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Ausgabe 996a • 67. Jg. • KW 26/2013
TYP 1 UND TYP 2 DIABETES MELLITUS
Lantus® – mit 1. Juli 2008 bewilligungsfrei (RE2)*
Apidra® – Positive Opinion der Emea für die
Zulassung für Kinder ab 6 Jahren
THEMENHEFT
THEMENHEFT
D
IABETES
DIABETES
Inkretine
ein neuer
Therapie
des–Typ-2-Diabetes
Ansatz in der
Therapie
entsprechend
den aktuellen
des Typ 2 Diabetes der ÖDG
Leitlinienempfehlungen
Insulinanaloga
Stellenwert einer frühzeitigen
Diabetes im Alter
Insulintherapie
Antihypertensiva bei
Diabetes mellitus
Hypertonie
und Diabetes –
pathophysiologische ZusamDiabetes im
Spannungsmenhänge
therapeutisch
nutzen
Lebensstiltherapie –
was nun?
Diabetes mellitus Typ 2 –
neue Therapieansätze im Fokus
PROATGLA080601
Diabetes-Therapie bei
HbA1c < 7% unter
Niereninsuffizienz
Fachkurzinformation siehe Seite 30
feld von Lebensstil und
Medizin
24-Stunden Diabetes Hotline: 01/801 85-2448
www.diabetesportal.at
Fachkurzinformation siehe Seite 15
P.b.b. Verlagspostamt 1180 Wien • GZ13Z039504M • ISSN 0048-5128
* Alle Darreichungsformen sind dokumentationspflichtig
P.b.b. Verlagspostamt 1180 Wien • 04Z035389 M • ISSN 0048-5128
Juni 2008 Nr. 940a 62. Jahrgang
•
•
Fachkurzinformation siehe Seite 11
THEMENHEFT DIABETES
Diabetes mellitus
Typ 2 – Aspekte
des Managements
für die Praxis
D
er aktuelle Wissensstand spricht für
eine individuell angepasste antihyperglykämische Therapie und gegen eine
isolierte Fokussierung auf die Blutzuckerkontrolle – die Beiträge dieses Themenhefts widmen sich diesbezüglich praxisrelevanten Aspekten.
Zunächst fasst Prim. Univ. Prof. Dr. Monika
Lechleitner aus Hochzirl die derzeit gültigen
ÖDG-Empfehlungen zur antihyperglykämischen Therapie zusammen. Deren Aktualisierung erfolgte 2012 unter Bezugnahme auf
neue wissenschaftliche Erkenntnisse sowie
internationale Leitlinien und zielt auf eine differenzierte individuelle GlukosestoffwechselEinstellung ab.
In der Folge beleuchtet OÄ Dr. Ingrid SchützFuhrmann aus Wien den Stellenwert einer
frühzeitigen Insulintherapie und hinterlegt
die einzelnen Aspekte bzw. Indikationen mit
der aktuellen Datenlage und daraus resultierenden Erkenntnissen bzw. Empfehlungen.
Hypertonie, viszerale Adipositas sowie Störungen von Fett- bzw. Glukosestoffwechsel
sind eng miteinander verbunden und tragen
gemeinsam wesentlich zu Entstehen und Progression der Atherosklerose bei. Univ. Prof.
Dr. Hermann Toplak aus Graz geht auf die Assoziation zwischen Hypertonie und Diabetes
ein.
Fast die Hälfte aller Diabetiker leidet an einer
chronischen Nierenkrankheit. PD Dr. Joakim
Huber aus Wien befasst sich mit zentralen
Aspekten der Diabetes-Therapie bei Niereninsuffizienz und betont dabei einmal mehr den
wissenschaftlich untermauerten Wert eines
multifaktoriellen Managements.
Eine informative Lektüre wünscht Ihnen
Ihr Dr. Michael Burgmann
Schriftleitung
Jahrgang 67 / 996a / 2013
WISSENSCHAFT
M. Lechleitner
Therapie des Typ-2-Diabetes entsprechend den
aktuellen Leitlinienempfehlungen der ÖDG
4
I. Schütz-Fuhrmann
Stellenwert einer frühzeitigen Insulintherapie
6
H. Toplak
Hypertonie und Diabetes – pathophysiologische
Zusammenhänge therapeutisch nutzen
8
J. Huber
Diabetes-Therapie bei Niereninsuffizienz
12
FORTBILDUNG
Diabetes mellitus Typ 2 –
neue Therapieansätze im Fokus
16
IMPRESSUM ISSN 0048-5128 DVR 0163538
Medieninhaber und Verleger: ARZT & PRAXIS VerlagsgmbH, Währinger Straße 112, 1180 Wien, Tel. 01/479 05 78, Fax: 01/479 05 78 DW 30,
E-Mail: [email protected], www.arztundpraxis.at Herausgeber: Dkfm. Karin Schmitt Geschäftsführung:
Mag. Manuela Moya Druckerei: „agensketterl“ Druckerei GesmbH, 3001 Mauerbach Bezugsbedingungen: Der
Abonnementpreis beträgt jährlich (einschließlich Porto, in Österreich auch einschließlich Ust.) Euro 35,– . Turnusärzte:
Euro 19,– . Abonnement Ausland: Euro 80,– / Erscheinungsort: 1180 Wien. Schriftleitung: Dr. Michael Burgmann,
Oberer Panoramaweg 10, 8112 Gratwein, Tel: 0676/671 01 98, [email protected]
Druckauflage: 15.000
Namentlich gezeichnete Artikel, Leserbriefe und sonstige Beiträge geben die persönliche und/oder wissenÖAK-geprüft (2.HJ/12)
schaftliche Meinung des Verfassers wieder und müssen daher nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen. Die Zeitschrift dient zur persönlichen Information des Empfängers und seiner Mitarbeiter, soll aber nicht im Wartezimmer
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der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Fotokopie,
Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt, verwertet
oder verbreitet werden.
Liebe Leserin, lieber Leser,
aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen die männliche Form gewählt.
Die Angaben beziehen sich aber auf Angehörige beider Geschlechter.
ARZT & PRAXIS
3
4
THEMENHEFT DIABETES
Therapie des Typ-2-Diabetes
entsprechend den aktuellen
Leitlinienempfehlungen der ÖDG
Prim. Univ.-Prof. Dr. Monika Lechleitner
ö Landeskrankenhaus Hochzirl
Anna Dengel-Haus, Hochzirl 1, 6170 Zirl
E-Mail: [email protected]
Positionspapiere nehmen Stellung zu exokriner Pankreasinsuffizienz, psychischen Erkrankungen, schwerer Allgemeinerkrankung und
perioperativer Situation.
Die Aktualisierung der antihyperglykämischen Therapie als zentrale Intervention in der
Diabetestherapie erfolgte unter Bezugnahme
auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse sowie
internationale Leitlinienempfehlungen.
Behandlungsziele
Zu den allgemeinen Therapiezielen in der Behandlung des Typ-2-Diabetes zählen das Vermeiden von Akut- und Spätkomplikationen,
die Freiheit von Symptomen der Hyperglykämie sowie der Erhalt bzw. die Wiederherstellung der Lebensqualität. Die Blutzuckerkontrolle steht im Zentrum der Diabetestherapie
und der HbA1c-Wert gilt als Surrogatparameter für die Qualität der antihyperglykämischen
Behandlung. Rezente internationale Konsensusempfehlungen beinhalten HbA1c-Zielwertdefinitionen unter Bezugnahme auf die individuelle Situation des Patienten (Inzucchi et
al., Diabetes Care 2012). Diese Zielwertstratifizierung entsprechend Diabetesdauer, Patientenalter und der Berücksichtigung von Komorbiditäten und Hypoglykämierisiko (Abb. 1)
beruht auf den Ergebnissen rezenter Interventionsstudien bei Patienten mit Typ-2-Diabetes. Das Veterans Affairs Diabetes Trial, sowie
die ADAVANCE- und ACCORD-Studie konnten
unter einer strikteren glykämischen Kontrolle eine Reduktion mikrovaskulärer Ereignisse
nachweisen, zu beobachten war jedoch auch
eine Zunahme der kardiovaskulären Mortalität
bei Auftreten von schweren Hypoglykämien
ARZT & PRAXIS
Die Leitlinienempfehlungen der ÖDG zur Behandlung des Diabetes mellitus
wurden 2012 in überarbeiteter und erweiterter Form publiziert (Wien Klin
Wochenschr 2012, Suppl 2). Die Themenschwerpunkte umfassen neben
der Diagnostik des Diabetes und den allgemeinen Behandlungsmaßnahmen insbesondere die Prävention und Therapie diabetischer Spätkomplikationen, den Diabetes in der Schwangerschaft, besondere Aspekte für
Kinder und Jugendliche, Diabetes in der Geriatrie, Gender und Migration.
(American Diabetes Association. Diabetes Care
2013, Suppl 1). In der VADT-Studie führte eine
striktere Therapieform (HbA1c-Ziel) zur Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse bei Patienten
ohne klinisch manifeste Atherosklerose, nicht
jedoch bei Patienten mit bekannter Athero­
sklerose. Eine aggressive antihyperglykämische
Therapie (HbA1c ≤ 6,0 %) wird deshalb für Patienten mit langer Diabetesdauer (> 15 Jahre),
höherem Lebensalter (> 70 Jahre), manifesten
kardiovaskulären Erkrankungen und weiteren
Komorbiditäten nicht empfohlen.
Antihyperglykämische Therapie bei
Typ-2-Diabetes
Lebensstilinterventionen stellen die Grundlage in der Diabetestherapie dar (Abb. 2). Die
Wahl der antihyperglykämischen Therapieform nimmt Bezug auf den Ausgangs-HbA1cWert bei Diagnosestellung (Abb. 3). Metformin gilt als Basistherapie in der Behandlung
des Typ-2-Diabetes – eine Therapieerweiterung mit oralen Antidiabetika, GLP-1-Rezeptor-Agonisten und/oder Insulin erfolgt unter
Bezugnahme auf den Glukophänotyp (Erhö-
hung der Nüchtern- und/oder postprandialen
Glucose) sowie unter Berücksichtigung von
Kontraindikationen und Nebenwirkungsprofil
der Medikation.
Orale Antidiabetika
Metformin
Metformin führt zu einer Verbesserung der
hepatischen und muskulären Insulinsensitivität, das Hypoglykämierisiko ist gering. In
der Monotherapie wird unter Metformin eine HbA1c-Reduktion von rund 1,5 % erreicht.
Als Kontraindikation für die Metformin-Therapie gelten eingeschränkte Nierenfunktion
(GFR < 60 ml/min.), schwere Lebererkrankung,
dekompensierte Herzinsuffizienz, Alkoholismus sowie Malnutrition. Die Gewichtsreduktion unter Metformin kann in der Behandlung
älterer Patienten einen unerwünschten Effekt
darstellen.
Pioglitazon
Pioglitazon verbessert die Insulinsensitivität in Leber, Muskulatur und Fettgewebe, das
Abb. 1: HbA1c-Zielwerte
Bei kurzer Diabetesdauer, langer Lebenserwartung und keiner relevanten kardiovaskulären Komorbidität ist ein HbA1c-Wert von 6,0–6,5% (42-48 mmol/mol) anzustreben.
Kann dieses Therapieziel nicht komplikationslos und ohne große Gefahr für Hypoglykämien erreicht werden, so ist auch ein HbA1c-Zielwert von 7% (53 mmol/mol) zumindest für die Reduktion von mikrovaskulären Spätkomplikationen als ausreichend zu betrachten.
Bei Patienten mit mehreren schweren Hypoglykämien, eingeschränkter Lebenserwartung oder
anderen Komorbiditäten sind HbA1c-Zielwerte bis 8% (64 mmol/mol) – nötigenfalls bis 9% (75
mmol/mol) – als ausreichend zu bewerten.
Jahrgang 67 / 996a / 2013
THEMENHEFT DIABETES
Sulfonylharnstoffderivate und Repaglinid
Diese Substanzklassen stimulieren die pankreatische Insulinsekretion und führen zu einer HbA1c-Reduktion von rund 1,5 %. Zu beachten ist das erhöhte Hypoglykämierisiko
und bei älteren Präparaten die Gewichtszunahme. Gliclazid zeigt ein deutlich niedrigeres Hypoglykämierisiko. In einer Outcome-Studie konnte unter Gliclazid eine Reduktion der
mikrovaskulären Ereignisse beschrieben werden (ADVANCE-Studie; Patel et al., N Engl J Med
2008).
Alpha-Glukosidasehemmer (Acarbose)
Durch Hemmung des Kohlenhydratverdaus
bewirken Alpha-Glukosidasehemmer eine Verminderung des postprandialen Blutzuckeranstiegs und damit eine HbA1c-Reduktion um
rund 1,0 %. Als Nebenwirkung sind gastrointestinale Beschwerden anzuführen.
Bauchumfang
Männer: < 102 cm
Frauen: < 88 cm
Nikotin
Stopp
Bewegung
• 3- bis 7-mal pro Woche 30–60 Min. Ausdauertraining
(insgesamt mindestens 150 Minuten)
• Zusätzlich 2- bis 3-mal 30 Minuten Krafttraining
Ernährung
• Positive Beeinflussung des postprandialen Glukoseanstiegs
• Gegebenenfalls Reduktion des Körpergewichts
Empfehlungen zur dauerhaften Ernährung der Proteinzufuhr derzeit
nicht ausreichend evidenzbasiert. Crash-Diäten sowie schnelle Gewichtsabnahme in kurzer Zeit sind abzulehnen.
glutid, Lixisenatid) weisen gegenüber nativem
GLP-1 Veränderungen in der Molekülstruktur auf, die einen verzögerten Abbau bewirken. GLP-1 bzw. die GLP-1-Analoga stimulieren
die pankreatische Beta-Zelle, inhibieren die Alpha-Zelle, führen zu einer Reduktion der hepatischen Glukosefreisetzung, einer Verzögerung
der Magenentleerung und verstärken über
ZNS-Effekte das Sättigungsgefühl. GLP-1-Rezeptor-Agonisten müssen subkutan verabreicht werden. Übelkeit und gastrointestinale
Beschwerden können in der initialen Therapiephase auftreten.
