Sonderausgabe Pro-Argin PROPHYLAXEdialog Zeitschrift für Oralprävention in der Praxis Technologiedurchbruch für Zahnbehandlung bei schmerzempfindlichen Zähnen Umgang mit Dentinhypersensibilität in der Praxis Überblick über die Durchführung klinischer Studien zur Bewertung desensibilisierender Produkte Impressum / Inhalt / Editorial Editorial Herausgeber (V.i.S.d.P.): GABA International AG PR & Communication: Dr. Stefan Hartwig Scientific Affairs: Dipl.-Biochem. Bärbel Kiene Grabetsmattweg · 4106 Therwil · Schweiz [email protected] Liebe Leserinnen und Leser, die Entwicklung eines neuen Wirkstoffs für eine Indikation, die für die Patienten bei der Behandlung in der Praxis, aber auch im täglichen Leben eine enorme Belastung bedeuten kann, ist für die beteiligten Wissenschaftler ein spannendes Projekt. Wie schnell wirkt der Wirkstoff? Wie lange hält die Wirkung an? Welches Ergebnis zeigen klinische Studien? Gestaltung: Besonders spannend ist es auch, wie dieser Wirkstoff von der Profession wahrgenommen wird. Was sagen Hochschulexperten? Welche Meinung haben Fachmedien? Und vor allem: Was berichten Zahnärzte und ihre Teams? eye-con Medienagentur · 50374 Erftstadt Internet: Diese Sonderausgabe des PROPHYLAXEdialogs befasst sich mit der Indikation Dentinhypersensibilität, die sich als kurzzeitiger, scharfer Schmerz als Reaktion auf externe Stimuli an freiliegenden Zahnhälsen manifestiert. Das Problem ist in der Praxis sehr gut bekannt, wenn auch stark unterdiagnostiziert. Es sind auch einige Wirkstoffe bekannt, die Abhilfe versprechen sollen. Wenig davon ist jedoch neu und oft bleibt es beim Versprechen. www.gaba.com Die Meinung der Autoren muss nicht in jedem Fall der Meinung des Herausgebers entsprechen. Nachdruck und auszugsweise Veröffentlichung ist bei Quellenangabe gestattet. Inhalt Technologiedurchbruch für Zahnbehandlung bei schmerzempfindlichen Zähnen Umgang mit Dentinhypersensibilität in der Praxis Prof. Dr. Nicola X. West, Bristol, Großbritannien Dentinhypersensibilität: Ätiologie und Prävalenz – ein kurzer Überblick für den Zahnarzt Prof. Dr. Lars G. Petersson, Halmstad, Schweden 4 8 Dentinhypersensibilität – ein bekanntes Problem mit zahlreichen Lösungsansätzen PD Dr. Christian R. Gernhardt, Halle 10 Die Lösung bei Dentinhypersensibilität für Sie und Ihre Patienten – die Wirkstoffkombination Arginin/Kalziumkarbonat Prof. Dr. Mark S. Wolff, Morey J. Gendler, Scott W. Podell, New York, USA 14 Mundgesundheitsbezogene Lebensqualität bei Patienten mit freiliegenden und hypersensiblen Zahnhälsen Dr. Katrin Bekes, Halle Prof. Dr. Christian Hirsch, Leipzig Behandlung von Dentinhypersensibilität: Produkt für die Zahnarztpraxis im PE-Programm Dänemark, Norwegen, Schweden evaluiert Dr. Kaj Stoltze, Kopenhagen, Dänemark Überblick über die Durchführung klinischer Studien zur Bewertung desensibilisierender Produkte gegen Dentinhypersensibilität Dr. David G. Gillam, London, Großbritannien Entwicklung eines Desensibilisierungsprodukts GABA-Innovations-Symposium: Schmerzempfindliche Zähne – eine neuartige Technologie zur Anwendung in der Praxis TM Der Wirkmechanismus von Pro-Argin 02 3 Sonderausgabe 2010 17 20 22 Diese Kritik an vorhandenen Lösungen haben wir im Vorfeld der Produktentwicklung immer wieder von der Profession gehört: Publizierte klinische Studien fehlen, die Wirksamkeit ist nicht eindeutig nachgewiesen, die Wirkung setzt nicht schnell genug für eine Behandlung ein, die Anwendung in der Praxis ist zeitaufwändig und kompliziert, es werden nur Symptome behandelt. Deshalb war die Entwicklung und Kommunikation der neuen Desensibilisierungspaste elmex SENSITIVE PROFESSIONAL so herausfordernd. Es konnte mit der Wirkstoffkombination Arginin und Kalziumkarbonat endlich ein echter Technologiedurchbruch erreicht werden. Wie Sie sehen werden, setzt die Wirkung sofort ein und ist nachhaltig. Zwei erste klinische Studien belegen die Wirksamkeit und die Überlegenheit gegenüber den Inhaltsstoffen gebräuchlicher Polierpasten. Dementsprechend fiel auch die Wahrnehmung der neuen Technologie in der Fachwelt aus. In Berlin nahmen im April 2010 rund 200 internationale Gäste am GABA-InnovationsSymposium teil – darunter rund 30 Journalisten. Ihre Reaktionen waren einhellig sehr positiv. Bis jetzt haben wir zudem außerordentlich viele positive Rückmeldungen aus den Praxen bekommen. Wie gewohnt, dokumentieren wir dieses Ereignis im Internet unter www.gaba-dent.de/dhs (der produktbezogene Teil sowie ein Vortragsausschnitt, in dem die Wirkstoffeigenschaften erklärt werden, ist passwortgeschützt für medizinisches Personal zugänglich). Weiterhin wollen wir mit dieser umfassenden Zeitschrift einen breiten Zugang zur Indikation und zur neuen Technologie bieten, und zwar anhand einer Reihe von Beiträgen renommierter Experten. Wir sind wie immer gespannt auf Ihre Meinung. Mit freundlichen Grüßen Bärbel Kiene Director Scientific Affairs GABA International 28 30 32 Wie die Pro-Argin-Technologie Schmerzen verhindert: Arginin löst die Verschließung der Dentintubuli aus und blockiert damit die Weiterleitung von Schmerz auslösenden Reizen zur Pulpa. Diese Verschließung bleibt sogar nach Behandlung mit Säure intakt. PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe Pro-Argin Technologiedurchbruch für Zahnbehandlung bei schmerzempfindlichen Zähnen Neue Desensibilisierungspaste mit sofortiger und anhaltender Wirkung Dentinhypersensibilität (DHS) kann sich als kurzzeitiger, scharfer Schmerz als Reaktion auf externe Stimuli an freiliegenden Zahnhälsen manifestieren. Genau hier liegen die Dentintubuli als direkte Verbindung zur Pulpa offen. Dadurch können thermische, mechanische oder osmotische Stimuli direkt auf den Nerv übertragen werden, was oft mit beträchtlichen Schmerzen verbunden ist. Dies kann auch zahnärztliche Behandlungen erheblich erschweren oder einschränken. Mit der Desensibilisierungspaste elmex SENSITIVE PROFESSIONAL konnte durch eine neue Technologie jetzt ein Durchbruch erzielt werden. Etwa 30 % der Bevölkerung leiden an schmerzempfindlichen Zähnen. Dies hat zur Folge, dass ein beträchtlicher Anteil der Betroffenen seine mundgesundheitsbezogene Lebensqualität beeinträchtigt sieht und viele Betroffene ihre Lebensgewohnheiten diesem Leiden anpassen. DHS macht die tägliche Zahnhygiene zu einer schmerzhaften Prozedur, was sich längerfristig negativ auf die Mundgesundheit auswirkt. Bei Patienten mit schmerzempfindlichen Zähnen ist die professionelle Zahnreinigung (PZR) in der Zahnarztpraxis erschwert: Wurzelglättung und Zahnsteinentfernung sind für den Patienten demotivierend und mitunter extrem unangenehm. Herkömmliche Produkte zur Behandlung von Dentinhypersensibilität basieren meist auf der Desensibilisierung des Nervs durch temporär depolarisierende Substanzen. Nachteilig ist hier, dass die Wirkung deutlich zeitverzögert einsetzt und dass lediglich ein Symptom bekämpft wird. Der ursprünglich wichtige und notwendige Schmerzreflex des Zahns wird gedämpft. Die Wirkstoffkombination aus der natürlichen, im Speichel vorkommenden Aminosäure Arginin sowie Kalziumkarbonat dringt bereits bei einmaliger Anwendung in die Dentintubuli ein und verschließt diese, was mit einer sofortigen und deutlichen Linderung der Symptome einhergeht. Eine klinische Studie von Schiff et al. in San Francisco belegt, dass das Produkt im Vergleich zu einer herkömmlichen Polierpaste eine statistisch signifikante Verbesserung der DHS-Symptomatik zur Folge hat. Die Anwendung erfolgte in diesem Fall nach der PZR. Die Wirkung tritt nicht nur sofort ein, sondern hält auch mindestens vier Wochen an. Darüber hinaus konnten Hamlin et al. von Contract Dental Evaluation in Pennsylvania zeigen, dass die vorherige Anwendung der neuen Desensibilisierungspaste bei Patienten mit schmerzempfindlichen Zähnen die professionelle Zahnreinigung deutlich angenehmer macht. Diese klinische Studie beweist die Überlegenheit der Wirkstoffkombination Arginin/Kalziumkarbonat gegenüber den Inhaltsstoffen gebräuchlicher Polierpasten. Zur Anwendung der Desensibilisierungspaste sind keine zusätzliche Prozedur, Technik oder Ausrüstung notwendig, sie wird schnell und einfach mittels eines Polierkelchs beim Zahnarzt eingearbeitet. Weiterhin ermöglichen die Inhaltsstoffe Silikat und Karbonat einen zusätzlichen Poliereffekt, der dazu beiträgt, Verfärbungen zu entfernen. Mit elmex SENSITIVE PROFESSIONAL steht nun ein Produkt zur Verfügung, das sich mühelos in die zahnärztliche Routine integriert und mit dem sich Dentinhypersensibilität sofort, wirksam und nachhaltig behandeln lässt. Ein weiterer Ansatz sind restaurative Anwendungen, wodurch die Reizleitung zwischen Mundraum und Pulpa blockiert werden soll. Dies gestaltet sich in der Praxis jedoch als sehr aufwändig (Anätzen und Trockenlegen der betreffenden Regionen) und somit für den schmerzgeplagten Patienten unangenehm. Ferner kann keine anschließende PZR durchgeführt werden, ohne den Schutz gleichzeitig wieder zu reduzieren. In-office-Behandlungen von DHS zeigen demnach bislang keinen zufriedenstellenden Erfolg, da sie entweder nur zeitverzögert und kurzfristig wirken oder aber zu viel Aufwand beinhalten. Günstigstenfalls besteht die Behandlung von DHS in der langfristigen Verengung oder Blockierung der Tubuli. Mit elmex SENSITIVE PROFESSIONAL, einer Desensibilisierungspaste für die Anwendung in der Zahnarztpraxis, gelang nun erstmalig die Entwicklung eines medizinischen Produkts, das mit sofortiger Wirkung DHS an ihrem Entstehungsort bekämpft. PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe 2010 30 Sonderausgabe Pro-Argin Umgang mit Dentinhypersensibilität in der Praxis Prof. Dr. Nicola X. West, Bristol Dental Hospital and School, Großbritannien Einführung Dentinhypersensibilität (DHS) ist ein gewöhnlicher oraler Schmerzzustand und kommt bei vielen Menschen vor. Daten über die Häufigkeit variieren zwischen 3 und 57 %, wobei Patienten mit Parodontalerkrankungen mit mehr als 78 % (Chabanski et al. 1997) wesentlich öfter betroffen sind. Für einige Patienten mag es sich bei DHS lediglich um eine geringfügige Unannehmlichkeit handeln, die sich als scharfer, kurzzeitiger Schmerz bemerkbar macht. In diesen Fällen genügt es oft, die Zähne mit der Zunge abzuschirmen oder sie z.B. nach dem Putzen mit lauwarmem anstatt mit kaltem Wasser zu spülen. Solche Maßnahmen verhelfen den Betroffenen dann, im Bewusstsein, was die Schmerzen verursacht und wie man damit umgehen kann, ein normales Leben zu führen. Für andere Patienten stellt DHS ein sehr unangenehmes Leiden dar, das die Lebensqualität ernsthaft beeinträchtigt (Bekes et al. 2009). Die meisten Betroffenen empfinden Dentinhypersensibilität als lediglich unangenehm, aber nicht als Beeinträchtigung der Lebensqualität (Gillam et al. 2002a; Clayton et al. 2002). Wenn ein Patient seinen Zahnarzt während einer Zahnuntersuchung auf schmerzempfindliche Zähne hinweist, wird er gewöhnlich professionellen Rat und Hilfe erhalten. Falls der Patient den Zahnarzt jedoch nicht davon unterrichtet, wird ihm auch keine Behandlung angeboten, und der Betroffene findet sich weiter mit diesem unangenehmen Zustand ab. Dies liegt mitunter daran, dass in Großbritannien die Patienten nicht routinemäßig von ihrem Zahnarzt auf Rezession des Zahnfleisches, Abnutzung der Zähne oder DHS untersucht werden. Charakteristik der DHS Definition DHS wird als kurzer, scharfer Schmerz beschrieben, der als Antwort auf externe, thermische, taktile, osmotische oder chemische Stimuli auftritt und der keiner Pathologie und keinem Defekt der Zähne zugeschrieben werden kann (Dowell & Addy 1983). Diese Definition wurde 2002 modifiziert, als das Canadian Advisory Board vorschlug, das Wort „Pathologie“ durch „Krankheit“ zu ersetzen. Diese Veränderung halten die meisten Kliniker für sinnvoll. Demnach ist die Feststellung von DHS eine durch Differenzialdiagnose und Ausschluss. Es ist sehr wichtig, alle anderen Zustände auszuschließen, die ähnliche Symptome wie DHS verursachen können. Diese wären Rissbildung im Zahn, Karies, das Versagen von Zahnsanierungen, „vital bleaching“ und atypische Gesichtsschmerzen. 