Erfahrungswelten im Samadhi-Tank. Floating als möglicher Weg zu heilsamen und/oder transpersonalen Erlebnissen? Vortrag von Harald Cont und Katrin Kandler Kultur- und sozialanthropologisches Forschungssymposium „Ohne Wasser ist kein Heil“ 12.-13.03.2012, Museum für Völkerkunde Wien "John Lilly nannte den von ihm entwickelten Tank „ein außerordentlich hilfreiches Werk- und Spielzeug zur Erkundung vielfältigster Bewußtseinszustände“ (Gert Lyon, „Zum Samadhi-Tank“) AGENDA • Begriffe • Motivation und Relevanz für die KSA • Fragestellung • Merkmale des Floatens/des Samadhi-Tanks • Historische Entwicklung • Methodisches Vorgehen • Selbsterfahrung • Forschungsergebnisse • Zusammenfassung • Quellen BEGRIFFE • Samadhi: Samadhi ist ein Sanskrit-Wort für Vereinigung, Erfüllung, Vollendung, sowie das völlige Versinken in sich selbst. Es bedeutet die höchste Stufe des Yoga-Weges und das Ziel jeder Meditation: Das völlige In-sich-Ruhen in tiefer Versenkung, in welcher das diskursive Denken aufhört. • Alternative Bezeichnungen: Neben dem Begriff des Samadhi-Tanks kennt man Bezeichnungen wie Isolationstank, Entspannungstank, Deprivationstank, Floatingtank, uvm. welche auch entsprechend unterschiedlich konnotiert sind. • Floaten: Floaten bedeutet wörtlich: „auf der Wasseroberfläche schweben“ Es gibt auch Wellness-Floating (oder das sogenannte Schwebebad), welches unsere Forschung jedoch nicht berücksichtigt hat. • Transpersonalität: Per definitionem beschreibt Transpersonalität einen „Bewusstseinszustand/ oder zustände jenseits der personalen Erfahrung“ Für Stanislav Grof (der oft auch als „Vater der Transpersonalen Psychologie“ bezeichnet wird) bedeutet transpersonal die „erlebnismäßige Ausdehnung oder Erweiterung des Bewusstseins über die gewöhnlichen Grenzen des Körper-Ich, sowie über die Beschränkungen von Raum und Zeit.“ Nach Ken Wilber (dem sogenannten „Einstein der Bewusstseinsforschung“) ist die Erfahrung des transpersonalen Raumes erst möglich, wenn die Grenzen des Innen und Außen keine festen Größen mehr darstellen. Man kann hier bereits sehen, dass es um die Erfahrung, das persönliche Erleben von Transzendenz geht. In transpersonalen Erfahrungen transzendieren (also überschreiten) Menschen ihre alltäglichen Begrenztheiten, nach innen und nach außen. Techniken zur Induktion von transpersonalen Erfahrungen: Um diese transpersonale Erfahrung zu ermöglichen, haben sich im Lauf der Menschheitsgeschichte in allen Kulturen verschiedene Techniken etabliert. Das Holotrope Atmen und der Samadhi-Tank sind hierbei zwei Beispiele für einen westlichen Zugang (wobei Holotropes Atmen im Gegensatz zum Samadhi-Tank aktiv ist – dort sind Bewegung, Musik und eine spezielle Atemtechnik wesentliche Elemente). Daneben existieren natürlich unzählige weitere Techniken, wie etwa verschiedenste Formen der Meditation. Neben den induzierten Erfahrungen gibt es auch spontane transpersonale Erfahrungen, welche laut Grof häufig in der Kindheit, der Lebensmitte und dem hohem Alter auftreten. MOTIVATION UND RELEVANZ FÜR DIE KSA Unsere Motivation für die Erforschung des Samadhi-Tank-Erlebnisses liegt vor allem im Aspekt der Transpersonalität und dem vermeintlichen Heilungspotential durch eben diese. Im Laufe unseres Studiums sind wir immer wieder mit verschiedenen Techniken und Verfahren konfrontiert worden, welche auf einen Heilungsprozess bzw. eine Indikation eines ebensolchen, durch die transpersonale und/oder spirituelle Dimension abzielen. Ein populäres Beispiel in der Kultur- und Sozialanthropologie wäre hierfür der Schamanismus. Der Samadhi-Tank war uns bis dato unbekannt und daher für uns von großem