Gliflozine
Dapagliflozin wurde kürzlich als Vertreter einer neuen Gruppe oraler Antidiabetika – der
SGLT-2-Inhibitoren – für die Therapie des Typ2-Diabetes zugelassen. Diese Medikamentenklasse inhibiert im proximalen Tubulussystem der Niere die Reabsorption der glomerulär
filtrierten Glukose. Ein Großteil der tubulären Glukosereabsorption erfolgt über die Sodium-Glucose-Co-Transporter (SGLT), Mem­
branproteine für den aktiven transepithelialen
Transport. Die Hemmung der renalen Glukosereabsorption durch SGLT-2-Inhibitoren bewirkt
über die verstärkte Glukoseausscheidung im
Harn eine Reduktion erhöhter Blutzuckerwerte. In klinischen Studien bewirkten Gliflozine
eine HbA1c-Reduktion von rund 0,9% und eine Gewichtsreduktion von 1,3 kg im Zeitraum
von 12 Wochen. Als Nebenwirkung der Glukos­
urie ist eine verstärkte Neigung für urogenita-
Abb. 3: Leitlinienempfehlungen der ÖDG – Therapie des Typ-2-Diabetes nach Diagnosestellung
(mod. nach Clodi et al., Wien Klin Wochenschr 2012, Suppl 2)
HbA1c < 6,5%
HbA1c < 6,5 – 9%
Metformin
HbA1c < 6,5%
Symptomatische Hyper-­
glykämie, metabolische
Dekompensation
➮
HbA1c < 6,5%
HbA1c > 9%
➮
➮
Transfer in ein
Krankenhaus bzw.
zum Spezialisten
Re-Evaluierung nach 3–6 Monaten, falls HbA1c nicht im Zielbereich
plus Wirkstoff(e) aus
Tabelle
➮
HbA1c < 6,5%
➮
Jahrgang 67 / 996a / 2013
(18,5 kg bis) < 25 kg/m2: optimal
< 27 kg/m2: ausreichend
➮
GLP-1-Rezeptor-Agonisten
GLP-1-Rezeptor-Agonisten (Exenatid, Lira-
Body Mass Index
➮
Gliptine
Gliptine (DPP-4-Hemmer; Linagliptin, Saxagliptin, Sitagliptin, Vildagliptin) inhibieren
das Schlüsselenzym im Abbau von endogenem
GLP-1 und führen so zu einer Glukose-abhängigen Steigerung der Insulinsekretion. Gliptine
sind gewichtsneutral und weisen ein geringes
Hypoglykämierisiko auf.
Gliptine kommen vor allem in Kombination
mit Metformin zum Einsatz. Bei Kombination
von DPP-4-Hemmern mit Sulfonylharnstoffderivaten ist das erhöhte Hypoglykämierisiko
in Bezug auf die Dosierung der Einzelsubstanz
zu beachten.
Mit Ausnahme von Linagliptin werden die
meisten Gliptine renal eliminiert. Bei Einschränkung der Nierenfunktion (GFR 30–50
ml/min.) ist deshalb eine Dosisreduktion erforderlich. Aufgrund der überwiegend hepatischen Metabolisierung muss bei Linagliptin
keine Dosisanpassung erfolgen.
Abb. 2: Ziele der Lebensstilintervention
LEBENSSTIL
Hypoglykämierisiko ist gering. Die HbA1c-Reduktion unter Pioglitazon beträgt rund 1,5 %.
Als Kontraindikationen für die Therapie mit
Pioglitazon gelten die Herzinsuffizienz und
das Vorliegen einer Hepatopathie. Als Nebenwirkungen müssen Ödemneigung und Gewichtszunahme sowie ein erhöhtes Risiko für
periphere Knochenfrakturen bei postmenopausalen Frauen Berücksichtigung finden.
plus weitere(n)
Wirkstoff(e) aus Tabelle oder Insulin
ARZT & PRAXIS
5
6
THEMENHEFT DIABETES
le Infekte zu beobachten. Aus den klinischen
Studien geht hervor, dass die Wirkeffektivität der SGLT2-Inhibitoren eine ausreichende
Nierenfunktion (GFR ≥ 45 ml/min./1,73 m2)
voraussetzt.
Insulintherapie
Eine Indikation zur Insulintherapie bei Typ2-Diabetes besteht, wenn durch diätetische
Maßnahmen und orale Antidiabetika das individuelle Therapieziel nicht erreicht wird oder
Kontraindikationen gegenüber oralen Antidiabetika bestehen. Eine vorübergehende Insulintherapie kann bei Typ-2-Diabetes darüber hinaus bei schweren Begleiterkrankungen oder
perioperativ angezeigt sein. Voraussetzung für
eine erfolgreiche Umsetzung der Insulintherapie ist eine entsprechende Schulung des Patienten. Da derzeit keine Endpunktstudien über
den Vorteil einer bestimmten Form der Insulintherapie bei Typ-2-Diabetes vorliegen, bezieht
sich die Therapiewahl auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten.
Der Insulinbedarf bei Typ-2-Diabetes nimmt
Bezug auf die Therapieform (Kombination
von Insulin mit oralen Antidiabetika, konventionelle Insulintherapie, intensivierte Insulintherapie) und wird vom Ausmaß der individuellen Insulinsensitivität und Betazellreserve
mitbestimmt.
Metaanalysen konnten aufzeigen, dass der
Einsatz kurz- und langwirksamer Insulinanaloga in einer reduzierten Hypoglykämierate resultiert. Hinsichtlich der Ergebnisse aus
Langzeitstudien mit Insulinanaloga fand sich
in der ORIGIN-Studie für Insulin Glargin bei
Typ-2-Diabetikern bzw. bei Patienten mit abnormen Nüchternblutzuckerwerten oder pa-
thologischer Glukosetoleranz während eines
Beobachtungszeitraums von 6 Jahren ein neutraler Effekt auf die kardiovaskuläre Ereignisrate (N Engl J Med 2012).
Zusammenfassung
Die aktuellen Leitlinienempfehlungen der
ÖDG zur antihyperglykämischen Therapie bei
Typ-2-Diabetes ermöglichen sowohl hinsichtlich der Therapieziele als auch der Therapieform ein differenziertes und den individuellen Bedürfnissen des Patienten angepasstes
Vorgehen.
Strukturierte Diabetikerschulung, Blutzuckerselbstkontrolle und Betreuungsprogramm
stellen grundlegende Maßnahmen für die Therapiesicherheit und die Prävention diabetischer Spätkomplikationen dar.
♦
Literatur bei der Verfasserin
Stellenwert einer frühzeitigen Insulintherapie
OA. Dr. Ingrid Schütz-Fuhrmann
3. Medizinische Abteilung für Stoffwechselerkrankungen und Nephrologie, Krankenhaus Hietzing
Wolkersbergenstraße 1, 1130 Wien
E-Mail: [email protected]
Veränderungen und Maßnahmen in Hinblick
auf den Lebensstil bleiben immer Hauptelemente eines erfolgreichen Therapiekonzeptes.
Daneben benötigen Patienten aber in der Regel
eine medikamentöse Therapie.
Die Herausforderungen einer modernen Dia­
betestherapie liegen dabei nicht nur in der
Entwicklung neuer Medikamente und technischer Hilfsmittel. In einem hohen Ausmaß
sind wir von der Mithilfe unserer Patienten abhängig, da wie bei kaum einer anderen Erkrankung Krankheitseinsicht und selbstbestimmtes Handeln Voraussetzungen für den Erfolg
ARZT & PRAXIS
Rund 500.000 Menschen sind in Österreich an einem Diabetes mellitus Typ 2 erkrankt, und man geht davon aus, dass nach wie vor nur
die Hälfte der Personen von ihrer Krankheit weiß. Aufgrund der hohen
Kosten für das Gesundheitssystem, aber vor allem aufgrund des hohen
individuellen Leids bedingt durch Spätschäden gilt es – abgesehen von
Strategien in der Prävention und Früherkennung – auch alle Behandlungsoptionen zu nutzen, welche die Progression der Krankheit verlangsamen, Lebensqualität erhalten und Spätschäden verhindern.
sind. Insbesondere die Insulintherapie verlangt
strukturiertes Vorgehen und Schulung. Zurzeit
gibt es allerdings keine Hinweise, dass Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 durch eine frühe Insulintherapie in Hinblick auf kardiovaskuläre Ereignisse profitieren.
Vorübergehende Insulintherapie
Der Einsatz von Insulin ist durchaus zu jedem Zeitpunkt eine Therapieoption. Dabei sind
Behandlungsziele, Effektivität und Therapiesicherheit zu definieren. In erster Linie wird
Insulin erfolgreich vorübergehend in der Be-
handlung einer akuten Hyperglykämie eingesetzt. Diese ist eine Komplikation, die sich im
Rahmen von verschiedenen Situationen ergeben kann. Zu nennen sind hier schwere Allgemeinerkrankungen (z. B. Infektionen) oder
auch medikamentöse Interventionen (z. B.
Kortisontherapie). Zudem kann der Einsatz
von Insulin perioperativ zur optimalen Stoffwechseleinstellung notwendig sein. Hier liegt
der Vorteil der Insulintherapie in seiner guten
Steuerbarkeit.
Auch bei einem frisch diagnostizierten Diabetes mellitus Typ 2 ist die Korrektur von ho-
Jahrgang 67 / 996a / 2013
THEMENHEFT DIABETES
hen Blutzuckerwerten mit Insulin hilfreich.
Ausnahmefälle, in denen Insulin sofort zwingend notwendig ist, sind schwangere Frauen
mit einem präkonzeptionellen Diabetes mellitus Typ 2 oder Frauen mit einem Gestations­
diabetes, welcher mit Diät nicht ausreichend
behandelt werden kann. In der Schwangerschaft ist zurzeit nur Insulin als Therapie zugelassen, auch wenn sich die Daten mehren,
dass Metformin eine ausgezeichnete Sub­
stanz auch im Rahmen der Schwangerschaft
ist. Nach Beendigung der Stillperiode können
aber wieder andere Medikamente eingesetzt
werden bzw. ist keine Therapie mehr notwendig. Auf jeden Fall ist bei Gestationsdiabetes eine Reklassifizierung der mütterlichen Glukosetoleranz mittels oGTT 6–12 Wochen nach der
Entbindung erforderlich.
Kontraindikationen gegen orale
Antidiabetika
Nieren-, Herz- bzw. Leberinsuffizienz sind limitierende Faktoren beim Einsatz vieler oraler
Antidiabetika, sodass hier die Gabe von Insulin auch schon am Beginn der Erkrankung notwendig sein kann, um eine adäquate Stoffwechseleinstellung zu erreichen.
Frühe Insulintherapie – grundsätzlich
eine Option?
Eine rezente Studie (ORIGIN TRIAL, N Eng J
Med 2012; 367: 319–328) untersuchte, ob die
Normalisierung der Nüchternglukose bei Patienten mit gestörtem Nüchternblutzucker, gestörter Glukosetoleranz oder Diabetes mellitus Typ 2 und kardialen Risikofaktoren zu einer
Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen
führt. Dabei wurden mehr als 12.000 Patienten
in eine Insulin-Gruppe (NüchternblutzuckerZiel ≤ 95 mg/dl) oder in eine Standard-CareGruppe randomisiert. Über einen Zeitraum
von 6 Jahren hatte Insulin glargin einen neutralen Effekt in Hinblick auf den kardiovaskulären Outcome. Obwohl Insulin glargin die Progression der Krankheit verzögerte, kam es zu
mehr Hypoglykämien und zu unerwünschter Gewichtszunahme. Die Hypoglykämierate war aber gemessen an anderen Studien, wie
z.B. der ACCORD-Studie, sehr tief (0,01 schwere Hypoglykämien pro Patientenjahr). Klarheit
besteht darüber, dass Insulin bei nicht-manifestem Diabetes keine Option für das Aufhalten der Erkrankung ist. Die Zahl der Patienten,
welche 6 Jahre lang mit Insulin behandelt werden müssten, um einen neuen Fall zu verhin-
Jahrgang 67 / 996a / 2013
dern, liegt bei 15 (Number needed to treat).
Dem stehen eine Gewichtzunahme von durchschnittlich 2,1 kg sowie ein Risiko für Hypoglykämien gegenüber.
Karzinomrisiko durch Insulin?
Im Rahmen der ORIGIN-Studie wurde zwar
nicht primär, aber erstmalig prospektiv die
Krebsinzidenz mituntersucht. Keine Form von
Krebs trat unter Insulin glargin häufiger auf.
Obwohl der Untersuchungszeitraum kurz ist,
reduziert sich damit die Unsicherheit, welche
aufgrund von epidemiologischen Daten entstanden ist, weiter.
Wann ist eine Insulintherapie
indiziert?
Nach wie vor ist der HbA1c-Wert die wichtigste Richtgröße. Zusätzlich werden Nüchtern- und postprandiale Blutzuckerwerte herangezogen, um die richtige Therapiestrategie
für den Patienten zu entwickeln. Es gilt, je kürzer die Diabetesdauer, je länger die Lebenserwartung und je geringer die kardiovaskuläre
Komorbidität, umso tiefer soll der HbA1c-Wert
sein – entsprechend den Leitlinien der ÖDG
zwischen 6 und 6,5 %, bei Gefahr von Hypoglykämien zumindest unter 7 %. Patienten
mit eingeschränkter Lebenserwartung, Spätkomplikationen oder schweren Komorbiditäten profitieren durch eine strikte Blutzucker­
einstellung nicht. HbA1c-Werte von unter 8 %
oder auch bis unter 9 % können individuell
ausreichend sein.
Wenn das Therapieziel unter 7 % HbA1c, insbesondere bei schwer adipösen Patienten mit
kurzer Diabetesdauer, durch Metformin und
Gliptine nicht erreicht werden kann, stellen die
GLP-1-Rezeptor-Agonisten eine ausgezeichnete Therapieoption dar. Insbesondere die Gewichtsreduktion erweist sich als erheblicher
Vorteil gegenüber Sulfonylharnstoffen und Insulin. Mit Sulfonylharnstoffen lässt sich zwar
anfangs eine deutliche HbA1c-Absenkung erreichen, es kommt aber viel rascher im Verlauf
zu einem Wiederanstieg des HbA1c als unter
der Therapie mit GLP-1-Rezeptor-Agonisten.
Insulin ist effektiv, aber immer mit einer Gewichtzunahme verbunden. Deshalb ist der Einsatz von Insulin bei dieser Patientengruppe
nicht günstig, wenn auch leider häufig nicht zu
verhindern.