44 Sonderausgabe 2010 Gelegentlich kann sich DHS als dumpfer, klopfender Schmerz manifestieren, der für Stunden, Tage oder gar Wochen anhalten kann (Dowell & Addy 1983). Man nimmt an, dass verschiedene Nervenfasern für den Schmerz verantwortlich sind, aber es wurde bereits vorgeschlagen, dass es sich hierbei um eine Pulpitis handelt, nicht um DHS, und dass die Behandlung dementsprechend erfolgen sollte. Tatsächlich gibt es bislang keine Forschungsergebnisse, die Pulpahistologie mit den klinischen Symptomen einer Dentinhypersensibilität korrelieren. Makroskopisch sieht nämlich hypersensibles Dentin genauso aus wie nicht hypersensibles. Häufigkeit und Verbreitung Die Verbreitung von DHS variiert in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen zwischen 3 und 57 % (Graf & Glasse 1977; Flynn et al. 1985; Orchardson & Collins 1987; Irwin & McCusker 1997; Lui et al. 1998; Murray & Roberts 1994; Rees 2000), wobei eine etwa gleichbleibende Zahl von 15 % für Menschen mit gesundem Zahnapparat (Fischer et al. 1992) und > 78 % für Parodontalpatienten berichtet wird (Chabanski et al. 1997). Betrachtet man diese Daten näher, erschließen sich zahlreiche Beobachtungen: Die Studien unterscheiden sich in vielen Punkten, was einen maßgeblichen Einfluss auf die Statistiken haben kann. So wurden z.B. die Daten eines Fragebogens (Irwin & McCusker 1997; Murray & Roberts 1994; Chabanski et al. 1996; Gillam et al. 1999; Clayton et al. 2002) entweder vom Betroffenen allein oder vom Zahnarzt bei der Untersuchung ausgefüllt. Der vom Betroffenen beschriebene Schmerz muss jedoch nicht unbedingt eine Konsequenz von DHS sein, was ohne klinische Bestätigung nicht geklärt werden kann. Wenn jedoch der Patient regelmäßig den Zahnarzt aufsucht, dann sollte die Genauigkeit der Angaben über die Häufigkeit von DHS wesentlich höher sein. Man muss sich immer vergegenwärtigen, dass laut britischen Statistiken etwa 40 % der Menschen nicht regelmäßig zum Zahnarzt gehen (Nutall et al. 2001). Wenn der Patient dagegen klinisch auf DHS getestet wird (Graf & Glasse 1977; Flynn et al. 1985; Orchardson & Collins 1987; Rees 2000), werden im Gegensatz zum Fragebogen lediglich aktuelle Symptome betrachtet und nicht die Vorgeschichte einer etwaigen DHS, die womöglich episodisch auftritt und am Untersuchungstag gar nicht feststellbar ist. Wird die Studie in einer Zahnklinik durchgeführt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Untersuchung in der Abteilung für Parodontologie stattfindet, wo die Wahrscheinlichkeit für DHS naturgemäß höher liegt und somit höhere Inzidenz verzeichnet wird (Lui et al.; Gillam et al. 2002). PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe Pro-Argin Analog wird man unterschiedliche Häufigkeiten in allgemeinen und in auf Parodontologie spezialisierten Praxen finden wie auch zwischen Privatversicherten und Patienten des nationalen Gesundheitsdiensts (NHS), wobei hier die Ersteren sicherlich intensivere Prophylaxe betreiben. Darüber hinaus variiert die Anfälligkeit für Parodontalerkrankungen und die damit verbundene DHS geographisch (Lui et al. 1998; Gillam et al. 1999a). So ist der Prozentsatz parodontaler Erkrankungen bei der asiatischen Bevölkerung eindeutig höher. Die Altersverteilung ist ein weiterer bestimmender Faktor: Eine Gruppe älterer, motivierter Patienten wird eine größere DHS-Häufigkeit aufweisen als eine Gruppe Studenten oder Menschen, die nur unregelmäßig anwesend sind (Claydon et al. 2009, persönliche Mitteilung). Die Zähne, an denen DHS am häufigsten beobachtet wird, sind die permanenten Eckzähne wie auch die ersten Prämolaren (Orchardson & Collins 1987), was wahrscheinlich durch bestimmte Zahnputzcharakteristika bedingt ist. Prädilektionsstellen sind die Bukkalseiten der Zahnhälse, obwohl heute auch oft bukkal, okklusal und palatinal exponiertes Dentin klinisch festgestellt wird (Jaeggi & Lussi 2006) (Abb. 1). Umgang mit DHS Wenn das Zahnarztteam mit DHS umgeht, müssen drei Gebiete beurteilt und angesprochen werden, um die Schmerzen zu verringern und die Symptomatik zu reduzieren. Abb. 1: SCHRITT 1: Bestätigung der Diagnose Gebiss mit deutlicher bukkaler Zahnabnutzung, die Anlass für Dentinhypersensibilität gibt Es gibt eine Reihe von Befunden, die Anlass zu ähnlichen Symptomen geben wie hypersensibles Dentin. Der erste Schritt zur Behandlung von DHS ist daher der Erhalt einer definitiven Diagnose durch Ausschluss der folgenden Kriterien: Die Symptome des Schmerzzustands können in jedem Alter auftreten, jedoch sind die meisten Betroffenen zwischen 20 und 40 Jahren alt mit einer Haupthäufigkeit im dritten Lebensjahrzehnt (Graf & Gelasse 1977). Frauen leiden häufiger und in einem niedrigeren Durchschnittsalter unter DHS (Flynn et al. 1985; Addy et al. 1987), was wahrscheinlich an der häufigeren und ausgiebigeren Dentalhygiene liegt. Der Rückgang der DHS-Häufigkeit ab einem Alter von 40 Jahren ist wahrscheinlich eine Konsequenz von reparativem und Sekundärdentin. Verschiedene Kliniker berichten über eine unterschiedliche Wahrnehmung der Prävalenz, wobei Dentalhygieniker etwa einen zweimal so hohen Prozentsatz melden wie Zahnärzte (Canadian Advisory Board 2002). Erklärung von Ursache und Mechanismus des Schmerzes bei DHS Schmerz ist generell eine unangenehme sensorische und emotionale Erfahrung, die mit tatsächlichem oder potenziellem Gewebeschaden verbunden ist (Alexander 2000). Diese Definition stellt bereits einige Schwierigkeiten bei der Behandlung von Schmerzzuständen heraus: Die individuelle Reaktion auf und Toleranz gegenüber verschiedenen Schmerzintensitäten sowie die hoch subjektive Natur der Dentinhypersensibilität machen eine objektive Bewertung extrem schwierig. PROPHYLAXEdialog Die heute allgemein akzeptierte hydrodynamische Theorie zur mechanistischen Erklärung der Schmerzentstehung bei DHS wurde von Gysi (1900) formuliert und von Brännström (1963) bestätigt. Sie basiert darauf, dass der Schmerz eine Konsequenz der Bewegung von Flüssigkeit in den Dentintubuli ist. Der Zustand ist episodisch, je nachdem, ob die Tubuli durchgängig oder verschlossen sind. Sobald ein Kanälchen partiell oder vollständig verschlossen ist, werden die Schmerzsymptome verringert. Viele Faktoren können hier zum Tragen kommen, so z.B. das Zähneputzen mit einer Zahnpaste, die einen sogenannten „smear layer“ entfernt oder erzeugt. Hierbei könnten Zahnpastenbestandteile die Dentintubuli blockieren oder öffnen. Einige Inhaltsstoffe von Zahnpaste, wie z.B. Natriumlaurylsulfat (West et al. 1998; Parkinson et al. 2007) können den „smear layer“ am Eingang der Dentintubuli entfernen, was auch für Säuren in Lebensmitteln gilt (Absi et al. 1992). W Risse, oft vorhanden bei stark restaurierten Zähnen, „cracked tooth syndrome“ W Brüche in Füllungen, falsch platzierte „dentine pins“, „ditching“ von Füllungsrändern W Nervenreiz durch Karies oder restaurative Behandlung W Abgeschlagene Zähne, bei denen Dentin offenliegt W Inkorrektes Anbringen von Dentinadhäsiven, die im Nanometerbereich Undichtigkeit mit sich bringen W Unangemessenes Anwenden von Medikamenten während der Präparation einer Zahnaushöhlung W Fehlende Sorgfalt beim Modellieren von Restaurationen, was zu traumatischem Gebissschluss führt W Palatogingivale Furchen und andere Schmelzinvaginationen und -defekte W Zahnaufhellung Diese Ansammlung von Befunden kann ähnliche Symptome verursachen wie DHS, was eine Unsicherheit der klinischen Diagnose zur Folge hat. Als generelle Regel gilt, dass, wenn nur ein Zahn hypersensibel reagiert, nur selten DHS vorliegt. Weiterhin gilt, dass DHS deswegen episodisch ist, weil das dynamische Gleichgewicht auf der Dentinoberfläche von einer abwechselnden Durchlässigkeit und Blockierung der Tubuli begleitet ist. Sonderausgabe 2010 50 Sonderausgabe Pro-Argin Die klinische Untersuchung zur Diagnose DHS würde daher eine möglichst objektive Bewertung der Reaktion auf mechanisch/taktile Stimuli, wie das Berühren des exponierten Dentins mit einer scharfen Sonde (Abb. 2), sowie thermische und evaporative Stimuli, wie ein kalter Luftstoß (Abb. 3), beinhalten. Das Resultat auf diese Stimuli ist ein kurzer, scharfer Schmerz, der so lange anhält wie der Stimulus selbst. Viele Patienten reagieren nicht auf alle Stimuli, aber die meisten verspüren den Schmerz beim evaporativen Stimulus. Röntgenbilder könnten indiziert sein, wenn der Verdacht auf parodontale oder andere Erkrankungen besteht. Abb. 2: Eine scharfe Sonde über exponiertem Dentin Abb. 3: Thermischer und evaporativer Stimulus, hier ein kalter Luftstoß Dentinhypersensibilität kommt am wahrscheinlichsten einerseits bei Patienten mit guter Mundhygiene vor, da hier das Dentin durch Schmelzverlust oder Zahnfleischverletzungen (Abb. 4) freigelegt wird. Andererseits findet man DHS auch oft bei Menschen mit mangelhafter Mundhygiene, bei denen fortschreitende Parodontalentzündung bereits eine Gingivarezession verursacht hat, wodurch das Dentin ebenfalls exponiert wird (Abb. 5). Bei den meisten Betroffenen ist das freiliegende Dentin klar sichtbar, aber sogar ein sehr kleines Gebiet exponierten Dentins mit minimaler Rezession kann bereits sensibel reagieren. Falls der Schmerz nach dem Beheben aller pathologischen Befunde noch immer anhält, kann die Diagnose DHS als bestätigt betrachtet und der nächste Schritt eingeleitet werden. Abb. 4: Gebiss mit Dentinhypersensibilität trotz guter Mundhygiene Abb. 5: Gebiss mit Parodontalerkrankung und Dentinhypersensibilität 66 Sonderausgabe 2010 SCHRITT 2: Ätiologie und Gewohnheiten modifizieren Die Ätiologie der DHS hat zwei Komponenten: 1. Das Dentin muss freigelegt werden, ein Prozess der Lokalisierung von Läsionen. 2. Die Tubuli müssen weit offenliegen und über ihre Gesamtlänge durchgängig sein, ein Prozess der Initiierung von Läsionen. Ätiologie: Läsionslokalisierung Viele junge Erwachsene weisen freiliegendes Dentin durch den Verlust von Schmelz und/oder Zement auf, aber aus klinischer Erfahrung leiden bei Weitem nicht alle an DHS (Addy et al. 1987). Jedweder Vorgang, der zur Freilegung von Dentin (z.B. Erosion oder Gingivarezession) und überdies zur Öffnung der Tubuli führt (Verlust des „smear layer“, der normalerweise die Tubuli verschließt und damit das Dentin abschirmt), kann potenziell zur Sensibilität der Zähne führen, was eine multifaktorielle Ätiologie nahelegt. Die Rolle der Bürstabrasion allein, mit oder ohne Zahnpaste, bei dem Verlust von Zahnhartsubstanz, ist untersucht. Eine Zahnbürste allein hat keinen messbaren Effekt auf den Schmelz und nur einen minimalen auf das weichere Dentin, wenn eine normale Routine von zweimaligem Putzen täglich eingehalten wird. Zahnpaste mit einem niedrigen abrasiven Index wird bei gleichem Putzprotokoll ebenfalls wenig zum Verlust der Zahnhartsubstanz beitragen (Addy 2008). Viele Menschen, die unter DHS leiden, putzen jedoch ihre Zähne exzessiv, bis zu fünfmal am Tag (West 1995). Darüber hinaus konnten Gillam et al. (2002a) zeigen, dass 70,6 % der Betroffenen öfter als zweimal am Tag putzten. Für diese Patienten sind detaillierte Instruktionen unbedingt notwendig, und eine Zahnpaste mit niedrigem abrasiven Index sollte empfohlen werden. Oft benutzen eben diese Betroffenen eine harte Zahnbürste und wechseln diese monatlich (West 1995). Der Verlust von Zahnschmelz ist vorwiegend ein Abnutzungsprozess durch Erosion, verursacht durch Angriffe intrinsischer oder extrinsischer Säuren auf die Zähne, und kann durch weitere Abnutzungsvorgänge verstärkt werden. Eine bukkale Zervixläsion mit freiliegendem Dentin durch Schmelzverlust ist mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf zurückzuführen, dass der Patient anfällig für Erosion ist, eine aggressive Zahnputztechnik praktiziert und Schmirgelstoffe in allen Zahnpasten enthalten sind. Sich zu überlegen, wie lange man tatsächlich zwischen einem Säureangriff auf die Zähne und einem Abrasivangriff durch die Zahnbürste warten sollte, erscheint vernünftig. Eine In-vitroStudie zeigte, dass etwa eine Stunde vergeht, bis das durch Speichel erworbene Schmelzoberhäutchen (der Pellikel) sich neu gebildet hat, möglicherweise weniger als eine Stunde auf Dentin (Wetoon et al. 2006), um einen optimalen Schutzeffekt gegen Erosion zu garantieren. Ein erosiver Angriff, welcher der Tätigkeit der Oralmuskulatur vorausgeht, sollte ebenfalls nicht unterschätzt werden. Eine In-situ-Studie (Gregg et al. 2004) zeigte, dass sogar die Zunge mit ihren abrasiven Eigenschaften durchaus in der Lage ist, Oberflächenverluste an erweichter Hartsubstanz zu verursachen. PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe Pro-Argin Ätiologie: Läsionsinitiierung SCHRITT 3: Behandlungsstrategien Läsionsinitiierung beinhaltet das Freilegen einer Anzahl weit offener Dentintubuli. Man nimmt an, dass Dentin mit dem „smear layer“ bedeckt ist oder die Tubuli mit Kalziumphosphat-Ablagerungen verschlossen sind, die aus dem Speichel und/oder der Zahnpasta stammen. Sowohl physikalische wie auch chemische Komponenten könnten den schützenden Einfluss verhindern, und so spielen erosive und abrasive Prozesse eine wichtige Rolle. Kliniker behandeln DHS häufiger auf der Basis vorheriger Behandlungserfolge, als vielmehr die spezifischen ätiologischen und prädisponierenden Faktoren jedes Patienten individuell zu betrachten. Der Zustand ist multifaktoriell, und somit wird einer Behandlung, die sich nicht nach einer spezifischen Kausalität richtet, lediglich ein trügerischer Erfolg beschieden sein. Viele Produkte zur Minderung der Symptome sind mittlerweile auf dem Markt, die zu Hause angewendet werden, aber bislang zeigt keine der angebotenen Formulierungen einen herausragenden Effekt. Verhalten: Prophylaxeberatung Eine Übersicht über die aktuelle Literatur erwähnt die Bedeutung des Konsums sogenannter Softdrinks von jungem Alter an als wichtigen Faktor bei der Abnutzung von Zähnen (Zero & Lussi 2000). Patienten mit einem hohen Risiko für Erosion lassen sich nicht leicht identifizieren, daher ist es wichtig für das Team der Zahnarztpraxis, Präventivmaßnahmen einzuleiten und aufmerksam nach den ersten Anzeichen für den Verlust der Zahnhartsubstanz zu suchen. Das Implementieren einer gesunden Lebensweise ist danach für einen Anteil der Patienten notwendig. Als Symptom kann leichte Dentinhypersensibilität mitunter das einzige Anzeichen für Zahnabnutzung sein. Durch die geringe Dicke der Schmelzschicht am Zahnhalssaum können einige Mikrometer Schmelzverlust bereits zur Freilegung des Dentins führen. Erosion und abrasive Einflüsse sind daher der Schlüssel zur Ätiologie der Dentinhypersensibilität. Umwelteinflüsse sind variabel und beeinflussen die Schmerzsymptome. Das Team in der Zahnarztpraxis muss die Risikofaktoren für den Patienten mit DHS identifizieren und dementsprechend beraten. Es gibt zwei wesentliche Ansätze zur Behandlung von DHS: 1. Modifikation oder Blockierung der Nervenreizleitung und 2. Änderung des Flüssigkeitsstroms innerhalb der Dentintubuli. Die folgenden Faktoren sollten dabei berücksichtigt werden: Die Befreiung von Symptomen der DHS kann extrem schwierig, frustrierend und zeitaufwändig sowohl für Patienten wie auch den Zahnarzt sein. Interessanterweise unterscheiden sich laut einer Studie von Gillam et al. (2002b) die Einschätzungen der Sensibilität ein und derselben Bevölkerungsgruppe, je nachdem, ob sie von Zahnärzten oder von Dentalhygienikern vorgenommen wurden. Viele Zahnärzte sehen sich außerstande, DHS erfolgreich zu behandeln (Gillam et al. 2002). Weil die allgemeine Bevölkerung mittlerweile die eigenen Zähne länger erhält (Nuttal et al. 2001), wird es immer wahrscheinlicher, dass Patienten irgendwann in ihrem Leben Parodontalerkrankungen, Zahnabnutzung und infolge auch DHS erfahren. Zahnärzte und Dentalhygieniker sollten daher in der Lage sein, effektiv und sinnvoll mit verschiedensten Fällen von DHS umzugehen, um sich den Problemen ihrer Patienten erfolgreich zu stellen. Dieser Artikel schlägt einen effizienten Umgang mit DHS vor, mithilfe dessen eine verlässliche und erfolgreiche Therapie der Dentinhypersensibilität möglich sein sollte. W Ätiologische Faktoren müssen verändert werden, um die Dentinoberfläche zu schützen und zu bedecken, damit der Schmerz reduziert wird (die Aufrechterhaltung des „smear layer“). W Die Ernährungsgewohnheiten des Patienten sollten genau beleuchtet werden, zusammen mit einer detaillierten medizinischen Anamnese mit Fokus auf Säurereflux. Die Häufigkeit, mit der erosive Getränke konsumiert werden, und die Länge der Pausen zwischen Aufnahmen sollten bewertet werden. Es sollte immer genügend Zeit vergehen, um eine Neubildung des Pellikels sowie ein Wiedererhärten der erweichten Oberfläche zu gewährleisten. Säurehaltige Lebensmittel und Getränke sollten nachts vermieden werden, genauso wie Spülen und Verteilen dieser Getränke im Mundraum. W Alle Tätigkeiten, die zur Gingivarezession beitragen, sollten vermieden werden, wie aggressive Mundhygiene, Zungenpiercing etc. Die zweimal tägliche Anwendung einer Zahnpaste mit niedrigem abrasiven Index wurde als empfehlenswert eingestuft. PROPHYLAXEdialog DHS kann in der Zahnarztpraxis professionell wie auch zu Hause behandelt werden, je nachdem, wie stark und anhaltend die Symptome sind und was der Patient individuell bevorzugt. Der Kliniker muss je nach Kausalität der DHS individuelle Strategien anwenden. Die am wenigsten invasiven Behandlungsmöglichkeiten werden gewöhnlich zuerst vorgeschlagen, direkt gefolgt von Anwendungen beim Zahnarzt. Da DHS in den meisten Fällen von Gingivarezession und erosiver Zahnabnutzung begleitet ist, muss Sorge getragen werden, dass die prädisponierenden Umstände ebenfalls geändert werden. Ein weites Angebot käuflicher Produkte zur Selbstanwendung stellt die einfachste und kostengünstigste Behandlungsmethode dar, die sogar vom Canadian Advisory Board befürwortet wird. Die Patienten werden angewiesen, ein desensibilisierendes Produkt anzuwenden, um die Symptome zu mildern. Prof. Dr. Nicola X. West Clinical Trials Unit · Dept. of Oral and Dental Science Bristol Dental Hospital and School Lower Maudin Street · Bristol BS1 2LY · Großbritannien Sonderausgabe 2010 70 Sonderausgabe Pro-Argin Dentinhypersensibilität: Ätiologie und Prävalenz – ein kurzer Überblick für den Zahnarzt Prof. Dr. Lars G. Petersson, Maxillo-Facial Unit, Central Hospital, Halmstad, Schweden Einführung Schmerzempfindliche Zähne sind heute ein in der Bevölkerung weit verbreitetes Problem, das bei Patienten mit freiliegendem Dentin oft von unangenehmen Symptomen begleitet ist. Dentinhypersensibilität wird allgemein als kurzer, scharfer Schmerz charakterisiert, der als Antwort auf verschiedene Reize am freiliegenden Dentin auftritt. Eine Voraussetzung für die Entstehung von Dentinhypersensibilität ist Gingivarezession und anschließende Offenlegung der Dentinsubstanz. Gingivarezession kommt bei fast 40 % der Menschen über 65 Jahre vor und wird vorwiegend durch falsches oder zu häufiges Zähneputzen, chronische Parodontalerkrankung, operative Eingriffe oder verschiedene Restaurationsbehandlungen verursacht. Dieser Übersichtsartikel fasst den aktuellen Wissensstand bezüglich der Definition, Ätiologie und Prävalenz der Dentinhypersensibilität zusammen. Ätiologie der Dentinhypersensibilität Obwohl schmerzempfindliche Zähne innerhalb der vergangenen Jahrzehnte bekannt waren und das Phänomen immer wieder diskutiert wurde, ist die genaue Ätiologie der Dentinhypersensibilität nicht bekannt (Canadian Advisory Board on Dentin Hypersensitivity). Prinzipiell ist Dentin nämlich keine schmerzempfindliche Hartsubstanz per se. Schmerzempfindliche Zähne weisen vielmehr freiliegende Dentintubuli wie auch Verlust des innertubulären Dentins auf (Holland 1985). Verschiedene Theorien wurden über die Jahre entwickelt, um den Schmerzmechanismus bei Dentinhypersensibilität zu erklären, von denen heute der hydrodynamische Prozess (West 2006) allgemein anerkannt wird. Die hydrodynamische Theorie von Brännström (1963) liefert die grundlegende Erklärung für den Schmerz bei freiliegendem Dentin und bei gleichzeitiger Abwesenheit bakterieller Infektionen oder kariöser Läsionen. Nach dieser Theorie ist der Schmerz eine Konsequenz thermischer oder osmotischer Veränderungen innerhalb der Dentintubuli. Der Schmerzzustand ist meist zeitlich begrenzt. Der thermische Ausdehnungskoeffizient der Flüssigkeit innerhalb der Tubuli ist etwa zehnmal so groß wie der der Tubuluswand. Den Schmerz lösen Reize aus, vor allem thermisch oder evaporativ (z.B. durch einen kalten Luftstoß), die Diffusion innerhalb der Dentintubuli verursachen. Ein Hitzestimulus wird daher mit einer Expansion der Flüssigkeit in den Tubuli einhergehen, wodurch die Diffusion verlangsamt wird und normalerweise eine geringere Schmerzreaktion auftritt. 88 Sonderausgabe 2010 Der Trigeminusnerv innerviert die Pulpa von verschiedenen myelinierten Fasern (A-β und A-δ Fasern), die auf Stimuli reagieren, die Flüssigkeit innerhalb der Dentintubuli über den hydrodynamischen Mechanismus verdrängen, wie z.B. taktile, evaporative, osmotische oder thermische Reize. Dieser Vorgang gibt Anlass zu einer scharfen, intensiven Schmerzempfindung, die normalerweise lediglich für einige Sekunden anhält. Dieser Schmerz ist mechanistisch anders als jener, der durch z.B. Entzündungsprozesse wie Pulpitis hervorgerufen wird, und für Stunden, wenn nicht sogar Tage anhält. Um eine Antwort auf einen Reiz zu liefern, müssen die Dentintubuli sowohl am der Pulpa zugewandten wie auch dem entgegengesetzten, zur Mundhöhle weisenden, Ende offen und durchgängig sein. Osmotische Reize, Flüssigkeiten mit saurem pH, hoher Ionenstärke oder Substanzen, die das Flüssigkeitsgleichgewicht in den Dentintubuli beeinflussen, können daher ebenfalls kurzzeitigen Schmerz verursachen. Sogar geringfügige mechanische Belastung, wie z.B. durch eine Sonde, die das freiliegende Dentin berührt, können die Flüssigkeitsdiffusion innerhalb der Dentinkanälchen so weit beeinflussen, dass Reaktionen an den Mechanorezeptoren der Nervenfasern auftreten, besonders wenn diese Nervenfasern neurogene Entzündungsanzeichen tragen und daher noch sensibler als gewöhnlich reagieren (Abb. 1). Es gibt jedoch auch eine Art elektrischer Entladung durch das Dentin, die man als Strömungspotenzial bezeichnet und die eine elektrische Stimulation des exponierten Nervs auslösen kann (Närhi 1985; Matthews et al. 2000). Stimulus: thermisch, mechanisch, evaporativ, chemisch Dentin Abb. 1: Das modifizierte hydrodynamische Modell nach Brännström: Auf- und Abbewegung der tubulären Flüssigkeit als Antwort auf externe Reize werden an den subodontoblastischen Plexus (blauer Pfeil) geleitet, wodurch ein vorübergehender Schmerzreiz auftritt. Pulpa Nerv PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe Pro-Argin Rasterelektronenmikroskopische und auch Farbdiffusionsexperimente ergaben, dass in schmerzempfindlichen Bereichen die Dichte der Dentintubuli etwa zehnfach vergrößert und der Durchmesser der Tubuli etwa doppelt so groß ist wie in schmerzunempfindlichen Gebieten. Ferner sind bei empfindlichen Dentinoberflächen die Tubuli offen, während sie in schmerzunempfindlichen Bereichen verschlossen und undurchlässig sind. Darüber hinaus zeigte sich, dass sowohl Anzahl wie auch Durchmesser der Dentintubuli von außen (Mundhöhle) nach innen (Pulpa) zunehmen. So sind z.B. an der Grenze zwischen Pulpa und Dentinoberfläche 45.000 Tubuli mit einem Durchmesser von 2,5 Mikrometer zu beobachten, während an der DentinSchmelz-Grenzfläche etwa 50 % weniger Tubuli mit einem Durchmesser von lediglich 0,8 Mikrometer gefunden werden (Schröder 2000). Diese Befunde legen nahe, dass sich Dentinhypersensibilität signifikant verschlechtern könnte, wenn ständig weitere Zahnhartsubstanzverluste verzeichnet werden, wie z.B. durch Abrasion, Erosion oder Attrition (Addy 2002). Die Durchlässigkeit des Dentins wurde genau untersucht, wobei gezeigt werden konnte, dass der Flüssigkeitsstrom durch die Tubuli sowohl von der Anzahl wie auch vom Radius der exponierten Tubuli abhängt. Demnach fällt die Flussgeschwindigkeit innerhalb der Tubuli auf einige wenige Prozent des Originalwerts ab, wenn der Radius der Kanälchen nur um die Hälfte verringert wird. Dies lässt sich dadurch begründen, dass die Flussrate proportional zur vierten Potenz des Radius ist. Es gibt natürliche Desensibilisierungsprozesse, die durch Wiedererhärten der Dentinsubstanz zu einer Verbesserung der Schmerzsymptome führen können. Dazu gehören die Bildung eines sogenannten „smear layer“, einer Kombination organischer und anorganischer, mikrokristalliner Ablagerungen, die spezifische Wirkung essentieller Speichelkomponenten, wie Kalzium und kalziumbindende Proteine, durch Phosphat vorangetriebene Remineralisation oder gar Zahnsteinbildung. Deshalb ist die partielle oder vollständige Verschließung der Dentintubuli von größter Wichtigkeit, wenn es darum geht, die Flüssigkeitsbewegung dort zu verringern und somit die Symptome der Dentinhypersensibilität zu mindern (West 2006; Goldberg et al. 2010) (Abb. 2). Abb. 2: Dentinoberfläche mit offenen, verschlossenen und partiell verschlossenen Dentintubuli (Pfeil) PROPHYLAXEdialog Mit dem Alter zunehmende Gingivarezession wurde als „normaler“ Prozess diskutiert, der Einfluss auf Dentinhypersensibilität hat. Dagegen zeigen jedoch ältere Patienten trotz freiliegenden Dentins häufig weniger Schmerzsymptome, da die Dentintubuli bei ihnen oft durch sklerotische Prozesse verengt oder gar verschlossen sind, wodurch die Schmerzempfindlichkeit verringert wird. Dergleichen kann auch während längerer Phasen der Remineralisation durch die im Speichel enthaltenen Komponenten Kalzium und Phosphat eintreten. Es gibt viele prädisponierende Faktoren für Dentinhypersensibilität: Verlust von Schmelz- und Zahnzementschichten legt Dentinoberflächen frei, die wiederum Zugang zu offenen Dentintubuli gewähren. Spontane Rissbildung oder kontinuierliche Zahnabnutzung durch Attrition (Zahn-auf-Zahn-Abnutzung), Erosion (chemische Auflösung der Zahnhartsubstanz) und Abrasion (häufige und falsche Anwendung von Zahnbürste und Zahnpaste mit zu starken Schmirgelstoffen) können ebenfalls die Schmerzempfindlichkeit der Zähne erhöhen. Professionelle Zahnreinigung, wie z.B. Polieren, Zahnsteinentfernung, die Anwendung eines Luftstroms und Bleichen von vitalen Zähnen, können sich schädlich auf bereits freiliegende Dentinoberflächen auswirken (West 2006). Da Zahnaufhellungen heute häufig zur Anwendung kommen, ist es wichtig zu wissen, dass Karbamidperoxid-Behandlungen bei 15 – 65 % der Patienten Schmerzempfindlichkeit zu Tage fördern können (Goldberg et al. 2010). Prävalenz der Dentinhypersensibilität Die Prävalenz schmerzempfindlicher Zähne wurde über die Jahre in verschiedensten Teilen der Welt beobachtet. Die Berichte beinhalten eine Vielfalt