Biomechanik im Gertturnen

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Inhaltsverzeichnis
Grundlagen der Biomechanik
Referat für Trainer-C Lehrgang 18.11.06
Referent: Erik Weihrauch
Verein: TSG 1848 Hofgeismar
Biomechanik im Gerätturnen ................................................................................................. 2
Warum sollte ich mich mit der Biomechanik beschäftigen?.................................................. 2
Definition der Kraft (2. Newtonsches Gesetz) ....................................................................... 3
Innere und äußere Kräfte.................................................................................................... 3
Definition der Bewegung ....................................................................................................... 3
Die Translation................................................................................................................... 3
Die Rotation ....................................................................................................................... 4
Mischformen von Rotation und Translation ...................................................................... 4
Der Impuls, Energiehaushalt einer Bewegung....................................................................... 5
Definition des Impulses (die bessere Art Energie umzusetzen)......................................... 5
Zusammenhang zwischen Impuls und Energiehaushalt..................................................... 5
ACTIO gleich REACTIO (3. Newtonsches Gesetz).............................................................. 7
Das Trägheitsgesetz (1. Newtonsches Gesetz)....................................................................... 7
Körperschwerpunkt (KSP) ..................................................................................................... 8
Strukturmerkmale des Gerätturnens....................................................................................... 9
Definition der Kippbewegung.......................................................................................... 10
Definition der Felgbewegung........................................................................................... 11
Andere Bewegungsgruppenzugehörigkeit ....................................................................... 11
Abkürzungen: ......................................................................................................................... 12
Literaturverzeichnis............................................................................................................... 12
1
Biomechanik im Gerätturnen
Warum sollte ich mich mit der Biomechanik beschäftigen?
Das Gerätturnen ist eine hochanspruchsvolle, technische Sportart. Um zukünftig die
Gesundheit der Aktiven nicht aufs Spiel zu setzen, bedarf es Kenntnisse der Biomechanik.
Viel Elemente bzw. Übungen werden von Übungsleitern/innen über reine Methodikbahnen
den Aktiven beigebracht. Es wird viel Zeit in die Erarbeitung von Elementen und Übungen
investiert, aber die Grundvoraussetzungen außer Acht gelassen. Ich möchte hier ein Beispiel
einfügen:
Jeder der angehenden Übungsleiter/innen kennt womöglich die Methodikbahnen, die zum
Erlernen des Hüftaufschwungs dienen.
1.) Barren dicht an eine Sprossenwand stellen, die Aktiven müssen nun mit gebeugten
Armen, Hände umfassen den Barrenholm, die Sprossenwand hochlaufen und den
KSP1 über den Barrenholm bringen.
2.) Eine Reckstange schulterhoch und ein kleiner Kasten unter die Stange, Der Aktive
stellt sich nun mit einem Bein auf den Kasten, zieht die Reckstange dicht an sich und
holt nun mit dem Spielbein Schwung und führt nun durch den Schwung den KSP über
die Reckstange
3.) Die Erhöhung „Kasten“ wird stetig abgebaut bis man auf Bodenhöhe ist.
Ich muss sagen, dass das methodische Vorgehen gut ist aber nicht ideal (vom Leichten zum
Schweren), ABER welche Grundfertigkeiten und Voraussetzungen brauchen denn schon
alleine die Aktiven um Punkt eins zu erlernen???
Sind das nicht
a) Zugkraft?
b) Raumorientierung?
c) Spannungsvermögen?
d) Stützkraft?
Diese Voraussetzungen MÜSSEN die Aktiven erstmal erlernen, um ÜBERHAUPT mit Punkt
1 beginnen zu können.
Hier kommt nun die Biomechanik ins Spiel. Der menschliche Körper besteht aus festem
(starrem) Gewebe den Knochen und elastischem Gewebe (Muskeln, Bänder, Sehnen, die
Liste ist nicht vollständig). Die Knochen werden über Gelenke mit einander verbunden.
Muskeln, Sehnen und Bänder sind dann unter anderem verantwortlich für die Bewegung des
Skeletts. Sie üben innere Kräfte auf die Knochen und Gelenke aus.
