Dauerbelastung – Stress – Burnout – Depression - NEXUS

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Fe e d b a ck reduziert
Misse r fo lg e
Zur Vorhersage und Variabilität von
Psychotherapieverläufen
Verstärkung in der
Cotherapie
Mit einer Effektstärke von .88 kann Psychotherapie als sehr bedeutsame Behandlungsform bezeichnet werden, so Prof. Dr. Wolfgang Lutz, Abteilung für
Psychologie der Universität Trier, bei der Frühjahrstagung der Gutachter in der
Nexus-Klinik. Psychotherapie übertrifft damit die Effektivität vieler anderer klinischer Disziplinen. Die Herzchirurgie (by-pass-Operation) erzielt eine Effektstärke von .80, wohingegen die Gabe von Aspirin zur Prävention von Herzanfällen eine Effektstärke von .07 aufweist. Gleichwohl verlaufen nicht alle psychotherapeutischen Prozesse erfolgreich.
• Es gibt Patienten
Bei 5 – 10% der Pafür die störungstienten kommt es zu
spezifische Theraeiner Verschlechtepieprogramme /
rung des BeschwerManuale
das
debildes und 15 –
wirksamste Vor25 % der Behandelgehen darstellen.
ten erzielen gar
•„Early response“:
keine Verbesserung,
Es gibt Patienten,
so die Ergebnisse
welche zur rechverschiedener Überten Zeit am rechblicksarbeiten. Wähten Ort in die
rend in den letzten
Therapie komJahren viel Wissen
men und sehr
zur Psychopatholozügig und optigie psychischer Stömal profitieren.
rungen erarbeitet
Es spielen hier
wurde, liegt deutlich
womöglich anweniger gesichertes
dere
WirkfaktoVeränderungswisProf. Dr. Wolfgang Lutz mit Dr. Jochen Sturm
ren eine Rolle als
sen, insbesondere
die theoretische Orientierung des Therapeuten.
bezüglich interindividueller Unterschiede im Therapie• Es gibt Patienten, die von unterschiedlichen psychoverlauf vor. Des Weiteren fehlen klinisch-theoretische
therapeutischen Interventionen / Orientierungen proModelle zu interindividuellen Unterschieden und Verfitieren können.
laufsmustern.
• Es gibt Unterschiede zwischen den Therapeuten und
dies ggf. in Interaktion mit bestimmten PatientenDabei sind Antworten auf Fragen, wie eine laufende
gruppen und unabhängig von der theoretischen OriTherapie mit negativer Prognose optimiert werden kann
entierung.
für den Praktiker ebenso interessant wie verbesserte
• Therapieziele verändern sich mit unterschiedlicher
Möglichkeiten der Einschätzung, welche Art von TheraGeschwindigkeit in der Therapie. Es gibt verändepieverlauf man bei welchem Patienten mit welchem
rungssensitivere Therapieziele, welche mehr TheraTherapieaufwand erreichen kann.
pieaufwand benötigen. Die Behandlung bestimmter
Therapieziele kann durch ein wirkfaktorengestütztes
Ebenen der Psychotherapieforschung
Denken verbessert werden.
Psychotherapieforschung kann vielfältige Schwerpunkte
• Erweiterte theoretisch-klinische Interventionen (Wirksetzen: Neben der patientenorientierten Versorgungsfaktorenorientierung) sind gegebenenfalls besonders
forschung (Makroebene) sind die Erforschung diskontihilfreich für komorbide und interpersonal schwierige
nuierlicher Therapieverläufe und -prozesse (Mesoebene)
Patienten und entsprechende komplexere Therapieoder die von therapeutischen Mikrostrategien (Mikroziele.
ebene) weitere wichtige Aufgabengebiete.
In der sich anschließend lebhaft geführten Diskussion
plädierte Wolfgang Lutz für eine stärkere ErgebnisoriWas die Psychotherapieforschung heute bereits
entierung
anstelle der bisherigen Schulenausrichtung.
weiß (Lutz, 2011):
Hierzu
sei
allerdings der weitere Ausbau der Psycho• Rückmeldungen über den Therapiefortschritt, z. B. mit
therapieforschung nötig sowie eine verbesserte UnterHilfe psychometrischer Testergebnisse, verbessern
suchung der Verlaufsmuster, der Therapeutenvariablen
Therapien. Dies gilt besonders bei Patienten mit einer
und der Wirkungsweise. Wichtig sei außerdem, so Wolfnegativen Prognose: Feedback vermag hier Missergang
Lutz, dass hinter Prädiktoren für Therapieveränfolge zu reduzieren und bei bereits positiv verlaufenderung stets Wahrscheinlichkeitsmodelle stehen. Aus
den Prozessen das Therapieergebnis nochmals zu verdiesem Grund sollten Entscheidungen nur unter Einbebessern. Der Einsatz von Feedback wäre idealerweise
zug des klinischen Eindrucks getroffen werden. Denn
bereits Inhalt in den psychotherapeutischen AusbilWahrscheinlichkeitsaussagen
und die daraus abgeleidungen, um so frühzeitig Akzeptanz bei den Therateten automatisierten Entscheidungen sind prinzipiell
peuten zu erzielen.
manipulationsanfällig.
Nagmeh Ghaderi ist Fachkrankenschwester für Psychiatrie mit Fachausbildung an der Universitätsklinik
Der cotherapeutische Arbeitsbereich umfasst die
Durchführung von indikativen Gruppen wie z. B. Soziales Kompetenztraining, Genusstraining, Raucherentwöhnungstraining, Achtsamkeitstraining, Suchtprävention. Weiterhin führt Nadmeh Ghaderi unter
Supervision der Bezugstherapeuten und Supervisoren
auch Verhaltensübungen durch und bietet zusätzlich
Biofeedbacksitzungen an. Weitere Schwerpunkte
ihrer Arbeit liegen in der kultursensiblen psychiatrischen Betreuung.
Zwei optionale
indikative Gruppen:
„Schluss mit
dem Rauchen” und
„Männergruppe”
„Das Rauchen aufgeben
ist nicht schwer. Ich habe es über hundert Mal gemacht.“
(Mark Twain)
Schluss mit dem Rauchen
Wussten Sie schon, dass:
• jede Zigarette die Lebenserwartung um durchschnittlich fünfeinhalb Minuten verkürzt?
• im Tabakrauch bislang über 4.000 verschiedene Stoffe
nachgewiesen wurden?
• vom Ausprobieren
des Tabaks mehr
Menschen abhängig
werden als wenn sie Heroin probieren?