diagnostischer Methoden, was einen Vergleich sehr schwierig gestaltet. Es gibt zahlreiche Studien, die eine Häufigkeit von 15 % unter allen Zahnarztpatienten und zwischen 8 und 57 % der erwachsenen Bevölkerung berichten. Bis zu 30 % aller Erwachsenen leiden oder litten entweder zeitweise oder dauerhaft unter schmerzempfindlichen Zähnen. Die Mehrheit der Betroffenen ist zwischen 20 und 40 Jahre alt; mit weiter zunehmendem Alter scheinen reparative Prozesse, wie z.B. Sekundärdentinbildung, die die Durchlässigkeit der Tubuli verringert, das Fortschreiten der Dentinhypersensibilität zu kompensieren. Geschlechtsunterschiede treten dahingehend klar hervor, dass Frauen häufiger betroffen sind als Männer. Es wurde berichtet, dass Dentalhygienikerinnen zweimal so viele Betroffene registrieren wie Zahnärzte (Canadian Advisory Board on Dentine Hypersensitivity 2003). Die große Vielfalt der Prävalenzberichte über Dentinhypersensibilität sind wahrscheinlich ein Resultat unterschiedlicher diagnostischer Methoden, obwohl natürlich auch ethnische, kulturelle und ökonomische Faktoren eine Rolle spielen dürften. Die Zähne, die am häufigsten betroffen sind, sind die bukkalen Zahnhalsregionen der bleibenden Eckzähne und Prämolaren. Sonderausgabe 2010 90 Sonderausgabe Pro-Argin Zusammenfassung Dentinhypersensibilität ist ein häufig anzutreffendes Leiden, das mit zunehmender Exposition des Dentins an bleibenden Zähnen aller Altersgruppen beobachtet wird. Begünstigende Faktoren sind hierbei übereifrige Zahnhygiene mit zu harten und abrasiven manuellen oder elektrischen Zahnbürsten und die Benutzung von Zahnpaste mit hohem abrasiven Index. Weitere Ursachen der Zahnabnutzung, wie z.B. chemische (Erosion) oder mechanische Belastung (Abrasion, Attrition), können Faktoren darstellen, die die Voraussetzung für Dentinfreilegung und auch Dentinhypersensibilität sind. Manche Prozeduren in der Zahnarztpraxis können Situationen herbeiführen, in denen Dentinhypersensibilität häufiger auftritt. Zu ihnen gehören professionelle Zahnreinigung mit zu aggressivem Polieren, Glätten, Druckluftanwendung oder auch Bleichen der Zähne. Es ist wichtig zu erkennen, dass Speichel durch seine Pufferkapazität, Säurebeseitigung, Remineralisation und seine Wirkung auf die Bildung von Schmelzschutzhäutchen und „smear layer“ eine wichtige Schutzfunktion gegen Verlust der Zahnhartsubstanz hat. Ebenfalls wichtig ist, zu sehen, dass eine Anzahl professioneller Maßnahmen Dentinhypersensibilität verhindern oder mildern kann. Durch ein tieferes Verständnis der Mechanismen, die der Dentinhypersensibiliät zugrunde liegen, ist der Zahnarzt in der Lage, den Patienten zu beraten und ihm geeignete prophylaktische und therapeutische Ansätze zu empfehlen, die Zähne schmerzunempfindlicher machen und die Lebensqualität dadurch eindeutig erhöhen. Prof. Dr. Lars G. Petersson Dept. of Preventive and Community Dentistry Maxillo-Facial Unit Central Hospital · 301 85 Halmstad · Schweden Dentinhypersensibilität – ein bekanntes Problem mit zahlreichen Lösungsansätzen PD Dr. Christian R. Gernhardt, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Einleitung Als Dentinhypersensibilität bezeichnet man allgemein einen pathologischen Schmerzzustand, der durch freiliegende Dentinoberflächen mit erhöhter Sensibilität gegenüber intraoralen Stimuli verursacht wird (Chabanski & Gillam 1997; Addy 2002; Kielbassa 2002; Sykes 2007) (Abb. 1). Abb. 1: Freiliegende Dentinoberflächen der unteren Frontzähne. Diese reagieren sensibel auf äußere Reize. Als schmerzauslösende Reize kommen dabei thermische, mechanische oder chemische Noxen infrage (Addy & Urquhart 1992; Addy 2002). Die betroffenen Patienten äußern unterschiedliche Beschwerden, die von leichten Missempfindungen bis zu massiven Schmerzzuständen reichen und stark von der individuellen Schmerzempfindung bzw. -toleranz sowie emotionalen und physischen Faktoren abhängen (Ash 1986; McGrath 1986). Meist klingen diese nach erfolgter Reizeinwirkung schnell und vollständig ab. Der Schmerz unterscheidet sich vom herkömmlichen Dentin- oder Pulpaschmerz dadurch, dass der Patient den Ort der Schmerzentstehung gut lokalisieren kann (Sykes 2007). Bemerkenswert ist, dass die Intensität der beschriebe- 10 Sonderausgabe 2010 nen Schmerzen dabei nicht unweigerlich mit den klinischen Befunden korreliert. Zieht man außerdem in Betracht, dass infolge der heute effizienteren und hochwertigeren Diagnose- und Therapieverfahren immer mehr Menschen den Großteil ihrer Zähne bis ins hohe Alter behalten werden und somit die Zahl der freiliegenden Dentinoberflächen im Zahnhalsbereich und damit verbundener Begleiterscheinungen – Dentinhypersensibilität, Wurzelkaries – aufgrund von Parodontopathien, Atrophievorgängen oder durch die verfügbaren Therapie- und Prophylaxemöglichkeiten selbst, zunehmen wird (Bartold 2006), kann man annehmen, dass das Phänomen Dentinhypersensibilität in Zukunft eine größere Rolle spielen wird. Ein weiterer Aspekt, der eine Zunahme der Dentinhypersensibilität vermuten lässt, ist die durch das gesteigerte ästhetische Empfinden unserer Patienten vermehrte Anwendung von Bleichtherapien. Eine glücklicherweise meist temporäre Nebenwirkung des Bleichens vitaler Zähne ist die in der Folge auftretende Hypersensibilität (Auschill et al. 2005; Ziebolz et al. 2007). Obwohl die Ätiologie, Epidemiologie und Therapie von nicht-kariösen Zahnhartsubstanzdefekten und häufig damit verbundener Hypersensibilitäten ein viel diskutiertes Thema in der Literatur ist (Meurman & ten Cate 1996; Barbour & Rees 2006), trägt die Vielzahl der unterschiedlichen Therapievorschläge auch heute noch zur Verwirrung bei. Eine sorgfältige Befunderhebung und die daraus resultierende Diagnose sind wichtige Voraussetzungen für die Auswahl eines geeigneten Therapiekonzepts. PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe Pro-Argin Trotz der Vielfalt möglicher Therapien zur Beeinflussung schmerzhafter Zustände bei Dentinhypersensibilität, ist es bisher nicht gelungen, eine endgültig befriedigende Lösung zu finden. Epidemiologische Aspekte der Dentinhypersensibilität Obwohl sich zahlreiche Studien mit der Therapie und Ätiologie der Dentinhypersensibilität beschäftigen, existieren in der internationalen Literatur nur vergleichbar wenige hochwertige Untersuchungen, die Aussagen über die Prävalenz der zervikalen Dentinhypersensibilität treffen. In einer Untersuchung, die insgesamt 635 Patienten einschloss, gaben 25 % aller Patienten selbst an, unter Dentinhypersensibilität zu leiden. Nach klinischer Untersuchung konnten jedoch lediglich bei 17 % der Patienten Symptome der Dentinhypersensibilität diagnostiziert werden (Fischer et al. 1992). Eine Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung unserer Patienten und einer tatsächlich diagnostizierbaren Dentinhypersensibilität scheint möglich. Ähnliche Werte sind auch aus anderen Publikationen bekannt (Liu et al. 1998; Lussi et al. 1993). Andere Untersucher beschrieben, dass 52–57 % aller Patienten Missempfindungen infolge von Dentinhypersensibilität äußern (Irwin & McCusker 1997; Verzak et al. 1998; Gillam et al. 1999; Taani & Awartani 2002; Udoye 2006). Untersuchungen am Patientenklientel einer allgemeinzahnärztlichen Praxis zeigten lediglich in etwa 3 % der Fälle das Auftreten der Dentinhypersensibilität (Rees & Addy 2004). Beobachtungen an parodontal behandelten Patienten zeigten dagegen eine deutlich höhere Prävalenz der Dentinhypersensibilität (67,7– 98 %) (Chabanski et al. 1996; Chabanski & Gillam 1997; Taani & Awartani 2002; von Troil et al. 2002; Rees et al. 2003). Frauen scheinen häufiger als Männer betroffen zu sein, die Verteilung liegt ca. bei 60:40 (Flynn et al. 1985; Fischer et al. 1992). Andere Autoren verneinen eine geschlechterspezifische Häufung (Al-Sabbagh et al. 2004). Prinzipiell können alle Altersklassen im zweistelligen Bereich betroffen sein. Es scheint jedoch eine Häufung zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr zu geben (Al-Sabbagh et al. 2004). Hinsichtlich der Lokalisation wird ein vermehrtes Auftreten im Unterkiefer beschrieben (Udoye 2006). Manche Autoren beobachten ein vermehrtes Auftreten an Eckzähnen, andere beschreiben, dass Molaren und Prämolaren die am häufigsten betroffenen Zähne sind (Taani & Awartani 2002; Rees & Addy 2004). Pathogenese und Mechanismus der Dentinhypersensibilität Viele Untersuchungen während der letzten Jahrzehnte zielten darauf ab, den Mechanismus der Dentinsensibilität bzw. -hypersensibilität zu klären. Man geht allgemein davon aus, dass eine exponierte Dentinoberfläche mit offenen Tubuli die Grundvoraussetzung PROPHYLAXEdialog für das Auftreten dieses Phänomens ist (Johnson & Brännström 1974; Yoshiyama et al. 1989; 1990). Verwirrend sind jedoch die Vielzahl der Hypothesen zur Innervation, Schmerzperzeption und Weiterleitung von Reizen im Bereich des Dentins. Die hydrodynamische Theorie gilt heute als die gültige Erklärung für die Dentinhypersensibilität (Brännström 1966; 1967; 1968; Brännström & Johnson 1970; Brännström & Aström 1972; Hirvonen & Närhi 1986). Sie führt die Reizübertragung auf eine Verschiebung des Dentinkanälcheninhalts durch eine schnelle Flüssigkeitsbewegung in den Tubuli zurück (Brännström et al. 1967). Ultrastrukturelle Grundlage sind die in den Tubuli lokalisierten Odontoblastenfortsätze und der den periodontoblastischen Raum ausfüllende Dentinliquor sowie die Beobachtung, dass sensible Nervenfasern nur im Bereich des Prädentins und des pulpanahen Dentins sicher dargestellt werden konnten. Bedingt durch einen Druckgradienten von 30 mm Hg (Beveridge & Brown 1965) resultiert ein von pulpal nach peripher gerichteter Liquorstrom, der jedoch nicht zu einer Schmerzsensation führt. Eine Applikation von Heiß- und Kaltreizen, osmotisch wirkenden Substanzen sowie die Kavitätenpräparation oder exzessive Trocknung induzieren bei exponierten Dentinflächen mit offenen Tubuli (Brännström et al. 1968; Johnson & Brännström 1971) einen durch Kapillarkräfte bedingten schnellen Auswärtsfluss. Gleichzeitig kann eine Verlagerung des Tubulusinhaltes nach peripher beobachtet werden (Brännström & Johnson 1970; 1978). Studien zeigten eine erhöhte Liquorfließrate von 2–4 mm/Sek. nach Trocknung der Dentinoberfläche mit einem Luftbläser (Bergren & Brännström 1965). Ähnliche Ergebnisse wurden nach der Applikation von Zucker oder Salzen gefunden. Elektrophysiologische Studien zeigten, dass intradentale A-Delta-Fasern, deren Endigungen im Bereich der Pulpa-Dentin-Grenze lokalisiert sind, die Schmerzleitung nach Reizapplikation übernehmen und für den hellen, spontan auftretenden Schmerz verantwortlich sind (Närhi et al. 1984; Hirvonen & Närhi 1986; Jyväsjärvi & Kniffki 1987). Therapiemöglichkeiten der Dentinhypersensibilität Ziel sämtlicher therapeutischer Maßnahmen ist es, das Auftreten von Schmerzen bzw. Missempfindungen im Bereich der freiliegenden Zahnhälse zu verhindern bzw. zu beseitigen (Duroux & Cimasoni 1991). Die Wahl der geeigneten Therapie ist dabei vor allem vom klinischen Befund abhängig (Abb. 2). Abb. 2: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer sensiblen Dentinoberfläche. Deutlich zu erkennen sind die freiliegenden Dentinkanälchen. Sonderausgabe 2010 11 Sonderausgabe Pro-Argin Eine entscheidende Rolle bei der Behandlung spielen dabei das Vorhandensein und die Ausdehnung von Zahnhartsubstanzdefekten. Während freiliegende Zahnhälse ohne Zahnhartsubstanzdefekte, abgesehen von parodontal-chirurgischen Maßnahmen, in der Regel nicht-invasiv behandelt werden können, erfordern ausgeprägte Zahnhartsubstanzdefekte meist ein invasives restauratives Vorgehen. Die angewendeten Therapiemittel sollten die folgenden, bereits 1935 postulierten Forderungen erfüllen (Grossman 1935). Anforderungen an die Therapie der Dentinhypersensibilität W Keine Irritation oder Gefährdung der vitalen Pulpa W Schmerzlose Applikationsmöglichkeit W Einfach in der klinischen Anwendung W Schneller und vorhersagbarer Wirkungseintritt W Permanenter und effektiver Erfolg W Keine ästhetischen Irritationen Die Behandlung der hypersensiblen Zahnhälse lässt sich in drei Hauptteile unterteilen: präventive, nichtinvasive und invasive Maßnahmen. Bei allen Patienten, die bereits über hypersensible Zahnhälse klagen, sollte jedoch durch prophylaktische Maßnahmen eine Zunahme der betroffenen Zahnoberflächen vermieden werden. Nicht-invasive Therapiemaßnahmen Zu den nicht-invasiven therapeutischen Möglichkeiten, die dem Zahnarzt zur Behandlung hypersensibler Zahnhälse zur Verfügung stehen, gehören eine Vielzahl von Lacken, Lösungen und Gelen, die allesamt einen Verschluss der Dentinkanälchen hervorrufen und somit die Schmerzentstehung unterbinden sollen. Neben der Anwendung fluoridhaltiger Agenzien kommen auch anorganische und organische Ionenverbindungen sowie Dentinhaftvermittlersysteme in Betracht. Fluoridhaltige Präparate In Form von Gelen, Lösungen und Lacken werden vor allem Natriumfluorid, Zinnfluorid, Natriummonofluorphosphat