1 | 2011 4 1 Fe e d b a ck reduziert Misse r fo lg e Zur Vorhersage und Variabilität von Psychotherapieverläufen Verstärkung in der Cotherapie Mit einer Effektstärke von .88 kann Psychotherapie als sehr bedeutsame Behandlungsform bezeichnet werden, so Prof. Dr. Wolfgang Lutz, Abteilung für Psychologie der Universität Trier, bei der Frühjahrstagung der Gutachter in der Nexus-Klinik. Psychotherapie übertrifft damit die Effektivität vieler anderer klinischer Disziplinen. Die Herzchirurgie (by-pass-Operation) erzielt eine Effektstärke von .80, wohingegen die Gabe von Aspirin zur Prävention von Herzanfällen eine Effektstärke von .07 aufweist. Gleichwohl verlaufen nicht alle psychotherapeutischen Prozesse erfolgreich. • Es gibt Patienten Bei 5 – 10% der Pafür die störungstienten kommt es zu spezifische Theraeiner Verschlechtepieprogramme / rung des BeschwerManuale das debildes und 15 – wirksamste Vor25 % der Behandelgehen darstellen. ten erzielen gar •„Early response“: keine Verbesserung, Es gibt Patienten, so die Ergebnisse welche zur rechverschiedener Überten Zeit am rechblicksarbeiten. Wähten Ort in die rend in den letzten Therapie komJahren viel Wissen men und sehr zur Psychopatholozügig und optigie psychischer Stömal profitieren. rungen erarbeitet Es spielen hier wurde, liegt deutlich womöglich anweniger gesichertes dere WirkfaktoVeränderungswisProf. Dr. Wolfgang Lutz mit Dr. Jochen Sturm ren eine Rolle als sen, insbesondere die theoretische Orientierung des Therapeuten. bezüglich interindividueller Unterschiede im Therapie• Es gibt Patienten, die von unterschiedlichen psychoverlauf vor. Des Weiteren fehlen klinisch-theoretische therapeutischen Interventionen / Orientierungen proModelle zu interindividuellen Unterschieden und Verfitieren können. laufsmustern. • Es gibt Unterschiede zwischen den Therapeuten und dies ggf. in Interaktion mit bestimmten PatientenDabei sind Antworten auf Fragen, wie eine laufende gruppen und unabhängig von der theoretischen OriTherapie mit negativer Prognose optimiert werden kann entierung. für den Praktiker ebenso interessant wie verbesserte • Therapieziele verändern sich mit unterschiedlicher Möglichkeiten der Einschätzung, welche Art von TheraGeschwindigkeit in der Therapie. Es gibt verändepieverlauf man bei welchem Patienten mit welchem rungssensitivere Therapieziele, welche mehr TheraTherapieaufwand erreichen kann. pieaufwand benötigen. Die Behandlung bestimmter Therapieziele kann durch ein wirkfaktorengestütztes Ebenen der Psychotherapieforschung Denken verbessert werden. Psychotherapieforschung kann vielfältige Schwerpunkte • Erweiterte theoretisch-klinische Interventionen (Wirksetzen: Neben der patientenorientierten Versorgungsfaktorenorientierung) sind gegebenenfalls besonders forschung (Makroebene) sind die Erforschung diskontihilfreich für komorbide und interpersonal schwierige nuierlicher Therapieverläufe und -prozesse (Mesoebene) Patienten und entsprechende komplexere Therapieoder die von therapeutischen Mikrostrategien (Mikroziele. ebene) weitere wichtige Aufgabengebiete. In der sich anschließend lebhaft geführten Diskussion plädierte Wolfgang Lutz für eine stärkere ErgebnisoriWas die Psychotherapieforschung heute bereits entierung anstelle der bisherigen Schulenausrichtung. weiß (Lutz, 2011): Hierzu sei allerdings der weitere Ausbau der Psycho• Rückmeldungen über den Therapiefortschritt, z. B. mit therapieforschung nötig sowie eine verbesserte UnterHilfe psychometrischer Testergebnisse, verbessern suchung der Verlaufsmuster, der Therapeutenvariablen Therapien. Dies gilt besonders bei Patienten mit einer und der Wirkungsweise. Wichtig sei außerdem, so Wolfnegativen Prognose: Feedback vermag hier Missergang Lutz, dass hinter Prädiktoren für Therapieveränfolge zu reduzieren und bei bereits positiv verlaufenderung stets Wahrscheinlichkeitsmodelle stehen. Aus den Prozessen das Therapieergebnis nochmals zu verdiesem Grund sollten Entscheidungen nur unter Einbebessern. Der Einsatz von Feedback wäre idealerweise zug des klinischen Eindrucks getroffen werden. Denn bereits Inhalt in den psychotherapeutischen AusbilWahrscheinlichkeitsaussagen und die daraus abgeleidungen, um so frühzeitig Akzeptanz bei den Therateten automatisierten Entscheidungen sind prinzipiell peuten zu erzielen. manipulationsanfällig. Nagmeh Ghaderi ist Fachkrankenschwester für Psychiatrie mit Fachausbildung an der Universitätsklinik Der cotherapeutische Arbeitsbereich umfasst die Durchführung von indikativen Gruppen wie z. B. Soziales Kompetenztraining, Genusstraining, Raucherentwöhnungstraining, Achtsamkeitstraining, Suchtprävention. Weiterhin führt Nadmeh Ghaderi unter Supervision der Bezugstherapeuten und Supervisoren auch Verhaltensübungen durch und bietet zusätzlich Biofeedbacksitzungen an. Weitere Schwerpunkte ihrer Arbeit liegen in der kultursensiblen psychiatrischen Betreuung. Zwei optionale indikative Gruppen: „Schluss mit dem Rauchen” und „Männergruppe” „Das Rauchen aufgeben ist nicht schwer. Ich habe es über hundert Mal gemacht.