Viele Raucher sagen von sich selber, dass sie gerne
mit dem Rauchen aufhören würden, da sie die negativen Folgen des Rauchens nicht länger in Kauf nehmen wollen. Gleichzeitig scheitern entsprechende Versuche immer wieder und hinterlassen bei den Betroffenen ein Gefühl des Scheiterns. Da nicht allen
Betroffenen der Ausstieg ohne fremde Hilfe gelingt,
bietet die Nexus-KLinik bei Bedarf ein kognitiv-verhaltenstherapeutisches Curriculum zur Raucherentwöhnung an. Neben der Vermittlung medizinischer
Hintergründe und eines präzisen Wissens um die Fol-
geschäden des Rauchens liegt ein Schwerpunkt auf
der Motivationsarbeit, um die Teilnehmer zu einer
Entscheidung für das Nichtrauchen zu bewegen. Im
Weiteren spielt die Vermittlung von Handlungsalternativen und Lösungsstrategien bei der Entwöhnung
eine zentrale Rolle.
Männergruppe
Männer leiden ebenso häufig wie Frauen an Depressionen und psychischen Erkrankungen, neigen aber
viel mehr dazu, diese aus ihrem männlichen Rollenverständnis heraus zu überspielen, zu kaschieren oder
in Sprachlosigkeit zu verfallen. Auch die Bewältigungsstrategien und Lösungsversuche (Flucht in
Arbeit, Alkohol, Sport oder Rückzug) führen dazu,
dass männliche Depressionen lange Zeit unentdeckt
und damit unbehandelt bleiben. Um dieser Sprachlosigkeit entgegenzutreten und für Männer ein
speziell auf ihre Schwierigkeiten ausgerichtetes
Gesprächsangebot anbieten zu können, wird ab Juni
2011 in der Nexus-Klinik Henning Hager eine indikative Männergruppe anbieten. Seine jahrelange Erfahrung in der Gruppenarbeit mit Männern und sein
fundiertes Fachwissen in den Bereichen Urologie und
Andrologie erlauben auch die Bearbeitung heikler
Themen wie Impotenz, Prostatakrebs oder Sexualstörungen.
Analyse und Standortbestimmung von Volker E. Kollenbaum
Ohne Körper keine Seele!? Körperwahrnehmung und psychische Gesundheit
Referent: Prof. Dr. med. Dr. Phil. Dipl.-Psych. Volker Kollenbaum
Mittwoch, 05.10.2011 um 18:30 Uhr:
Neue Welle – perfekte Welle!? Gibt es eine 3. Welle der Verhaltenstherapie?
Referent: Prof. Dr. Jürgen Margaf
Stress ist Bestandteil unseres Lebens. Konjunktur hat
das Thema in jüngster Zeit auch durch die Publikation
von Studien der Krankenkassen und Rentenversicherungen über steigende Fallzahlen und wachsende
Ausgaben für psychische Erkrankungen, die in Zusammenhang mit Belastungen am Arbeitsplatz gesehen werden. Viele Menschen sehen sich durch
Stress geschädigt, andere glauben, dass sie erst
durch Stress zur vollen Form auflaufen. Aber was ist
Stress wirklich? Ein Modethema, zu dem jeder eine
letztlich mehr oder weniger fundierte Meinung hat?
Eine Erfindung der Psychologie? Was wissen wir
heute darüber?
Volker-E. Kollenbaum,
Prof. Dr. med. Dr. phil. Dipl.-Psych., Internist,
Facharzt für Psychotherapeutische Medizin leitet die Nexus-Klinik als Nachfolger von Sigrid
Krause, die aus persönlichen Gründen in ihre
niedersächsische Heimat zurückkehrt. Sie übernimmt dort die Leitung der Deister-und-WeserKlinik, wo sie bis zur Tätigkeit für die Nexus-Klinik lange Jahre als Oberärztin tätig war. Mit dem
nebenstehenden Artikel über Stress und Burnout
stellt sich Volker Kollenbaum als Chefarzt vor,
der profunde Kenntnisse und langjährige
Berufserfahrung in den Bereichen Innere Medizin, Psychosomatik und Psychotherapie in seine
Tätigkeit einfließen lassen kann.
Zuletzt war Kollenbaum Chefarzt der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Segeberger Kliniken in Bad Segeberg, wo er sowohl die Rehabilitationsklinik wie auch die Akutabteilung leitete. Bis
Ende 2010 fungierte er zugleich als Ärztlicher Direktor
der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Zentrum für Integrierte Psychiatrie (ZiP-Kiel) des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Kiel. 2005 verlieh
ihm die Universität Hamburg den akademischen Titel
eines Professors, 1999 hatte er dort die Venia legendi
als Privatdozent für klinische Psychologie erhalten.
Weitere klinische Leitungserfahrung sammelte Volker
Kollenbaum von 2003 bis 2007 als Chefarzt der Bad
Kissinger Klinik Heiligenfeld. Als geschäftsführender Arzt
des Tumorzentrums im Uniklinikum Kiel leitete er auch
die psychosoziale Betreuung von Tumorpatienten (1988
bis 2003).
Einige seiner Forschungsschwerpunkte:
• Psychosomatik und Psychophysiologie der Blutdruckregulation bei gesunden und hypertoniegefährdeten jungen Männern
• Kardiovaskuläre Interozeption sowie Interozeption
und Verhaltenskontrolle
• Psycho-physiologische Prädiktoren einer Hypertonieentwicklung
Mittwoch, 20.07.2011 um 18:30 Uhr:
Umgang mit Verlusten
Referent: Prof. Dr. med. Dr. Phil. Dipl.-Psych. Volker Kollenbaum
Dauerbelastung – Stress – Burnout – Depression
+++ Neu – Neu – Neu +++
Kolloquium „Moderne
Psychotherapie“
Mittwoch, 23.11.2011 um 18:30 Uhr:
NEWS
Freiburg. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Pflegeleitung und Cotherapeutin an einer psychiatrischen Institutsambulanz unterstützt sie seit Herbst 2010 das
ärztlich-therapeutische Team der Nexus-Klinik in den
Bereichen Pflege und Cotherapie.
I m p r e s s u m
© 2011 Baden-Baden
Herausgeber V.i.S.d.P.: NEXUS-KLINIK – Privatkrankenhaus · Träger: Medexpert GmbH
Hermann-Sielcken-Str. 80 · 76530 Baden-Baden
Geschäftsführer: Thomas Schindler, Dr. Jochen Sturm
Redaktionsleitung: Christine Ait-Mokhtar
Bilder: Nexus-Klinik, Privat, Fotolia.com
Gestaltung und Gesamtherstellung:
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76532 Baden-Baden · www.spaethmedia.de
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Eine sowohl tiefenpsychologische wie auch lerntheoretische Psychotherapieausbildung prädestinieren Kollenbaum zum Chefarzt der Nexus-Klinik, wo verhaltenstherapeutische Strategien mit schulenübergreifenden
Methoden patientenorientiert kombiniert werden.