und Aminfluoride oder Kombinationen aus unterschiedlichen Fluoridformen zur Therapie der Dentinhypersensibilität eingesetzt (Collaert & Fischer 1991; Yates et al. 2004). Die auf die freiliegenden Dentinoberflächen applizierten Fluoridpräparate sollen durch verstärkte Remineralisationsprozesse einen Verschluss der Dentinkanälchen bewirken. Durch das Ausfällen von schwer löslichen Fluoridkristallen auf der Oberfläche wird die Obliteration der Kanälchen erzielt (Ellingsen & Rølla 1987; Gangarosa 1994). Da diese indirekte Versiegelung der Dentinkanälchen nur temporären Charakter besitzt, ist eine mehrfache Applikation notwendig. Niedermolekulare ionische Verbindungen Präventive Möglichkeiten Da das Auftreten hypersensibler Zahnhälse an das Freiliegen von Dentinoberflächen gebunden ist, bietet die Vermeidung solcher Problemzonen den bestmöglichen Schutz. Vor allem eine adäquate und richtig durchgeführte häusliche Mundhygiene spielt nicht nur für die Prävention kariöser und parodontaler Erkrankungen, sondern auch für die Prävention freiliegender Zahnhälse eine wichtige Rolle. Durch die Verwendung nicht oder nur geringfügig abrasiver Zahnpasten in Kombination mit einer weicheren Zahnbürste kann Putzdefekten und somit dem Verlust von Zahnhartsubstanz vorgebeugt werden. Außerdem kann einem Rückgang der marginalen Gingiva, welcher ebenfalls zu exponierten Dentinoberflächen führen kann, durch das Erlernen einer adäquaten Putztechnik vorgebeugt werden. Durch die Wahl spezieller Zahnpasten können auch bereits bestehende Symptome gelindert werden. Ein weiteres Ziel sollte die Vorbeugung von Erosionen durch Aufklärung und Anleitung des Patienten sein. Hier ist besonders auf die Vermeidung möglicher ätiologischer Faktoren, wie beispielsweise der exzessive Genuss von säurehaltigen Nahrungsmitteln, zu achten. Die Vermeidung von diesen Nahrungsmitteln beugt nicht allein dem Fortschreiten oder der Entstehung von Erosionen vor, sondern kann auch das Auftreten der Schmerzen verhindern, da der Kontakt der Dentinoberfläche mit Säuren zu einer Entfernung der Schmierschicht und somit zu einem Freiliegen und Öffnen der Dentinkanälchen führt. 12 Sonderausgabe 2010 Zur Behandlung der Dentinüberempfindlichkeit stehen zahlreiche niedermolekulare ionische Verbindungen, organische und anorganische Salze, zur Verfügung. Es handelt sich hierbei um strontiumchlorid-, kaliumnitrat-, eisen- oder aluminiumoxalat-, natriumcitrat-, magnesiumsulfat-, kaliumoxalat- und aluminiumlactathaltige Lösungen, Lacke oder Pasten (Orchardson & Gillam 2000; Poulsen et al. 2006). Die desensibilisierende Wirkung dieser Agenzien basiert im Wesentlichen auf zwei Grundmechanismen. Einerseits soll die Präzipitation schwer löslicher Salzkristalle zu einer artifiziellen Obliteration der Dentinkanälchen führen (Ishikawa et al. 1994). Andererseits bewirken freie Kationen im Bereich der Nervenmembranen eine Anhebung des Schwellenwerts, der zur Auslösung eines Membranpotenzials erreicht werden muss, und erschweren somit die Schmerzperzeption und Weiterleitung durch die sensiblen A-Delta-Fasern (Markowitz & Kim 1992; Peacock & Orchardson 1995; Kolker et al. 2002; Duran & Sengun 2004). Strontiumchloridhaltige Zahnpasten oder Lacke sollen infolge der Präzipitation und durch die schmerzstillenden Eigenschaften des Strontiums eine Linderung der Beschwerden erreichen. Eine weitere Therapiemöglichkeit bieten Eisen- und Aluminiumoxalate, die durch Ausfällung von schwer löslichem Kalziumoxalat einen Verschluss der offenen Dentinkanälchen erzielen sollen (Pashley & Galloway 1985). PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe Pro-Argin Kunststoffhaltige Versiegler Restaurative Therapie Die Anwendung von Dentinhaftvermittlern zur Therapie der hypersensiblen Zahnhälse wurde erstmals von Brännström et al. (1979) untersucht. Andere Untersucher beobachteten ebenfalls einen desensibilisierenden Effekt nach der Applikation von Acrylaten auf Dentin (Javid et al. 1987; Pamir et al. 2007). Da die Applikation von Primern eine Reduktion der Dentinpermeabilität verursacht, scheint die Anwendung dieser Agenzien zur therapeutischen Beeinflussung der Dentinhypersensibilität geeignet (Watanabe et al. 1991; Bergenholtz et al. 1993; Schaller & Götze 1993; Nikaido et al. 1995; Vaitkeviciene et al. 2006). Durch das Auftragen der Dentinprimer werden die Dentinkanälchen ganz oder teilweise versiegelt und eine Schmerzentstehung kann verhindert werden (Watanabe et al. 1991; Ide et al. 1998). Die Füllungstherapie ist eine Möglichkeit, Missempfindungen, die infolge freiliegender Dentinoberflächen auftreten, zu beseitigen. Diese Möglichkeit sollte auf jeden Fall immer dann in Betracht gezogen werden, wenn ausgeprägte Zahnhartsubstanzverluste vorliegen und die freiliegenden Dentinoberflächen bereits kariöse Veränderungen aufweisen. Als Restaurationsmaterial dieser Klasse-V-Läsionen kommen vor allem Kompomere und Komposite zur Anwendung. Kompomere haben den Vorteil, dass aufgrund eines niedrigeren E-Moduls als bei herkömmlichen Kompositen eine Art Pufferfunktion bei Deformation des zervikalen Bereichs infolge okklusaler Belastung des Zahnes das Randschlussverhalten der Füllung positiv beeinflusst (Loher et al. 1997). Zahnhalsfüllungen aus Kompomeren zeigen heute ähnliche ästhetische und funktionelle Eigenschaften wie Kompositfüllungen und sind daher als gleichwertige Alternative einzustufen. Parodontalchirurgische Maßnahmen In manchen Fällen kann auch durch chirurgische Maßnahmen eine Linderung der Beschwerden herbeigeführt werden. Ziel der mukogingival-chirurgischen Eingriffe ist die Deckung freiliegender Zahnhälse. Die vorliegenden Rezessionen können mit unterschiedlichen Operationsmethoden behandelt werden. Neben dem Verfahren der Guided Tissue Regeneration (GTR) ist das freie Bindegewebstransplantat zur Rezessionsdeckung eine Methode mit hoher Erfolgsaussicht (Pini Prato et al. 1996). Der Eingriff an sich kann auf unterschiedliche Art und Weise durchgeführt werden. Neben der sogenannten Envelope-Technik (Raetzke 1985) kommen laterale (Nelson 1987) und koronale Verschiebelappen (Bruno 1994) zum Einsatz. Die Erfolgsaussichten der chirurgischen Rezessionsdeckung sind in hohem Maße vom chirurgischen Geschick des Behandlers abhängig und die Prognose auf lange Sicht noch nicht geklärt. Invasiv-restaurative Therapiemöglichkeiten Restaurative Maßnahmen zur Versorgung der vorliegenden Defekte sollten immer dann in Betracht gezogen werden, wenn folgende Gegebenheiten vorliegen (Lambrechts et al. 1996): Indikationen für restaurative Maßnahmen W Ausgeprägte Zahnhartsubstanzdefekte, die den Erhalt des Zahnes gefährden W Kariöse Läsionen, die ein restauratives Vorgehen erfordern Mithilfe der Säure-Ätz-Technik und eines geeigneten Dentinhaftvermittlers können auch im Zahnhalsbereich Kompositfüllungen dauerhaft und zuverlässig appliziert werden, so dass die Beschwerden in der Regel abklingen. Gleichzeitig können ästhetische Unzulänglichkeiten, die vom Patienten als störend empfunden werden, auf diese Art und Weise behoben werden. Endodontische Behandlung Die Möglichkeit der Devitalisierung und nachfolgender endodontischer Behandlung betroffener Zähne als maximalinvasive Lösung sollte nur im Fall persistierender, schwerer Schmerzzustände in Erwägung gezogen werden. Erst nachdem alle anderen Therapiemöglichkeiten erfolglos angewandt wurden, sollte dem Patienten diese Möglichkeit angeboten werden. Notwendig wird die endodontische Behandlung natürlich in Fällen, in denen pulpitische Symptome vorliegen oder aufgrund des Ausmaßes des Zahnhartsubstanzdefekts bereits eine Pulpaexposition vorliegt. Sicherlich lassen sich durch endodontische Maßnahmen die vorhandenen Schmerzsensationen ausschalten, jedoch können gegebenenfalls auftretende Komplikationen die Prognose des Zahnes erheblich beeinträchtigen. PD Dr. Christian R. Gernhardt Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Universitäts- und Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie Große Steinstraße 19 · 06108 Halle W Persistierende, therapieresistente Schmerzen W Ästhetische Faktoren W Gefahr der Pulpaexposition bei weit fortgeschrittenen Defekten Als Maßnahmen kommen neben den konservierenden auch prothetische Möglichkeiten in Erwägung. PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe 2010 13 Sonderausgabe Pro-Argin Die Lösung bei Dentinhypersensibilität für Sie und Ihre Patienten – die Wirkstoffkombination Arginin/Kalziumkarbonat Prof. Dr. Mark S. Wolff, Morey J. Gendler, Scott W. Podell, New York University College of Dentistry, USA Eine große Anzahl Menschen leidet unter Dentinhypersensibilität (DHS), wobei die Zahlen zwischen 8 und 35 % der Bevölkerung schwanken (Chabanski et al. 1997). Die mittlerweile anerkannte Definition der Dentinhypersensibilität wurde bei einem Konsensmeeting zum Entwurf und der Durchführung klinischer Studien (Holland et al. 1997) als „kurzer scharfer Schmerz, der durch freiliegendes Dentin als Antwort auf einen externen Stimulus (thermisch, evaporativ, taktil, osmotisch oder chemisch) auftritt und keiner anderen Form von Zahndefekt oder -pathologie zugeschrieben werden kann“. Dentinhypersensibilität unterscheidet sich somit von anderen Schmerzempfindlicheiten, die durch Risse in der Zahnsubstanz, brüchigen Sanierungen, Zahnkaries oder Mikroleckagen hervorgerufen werden. Gysi (1900) schlug als Erster vor, dass die Schmerzempfindung bei freiliegendem Dentin durch Flüssigkeit in den Dentintubuli ausgelöst wird. Die sogenannte „hydrodynamische Theorie“ (Brännström 1963) postuliert, dass die Bewegung von Flüssigkeit innerhalb durchgängiger Dentintubuli Schmerzen verursacht. Die Kanälchen müssen durchlässig bleiben, wenn sie dem Speichel und anderen Elementen der Mundhöhle ausgesetzt sind, um Anlass für Hypersensibilität zu geben. (Brännström et al. 1967). Sensible Zähne weisen eine höhere Anzahl signifikant erweiterter Dentintubuli auf als nicht sensible (Absi et al. 1987). Eine Erklärung, warum die durchgängigen Tubuli bei bestimmten Patienten Hypersensibilität erzeugen, bei anderen wiederum nicht, ist nicht klar ersichtlich. Es gibt eine signifikante negative Korrelation zwischen der Ansammlung bukkaler Plaque und dem Auftreten von Sensibilität, was nahelegt, dass DHS nichts mit den Ablagerungen zu tun hat (Addy et al. 1987). Vielfach wurde klinisch beobachtet, dass Patienten mit DHS außergewöhnlich saubere Zähne haben. Innerhalb von Plaqueablagerungen wird das Ausmaß der Säureproduktion, die Abnahme des pH-Werts und ihre Dauer durch den Speichel und seine Bestandteile reguliert (Kleinberg 1970). Der Prozess der Säureproduktion wird weithin als die Ursache für die Demineralisation der Zahnstruktur (Schmelz und Dentin) akzeptiert. Plaqueansammlung und anschließende Säureproduktion scheint jedoch nicht der Schlüssel zum Auftreten von DHS zu sein. DHS entwickelt sich nach einem anderen Mechanismus. 14 Sonderausgabe 2010 Es wurde postuliert, dass offene Dentintubuli durch die mangelnde Fähigkeit des Speichels, einen kalzifizierten Pellikel zu bilden, sowie durch säurebedingte Erosion oder Abrasion, z.B. durch die Zahnbürste, verursacht werden (Brännström 1992). Die Ätiologie der DHS scheint ein multifaktorieller Prozess zu sein, im Rahmen dessen der erste Schritt der Verlust des Zervikalschmelzes als Konsequenz einer Kombination von Abrasion und Erosion (Addy & Pearce 1994) und/oder Rezession des Parodontalgewebes ist, wodurch die Oberfläche des Wurzeldentins ebenfalls exponiert wird (Addy 2001). Der Verlust des Parodontalgewebes kann ein Resultat abrasiver Prozesse sein, wie z.B. bei der Bürstabrasion (Volpe et al. 1975), der professionellen Zahnreinigung oder bei chirurgischen Eingriffen. Schmelzerosion wird allgemein als die chemische Auflösung und oberflächlicher Verlust der Zahnhartsubstanz beschrieben, was durch Säuren in Abwesenheit mikrobieller Plaque hervorgerufen wird (Hannig et al. 2003). Säurebedingte Erosion, sowohl ex- als auch intrinsisch, fand in der Kausalität von DHS Erwähnung. Der tatsächliche Verlust der Zahnhartsubstanz kann zusätzlich durch physikalische Abrasion (Addy 2002) beschleunigt werden. Zitronen- und Maleinsäure sind in vielen Früchten, Fruchtsäften und Softdrinks in einer Konzentration von 0 – 3 % enthalten. Phosphorsäure findet sich in einer großen Anzahl Konsumentenprodukte, wie z.B. Colagetränken, und dies in einer Konzentration zwischen 0 und 1% (West et al. 2001). Diese Säuren besitzen die Fähigkeit, sowohl Schmelz als auch Dentin zu erweichen und schließlich aufzulösen, da auf der Zahnoberfläche ein Kalziumverlust stattfindet. Aus einer Bewertung des Einflusses von pH und Zeit auf die Erweichung der Dentinoberfläche geht hervor, dass das Dentin bereits bei relativ hohen pH-Werten (6,0 – 6,2) deutlich weicher wird (Vanuspong et al. 2002). Während epidemiologisches Datenmaterial bislang noch fehlt, wurden durch In-situ-, In-vitro- und klinische Studien deutliche Hinweise auf