Interesse, da Wasser in vielen Kulturen für Heilung und Genesung eine zentrale Rolle spielt. Nach anfänglicher Recherche fiel uns auf, dass es zwar einige medizinische Studien bezüglich der heilenden Wirkung des Samadhi-Tanks gibt, jedoch noch kaum bzw. keine Studien aus einer geisteswissenschaftlichen Disziplin – und somit auch nicht aus der Kultur- und Sozialanthropologie. Die meisten uns bisher bekannten Studien beziehen sich weiters hauptsächlich auf Effekte, welche auf der physischen bzw. psychischen Ebene bemerkbar sind, jedoch gibt es noch wenige wissenschaftliche Forschungen zum spirituellen und seelischen Erlebnis-Aspekt des Floatings. Das bekannte Buch von Michael Hutchison „The Book of Floating - Exploring the Private Sea“ bildet hier eine lobenswerte Ausnahme, da es ein umfassendes Gesamtbild zum Phänomen des Floatings bietet, welches auch diese letztgenannten Aspekte integriert. FRAGESTELLUNG • Hauptfrage: „Ist Floating ein möglicher Weg zu heilsamen und/oder transpersonalen, sowie spirituellen Erlebnissen?“ • Unterfragen: • „Welche Motivation führt Menschen zum Floating?“ • „Welche Zielgruppe hat der Samadhi-Tank?“ • „Birgt Floating irgendwelche Risiken in sich, und falls ja, welche?“ MERKMALE Was ist nun eigentlich so ein Samadhi-Tank? Wie sieht er aus, was sind seine bestimmenden Merkmale? Im Prinzip ist der Tank eine Art Badewanne in einer geschlossenen Box, welche gegen Licht und Geräusche abgeschottet ist, wodurch es zur sogenannten sensorischen Deprivation kommt - also einem Reizentzug, mit dem auch viele spirituelle Praktiken arbeiten. Durch die totale Finsternis und die Schallisolierung wendet sich die Aufmerksamkeit nach innen. Die Eigengeräusche des Körpers, wie z.B. der Herzschlag können dadurch unnatürlich laut wahrgenommen werden. Das Wasser im Tank hat weiters Körpertemperatur und ist dadurch weder zu heiß noch zu kalt. Diese Temperatur wird konstant gehalten, was einen längeren Aufenthalt im Tank begünstigt. Durch den sehr hohen Salzgehalt (z.B. 500l mit 350kg Salz) wird Versinken praktisch unmöglich, man schwebt auf der Oberfläche. Dieses Phänomen kennt man auch in der Natur, z.B. beim Toten Meer. Durch die Gesamtheit dieser Elemente verschwimmen mit der Dauer des Aufenthalts die eigenen Grenzen – sowohl die körperlichen, als auch die Bewusstseinsgrenzen. Es kann dadurch zu sogenannten Entgrenzungserlebnissen kommen. HISTORISCHE ENTWICKLUNG DES SAMADHI-TANKS Der Samadhi-Tank wurde Mitte der 50er Jahre von dem Gehirnforscher John Lilly im Auftrag der US Regierung für das Institute for Mental Health entwickelt. Damals gab es zwei sich widersprechende Thesen zu der Frage, wie das Gehirn auf Reizentzug reagiert. Die damals übliche Meinung war, dass das Gehirn seine Aktivitäten bei Reizentzug verringert und womöglich sogar Gehirnzellen einbüßt. Lilly war gegenteiliger Meinung und bewies diese These durch den Bau des ersten Isolationstanks 1954 und durch darauf folgende Selbstversuche, sowie Experimente mit Versuchspersonen. In den ersten Tankexperimenten war eine Sauerstoffmaske notwendig, um im Tank atmen zu können, erst ab 1964 wurde Wasser mit so hohem Salzgehalt verwendet, dass das Schweben auf der Wasseroberfläche möglich war. Lilly fand durch seine Versuche heraus, dass verschiedene Gehirnfunktionen durch Reizentzug sogar angeregt werden. Seine Versuche und Erfahrungsberichte von Versuchspersonen aus den 1970er Jahren sind unter anderem in seinem Buch „The deep self“ dokumentiert. Kommerzielle Tankzentren gibt es ebenfalls seit den 70er Jahren. METHODISCHES VORGEHEN Wir haben während unserer Forschung mit folgenden Methoden gearbeitet: • Literaturrecherche: Rosemarie Anderson: „Intuitive Inquiry – A Transpersonal Approach“ Stanislav Grof: „Das Abenteuer der Selbstentdeckung“ Michael Hutchison: „The Book of Floating – Exploring the Private Sea“ John C. Lilly: „Das tiefe Selbst“ Gert Lyon: „Zum Samadhi-Tank“ Philipp Mayring: „Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken“ • Teilstrukturierte ExpertInneninterviews: Im Rahmen der Forschung wurden qualitative, teilstrukturierte ExpertInneninterviews mit Personen geführt, die bereits Erfahrungen mit Floating gesammelt haben. Die Wahl fiel auf diese Interviewmethode, weil wir unsere InterviewpartnerInnen als ExpertInnen für ihre individuellen Erfahrungen im Tank ansehen. Die Interviews wurden leitfadengestützt geführt und die Fragen sollten die InterviewpartnerInnen anregen, über ihre individuellen Eindrücke, Erfahrungen, sowie Erwartungen, Ängste, Motivationen und den Rahmenbedingungen zu erzählen. Im Vordergrund stand dabei die Frage, ob und welche Wirkungen erzielt wurden und ob diese als transpersonal oder heilsam empfunden wurden. • Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring: Zur Auswertung wurde die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring angewandt. Dies ist eine Methode zur Textanalyse, welche helfen soll, Bedeutungsinhalte und Interpretationen zu strukturieren und zu analysieren. Diese Methode wurde sowohl bei der Auswertung der Erfahrungsberichte von insgesamt 151 Personen als auch von 7 selbst geführten Interviews angewandt. 77 der Erfahrungsberichte stammen aus Lilly`s Versuchen zwischen 1973 und 1975, dokumentiert in seinem Buch „The deep self“. 74 Erfahrungsberichte stammen von BesucherInnen eines Tanks in Wien bei einem privaten Betreiber in einem Raum der Sargfabrik im 14. Bezirk, entstanden zwischen 1996 und 2011. Die Dauer im Tank variierte zwischen 20 Minuten und 12 Stunden, die meisten waren allerdings zwischen 1 und 2 Stunden im Tank. Die Kategorienbildung erfolgte mit dem Ziel, die wesentlichsten und aussagekräftigsten Sinngehalte herauszuarbeiten und wiederkehrende Elemente in den Formulierungen herauszufiltern. • Selbsterfahrung: Zu Beginn der Forschung wurde eine Selbsterfahrung im Sinn einer teilnehmenden Beobachtung bei einem privaten Betreiber in einem Raum der Sargfabrik im 14. Bezirk in Wien durchgeführt. Die Sargfabrik ist eine ehemalige Fabrik zur Sargherstellung, heute aber ein Verein für integrative Lebensgestaltung, sowie für Wohn- und Kulturprojekte. Vor der ersten Tank-Erfahrung erhält man eine Einführung über die Geschichte und die Funktionsweise des Tanks und wird über die Risiken aufgeklärt. Meist werden 1,5 Stunden im Tank verbracht, manchmal ist es auch möglich, den Tank länger zu nutzen. Während unserer Selbstversuche durften wir u.a. Phänomene wie traumähnliche Visionen, akustische Sensationen, die Illusion von Bewegung oder ein Gefühl des Zeitverlusts erleben. Es kam weiters auch zu transpersonalen Erfahrungen und zu heilsamen Erfahrungen auf der physischen Ebene. • Transpersonale Forschung: Problem: Wie gelangt man an die Erfahrungsinhalte transpersonaler Erlebnisse? Wie kann man diese messen und adäquat interpretieren? Lösungsansatz: Einerseits durch Intuitive Inquiry (Rosemarie Anderson), andererseits durch Künstlerische Verarbeitung des Erlebten, z.B. durch Malen Das rein verbale Vermitteln transpersonaler Erfahrungen ist oft nur schwer möglich, da die Sprache per se ebenfalls begrenzt ist. Deshalb greifen Erfahrende oftmals auf sprachliche Mittel wie Metaphorik oder Lyrik zurück, versuchen sich in philosophischen Gedankengängen oder kombinieren das geschriebene