Leitsymptom Dysphagie - 56. Bayerischer Internisten

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Leitsymptom Dysphagie – eine fachübergreifende Herausforderung
Die Dysphagie wird definiert als eine Störung des Schluckaktes beim Trinken, der
Aufnahme fester Speisen oder beim Schlucken des eigenen Speichels. Ursächlich
für dieses Symptom können Erkrankungen aus verschiedenen Fachrichtungen mit
>50 Differentialdiagnosen sein. Deshalb ist eine isolierte, d.h. eine auf ein
spezialisiertes Fachgebiet begrenzte Betrachtung, häufig nicht ausreichend. Zur
Diagnostik ist die Erhebung klinischer Daten wie Alter, Geschlecht, Gewichtsverlauf,
Symptomdauer,
Komorbiditäten,
begleitende
Symptome
oder
stattgehabte
interventionelle Therapien im Anamnesegespräch meist wegweisend, zumindest
hilfreich für die Einleitung einer rationalen und gezielten Diagnostik. Die Dysphagie
sollte zumindest durch eine einmalige Spiegelung des oberen Gastrointestinaltrakts
mittels
Ösoophagogastroduodenoskopie
abgeklärt
werden.
Neben
dem
Tumorausschluss, können durch die Entnahme von Gewebeproben mikroskopische
Ursachen einer Dysphagie ausgeschlossen werden. Funktionsstörungen der beiden
Ösophagusschließmuskeln, sowie der tubulären Motilität werden v.a. manometrisch
erfasst. Einen festen Platz in der Refluxdiagnostik (sekundäre Motilitätsstörungen)
nimmt die Langzeitsäuremessung des Ösophagus (pH-Metrie) in Kombination mit der
Impedanzmessung ein. Kürzlich wurde eine neue Messtechnik für Patienten mit einer
oropharyngealen
Manifestation
einer
Refluxkrankheit
eingeführt.
Mit
dem
pharyngealen pH-Mess-System (Restech®) wird eine Messung des pH-Wertes in der
Ausatemluft des Patienten vorgenommen. Die sehr gut verträgliche Sonde wird im
Bereich der Uvula an der Rachenhinterwand platziert. Eine radiologische Diagnostik
mittels
digitaler
Röntgenkinematographie
vermag
die
zeitliche
Abfolge
der
Funktionsabläufe des Schluckvorganges darstellen und sollte aufgrund der
Komplexität von erfahrenen Radiologen durchgeführt werden. Es werden, dank
moderner Technik mit nur geringer Strahlenbelastung, pro Sekunde bis zu 30 Bilder
aufgenommen. Hierdurch können verschiedene Pathologien der pharyngealen sowie
der ösophagealen Schluckphase dokumentiert werden. Neben der radiologischen
Funktionsdiagnostik hat sich die fiberendoskopische Untersuchung des Schluckens
(FEES) etabliert. Mit einem flexiblen Endoskop wird transnasal der Pharynx und der
Larynx untersucht. Die Menge des Speichels, die Sensibilität und die Morphologie
können unter direkter Sicht überprüft werden.
Vor Einleitung einer Therapie sollte eine Diagnosesicherung erfolgen. Bei einer
refluxassoziierten
Dysphagie
ist
die
medikamentöse
Therapie
mit
einem
Protonenpumpenhemmer (PPI) Mittel der ersten Wahl. Ebenso symptomatisch ist die
Therapie der eosinophilen Ösophagitis mit topisch wirksamen Steroiden. Einen
kausalen medikamentösen Therapieansatz verfolgt man bei der Behandlung von
infektiösen oder malignen Ursachen der Dysphagie durch die Verabreichung von
Antibiotika,
Virustatika,
Antimykotika
respektive
Zytostatika.
Hinsichtlich
der
interventionellen Therapien stehen neben kurativen resezierenden Verfahren (z.B.
endoskopische Tumorresektionen), auch symptomatisch oder palliative Optionen zur
Verfügung (z.B. Stenteinlagen, Bougierungstherapien, Ballondilatationen). Eine
operativ-chirurgische
onkologischen
Behandlung
Ursachen
an
der
erster
Dysphagie
Stelle
steht
(Hypopharynx-,
bei
nahezu
Ösophagus-
allen
und
Cardiakarzinom). Divertikel der Speiseröhre (Zenker- und epiphrenische Divertikel)
sind Domäne der interventionellen Therapie (Divertikulektomie mit Myotomie).
Funktionelle Störungen (z.B. Achalasie) können in bestimmten Fällen erfolgreich
chirurgisch behandelt werden (Myotomie). Insbesondere nach HNO-ärztlichen
Tumorresektionen können durch Substanzdefekte postoperativ häufig permanente
Schluckstörungen
entstehen.
Bei
zu
erwartenden
vitalbedrohlichen
Schluckstörungen sollte auf eine Operation verzichtet werden und eine primäre
Strahlentherapie gegebenenfalls in Kombination mit einer Chemotherapie angestrebt
werden. Während und nach einer Bestrahlung können ebenfalls Schluckstörungen
auftreten. Durch neuere Bestrahlungstechniken können schluckrelevante Strukturen
im Halsbereich geschont werden. Die Therapie dieser postinterventionellen
Dysphagie ist eine Domäne der spezialisierten Logopäden, die eine auf den
Einzelfall zugeschnittene funktionelle Schlucktherapie einleiten.
Grundsätzlich gilt, dass es bei der Abklärung der Dysphagie keinen rigiden
diagnostischen und therapeutischen Algorithmus gibt. Entscheidungen sollten
insbesondere unter Berücksichtigung der örtlichen apparativen und personellen
Ressourcen getroffen werden; bei komplexen Fällen ist eine Zentrumsvorstellung zur
spezialisierten Abklärung und Therapie notwendig. Diese zeichnen sich dadurch aus,
dass eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit von ärztlichen, logopädischen und
anderen therapeutischen Berufsgruppen gewährleistet ist. Die Kommunikation
zwischen den Fachdisziplinen ist die entscheidende Variable für eine erfolgreiche
Therapie.
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