Grundsätzlich besteht eine Indikation zur Insulintherapie immer dann, wenn die oben beschriebenen individuellen Therapieziele mit
Diät, Bewegung und oralen Antidiabetika
(OAD) nicht mehr erreicht werden können. Eine strukturierte Schulung wie auch die Selbstkontrolle durch den Patienten sind unbedingte
Voraussetzungen, um Insulin erfolgreich einzusetzen. Die basal-unterstützte orale Therapie (BOT; Kombination von OAD mit einem
NPH-Insulin oder einem lang wirksamen Insulinanalogon am Abend) ist eine gute Einstiegstherapie, da sie einfach umzusetzen ist.
Die Entscheidung, welche Therapieform für
den Patienten geeignet ist, wird von den Blutzuckerprofilen beeinflusst. Endpunktstudien,
welche Form der Insulintherapie grundsätzlich
am besten ist, gibt es nicht.
In der Masse der Typ-2-Diabetiker verbergen
sich wahrscheinlich 10 Prozent sogenannte
LADA(late onset autoimmunity diabetes)-Diabetiker. Es handelt sich dabei um Patienten mit
einem verzögert auftretenden Typ-1-Diabetes. Dieser Diabetestyp ist in jedem Lebensalter möglich, und besonders bei normalgewichtigen Patienten ist daran zu denken, da sie mit
einer Insulintherapie zu versorgen sind.
Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine frühe Insulintherapie keinen Effekt auf kardiovaskuläre Ereignisse bei Hochrisikopatienten hatte. Adipöse Patienten profitieren durch
eine frühe Insulintherapie zumeist nur eingeschränkt, da in der Regel eine Gewichtszunahme auftritt. Es gilt, individuelle Therapieziele
entsprechend der Diabetesdauer, der Lebenserwartung und der Komorbiditäten zu definieren. Strukturierte Schulung der Patienten
bei indizierter Insulintherapie ist eine unverzichtbare Voraussetzung für den Erfolg. Die
basal-unterstützte orale Therapie ist eine gute Einstiegstherapie.
♦
Literatur bei der Verfasserin
ARZT & PRAXIS
7
8
THEMENHEFT DIABETES
Hypertonie und Diabetes –
pathophysiologische Zusammenhänge therapeutisch nutzen
Univ.-Prof. Dr. Hermann Toplak
Medizinische Fortbildung und lebenslanges Lernen
Universitätsklinik für Innere Medizin
Medizinische Universität Graz
E-Mail: [email protected]
Im Rahmen einer rationellen antihypertensiven Therapie verdienen diese pathophysiologischen Zusammenhänge eine entsprechende
Beachtung. Dabei ist die Assoziation zwischen
Hypertonie und Diabetes im größeren Ganzen
des Zusammenwirkens zwischen Herz-Kreislauf-System und Stoffwechsel zu sehen.
Konkret weisen Diabetiker häufig auch eine Hypertonie auf – so finden sich erhöhte Blutdruckwerte (systolisch > 140 bzw. diastolisch > 90 mmHg) in Abhängigkeit von
Diabetesdauer und Ausmaß der Adipositas
bei 50–60 % dieser Patienten. Im Vergleich zu
nicht-diabetischen Patienten findet man insbesondere bei älteren Diabetikern häufig eine
isolierte systolische Hypertonie.
Erhobene Blutdruckwerte korrelieren eng mit
dem Risiko für makro- (koronare, zere­brale,
periphere Verschlusskrankheit) wie auch mikrovaskuläre (diabetische Nephro-, Retinopathie) Komplikationen. Galt es früher als Ziel,
den Blutdruck auf möglichst niedrige Werte zu senken, so hat die rezente Erkenntnis einer wieder steigenden Mortalität bei zu starker Drucksenkung (J-Curve) diese Sichtweise
verändert.
Oftmals geht die Hypertonie allerdings einem Diabetes mellitus zeitlich voraus und
ist mit anderen Komponenten des Metabolischen Syndroms vergesellschaftet. Konkret
sind etwa 30 % aller Hypertoniker auch von einem Metabolischen Syndrom betroffen bzw.
ist umgekehrt die Hypertoniker-Rate bei Patienten mit Metabolischem Syndrom zumindest annähernd 100 %. Hypertoniker weisen
ein 2,2-fach erhöhtes Risiko auf, innerhalb der
nächsten fünf Jahre einen Diabetes mellitus zu
entwickeln.
ARZT & PRAXIS
Hypertonie, viszerale Adipositas sowie Störungen von Fett- bzw. Glukosestoffwechsel sind eng miteinander verbunden und tragen gemeinsam
wesentlich zum Entstehen wie auch zur Progression der Atherosklerose
mit entsprechenden Morbiditäts- und Mortalitätsrisiken bei.
Metabolisches Syndrom – Erfassung
von Risikokonstellationen
Es wurde versucht, das Zusammenwirken
von Hypertonie, Adipositas und Störungen von
Glukose- bzw. Lipidstoffwechsel im Sinne relevanter vaskulärer Risikofaktorkonstellationen
in Form des Metabolischen Syndroms zu beschreiben. Einem zunehmenden Wissen Rechnung tragend, wurde dessen Definition mehrmals verändert.
Stand zunächst die Insulinresistenz im Mittelpunkt, so nahm in der Folge die viszerale Adipositas diese Stellung ein. In den Kriterien der IDF (International Diabetes Foundation)
von 2005 ist denn auch das Bestehen einer
bauchbetonten Adipositas Voraussetzung
für das Vorliegen eines Metabolischen Syndroms. Diesem Umstand, dass der „Bauch“
in Europa früh beginnt, trugen die IDF-Kriterien 2005 Rechnung – und zwar im Sinne einer pathophysiologisch sinnvollen Grenzwertkorrektur nach unten (≥ 80 bzw. 94 cm). Dem
Überschreiten dieser Grenzwerte ohne Vorliegen weiterer Risikofaktoren kommt zwar noch
kein „Hochrisikostatus“ zu, wohl aber beginnt
der erhöhte viszerale Fettanteil bereits seinen Einfluss auf die Pathogenese der weiteren Merkmale des Metabolischen Syndroms
zu entfalten. In den etwas älteren NCEP-ATPIII Kriterien (2001) war die eigentliche Adipositas als fakultatives Kriterium definiert und
auch der BMI (≥ 30kg/m2) zu deren Feststellung herangezogen worden. Die einem BMI von
30 kg/m2 im Mittel entsprechenden Grenzwerte hinsichtlich Bauchumfang für Frauen bzw.
Männer (≥ 88 bzw. 102 cm) sind heute sehr gut
geeignet, als Hochrisikoäquivalent zu dienen.
Tatsächlich aber beginnen Bauchentwicklung
und damit Metabolisches Syndrom in unseren
Breiten bereits bei einem BMI von etwa 25 (in
Asien noch früher).
Zu diesen Merkmalen zählen laut IDF-Definition von 2005 weiters ein Blutdruck ≥ 130/≥
85 mmHg (oder eine antihypertensive Therapie), ein Nüchternblutzucker ≥ 100 mg/dl
(oder ein zuvor diagnostizierter Diabetes mellitus Typ 2) sowie ein HDL-Cholesterin < 40
(Männer)/50 (Frauen) mg/dl bzw. Triglyzeride
≥ 150 mg/dl (oder jeweils eine spezifische Therapie) – zwei beliebige davon müssen zusätzlich zum Schlüsselkriterium des erhöhten Viszeralfettes (erfasst durch den Bauchumfang)
gegeben sein, damit man von einem Metabolischen Syndrom sprechen kann.
Zentrale Stellung der viszeralen
Adipositas
Für das kardiovaskuläre Risiko ist weniger das
Ausmaß des Übergewichts als vielmehr das
Fettverteilungsmuster entscheidend – besonders nachteilig wirken sich dabei Fettdepots
im Bauchraum bzw. an den inneren Organen
aus. Dieses „intraabdominale/viszerale/zentrale Fett“ ist keineswegs inert, sondern vielmehr
äußerst stoffwechselaktiv und durch seine
schnelle Kinetik der zentrale Triggerfaktor für
die genannten Determinanten des Metabolischen Syndroms.
Fettgewebe – und hier vor allem viszerales –
produziert auch in körperlichen Ruhephasen
Fettsäuren, welche ständig in die Zirkulation
gelangen und – wenn sie nicht verstoffwechselt werden – weitere Stoffwechsel-Pathologien nach sich ziehen. Vermehrt anfallende freie Fettsäuren führen dabei einerseits
zur Insulinresistenz in Leber wie auch Muskel, andererseits aber auch zu Fettstoffwechselstörungen im Sinne einer Hyper- bzw. Dys-
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Fachkurzinformation siehe Seite 15
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THEMENHEFT DIABETES
lipidämie (↑ small dense LDL-Cholesterin, ↓
HDL-Cholesterin).
Darüber hinaus ist eine viszerale Adipositas häufig mit erhöhtem Blutdruck verbunden. Zum einen weisen adipöse Hypertoniker
erhöhte Leptinspiegel auf. Dieses Proteohormon wird vor allem in viszeralen Fettzellen gebildet und hemmt zentral (Hypothalamus) das
Auftreten von Hungergefühl. Bei Patienten mit
Metabolischem Syndrom ist häufig eine Lep­
tinresistenz zu beobachten – sie verspüren also
trotz hoher Leptinspiegel Hunger. Über einen
anderen zentralen Mechanismus, der keiner
Resistenz unterliegt, stimuliert Leptin das sympathische Nervensystem – dies bewirkt eine Steigerung von Blutdruck, Herzfrequenz
und Thermogenese. Zum anderen ist das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS)
bei Adipösen in vermehrtem Ausmaß aktiviert.
Dabei erhöht Angiotensin II direkt (AT1-Rezeptor-mediierte Kontraktion der glatten Widerstandsgefäß-Muskulatur) und indirekt (vermehrte Natrium- und Flüssigkeitsretention,
Aldosteronausschüttung) den Blutdruck. Zudem bewirkt Angiotensin II ebenso wie Leptin
eine zentrale Sympathikusaktivierung.
Als weitere Effekte einer erhöhten viszeralen Fettspeicherung gelten Leberfunktionsstörung (NASH), Hyperurikämie, Vermehrung von
Akutphaseproteinen bzw. Entzündungsmediatoren sowie Effekte auf Koagulabilität und
Endothelfunktion.
mediatoren, prokoagulatorische Zustände),
erhöhtem genetischem Risiko oder bereits
bestehender Endorganschädigung (z.B. Linksherzhypertrophie) das Gesamtrisiko des Patienten um ein Vielfaches. Ein oftmals erst spät
hinzukommender Diabetes mellitus Typ 2 verstärkt diese atherosklerotische Problematik für die großen Gefäße (Makroangiopathie)
und verursacht selbst Mikroangiopathien. Eine
gleichzeitig bestehende Glukosestoffwechselstörung (Insulinresistenz, Glukosetoleranzstörung, Diabetes mellitus Typ 2) nimmt demnach
einen besonderen diesbezüglichen Stellenwert
ein.
Hypertonie und Diabetes – Aspekte
des Zusammenwirkens
Lebensstilmodifikation
Wie eingangs bereits dargelegt, ist die Verflechtung von Hypertonie und Diabetes sowohl hinsichtlich Pathogenese als auch
klinischer Outcomes bzw. Prognose der betroffenen Patienten eine enge.
Pathogenetisch soll an dieser Stelle nochmals auf die frühzeitige sympathische Überaktivität bei Metabolischem Syndrom bzw. Diabetes mellitus hingewiesen werden, die eine
wesentliche Rolle in der Entwicklung einer Hypertonie und deren Folgen (z.B. linksventrikuläre Hypertrophie) bei diesen Patienten spielen dürfte.
Was die Prognose betrifft, so trägt zwar die
Blutdruckhöhe allein bereits zu einem großen
Teil des kardiovaskulären Risikos bei, dennoch
steigert ein Zusammentreffen mit weiteren Risikofaktoren wie sogenannten „klassischen“
(z.B. Hyper-/Dyslipidämie) oder „neueren“ (z.B.
erhöhte
Akutphaseproteine/Entzündungs-
ARZT & PRAXIS
Therapeutische Konsequenzen
Als wesentlich erscheinen daher die frühzeitige Erfassung aller Risikofaktoren und eine
Abstimmung der Therapie auf die individuellen
Gegebenheiten von Blutdruck und Stoffwechsel des Patienten. Zum einen bedarf es dabei
einer multifaktoriellen intensiven Intervention
(Lebensstil + Pharmakotherapie), wie dies etwa die Daten der STENO-2-Studie für Typ-2Diabetiker mit Mikroalbuminurie hinsichtlich
ihres makro- und mikrovaskulären Risikos eindrucksvoll belegen. Zum anderen ist aber auch
ein differenziertes therapeutisches Herangehen von großer Bedeutung – etwa hinsichtlich
der Wahl vorteilhafter Substanzen bzw. -klassen unter Einbeziehung begleitender Risikofaktoren bzw. Krankheiten.
Als kausale Therapie eines Metabolischen
Syndroms bieten sich zunächst und aus dem
bisher Gesagten klar ableitbar die Gewichtsund damit Fettreduktion an. Diese kann nur
durch eine Kombination aus täglicher körperlicher Aktivität und geändertem Essverhalten erreicht werden. Körperliche Aktivität vermag vielfältige Effekte zu entfalten – so wirkt
sie nicht nur gewichtsreduzierend bzw. appetithemmend, sondern auch verdauungsanregend und blutzucker- bzw. lipidsenkend, antihypertensiv, vasodilatierend, positiv inotrop,
negativ chronotrop, diuretisierend, beruhigend
bzw. schlaffördernd sowie antidepressiv. Allerdings ist ein Ausdauertraining im Ausmaß von
3 x 30 Minuten pro Woche höchstens zur Adipositas-Prophylaxe für Normalgewichtige geeignet – adipöse Patienten benötigen eigenen
Erfahrungen zufolge zumindest einen Trainingsumfang von einer Stunde täglich für eine
Gewichtsreduktion.
Antihypertensive Differentialtherapie
– allgemeine Vorbemerkungen
Patienten mit erhöhtem Ausgangsrisiko profitieren ganz besonders von einer adäquaten
Blutdruckeinstellung. So beträgt etwa bei Diabetikern mit einem Blutdruck von > 140/> 90
mmHg die NNT nur 9, um einen kardiovaskulären Todesfall zu verhindern (bei systolischer
Drucksenkung um 12 mmHg und Therapie­
dauer von 10 Jahren).