1.) Knochen + Gelenk + Knochen = Hebel ( Mechanik)
2.) Hebel (Mechanik) + Muskeln, Bänder, Sehnen = Biomechanischer Hebel
1
KSP = Körperschwerpunkt
2
Ich möchte hier nicht auf das zentrale Nervensystem, Knorpel, Menisken, Disken,
Schleimbeutel, etc. eingehen, das würde zu weit führen.
So, jetzt haben wir die grundlegende Funktionsweise der Bewegung, sie besteht aus Hebeln,
mit unterschiedlichen Bewegungsdimensionen. Diese Dimensionen werden über die Gelenke
bestimmt. Ein Kugelgelenk kann sich zum Beispiel in drei Dimensionen bewegen (im Kreis),
ein Scharniergelenk in einer Dimension (vor und zurück).
Was sagt uns das? Ein/e Übungsleiter/in muss jetzt in der Lage sein unter Berücksichtigung
dieser Gelenkeigenschaften, Übungsformen zu wählen, die dem Gelenk gerecht werden. Jeder
Muskel, der dann zu der Bewegung beiträgt sollte hier trainiert werden, um muskuläre
Dysbalancen auszuschließen.
Jetzt haben wir ansatzweise über biomechanische Hebel gesprochen und das über sie, der
Körper in Bewegung versetzt werden kann. Aber welche Kräfte bzw. Energien sind hierfür
notwendig und welche Bewegungsformen gibt es???
Definition der Kraft (2. Newtonsches Gesetz)
Die Kraft (F) ist gleich dem Produkt aus der Masse (m), die bewegt wird, und deren
Beschleunigung (a)
F [N] = m [kg] * a [m/s]
Innere und äußere Kräfte
a) Äußere Kräfte sind die Kräfte, die von Außen auf den Körper einwirken, z. B.,
Kraftstöße, Gravitation (Erdanziehungskraft F = m * g; g = 9,81 m/s), Reibungskraft,
etc.
b) Innere Kräfte werden durch die Muskeln unter Energieverbrauch2 freigesetzt.
Definition der Bewegung
Die Bewegung kann im Sportbereich auf zwei grundlegende abstrahiert werden.
a) die Translation
b) die Rotation
Die Translation
Das Merkmal einer translatorischen Bewegung ist, dass alle Punkte der bewegten Masse auf
deckungsgleichen Bahnen bewegt werden oder besser formuliert „Die Translation ist eine
Bewegung, bei der alle Punkte des betrachteten Körpers auf einer Bahn verlaufen.“ 3
Diese deckungsgleichen Bahnen können die Formen von Geraden (z. B. Fußsprünge ohne
Anlauf), Parabeln (z. B. Skifliegen, Fußsprünge mit Anlauf, Kopfsprünge ins Wasser), Kreise
2
Stichwort: Zitronensäurezyklus
Folienreihe zur Unterrichtspraxis „Bewegungslehre und Biomechanik des Sports Teil 1, Biomechanische
Grundlagen
3
3
oder Kreisausschnitte (z. B. Bobfahren in Kurven) oder Mischformen (z. B.
Achterbahnfahren) annehmen.
Eine etwas vereinfachte Skizze:
Die Rotation
Bei der Rotation drehen alle betrachteten Punkte um eine gemeinsame Achse. Jeder Punkt
durchläuft eine Kreisbahn bzw. einen Kreisausschnitt (z. B. Riesenfelgen am Reck).
Eine vereinfachte Skizze zur Verdeutlichung
Gemeinsame Achse
(diese Zeichnung ist nicht ganz genau, die Kreisbahnen müssten zur Drehachse zu allen
Seiten den gleichen Abstand haben)
Mischformen von Rotation und Translation
In den aller seltensten Fällen treten die fundamentalen Bewegungen in Reinform auf.
Üblicherweise überlagern sie sich. Alleine schon das Gehen ist eine Mischform, hier dreht
sich der Unterschenkel um das Kniegelenk vor und zurück, aber der betrachtete Körper
bewegt sich auf deckungsgleichen Bahnen vor- bzw. rückwärts.
Bei allen Rollbewegungen haben wir die Rotation um eine momentane Drehachse (Boden)
und die Translation, alle Massenpunkte bewegen sich auf gleichen Bahnen vor- bzw.
rückwärts.