Prof. Dr. Dr. Kollenbaum ist außerdem seit März 2009
Geschäftsführer des Deutschen Kollegium für Psychosomatische Medizin (DKPM)
Umgangsprachlich werden meist äußere Belastungsfaktoren (der Leistungsdruck, die Kollegen, der Chef)
als Stress bezeichnet. In einem wissenschaftlichen Zusammenhang wird Stress dagegen verstanden als Anpassungsanstrengung des Körpers bei einer (schon eingetretenen oder vorhergesehenen) Störung des aktuellen Fließgleichgewichts. Der Blick ist also auf die
Reaktion des Körpers gerichtet.
Die Anpassungsaufgabe des Körpers variiert mit Quantität und Qualität der Belastung. Eine Anpassung an
eine mäßige Veränderung (z. B. eine Erhöhung der Umgebungstemperatur von 20 auf 30 °C) würde von den
meisten menschlichen Organismen problemlos toleriert.
Handelt es sich jedoch um einen kritischen Bereich (30
auf 40 °C), würden die meisten dies als Stress erleben,
während Veränderungen in einen Extrembereich (z. B.
40 auf 50°C) die Kompensationsmöglichkeiten des
Organismus überfordern und vermutlich zu einer dauerhaften Schädigung führen (je nach Feuchtigkeitsgehalt der Luft u.a. Parameter).
Anpassung an psychosoziale Veränderung
Seit vielen Jahren wissen wir, dass psychosozialer Stress
„peripher-physiologische" Veränderungen bewirken
kann: die Herzfrequenz oder der Blutdruck steigt, die
Schweißdrüsen produzieren mehr, der Speichelfluss
wird geringer und anderes mehr. Es ist auch gut bekannt, dass biochemische Effekte nachweisbar sind: Katecholamine im Blut (Adrenalin, Noradrenalin) steigen
an, der Cortisonspiegel, einige Blutfette und viele andere Substanzen lassen eine Reaktion erkennen.
Die Gehirnstrukturen, die diese Reaktionen vorrangig
vermitteln, liegen im Hypothalamus (besondere Bedeutung für die Integration der Signale hat der Nucleus
paraventricularis), im Hirnstamm (aszendierende Signale) und in Teilen des limbischen Systems (deszendierende Signale). Dabei werden Art und Intensität der vorliegenden Störung des Fließgleichgewichts bewertet
und die körperlichen Reaktionen entsprechend modifiziert.
Limbisches System auch für Psychotherapie
bedeutsam
Die Antwort des Körpers auf eine akute Bedrohung dieses Gleichgewichts verläuft zunächst entlang vorgefertigten Ablaufschemata: Angriff, Flucht oder Totstellreflex sind die Muster, von denen unwillkürlich eines
ausgewählt wird.
Während kurzfristige Stresseffekte zwar mit ausgeprägten körperlichen Reaktionen einhergehen, wäre
dadurch eine dauerhafte Schädigung des Organismus
noch nicht zu erwarten. Für die Entstehung dauerhafter Schäden muss es offensichtlich zu einer wiederholten oder chronischen Belastungssituation kommen.
Chronische Stressbelastung ändert jedoch nicht nur die
Funktion, sondern auch die Struktur der Hirnareale, die
an der Kontrolle der hormonellen und der neuronalvegetativen Stressantwort beteiligt sind. Dies sind unter
anderen der Hippokampus und der präfrontale Kortex.
Apikale Dendriten von Pyramidenzellen werden dort
beispielsweise unter anhaltendem Stress vermindert
angetroffen, wohingegen basolaterale Mandelkerngebiete einen vermehrten dendritischen Besatz zeigen.
Weitere Veränderungen sind nachgewiesen für den
Hypothalamus (Nucleus paraventricularis) mit veränderter Expression einer großen Zahl von Neurotransmitter-Rezeptoren.
Dauerstress verändert Hormongeschehen
Chronischer Stress lässt die Hormonantwort des Körpers empfindlicher ausfallen und die negative Feedback-Wirkung erhöhter Gukokortikoidwerte im Blut abnehmen: es wird für den Organismus zunehmend
schwieriger, wieder zu einer ausgewogenen Gleichgewichtssituation zurückzukehren, der Stress hält sich wie
in einem Teufelskreis.
In einem solchen Fall chronischer Stressbeinflussung
macht sich auch die stressbedingt verminderte Ausschüttung von Wachstumshormonen für Hirn-Nervenzellen (BDNF: brain derived neurotrophic factor) bemerkbar, die mit einer Hypothrophie u. a. der Hippokampusregion einhergeht und in der Genese einer
depressiven Störung eine entscheidende Rolle spielt.
Depressive Störungen werden daher von vielen Forschern heute als Stresserkrankung aufgefasst.
Krankheit als Stressfolge
Es ist daher plausibel davon auszugehen, dass eine
große Zahl von körperlich bedingten Erkrankungen als
Folge chronischer Stressbelastung aufzufassen ist. Dazu
kommen allerdings psychische Störungen, die durch das
Gefühl der Überforderung, Hilflosigkeit angesichts steigender Arbeitsdichte und Angst vor Stellenabbau begünstigt werden. Im klinischen Kontext treffen wir
immer wieder auf Menschen, die Angst- oder Zwangsstörungen aufweisen, deren Ausprägung mit den erlebten Belastungen des Arbeitsalltags in Verbindung zu
bringen ist.
Unter medizinischem Aspekt lohnt es sich daher, sich
intensiver mit Stress als Reaktion von Organismen auf
Belastungssituationen zu beschäftigen und nach Behandlungsmöglichkeiten zu suchen, die Stressfolgen
mildern oder den individuellen Umgang mit Belastungssituationen verbessern, so dass weniger Erkrankungen auftreten.
In der Behandlung von Stressfolgen nimmt die Eigenbehandlung der Betroffenen eine häufig unrühmliche
Stellung ein. Zur vermeintlichen Entspannung wird häufig nach Genussgiften oder Psychopharmaka gegriffen;
an erster Stelle ist hier wohl der Alkohol zu nennen.