Differentialtherapeutisch sollten subklinische bzw. klinisch manifeste Endorganschäden ebenso berücksichtigt werden wie metabolische Begleitumstände (z.B. Glukose-,
Fettstoffwechselstörungen). Das Vorliegen
zwingender Begleitindikationen für eine Substanzklasse (z.B. St. p. Herzinfarkt oder bestehende Herzinsuffizienz für Betablocker)
machen dabei individuelle Nutzen-Risiko-Abwägungen notwendig.
Stoffwechselfaktoren sind allerdings umso
weniger zu berücksichtigen, je älter der Patient bzw. je geringer seine Lebenserwartung ist.
Antihypertensiva – Einfluss auf den
Glukosestoffwechsel im Fokus
In zahlreichen Hypertonie-Studien wurde das
Risiko, einen Diabetes mellitus unter Diuretika
bzw. Betablocker zu entwickeln mit jenem unter ACE-Hemmern, ARBs bzw. Kalziumanta­
gonisten vom Dihydropyridintyp verglichen.
Daraus ist ein signifikanter Trend zugunsten
letzterer Substanzgruppen zu erkennen.
RAAS-Blocker scheinen Kalziumantagonisten hinsichtlich einer Verhinderung von Diabetes-Neumanifestationen leicht überlegen (z.B.
in der ALLHAT-Studie der ACE-Hemmer Lisinopril bzw. in der VALUE-Studie der ARB Valsartan jeweils dem Kalziumantagonisten Amlodipin). Konkret sind unter RAAS-Blockern
durchschnittlich 5,6 ± 2,3 neue Diabetiker weniger pro 1.000 behandelten Patienten zu erwarten – der diesbezügliche positive Effekt
von Kalziumantagonisten dürfte etwas geringer ausfallen.
Ein differenziertes Bild bieten auch Untersuchungen mit unterschiedlichen Betablockergruppen. So erwies sich etwa in der
GEMINI-Studie bei mit RAAS-Blockern vorbehandelten Diabetikern ein kombinierter Alpha- und Betablocker (Carvedilol) gegenüber
einem kardioselektiven Vertreter (Metoprolol)
hinsichtlich der Auswirkungen auf den Glukosestoffwechsel als vorteilhafter. In der COMETStudie wiederum wurden beide Substanzen bei
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Herzinsuffizienz eingesetzt – weniger Diabetes-Neumanifestationen waren dabei unter
Carvedilol zu beobachten.
Ob Diuretika bzw. Betablocker an sich diabetogen oder RAAS-Blocker bzw. Kalziumantagonisten Diabetes-verhütend sind, lässt
sich durch Studien (noch) nicht schlüssig beantworten. Verschiedene Daten sprechen allerdings dafür, dass vor allem Diuretika – insbesondere in Kombination mit Betablockern
– eine Diabetesmanifestation bei prädisponierten Patienten beschleunigen. Weniger ausgeprägte Hinweise finden sich in der Literatur hingegen für eine echte Prävention durch
RAAS-Blocker bzw. Kalziumantagonisten.
Pathogenetische Grundlage der diabetogenen Wirkung von Diuretika bzw. Betablockern
dürfte ein reduzierter Blutfluss in der Skelettmuskulatur infolge einer Senkung von Blutbzw. Herzzeitvolumen darstellen. Dies verzögert Insulinwirkung und Glukosetransport.
RAAS-Blocker und Kalziumantagonisten erhöhen hingegen den peripheren Blutfluss
durch Vasodilatation und beschleunigen somit auch die Insulinwirkung (reduzieren also
die Insulinresistenz).
Für den ARB Telmisartan wurde darüber hinaus eine partielle agonistische Wirkung am
PPARγ-Rezeptor mit daraus resultierenden
positiven Effekten unter anderem auf den Glukosestoffwechsel und dementsprechendem
antidiabetischen Potential beschrieben.
Der im Vergleich zu RAAS-Blockern moderatere „antidiabetische“ Effekt von Kalziumantagonisten wird durch deren reflektorische Sympathikusaktivierung erklärt.
Die diesbezügliche Bedeutung des sympathischen Nervensystems lässt sich auch an
vorliegenden Daten zu zentralen Antisympathotonika wie etwa Rilmenidin erkennen. So
wurden positive Auswirkungen dieser Sub­
stanzgruppe auf Nüchternglukosespiegel bei
Patienten mit Metabolischem Syndrom in Vergleichsuntersuchungen mit ACE-Hemmern
nachgewiesen.
Rationelle Kombinationstherapie –
additive Wirksamkeit und Zusatzbenefits
Bei Diabetikern gilt es als besonders schwierig, die Blutdruckzielwerte zu erreichen, sodass bei einer Mehrzahl dieser Patienten eine
antihypertensive Kombinationstherapie erforderlich ist und auch frühzeitig eingesetzt werden sollte. Allerdings gelang es in kontrollierten Interventionsstudien trotz Einsatz von drei
bis vier Antihypertensiva nicht, die angestrebten Blutdruckzielwerte bei Patienten mit Hypertonie und Diabetes zu erreichen. Noch ungünstiger gestaltete sich diese Situation, wenn
Patienten mit diabetischer Nephropathie eingeschlossen waren.
Lange Zeit wurden Kombinationstherapien
bestehend aus ACE-Hemmern oder ARB und
niedrig dosierten Diuretika bevorzugt. In der
ACCOMPLISH-Studie hat sich aber an 6.946
hypertensiven Diabetikern bei gleichem Blutdruckziel (< 135/80 mmHg) eine Kombination aus ACE-Hemmer und Kalziumantagonist
(Benazepril + Amlodipin) jener aus ACE-Hemmer und Diuretikum (Benazepril + Hydrochlorothiazid) hinsichtlich kardiovaskulärer Risikoreduktion als überlegen erwiesen. Diese
Überlegenheit könnte aber auch auf die wesentlich längere Halbwertszeit von Amlodipin
gegenüber jener von Hydrochlorothiazid zurückzuführen sein.
Darüber hinaus sind vorteilhafte metabolische Zusatzeffekte von Interesse. So zeigte etwa in der OLAS-Studie bei Hypertonikern
mit Metabolischem Syndrom eine Kombination aus ARB und Kalziumantagonist (Olmesartan + Amlodipin) verglichen mit einer Kombination aus ARB und Diuretikum (Olmesartan
+ Hydro­chlorothiazid) ein signifikant geringeres Risiko für die Neumanifestation eines Typ2-Diabetes und vermochte Insulinresistenz wie
auch bestimmte Entzündungsparameter zu reduzieren. Dementsprechend sollte gerade bei
Patienten mit Metabolischem Syndrom und
später jenen mit Diabetes mellitus Typ 2 eher
erstere Kombination angestrebt werden.
Einen anderen Aspekt abseits der additiven antihypertensiven Wirksamkeit zeigte etwa die COACH-Studie auf. So waren unter Monotherapie mit einem Kalziumantagonisten
(Amlodipin) dosisabhängig periphere Ödeme
als relevantes unerwünschtes Ereignis zu beobachten – pathophysiologisch liegt dem eine arterielle (ohne gleichzeitige venöse) Vasodilatation mit konsekutiv ansteigendem Druck
im Kapillarbett und Flüssigkeitsaustritt ins Gewebe zugrunde. Die gleichzeitige Gabe einer
venös vasodilatierenden Substanz (hier der
ARB Olmesartan) ermöglichte den Rückgang
von erhöhtem Kapillardruck und konsekutiver
Ödemneigung – dementsprechend wurde unter dieser Kombination auch eine signifikante
Reduktion der Ödemhäufigkeit gesehen.
Da gerade Diabetiker – und hier vor allem Insulin-pflichtige – eine vermehrte Wasserretention aufweisen, ist allerdings eine zusätzliche
Therapie mit niedrig dosierten Diuretika (z.B.
Hydrochlorothiazid ≤ 25 mg) im Sinne einer
Dreifachkombination oftmals sinnvoll.
Was die antihypertensive Wirksamkeit betrifft, so konnte eine rezente Subgruppenanalyse der TRINITY-Studie auch für Diabetiker
(15,5 % der Studienpopulation) zeigen, dass eine Dreifachkombination aus ARB, Kalziumantagonist und Diuretikum (Olmesartan + Amlodipin + Hydrochlorothiazid) effektiver war
als die jeweiligen Zweierkombinationen. Dabei profitierten Diabetiker und Nicht-Diabetiker von dieser Triple-Therapie in vergleichbarem Ausmaß.
Nicht zuletzt vermögen sinnvolle Fixkombinationen gerade bei Patienten mit Multimedikation (z.B. Metabolisches Syndrom mit allen
Facetten und KHK) durch Vereinfachung der
Medikamenteneinnahme die Lebensqualität
und somit auch die Compliance der Patienten
deutlich zu erhöhen.
♦
Literatur beim Verfasser
Fachkurzinformation:
Glucophage 500 mg - Filmtabletten, Glucophage 850 mg - Filmtabletten, Glucophage 1000 mg - Filmtabletten. Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Jede Filmtablette enthält 500 mg Metforminhydrochlorid
entsprechend 390 mg Metformin. Jede Filmtablette enthält 850 mg Metforminhydrochlorid entsprechend 662,9 mg Metformin. Jede Filmtablette enthält 1000 mg Metforminhydrochlorid entsprechend 780 mg Metformin. Anwendungsgebiete: Therapie des Diabetes mellitus Typ 2, insbesondere bei übergewichtigen Patienten, bei denen allein durch Diät und körperliche Betätigung keine ausreichende Einstellung des Blutzuckerspiegels
erreicht wurde. • Bei Erwachsenen kann Glucophage in Form einer Monotherapie oder in Kombination mit anderen oralen Antidiabetika bzw. Insulin angewendet werden. • Bei Kindern ab 10 Jahren und bei Jugendlichen
kann Glucophage in Form einer Monotherapie oder in Kombination mit Insulin angewendet werden. Bei übergewichtigen erwachsenen Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 konnte nach Versagen diätetischer Maßnahmen eine Senkung der Häufigkeit von diabetesbedingten Komplikationen unter Behandlung mit Metformin als Therapie der ersten Wahl nachgewiesen werden. Gegenanzeigen:
• Überempfindlichkeit gegen Metformin oder einen der sonstigen Bestandteile; • diabetische Ketoazidose, diabetisches Präkoma; • Nierenversagen oder Störung der Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance < 60 ml/min);
• akute Zustände, die zu einer Beeinträchtigung der Nierenfunktion führen können, z. B.: Dehydratation,schwere Infektionen, Schockakute oder chronische Erkrankungen, die zu einer Gewebshypoxie führen können, wie
kardiale oder respiratorische Insuffizienz; frischer Myokardinfarkt, Schock. • Leberinsuffizienz, akute Alkoholintoxikation, Alkoholismus. Pharmakotherapeutische Gruppe: Antidiabetika, Biguanide ATC-Code: A10BA02
Liste der sonstigen Bestandteile: Glucophage 500 mg-Filmtabletten und Glucophage 850 mg-Filmtabletten: Tablettenkern: Povidon K 30, Magnesiumstearat. Filmschicht: Hypromellose, Glucophage 1000 mg-Filmtabletten:
Tablettenkern: Povidon K30, Filmschicht: Hypromellose, Macrogol 400, Macrogol 8000, Inhaber der Zulassung: Merck GmbH, Zimbagasse 5, 1147 Wien. Verschreibungspflicht/Apothekenpflicht: Rezept- und apothekenpflichtig. Weitere Informationen zu den Abschnitten Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstige Wechselwirkungen, Schwangerschaft und Stillzeit und Nebenwirkungen entnehmen Sie bitte der veröffentlichten Fachinformation. Stand der Information: Dezember 2011
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THEMENHEFT DIABETES
Diabetes-Therapie bei
Niereninsuffizienz
PD Dr. Joakim Huber
5. Medizinische Abteilung mit Endokrinologie, Rheumatologie und Akutgeriatrie, Wilhelminenspital der
Stadt Wien, Montleartstrasse 37, 1160 Wien
E-Mail: [email protected]
Epidemiologische Studien konnten in unterschiedlichen Populationen zeigen, dass knapp
die Hälfte aller Diabetiker an einer chronischen
Nierenerkrankung leidet – konkret sind dies
rund 10 % im Stadium 1 (eGFR ≥ 90 ml/min.)
bzw. 12 und 20 % in den Stadien 2 (60–89 ml/
min.) und 3 (30–59 ml/min.) sowie 3 % in den
Stadien 4 und 5 (15–29 und < 15 ml/min.) (Koro et al. 2009). In der UKPDS-Studie war nach
10 Jahren bei 25 % der Patienten eine Mikroalbuminurie festzustellen.
Die Relevanz der chronischen Nierenerkrankung ergibt sich also zum einen aus der hohen Prävalenz, zum anderen hat sie ihrerseits
schwerwiegende Folgen. Ein Hauptproblem
dabei dürfte die steigende kardiovaskuläre Ereignisrate sein, welche mit sinkender GFR zunimmt. Konkret betragen die Alters-standardisierten Ereignisraten für errechnete GFRs
von ≥ 60/45–59/30–44/15–29/<15 ml/min./
1,73m2: 2,11/3,65/11,29/21,8/36,6 pro 100 Personenjahre (Go et al. 2004). Die Nierenfunktion
– ausgedrückt durch die errechnete GFR – bietet somit einen sehr guten Einblick in das mikro- und makrovaskuläre Risiko eines Patienten
mit Typ-2-Diabetes.
Mediiert das Vorliegen eines Diabetes mellitus bzw. einer chronischen Nierenerkrankung alleine bereits eine Zunahme von kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität, so
verschlechtert das gleichzeitige Bestehen beider (in Form einer diabetischen Nephropathie)
die Pro­gnose nochmals deutlich. So konnten
Tonelli et al. 2012 einen Anstieg des Hospitalisierungsrisikos wegen eines Herzinfarktes bei
Patienten mit Diabetes mellitus und gleichzeitiger diabetischer Nephropathie (definiert
durch eine eGFR von unter 60 ml/min./1,73m2
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Fast die Hälfte aller Diabetiker leidet an einer chronischen Nierenkrankheit. Eine solche hat ihrerseits drastische Folgen – mit abnehmender
Nierenfunktion steigt das kardiovaskuläre Risiko stark an. Ein multifaktorielles Management im Rahmen eines Diabetes mellitus hat einen
positiven Einfluss auf die Entstehung und die Progression einer diabetischen Nephropathie und auch auf die Mortalität. Dabei ist es wesentlich, die kardiovaskulären Risikofaktoren zu behandeln und die Pharmakotherapie der aktuellen Nierenfunktion anzupassen.
und einer Proteinurie), aber ohne bekannte koronare Herzerkrankung beobachten (relatives
Risiko um das 4-Fache erhöht). Dieses war somit vergleichbar mit dem Risiko jener Patienten, welche bereits einen Herzinfarkt erlitten
hatten (relatives Risiko um das 3,8-Fache erhöht). Insgesamt stellt die diabetische Nephropathie mittlerweile die häufigste Nierenkrankheit überhaupt dar – darüber hinaus ist sie zur
führenden Ursache der Nierenersatztherapie
geworden (überwiegend sind Typ-2-Diabetiker
davon betroffen).