4
Der Impuls, Energiehaushalt einer Bewegung
Jetzt haben wir uns grundsätzlich erstmal mit den Kräften und den möglichen Bewegungen
auseinandergesetzt. Wichtig ist jetzt natürlich der Energiehaushalt. Hiermit meine ich, dass
ich Übungen bzw. Elemente so ausführen kann, dass ich dauerhaft höchste Krafteinsätze
gebrauche, wie z. B. bei der Rolle rückwärts in den Handstand. Hier DRÜCKE ich mich (uff,
stöhn) mit aller Kraft nach der Rollbewegung in den Handstand. Nach dauerhaften
Wiederholungen, die ja grundsätzlich nicht verkehrt sind, hier allerdings schon, habe ich
„Arme wie Arnold Schwarzenegger“, habe aber grundlegend die Bewegung nicht unter
Kontrolle (gesundheitliche Risiken, Verletzungsgefahr). Sollten wir uns nicht ganz schnell
mal den Impuls ansehen? „Liegt nicht hier der Hund begraben“, den wir für einen gesunden
Energiehaushalt beispielsweise benötigen? Ich denke, wir sollten uns das anschauen.
Definition des Impulses (die bessere Art Energie umzusetzen)
Der Impuls p wird definiert als das Produkt aus Masse m und Geschwindigkeit v. Impuls und
Geschwindigkeit sind dabei Vektoren und somit richtungsbehaftet.
p [kg * m/s] = m [kg] * v [m/s]
p=m*v
Dieser Fundamentalsatz sagt für uns Trainer/innen eine Menge. Denn wie wir wissen hat in
Bezug auf ein Training der Mensch die Möglichkeiten, z. B. einen Arm zu bewegen und den
Rest des Körpers stillzuhalten oder auch nur den Oberkörper zu bewegen, wobei die unteren
Extremitäten ruhig liegen.
Zusammenhang zwischen Impuls und Energiehaushalt
2 Fallbeispiele aus dem Turnen:
1.) Wenn wir uns das Beispiel mit der Rolle rückwärts in den Handstand anschauen, dann
können wir eins feststellen: Wir erhalten kinetische Energie durch die Rotation
rückwärts. Hierbei ist darauf zu achten, dass, wenn sie aus dem Stand geturnt wird, die
Hände nicht den Körper abfangen. Das wäre eine teilweise Zerstörung der
Rotationsenergie. Nun wird kurz vor dem Boden der Rumpf weit gebeugt, um dann
beim zurückrollen den Bein-Rumpfwinkel schnell zu öffnen. Wenn die Füße über der
Stirn sind, dann wird schnellkräftig die Hüfte gestreckt (Felgbewegung) und sofort
blockiert, das bringt die erwünschte Impulsübertragung (Kraftstoß von Erde auf
Mensch) vom Boden auf den Körper. Der Körper schnellt nach oben. Hierbei werden
die Arme entlastet. Wir brauchen also während dieser Phase KEINE Stützkraft.
5
2.) Ein zweites einfaches Beispiel ist ein Mensch der auf dem Rücken liegt und die Beine
geschlossen, gestreckt in Hochhalte hat. Er schlägt die Beine schnellkräftig nach
unten. Kurz vor Berührung des Bodens fixiert er die Beine (Blockierung im Rumpf).
Mechanisch bedeutet das, dass die Masse der Beine mit der Geschwindigkeit v > 0 auf
null abgebremst wird und der Oberkörper zum Zeitpunkt der Beinbewegung v = 0
durch Impulsübertragung die Geschwindigkeit v > 0 bekommt, also hiermit einen
Impuls. Die Masse der Beine und des Oberkörpers haben hiermit einen Drehimpuls
um die Drehachse (DA) Boden erhalten. Die folgende Gleichung verdeutlicht dies.
Man nennt sie auch Impulserhaltung.
m1*v1 + m2*v2 = m1*u1 + m2*u2
Wie wir an diesen beiden Beispielen sehen, kann man die kinetische Energie von einem
Massenpunkt auf einen anderen übertragen.
Beide Beispiele kann ich allerdings auch mit sehr hohem Energieaufwand turnen.
1.) Bei der Rolle rückwärts in den Handstand, senke ich mich wie eine Schlafmütze auf
den Boden, nehme die Hände zum Auffangen des Körpers dazu (Ich will mir ja nicht
weh tun), beuge dann meinen Körper, rolle dann langsam rückwärts bis in die Kerze.