Aus der Anamnese manches Alkoholikers wird deutlich,
dass der Versuch, mit den Belastungen des Alltags zurechtzukommen, zu regelmäßigem Alkoholkonsum und
schließlich zum zunächst unbemerkten Kontrollverlust
im Umgang mit Alkohol geführt hat.
Eigentherapie mit Genussgiften
Ein weiterer Bereich fruchtloser Behandlungen ergibt
sich in den Fällen, in denen ein Zusammenhang mit
psychosozialer Belastung nicht gesehen oder geleugnet wird und eine rein körperorientierte Behandlung
durchgeführt wird. Gesellschaftliche Ressourcen werden für eine solche unzureichende Behandlung verschwendet – und dies häufig unter aktiver Mitwirkung
von Ärzten, die nur ihre eigene Fachrichtung im Blick
haben oder die psychophysiologischen Zusammenhänge in ihrem Denken nicht berücksichtigen.
Dabei existieren wirksame Behandlungen, um Stressfolgen zu beseitigen oder zu lindern und um eine erhöhte individuelle Widerstandsfähigkeit gegen die alltäglichen Belastungen zu erwerben.
Ambulant oder stationär?
Eine psychosomatisch sinnvolle Behandlung wird im
Regelfall erfolgreich ambulant durchzuführen sein. Jedoch gibt es Situationen, in denen die ambulante Behandlung an ihre Grenzen kommt. Ist etwa die notwendige Behandlungsfrequenz oder das zielführende
Medium (Therapiegruppe oder spezielle praktische
Übungen) in der ambulanten Praxis nicht darstellbar,
so ist an eine stationäre Behandlung zu denken.
Im stationären Setting kann eine Vielzahl von Interventionsmöglichkeiten in zeitlicher und räumlicher Verdichtung zum Einsatz kommen, deren Effekte durch die
Herausnahme aus dem Alltag erst ermöglicht werden
und in einem zweiten Schritt dann gefestigt werden
müssen.
Nexus-Klinik als Teil der Gesamtbehandlung
In der Regel wird der ambulante Therapeut die Aufgabe
übernehmen, diese Festigung und Übertragung der gelernten Verhaltensweisen auf den Alltag der Patienten
zu begleiten und zu fördern. Dies ist typischerweise
keine psychiatrische Therapie – auch wenn es Psychiater gibt, die gleichzeitig hervorragende Psychosomatiker sind – sondern im eigentlichen Sinne psychosomatische Behandlung, die in Deutschland inzwischen
in vielen Regionen verfügbar ist.
Die Nexus-Klinik sieht sich dabei in der Pflicht, den vom
kooperierenden ambulanten Partner für seine Patienten definierten Auftrag im Rahmen der Gesamtbehandlung anzugehen und den Verlauf in der Klinik rück
zu melden. Die Erkenntnisse aus dem stationären Teil
der Gesamtbehandlung können dadurch wiederum gewinnbringend in den weiteren Verlauf der ambulanten
Behandlung einfließen. Dabei ist der Dialog über Konzepte, Möglichkeiten und Grenzen der Nexus-Klinik besonders wichtig, damit das Angebot der Nexus-Klinik
auch zielführend angesteuert und ausgewählt werden
kann.
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Gesundheit ist. Stressreduzierend wirken auch die Aktivierung des Bindungssystems in der therapeutischen
Beziehung und die Aktivierung eines Sicherheitsgefühls
im therapeutischen Setting.
Ergebnisqualität auch 2010 stabil
Symptomreduktion und Nachhaltigkeit als ausgezeichnet bewertet
Die Befragung von 359 Patienten in 2010 bestätigen die Ergebnisse der Vorjahre. Inhalt und Ausmaß der Beschwerden werden bei allen Patienten zu Beginn und
am Ende der Behandlung mittels der Fragebögen BDI und SCL-90-R standardisiert erfasst. Je nach individueller Erkrankung werden zusätzlich störungsspezifische
Messinstrumente eingesetzt. Als weiterer Indikator für die Effektivitätsprüfung der Behandlung wird die Veränderung in der Arbeits- bzw. Dienstfähigkeit herangezogen wie auch die therapeutenseitige vorher-nachher-Einschätzung des allgemeinen Funktionsniveaus (GAF).
(19 % waren selbständig erwerbstätig). Dieser Personenkreis verfügt häufig über sehr begrenzte zeitliche
Ressourcen und fragt deshalb eine sehr intensivierte
und individualisierte Therapie nach.
Während die in 2010 behandelten Patienten bei
Aufnahme im Durchschnitt einen BDI-Wert
(Beck-Depressions-Inventar) von 22,0 aufwiesen, lag der Wert nach Abschluss der Therapie
bei 9,7 Punkten. Diese Verbesserung ist statistisch hoch hochsignifikant (p < .01) und verweist mit einer Effektstärke von 0,83 auf eine
bedeutsame Wirkung der Behandlung in der
Nexus-Klinik. Ein vergleichbares Ergebnis zeigte
die Auswertung des SCL-90-R. Der durchschnittliche Eingangswert in Höhe von 66,4 betrug bei
Entlassung nur noch 52. Auch diese Veränderung
ist statistisch hochsignifikant (p < .01) und stellt
mit einer Effektstärke von 1,22 unter klinischen
Aspekten eine sehr bedeutsame Verbesserung dar.
Dieser positive Effekt wird durch die 1- und 2Jahres-Katamnese bestätigt (s. Abb. 1 und 2). Die
Therapieergebnisse bleiben auch zwei Jahre nach der
Behandlung stabil.
Viele selbstständig Erwerbstätige in Behandlung
Bei der Altersstruktur dominierte 2010 mit einem Anteil von 80 % das Lebensalter zwischen 41 und 65 Jahren (41–50 Jahre: 33,4 %; 51–65 Jahre: 46,8 %).
Dennoch stieg der Anteil der „Jungen Alten“ (d. h. über
65 Jahre) weiterhin an (2009: 4,3 %; 2010: 5,3 %). Dies
könnte zum einen ein Hinweis darauf sein, dass der demografische Wandel nunmehr auch den klinischen Alltag erreicht hat. Zum anderen ist dieses Lebensalter
eine Phase, die aufgrund der vielfältigen Veränderungen und Rollenwechsel zur Labilisierung führen kann.
Ebenso fiel auf, dass die Anfragen aus der Altersgruppe
der jungen Erwachsenen anhalten. 2010 waren 4,8 %
der Patienten unter 30 Jahren. Die Geschlechterverteilung wies 2010 einen diskreten Männerüberhang
auf (52 % Männer, 48 % Frauen).