“ (Mark Twain) Schluss mit dem Rauchen Wussten Sie schon, dass: • jede Zigarette die Lebenserwartung um durchschnittlich fünfeinhalb Minuten verkürzt? • im Tabakrauch bislang über 4.000 verschiedene Stoffe nachgewiesen wurden? • vom Ausprobieren des Tabaks mehr Menschen abhängig werden als wenn sie Heroin probieren? Viele Raucher sagen von sich selber, dass sie gerne mit dem Rauchen aufhören würden, da sie die negativen Folgen des Rauchens nicht länger in Kauf nehmen wollen. Gleichzeitig scheitern entsprechende Versuche immer wieder und hinterlassen bei den Betroffenen ein Gefühl des Scheiterns. Da nicht allen Betroffenen der Ausstieg ohne fremde Hilfe gelingt, bietet die Nexus-KLinik bei Bedarf ein kognitiv-verhaltenstherapeutisches Curriculum zur Raucherentwöhnung an. Neben der Vermittlung medizinischer Hintergründe und eines präzisen Wissens um die Fol- geschäden des Rauchens liegt ein Schwerpunkt auf der Motivationsarbeit, um die Teilnehmer zu einer Entscheidung für das Nichtrauchen zu bewegen. Im Weiteren spielt die Vermittlung von Handlungsalternativen und Lösungsstrategien bei der Entwöhnung eine zentrale Rolle. Männergruppe Männer leiden ebenso häufig wie Frauen an Depressionen und psychischen Erkrankungen, neigen aber viel mehr dazu, diese aus ihrem männlichen Rollenverständnis heraus zu überspielen, zu kaschieren oder in Sprachlosigkeit zu verfallen. Auch die Bewältigungsstrategien und Lösungsversuche (Flucht in Arbeit, Alkohol, Sport oder Rückzug) führen dazu, dass männliche Depressionen lange Zeit unentdeckt und damit unbehandelt bleiben. Um dieser Sprachlosigkeit entgegenzutreten und für Männer ein speziell auf ihre Schwierigkeiten ausgerichtetes Gesprächsangebot anbieten zu können, wird ab Juni 2011 in der Nexus-Klinik Henning Hager eine indikative Männergruppe anbieten. Seine jahrelange Erfahrung in der Gruppenarbeit mit Männern und sein fundiertes Fachwissen in den Bereichen Urologie und Andrologie erlauben auch die Bearbeitung heikler Themen wie Impotenz, Prostatakrebs oder Sexualstörungen. Analyse und Standortbestimmung von Volker E. Kollenbaum Ohne Körper keine Seele!? Körperwahrnehmung und psychische Gesundheit Referent: Prof. Dr. med. Dr. Phil. Dipl.-Psych. Volker Kollenbaum Mittwoch, 05.10.2011 um 18:30 Uhr: Neue Welle – perfekte Welle!? Gibt es eine 3. Welle der Verhaltenstherapie? Referent: Prof. Dr. Jürgen Margaf Stress ist Bestandteil unseres Lebens. Konjunktur hat das Thema in jüngster Zeit auch durch die Publikation von Studien der Krankenkassen und Rentenversicherungen über steigende Fallzahlen und wachsende Ausgaben für psychische Erkrankungen, die in Zusammenhang mit Belastungen am Arbeitsplatz gesehen werden. Viele Menschen sehen sich durch Stress geschädigt, andere glauben, dass sie erst durch Stress zur vollen Form auflaufen. Aber was ist Stress wirklich? Ein Modethema, zu dem jeder eine letztlich mehr oder weniger fundierte Meinung hat? Eine Erfindung der Psychologie? Was wissen wir heute darüber? Volker-E. Kollenbaum, Prof. Dr. med. Dr. phil. Dipl.-Psych., Internist, Facharzt für Psychotherapeutische Medizin leitet die Nexus-Klinik als Nachfolger von Sigrid Krause, die aus persönlichen Gründen in ihre niedersächsische Heimat zurückkehrt. Sie übernimmt dort die Leitung der Deister-und-WeserKlinik, wo sie bis zur Tätigkeit für die Nexus-Klinik lange Jahre als Oberärztin tätig war. Mit dem nebenstehenden Artikel über Stress und Burnout stellt sich Volker Kollenbaum als Chefarzt vor, der profunde Kenntnisse und langjährige Berufserfahrung in den Bereichen Innere Medizin, Psychosomatik und Psychotherapie in seine Tätigkeit einfließen lassen kann. Zuletzt war Kollenbaum Chefarzt der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Segeberger Kliniken in Bad Segeberg, wo er sowohl die Rehabilitationsklinik wie auch die Akutabteilung leitete. Bis Ende 2010 fungierte er zugleich als Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Zentrum für Integrierte Psychiatrie (ZiP-Kiel) des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Kiel. 2005 verlieh ihm die Universität Hamburg den akademischen Titel eines Professors, 1999 hatte er dort die Venia legendi als Privatdozent für klinische Psychologie erhalten. Weitere klinische Leitungserfahrung sammelte Volker Kollenbaum von 2003 bis 2007 als Chefarzt der Bad Kissinger Klinik Heiligenfeld. Als geschäftsführender Arzt des Tumorzentrums im Uniklinikum Kiel leitete er auch die psychosoziale Betreuung von Tumorpatienten (1988 bis 2003). Einige seiner Forschungsschwerpunkte: • Psychosomatik und Psychophysiologie der Blutdruckregulation bei gesunden und hypertoniegefährdeten jungen Männern • Kardiovaskuläre Interozeption sowie Interozeption und Verhaltenskontrolle • Psycho-physiologische Prädiktoren einer Hypertonieentwicklung Mittwoch, 20.07.2011 um 18:30 Uhr: Umgang mit Verlusten Referent: Prof. Dr. med. Dr. Phil. Dipl.-Psych. Volker Kollenbaum Dauerbelastung – Stress – Burnout – Depression +++ Neu – Neu – Neu +++ Kolloquium „Moderne Psychotherapie“ Mittwoch, 23.11.2011 um 18:30 Uhr: NEWS Freiburg. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Pflegeleitung und Cotherapeutin an einer psychiatrischen Institutsambulanz unterstützt sie seit Herbst 2010 das ärztlich-therapeutische Team der Nexus-Klinik in den Bereichen Pflege und Cotherapie. I m p r e s s u m © 2011 Baden-Baden Herausgeber V.i.S.d.P.: NEXUS-KLINIK – Privatkrankenhaus · Träger: Medexpert GmbH Hermann-Sielcken-Str. 80 · 76530 Baden-Baden Geschäftsführer: Thomas Schindler, Dr. Jochen Sturm Redaktionsleitung: Christine Ait-Mokhtar Bilder: Nexus-Klinik, Privat, Fotolia.com Gestaltung und Gesamtherstellung: Späth Media GmbH · Schwarzwaldstr. 