Strategien zur Verhinderung ihres Auftretens
bzw. ihrer Progression sind daher von größter Bedeutung – durch eine diesbezüglich optimierte Therapie ist eine positive Einflussnahme möglich. Dazu haben die Österreichische
Diabetes Gesellschaft (ÖDG) und die Österreichische Gesellschaft für Nephrologie in einem
Update 2012 gemeinsam aktuelle Empfehlungen publiziert.
Bemerkungen zur (Differential-)
Diagnostik
Typisch für eine diabetische Nephropathie ist
eine über viele Jahre langsam zunehmende Albumin- bzw. später Protein-Ausscheidung im
Harn ohne begleitende Hämaturie. Darüber hinaus ist eine ebenfalls über Jahre hinweg fortschreitende Abnahme der glomerulären Filtrationsrate und ein damit verbundener Anstieg
der Retentionsparameter zu beobachten. Auch
ohne ausgeprägte Proteinurie kann bereits eine eingeschränkte Nierenfunktion bestehen –
bis zu 55 % der Patienten entwickeln in Langzeitbeobachtungen eine GFR unter 60 ml/min.
ohne vorangehende Mikroalbuminurie. Insbesondere Patienten mit Typ-2-Diabetes folgen
nicht immer der klassischen Entwicklung einer
diabetischen Nephropathie.
Abzugrenzen von der diabetischen Nephro­
pathie sind etwa Patienten mit einer anderen Nierenerkrankung und Diabetes mellitus
als Komorbidität. Als differentialdiagnostisch
häufig in Betracht zu ziehende Nierenerkrankungen gelten hypertensive bzw. ischämische
Nephropathie – sie können auch zusätzlich
zu einer diabetischen Nephropathie bestehen.
Bei ausgeprägter Proteinurie ist insbesondere an andere renoparenchymatöse Erkrankungen wie Glomerulosklerose oder Amyloidose
zu denken.
Optimierte Therapie durch
multifaktorielle Intervention
Wie bereits Gaede et al. in der STENO-2-Studie eindrucksvoll aufzeigen konnten, vermag
ein intensives multifaktorielles RisikofaktorManagement bei Typ-2-Diabetikern mit Mi­
kroalbuminurie im Vergleich zu einer konventionellen Therapie sowohl kardio- als auch
mikrovaskuläre Ereignisse signifikant zu senken. Der primäre Endpunkt war damals definiert als Kombination aus Tod durch ein kardiovaskuläres
Ereignis,
nicht-tödlichem
Herzinfarkt, nicht-tödlichem Schlaganfall, Revaskularisation bzw. Amputation und trat in
der intensiven Interventionsgruppe im Studienzeitraum von knapp 8 Jahren um 53 % seltener auf. Ebenso waren die relativen Risiken
für Nephropathie, Retinopathie oder autonome Neuropathie signifikant geringer (-61 %/
-58 %/-63 %). Die intensive multifaktorielle Therapie beinhaltete eine Ernährungsberatung und -umstellung (< 30 % Fettzufuhr), eine Anleitung zu körperlicher Aktivität (3–5 x
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30 Minuten pro Woche), Nikotinkarenz, die
Gabe eines ACE-Hemmers bzw. Angiotensin1-Rezeptorblockers unabhängig von der Höhe des Blutdrucks, die Gabe von Vitaminen
und Spurenelementen (Vitamine C, E, Folsäure, Chrom), die Gabe von ASS 150 mg täglich
sowie eine intensive Behandlung von Hyperglykämie (Metformin, Gliclazid, Insulin und
Kombinationen), Hypertonie (Thiazide, Kalziumantagonisten, Betablocker) und Dyslipidämie (Statine, Fibrate).
Demnach sollte eine optimale Therapie bei
Diabetikern mit Nephropathie diesen multifaktoriellen Ansatz verfolgen — neben einer
Lebensstilmodifikation ist insbesondere eine
möglichst gute Kontrolle von Blutzucker, Blutdruck und Blutfetten anzustreben.
Therapieziele
Gemäß den aktuellen ÖDG-Leitlinien 2012
stellen sich diese wie folgt dar:
-HbA1c:
o „Zielkorridor“ zwischen 6,5 und 7,5 %
(bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz)
o bei (Peritoneal-)Dialyse 7,0 – 7,9 %
-Blutdruck:
o≤ 140/90 mmHg bei fehlender Eiweißausscheidung
o≤ 130/80 mmHg bei Mikroalbuminurie oder Proteinurie
o bei KHK nicht unter 120/70 mmHg
-Lipide:
oLDL-Cholesterin: < 100 mg/dl
(bei manifester KHK < 70 mg/dl)
oHDL-Cholesterin: > 40 mg/dl
oTriglyzeride: < 150 mg/dl
- Hämoglobin: 9–11 g/dl
(eGFR Stadium 4–5)
- Elektrolyte: im Normbereich
- Eiweiß: Normalisierung der Zufuhr auf
0,8–1,0 g/kg KG/Tag
- Kochsalz: Reduktion einer erhöhten Zufuhr
- Rauchverzicht
- Thrombozytenaggregationshemmer
- Exakte Nutzen-Risiko-Abwägung vor
dem Einsatz potentiell nephrotoxischer Medikamente (z.B. NSAR, Antibiotika) und diagnostischer Maßnahmen (z.B.
Röntgenkontrastmittel-Gabe)
- Protektive Maßnahmen bei
Röntgenkontrastmittel-Gabe
- Multifaktorielles Risikofaktor-Management (einschließlich v.a. aerober körperlicher Bewegung)
- Beachten der möglichen Kumulation von
Begleitmedikamenten
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- Beachten des erhöhten kardiovaskulären
Risikos mit Screening für Angiopathie
- Beachten von Harnwegsinfekten (Restharn!) und adäquate Antibiotika-Therapie
Fokus „Lebensstilmodifikation“
Was alleine eine Steigerung der körperlichen
Aktivität zu leisten vermag, konnten Di Loretto
et al. in ihrer Untersuchung an 179 Typ-2-Dia­
betikern (mittleres Alter 62 Jahre) aufzeigen.
Im Studienzeitraum von zwei Jahren erbrachte eine substantielle Verbesserung des Energieverbrauchs über aerobe körperliche Betätigung signifikante Verbesserungen von
metabolischen und Kreislaufparametern. Der
Aufwand an Beratungsgesprächen war hierbei überschaubar – zu Beginn 30 Minuten und
in der Folge alle 3 Monate 15 Minuten. Gemessen wurde der Energieverbrauch mittels Metabolischem Äquivalent (MET) – dabei entspricht
der Ruheumsatz des Körpers 1 MET (also dem
Verbrauch von 1 kcal/kg KG/Stunde), körperliche Aktivitäten moderater Intensität wie etwa
schnelles Gehen, Tanzen, Garten- oder Hausarbeit hingegen verbrauchen rund 3–6 MET. Diabetiker, welche in der Studie von Di Loretto et
al. ihren Energieverbrauch in den zwei Jahren
auf durchschnittlich 27 MET/Stunde pro Woche steigern konnten (entspricht täglich ca. 5
km Gehen bei 5 km/h), verloren im Mittel 2,2
kg an Gewicht, 3,8 cm an Bauchumfang sowie 0,8 kg/m2 an BMI. Ihr HbA1c sank durchschnittlich um 0,9 %, ihr Nüchternblutzucker
um 22 mg/dl, ihr systolischer bzw. diastolischer Blutdruck um 5,6 bzw. 4,8 mmHg sowie
ihre Herzfrequenz um 4 Schläge/Minute.
Dementsprechend integrierte etwa die AACE
(American Association of Clinical Endocrinologists) eine regelmäßige physische Aktivität
(aerob, etwa schnelles Gehen über 30 Minuten täglich an den meisten Tagen) in ihre Empfehlungen zur Lebensstilmodifikation bei Diabetes mellitus. Vervollständigt werden diese
durch Rauchverzicht, Gewichtsreduktion (BMI
18,5–24,9 kg/m2), Proteinrestriktion (0,8–1 g/
kg KG/Tag in frühen bzw. < 0,8 g/kg KG/Tag in
späten Stadien der Niereninsuffizienz), Adaptation der DASH-Diät (Obst und Gemüse, fettarme Milchprodukte, Reduktion des Anteils an
gesättigtem Fett bzw. Gesamtfett), Kochsalzreduktion (< 6 g/Tag) sowie moderaten Alkoholkonsum (maximal zwei Getränke für Männer bzw. eines für Frauen).
Auch die Österreichische Diabetes Gesellschaft hat dieser großen Bedeutung der Bewegung für Herz-Kreislauf-System bzw. Stoff-
wechsel Rechnung getragen und rezent die
„Bewegungsbox“ ins Leben gerufen. Diese soll
die Patienten dabei unterstützen, aktiver zu
leben — sprich mehr Bewegung in ihren Alltag einzubauen oder gezielte Bewegungsprogramme zur Förderung des Herz-KreislaufSystems bzw. zur Kräftigung der Muskulatur
durchzuführen. Die Box enthält ein Handbuch,
einen Bewegungspass, eine Übungskartei mit
mehr als 100 Übungen sowie Musterprogramme bzw. ein Theraband und einen Schrittzähler
– nähere Informationen dazu bzw. zur Bestellung finden sich unter www.bewegungsbox.at.
Fokus „Glykämische Kontrolle“
Gut gesichert ist für Diabetes Typ 1 und 2
(Evidenzgrad A), dass durch eine Verbesserung
der Blutzuckereinstellung sowohl eine Risikoreduktion als auch eine Progressionsminderung hinsichtlich diabetischer Nephropathie
erzielbar ist.
Angestrebt werden sollte daher möglichst eine Optimierung der diabetischen Stoffwechselsituation – dabei sind in der Primärprävention niedrigere HbA1c-Werte zu fordern als in
fortgeschrittenen Stadien renaler Insuffizienz
und Sekundärprävention. In den Studien hat
sich ein HbA1c-„Zielkorridor“ zwischen 6,5 und
7,5 % als sicher erwiesen, im KDOQI-Stadium
5/Dialyse ein solcher von 7–8 %. Unabhängig
davon sollte aufgrund von Vorgeschichte, Komorbidität, Hypoglykämie-Neigung und diabetischer Begleiterkrankungen (Retinopathie,
Neuropathie) insbesondere bei älteren Patienten eine individualisierte Festlegung der Therapieziele erfolgen. Das abgestufte Vorgehen
beim geriatrischen Patienten stellt sich somit
wie folgt dar:
- < 6,5 % — bei kurzer Diabetesdauer, langer Lebenserwartung, keiner Neigung zu
schweren Hypoglykämien bzw. fehlenden
kardiovaskulären Vorerkrankungen;
- < 7,0 % — bei mittlerer Diabetesdauer, keiner Neigung zu Hypoglykämien bzw. mit
kardiovaskulären Vorerkrankungen;
- < 7,5 % — bei langer Diabetesdauer, kürzerer Lebenserwartung, ggf. Neigung zu
schweren Hypoglykämien bzw. mit kardiovaskulären Vorerkrankungen;
- < 8,0 % — bei Geriatrischem Syndrom.
Hypoglykämien im Alter sollten vermieden
werden, da es dadurch vermehrt zu Stürzen
oder kardiovaskulären Ereignissen kommen
kann. Zudem drücken sich hypoglykämische
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THEMENHEFT DIABETES
Episoden bei älteren Personen mehr durch
neuroglykopenische (Schwindel, Schwäche, Verwirrtheit) und nicht durch adrenerge
Symp­tome aus, wodurch sie übersehen werden können.
Ein erhöhtes Hypoglykämie-Risiko ist da­
rüber hinaus bei abnehmender Nierenfunktion zu berücksichtigen. Zum einen erhöht eine
Nierenerkrankung das ohnehin bereits gegenüber Gesunden gesteigerte Hypoglykämie-Risiko um mehr als das Doppelte, zum anderen
kumulieren verschiedene vorwiegend über die
Nieren ausgeschiedene antihyperglykämische
Wirkstoffe (z.B. Sulfonylharnstoffe, Insulin).
So ereignen sich etwa 74 % aller Sulfonylharnstoff-induzierten schweren hypoglykämischen Episoden (Bewusstlosigkeit) bei Patienten mit Niereninsuffizienz. Zudem kann der in
den Nieren stattfindende Prozess der Glukoneogenese bei deren Funktionseinschränkung
ebenfalls gestört sein und trägt so zum höheren Hypoglykämie-Risiko bei.
Die Wertigkeit des HbA1c als Parameter der
Stoffwechselkontrolle wird bei fortgeschrittener renaler Insuffizienz jedoch durch veränderten Erythrozytenumsatz, Carbamylierung bzw. begleitende Erythropoietin-Therapie
beeinflusst.
Nicht zuletzt bedarf auch die Wahl antidiabetischer und anderer Medikamente bei eingeschränkter Nierenfunktion wegen möglicher
Zulassungsbeschränkungen und Kontraindikationen einer erhöhten Aufmerksamkeit.
Antidiabetische Therapie bei
Niereninsuffizienz
Metformin (Diabetex®, Glucophage®,
Meglucon „Sandoz“®, Metformin „1A Pharma“®, „Arcana“®, „Bluefish“®, „Genericon“®,
„Hexal“®, „Pfizer“®, „ratiopharm“®, „Stada“®):
Dieses ist wegen der erhöhten Gefahr einer
Laktatazidose bei Frauen über einem SerumKreatinin von 1,4 mg/dl und bei Männern ab
1,5 mg/dl (entspricht einer Kreatinin-Clearance von ca. 60 ml/min./1,73 m2) kontraindiziert. Dazu ist zu bemerken, dass in den pharmakologischen Richtlinien immer auf die
Kreatinin-Clearance und nicht auf die eGFR
Bezug genommen wird. Prinzipiell beachtenswert ist, dass eine verminderte Nierenfunktion
bei älteren Menschen häufig und asymptomatisch ist bzw. mit steigendem Alter die Metformin-Clearance sinkt. Besondere Vorsicht
ist darüber hinaus in jenen Situationen angebracht, die zu einer akuten Verschlechterung
ARZT & PRAXIS
der Nierenfunktion führen können (z.B. Dehydratation, schwere Infektion, Beginn einer Therapie mit Antihypertensiva bzw. Diuretika oder
NSAR).