Hinsichtlich der Berufstätigkeit war die
größte Gruppe angestellt oder verbeamtet tätig (58 %).
Da zwei Grundmerkmale des Behandlungskonzeptes
der Nexus-Klinik die hohe Flexibilität und Individualisierung darstellen, konnten auch eine Vielzahl an Selbständigen für eine Behandlung motiviert werden
Hohe Komorbiditätsrate
61 % der aufgenommenen Patienten wurde unter der
Erstdiagnose einer affektiven Störung behandelt. Gefolgt von den Reaktionen auf schwere Belastungen
(15 %), Angststörungen (9 %) und den somatoformen
Störungen (6 %) als Erstdiagnose. Die überwiegende
Mehrheit der Patienten war auch in 2010 komorbid
erkrankt. 28 % litten zusätzlich zur Erstdiagnose
unter psychischen oder Verhaltensstörungen durch
psychotrope Substanzen, einer affektiven Erkrankung (21 %), einer somatoformen Störung
(9 %), Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen (8 %) oder unter einer Persönlichkeitsstörung (6 %). Insgesamt wiesen 59 %
eine Zweitdiagnose, 29 % eine Drittdiagnose
und 9 % sogar eine Viertdiagnose aus dem
Spektrum der F-Diagnosen laut ICD-10 auf.
Daneben ist ein beträchtlicher Anteil der
Patienten durch eine
zusätzliche somatische Diagnose beeinträchtigt. Neben
den Ernährungs- und
Stoffwechselkrankheiten (35 %)
dominieren hier die Krankheiten
des Muskel-Skelett-Systems (43 %)
und des Kreislaufs (23 %). Auch
diese Erkrankungen werden
während des Aufenthaltes behandelt, da sie häufig eine auf-
rechterhaltende Funktion hinsichtlich der Primärerkrankung einnehmen. So werden z. B. Angebote zur
Gewichtsreduktion und Ernährungsumstellung bei
Adipositas, Hypertonus und Diabetes mellitus ebenso
eingesetzt wie physiotherapeutische Maßnahmen bei
Muskel-Skelett-Erkrankungen, um darüber z. B. die
Voraussetzung für eine verbesserte körperliche Aktivität
und in der Folge eine Steigerung der Verstärkerrate realisieren zu können.
Kurze Behandlungsdauer
Die durchschnittliche Verweildauer betrug 43 Tage
(s. Abb. 3). Die detaillierte Analyse zeigt jedoch, dass
30 % der Patienten mit einer Behandlungszeit von weniger als vier Wochen erfolgreich behandelt werden
konnten und 35 % weniger als sechs Wochen in stationärer Behandlung verbleiben. Aufenthaltszeiten von
über sechs Wochen sind in der Regel auf eine schwere
Ausprägung der Erkrankung, eine multimorbide Gesamtlage oder eine störungsbedingte längere Behandlungsdauer zurückzuführen.
Schonende Traumatherapie
Ressourcenaktivierung und Stabilisierung nach Traumatisierung
Pro Jahr kommt es zu rund 600.000 Fällen von Raub und Vergewaltigung bzw. körperlicher Gewalt in Deutschland. Dies sind die Ergebnisse der neuesten Statistik
der bundesweit tätigen Opferschutzorganisation „Weißer Ring e. V.“. Die Abfolge der Behandlungsphasen „Stabilisieren, Traumabearbeitung und
Neuorientierung“ ist heute im Rahmen schonender Traumabearbeitung mit ihren Grundstrategien „Dosierung der emotionalen Belastung“, „Aktivierung von
Ressourcen während der Traumabearbeitung“ und „Veränderung des Narrativs über das Trauma“ auch für komplexe Traumafolgestörungen aufgeweicht, so Prof.
Dr. med. Friedhelm Lamprecht.
Besonders wichtig ist es, so Friedhelm Lamprecht,
Patienten schon von Beginn der Behandlung an zu einer
aktiven Bewältigung ihrer Problematik zu ermutigen,
um dem quälenden Erleben von Ohnmacht und Hilflosigkeit gegenüber der Symptomatik, Selbstzweifeln
und Selbstvorwürfen sowie dem passageren Verlust von
Ich-Funktionen zu begegnen. Ziel einer Stabilisierung
ist es, wieder Kontrolle über sich und die emotionalen
Reaktionen zu gewinnen. Stabilisieren in diesem Sinne
ist aufzufassen als Aktivierung von internalen, externalen und biologischen Ressourcen durch Hilfe beim Wiedererlangen selbstregulativer Basisfunktionen, durch
Förderung von Perspektive und Mut zur Veränderung
sowie Unterstützung beim Aufbau von psychosozialen
Ressourcen. Unter diesen Prämissen bewährte sich die
Traumaexposition durch distanzfördernde Techniken
(z. B. Arbeit am Bildschirm) als Therapiestrategie, ebenso
wie das Pendeln zwischen Beobachterrolle und traumatisiertem Ich sowie durch die gezielte Mobilisierung
von Bewältigungsressourcen.
Schonende Traumatherapie
Schonende Traumatherapie strebt die Bearbeitung impliziter traumatischer Erinnerungen an, ohne das Stressregulationssystem zu überfordern. Insgesamt mildert
ressourcenaktivierende Psychotherapie bei Traumafolgestörungen die Stressreaktion ab und wirkt direkt
neurobiologisch regulierend auf das vegetative Nervensystem durch Verbesserung der präfrontalen Hirnfunktion und der Aktivierung des Bindungssystems. Als
spezielle Technik der Traumabearbeitung ist das EMDRBehandlungsverfahren (Eye Movement Desensitization
and Reprocessing) nach Francine Shapiro (1995) bei
posttraumatischen Belastungssyndromen im Erwachsenenalter eine wissenschaftlich anerkannte Methode,
deren Wirksamkeit in über 20 kontrollierten Studien
nachgewiesen werden konnte.