60 76532 Baden-Baden · www.spaethmedia.de 1 | 2011 Eine sowohl tiefenpsychologische wie auch lerntheoretische Psychotherapieausbildung prädestinieren Kollenbaum zum Chefarzt der Nexus-Klinik, wo verhaltenstherapeutische Strategien mit schulenübergreifenden Methoden patientenorientiert kombiniert werden. Prof. Dr. Dr. Kollenbaum ist außerdem seit März 2009 Geschäftsführer des Deutschen Kollegium für Psychosomatische Medizin (DKPM) Umgangsprachlich werden meist äußere Belastungsfaktoren (der Leistungsdruck, die Kollegen, der Chef) als Stress bezeichnet. In einem wissenschaftlichen Zusammenhang wird Stress dagegen verstanden als Anpassungsanstrengung des Körpers bei einer (schon eingetretenen oder vorhergesehenen) Störung des aktuellen Fließgleichgewichts. Der Blick ist also auf die Reaktion des Körpers gerichtet. Die Anpassungsaufgabe des Körpers variiert mit Quantität und Qualität der Belastung. Eine Anpassung an eine mäßige Veränderung (z. B. eine Erhöhung der Umgebungstemperatur von 20 auf 30 °C) würde von den meisten menschlichen Organismen problemlos toleriert. Handelt es sich jedoch um einen kritischen Bereich (30 auf 40 °C), würden die meisten dies als Stress erleben, während Veränderungen in einen Extrembereich (z. B. 40 auf 50°C) die Kompensationsmöglichkeiten des Organismus überfordern und vermutlich zu einer dauerhaften Schädigung führen (je nach Feuchtigkeitsgehalt der Luft u.a. Parameter). Anpassung an psychosoziale Veränderung Seit vielen Jahren wissen wir, dass psychosozialer Stress „peripher-physiologische" Veränderungen bewirken kann: die Herzfrequenz oder der Blutdruck steigt, die Schweißdrüsen produzieren mehr, der Speichelfluss wird geringer und anderes mehr. Es ist auch gut bekannt, dass biochemische Effekte nachweisbar sind: Katecholamine im Blut (Adrenalin, Noradrenalin) steigen an, der Cortisonspiegel, einige Blutfette und viele andere Substanzen lassen eine Reaktion erkennen. Die Gehirnstrukturen, die diese Reaktionen vorrangig vermitteln, liegen im Hypothalamus (besondere Bedeutung für die Integration der Signale hat der Nucleus paraventricularis), im Hirnstamm (aszendierende Signale) und in Teilen des limbischen Systems (deszendierende Signale). Dabei werden Art und Intensität der vorliegenden Störung des Fließgleichgewichts bewertet und die körperlichen Reaktionen entsprechend modifiziert. Limbisches System auch für Psychotherapie bedeutsam Die Antwort des Körpers auf eine akute Bedrohung dieses Gleichgewichts verläuft zunächst entlang vorgefertigten Ablaufschemata: Angriff, Flucht oder Totstellreflex sind die Muster, von denen unwillkürlich eines ausgewählt wird. Während kurzfristige Stresseffekte zwar mit ausgeprägten körperlichen Reaktionen einhergehen, wäre dadurch eine dauerhafte Schädigung des Organismus noch nicht zu erwarten. Für die Entstehung dauerhafter Schäden muss es offensichtlich zu einer wiederholten oder chronischen Belastungssituation kommen. Chronische Stressbelastung ändert jedoch nicht nur die Funktion, sondern auch die Struktur der Hirnareale, die an der Kontrolle der hormonellen und der neuronalvegetativen Stressantwort beteiligt sind. Dies sind unter anderen der Hippokampus und der präfrontale Kortex. Apikale Dendriten von Pyramidenzellen werden dort beispielsweise unter anhaltendem Stress vermindert angetroffen, wohingegen basolaterale Mandelkerngebiete einen vermehrten dendritischen Besatz zeigen. Weitere Veränderungen sind nachgewiesen für den Hypothalamus (Nucleus paraventricularis) mit veränderter Expression einer großen Zahl von Neurotransmitter-Rezeptoren. Dauerstress verändert Hormongeschehen Chronischer Stress lässt die Hormonantwort des Körpers empfindlicher ausfallen und die negative Feedback-Wirkung erhöhter Gukokortikoidwerte im Blut abnehmen: es wird für den Organismus zunehmend schwieriger, wieder zu einer ausgewogenen Gleichgewichtssituation zurückzukehren, der Stress hält sich wie in einem Teufelskreis. In einem solchen Fall chronischer Stressbeinflussung macht sich auch die stressbedingt verminderte Ausschüttung von Wachstumshormonen für Hirn-Nervenzellen (BDNF: brain derived neurotrophic factor) bemerkbar, die mit einer Hypothrophie u. a. der Hippokampusregion einhergeht und in der Genese einer depressiven Störung eine entscheidende Rolle spielt. Depressive Störungen werden daher von vielen Forschern heute als Stresserkrankung aufgefasst. Krankheit als Stressfolge Es ist daher plausibel davon auszugehen, dass eine große Zahl von körperlich bedingten Erkrankungen als Folge chronischer Stressbelastung aufzufassen ist. Dazu kommen allerdings psychische Störungen, die durch das Gefühl der Überforderung, Hilflosigkeit angesichts steigender Arbeitsdichte und Angst vor Stellenabbau begünstigt werden. Im klinischen Kontext treffen wir immer wieder auf Menschen, die Angst- oder Zwangsstörungen aufweisen, deren Ausprägung mit den erlebten Belastungen des Arbeitsalltags in Verbindung zu bringen ist. Unter medizinischem Aspekt lohnt es sich daher, sich intensiver mit Stress als Reaktion von Organismen auf Belastungssituationen zu beschäftigen und nach Behandlungsmöglichkeiten zu suchen, die Stressfolgen mildern oder den individuellen Umgang mit Belastungssituationen verbessern, so dass weniger Erkrankungen auftreten. In der Behandlung von Stressfolgen nimmt die Eigenbehandlung der Betroffenen eine häufig unrühmliche Stellung ein. Zur vermeintlichen Entspannung wird häufig nach Genussgiften oder Psychopharmaka gegriffen; an erster Stelle ist hier wohl der Alkohol zu nennen. Aus der Anamnese manches Alkoholikers wird deutlich, dass der Versuch, mit den Belastungen