Sulfonylharnstoffe: Auf die Gabe des vorwiegend renal eliminierten Glibenclamid (Glucobene®) sollte wegen der Kumulationsgefahr
mit Neigung zu schweren und protrahierten
Hypoglykämien verzichtet werden. Kontraindiziert ist dieses auf jeden Fall bei einer schweren Nierenfunktionseinschränkung (KreatininClearance ≤ 30 ml/min.).
Bei Glimepirid (Amaryl®, Glimepirid „1A Pharma“®, „Actavis“®, „Genericon“®, „Hexal“®, „ratiopharm“®, „Sandoz“®, „Stada“®) und Gliclazid (Diabrezide®, Diamicron®, Gliclada®,
Gliclazid „Arcana“®, „ratiopharm“®, Glydium®) ist häufig eine Dosisreduktion erforderlich, der Gebrauch von Glimepirid ist aber besonders wegen der aktiven Metaboliten als
gefährlicher (verursacht im Einzelfall lebensbedrohliche protrahierte Hypoglykämien) einzuschätzen als jener von Gliclazid. Letzteres wird zwar ebenfalls renal ausgeschieden,
hat aber keine aktiven Metaboliten. Kontraindiziert sind beide Substanzen bei schwerer
Nierenfunktionsstörung.
Glipizid (Minidiab®) erfordert ebenso Vorsicht in der Festlegung von Initial- und Erhaltungsdosis bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion bzw. ist kontraindiziert bei
schwerer Niereninsuffizienz.
Gliquidon (Glurenorm®) wird nur zu 5 % renal eliminiert - hier ist keine Dosisanpassung
notwendig.
Glinide (Repaglinid): Repaglinid (Novonorm®, Repaglinid „Accord“®, „Actavis“®, „ratiopharm“®, „Sandoz“®, „Stada“®) weist eine
kurze Halbwertszeit auf (0,5–2 Stunden), wird
hepatisch metabolisiert und vorwiegend biliär ausgeschieden (lediglich 8 % werden renal
eliminiert). Bei dessen Verwendung ist ab einer GFR < 30 ml/min. auf eine Dosisreduktion
zu achten bzw. unter Hämodialyse die Dosis zu
halbieren.
Glitazone (Pioglitazon): Unter Berücksichtigung der erhöhten Neigung zu Natrium- und
Flüssigkeitsretention ist ein Einsatz von Pio­
glitazon (Actos®, Diabetalan®, Pioglitazon
„Accord“®, „Hexal“®, „Stada“®, „Teva“®, Pioglitazon „Actavis“®; Kombination mit Glimepirid: Tandemact® bzw. mit Metformin: Compe-
tact®) unter engmaschiger klinischer Kontrolle
möglich — kontraindiziert ist Pioglitazon bei
gleichzeitig bestehender Herzinsuffizienz und
Blasenkrebsanamnese. Auch das erhöhte Frakturrisiko sollte insbesondere bei gleichzeitigem
sekundären Hyperparathyreoidismus und renaler Osteopathie bedacht werden. Prinzipiell
ist bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion keine Dosisanpassung erforderlich,
da Pioglitazon über die Leber abgebaut wird
– für Dialysepatienten liegen allerdings laut
pharmazeutischer Information keine Angaben
vor, daher darf Pioglitazon bei diesen nicht angewendet werden.
Glukosidasehemmer: Acarbose (Glucobay®) und Miglitol (Diastabol®) werden renal
eliminiert und sind ab einer Kreatinin-Clearance < 25 ml/min. kontraindiziert.
GLP-1-Analoga: Wird Exenatid als Byetta® verabreicht, erfordert eine mäßige Nierenfunktionseinschränkung (Kreatinin-Clearance
30–50 ml/min.) eine Dosisreduktion – bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz bzw.
schwerer Nierenfunktionsstörung (KreatininClearance < 30 ml/min.) wird die Gabe nicht
empfohlen. Im Falle von Bydureon® ist die klinische Erfahrung bei Patienten mit mäßig eingeschränkter Nierenfunktion sehr beschränkt
– seine Anwendung wird daher ebenso wie
bei Patienten mit starker Nierenfunktionsstörung bzw. terminaler Niereninsuffizienz nicht
empfohlen.
Für Liraglutid (Victoza®) fehlen Daten bei einer Kreatinin-Clearance < 60 ml/min., daher kann seine Anwendung bei Patienten mit
mittelschwerer und schwerer Einschränkung
der Nierenfunktion, einschließlich terminaler Niereninsuffizienz derzeit nicht empfohlen
werden.
DPP-4-Hemmer: Bis auf Linagliptin werden alle anderen Vertreter primär über die Nieren ausgeschieden (Sitagliptin zu 87 %, Vilda­
gliptin, zu 85 % und Saxagliptin zu 75 %) – bei
abnehmender Nierenfunktion sind daher entsprechende Dosisanpassungen zu empfehlen:
Die Tagesdosis von Sitagliptin (Januvia®)
sollte bei mäßiger (Kreatinin-Clearance 30–50
ml/min.) auf 50 mg bzw. bei schwerer (Kreatinin-Clearance < 30 ml/min.) Einschränkung
der Nierenfunktion sowie Nierenerkrankung
im Endstadium mit Dialysenotwendigkeit auf
25 mg reduziert werden.
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THEMENHEFT DIABETES
Vildagliptin (Galvus®) sollte ab einer Kreatinin-Clearance < 50 ml/min. in einer niedrigeren Dosierung (50 mg/Tag) verabreicht werden. Aufgrund der begrenzten Erfahrungen bei
Patienten, die an einer Nierenerkrankung im
Endstadium leiden und dialysiert werden, sollte der Einsatz hier mit Vorsicht erfolgen.
Ebenso ist bei Saxagliptin (Onglyza®) ab
einer Kreatinin-Clearance < 50 ml/min. eine Dosisreduktion (2,5 mg/Tag) empfehlenswert und der Einsatz bis > 15 ml/min.
möglich. Bei Patienten mit Hämodialyse-
pflichtiger terminaler Niereninsuffizienz
wird die Gabe nicht empfohlen. Linagliptin
(Trajenta®) macht bei Nierenfunktionsstörungen keine Dosisanpassung erforderlich,
da dieses nur zu 5 % renal eliminiert wird.
Zu beachten bleiben auch die Kontraindikationen bei einer zunehmenden Zahl an Kombinationspräparaten mit Metformin (Metformin + Sitagliptin: Janumet®, Velmetia®;
Metformin + Vildagliptin: Eucreas®; Metformin + Saxagliptin: Komboglyze®; Metformin + Linagliptin: Jentadueto®).
SGLT-2-Hemmer (Dapagliflozin): Die Anwendung von Dapagliflozin (Forxiga®) wird ab
einer Kreatinin-Clearance < 60 ml/min. – also
bei Patienten mit moderater bis schwerer Nierenfunktionsstörung – nicht empfohlen.
Insuline: Hier ist auf eine mögliche Dosisreduktion in Abhängigkeit von der Nierenfunktionseinschränkung zu achten – empfehlenswert ist eine Reduktion der Insulindosis um
25 % bei einer GFR < 50 ml/min. bzw. 50 % bei
♦
einer GFR < 10 ml/min.
Literatur beim Verfasser
Fachkurzinformationen:
Komboglyze 2,5 mg/850 mg Filmtabletten, Komboglyze 2,5 mg/1000 mg Filmtabletten: PHARMAKOTHERAPEUTISCHE GRUPPE: Antidiabetika, Kombinationen mit oralen Antidiabetika, ATC Code: A10BD10. QUALITATIVE UND QUANTITATIVE ZUSAMMENSETZUNG: Jede Tablette enthält 2,5 mg Saxagliptin (als Hydrochlorid) und 850 mg bzw. 1000 mg Metforminhydrochlorid. Sonstige Bestandteile: Povidon K30, Magnesiumstearat, Poly(vinylalkohol), Macrogol
3350, Titandioxid (E171), Talkum (E553b), Eisen(III) hydroxid oxid x H2O (E172), Schellack, Indigocarmin, Aluminiumsalz (E132). Zusätzlich für 2,5mg+850mg: Eisen(III) oxid (E172). ANWENDUNGSGEBIETE: Komboglyze ist als Ergänzung zu Diät und Bewegung angezeigt, um die Blutzuckerkontrolle bei erwachsenen Patienten im Alter von 18 Jahren und älter mit Typ-2-Diabetes mellitus zu verbessern, die mit der maximal verträglichen Dosis von Metformin allein nicht ausreichend kontrolliert sind, oder die bereits mit der Kombination von Saxagliptin und Metformin als separate Tabletten behandelt werden. Komboglyze ist auch in Kombination mit Insulin (d. h. als Dreifach
Kombinationstherapie) als Ergänzung zu Diät und Bewegung angezeigt, um die Blutzuckerkontrolle bei erwachsenen Patienten im Alter von 18 Jahren und älter mit Typ 2 Diabetes mellitus zu verbessern, wenn Insulin und Metformin allein den Blutzucker nicht ausreichend kontrollieren. Komboglyze ist auch in Kombination mit einem Sulfonylharnstoff (d. h. als Dreifach Kombinationstherapie) als Ergänzung zu Diät und Bewegung angezeigt, um die
Blutzuckerkontrolle bei erwachsenen Patienten im Alter von 18 Jahren und älter mit Typ 2 Diabetes mellitus zu verbessern, wenn die maximal verträgliche Dosis sowohl von Metformin als auch des Sulfonylharnstoffs den Blutzucker nicht ausreichend kontrolliert. GEGENANZEIGEN: Komboglyze ist kontraindiziert bei Patienten mit: - Überempfindlichkeit gegen den (die) Wirkstoff (e) oder einen der sonstigen Bestandteile oder einer Vorgeschichte einer
schwerwiegenden Überempfindlichkeitsreaktion gegen jeglichen Dipeptidyl Peptidase 4 (DPP4) Inhibitor einschließlich einer anaphylaktischen Reaktion, eines anaphylaktischen Schocks und Angioödem; - diabetischer Ketoazidose, diabetischem Präkoma; - mäßiger und schwerer Nierenfunktionsstörung (Kreatinin Clearance < 60 ml/min); - akuten Erkrankungen, die potenziell die Nierenfunktion beeinflussen können, wie: - Dehydratation, - schwere
Infektion, - Schock; - einer akuten oder chronischen Erkrankung, die zu einer Gewebehypoxie führen kann, wie: - Herz oder Lungeninsuffizienz, - kürzlich stattgefundener Myokardinfarkt, - Schock; - Leberfunktionsstörung; - akuter Alkoholvergiftung, Alkoholismus; - Stillzeit . PHARMAZEUTISCHER UNTERNEHMER: Bristol-Myers Squibb/AstraZeneca EEIG, Bristol-Myers Squibb House, Uxbridge Business Park, Sanderson Road, Uxbridge, Middlesex, UB8 1DH, Vereinigtes Königreich. Kontakt in Österreich: Bristol-Myers Squibb GesmbH, Wien, Tel. +43 1 60143 - 0, VERSCHREIBUNGSPFLICHT/APOTHEKENPFLICHT: NR, apothekenpflichtig. Weitere Angaben zu den besonderen Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstige Wechselwirkungen, Schwangerschaft und Stillzeit, Nebenwirkungen sowie Gewöhnungseffekte
sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen. STAND: Februar 2013
Trajenta 5 mg Filmtabletten. Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Jede Tablette enthält 5 mg Linagliptin. Pharmakotherapeutische Gruppe: Antidiabetika, Dipeptidyl-Peptidase 4 (DPP 4)-Inhibitor, ATC Code: A10BH05.
Liste der sonstigen Bestandteile. Tablettenkern: Mannitol,vorverkleisterte Stärke (Mais), Maisstärke, Copovidon, Magnesiumstearat. Tablettenüberzug: Hypromellose, Titandioxid (E171), Talkum, Macrogol (6000), Eisen(III) oxid
(E172). Anwendungsgebiete: Trajenta ist bei erwachsenen Patienten mit Typ 2-Diabetes mellitus zur Verbesserung der Blutzuckerkontrolle indiziert: als Monotherapie • bei Patienten, wenn Diät und Bewegung allein zur Blutzuckerkontrolle nicht ausreichen und für die Metformin wegen Unverträglichkeit ungeeignet oder aufgrund einer Nierenfunktionsstörung kontraindiziert ist als Kombinationstherapie • in Kombination mit Metformin, wenn Diät
und Bewegung sowie eine Metformin-Monotherapie zur Blutzuckerkontrolle nicht ausreichen • in Kombination mit einem Sulfonylharnstoff und Metformin, wenn Diät und Bewegung sowie eine Zweifachtherapie mit diesen
beiden Arzneimitteln zur Blutzuckerkontrolle nicht ausreichen • in Kombination mit Insulin mit oder ohne Metformin,wenn diese Behandlung alleine mit Diät und Bewegung zur Blutzuckerkontrolle nicht ausreichen. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der genannten sonstigen Bestandteile. INHABER DER ZULASSUNG: Boehringer Ingelheim International GmbH, 55216 Ingelheim am Rhein, Deutschland. Verschreibungspflicht/Apothekenpflicht: Rp, apothekenpflichtig. Weitere Angaben zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Mitteln und Nebenwirkungen sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen.
Jentadueto 2,5 mg/850 mg Filmtabletten. Jentadueto 2,5 mg/1.000 mg Filmtabletten.
Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Jentadueto 2,5 mg/850 mg Filmtabletten. Jede Tablette enthält 2,5 mg Linagliptin und 850 mg Metforminhydrochlorid. Liste der sonstigen Bestandteile: Tablettenkern: Arginin,
Copovidon, Magnesiumstearat, Maisstärke, hochdisperses Siliciumdioxid. Tablettenüberzug: Hypromellose, Titandioxid (E171), Talkum, Eisen(III)-hydroxid-oxid x H2O (E172), Eisen(III)-oxid (E172), Propylenglycol. Jentadueto 2,5
mg/1.000 mg Filmtabletten. Jede Tablette enthält 2,5 mg Linagliptin und 1.000 mg Metforminhydrochlorid. Liste der sonstigen Bestandteile: Tablettenkern: Arginin, Copovidon, Magnesiumstearat, Maisstärke, hochdisperses Siliciumdioxid. Tablettenüberzug: Hypromellose, Titandioxid (E171), Talkum, Eisen(III)-oxid (E172), Propylenglycol. Pharmakotherapeutische Gruppe: Antidiabetika, Kombinationen mit oralen Antidiabetika, ATC Code: A10BD11. Anwendungsgebiete: Behandlung erwachsener Patienten mit Typ 2-Diabetes mellitus: Jentadueto ist zusätzlich zu Diät und Bewegung zur verbesserten Einstellung der Blutzuckerwerte bei erwachsenen Patienten indiziert, bei denen eine Monotherapie mit Metformin in der höchsten vertragenen Dosis den Blutzucker nicht ausreichend senkt oder die bereits mit der Kombination von Linagliptin und Metformin behandelt werden. Jentadueto ist in Kombination
mit einem Sulfonylharnstoff (d. h. als Dreifachtherapie) zusätzlich zu Diät und Bewegung bei erwachsenen Patienten indiziert, bei denen eine Kombination aus der jeweils höchsten vertragenen Dosis von Metformin und eines
Sulfonylharnstoffs nicht ausreicht, um den Blutzucker zu senken. Gegenanzeigen: • Überempfindlichkeit gegen die Wirkstoffe oder einen der in Abschnitt 6.1 genannten sonstigen Bestandteile. • Diabetische Ketoazidose, diabetisches Präkoma. • Niereninsuffizienz oder Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance < 60 ml/min). • Akute Erkrankungen mit einer möglichen Veränderung der Nierenfunktion wie: Dehydratation, schwere Infektion, Schock.
• Akute oder chronische Erkrankungen, die eine Gewebehypoxie verursachen können, wie Herz- oder respiratorische Insuffizienz, kürzlich aufgetretener Myokardinfarkt, Schock. • Leberfunktionsstörung, akute Alkoholvergiftung,
Alkoholismus . INHABER DER ZULASSUNG: Boehringer Ingelheim International GmbH, 55216 Ingelheim am Rhein, Deutschland. Verschreibungspflicht/Apothekenpflicht. Rp, apothekenpflichtig. Weitere Angaben zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Mitteln und Nebenwirkungen sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen. 1 Owens DR et al., Diabet Med 2011;28(11):1352-61. 2
Schlosser A et al., Diabetologia 2011;54(Suppl1):S108. 3 Patel S. et al., Diabetologia 2011;54(Suppl 1):S339. 4 Trajenta Fachinformation, Stand April 2013.
Bezeichnung der Arzneimittel: Velmetia 50 mg/850 mg Filmtabletten. Velmetia 50 mg/1000 mg Filmtabletten. Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Jede Tablette enthält Sitagliptinphosphat 1 H2O entsprechend 50
mg Sitagliptin und 850 mg Metforminhydrochlorid. Jede Tablette enthält Sitagliptinphosphat 1 H2O entsprechend 50 mg Sitagliptin und 1.000 mg Metforminhydrochlorid. Liste der sonstigen Bestandteile: Tablettenkern: Mikrokristalline Cellulose (E 460); Povidon K29/32 (E 1201); Natriumdodecylsulfat, Natriumstearylfumarat. Tablettenüberzug: Poly(vinylalkohol); Macrogol 3350; Talkum (E 553b) ; Titandioxid (E 171), Eisen(III)-oxid (E 172); Eisen(II,III)oxid (E 172). Anwendungsgebiete: Für erwachsene Patienten mit Typ-2-Diabetes mellitus: Velmetia ist zusätzlich zu Diät und Bewegung zur Verbesserung der Blutzuckerkontrolle bei Patienten indiziert, bei denen eine Monotherapie mit Metformin in der höchsten vertragenen Dosis den Blutzucker nicht ausreichend senkt oder die bereits mit der Kombination von Sitagliptin und Metformin behandelt werden. Velmetia ist in Kombination mit einem
Sulfonylharnstoff (z. B. als Dreifachtherapie) zusätzlich zu Diät und Bewegung bei Patienten indiziert, bei denen eine Kombination aus der jeweils höchsten vertragenen Dosis von Metformin und eines Sulfonylharnstoffs nicht
ausreicht, um den Blutzucker zu senken. Velmetia ist als Dreifachtherapie in Kombination mit einem Peroxisomal Proliferator activated Receptor gamma(PPARγ)-Agonisten (d. h. einem Thiazolidindion) zusätzlich zu Diät und Bewegung bei Patienten indiziert, bei denen die jeweils höchste vertragene Dosis von Metformin und einem PPARγ-Agonisten nicht ausreicht, um den Blutzucker zu senken. Velmetia ist auch zusätzlich zu Insulin (d. h. als Dreifachtherapie) indiziert als Ergänzung zu Diät und Bewegung bei Patienten, bei denen eine stabile Insulindosis und Metformin allein den Blutzucker nicht ausreichend senken. Gegenanzeigen: Velmetia ist kontraindiziert bei Patienten mit: - Überempfindlichkeit gegen die Wirkstoffe oder einen der in Abschnitt 6.1 genannten sonstigen Bestandteile - diabetischer Ketoazidose, diabetischem Präkoma - mäßiger oder schwerer Nierenfunktionsstörung
(Kreatinin-Clearance < 60 ml/min) - akuten Erkrankungen, welche die Nierenfunktion beeinflussen können, wie: Dehydratation, schweren Infektionen, - Schock, intravaskuläre Gabe von jodhaltigen Kontrastmitteln - akuten
oder chronischen Erkrankungen, die eine Gewebehypoxie verursachen können, wie: Herz- oder Lungeninsuffizienz, kürzlich stattgefundener Myokardinfarkt, Schock, - Leberfunktionsstörung, - akuter Alkoholvergiftung, Alkoholismus, - Stillzeit, Fertilität, Schwangerschaft und Stillzeit, Schwangerschaft. Es liegen keine ausreichenden Daten zur Anwendung von Sitagliptin bei schwangeren Frauen vor. Tierexperimentelle Studien haben eine Reproduktionstoxizität bei Hohen Dosen von Sitagliptin gezeigt. Die begrenzten Daten, die vorliegen, lassen vermuten, dass die Anwendung von Metformin bei schwangeren Frauen nicht mit einem erhöhten Risiko für angeborene Missbildungen assoziiert ist. Tierexperimentelle Studien mit Metformin zeigten keine schädlichen Effekte auf Schwangerschaft, embryonale oder fötale Entwicklung, Geburt oder postnatale Entwicklung. Velmetia sollte während der
Schwangerschaft nicht angewendet werden. Wenn eine Patientin einen Kinderwunsch hat oder schwanger wird, sollte die Behandlung mit Velmetia unterbrochen werden und so schnell wie möglich auf eine Therapie mit Insulin umgestellt werden. Stillzeit: Es wurden keine Studien zu säugenden Tieren mit der Kombination der Wirkstoffe von Velmetia durchgeführt. In tierexperimentellen Studien, die zu den einzelnen Wirkstoffen durchgeführt wurden, wurde jedoch gezeigt, dass sowohl Sitagliptin als auch Metformin in die Milch säugender Ratten übergehen. Metformin geht in kleinen Mengen in die menschliche Muttermilch über. Es ist nicht bekannt, ob Sitagliptin in
die menschliche Muttermilch übergeht. Daher darf Velmetia während der Stillzeit nicht eingenommen werden. Fertitlität: Daten aus tierexperimentellen Studien legen keine schädlichen Auswirkungen einer Behandlung mit Sitagliptin auf die männliche und weibliche Fertilität nahe. Vergleichbare Daten beim Menschen liegen nicht vor. Inhaber der Zulassung: Merck Sharp & Dohme Ltd.; Hertford Road, Hoddesdon. Hertfordshire, EN11 9BU; Vereinigtes Königreich. Abgabe: Rezept- und apothekenpflichtig, wiederholte Abgabe verboten. Pharmakotherapeutische Gruppe: Antidiabetika, Kombinationen von oralen Antidiabetika. ATC-Code: A10BD07. Stand der Information: März
2013. Weitere Angaben zu Dosierung und Art der Anwendung, Besondere Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Mitteln und sonstige Wechselwirkungen, Auswirkung auf
die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen, Nebenwirkungen, Überdosierung, Pharmakodynamische und Pharmakokinetische Eigenschaften sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen.
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FORTBILDUNG
Diabetes mellitus Typ 2 –
neue Therapieansätze im Fokus
Rund 8 % der österreichischen Bevölkerung leiden an Diabetes mellitus Typ 2 – über die letzten 20 Jahre hinweg hat sich die Prävalenz verdoppelt. Bislang verfügbare therapeutische Optionen sind breit gestreut, jedoch
erreichen rund 44 % der Patienten ihren HbA1c-Zielwert nicht. Großes Interesse wurde daher der Entwicklung
neuer Behandlungsmöglichkeiten entgegengebracht, welche auf neuen Wirkprinzipien basieren.
Bislang genutzte antidiabetische Wirkprinzipien beruhen auf einer Hemmung der Glukoseresorption, einer Steigerung der Insulinsensitivität der Zellen, einer Erhöhung der
Insulinausschüttung sowie einer Gabe von Insulin bzw. Insulinanaloga.
Der in einem erheblichen Prozentsatz nur
suboptimal gelingenden Blutzuckereinstellung dürften auch Nebenwirkungen antidiabetischer Therapien wie etwa Gewichtszunahme
(z. B. unter Sulfonylharnstoffen, Pio­
glitazon,
Insulin) bzw. ein höheres Hypoglykämierisiko (z. B. unter Sulfonylharnstoffen, Insulin) zugrunde liegen. Neuere medikamentöse Entwicklungen scheinen diese Aspekte zu
berücksichtigen – so wirken DPP-4-Hemmer
(Gliptine: Linagliptin/Trajenta®, Saxagliptin/
Onglyza®, Sitagliptin/Januvia®, Vildagliptin/
Galvus®) gewichtsneutral bzw. GLP-1-Analoga (Exenatid/Bydureon® - Byetta®, Liraglutid/
Victoza®, Lixisenatid/Lyxumia®) gewichtsreduzierend und beide Substanzgruppen weisen
keine Hypoglykämie-Neigung auf.
SGLT-2-Inhibitoren
Im November 2012 erhielt der erste Vertreter
(Dapagliflozin/Forxiga®) einer weiteren neuen Substanzklasse (SGLT-2-Inhibitoren, Gliflozine) die europäische Zulassung und ist in Österreich bereits verfügbar.
Der fundamental neuartige Wirkansatz beruht auf einer Hemmung der renalen GlukoseRückresorption mit konsekutiver kontrollierter moderater Glukosurie und Reduktion der
Hyperglykämie. Auch mit dieser antidiabetischen Therapie lässt sich eine Gewichtsreduktion erzielen – zudem waren HypoglykämieRaten unter Dapagliflozin-Monotherapie auf
Placebo-Niveau.
Glukose wird normalerweise glomerulär filtriert und nahezu komplett aus dem Primärharn wieder rückresorbiert. Hauptverantwortlich dafür ist der SGLT (Sodium-dependent
ARZT & PRAXIS
Glucose Transporter, Natrium-Glucose-Cotransporter). Etwa 90 % der renalen Glukoserückresorption übernimmt das im frühproximalen Tubulus lokalisierte Isoenzym SGLT-2
– es weist eine hohe Kapazität bzw. niedrige Affinität auf und wird selektiv in der Niere
exprimiert. Demgegenüber werden nur 10 %
über den im spätproximalen Tubulus befindlichen SGLT-1-Transporter rückresorbiert. Dieser weist eine höhere Affinität zu Glukose,
aber auch eine geringere Kapazität auf. Zudem
kommt dieses Carrier-Protein vor allem im
Dünndarm und nur untergeordnet in Nieren
bzw. Herz vor – seine Hemmung bewirkt daher
vor allem Glukose- und Galaktose-Malabsorptionsstörungen mit konsekutiven Diarrhoen.
Als Vorbild für die Entwicklung dieser neuen
Substanzklasse diente die familiäre renale Glukosurie. Eine Mutation des SGLT-2-Gens führt
dabei zu einem Defekt des Transporters mit
konsekutiver Glukosurie. Dennoch bleiben die
Patienten symptomlos, leiden an keiner chronischen Nierenerkrankung oder Harnwegsinfekten und haben eine normale Lebenserwartung. SGLT-1 ist zudem in der Lage,
ausreichend Glukose rückzuresorbieren – diese
Patienten erleiden daher keine Hypoglykämien.
Die synthetisch gewonnene neue Substanzgruppe leitet sich von einem natürlich vorkommenden Phenolglykosid – dem Phlorizin – ab,
welches etwa in der Rinde des Apfelbaums
zu finden ist. Nachteile wie geringe orale Bioverfügbarkeit, rascher Abbau sowie fehlende
SGLT-2-Selektivität machen allerdings eine klinische Anwendung von Phlorizin unmöglich.
Dapagliflozin
Mit Dapagliflozin liegt nun also der erste SGLT2-Inhibitor vor. Er hemmt diesen Transporter hochselektiv (>1.400-mal selektiver als
für SGLT-1), hochpotent (32-mal stärker als
Phlorizin) und reversibel – und zwar auf oralem Wege über eine einmal tägliche Verabrei-
chung. In einem Dosisbereich zwischen 0,1
und 500 mg besteht eine lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung. Die Elimination erfolgt zu
75 % renal.
Haupteffekt: Durch eine Glukose-Rückresorptionshemmung mit Glukosurie vermag
Dapagliflozin sowohl Nüchtern- als auch postprandiale Plasmaglukosespiegel zu senken.
Der glukosurische Effekt wird nach der ersten Dosis beobachtet, hält über das 24-stündige Dosisintervall an und wird für die Dauer der Behandlung aufrechterhalten. Die über
diesen Mechanismus eliminierte Glukosemenge hängt dabei von der Blutglukose-Konzentration und der GFR ab. Dapagliflozin
behindert nicht die normale endogene Glukoseproduktion als Reaktion auf eine Hypoglykämie und wirkt unabhängig von Insulinsekretion und -wirkung. In klinischen Studien
wurde eine Verbesserung der Betazellfunktion
beobachtet.