Wort mit Zeichnungen, Malereien und Skizzen. • Intuitive Inquiry: Die intuitive Erhebung (bzw. Untersuchung) stellt eine gewisse Haltung dar, mit der wir in die Forschung gegangen sind. Einige wichtige Punkte davon sind: • Die Intuitive Inquiry fordert einen Intuitiven Zugang zum Thema und ist ursprünglich aus dem heuristischen Zugang entstanden • Die Forschungsfrage ist in allen Bewusstseinszuständen präsent und kann dort auch beantwortet werden (Schlaf, Traum, Wachbewusstsein) Ein bekanntes Beispiel dafür wäre der deutsche Chemiker August Kekulé, der 1865 die Strukturformel des Benzols gefunden hat. Nachdem er jahrelang darüber nachgedacht und geforscht hat, ist ihm die Antwort auf seine Frage schließlich im Traum erschienen; in Form von Uroboros, also dem mythischen Symbol einer Schlange, welche sich selbst in den Schwanz beißt. Dies hat ihn zur exakten Strukturformel geführt, dem sogenannten Benzolring. • Der Forscher/die Forscherin gelangt durch Empathie und Intuition zu zusätzlichen nonverbalen Informationsgehalten • Die persönliche Erfahrung und Interpretation des Forschers/der Forscherin stehen im Zentrum der Forschung Anderson selbst schreibt darüber: “Die Transpersonale Psychologie bringt die Imagination und die Intuition zurück in die wissenschaftliche Untersuchung. Eigenschaften wie Intuition, Mitgefühl, unmittelbares Begreifen von Bedeutung, und der Dienst an den entrechteten Personen der Gesellschaft nehmen einen zentralen Stellenwert in der wissenschaftlichen/empirischen Untersuchung der transpersonalen Psychologie ein. Es ist empfehlenswert, dass Forscher die Funktionen, Fähigkeiten und Prozeduren der Intuitive Inquiry verinnerlichen und diese dadurch auch bei anderen Formen der Forschung zum Tragen kommen.” FORSCHUNGSERGEBNISSE Phasen während der Floating-Erfahrung: Lilly beschreibt 5 Wahrnehmungsstufen im Tank: 1. Die Konzentration auf das Körperempfinden wie zum Beispiel auf das Gefühl des Schwebens, auf die Atmung und den Herzschlag. 2. Die Gedanken beginnen abzuschweifen, man denkt über das Selbst, das Leben, eventuelle Probleme und den Alltag nach. 3. Schließlich folgt die Entspannung und die Loslösung vom Alltag. 4. Dem schließt ein traumhaftes Stadium an, in dem das Bewusstsein wie in einen Traumzustand gelangt. 5. Die Projektion visueller Bildwelten beschreibt schließlich das letzte Stadium. Ergebnisse der Inhaltsanalyse: Diese Ergebnisse beziehen sich auf die Analyse der Berichte und Erfahrungen von insgesamt 158 Personen, 22 davon waren mehrmals im Tank. Grundsätzlich haben wir qualitativ gearbeitet, dennoch haben wir die Häufigkeit der Kategorien und Formulierungen quantitativ dargestellt. Dieses Vorgehen ermöglicht es, einen Überblick zu bekommen, wie oft diverse Formulierungen vorkommen. Dieser Überblick zeigt außerdem, dass jede Erfahrung im Tank zwar individuell ist, jedoch diverse Formulierung in den Erfahrungsberichten immer wieder auftreten und von unterschiedlichen Personen genannt werden. 34 Personen beschrieben, dass sie im Tank kein Zeitempfinden hatten und überrascht waren, wie schnell die Zeit um war. 79 Personen beschrieben ein körperbezogenes Empfinden und eine Konzentration auf die Atmung, den Herzschlag sowie auf das Gefühl des Schwebens. Dies deckt sich mit der von Lilly postulierten ersten Wahrnehmungsstufe. Bei manchen blieb es bei dieser Erfahrung, doch 46 Personen formulierten ein darauf folgendes Gefühl des Verschwimmens der körperlichen Grenzen. Tiefe Entspannung, sowohl körperlich als auch geistig, haben 59 Personen empfunden. Häufig wurde der Tank als eine Möglichkeit der einzigartigen und vollkommenen Muskelentspannung