die Schmelzerosion durch extrinsische Säuren erbracht (Zero & Lussi 2000). Säurehaltige Mundhygiene- und Medizinprodukte, wie z.B. Acetylsalicylsäure (ASS, Aspirin), wurden im Zusammenhang mit Dentinerosion diskutiert (Hellwig & Lussi 2006). PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe Pro-Argin Es gibt wenige Gründe, warum die säurebedingte Demineralisation von Zahnschmelz nicht auch das Dentin betreffen sollte, obwohl wahrscheinlich in einer anderen Geschwindigkeit. Die Häufigkeit, Art (z.B. durch den Strohhalm), Dauer und Tageszeit des Konsums beeinflussen alle das Ausmaß, in welchem Erosion und in deren Folge Offenlegung des Dentins verursacht werden. Abrasion der erweichten Dentinoberfläche durch aggressives Bürsten scheint eine zusätzliche Rolle in diesem Prozess zu spielen. Das Zähneputzen allein, ohne erosive Erweichung des Dentins oder die Anwendung einer Zahnpaste, wird die schützende Schmierschicht schwerlich entfernen (Absi et al. 1992). Obwohl Zahnpaste potenziell die Dentinoberfläche zu einem gewissen Grad abnutzen kann, kam man zu dem Schluss, dass sie nur einen geringen Einfluss auf den Zahnschmelz und einen klinisch insignifikanten Einfluss auf das Dentin hat (Hunter & West 2000). Der stärkste Dentinverlust wird verzeichnet, wenn das Zähneputzen (sogar ohne Zahnpaste) direkt nach einem Säureangriff stattfindet (Absi et al. 1992). Aus diesem Grund ist eine Empfehlung gegen das Putzen unmittelbar nach dem Konsum säurehaltiger Lebensmittel angemessen. Obwohl viele Patienten mit freiliegendem Dentin DHS als Folge erosiver oder abrasiver Agentien entwickeln, geschieht dies bei Weitem nicht bei allen. Es scheint, dass die Plaque/der Pellikel/der Biofilm auf der Zahnoberfläche eine bedeutende Rolle in der Verhinderung der Demineralisation und im Vorantreiben der Remineralisation spielen. Als Folge eines Säureangriffs mag die pH-Absenkung und Solubilisierung der Dentinoberfläche stärker sein, wenn sich auf dieser Oberfläche wenig oder gar keine Plaque befindet, da Plaque bereits lösliche und schützende KalziumphosphatBausteine enthält (Kleinberg et al. 1994). Abrasives Zähneputzen kann tatsächlich sowohl zum Dentinverlust wie auch zur Entfernung der schützenden Plaqueschicht beitragen, obwohl bis heute nur wenige Forschungsbemühungen dem Einfluss des Pellikels auf die Dentinerosion gewidmet wurden. Eine In-vitroStudie zeigte eine Widerstandsfähigkeit gegen Säureangriffe, sobald der Biofilm weniger als eine Stunde Zeit zu seiner Bildung hatte (Wetton et al. 2006). Der durch den Speichel erzeugte Biofilm könnte hier wie bei Karies in Prozesse auf der Zahnoberfläche eingreifen. Die Rolle des Speichels bei DHS Heute gilt als gesichert, dass Speichel vielfältige Funktionen bei der Verhinderung von Demineralsation und sogar beim Vorantreiben der Remineralisation hat. Diese Funktionen beinhalten u.a. das Abpuffern von Säuren mithilfe von Bikarbonat, Speichelproteinen und Kalziumphosphat (Kleinberg 1970) sowie die Verdünnung und Entfernung erosiver Stoffe. PROPHYLAXEdialog Der proteinreiche Biofilm oder Pellikel ist zwei Stunden nach Neubildung je nach Lage 20 – 500 nm dick und kann mit einer Zahnbürste allein oder durch Kauen von Lebensmitteln nicht entfernt werden. Die Fähigkeit dieses dünnen Biofilms, Säuren zu neutralisieren, wie auch die Remineralisation der Dentinoberfläche zu unterstützen, erscheint extrem wichtig, wenn es darum geht, ob ein Dentinkanal verschlossen wird oder offenbleibt. Es war diese Tatsache, dass Speichel in diese Prozesse eingreift, welche zur Entwicklung einer bahnbrechenden Technologie führte. Die An- oder Abwesenheit durchlässiger Dentintubuli hilft dabei, vorauszusagen, ob das Dentin hypersensibel auf externe Stimuli reagiert. Die Erforschung, wie Speichel die Remineralisation der Zahnhartsubstanz unterstützt, vollzog sich in drei Richtungen. Die offensichtlichste Wirkung von Speichel auf die Kalzifizierung der Zahnoberfläche lässt sich an der Konzentration freien Kalziums und Phosphats im Speichel sehen. Diese beiden Komponenten würden sich natürlich zu einem Kalziumphosphat-Komplex, genannt Zahnstein, zusammenschließen. Zahnstein findet sich am häufigsten an den unteren Vorderzähnen. In dieser Region tritt DHS nur äußerst selten auf. Zahnstein bildet sich, wenn der pH des Speichels ansteigt und der Speichel somit eine Sättigung mit Bezug auf Kalzium und Phosphat erreicht. Die häufigste Erklärung für einen pH-Anstieg innerhalb einer sauren Plaqueumgebung ist die Anwesenheit von Bikarbonat im Speichel. Darüber hinaus wird ein Stoff, Präzipitin, das ein Aggregat aus Kohlenhydrat, Protein und Kalziumphosphat darstellt (Chatterjee & Kleinberg 1979; Kleinberg et al. 1994) im Speichel produziert und in der Plaque auf der Zahnoberfläche abgelagert. Dieses Aggregat dient nun als Phosphatreservoir für die Mineralisierung. Es scheint darüber hinaus Prozesse zu geben, die zur Neutralisierung des pH in der Mundhöhle beitragen (Wijeyeweera & Kleinberg 1989). Kleinberg konnte zeigen, dass die Aminosäure Arginin und kleine, Arginin enthaltende Peptide für ein Ansteigen des pH mitverantwortlich sind. Diese Resultate stellten die Grundlage einer Serie von Experimenten dar, der idealen Kombination von Arginin und Kalzium zur kontrollierten Fällung (Präzipitation), um offene Dentintubuli wieder zu verschließen. Zur Findung der idealen Kombination dieser Komponenten wurden Versuche durchgeführt und deren Erfolg an der Fähigkeit, Dentinkanäle zu verschließen, gemessen. Ein Messverfahren, bekannt als hydraulische Leitfähigkeitsmessung (Greenhill & Pashley 1981), bei dem Flüssigkeit durch Dentin und andere Materialien gepresst wird, kam zur Anwendung. Hiermit konnte gezeigt werden, ob ursprünglich offene Tubuli verschlossen wurden. Sonderausgabe 2010 15 Sonderausgabe Pro-Argin Zusätzlich zu diesen Messungen wurde die Tatsache, dass an den Öffnungen der Tubuli ein pfropfenähnliches Gebilde erzeugt wurde, mit rasterelektronischen Bildern (SEM) bestätigt. Man fand heraus, dass ein Verstopfen der Kanälchen mit Bimsmehl allein nicht ausreichte, den Flüssigkeitsstrom zu reduzieren. Argininbikarbonat allein, ebenso wie Kalziumkarbonat allein und Natriumkarbonat/Kalziumkarbonat trugen gleichfalls nicht zum Verschließen der Tubuli bei. Allein die einmalige Anwendung einer Kombination aus Argininbikarbonat und Kalziumkarbonat reduzierte die Durchlässigkeit der Kanälchen und verstopfte laut SEM-Bildern den Eingang. In den späten Neunzigern des vergangenen Jahrhunderts kam ein neues, remineralisierendes Produkt auf den Markt, das erfolgreiche Desensibilisierung sowohl als Zahnpaste wie auch als Paste für die Zahnarztpraxis zeigte. Es handelte sich um ein Argininbikarbonat/Kalziumkarbonat-Produkt, das eingeführt wurde, um auf mehreren Ebenen Mineralisation voranzutreiben. Der Mechanismus des Produkts wurde wie folgt beschrieben: „das hoch lösliche Argininbikarbonat ist von Partikel(n) schwer löslichen Kalziumkarbonats behaftet. Wegen dieser Haftung wird ein pastenähnlicher Stopfen gebildet, der seinerseits an den Wänden der Dentintubuli haftet. Aufgrund seiner alkalischen Natur reagiert Argininbikarbonat/ Kalziumkarbonat mit den Phosphationen innerhalb der Dentinkanäle und verbindet diesen Stopfen dadurch mit dem Dentin“ (Kleinberg 2002). Die klinische Dauer dieser Verschließung wurde in einer frühen klinischen Studie nach einer einzigen Prophylaxemaßnahme mit dieser Kombination gezeigt. 60 % der Untersuchten verhielten sich daraufhin völlig asymptomatisch gegen einen kalten Luftstoß und 77,4 % gar gegen Berührung mit einer Sonde. Die Zähne, die nach der Behandlung nicht symptomfrei waren, zeigten in den meisten Fällen eine deutliche Verbesserung (Wolff & Kleinberg 2003, unpubliziertes Material). Klinische Studien über die zweimal tägliche Selbstanwendung der Argininbikarbonat/Kalziumkarbonat enthaltenden Zahnpaste zeigten ähnliche Ergebnisse. In der zweiten Studie wurde eine Formulierung, die Arginin, Kalziumkarbonat und 1.450 ppm Fluorid enthielt, untersucht, wobei sich zeigte, das auch hier eine relativ schnelle (zwei Wochen) Verringerung der Schmerzintensität beobachtet wird (Ayad et al. 2009). Wie in früheren Untersuchungen nahm auch hier die Sensibilität über acht Wochen Studiendauer kontinuierlich ab. Diese beiden Studien wie auch die Originalarbeiten halfen dabei, ein Behandlungsprotokoll bei DHS zu entwickeln, welches eine einzige prophylaktische Anwendung mit einer Arginin und Kalziumkarbonat enthaltenden Polierpaste beinhaltet und langanhaltende wie auch deutliche Linderung der DHS-Symptomatik mit sich bringt. Dauerhafte Linderung erreicht man schließlich durch anschließendes Verwenden der Zahnpaste, die diese Wirkstoffkombination enthält. Schlussfolgerung DHS hat eine andere Ätiologie und Pathogenese als Karies. Die Entwicklung von DHS steht in engem Zusammenhang mit säurebedingter Dentinerosion und Abrasion, aber die Instandhaltung exponierter Tubuli hängt im Wesentlichen von der Zusammensetzung des Speichels ab. Die schützende und remineralisierende Wirkung des Biofilms/Pellikels scheint ähnlich zu funktionieren wie bei Karies. Frühe klinische und Laborstudien zeigten, dass ein effizientes Verschließen der Dentintubuli mithilfe der Kombination Argininbikarbonat/Kalziumkarbonat möglich ist. Prof. Dr Mark S. Wolff Dept. of Cariology and Comprehensive Care NYU College of Dentistry (MC 9480) 345 East 24th Street · New York, NY 10010 · USA Bestätigung früherer Befunde Im Jahr 2009 wurden zwei In-vivo-Studien veröffentlicht, die im Wesentlichen die unveröffentlichten Ergebnisse von Wolff und Kleinberg wiederholten. In der ersten Studie wurde die Wirksamkeit einer Prophylaxepaste mit 8 % Arginin in Kalziumkarbonat/Kieselgel im Vergleich zu einer bimsmehlhaltigen Paste untersucht (Schiff et al. 2009). Diese Studie bestätigte frühere Ergebnisse, dass eine einfache Anwendung der Prophylaxepaste schnell die Sensibilität sowohl gegen Luftstoß als auch gegen Berührung reduziert. Die Linderung hält etwa 28 Tage an. 16 Sonderausgabe 2010 PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe Pro-Argin Mundgesundheitsbezogene Lebensqualität bei Patienten mit freiliegenden und hypersensiblen Zahnhälsen Dr. Katrin Bekes, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Prof. Dr. Christian Hirsch, Universität Leipzig Überempfindliche Zähne infolge freiliegender Zahnhälse sind ein häufiger Grund für Patienten, die Zahnarztpraxis aufzusuchen. Dabei kann anhand des objektiv vorhandenen Zahnhartsubstanzverlusts nicht unmittelbar auf das Ausmaß der Beschwerden geschlossen werden. Dieses erschließt sich erst, wenn alle Beeinträchtigungen der Lebensqualität als Folge der schmerzhaften Zähne erfasst werden. Der vorliegende Beitrag liefert eine Übersicht zu den Beeinträchtigungen der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität bei einer repräsentativen Patientenstichprobe aus deutschen Zahnarztpraxen. Was heißt mundgesundheitsbezogene Lebensqualität (MLQ)? Nicht nur in der medizinischen Versorgungsforschung im Allgemeinen, sondern auch in der zahnmedizinischen Versorgungsforschung im Speziellen hat sich in den letzten Jahren eine intensive Beschäftigung mit dem Begriff der „gesundheitsbezogenen Lebensqualität“ ergeben. Die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität (MLQ) ist der Teil der gesundheitsbezogenen Lebensqualität, der sich auf das stomatognathe System bezieht (Abb. 1). Sie beschreibt die Wahrnehmung der Mundgesundheit durch den Patienten, versucht also die subjektive Seite der Mundgesundheit zu charakterisieren. Indem MLQ darstellt, wie die Patienten selbst ihre Gesundheit und die entsprechenden Behandlungsmaßnahmen erleben, liefert sie wichtige komplementäre Informationen zu den klinischen Indikatoren oraler Erkrankungen (z.B. Indizes für Karies oder Parodontopathien) (Robinson 2003; John 2004). Individuelle Faktoren den Patienten, geeignete Fragen gestellt werden. Seit Beginn der 90er-Jahre haben verschiedene Autoren Instrumente, d.h. Fragebögen, zur Messung des Mundgesundheitsstatus und MLQ entwickelt. Als methodisch gut validierter und international am weitesten verbreiteter Fragebogen hat sich zweifellos das Oral Health Impact Profile (OHIP) etabliert. Dieses Instrument wurde in Australien von Slade und Spencer (1994) als ein Fragebogen mit 49 Fragen entwickelt (Slade 1994). Der Fragebogen ist in sieben Subskalen gegliedert. Dazu zählen: Funktionelle Einschränkungen (neun Items), Schmerzen (neun Items), psychisches Unwohlsein/Unbehagen (fünf Items), physische Beeinträchtigung (neun Items), psychische Beeinträchtigung (sechs Items), soziale Beeinträchtigung (fünf Items) und Benachteiligung/Behinderung (sechs Items). Das Instrument ist für klinische Untersuchungen gut geeignet (Awad 2000), ist bereits in vielen klinischen Studien zum Einsatz gekommen und wurde in viele Sprachen übersetzt: chinesisch (Wong 2002), ungarisch (Szentpetery 2006), spanisch (Lopez 2006), schwedisch (Hagglin 2007), arabisch (Al-Jundi 2007), japanisch (Yamazaki 2007), niederländich (van der Meulen 2008). Die Notwendigkeit eines international vergleichbaren deutschen Instruments hat zur Entwicklung einer deutschen Version des Oral Health Impact Profile (OHIP-G) geführt (John 2002). Das OHIP-G umfasst die 49 Items des englischen Originals (OHIP-E, um es von der deutschen Version abzugrenzen) und 4 zusätzliche Items, die spezifisch für die deutsche Bevölkerung als bedeutend angesehen wurden und nicht im englischen Original enthalten sind (John 2002). Das OHIP-G ist für Patienten in einem Altersbereich ab 16 Jahren einsetzbar. Mit dem OHIP-G ist es möglich, MLQ bei deutschsprachigen Personen zu bestimmen. Lebensqualität Der Fragebogen setzt sich aus Fragen zusammen, die dem Patienten in folgendem Gesundheitsbezogene Format gestellt werden: „Hatten Sie im verLebensqualität Umweltgangenen Monat aufgrund von Problemen mit faktoren Ihren Zähnen, im Mundbereich oder mit Ihrem MundgesundheitsZahnersatz Schwierigkeiten beim Kauen von bezogene LebensNahrungsmitteln?