des Alltags zurechtzukommen, zu regelmäßigem Alkoholkonsum und schließlich zum zunächst unbemerkten Kontrollverlust im Umgang mit Alkohol geführt hat. Eigentherapie mit Genussgiften Ein weiterer Bereich fruchtloser Behandlungen ergibt sich in den Fällen, in denen ein Zusammenhang mit psychosozialer Belastung nicht gesehen oder geleugnet wird und eine rein körperorientierte Behandlung durchgeführt wird. Gesellschaftliche Ressourcen werden für eine solche unzureichende Behandlung verschwendet – und dies häufig unter aktiver Mitwirkung von Ärzten, die nur ihre eigene Fachrichtung im Blick haben oder die psychophysiologischen Zusammenhänge in ihrem Denken nicht berücksichtigen. Dabei existieren wirksame Behandlungen, um Stressfolgen zu beseitigen oder zu lindern und um eine erhöhte individuelle Widerstandsfähigkeit gegen die alltäglichen Belastungen zu erwerben. Ambulant oder stationär? Eine psychosomatisch sinnvolle Behandlung wird im Regelfall erfolgreich ambulant durchzuführen sein. Jedoch gibt es Situationen, in denen die ambulante Behandlung an ihre Grenzen kommt. Ist etwa die notwendige Behandlungsfrequenz oder das zielführende Medium (Therapiegruppe oder spezielle praktische Übungen) in der ambulanten Praxis nicht darstellbar, so ist an eine stationäre Behandlung zu denken. Im stationären Setting kann eine Vielzahl von Interventionsmöglichkeiten in zeitlicher und räumlicher Verdichtung zum Einsatz kommen, deren Effekte durch die Herausnahme aus dem Alltag erst ermöglicht werden und in einem zweiten Schritt dann gefestigt werden müssen. Nexus-Klinik als Teil der Gesamtbehandlung In der Regel wird der ambulante Therapeut die Aufgabe übernehmen, diese Festigung und Übertragung der gelernten Verhaltensweisen auf den Alltag der Patienten zu begleiten und zu fördern. Dies ist typischerweise keine psychiatrische Therapie – auch wenn es Psychiater gibt, die gleichzeitig hervorragende Psychosomatiker sind – sondern im eigentlichen Sinne psychosomatische Behandlung, die in Deutschland inzwischen in vielen Regionen verfügbar ist. Die Nexus-Klinik sieht sich dabei in der Pflicht, den vom kooperierenden ambulanten Partner für seine Patienten definierten Auftrag im Rahmen der Gesamtbehandlung anzugehen und den Verlauf in der Klinik rück zu melden. Die Erkenntnisse aus dem stationären Teil der Gesamtbehandlung können dadurch wiederum gewinnbringend in den weiteren Verlauf der ambulanten Behandlung einfließen. Dabei ist der Dialog über Konzepte, Möglichkeiten und Grenzen der Nexus-Klinik besonders wichtig, damit das Angebot der Nexus-Klinik auch zielführend angesteuert und ausgewählt werden kann. +++ Schonende il ab st 10 20 ch au ät it al +++ Ergebnisqu eite 3)… (S )S (H AD te da Up + ++ 2) Traumtherapie(Seite NEWS 2 Gesundheit ist. Stressreduzierend wirken auch die Aktivierung des Bindungssystems in der therapeutischen Beziehung und die Aktivierung eines Sicherheitsgefühls im therapeutischen Setting. Ergebnisqualität auch 2010 stabil Symptomreduktion und Nachhaltigkeit als ausgezeichnet bewertet Die Befragung von 359 Patienten in 2010 bestätigen die Ergebnisse der Vorjahre. Inhalt und Ausmaß der Beschwerden werden bei allen Patienten zu Beginn und am Ende der Behandlung mittels der Fragebögen BDI und SCL-90-R standardisiert erfasst. Je nach individueller Erkrankung werden zusätzlich störungsspezifische Messinstrumente eingesetzt. Als weiterer Indikator für die Effektivitätsprüfung der Behandlung wird die Veränderung in der Arbeits- bzw. Dienstfähigkeit herangezogen wie auch die therapeutenseitige vorher-nachher-Einschätzung des allgemeinen Funktionsniveaus (GAF). (19 % waren selbständig erwerbstätig). Dieser Personenkreis verfügt häufig über sehr begrenzte zeitliche Ressourcen und fragt deshalb eine sehr intensivierte und individualisierte Therapie nach. Während die in 2010 behandelten Patienten bei Aufnahme im Durchschnitt einen BDI-Wert (Beck-Depressions-Inventar) von 22,0 aufwiesen, lag der Wert nach Abschluss der Therapie bei 9,7 Punkten. Diese Verbesserung ist statistisch hoch hochsignifikant (p < .01) und verweist mit einer Effektstärke von 0,83 auf eine bedeutsame Wirkung der Behandlung in der Nexus-Klinik. Ein vergleichbares Ergebnis zeigte die Auswertung des SCL-90-R. Der durchschnittliche Eingangswert in Höhe von 66,4 betrug bei Entlassung nur noch 52. Auch diese Veränderung ist statistisch hochsignifikant (p < .01) und stellt mit einer Effektstärke von 1,22 unter klinischen Aspekten eine sehr bedeutsame Verbesserung dar. Dieser positive Effekt wird durch die 1- und 2Jahres-Katamnese bestätigt (s. Abb. 1 und 2). Die Therapieergebnisse bleiben auch zwei Jahre nach der Behandlung stabil. Viele selbstständig Erwerbstätige in Behandlung Bei der Altersstruktur dominierte 2010 mit einem Anteil von 80 % das Lebensalter zwischen 41 und 65 Jahren (41–50 Jahre: 33,4 %; 51–65 Jahre: 46,8 %). Dennoch stieg der Anteil der „Jungen Alten“ (d. h. über 65 Jahre) weiterhin an (2009: 4,3 %; 2010: 5,3 %). Dies könnte zum einen ein Hinweis darauf sein, dass der demografische Wandel nunmehr auch den klinischen Alltag erreicht hat. Zum anderen ist dieses Lebensalter eine Phase, die aufgrund der vielfältigen Veränderungen und Rollenwechsel zur Labilisierung führen kann. Ebenso fiel auf, dass die Anfragen aus der Altersgruppe der jungen Erwachsenen anhalten. 