Jetzt versuche ich das Gleichgewicht in der Kerze zu halten und drücke gleichzeitig
mit voller Kraft aus den Armen in den Handstand, was für eine Energiebilanz. Erst
zerstöre ich die Energie, indem ich der Erde - die bestimmt nicht nachgibt - einen
Kraftstoß F durch meine Masse m mal der Erdbeschleunigung g zerstöre und dann
wieder Hubarbeit (-energie) entwickele, die mich in den Handstand bringt.
2.) Das zweite Beispiel ist genauso. Ich baue einen hohen Impuls P auf, lasse die Beine
mit voller Wucht auf den Boden knallen, blockiere allerdings die Hüfte nicht. Der
Oberkörper bleibt starr auf dem Boden liegen. Jetzt baue ich innere Kräfte auf und
hebe meinen Oberkörper unter voller Anstrengung vom Boden hoch. Super
Energiebilanz!!!
Es gibt sehr viele Beispiele, wo dies so läuft und gerade im Gerätturnen, müssen wir Trainer
und Übungsleiter exakt darauf achten, wo und wie wir Energie herbekommen und wo und wie
wir sie einsetzen. Nur unter der Rücksichtnahme dieser Erkenntnisse kann ein technisch
sauberes Turnen erlernt und viele Wiederholungen geturnt werden.
6
ACTIO gleich REACTIO (3. Newtonsches Gesetz)
Von dieser kurzen Einführung in Impulse müssen wir ja zwangsläufig noch mal zum „ollen“
Newton kommen. Der hat nämlich eins bewiesen: das jede Kraft eine Gegenkraft erzeugt, also
ACTIO gleich REACTIO
Kräfte treten immer paarweise auf
Diese Gleichung ist sehr spannend, denn wenn wir wissen, wie viel Kraft wir z. B. beim
Vorwärtslaufen erzeugen, dann können wir auch berechnen wie viel Haftreibungskraft
entwickelt werden muss, um den Körper nach vorne zu bringen. Es bringt uns ja recht wenig,
wenn wir auf dem Eis volle Pulle anlaufen, oder? Das Eis bietet durch den geringen
Haftreibungskoeffizienten wenig Gegenkraft (Haftreibungskraft) gegen unsere Stemmkraft.
Wir rutschen aus und fallen auf die Nase! Gleichfalls gilt, wenn 2 Menschen auf dem Eis
stehen und einer dem anderen einen Schups gibt, dann werden beide nach hinten driften, je
nach Masse der eine mehr und der andere weniger. Wer mehr über diesen Zusammenhang
wissen möchte, kann sich unter [WIKI1] informieren.
Aber wie viel Kraft muss ich denn überhaupt aufwenden, um überhaupt erstmal einen
Gegenstand zu ziehen oder zu schieben oder auch einen Menschen, wie beim Sumoringen,
aus dem Gleichgewicht zu bringen? Das führt uns sehr schnell zur Überlegung der Trägheit!
Das Trägheitsgesetz (1. Newtonsches Gesetz)
„Ein Körper verharrt in seinem Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen, geradlinigen
Bewegung, solange die Summe aller auf ihn einwirkenden Kräfte Null ist.“4
So, nun wissen wir die Antwort auf die obige Frage, oder? Naja, ganz einfach:
1.) Wir nehmen einen Körper mit der Masse 70 kg. Auf ihn wirkt die Erdanziehungskraft
von 700N. Er sitzt meinetwegen auf einem Parkettboden der Null Reibung aufweist.
Wir müssen also ein wenig mehr als 700N aufwenden, um ihn in Bewegung zu
versetzen. Ist er erstmal in Bewegung, brauchen wir nicht mehr soviel Kraft. Wir
haben die Haftreibung überwunden und der Körper wird gleichförmig, geradlinig
bewegt (ideales, geschlossenes System). Jetzt gilt natürlich auch wieder der
Trägheitssatz. Es bedarf wieder einer bestimmten äußeren Kraft, um den Körper zu
bremsen, voila, damit haben wir auch die Trägheit beschrieben.
Umgesetzt auf ein Beispiel im Gerätturnen: Eine Turnerin versucht Prellsprünge zu machen.