Aktuelle Forschungsergebnisse zu Wirkfaktoren
der EMDR-Behandlung
Nach dem klassischen Stressmodell von Cannon und
Seyle lassen sich autonom-vegetative Stressreaktionen
als Folgen einer Aktivierung des sympathischen Nervensystems erklären. Forschungsergebnisse aus jüngerer Zeit zeigten jedoch, dass der Parasympathikotonus
einen entscheidenden Einfluss auf die Stressregulation
hat und sogar die Regulation der Herzfrequenz dominiere. Diesem Modell der Stressregulation zufolge sind
Vagus und Sympathikus nicht als einheitliche Systeme
auf einer Dimension aufzufassen. Bei Patienten mit
posttraumatischen Belastungssyndromen, sonstigen
Angststörungen und/oder depressiven Störungen sind
eine hohe Herzfrequenz und verminderte Herzratenvariabilität (HRV) beobachtet worden, die nicht notwendigerweise auf eine erhöhte Sympathikusaktivität,
sondern vielmehr auf eine Verminderung des Vagustonus schließen lassen.
sei nachzuweisen, dass es im Verlauf der Therapie zu
einer Abnahme des psychophysiologischen Arousals,
abgebildet durch Veränderungen in den Maßen zur
Herzfrequenz und Hautleitfähigkeit, komme, entsprechend den aus der verhaltenstherapeutischen Forschung zur Angstdekonditionierung bekannten Befunden (Foa & Mc Nally, 1996). Die Überlagerung einer
Stressreaktion mit einer Entspannungsreaktion entspricht dem von Wolpe (1958) im Kontext von Angstdekonditionierung beschriebenen Mechanismus der Gegenkonditionierung. Weiterhin ist eine Zunahme der
Herzratenvariabilität als Indexmaß für den Parasympathikotonus bereits nach wenigen EMDR-Behandlungssitzungen beobachtet worden (Forbes et al., 1994).
Dualer Aufmerksamkeitsfokus
Weitere experimentelle Befunde zeigen, dass die
Anwendung von Augenbewegungen möglicherweise zu
einer Distanzierung von bildhaften Erinnerungen und
damit zusammenhängenden Emotionen führen kann
(Andrade et al., 1997). Angenommen wird, dass die
Aufgabe, mit den Augen einer bewegten Hand zu
folgen, aufgrund des dualen Aufmerksamkeitsfokus
zwischen innerem Wahrnehmen und äußerer Wahrnehmung zu einer Verminderung dissoziativer Vermeidungsstrategien führt. In anderen Studien wurde vermutet, dass die sakkadischen Augenbewegungen
REM-Schlaf-ähnliche Zustände anregten (Stichgold,
2000).
Ressourcenaktivierung als Behandlungselement
schonender Traumatherapie
Ressourcenaktivierung zielt darauf, verfügbare Ressourcen zu mobilisieren, nicht wahrgenommene
Ressourcen nutzbar zu machen, die Nutzung von Ressourcen zu optimieren und neue Ressourcen zu entwickeln. Dies kann beispielsweise durch einfühlsames
Nachfragen erfolgen („Was läuft gut bei Ihnen?“ „Wie
haben Sie ähnliche Probleme in anderen Situationen
schon gelöst?“). Übungen zur Ressourcenaktivierung
dienen zum einen der Stärkung des „Erwachsenen-Ich“.
Dabei wird beispielsweise auf die Entwicklung positiver Fähigkeiten im Umgang mit potenziell belastenden
Situationen oder Aufgaben in der Zukunft im Rahmen
von Imaginationsübungen fokussiert („Welche Fähigkeit bräuchten Sie, um mit dieser Belastung besser umgehen zu können?“). Im Rahmen der Traumabearbeitung wird aber auch das „jüngere Ich“ gestärkt. Als positive Triggerreize können beispielsweise angenehme
Gerüche, körperliche Aktivitäten, Lieblingsmusikstücke
und Kontakte zu hilfreichen Menschen fungieren. Gelungene Ressourcenaktivierung setzt einen Rückkopplungsprozess in Gang, der über eine positivere Selbstwahrnehmung und positive Gefühle hin zu verstärktem
Kompetenzerleben, verbessertem Wohlbefinden, verstärkter Aufnahmebereitschaft und erhöhtem Engagement in der Therapie führen kann.
Nicht zuletzt bezieht sich Ressourcenaktivierung auf die
Aktivierung regulativer biologischer Ressourcen wie den
Parasympathikotonus, der ein Indikator psychosozialer
„Vom Trauma zur Trauer“
Im zweiten Teil des Abends wurde der Transfer in die
Praxis von Dr. med. Astrid Klein, leitende Ärztin der
Nexus-Klinik, und Dipl.-Psych. Katja Beck, niedergelassene Psychologische Psychotherapeutin, vollzogen,
die vor den zahlreich erschienenen Zuhörern spezifische
Behandlungsstrategien ressourcenorientierter Psychotherapie nach Traumatisierung im stationären und ambulanten Setting anhand der Fallvignette „Vom Trauma
zur Trauer“ vorstellten. Astrid Klein berichtete über eine
ehemalige Patientin, die anfänglich mit einer depressiven Symptomatik und erheblichem Übergewicht
stationär aufgenommen worden war. Zudem hatten in
der Vergangenheit Panikattacken, somatoforme
Beschwerden und desorientiertes Verhalten bestanden.
Im stationären Rahmen stellte sich heraus, dass ein
Sturz der Patientin eine frühere traumatische Erfahrung,
einen einmaligen gewaltsamen Übergriff, reaktualisiert
hatte.
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Spezifische Behandlungsstrategien
Die Planung der ressourcenorientierten Psychotherapie
umfasste die Komponenten:
1) Konfrontatives Durcharbeiten von traumatischen
Erinnerungen
2) Versprachlichung von Erlebtem und Integration in
die persönliche Biographie
3) Bearbeitung emotionaler Reaktionen und
dysfunktionaler Kognitionen
4) Förderung des Selbstmanagements und der
inneren Kommunikation
5) Förderung des Gegenwartsbezuges.
Eine adjuvante Therapie trug zudem zur Stabilisierung
der Patientin bei. Die EMDR-Behandlung begann mit
einem Ressourcen-EMDR. Im weiteren Verlauf wurde
die traumatische Erinnerung an den Überfall assoziativ
ausgelöst und mehrfach prozessiert. Dabei wandelten
sich die emotionalen Reaktionen von „Wut auf sich
selbst“ hin zu „Erleichterung“ und „Dankbarkeit“.
Auch wurden dysfunktionale Kognitionen bezüglich
Schuldzuweisungen an sich selbst und der habituellen
Selbstwahrnehmung als Opfer modifiziert. Im KörperCheck veränderten sich negative Körpersensationen im
Kontext der wahrgenommenen Fähigkeit zur Selbstverteidigung positiv.
Update AD(H)S
terventionen anschließenden ambulanten Verlauf vor.