beschrieben. Bei 31 Personen waren im Tank die Gedanken an den Alltag und an Probleme im Vordergrund. Diese Formulierung deckt sich mit der von Lilly postulierten zweiten Wahrnehmungsstufe. Das Loslassen von Alltag und Problemen stand für 26 Personen in ihrer FloatingErfahrung im Vordergrund. Diese Formulierung entspricht Lillys dritter Wahrnehmungsstufe. Die Illusion von Bewegung wurde von 31 Personen angesprochen, zum Beispiel: das Gefühl, in eine bestimmte Richtung zu Floaten, oft wurden Vergleiche mit Fluss oder fließendem Wasser genannt. Ein Drang, sich zu bewegen wurde nur von 4 Personen beschrieben, meist von Personen, welche mehrere Stunden im Tank verbracht haben. Grundsätzlich ist es wichtig zu sagen, dass die Grenzen von Definitionen und Formulierungen oft fließend sind. Was für eine Person ein Traumbild sein mag, wird von einer anderen Person vielleicht als Halluzination oder transpersonale Erfahrung interpretiert. Wir haben uns an den Formulierungen orientiert, welche die Personen selbst verwendet haben. 9 Personen haben ihre Erfahrungen im Tank als transpersonal bezeichnet. Von Halluzinationen sprachen 17 Personen. Diese schließen die Projektion visueller Bilder mit ein, was sich mit Lillys fünfter Wahrnehmungsstufe deckt, wie zum Beispiel das Sehen von Farben und Personen; aber auch akustische Projektionen wie das Hören von Geräuschen oder sogar Musik. Man kann davon ausgehen, dass Halluzinationen auf allen sinnlichen Repräsentationsebenen vorkommen; also neben visuell und auditiv auch in kinästhetischer, olfaktorischer und gustatorischer Form und natürlich auch oftmals in Kombination. Langeweile im Tank haben nur 9 Personen empfunden, Enttäuschung und unerfüllte Erwartungen wurden von 10 Personen formuliert. Oft wurde hier die Neugier auf erweiterte Bewusstseinszustände angesprochen, welche nicht immer erfüllt wurde. 61 Personen beschreiben ein Gefühl von Ruhe, Geborgenheit und Zufriedenheit in und nach der Tank-Erfahrung. Angstgefühle wurden von 22 Personen angesprochen. Hier wurde zum Beispiel die Angst vor der Dunkelheit und die Angst davor, in dem beengten Raum gefangen zu sein, häufig angesprochen. Interessant ist allerdings, dass nur 2 Personen die Tanzsitzung abbrachen, bei den anderen Personen verschwanden die Angstgefühle mit der Zeit. Eine Interviewpartnerin erzählte von klaustrophobischen Ängsten vor und zu Beginn der Tanksitzung, seither sind diese Ängste allerdings nicht mehr aufgetaucht. Vergleiche „wie im Mutterbauch“ (positives Empfinden), aber auch „wie im Sarg“ (angstbehaftet) wurden oft genannt. Dies zeigt, wie individuell dieselbe Situation empfunden werden kann. Interessant ist, dass sich 19 Personen daran erinnerten, geschlafen zu haben, jedoch 27 Personen ein Empfinden wie im Traum oder eine Traumphase beschrieben haben. Einige unserer InterviewpartnerInnen erwähnten, dass der Übergang in eine Schlafphase oft fließend ist und es im Nachhinein schwierig zu sagen war, ob die Zeit im Tank im wachen oder schlafenden Zustand verbracht wurde. Ein Zitat eines Interviewpartners über seine Erfahrung im Tank: „Es war eine Phase zwischen Wachsein und Schlafen… eine Art totale Stille und Loslösung von allem, es gab keine Sorgen, Spannungen oder Ähnliches mehr – weder körperlich noch geistig.