“ Die Patienten haben die qualität (MLQ) Möglichkeit, ihre Antwort zur Häufigkeit eingeschränkter Lebensqualität auf einer Mehrstufenskala anzugeben. Diese umfasst folgende AbAbb. 1: MLQ ist eingebettet in die allgemeine Lebensqualität (nach John et al. 2003). stufungen: „nie“ 0, „kaum“ 1, „ab und zu“ 2, „oft“ 3 und „sehr oft“ 4. Es werden also das Problem an sich und dessen Schwere evaluiert. Aus den 49 Fragen und Die MLQ ist ein multidimensionales Konstrukt, das 4 Schweregraden resultiert ein Gesamtscore zwischen nicht direkt erfasst, sondern nur in seinen Teilbereichen „0“ bis maximal „196“. Dabei bedeutet der Gesamtüber Indikatoren abgebildet werden kann. Um solche score „0“ die Abwesenheit jeglicher mundgesundheitsKonstrukte zu erfassen, müssen der Zielperson, also PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe 2010 17 Sonderausgabe Pro-Argin bezogener Probleme. Höhere Punktzahlen bedeuten einen stärkeren negativen Einfluss auf die MLQ. Die stärkste Einschränkung der MLQ wird durch den Wert „196“ ausgedrückt, nämlich dann, wenn alle Probleme „sehr oft“ erlebt werden. Für die Auswertung des Fragebogens steht dem Anwender eine Tabelle bevölkerungsrepräsentative Normwerte zur Verfügung, mit denen der gewonnene Patientenwert eingeordnet, verglichen und bewertet werden kann. Wie wirken sich einzelne orale Erkrankungen auf die MLQ aus? Einschätzungen der MLQ sind in der Literatur bereits für unterschiedliche Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten erhoben worden. Dazu gehören z.B. der Zahnverlust infolge von Karies und Parodonthopathien (Strauss 1993), Mundschleimhautveränderungen und das sogenannte Burning-Mouth-Syndrom (Larsson 2004; Lopez-Jornet 2009), kieferorthopädische Anomalien (de Oliveira 2004; Bernabe 2008) oder LippenKiefer-Gaumenspaltungen (Sinko 2005). Auch in Deutschland hat es bereits einige Untersuchungen gegeben. Studien darüber liegen vor, z.B. bei Patienten mit orofazialen Schmerzen (John 2007), bei Auswirkungen von oralen Erkrankungen im Kindesalter (Hirsch 2000) oder Patienten mit Totalprothesen (John 2004). Die Ergebnisse zeigen, dass Erkrankungen in der Mundhöhle und Erkrankungen der Zähne und Zahnersatz eine hohe psychosoziale Bedeutung für große Teile der Bevölkerung haben. Nicht nur der positive Einfluss auf funktionelle Aspekte wie Kauen und Sprechen wird deutlich, sondern auch der Einfluss auf das Aussehen, auf Lächeln und Lachen sowie Wohlbefinden und Selbstvertrauen wird von den Befragten angegeben. Mundgesundheit ist also ein wichtiger Einflussfaktor für die Allgemeingesundheit. Welchen Einfluss hat das Beschwerdebild der freiliegenden hypersensiblen Zahnhälse auf die MLQ? Das Beschwerdebild der zervikalen Dentinhypersensibilität hat in der Zahnheilkunde in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, da es in der erwachsenen Bevölkerung ein zunehmendes Problem darstellt, mit dem der Zahnarzt in der Praxis konfrontiert wird (Abb. 2). Die Prävalenz in der Erwachsenenpopulation reicht von 4 % bis hin zu 57 % (Orchardson 2006). Jedoch können in der Literatur auch Extremwerte bei parodontal geschädigten Patienten wie 60 – 98 % gefunden werden (Chabanski 1997). In einem nationalen Survey in Deutschland (2001) gaben 39 % der Befragten an, dass sie im vergangenen Monat unter schmerzempfindlichen Zähnen litten (John 2003). 18 Sonderausgabe 2010 Abb. 2: Freiliegende Zahnhälse, die sensibel auf externe Reize reagieren können Die Dentinüberempfindlichkeit ist charakterisiert durch kurze, starke Schmerzsensationen, die durch bestimmte Stimuli ausgelöst werden. Solche Stimuli können Berührung (taktile Stimulation), Hitze oder Kälte (thermale Stimulation), Kontakt mit osmotisch aktiven Lösungen (z.B. konzentrierte Zuckerlösungen) oder das Verdampfen von Flüssigkeit auf Dentin sein (Dababneh 1999). Demnach klagen die Patienten über Schmerzen beim Genuss heißer oder kalter Speisen und Getränke (Kaffee, Speiseeis etc.), beim Zähneputzen und manchmal sogar beim Atmen. Meist klingen diese nach erfolgter Reizeinwirkung schnell und vollständig ab. Die betroffenen Patienten äußern unterschiedliche Beschwerden, die von leichten Missempfindungen bis zu massiven Schmerzzuständen reichen und stark von der individuellen Schmerzempfindung bzw. -toleranz sowie emotionalen und physischen Faktoren abhängen (McGrath 1986). Diese Einschränkungen spielen aus der Perspektive des Patienten eine große Rolle, denn sie haben für diesen einen Einfluss auf seine Lebensqualität (Locker 1988). Die Ätiologie der Dentinhypersensibilität ist multikausal. Die Schmerzen werden an freiliegendem Dentin ausgelöst, das nicht durch Schmelz, Wurzelzement oder Gingiva abgedeckt ist oder nicht durch eine Restauration vor äußeren Reizen geschützt wird. Ursachen für den Schmelzverlust können Erosionen, Attritionen, Abrasionen oder Kombinationsformen sein. Dabei wird speziell im Zahnhalsbereich das Vorkommen freiliegenden Dentins besonders begünstigt: Die Schmelzschichtdicke ist im Zervikalbereich sehr dünn, das weichere Wurzelzement ist abrasionsanfällig, und häufig fehlt im Bereich des Zahnhalses bereits bei der Zahnentwicklung eine Hartsubstanzabdeckung. Darüber hinaus kann die Freilegung der Wurzeloberfläche (Gingivarezession) durch eine inadäquate Mundhygiene, abrasive Zahnpasten, akute oder chronische parodontale Erkrankungen, Parodontalbehandlungen (Scaling etc.) sowie chronisches Trauma aufgrund von Gewohnheiten begünstigt werden (Dowell 1983). Durch die Freilegung von Dentinflächen kommt es automatisch zur Exposition und Öffnung der Dentintubuli. Die Exposition der Dentinoberfläche mit offenen Tubuli ist die Grundvoraussetzung für das Auftreten des Beschwerdebildes (Brännström 1986). Nach dem gegenwärtigen Stand der Kenntnisse werden die Schmerzsensationen durch rasche Bewegungen von Flüssigkeit in den Dentintubuli ausgelöst (Brännström 1986). PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe Pro-Argin OHIP-G49 Summenwert Die Patienten wurden bei ihrer ersten Vorstellung in der Praxis zu ihrer mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität befragt. Diese wurde anhand der deutschen Version des Oral Health Impact Profile (OHIP-G) erfasst. Die gewonnen Werte der Patienten wurden mit einem Datensatz von 1.541 Personen aus einer bundesweiten Erhebung in der Allgemeinbevölkerung vergleichend bewertet (John 2003). Die Auswertung der Fragebögen ergab, dass Patienten mit hypersensiblen Zahnhälsen eine wesentlich stärker eingeschränkte MLQ im Vergleich mit der Allgemeinbevölkerung zeigen (Abb. 3). 100 Allgemeinbevölkerung Patienten wurde als praktisch geringfügig eingeschätzt. Frauen hatten hier offensichtlich mehr Probleme als Männer. Dies steht im Gegensatz zur Allgemeinbevölkerung, in der Männer höhere OHIP-Summenwerte aufweisen als Frauen. Darüber hinaus konnte unabhängig vom Alter in allen Altersklassen ein signifikanter Unterschied zwischen der Allgemeinbevölkerung und der Patientenklientel gefunden werden (Abb. 4). 40 36,0 33,1 OHIP-G Summenwert Im Rahmen einer multizentrisch angelegten Anwenderstudie wurden die Einschränkungen der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität bei Patienten, die sich wegen hypersensibler Zahnhälse in ihrer Zahnarztpraxis vorstellten und eine Behandlung suchten, charakterisiert (Bekes 2009). Teilnehmer dieser Studie waren 724 erwachsene Patienten (Durchschnittsalter 42,8 +/– 13,0 Jahre, 76,9 % Frauen) mit hypersensiblen Zähnen aus 163 Zahnarztpraxen. Von den 724 Patienten wiesen 667 (92,1 %) keinen herausnehmbaren Zahnersatz auf. Von ihnen gaben 656 Patienten einen kompletten Datensatz ab. Diese Personen wurden in die Studie einbezogen. 30 20 14,3 10,7 10 0 < 40 Jahre 40+ Jahre Allgemeinbevölkerung < 40 Jahre 40+ Jahre Patienten Abb. 4: Unterschiede in der MLQ bei Patienten mit hypersensiblen Zahnhälsen und der Allgemeinbevölkerung in den unterschiedlichen Altersklassen Welche Schlussfolgerungen ergeben sich? 50 0 Abb. 3: Unterschiede in der MLQ bei Patienten mit hypersensiblen Zahnhälsen und der Allgemeinbevölkerung Während die Probanden aus der Allgemeinbevölkerung einen mittleren OHIP-Summenwert von 12,2 Punkten (+/– 18,4) aufweisen, wurden für die Studienpatienten ein mittlerer OHIP-Summenwert von 34,5 Punkten (+/– 22,6) errechnet. Dieser Unterschied von 22,3 Punkten war statistisch signifikant. Patienten mit hypersensiblen Zahnhälsen weisen folglich eine fast dreimal stärker eingeschränkte MLQ im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung auf. Die fünf am häufigsten beantworteten Fragen aus dem Fragenkatalog waren: „empfindliche Zähne“ (n = 272; 50,7 %), „Speisreste an den Zähnen festgesetzt“ (n = 134; 25,0 %), „es war unangenehm, bestimmte Nahrungsmittel zu essen“ (n = 90; 16,8 %), „sich Sorgen gemacht wegen Zahnproblemen“ (n = 88; 16,4 %), „Schmerzen am Zahnfleisch“ (n = 83; 15,5 %). Unterschiede in der MLQ zwischen den Geschlechtern waren bei den Patienten kaum vorhanden. Zwar war der Unterschied von 2,8 im Mittel bei den Patienten statistisch signifikant (p = 0,003), aber der Unterschied PROPHYLAXEdialog In zunehmendem Maße sollte der Fokus wissenschaftlicher Studien darauf gerichtet sein, den Effekt oraler Erkrankungen auf die individuelle Lebensqualität zu untersuchen. Das Konzept der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität bietet für die Zahnmedizin die Möglichkeit, die Sicht vom Zahn bzw. Mund auf den Patienten selbst zu erweitern und damit zu einer umfassenderen Bewertung oraler Erkrankungen beizutragen. Dem klinischen Forscher steht folglich ein Werkzeug zur Gewinnung patientenbezogener Ergebnisse zur Verfügung. Die gewonnenen Daten können andere klinisch erhobene Parameter, sinnvoll ergänzen. Hypersensible Zahnhälse sind bei Erwachsenen aller Altersstufen ein häufig auftretendes Problem. Die Zähne können empfindlich auf Kälte, Hitze, Säuren, Süßigkeiten oder Druck reagieren. Diese Beschwerden spielen aus der Perspektive des Patienten eine große Rolle. Mithilfe des Fragebogens konnte erstmals manifest gemacht werden, dass hypersensible Zähne zu einer starken Beeinträchtigung des allgemeinen Wohlbefindens führen. Vom Ausmaß her sind diese Beeinträchtigungen vergleichbar mit denen, die durch andere orale Erkrankungen, wie z.B. kraniomandibuläre Dysfunktionen, verursacht werden. Dr. Katrin Bekes Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Universitäts- und Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie Harz 42a · 06108 Halle Sonderausgabe 2010 19 Sonderausgabe Pro-Argin Behandlung von Dentinhypersensibilität: Produkt für die Zahnarztpraxis im PE-Programm Dänemark, Norwegen, Schweden evaluiert Dr. Kaj Stoltze, Københavns Universitet, Kopenhagen, Dänemark Einführung Dentinhypersensibilität (DHS) wird gewöhnlich vom Zahnarzt durch die Empfehlung einer desensibilisierenden Zahnpaste oder durch Produkte zur Blockierung oder Verengung der Dentintubuli in der Praxis behandelt. Das Verengen oder Verschließen der Tubulieingänge ist von sofortigem Nachlassen der Schmerzsymptome begleitet, während die meisten Desensibilisierungsprodukte mindestens zwei Wochen lang angewendet werden müssen, bevor sich ein Effekt zeigt. Aus diesem Grund werden immer häufiger Produkte in der Zahnarztpraxis verwendet, um Prozeduren wie Zahnsteinentfernung und Wurzelglättung für die Patienten weniger unangenehm zu machen. Eine neue, einfach anzuwendende, desensibilisierende Polierpaste, für die Praxis entwickelt, wirkt durch Verschließen der offenliegenden Dentintubuli und bietet sofortige Abhilfe für DHS, wenn sie direkt vor oder nach der Zahnsteinentfernung angewendet wird. Die Paste enthält die Wirkstoffkombination Arginin/ Kalziumkarbonat. Die hier vorgestellte, in Zahnarztpraxen durchgeführte Studie hatte zum Ziel, unter realen Bedingungen mit echten Patienten herauszufinden, ob die neue Technologie tatsächlich die Symptome hypersensibler Zähne sofort und merklich mindert. Studienbedingungen Die Studie wurde in 33 Zahnarztpraxen in Dänemark (18 Praxen, 110 Patienten), Norwegen (7 Praxen, 52 Patienten) und Schweden (8 Praxen, 47 Patienten) durchgeführt. Die teilnehmenden Zahnärzte und Dentalhygieniker wurden gebeten, die neue Polierpaste an Patienten anzuwenden, die unter DHS litten. Vor der Anwendung des Produktes wurden die Zähne mittels eines kalten Luftstoßes auf DHS getestet (Air-blastMethode). Hierbei wurden einzelne Zähne oder Oberflächen einem kalten Luftstoß ausgesetzt, während benachbarte Zähne durch die Finger des Zahnarzts abgeschirmt wurden. Die Patienten wurden gebeten, das Ausmaß der empfundenen Schmerzen nach dem Stimulus wie folgt einzuordnen: kein, leichter, mäßiger oder starker Schmerz. Diese Einordnung wurde in eine Schmerzskala zwischen 0 (kein Schmerz) und 3 (starker Schmerz) übertragen. Anschließend wurde die Polierpaste mithilfe eines Weichgummipolierkelchs für 3 Sekunden angewendet. Die Zähne wurden daraufhin erneut mit dem kalten Luftstoß getestet und das Ausmaß des Schmerzes wie zuvor erfasst. 