2010 waren 4,8 % der Patienten unter 30 Jahren. Die Geschlechterverteilung wies 2010 einen diskreten Männerüberhang auf (52 % Männer, 48 % Frauen). Hinsichtlich der Berufstätigkeit war die größte Gruppe angestellt oder verbeamtet tätig (58 %). Da zwei Grundmerkmale des Behandlungskonzeptes der Nexus-Klinik die hohe Flexibilität und Individualisierung darstellen, konnten auch eine Vielzahl an Selbständigen für eine Behandlung motiviert werden Hohe Komorbiditätsrate 61 % der aufgenommenen Patienten wurde unter der Erstdiagnose einer affektiven Störung behandelt. Gefolgt von den Reaktionen auf schwere Belastungen (15 %), Angststörungen (9 %) und den somatoformen Störungen (6 %) als Erstdiagnose. Die überwiegende Mehrheit der Patienten war auch in 2010 komorbid erkrankt. 28 % litten zusätzlich zur Erstdiagnose unter psychischen oder Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen, einer affektiven Erkrankung (21 %), einer somatoformen Störung (9 %), Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen (8 %) oder unter einer Persönlichkeitsstörung (6 %). Insgesamt wiesen 59 % eine Zweitdiagnose, 29 % eine Drittdiagnose und 9 % sogar eine Viertdiagnose aus dem Spektrum der F-Diagnosen laut ICD-10 auf. Daneben ist ein beträchtlicher Anteil der Patienten durch eine zusätzliche somatische Diagnose beeinträchtigt. Neben den Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (35 %) dominieren hier die Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems (43 %) und des Kreislaufs (23 %). Auch diese Erkrankungen werden während des Aufenthaltes behandelt, da sie häufig eine auf- rechterhaltende Funktion hinsichtlich der Primärerkrankung einnehmen. So werden z. B. Angebote zur Gewichtsreduktion und Ernährungsumstellung bei Adipositas, Hypertonus und Diabetes mellitus ebenso eingesetzt wie physiotherapeutische Maßnahmen bei Muskel-Skelett-Erkrankungen, um darüber z. B. die Voraussetzung für eine verbesserte körperliche Aktivität und in der Folge eine Steigerung der Verstärkerrate realisieren zu können. Kurze Behandlungsdauer Die durchschnittliche Verweildauer betrug 43 Tage (s. Abb. 3). Die detaillierte Analyse zeigt jedoch, dass 30 % der Patienten mit einer Behandlungszeit von weniger als vier Wochen erfolgreich behandelt werden konnten und 35 % weniger als sechs Wochen in stationärer Behandlung verbleiben. Aufenthaltszeiten von über sechs Wochen sind in der Regel auf eine schwere Ausprägung der Erkrankung, eine multimorbide Gesamtlage oder eine störungsbedingte längere Behandlungsdauer zurückzuführen. Schonende Traumatherapie Ressourcenaktivierung und Stabilisierung nach Traumatisierung Pro Jahr kommt es zu rund 600.000 Fällen von Raub und Vergewaltigung bzw. körperlicher Gewalt in Deutschland. Dies sind die Ergebnisse der neuesten Statistik der bundesweit tätigen Opferschutzorganisation „Weißer Ring e. V.“. Die Abfolge der Behandlungsphasen „Stabilisieren, Traumabearbeitung und Neuorientierung“ ist heute im Rahmen schonender Traumabearbeitung mit ihren Grundstrategien „Dosierung der emotionalen Belastung“, „Aktivierung von Ressourcen während der Traumabearbeitung“ und „Veränderung des Narrativs über das Trauma“ auch für komplexe Traumafolgestörungen aufgeweicht, so Prof. Dr. med. Friedhelm Lamprecht. Besonders wichtig ist es, so Friedhelm Lamprecht, Patienten schon von Beginn der Behandlung an zu einer aktiven Bewältigung ihrer Problematik zu ermutigen, um dem quälenden Erleben von Ohnmacht und Hilflosigkeit gegenüber der Symptomatik, Selbstzweifeln und Selbstvorwürfen sowie dem passageren Verlust von Ich-Funktionen zu begegnen. Ziel einer Stabilisierung ist es, wieder Kontrolle über sich und die emotionalen Reaktionen zu gewinnen. Stabilisieren in diesem Sinne ist aufzufassen als Aktivierung von internalen, externalen und biologischen Ressourcen durch Hilfe beim Wiedererlangen selbstregulativer Basisfunktionen, durch Förderung von Perspektive und Mut zur Veränderung sowie Unterstützung beim Aufbau von psychosozialen Ressourcen. Unter diesen Prämissen bewährte sich die Traumaexposition durch distanzfördernde Techniken (z. B. Arbeit am Bildschirm) als Therapiestrategie, ebenso wie das Pendeln zwischen Beobachterrolle und traumatisiertem Ich sowie durch die gezielte Mobilisierung von Bewältigungsressourcen. Schonende Traumatherapie Schonende Traumatherapie strebt die Bearbeitung impliziter traumatischer Erinnerungen an, ohne das Stressregulationssystem zu überfordern. Insgesamt mildert ressourcenaktivierende Psychotherapie bei Traumafolgestörungen die Stressreaktion ab und wirkt direkt neurobiologisch regulierend auf das vegetative Nervensystem durch Verbesserung der präfrontalen Hirnfunktion und der Aktivierung des Bindungssystems. Als spezielle Technik der Traumabearbeitung ist das EMDRBehandlungsverfahren (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) nach Francine Shapiro (1995) bei posttraumatischen Belastungssyndromen im Erwachsenenalter eine wissenschaftlich anerkannte Methode, deren Wirksamkeit in über 20 kontrollierten Studien nachgewiesen werden konnte. Aktuelle Forschungsergebnisse zu Wirkfaktoren der EMDR-Behandlung Nach dem klassischen Stressmodell von Cannon und Seyle lassen sich autonom-vegetative Stressreaktionen als Folgen einer Aktivierung des sympathischen Nervensystems erklären. Forschungsergebnisse aus jüngerer Zeit zeigten jedoch, dass der Parasympathikotonus einen entscheidenden Einfluss auf die Stressregulation hat und sogar die Regulation der Herzfrequenz dominiere. Diesem Modell der Stressregulation zufolge sind Vagus und