Mit dem Durchprozessieren des Überfallereignisses im
Katja Beck brachte zum Ausdruck, mit welcher Geduld
Erwachsenenalter wurden tieferliegende biographische
und Vorsicht im ambulanten Setting zum einen an der
Erfahrungen reaktiviert, wobei insbesondere massive
weiteren Auflösung der Dissoziation und zum anderen
Schuldgefühle gegenüber der früh verstorbenen Mutan der weiteren Traumaexposition zu arbeiten ist. Die
ter deutlich wurden. Zeitgleich war klinisch eine Selbstabschließende Diskussion des Fachpublikums konzenregulation über dissoziative Symptome beobachtbar, so
trierte sich auf den therapeutischen Umgang mit der
dass im Weiteren der psychotherapeutische SchwerDissoziationsneigung der Patientin, die unterschiedlich
punkt in der Auflösung der dissoziativen Phänomene
erklärt und interlag. Anhand einer
pretiert wurde.
„inneren LandSeinen Vortrag
karte“ kamen difabrundend empferente Ich-Anteile
fahl Friedhelm
zur Darstellung,
Lamprecht, stärderen Dialogfähigker auf die Mobikeit
gefördert
lisierung
der
wurde. Insgesamt
Bewältigungsreskonnten die dissosourcen zu fokusziativen Phänosieren.
mene reduziert und
die Affekttoleranz
verbessert werden.
Im Sinne des
Vernetzungsgedankens stellte Katja
Beck den sich an
die stationären In- Prof. Dr. Friedhelm Lamprecht mit Dr. Astrid Klein und Katja Beck
Eine Kinderkrankheit wird erwachsen
AD(H)S ist keine Modediagnose, sagt Dr. med. Sigrid Krause, Chefärztin der Nexus-Klinik, obwohl sie in den Medien häufig als solche dargestellt werde. AD(H)S wurde
bereits im 19. Jh. von zahlreichen Wissenschaftlern wie z. B. Laehr (1875) oder Hoffmann (1845) beschrieben. Letzterer sorgte mit seinem „Struwwelpeter“ nicht nur für eine
Bekanntmachung kinderpsychiatrischer Krankheitsbilder, sondern prägte mit dem „Zappelphilipp“ ein heute noch gängiges Synonym für hyperkinetische Kinder.
Wie äußert sich die Erkrankung und wie wird
sie diagnostiziert?
AD(H)S wird in der ICD-10 für WHO zu den „Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der
Kindheit und Jugend“ gezählt. Es werden drei verschiedene Typen differenziert: 1) der Unaufmerksame
Typus („Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität“ F 98.8), 2) der Hyperaktiv-impulsive Typus („hyperkinetischen Störungen des Sozialverhaltens“ F
90.1) und 3) der Kombinierte Typus („einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung“ F 90.0). Zu den
Hauptkriterien werden Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität gezählt (siehe Zusammenfassung Tabelle 1). Als weitere charakteristische Merkmale werden Desorganisation, emotionale Dysregulation, ein früher Beginn (aktuell: bis zum 6. Lj.) sowie
ein zeitstabiles Vorhandensein der Symptome gefordert.
Aber, nicht jeder der nach AD(H)S aussieht, hat auch
AD(H)S, nicht jeder, der Symptome zeigt, ist auch
krank. AD(H)S ist eine dimensionale Störung, keine
„Alles- oder Nichts- Erkrankung“! Die Diagnosestellung ist bisher erschwert dadurch, dass es noch nicht
DEN AD(H)S-Test gibt. Als sinnvoll für die Diagnoseabklärung erweisen sich neben dem klinischen Interview (Abklärung diagnostischer Kriterien nach DSMIV/ICD-10) v. a. Fremd- und Selbstbeurteilungsskalen
zur Erfassung der aktuellen Symptome und Symptome
in der Kindheit (z. B. WURS-K: Wender-Utah-RatingScale Kurzversion, AD(H)S-Selbstbeurteilungsfragebogen) und fremdanamnestische Angaben in Form
von Schul- oder Arbeitszeugnissen. Eine weitere
Schwierigkeit bei der Diagnosestellung ist eine hohe
Komorbiditätsrate sowohl mit psychiatrischen Erkrankungen (Depression 40–60 %, Sucht 25–60 %,
Angststörungen 20–60 %, Persönlichkeitsstörungen,
Schizophrenie), als auch mit körperlichen Erkrankungen (neurologische Störungen, Restless Legs Syndrome, Demenz, Substanzeffekte). Aus diesem Grund
sind „Pure“ erwachsene AD(H)S’ler eher selten, da
sie zu 2/3 unter der Flagge der Depression, Angst,
Sucht etc. segeln. Damit ist die AD(H)S nicht die Spitze
des Eisbergs, sondern der Boden.
Was weiß man über die Ursachen der AD(H)S?
Eine definitive Ursache der AD(H)S konnte bislang
nicht ermittelt werden. Man weiß, dass z. B. genetische Faktoren entscheidend zur Manifestation der Erkrankung beitragen. Laut Studien hat AD(H)S eine
Erblichkeit von bis zu 80 %. Ist ein Elternteil betroffen,
beträgt das Erkrankungsrisiko der Kinder 50 %. In Familien mit einem hyperkinetischen Kind entwickeln
Geschwister 5 –7 Mal häufiger die Störung, als in anderen Familien. Bei eineiigen Zwillingen beträgt die
Erkrankungswahrscheinlichkeit 50 – 90 %. Auch biologische Faktoren spielen eine wichtige Rolle. So erhöht z. B. mütterlicher Alkoholkonsum während der
Schwangerschaft das Erkrankungsrisiko, ähnlich wie
extreme Frühgeburt, niedriges Geburtsgewicht oder
Gehirnerkrankungen (z. B. Enzephalitis, Gehirntrauma). Fraglich ist noch inwieweit Nikotinkonsum
das AD(H)S-Erkrankungsrisiko erhöht. Biochemische
Faktoren werden ebenfalls diskutiert. So besteht bei
den Betroffen infolge der Veränderungen im dopaminergen System ein Dopaminmangel. Dieser führt
zu kognitiven Funktionsdefiziten im präfrontalen Cortex, die sich in Form von Aufmerksamkeits- und Arbeitsgedächtnis-Störungen äußern. Auch liegen inzwischen Befunde für die Beteiligung des noradrenergen und serotonergen Transmittersystems vor.