“ Eine Phase des Traumempfindens wird auch als vierte Wahrnehmungsstufe bei Lilly beschrieben. Für 37 Personen stellte der Tank eine Möglichkeit zur Selbstreflexion und zum Nachdenken über das Selbst und das Leben dar. Diese Möglichkeit kann auch positive Auswirkungen haben, denn 18 Personen haben im Tank durch die Zeit zum Nachdenken und die Möglichkeit, in sich zu gehen, Lösungen für Probleme, neue Ideen und Inspiration gefunden. Der Aspekt der Heilsamkeit wurde von 13 Personen angesprochen, dies umfasst sowohl körperliche Heilung, beispielsweise bei Hautkrankheiten, Atembeschwerden, Rücken-, Gelenk- und Muskelschmerzen, als auch seelische Heilung, zum Beispiel durch die Auszeit von Alltag und Sorgen. Zielgruppe, Erwartungen und Risiken: Basierend auf unseren ExpertInneninterviews, auch mit dem Betreiber des Tanks in der Sargfabrik, sowie auf den aus Erfahrungsberichten gewonnenen Daten, lässt sich sagen, dass Frauen und Männer gleichermaßen den Tank nutzen. Die größte Gruppe, die den Tank benutzt, ist zwischen 25 und 50 Jahren. Zu den Motivationen und Erwartungen lässt sich sagen, dass etwa 2/3 den Tank primär zur physischen Entspannung aufsuchen, zum Beispiel bei muskulären Verspannungen und akuten Rückenschmerzen; sowie zur Linderung von Hautkrankheiten wie Neurodermitis. 1/3 sucht psychische Entspannung und/oder erweiterte Bewusstseinszustände. Einige gehen mit bestimmten Themen in den Tank und machen beispielsweise Mediations- oder Yogaübungen im Tank, andere gehen ohne spezielle Vorhaben oder Erwartungen in den Tank und lassen sich überraschen. Mögliche Risiken sind: • mögliche Ängste aufgrund von beengtem Raum, Dunkelheit, Orientierungslosigkeit • mögliche aufwühlende, unerwartete Erlebnisse • Brennen von offenen Hautstellen durch Salzwasser • nicht empfohlen wird Floating bei Herz- und Kreislauferkrankungen, Depressionen, Epilepsie, Drogen- und Medikamenteneinfluss – dies sollte vor dem Floating besser mit dem Arzt abgesprochen werden! Psychoanalytische Perspektiven: Für den Psychotherapeuten Gert Lyon ist der Samadhi-Tank aus psychoanalytischer Sicht ein wirksames Instrument zur Selbsterforschung „innerer Landschaften“. Er meint, durch die Abgeschirmtheit von Reizen von außen kann man sich auf das Innere und auf das Selbst konzentrieren, die Grenze zwischen Es und Ich verschwimmen und Bilder, Wünsche, Hoffnungen und Phantasien können aus dem Unterbewusstsein auftauchen und bewusst wahrgenommen werden. Durch die Reizisolation sowie durch tiefe Entspannung gelangt das Bewusstsein in eine Traumphase, daher ist traumhaftes Erleben und das Sehen von traumhaften Bildern möglich. Allerdings können laut Lyon auch Bilder und Situationen auftauchen, die einem Angst machen. Daher ist eine gute Vorbereitung notwendig, um sich darauf einlassen zu können. Er formuliert drei wesentliche Punkte: • Die eigene Motivation und das Erkenntnisinteresse sollen bewusst gemacht werden. • Das momentane Befinden, die Belastbarkeit und eventuelle Vorerfahrungen sollen bewusst gemacht werden. • Man soll sich über mögliche Erlebnisse informieren und sich Unterstützung (professionelle oder aus dem Freundeskreis) sichern, um vor und nach der Erfahrung begleitet zu werden und das Erfahrene besprechen zu können. Heilsamkeit: Heilsame Wirkungen von Floating belegen auch zahlreiche medizinische Studien. Wir beziehen uns dabei auf den Deutschen Floating Verband, welcher Ergebnisse der Studien von Universitäten und Forschungseinrichtungen katalogisiert und zusammenfasst. Medizinisch nachweisbare Effekte gibt es demnach in folgenden Bereichen: • Orthopädie: Entlastung der Wirbelsäule, der Gelenke, der Bandscheiben und der Muskeln • Sportmedizin und Rehabilitationsmedizin: Durch die Ruhigstellung bei Zerrungen und Stauchungen während des Floatens können diese besser verheilen • Schmerzmedizin: Entspannung und Reizisolation können zur Ausschüttung von Endophinen führen, was das Schmerzempfinden verringern kann • Dermatologie: Es wurde eine