Sympathikus nicht als einheitliche Systeme auf einer Dimension aufzufassen. Bei Patienten mit posttraumatischen Belastungssyndromen, sonstigen Angststörungen und/oder depressiven Störungen sind eine hohe Herzfrequenz und verminderte Herzratenvariabilität (HRV) beobachtet worden, die nicht notwendigerweise auf eine erhöhte Sympathikusaktivität, sondern vielmehr auf eine Verminderung des Vagustonus schließen lassen. sei nachzuweisen, dass es im Verlauf der Therapie zu einer Abnahme des psychophysiologischen Arousals, abgebildet durch Veränderungen in den Maßen zur Herzfrequenz und Hautleitfähigkeit, komme, entsprechend den aus der verhaltenstherapeutischen Forschung zur Angstdekonditionierung bekannten Befunden (Foa & Mc Nally, 1996). Die Überlagerung einer Stressreaktion mit einer Entspannungsreaktion entspricht dem von Wolpe (1958) im Kontext von Angstdekonditionierung beschriebenen Mechanismus der Gegenkonditionierung. Weiterhin ist eine Zunahme der Herzratenvariabilität als Indexmaß für den Parasympathikotonus bereits nach wenigen EMDR-Behandlungssitzungen beobachtet worden (Forbes et al., 1994). Dualer Aufmerksamkeitsfokus Weitere experimentelle Befunde zeigen, dass die Anwendung von Augenbewegungen möglicherweise zu einer Distanzierung von bildhaften Erinnerungen und damit zusammenhängenden Emotionen führen kann (Andrade et al., 1997). Angenommen wird, dass die Aufgabe, mit den Augen einer bewegten Hand zu folgen, aufgrund des dualen Aufmerksamkeitsfokus zwischen innerem Wahrnehmen und äußerer Wahrnehmung zu einer Verminderung dissoziativer Vermeidungsstrategien führt. In anderen Studien wurde vermutet, dass die sakkadischen Augenbewegungen REM-Schlaf-ähnliche Zustände anregten (Stichgold, 2000). Ressourcenaktivierung als Behandlungselement schonender Traumatherapie Ressourcenaktivierung zielt darauf, verfügbare Ressourcen zu mobilisieren, nicht wahrgenommene Ressourcen nutzbar zu machen, die Nutzung von Ressourcen zu optimieren und neue Ressourcen zu entwickeln. Dies kann beispielsweise durch einfühlsames Nachfragen erfolgen („Was läuft gut bei Ihnen?“ „Wie haben Sie ähnliche Probleme in anderen Situationen schon gelöst?“). Übungen zur Ressourcenaktivierung dienen zum einen der Stärkung des „Erwachsenen-Ich“. Dabei wird beispielsweise auf die Entwicklung positiver Fähigkeiten im Umgang mit potenziell belastenden Situationen oder Aufgaben in der Zukunft im Rahmen von Imaginationsübungen fokussiert („Welche Fähigkeit bräuchten Sie, um mit dieser Belastung besser umgehen zu können?“). Im Rahmen der Traumabearbeitung wird aber auch das „jüngere Ich“ gestärkt. Als positive Triggerreize können beispielsweise angenehme Gerüche, körperliche Aktivitäten, Lieblingsmusikstücke und Kontakte zu hilfreichen Menschen fungieren. Gelungene Ressourcenaktivierung setzt einen Rückkopplungsprozess in Gang, der über eine positivere Selbstwahrnehmung und positive Gefühle hin zu verstärktem Kompetenzerleben, verbessertem Wohlbefinden, verstärkter Aufnahmebereitschaft und erhöhtem Engagement in der Therapie führen kann. Nicht zuletzt bezieht sich Ressourcenaktivierung auf die Aktivierung regulativer biologischer Ressourcen wie den Parasympathikotonus, der ein Indikator psychosozialer „Vom Trauma zur Trauer“ Im zweiten Teil des Abends wurde der Transfer in die Praxis von Dr. med. Astrid Klein, leitende Ärztin der Nexus-Klinik, und Dipl.-Psych. Katja Beck, niedergelassene Psychologische Psychotherapeutin, vollzogen, die vor den zahlreich erschienenen Zuhörern spezifische Behandlungsstrategien ressourcenorientierter Psychotherapie nach Traumatisierung im stationären und ambulanten Setting anhand der Fallvignette „Vom Trauma zur Trauer“ vorstellten. Astrid Klein berichtete über eine ehemalige Patientin, die anfänglich mit einer depressiven Symptomatik und erheblichem Übergewicht stationär aufgenommen worden war. Zudem hatten in der Vergangenheit Panikattacken, somatoforme Beschwerden und desorientiertes Verhalten bestanden. Im stationären Rahmen stellte sich heraus, dass ein Sturz der Patientin eine frühere traumatische Erfahrung, einen einmaligen gewaltsamen Übergriff, reaktualisiert hatte. 1 | 2011 Spezifische Behandlungsstrategien Die Planung der ressourcenorientierten Psychotherapie umfasste die Komponenten: 1) Konfrontatives Durcharbeiten von traumatischen Erinnerungen 2) Versprachlichung von Erlebtem und Integration in die persönliche Biographie 3) Bearbeitung emotionaler Reaktionen und dysfunktionaler Kognitionen 4) Förderung des Selbstmanagements und der inneren Kommunikation 5) Förderung des Gegenwartsbezuges. Eine adjuvante Therapie trug zudem zur Stabilisierung der Patientin bei. Die EMDR-Behandlung begann mit einem Ressourcen-EMDR. Im weiteren Verlauf wurde die traumatische Erinnerung an den Überfall assoziativ ausgelöst und mehrfach prozessiert. Dabei wandelten sich die emotionalen Reaktionen von „Wut auf sich selbst“ hin zu „Erleichterung“ und „Dankbarkeit“. Auch wurden dysfunktionale Kognitionen bezüglich Schuldzuweisungen an sich selbst und der habituellen Selbstwahrnehmung als Opfer modifiziert. Im KörperCheck veränderten sich negative Körpersensationen im Kontext der wahrgenommenen Fähigkeit zur Selbstverteidigung positiv. Update AD(H)S terventionen anschließenden ambulanten Verlauf vor. Mit dem Durchprozessieren des Überfallereignisses im Katja Beck brachte zum Ausdruck, mit welcher Geduld Erwachsenenalter wurden tieferliegende biographische und Vorsicht