Verlauf der AD(H)S:
Die Prävalenz der AD(H)S nimmt mit steigendem Alter
ab. Studien zeigen aber auch, dass sich einige wichtige Merkmale wie Unaufmerksamkeit, Desorganisation oder Stressempfindlichkeit lebenslang kaum oder
gar nicht zurückbilden. Die Langzeitprognose fällt außerdem umso ungünstiger aus, je ausgeprägter die
Komorbidität mit anderen Störungen. Die Notwendigkeit und die Wichtigkeit der Therapie von AD(H)S
werden deutlich, wenn man die Auswirkungen einer
unbehandelten AD(H)S ansieht. Schule/Beruf: 60 %
Neu im Team: Dr. med. Henning Hager
Henning Hager ist Facharzt für Psychiatrie
und Psychotherapie und verstärkt seit dem
01.05.2011 das therapeutische Team der Nexus-Klinik. Als langjährig klinisch tätiger Psychotherapeut
bringt Henning Hager seine Erfahrungen nun auch
im Leitungsteam ein. Nach dem Medizinstudium
sammelte er erste berufliche Erfahrungen in der
Urologie und engagierte sich wissenschaftlich in der
Andrologie an der Uni Freiburg.
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Dekonditionierungshypothese
Im Hinblick auf die Wirkfaktoren der EMDR-Behandlung
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Ab 1990 wandte sich Henning Hager der Psychosomatik zu und absolvierte seine psychiatrischpsychotherapeutische Ausbildung unter der Leitung
von Dr. med. Georg Wittich und Dr. med. Eilat Maatz
an der Klinik Kinzigtal.
Psychotherapeutische Besonderheiten im Umgang
mit und unter Männern veranlassten ihn auch im
weiteren beruflichen Werdegang spezielle Männergesprächsgruppen anzubieten und in Kliniken zu implementieren.
häufiger Schulverweis, 32 % Schulabbrüche, niedrigerer beruflicher Status; Familie: 3- bis 5-fach höhere
Scheidungsrate, erhöhtes Risiko für unerwünschte
Schwangerschaft und frühe Elternschaft; Gesundheitswesen: 50 % häufiger Fahrradunfälle, 4-fach
häufiger Autounfälle, häufigere Arztbesuche; Gesellschaft: früherer Beginn und doppelt hohes Risiko des
Substanzmissbrauchs.
Wann und wie soll AD(H)S behandelt werden?
Die Diagnosestellung allein rechtfertigt noch keine
Therapie! Die Therapieentscheidung hängt von dem
Schweregrad und der Komorbidität ab, d. h. erst wenn
tatsächliche Beeinträchtigungen in einem oder mehreren Lebensbereichen vorliegen und diese sicher auf
die AD(H)S zurückzuführen sind, ist eine multimodale
Therapie indiziert (Kasten 1: Indikation zur Therapie).
Die Therapie der AD(H)S ist eine Kombination aus Psychoedukation/Coaching (Kasten 2), Psychotherapie
und Pharmakotherapie. Bei den psychotherapeutischen Ansätzen bewehrten sich vor allem kognitiv
behaviorale Therapie, DBT-basierte Konzepte oder
Achtsamkeitstraining. Alle bisher evaluierten psychotherapeutischen Ansätze zeigten positive Effekte. Bei
der medikamentösen Therapie der AD(H)S ist die Behandlung mit Stimulanzien (z. B. Methylphenidat) sowohl bei Kindern und Jugendlichen als auch bei ErIndikation zur Therapie (nach Krause/ Krause, 2009)
Drohender Verlust des Arbeitsplatzes
Angst wegen innerer Unruhe, „verrückt zu werden“
Tiefe Depression, extreme Antriebslosigkeit
Dauerhaft starke motorische Unruhe
Ständig angespannte Ärgerlichkeit, die zur Isolation führt
Das Gefühl, allen Geräuschen ausgeliefert zu sein/
keine Ruhe finden
• Übermäßiger Nikotin- /Alkoholkonsum (zur Entspannung)
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wachsenen die Therapie der 1. Wahl. Allerdings sind
AD(H)S-Medikamente zur Behandlung von Erwachsenen noch nicht zugelassen („off label use“) und
Coaching bei AD(H)S
• Praktische Hilfe bei der Arbeitsorganisation
• Tagesstruktur / Agenda
• Ruhepausen
• Reizarme Umgebung aktiv herstellen
• Selbstinstruktionen: „erst denken, dann reden und handeln“
• Aktive Hilfe bei der Priorisierung von Aufgaben
können nur unter Erfüllung bestimmter Voraussetzungen eingesetzt werden. Die Kombination aus Psycho- und Pharmakotherapie ist entscheidend wichtig.
Eine Monotherapie muss begründet werden! Laut
Studien ist insbesondere bei Betroffenen mit komorbiden Störungen die alleinige Gabe von Stimulanzien
in 30 – 50 % der Fälle nicht ausreichend. In solchen
Fällen ist es empfehlenswert die Pharmakotherapie
notfalls mit störungsspezifischen Präparaten zu ergänzen (z. B. SSRI bei Depression, Sertralin bei Zwang,
Venlafaxin bei PS oder inneren Anspannung und Impulsivität).
Zusammenfassung:
Warum ist es also wichtig, die Diagnose und die Therapie dieser Krankheit ernst zu nehmen? AD(H)S ist
eine häufige, zumeist vererbte Krankheit, die mit Auffälligkeiten im Hirnstoffwechsel einhergeht. Sie beginnt in der Kindheit (mit 5,3 % weltweit häufigste
psychiatrische Kinder- und Jugenderkrankung), setzt
sich in der Adoleszenz fort und ist bei 40 – 60 % der
Betroffenen, unabhängig von der sozialen Schicht,
auch nach Erwachsenenalter noch nachweisbar.
AD(H)S verwächst sich also nicht, sie hat einen eher
chronischen Verlauf! Eine unbehandelte AD(H)S führt
sehr häufig zu krankheitswertigen psychischen und
physischen Beeinträchtigungen und ist ein Risikofaktor für eine große Zahl von komorbiden Störungen.
Die Fakten über die Erkrankung sprechen also eine
deutliche Sprache und legen eine möglichst frühzeitige und umfassende Behandlung nahe – umso mehr,
als in neuen Studien die Wirksamkeit der multimodalen Therapieansätze auf die AD(H)S nachgewiesen
wurde.
In Zusammenarbeit mit dem Informationszentrum
für Sexualität und Gesundheit in Freiburg (ISG)
gewährleistete er auch Hilfestellungen für Männer,
die zunächst den Gang zum Psychiater oder Psychotherapeuten scheuten. Außerdem hat Henning
Hager mehrjährige berufliche Erfahrungen in der
ambulanten und stationären Versorgung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit
ihren alterstypischen Konflikten und Entwicklungsprozessen.
Als Vater von vier Kindern engagiert er sich aktuell
in dem Schulprojekt „Seelische Gesundheit für
Schüler, Eltern und Lehrer“ und bringt hierbei seine
systemisch geschulte Sichtweise ein.
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