Sie hat eine schlecht ausgebildete Fuß- und Unterschenkelmuskulatur (Schollenmuskel gibt es
nicht und der Zwillingswadenmuskel ist wirklich klein). Sie wiegt 100 kg, muss also
schlussfolgernd eine Kraft, die größer ist als 1kN ist, aufbringen, um die Erdanziehungskraft
zu überwinden. Die Prellsprünge gehen schief und schlussfolgernd auch jegliche Sprünge
über Bock, Tisch oder Kasten. Dieses Phänomen fällt allerdings wenig auf, weil man ja
schließlich Reutherbretter benutzt ☺ und die Turner/innen im Allgemeinen leichter sind. Das
Prinzip bleibt aber das gleiche. Weitere Infos findet Ihr bei [SPORTANA1].
4
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Newtonsche_Axiome
7
Aus dem Trägheitssatz entsteht für mich allerdings die Frage, an welcher Masse oder besser
an welchem Punkt der Masse greift die Kraft an???
Körperschwerpunkt (KSP)
Der KSP ist nur ein gedachter Punkt, der auch außerhalb des Körpers liegen kann. Eine
bessere Formulierung ist vielleicht diese: “Der Schwerpunkt eines Körpers (KSP) ist ein
gedachter Punkt, an dem man den Körper aufhängen kann, so dass er sich immer im
Gleichgewicht befindet, unabhängig davon, wie man ihn dreht oder kippt.“5 Ein Trainer sollte
in der Lage sein, entweder aus Erfahrung oder Intuition, in momentanen Situationen den KSP
beim Sportler zu bestimmen. Nur dadurch wird es ihm möglich sein, korrekte Anweisungen
zur Ausführung einer Übung bzw. eines Elements zu geben.
Der KSP eines Menschen, der in der anatomischen Grundstellung steht, liegt ungefähr in der
Höhe des Nabels, einige cm vor dem C5-Wirbel. Weitere Informationen findet Ihr in
[SPORTANA1].
Wichtig zu sagen ist nur noch, dass eine Gesamtmasse aus Teilmassen besteht, wie z. B. beim
Menschen. Der Mensch hat Arme und Beine, einen Kopf und einen Rumpf etc.. Jedes Teil hat
seinen eigenen KSP, ist also ein Teilkörper. Hieraus ist ableitbar warum bei Schrauben (LAD)
die Rotation durch Annäherung der Teilkörper an den KSP die Rotation schneller wird und
bei Entfernen der Teilkörper vom KSP die Rotation langsamer wird. Hierzu sollte man sich
[KNIRSCH1] mal anschauen.
5
Sportanatomie, Bewegungslehre, Rolf Wirhed, Seite 115
8
Wir haben uns jetzt grundlegend mit der Biomechanik befasst. Was können wir nun für das
Gerätturnen daraus schlussfolgern? Wir betrachten einfach mehrere verschiedene Elemente
und Übungen und werden dabei feststellen, dass einige Bewegungen immer wieder
vorkommen. Dies könnte uns dazu veranlassen, darüber nachzudenken, ob wir gleiche
Bewegungsabläufe bestimmten Strukturgruppen zuordnen.
Strukturmerkmale des Gerätturnens
Seit dem Jahr 1930 bis 1996 gab es immer wieder verschiedene Zuordnungen der
Bewegungsgruppen und Versuche neuer Definitionen. Bekannte Namen, wie H. Ohnesorge
(1930-1950), A. Dickhut und H. Bantz (ab 1950), K. Wiemann und H. Meusel (1965) oder K.
Knirsch (1983, 1991, 1996) versuchten immer wiederkehrende Bewegungen in Gruppen
einzuteilen. Heute spricht man von „Strukturmerkmalen der Bewegungen im Gerät- bzw.
Kunstturnen“.
Folgende Strukturmerkmale gibt es im Gerätturnen:
a)
b)
c)
d)
e)
f)
g)
h)
Rollbewegungen
Kippbewegungen
Auf- und Umschwungbewegungen
Sprungbewegungen
Überschlagbewegungen
Felgbewegungen
Stemmbewegungen
Schwungbewegungen (Beinschwungbewegungen)
Immer wieder gibt es zwischen den beiden Bewegungsformen Kipp- und Felgbewegungen
Irritationen. Das Problem in der Abgrenzung besteht in der Interferenz durch die Art der
Hüftstreckung!