im ambulanten Setting zum einen an der Erfahrungen reaktiviert, wobei insbesondere massive weiteren Auflösung der Dissoziation und zum anderen Schuldgefühle gegenüber der früh verstorbenen Mutan der weiteren Traumaexposition zu arbeiten ist. Die ter deutlich wurden. Zeitgleich war klinisch eine Selbstabschließende Diskussion des Fachpublikums konzenregulation über dissoziative Symptome beobachtbar, so trierte sich auf den therapeutischen Umgang mit der dass im Weiteren der psychotherapeutische SchwerDissoziationsneigung der Patientin, die unterschiedlich punkt in der Auflösung der dissoziativen Phänomene erklärt und interlag. Anhand einer pretiert wurde. „inneren LandSeinen Vortrag karte“ kamen difabrundend empferente Ich-Anteile fahl Friedhelm zur Darstellung, Lamprecht, stärderen Dialogfähigker auf die Mobikeit gefördert lisierung der wurde. Insgesamt Bewältigungsreskonnten die dissosourcen zu fokusziativen Phänosieren. mene reduziert und die Affekttoleranz verbessert werden. Im Sinne des Vernetzungsgedankens stellte Katja Beck den sich an die stationären In- Prof. Dr. Friedhelm Lamprecht mit Dr. Astrid Klein und Katja Beck Eine Kinderkrankheit wird erwachsen AD(H)S ist keine Modediagnose, sagt Dr. med. Sigrid Krause, Chefärztin der Nexus-Klinik, obwohl sie in den Medien häufig als solche dargestellt werde. AD(H)S wurde bereits im 19. Jh. von zahlreichen Wissenschaftlern wie z. B. Laehr (1875) oder Hoffmann (1845) beschrieben. Letzterer sorgte mit seinem „Struwwelpeter“ nicht nur für eine Bekanntmachung kinderpsychiatrischer Krankheitsbilder, sondern prägte mit dem „Zappelphilipp“ ein heute noch gängiges Synonym für hyperkinetische Kinder. Wie äußert sich die Erkrankung und wie wird sie diagnostiziert? AD(H)S wird in der ICD-10 für WHO zu den „Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“ gezählt. Es werden drei verschiedene Typen differenziert: 1) der Unaufmerksame Typus („Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität“ F 98.8), 2) der Hyperaktiv-impulsive Typus („hyperkinetischen Störungen des Sozialverhaltens“ F 90.1) und 3) der Kombinierte Typus („einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung“ F 90.0). Zu den Hauptkriterien werden Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität gezählt (siehe Zusammenfassung Tabelle 1). Als weitere charakteristische Merkmale werden Desorganisation, emotionale Dysregulation, ein früher Beginn (aktuell: bis zum 6. Lj.) sowie ein zeitstabiles Vorhandensein der Symptome gefordert. Aber, nicht jeder der nach AD(H)S aussieht, hat auch AD(H)S, nicht jeder, der Symptome zeigt, ist auch krank. AD(H)S ist eine dimensionale Störung, keine „Alles- oder Nichts- Erkrankung“! Die Diagnosestellung ist bisher erschwert dadurch, dass es noch nicht DEN AD(H)S-Test gibt. Als sinnvoll für die Diagnoseabklärung erweisen sich neben dem klinischen Interview (Abklärung diagnostischer Kriterien nach DSMIV/ICD-10) v. a. Fremd- und Selbstbeurteilungsskalen zur Erfassung der aktuellen Symptome und Symptome in der Kindheit (z. B. WURS-K: Wender-Utah-RatingScale Kurzversion, AD(H)S-Selbstbeurteilungsfragebogen) und fremdanamnestische Angaben in Form von Schul- oder Arbeitszeugnissen. Eine weitere Schwierigkeit bei der Diagnosestellung ist eine hohe Komorbiditätsrate sowohl mit psychiatrischen Erkrankungen (Depression 40–60 %, Sucht 25–60 %, Angststörungen 20–60 %, Persönlichkeitsstörungen, Schizophrenie), als auch mit körperlichen Erkrankungen (neurologische Störungen, Restless Legs Syndrome, Demenz, Substanzeffekte). Aus diesem Grund sind „Pure“ erwachsene AD(H)S’ler eher selten, da sie zu 2/3 unter der Flagge der Depression, Angst, Sucht etc. segeln. Damit ist die AD(H)S nicht die Spitze des Eisbergs, sondern der Boden. Was weiß man über die Ursachen der AD(H)S? Eine definitive Ursache der AD(H)S konnte bislang nicht ermittelt werden. Man weiß, dass z. B. genetische Faktoren entscheidend zur Manifestation der Erkrankung beitragen. Laut Studien hat AD(H)S eine Erblichkeit von bis zu 80 %. Ist ein Elternteil betroffen, beträgt das Erkrankungsrisiko der Kinder 50 %. In Familien mit einem hyperkinetischen Kind entwickeln Geschwister 5 –7 Mal häufiger die Störung, als in anderen Familien. Bei eineiigen Zwillingen beträgt die Erkrankungswahrscheinlichkeit 50 – 90 %. Auch biologische Faktoren spielen eine wichtige Rolle. So erhöht z. B. mütterlicher Alkoholkonsum während der Schwangerschaft das Erkrankungsrisiko, ähnlich wie extreme Frühgeburt, niedriges Geburtsgewicht oder Gehirnerkrankungen (z. B. Enzephalitis, Gehirntrauma). Fraglich ist noch inwieweit Nikotinkonsum das AD(H)S-Erkrankungsrisiko erhöht. Biochemische Faktoren werden ebenfalls diskutiert. So besteht bei den Betroffen infolge der Veränderungen im dopaminergen System ein Dopaminmangel. Dieser führt zu kognitiven Funktionsdefiziten im präfrontalen Cortex, die sich in Form von Aufmerksamkeits- und Arbeitsgedächtnis-Störungen äußern. Auch liegen inzwischen Befunde für die Beteiligung des noradrenergen und serotonergen Transmittersystems vor. Verlauf der AD(H)S: Die Prävalenz der AD(H)S nimmt mit steigendem Alter ab. Studien zeigen aber auch, dass sich einige wichtige Merkmale wie Unaufmerksamkeit, Desorganisation oder Stressempfindlichkeit lebenslang kaum oder gar nicht zurückbilden. Die Langzeitprognose fällt außerdem umso ungünstiger aus, je ausgeprägter die Komorbidität mit anderen Störungen. Die Notwendigkeit und die Wichtigkeit der