vergleichbare Wirkung des Tankwassers mit hohem Salzgehalt mit Mineralsalzen im toten Meer nachgewiesen, dies hilft bei Hautproblemen, Hautallergien, Neurodermitis, etc. • Stressreduktion: Tiefe Entspannung und die Auszeit von Stresssituationen des Alltags kann das Stressempfinden vermindern. Kritische Perspektiven: Es gibt allerdings nicht nur positive Äußerungen über Samadhi-Tanks. Der Psychotherapeut Colin Goldner beispielsweise kritisiert die mangelnde Hygiene in den Tanks. Er meint, durch die komplette Körperentspannung kann es zu Blasenund Darmentleerungen kommen. Er warnt außerdem davor, dass die totale Isolation bei psychisch labilen Menschen psychotische Wahnzustände auslösen kann. Darüber hinaus stellt für ihn die Zeit im Tank keinen Weg zur Lösung von Problemen dar, sondern eher ein Weglaufen vor Problemen, mit welchen man im Alltag allerdings wieder konfrontiert wird. ZUSAMMENFASSUNG • Erfahrungen sind individuell, hängen u.a. von Rahmenbedingungen, Stimmung und Erwartungshaltungen ab • Samadhi-Tank als Möglichkeit zur tiefen Entspannung • Heilsamkeit und transpersonale Erfahrungen sind möglich, aber nicht garantiert und werden begünstigt durch Regelmäßigkeit „In den Gärten des kosmischen Labyrinths findet man sich selbst. Durch die Verbindung mit dem All.“ (Aquanauten-Logbuch) QUELLEN Monographien und Artikel: Anderson, Rosemarie/ Braud, William (1998): Intuitive Inquiry – A Transpersonal Approach in Transpersonal Research Methods for the Social Sciences: Honoring Human Experience. Sage Publications: London Goldner, Colin (1997): Psycho: Therapien zwischen Seriösität und Scharlatanerie. Pattloch: Augsburg Hutchinson, Michael (2005): The Book of Floating: Exploring the Private Sea. Gateway Books and Tapes: Nevada City Lamnek, Siegfried (2005) Qualitative Sozialforschung. Lehrbuch. Vierte überarbeitete Auflage. Weinheim: Beltz Lilly, John C. (2007 [1915]) The Deep Self. Consciousness Exploration in the Isolation Tank. Gateway Book: Nevada City Lilly, John C. (1956) Die psychischen Auswirkungen der Reduktion üblicher physischer Reizintensitäten auf normal und gesunde Personen. In: Pethes, Nicolas/ Griesecke, Birgit/ Krause, Marcus/ Sabisch, Katja (2008) Menschenversuche. Eine Anthologie 1750-2000.Frankfurt/Main: Suhrkamp: S. 84-90 Mayring, Philipp (2002) Einführung in die qualitative Sozialforschung: eine Anleitung zu qualitativem Denken. Fünfte überarbeitete Ausgabe. Weinheim: Beltz Mayring, Philipp (2003) [2000] Qualitative Inhaltsanalyse In: Flick, Uwe/ Kardorff, Ernst von/ Steinke, Ines (Hg) Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt: S. 468-475 Interviews und Erfahrungsberichte: Andy H., persönliches Interview, 04.03.2012, Wien, durchgeführt von Harald Cont Martin W., persönliches Interview, 22.12.2011, Wien, durchgeführt von Katrin Kandler Maria G., persönliches Interview, 06.01.2012, Wien, durchgeführt von Katrin Kandler Walter U., persönliches Interview, 08.02.2012, Wien, durchgeführt von Harald Cont und Katrin Kandler Gedächtnisprotokoll der Selbsterfahrung, 22.11.2011, Wien, Harald Cont Gedächtnisprotokoll der Selbsterfahrung, 22.11.2011, Wien, Katrin Kandler Aquanautenlogbuch: Erfahrungsberichte von Tank-Sitzungen in der Sargfabrik 1996-2011 Internetquellen: Deutscher Floating Verband: http://www.floating-verband.de/drupal/ [letzter Zugriff: 22.03.2012] Lyon, Gert (1999) Zum Samadhi Tank: http://www.gert-lyon.com/downloads/ samadhi199.pdf [letzter Zugriff: 19.03.2012] KONTAKTMÖGLICHKEIT Wir freuen uns über eine Kontaktaufnahme bei Fragen, Anmerkungen oder Kritik unter: Harald Cont: [email protected] Katrin Kandler: [email protected]