dem Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung, geregelt im Siebten Buch Sozialgesetzbuch
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erstellt am 17.03.2006
(SGB VII), greift für Personenschäden ein vollständiger Haftungsausschluss für Arbeitnehmer
gegenüber Ansprüchen von Arbeitskollegen (§§ 104, 105 SGB VII) ein. Sinn und Zweck des
gesetzlich angeordneten Haftungsausschlusses der §§ 104 ff. SGB VII ist es zum einen, den
Arbeitgeber von einer Einstandspflicht für die Handlung seines Arbeitnehmers nach
privatrechtlichen Maßstäben zu befreien, und zum anderen, den Betriebsfrieden zu sichern. Durch
den gesetzlichen Haftungsausschluss soll daher das Risiko von Arbeitsunfällen für den
Arbeitgeber kalkulierbar und die Anlässe zu Konflikten im Betrieb zwischen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer sowie zwischen den Arbeitnehmern untereinander eingeschränkt werden[1].
[1] BAG, Urt. v. 22.04.2004 - 8 AZR 159/03,
a. a. O.
2.5.1 Arbeitsunfall
Erleidet ein Arbeitskollege einen Personenschaden aufgrund eines Arbeitsunfalls (§ 8 SGB VII),
den der Arbeitnehmer weder vorsätzlich noch auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII
versicherten Weg herbeigeführt hat, schließt die gesetzliche Unfallversicherung jegliche
zivilrechtliche Haftung aus (§ 105 Abs. 1 SGB II). Dieser Haftungsausschluss gilt für
Schadensersatzansprüche ebenso wie für etwaige Schmerzensgeldansprüche. Der Geschädigte
oder seine Hinterbliebenen haben stattdessen Anspruch auf Leistungen der Berufsgenossenschaft
(BG).
Hinweis
Die Leistungen der BG sehen keinen dem Schmerzensgeld vergleichbaren Anspruch vor, sodass
das Opfer eines Arbeitsunfalls finanziell erheblich schlechter gestellt sein kann als das
vergleichbar verletzte Opfer eines Verkehrsunfalls.
Der Unfallverursacher und der Geschädigte müssen in demselben Betrieb tätig geworden sein,
wobei es entscheidend auf das Merkmal der Eingliederung in den Betrieb ankommt. Im
Umkehrschluss heißt dass, dass die beiden nicht zwingend Arbeitnehmer des Betriebs sein
müssen, sondern es ausreicht, wenn die Tätigkeit "wie ein Beschäftigter"[1] erfolgt ist. Also kann
auch die Schadensverursachung an einer betriebsfremden Person zum Haftungsausschluss
führen, wenn diese wenigstens kurzzeitig wie ein Arbeitnehmer des Betriebs tätig geworden ist[2].
Der Schaden muss bei einer betrieblichen Tätigkeit eingetreten sein. Der Haftungsausschluss
entfällt, wenn Vorsatz sowohl bezüglich der Verletzungshandlung wie auch des Verletzungserfolgs
vorgelegen haben. Bei mindestens grob fahrlässigem Verhalten des Arbeitnehmers kann die BG
Regress nach § 110 SGB VII bei ihm nehmen, muss dabei jedoch auf die wirtschaftlichen
Verhältnisse des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen. Der Haftungsausschluss kommt dem
Arbeitnehmer auch zugute, wenn er einen Personenschaden seines Arbeitgebers verursacht hat,
unabhängig davon, ob dieser bei der BG versichert ist oder nicht.
[1] BAG, Urt. v. 12.12.2002 - 8 AZR 94/02, AP Nr. 2 zu § 105 SGB VII, NZA 2003,
968.
[2] BAG, Urt. v. 10.10.2002 - 8 AZR 103/02, a. a. O.
2.5.2 Sachschäden
Für Sachschäden gilt der gesetzliche Haftungsausschluss grundsätzlich nicht. Von der
gesetzlichen Unfallversicherung mitversichert sind jedoch Schäden an Hilfsmitteln wie z. B. Brillen
oder Hörgeräte (§ 31 SGB VII). Diese werden daher von dem Haftungsausschluss für
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erstellt am 17.03.2006
Gesundheitsschäden mitumfasst (§ 8 Abs. 3 SGB VII).