Ich versuche hier die Abgrenzungen der beiden Bewegungsformen mal aufzuzeigen:
Hierbei ist noch nicht klar, was nun eine Kipp- oder Felgbewegung ist. „Im Schwung weisen
beide Elemente (Kipp- oder Felgaufschwung) vor Beginn der Hauptfunktionsphase eine mehr
oder weniger starke Hüftbeugung auf.“ Beide Positionen kann man daher als nahezu identisch
ansehen und daher als Kipp- oder Felghang bezeichnen.
Während der Hauptfunktionsphase, also da, wo die eigentliche Bewegung einsetzt, ist
die Hüftstreckung mit Blockieren bei allen Pendelaufschwüngen bzw. Rollen gleich!6
Nun zum entscheidenden Fehler:
Die Streckung des Hüftgelenkes aus der Beugung kann aus drei verschiedenen Aktionen
erfolgen:
6
Kurt Knirsch, Lehrbuch des Gerät- und Kunstturnens Band 1
9
„Aktion 1) Indem die Hüftstreckung durch die Oberkörperaktion erfolgt
(Rotationsanteil).Beim Abbremsen des Oberkörpers erfolgt eine rotatorische
Impulsübertragung vom Oberkörper auf die Beine.“7
„Aktion 2) Die Hüftstreckung passiert dadurch, dass die Beine den Rotationsanteil
übernehmen. Beim Abbremsen des Beinschwunges erfolgt ebenfalls eine rotatorische
Impulsübertragung, diesmal von den Beinen auf den Rumpf.“8
„Aktion 3) Indem die Hüftstreckung von beiden Körpersegmenten Oberkörper und Beinen
gleichzeitig durchgeführt wird. In diesem Fall wirkt die Streckkraft der Hüfte auf die
Unterstützungsfläche (actio) und beim Abbremsen dieser Streckung erfolgt mit der Entlastung
(reactio) an der Unterstützungsfläche bzw. Griffstellen eine translatorische
Impulsübertragung.“
Definition der Kippbewegung
Aus trainingsmethodischer Sicht sind alle Hüftstreckungen, die nur durch Beinaktionen
(Aktion 2) erfolgen, als Kippen aus der Ruhelage zu bezeichnen.9
7
Kurt Knirsch, Lehrbuch des Gerät- und Kunstturnens Band 1
Kurt Knirsch, Lehrbuch des Gerät- und Kunstturnens Band 1
9
Kurt Knirsch, Lehrbuch des Gerät- und Kunstturnens Band 1, Seite 37
8
10
Definition der Felgbewegung
Alle anderen Hüftstreckungen, ob aus der Ruhelage (Felgschleudern) oder aus bzw. im
Schwung, gehören der Gruppe der Felgbewegung an.10
Bei diesen Zuordnungen ist die Haltung der Arme irrelevant. Es kommt hierbei nur auf die
Bewegung in der Hauptfunktionsphase an. Weitere Informationen zu Kipp- oder
Felgbewegungen könnt ihr im Buch Kurt Knirsch, „Lehrbuch des Gerät- und Kunstturnens
Band 1“, ISBN3-927091-34-0 bekommen.
Andere Bewegungsgruppenzugehörigkeit
Zum Abschluss noch eine grobe Übersicht der Strukturgruppen. Ich möchte hier nicht auf die
anderen eingehen, da sie eigentlich schon vom Sprachgebrauch her einsichtig sind. Aber
Vorsicht: Bitte genau schauen und nachlesen. Wie bereits erwähnt erhaltet Ihr hierzu nähere
Infos in dem oben erwähnten Buch.
10
Kurt Knirsch, Lehrbuch des Gerät- und Kunstturnens Band 1, Seite 37
11
Abkürzungen:
KBA:
KLA:
KSP:
Körperbreitenachse
Körperlängsachse
Körperschwerpunkt
Literaturverzeichnis
[WIKI1]
[SPORTANA1]
http://de.wikipedia.org/wiki/Newtonsche_Axiome
Sportanantomie, Bewegungslehre, Rolf Wirhead, Schattauer Verlag
ISBN 3-7945-2081-5
Folienreihe zur Unterrichtspraxis „Bewegungslehre und Biomechanik
des Sports Teil 1, Biomechanische Grundlagen
[Knirsch1]
Lehrbuch des Gerät- und Kunstturnens 1, Kurt Knirsch,
Knirsch-Verlag, ISBN 3-927091-34-0
12
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