Nebeneffekte: Die induzierte Glukosurie ist
darüber hinaus mit Kalorienverlust und Gewichtsabnahme verbunden. Zudem ging sie
auch mit einer leichten osmotischen Diurese (Erhöhung der täglichen Harnmenge um
durchschnittlich 375 ml) sowie einer vorübergehenden Natriurese (allerdings ohne Veränderung der Serum-Natriumkonzentrationen)
einher. Die Harnsäureexkretion mit dem Harn
war ebenfalls vorübergehend (für 3–7 Tage)
erhöht und wurde von einer anhaltenden Reduktion der Serum-Harnsäure-Konzentration
begleitet.
Datenlage: Zur Bewertung von Wirksamkeit
und Sicherheit wurden 11 doppelblinde, randomisierte, kontrollierte klinische Studien mit
5.693 Typ-2-Diabetikern durchgeführt.
Dabei war in Monotherapie nach 24 Wochen
eine durchschnittliche HbA1c-Senkung gegenüber Placebo um 0,66 % zu beobachten, die
auch in der Verlängerungsperiode bis Woche
102 aufrechterhalten wurde.
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FORTBILDUNG
In Kombinationstherapie erwies sich Dapagliflozin gegenüber Glipizid als „Add on“-Therapie zu Metformin über 52 Wochen als nicht
unterlegen bei einem allerdings signifikant
kleineren Anteil an Hypoglykämien. Gegenüber
Placebo war in allen getesteten Kombinationen (Metformin, Glimepirid, Insulin mit/ohne
OAD) eine signifikante HbA1c-Senkung zu beobachten (um durchschnittlich 0,54–0,68 %).
Deutlich höhere HbA1c-Senkungen waren
bei Patienten mit einem HbA1c-Ausgangswert
von ≥ 9 % festzustellen (nach 24 Wochen in
Monotherapie –2,04 vs. +0,19 % unter Placebo; nach 24 Wochen in Kombination mit Metformin –1,32 vs. –0,53 % unter Metformin +
Placebo).
Zudem war in allen Studien ein Gewichtsverlust unter Dapagliflozin zu sehen (um durchschnittlich 1,67–3,22 kg gegenüber dem Ausgangswert). In Studien über einen längeren
Zeitraum wurde dieser Effekt nach 52 Wochen
(–4,65 kg versus Glipizid) sowie nach 102 Wochen (–3,07 kg versus Placebo) bei Kombination mit Metformin aufrechterhalten.
Darüber hinaus konnte in einer gepoolten
Analyse von 12 Placebo-kontrollierten Studien
eine Blutdrucksenkung (syst. –4,4 bzw. diast.
–2,1 versus –0,9 bzw. –0,5 mmHg unter Placebo) beobachtet werden.
Zugelassene Indikationen: Dapagliflozin ist
in Österreich zur Behandlung von Typ-2-Diabetikern in Monotherapie zugelassen, wenn
mit Diät und Bewegung alleine keine ausreichende Blutzuckerkontrolle zu erzielen ist und
eine Metformin-Unverträglichkeit besteht sowie in „Add on“-Kombinationstherapie mit anderen Blutzucker-senkenden Arzneimitteln
einschließlich Insulin, wenn diese den Blutzucker zusammen mit Diät und Bewegung nicht
ausreichend kontrollieren.
In den aktuellen ÖDG-Empfehlungen wird
dazu festgehalten, dass SGLT-2-Hemmer prinzipiell in jeder Kombination verabreicht werden
können, Dapagliflozin jedoch nicht mit Pioglitazon eingesetzt werden sollte.
Dosierung: Als empfohlene Dosis in Monowie „Add on“-Therapie gilt 1 x 10 mg/Tag. Um
Hypoglykämie-Risiko bei kombinatorischer
Anwendung mit Insulin oder einem insulinotropen Wirkstoff (z. B. Sulfonylharnstoff) zu
senken, kann eine niedrigere Dosis in Erwägung gezogen werden.
Der Effekt von Dapagliflozin ist GFR-abhängig – dementsprechend verringert sich die
Blutzucker-senkende Wirkung mit abnehmen-
ARZT & PRAXIS
der Filtrationsleistung. So ist zwar bei Patienten mit leichter Nierenfunktionsstörung keine
Dosisanpassung angezeigt, hingegen wird bei
moderater bis schwerer Nierenfunktionseinschränkung (eGFR < 60 ml/min./1,73m2) die
Anwendung nicht empfohlen.
Eine leichte bis moderate Leberfunktionseinschränkung erfordert keine Dosisanpassung,
bei schwerer Leberfunktionsstörung wird eine Anfangsdosis von 1 x 5 mg/Tag empfohlen
(kann bei guter Verträglichkeit in der Folge auf
1 x 10 mg/Tag gesteigert werden).
Im Allgemeinen wird zwar keine Dosisanpassung aufgrund des Alters empfohlen, es müssen aber Nierenfunktion und Risiko für das
Auftreten eines Volumenmangels berücksichtigt werden. Aufgrund begrenzter Therapieerfahrungen wird ein Behandlungsbeginn bei
Patienten ≥ 75 Jahren nicht empfohlen.
Die Einnahme kann zu jeder Tageszeit und
unabhängig von einer Mahlzeit erfolgen.
Nebenwirkungen: Deren Gesamthäufigkeit
lag auf Placeboniveau. Als Einzelnebenwirkungen traten Harnwegs- bzw. genitale Infektionen (z. B. Vulvovaginitis, Balanitis), Dys- bzw.
Polyurie, Rückenschmerzen, Dyslipidämie sowie ein erhöhter Hämatokrit häufiger auf. Hypoglykämien waren nur in der „Add on“-Medikation zu Sulfonylharnstoffen oder Insulin ein
Thema – hier können rechtzeitige Dosisanpassungen vorbauen. Über Volumenmangelzustände wurde nur gelegentlich berichtet.
In einer Metaanalyse war keine Erhöhung des
kardiovaskulären Risikos unter Dapagliflozin
feststellbar.
Insgesamt ergab sich kein erhöhtes Tumorrisiko in Zusammenhang mit Dapagliflozin. Bei
Betrachtung der Tumorfälle in verschiedenen
Organsystemen war das bei Dapagliflozin beobachtete relative Risiko für einige Tumoren
> 1 (Blase, Prostata, Brust) und für andere < 1
(z. B. Blut- und Lymphsystem, Eierstock, obere
Harnwege) – die Erhöhung/Verminderung des
Risikos war aber für keines der Organsysteme
statistisch signifikant. Unter Berücksichtigung
der fehlenden Tumorbefunde in den nicht-klinischen Studien und der kurzen Latenzzeit
zwischen Wirkstoffexposition und Tumordiagnose wird ein kausaler Zusammenhang als
unwahrscheinlich erachtet. Da das numerische Ungleichgewicht bei Brust-, Blasen- und
Prostatatumoren mit Vorsicht bedacht werden muss, wird es in Studien nach Markteinführung weiter untersucht werden.
Wechselwirkungen: Als günstig hinsichtlich
zu erwartender Wechselwirkungen kann angesehen werden, dass die Cytochrom-P450-vermittelte Metabolisierung beim Menschen ein
untergeordneter Abbauweg ist. Zu beachten
ist allerdings, dass Dapagliflozin den diuretischen Effekt von Thiazid- und Schleifendiuretika verstärken und so das Risiko für Dehydratation und Hypotonie erhöhen kann.
Kontraindikationen: Überempfindlichkeit
gegen Dapagliflozin oder einen sonstigen
Präparatbestandteil.
Weitere aktuelle Forschungsansätze
Hemmung der RANKL-Aktivierung: Die hepatische Insulinresistenz nimmt eine zentrale Stellung in der Pathogenese des Diabetes mellitus
Typ 2 ein.
Dem Transkriptionsfaktor NF-κB (Nuclear
Factor κB) dürfte mitsamt den durch seine Aktivierung ausgelösten systemischen und hepatischen Entzündungskaskaden ein zentraler
Stellenwert in der Entwicklung von hepatischer
Insulinresistenz und Betazelldysfunktion
zukommen.
RANKL (Receptor Activator of NF-κB Ligand)
spielt nicht nur eine bedeutsame Rolle im Knochenstoffwechsel, sondern scheint auch an
den Leberzellen relevante Effekte zu entfalten.
So gilt RANKL als besonders starker Stimulator
von NF-κB und führt so in der Leber zu Insulinresistenz, exzessiver Fettspeicherung und Inflammation. Dementsprechend könnte RANKL
eine bislang nicht bekannte Rolle in der Entstehung von Diabetes mellitus Typ 2 zukommen.
Eine Gruppe Tiroler Wissenschaftler rund um
Prof. Dr. S. Kiechl hat dies nun sowohl epidemiologisch als auch tierexperimentell untersucht und rezent in Nature Medicine publiziert.
Ersteres geschah an 1.000 Teilnehmern der
Brunneck-Studie, einer seit 22 Jahren laufenden Langzeitbeobachtung von zufällig ausgewählten Bewohnern (Alter 40–79 Jahre)
der Stadt Brunneck, welche auf die Ursachenerforschung verschiedenster Erkrankungen
(kardiovaskuläre, COPD, Diabetes, Tumoren)
abzielt. Dabei erwies sich eine hohe RANKLKonzentration im Serum als signifikanter und
unabhängiger (z. B. von Geschlecht und Alter)
Prädiktor für die Entwicklung eines Diabetes
mellitus Typ 2.
Zweiteres fand an Mausmodellen für Diabetes mellitus Typ 2 statt. Dabei resultierte eine systemische oder hepatische Hemmung
der RANKL-Aktivität in einer deutlichen Verminderung der hepatischen Insulinresistenz
Jahrgang 67 / 996a / 2013
FORTBILDUNG
mit nachfolgender Verbesserung bzw. sogar
Normalisierung von Blutzuckerspiegeln und
Glukosetoleranz.
Diese Erkenntnisse legen den Studienautoren zufolge ein großes Potential der RANKL-Aktivitätshemmung für Vorbeugung und
Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 nahe. Seit kurzem ist bekannt, das Metformin die
RANKL-Aktivität beeinflusst – darüber hinaus
erscheint die Testung weiterer RANKL-Aktivitätshemmer hinsichtlich ihres potentiellen
antidiabetischen Benefits überaus interessant.
Betatrophin: Sowohl bei Diabetes mellitus
Typ 1 als auch Typ 2 spielt ein Verlust an Betazellen mit abnehmender Insulinproduktion
bzw. -ausschüttung eine Rolle – nicht zuletzt
sind diese Patienten daher früher oder später
auf die täglich ein- bis mehrmalige Gabe von
Insulin(analoga) angewiesen.
Wissenschaftler des Instituts für Stammzellforschung an der Harvard University haben in tierexperimentellen Untersuchungen
nun ein Hormon identifizieren können, welches die Neubildung von Insulin-produzierenden Betazellen im Pankreas anregt – nämlich
Betatrophin.
Dem zugrunde lagen Beobachtungen, dass
bei Insulinresistenz bzw. in der Schwanger-
schaft ein Mehrbedarf an Insulin auch durch
eine Betazellvermehrung abgedeckt wird – in
Mausmodellen wurde dies konkret studiert
und in der Folge das dafür verantwortliche
Hormon isoliert. Mittlerweile konnte das Gen
für dieses Hormon auch beim Menschen isoliert werden. Betatrophin vermag die Bildung
von Betazellen bis zum 30-Fachen der Norm
anzuregen, wobei die derart entstandenen
Zellen nur dann Insulin produzieren, wenn sie
vom Körper aus das Signal dazu bekommen. Es
scheint also die natürliche Regulationsfähigkeit erhalten, was das Nebenwirkungspotential einer solchen Therapie deutlich reduzieren
dürfte. Betatrophin wird in Leber und Fettgewebe produziert und entfaltet seine Effekte über den Blutweg. Im Tiermodell vermochte die transiente Expression von Betatrophin in
der Mäuseleber die Proliferation von Betazellen anzuregen und deren Masse zu vermehren
sowie die Glukosetoleranz zu verbessern – und
zwar signifikant und spezifisch.
Für Typ-2- wie auch Typ-1-Diabetiker könnte
dies im Falle weiterer positiver Forschungsergebnisse bedeuten, dass Betatrophin die Gabe
von Insulin zu ergänzen oder sogar abzulösen
vermag. Statt bis zu mehrmals täglichen Insulin-Injektionen wäre für Melton die einmal wöchentliche, monatliche oder sogar jährliche In-
jektion von Betatrophin vorstellbar. Rationale
dahinter ist nicht nur eine bedarfsangepasste Steigerung der Insulinproduktion, sondern
auch eine Progressionsverlangsamung bzw.
sogar -verhinderung des Diabetes. Melton hält
die gentechnische Herstellung von Betatrophin für machbar und klinische Studien bereits
innerhalb von 3–5 Jahren für vorstellbar.
–mb– ♦
Literatur:
[1] Clodi M et al.: Diabetes mellitus – Anleitungen für die
Praxis; Antihyperglykämische Therapie bei Diabetes
mellitus Typ 2 – Grundsatz-Statement; überarbeitete
und erweiterte Fassung 2012; Wien Klin Wochenschr
2012; 124(Suppl.2):10–16
[2] Klement A: Die Niere als Zielorgan der Blutzuckersenkung: Forxiga®; ÖAZ 2013; 67(3): 30–31
[3] Siebenand S: SGLT-2-Hemmer; Pharmazeutische Zeitung 6/2011
[4] Fachinformation zu Forxiga®
[5] Kiechl S et al.: Blockade of receptor activator of nuclear factor-κB (RANKL) signalling improves hepatic
insulin resistance and prevents development of diabetes mellitus; Nat Med 2013; 19(3): 358–363
[6]Neuer Mechanismus für die Entstehung von Typ2-Diabetes entdeckt; Presseinformation 11/2013 –
Medizinische Universität Innsbruck
[7] Yi P et al.: Betatrophin: A Hormone that Controls Pancreatic β Cell Proliferation; Cell 2013; 153(4): 747–
758
[8] Colen BD: Potential diabetes breakthrough – Harvard researchers discover hormone that spurs beta
cell production; research boosted by federal funding;
Harvard Science 2013; http://news.harvard.edu
[9] Schmidt RF et al.: Physiologie des Menschen; Thieme
2005; 29. Auflage; 51
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