2.6 Haftung im Außenverhältnis
Schädigt ein Mitarbeiter durch sein betriebliches Verhalten außenstehende Dritte, z. B. Kunden, so
ist er diesen zum Schadensersatz verpflichtet. Soweit der Arbeitnehmer allerdings im
Innenverhältnis zum Arbeitgeber nach den Grundsätzen der eingeschränkten Arbeitnehmerhaftung
auch nur begrenzt oder gar nicht haften würde, hat er gegenüber seinem Arbeitgeber einen
Freistellungsanspruch gegenüber den Haftungsansprüchen des Dritten.
Praxis-Beispiel
Eine Krankenschwester lässt der Besucherin einer Patientin die mit Wasser gefüllte Blumenvase
auf den Fuß fallen.
Hier kommt der Arbeitnehmerin die Haftungserleichterung aus dem Arbeitsverhältnis indirekt auch
gegenüber der dritten Person zugute, indem sie einen Freistellungsanspruch gegen ihren
Arbeitgeber hat.
Probleme ergeben sich jedoch dann, wenn der Arbeitgeber nach Eintritt des Schadens insolvent
wird und den Schaden nicht mehr ausgleichen kann. Dann haftet der Arbeitnehmer gegenüber
dem Dritten in vollem Umfang. Allerdings kommen dem Arbeitnehmer Haftungsausschlüsse, die
der Arbeitgeber z. B. in seinen AGB mit den Dritten vereinbart hat, ebenfalls zugute[1].
[1] BGH, Urt. v. 21.12.1993 - VI ZR 103/90, DB 1994,
634.
2.7 Beweislast
Die Beweislast für die Voraussetzungen der Schadensersatzansprüche trägt der Arbeitgeber. Er
muss daher objektive Pflichtwidrigkeit, Rechtsgutverletzung, haftungsbegründende und
haftungsausfüllende Kausalität, den Schaden und das zur Haftung führende Verschulden
nachweisen[1]. Durch § 619a BGB wurde die Beweislast dahingehend gesetzlich geregelt, dass
das Vertretenmüssen der Pflichtverletzung anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal und
daher vom Arbeitgeber zu beweisen ist.
[1] BAG, Urt. v. 22.05.1997 - 8 AZR 562/95, NJW 1998,1011; Urt. v. 17.09.1998 - 8 AZR 175/97, AP Nr. 2
zu § 611 BGB Mankohaftung.
3 Lohnsteuerrecht
Hat der Arbeitnehmer aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit im Rahmen der zivilrechtlichen Haftung
für Vorsatz oder Fahrlässigkeit Schadensersatz zu leisten, so stellen diese Aufwendungen
Werbungskosten dar. Ist allerdings das schadensstiftende Ereignis in nicht unbedeutendem Maße
aus privaten Gründen mitveranlasst z. B. bei deliktischem Verhalten wie Betrug, Unterschlagung,
so sind die Schadensersatzaufwendungen nicht als Werbungskosten abzusetzen.
4 Sozialversicherungsrecht
Im Sozialversicherungsrecht versteht man grundsätzlich unter dem Begriff der
Arbeitnehmerhaftung die nur ausnahmsweise geltende Pflicht des Arbeitnehmers zur Tragung der
Sozialversicherungsbeiträge
aus
dem
Arbeitsentgelt.
Zur
Haftung
für
die
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erstellt am 17.03.2006
Sozialversicherungsbeiträge aus mehreren geringfügigen Beschäftigungen, ebenso wie zur
Haftung des Altersteilzeitmitarbeiters für zu Unrecht gezahlte Leistungen aus dem
Altersteilzeitarbeitsverhältnis siehe jeweils unter den entsprechenden Stichwörtern.
Eine Schadensersatzpflicht aufgrund arbeitsrechtlicher
sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen.
13
Arbeitnehmerhaftung
hat keinerlei
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