Therapie von AD(H)S werden deutlich, wenn man die Auswirkungen einer unbehandelten AD(H)S ansieht. Schule/Beruf: 60 % Neu im Team: Dr. med. Henning Hager Henning Hager ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und verstärkt seit dem 01.05.2011 das therapeutische Team der Nexus-Klinik. Als langjährig klinisch tätiger Psychotherapeut bringt Henning Hager seine Erfahrungen nun auch im Leitungsteam ein. Nach dem Medizinstudium sammelte er erste berufliche Erfahrungen in der Urologie und engagierte sich wissenschaftlich in der Andrologie an der Uni Freiburg. (Seite 4)… +++ ie ap er th Co r de in g un rk folge +++ Verstä er ss Mi t er zi du re ck ba ed +++ Fe Dekonditionierungshypothese Im Hinblick auf die Wirkfaktoren der EMDR-Behandlung 3 Ab 1990 wandte sich Henning Hager der Psychosomatik zu und absolvierte seine psychiatrischpsychotherapeutische Ausbildung unter der Leitung von Dr. med. Georg Wittich und Dr. med. Eilat Maatz an der Klinik Kinzigtal. Psychotherapeutische Besonderheiten im Umgang mit und unter Männern veranlassten ihn auch im weiteren beruflichen Werdegang spezielle Männergesprächsgruppen anzubieten und in Kliniken zu implementieren. häufiger Schulverweis, 32 % Schulabbrüche, niedrigerer beruflicher Status; Familie: 3- bis 5-fach höhere Scheidungsrate, erhöhtes Risiko für unerwünschte Schwangerschaft und frühe Elternschaft; Gesundheitswesen: 50 % häufiger Fahrradunfälle, 4-fach häufiger Autounfälle, häufigere Arztbesuche; Gesellschaft: früherer Beginn und doppelt hohes Risiko des Substanzmissbrauchs. Wann und wie soll AD(H)S behandelt werden? Die Diagnosestellung allein rechtfertigt noch keine Therapie! Die Therapieentscheidung hängt von dem Schweregrad und der Komorbidität ab, d. h. erst wenn tatsächliche Beeinträchtigungen in einem oder mehreren Lebensbereichen vorliegen und diese sicher auf die AD(H)S zurückzuführen sind, ist eine multimodale Therapie indiziert (Kasten 1: Indikation zur Therapie). Die Therapie der AD(H)S ist eine Kombination aus Psychoedukation/Coaching (Kasten 2), Psychotherapie und Pharmakotherapie. Bei den psychotherapeutischen Ansätzen bewehrten sich vor allem kognitiv behaviorale Therapie, DBT-basierte Konzepte oder Achtsamkeitstraining. Alle bisher evaluierten psychotherapeutischen Ansätze zeigten positive Effekte. Bei der medikamentösen Therapie der AD(H)S ist die Behandlung mit Stimulanzien (z. B. Methylphenidat) sowohl bei Kindern und Jugendlichen als auch bei ErIndikation zur Therapie (nach Krause/ Krause, 2009) Drohender Verlust des Arbeitsplatzes Angst wegen innerer Unruhe, „verrückt zu werden“ Tiefe Depression, extreme Antriebslosigkeit Dauerhaft starke motorische Unruhe Ständig angespannte Ärgerlichkeit, die zur Isolation führt Das Gefühl, allen Geräuschen ausgeliefert zu sein/ keine Ruhe finden • Übermäßiger Nikotin- /Alkoholkonsum (zur Entspannung) • • • • • • wachsenen die Therapie der 1. Wahl. Allerdings sind AD(H)S-Medikamente zur Behandlung von Erwachsenen noch nicht zugelassen („off label use“) und Coaching bei AD(H)S • Praktische Hilfe bei der Arbeitsorganisation • Tagesstruktur / Agenda • Ruhepausen • Reizarme Umgebung aktiv herstellen • Selbstinstruktionen: „erst denken, dann reden und handeln“ • Aktive Hilfe bei der Priorisierung von Aufgaben können nur unter Erfüllung bestimmter Voraussetzungen eingesetzt werden. Die Kombination aus Psycho- und Pharmakotherapie ist entscheidend wichtig. Eine Monotherapie muss begründet werden! Laut Studien ist insbesondere bei Betroffenen mit komorbiden Störungen die alleinige Gabe von Stimulanzien in 30 – 50 % der Fälle nicht ausreichend. In solchen Fällen ist es empfehlenswert die Pharmakotherapie notfalls mit störungsspezifischen Präparaten zu ergänzen (z. B. SSRI bei Depression, Sertralin bei Zwang, Venlafaxin bei PS oder inneren Anspannung und Impulsivität). Zusammenfassung: Warum ist es also wichtig, die Diagnose und die Therapie dieser Krankheit ernst zu nehmen? AD(H)S ist eine häufige, zumeist vererbte Krankheit, die mit Auffälligkeiten im Hirnstoffwechsel einhergeht. Sie beginnt in der Kindheit (mit 5,3 % weltweit häufigste psychiatrische Kinder- und Jugenderkrankung), setzt sich in der Adoleszenz fort und ist bei 40 – 60 % der Betroffenen, unabhängig von der sozialen Schicht, auch nach Erwachsenenalter noch nachweisbar. AD(H)S verwächst sich also nicht, sie hat einen eher chronischen Verlauf! Eine unbehandelte AD(H)S führt sehr häufig zu krankheitswertigen psychischen und physischen Beeinträchtigungen und ist ein Risikofaktor für eine große Zahl von komorbiden Störungen. Die Fakten über die Erkrankung sprechen also eine deutliche Sprache und legen eine möglichst frühzeitige und umfassende Behandlung nahe – umso mehr, als in neuen Studien die Wirksamkeit der multimodalen Therapieansätze auf die AD(H)S nachgewiesen wurde. In Zusammenarbeit mit dem Informationszentrum für Sexualität und Gesundheit in Freiburg (ISG) gewährleistete er auch Hilfestellungen für Männer, die zunächst den Gang zum Psychiater oder Psychotherapeuten scheuten. Außerdem hat Henning Hager mehrjährige berufliche Erfahrungen in der ambulanten und stationären Versorgung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit ihren alterstypischen Konflikten und Entwicklungsprozessen. Als Vater von vier Kindern engagiert er sich aktuell in dem Schulprojekt „Seelische Gesundheit für Schüler, Eltern und Lehrer“ und bringt hierbei seine systemisch geschulte Sichtweise ein.