20 Sonderausgabe 2010 Nach der anschließenden Zahnsteinentfernung und Wurzelglättung wurden die Patienten gebeten, sich dazu zu äußern, ob sie diese Behandlung als „genauso“, „weniger“ oder „viel weniger“ unangenehm empfanden, verglichen mit früheren Erfahrungen. Die Datenerfassung und -auswertung wurde mithilfe des Statistical Analysis System (SAS Institute Inc. Raleigh, North Carolina, USA) vorgenommen. Bei der statistischen Analyse wurde der Wert auf der Schmerzskala als Beobachtungsgröße verwendet. Der chi-Quadrat-Test wurde zur Auswertung des Effekts der Behandlung auf die Sensibilität angewendet. Weil jedoch mehr als ein Zahn von ein und demselben Patienten in die Analyse einbezogen wurde, kann zumindest theoretisch eine gewisse Abhängigkeit der Ergebnisse voneinander nicht ausgeschlossen werden. Die tatsächlich Anzahl getesteter, hypersensibler Zähne eines einzelnen Patienten variierte zwischen 1 und 12. Um dies bei der Auswertung zu berücksichtigen, wurde der Mittelwert aller von einem Patienten erhaltenen Daten in der Größe „Patientenschmerz“ zusammengefasst. Die Beobachtungsgröße ist somit der individuelle Patient. Ein generalisiertes Linearmodell (GLM) wurde angewendet, um die statistische Signifikanz der Unterschiede im Patientenschmerz vor und nach der Behandlung zu evaluieren. Ergebnisse und Diskussion Zehn Patienten mit unvollständigem Datensatz wurden von der statistischen Auswertung ausgeschlossen, daher wurden schließlich 199 Patienten mit insgesamt 893 hypersensiblen Zähnen aus den Registrierungen in 33 Zahnarztpraxen analysiert. Die Patienten, welche in dänischen oder norwegischen Praxen untersucht wurden, zeigten vor der Behandlung einen leicht höheren Patientenschmerz als diejenigen aus Schweden (p < 0,003). Diese Beobachtung könnte einfach durch geringe und klinisch insignifikante Unterschiede in der Zusammensetzung der Patientengruppen bedingt sein. Nach der Behandlung wurden jedoch keine statistisch relevanten Unterschiede in der Variable „Patientenschmerz“ gefunden. Nach der Anwendung der Polierpaste wurde ein deutlicher Rückgang der Schmerzempfindlichkeit gegen den kalten Luftstoß verzeichnet, was sich auf der Schmerzskala widerspiegelt (p < 0,0001, siehe Abb.) Insgesamt 610 von 893 Zähnen waren nach der Behandlung weniger schmerzempfindlich, was einem Prozentsatz von 68,3 % entspricht. PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe Pro-Argin % 60 Nach der Anwendung Vor der Anwendung 436 50 404 40 30 333 233 20 156 174 10 0 Effekt auf Beschwerden während der professionellen Zahnreinigung 50 1 0 2 Der chi-Quadrat-Test zeigte eine signifikant unterschiedliche Verteilung des Effekts auf verschiedene Schmerzlevel vor der Behandlung. Der schmerzstillende Effekt der neuen Polierpaste ist demnach signifikant größer, wenn die Schmerzwahrnehmung zuvor hoch war (p < 0,0001). Der Grund für diese Unterschiede auf der Schmerzskala könnte darin liegen, dass geringe Unterschiede in der Schmerzwahrnehmung schwer zu quantifizieren sind, was insbesondere dann der Fall ist, wenn die Schmerzen ohnehin leicht sind. 3 Schmerzskala Verteilung der Schmerzwahrnehmung ab 893 Zähnen vor (rot) und nach (blau) der Behandlung mit einer Arginin und Kalziumkarbonat enthaltenden Polierpaste (chi-Quadrat = 163,6, df: 6, p < 0,0001). Die Variable „Patientenschmerz“ zeigte nach der Behandlung einen Rückgang des Durchschnittswerts von 2,22 auf 1,07. Dies entspricht einem Rückgang der Schmerzwahrnehmung von 51,8 % (p < 0,0001). Die Tabelle zeigt die Patientendaten gruppiert nach „leichtem“ (Schmerzskala = 1), „mäßigem“ (> 1 und = 2) sowie „starkem“ (> 2 und = 3) Schmerz neben der Anzahl der Patienten, bei denen eine Veränderung der Schmerzwahrnehmung nach der Behandlung mit der Arginin und Kalziumkarbonat enthaltenden Polierpaste verzeichnet wurde. In keinem Fall wurde nach der Behandlung eine Intensivierung des Schmerzes beobachtet. Patientenschmerz vor der Behandlung Anzahl der Patienten mit veränderter Schmerzwahrnehmung nach der Behandlung Abnahme keine Abnahme leicht 2 (14,3 %) 12 (85,7 %) mäßig 59 (65,6 %) 31 (34,4 %) stark 88 (92,6 %) 7 (7,4 %) Achtundzwanzig Patienten mit unvollständigem Datensatz wurden vom Vergleich „Beschwerden bei der professionellen Zahnreinigung“ ausgeschlossen. Von den verbleibenden 171 Patienten vermeldeten 130 (76 %), dass sie Zahnsteinentfernung und Wurzelglättung nach der Anwendung der Arginin und Kalziumkarbonat enthaltenden Polierpaste als weniger unangenehm empfunden hätten, verglichen mit vorherigen Erfahrungen. Schlussfolgerungen Die hier vorliegende, in Zahnarztpraxen durchgeführte Studie zeigt deutlich, dass die Wirkstoffkombination aus Arginin und Kalziumkarbonat schnelle, klinisch und statistisch signifikante Abhilfe bei Dentinhypersensibilität zeigt (p < 0,0001). Die Behandlung mit der neuen Polierpaste wurde von einer sofortigen Schmerzlinderung bei 68,3 % der untersuchten hypersensiblen Zähne begleitet. Der Nutzen dieser Behandlung ist eindeutig umso deutlicher, je empfindlicher die Zähne vor der Anwendung sind. Schließlich zeigt die vorliegende Studie, dass 76 % der Patienten nach der Behandlung die professionelle Zahnreinigung mit Zahnsteinentfernung wie auch Wurzelglättung als weniger unangenehm empfanden. Dr. Kaj Stoltze Odontologisk Institut · Tandlægeskolen Københavns Universitet Nørre Allé 20 · 2200 København · Dänemark Anzahl der Patienten (n = 199), die eine Veränderung in der Schmerzwahrnehmung nach der Anwendung der Arginin und Kalziumkarbonat enthaltenden Polierpaste zeigten (chiQuadrat = 47,4, df: 2, p < 0,0001). PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe 2010 21 Sonderausgabe Pro-Argin Überblick über die Durchführung klinischer Studien zur Bewertung desensibilisierender Produkte gegen Dentinhypersensibilität Dr. David G. Gillam, Institute of Dentistry, Barts and the London School of Medicine and Dentistry, Großbritannien Einführung Vor der Veröffentlichung der Empfehlungen von Holland et al. (1997) schien es lediglich einen begrenzten Konsens zur Durchführung von Studien zu geben, welche die Wirksamkeit desensibilisierender Produkte zur Behandlung von Dentinhypersensibilität (DHS) untersuchten. Als Folge wurde es immer schwieriger, die klinischen Resultate der bereits publizierten Studien zu der Vielfalt der Produkte gegen DHS zu bewerten. Die nachfolgende Ungleichheit zwischen den diversen Behandlungsmöglichkeiten lag wahrscheinlich teilweise an den unterschiedlichen Studienbedingungen, der Auswahl der Teilnehmer und der verschiedenen experimentellen Bedingungen in den einzelnen Studien. DHS manifestiert sich als episodenhaft auftretende oder chronische Beschwerden, unter denen bis zu 69 % aller Menschen leiden (Gillam & Orchardson 2006). Viele Betroffene sehen ihre Lebensqualität durch DHS ernsthaft beeinträchtigt (Bekes et al. 2009). Da sowohl die Natur des Reizes, der die Beschwerden auslöst, wie auch die individuelle Schmerzbewertung subjektiv sind, ist es für den Kliniker extrem schwer, das Ausmaß der Erkrankung objektiv zu bewerten, wenn der Patient in der klinischen Umgebung untersucht wird. Die Bewertung der Schmerzantwort, wenn die Wirksamkeit desensibilisierender Produkte untersucht wird, ist zusätzlich durch Hawthorne- und Placeboeffekt erschwert. Weitere beeinflussende Faktoren sind nicht hinreichende statistische Signifikanz und auch mangelnde Standardisierung der Methoden in klinischen Untersuchungen zu Behandlungserfolgen. Nach Gillam et al. (2000) ist die Bewertung von DHS in klinischen Studien immer subjektiv auf der Basis der individuellen Reaktion der Studienteilnehmer auf den jeweiligen Stimulus (taktil und/oder thermisch). So wird z.B. die Schmerzempfindung mithilfe von Fragebögen verbal oder visuell eingeordnet. Holland et al. (1997) empfehlen, dass DHS danach bewertet werden sollte, welche Reizintensität nötig ist, um Schmerz hervorzurufen (stimulus-based assessment) oder als subjektive Bewertung des Schmerzes, der durch einen Reiz verursacht wird (response-based assessement). Stimulusbased-Methoden beinhalten die Messung der Schmerzschwelle, Response-based-Methoden die Einschätzung des Schmerzausmaßes. 22 Sonderausgabe 2010 Evidenz für die Wirksamkeit desensibilisierender Produkte Nach den Richtlinien des ADA (Council on Scientific Affairs 1998) für desensibilisierende Produkte sind Hersteller gehalten, Daten aus mindestens zwei (unabhängigen) klinischen Doppelblindstudien einzureichen, die einen statistisch signifikanten Effekt der Wirkstoffe auf DHS beweisen. Weiterhin müssen Verweise auf alle veröffentlichten Studien, die eben diese Wirksamkeit nicht zu belegen vermögen, enthalten sein. Klinische Daten aller firmeneigenen Studien, einschließlich solcher, die keine Wirksamkeit beweisen, müssen bei der Einreichung ebenfalls vorgewiesen werden. Das Gremium gibt ferner an, dass in beiden eingereichten Studien eine 20 %ige statistische Signifikanz zwischen Kontroll- und Testgruppe für einen Sensibilitätsindex bestehen sollte. Während Holland et al. (1997) dagegen zustimmen, den Behandlungserfolg in Form der klinischen Symptomreduzierung auszudrücken, wird die Bewertung in Form allein der statistischen Signifikanz als fragwürdig eingestuft. Eine weitere Bedingung der Richtlinien ist, dass, falls irgendwelche zusätzlichen Indizes in klinischen Studien zur Anwendung kämen, wie z.B. ein thermischer Stimulus, es einen statistischen Effekt zugunsten der Testgruppe geben sollte. Studiendesign und Auswahl der Kontrolle Es sollte erwähnt werden, dass Studien mit der Erklärung von Helsinki (1996; 2000 abgeändert) konform gehen. Dies ist generell die Basis für ethische Zulassung und Durchführung der Studie. Studien sollten ferner nach den ICH/GCP-Richtlinien durchgeführt werden (1996). Das Studiendesign ist eine Beschreibung dessen, wie Patienten im Zusammenhang mit Selektion, Behandlung und Bewertung in die Studie integriert werden (Raven 1993). Für den vorliegenden Artikel soll daher die Wichtigkeit der korrekten Auswahl von Studienteilnehmern, Einschluss- und Ausschlusskriterien, die Anwendung und Messung von Stimuli zur Bewertung von DHS, die Messergebnisse, angemessene Kontrollen und die Handhabung wie auch Interpretation statistischer Daten zur Sprache kommen. PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe Pro-Argin Die Durchführung einer Studie ist eine sehr zeitaufwändige und kostspielige Angelegenheit sowohl für den Hersteller des Produkts wie auch die involvierten Forscher. Aus diesem Grund sollten Studien generell gut geplant und korrekt durchgeführt werden. Ein inhärentes Problem klinischer Studien ist das Auftreten von Placebo- und/oder Hawthorne-Effekt, welche die Ergebnisse verfälschen können (Gillam 1997; Addy et al. 2007). Dies gilt insbesondere für Schmerzstudien, wie z.B. Wirksamkeitsstudien an Patienten mit DHS. Um diese Verfälschung auszuschließen, empfiehlt sich ein placebokontrolliertes, doppelt verblindetes Studiendesign (Jeffcoat 1993; Holland et al 1997; ADA 1998). In diesem Studientyp werden Probanden zufällig entweder der Test- oder der Kontrollgruppe zugeordnet. Die Unterschiede der Ergebnisse beider Gruppen bestimmt schließlich die signifikante Wirksamkeit bei der Testgruppe. Das Design ist einfach und erfordert anfangs nur minimales Wissen über die Ursachen der Krankheit in beiden Gruppen. Allerdings sollte erwähnt werden, dass die zufällige Randomisierung zu einer ungleichen Verteilung von Hochrisikopatienten in den beiden Gruppen führen kann, wobei dies eher in Studien mit weniger als 30 Teilnehmern zum Tragen kommt. Stratifizierungstechniken können angewendet werden, um für einen Ausgleich zwischen den Gruppen zu sorgen. Gewöhnlich stratifiziert man potenziell Störvariablen, wie z.B. Anzahl der Zähne, Baseline-Empfindlichkeitslevel, Alter, Geschlecht etc. Vom praktischen Standpunkt her ist es einfacher, jedem Teilnehmer individuell eine Behandlung zuzuordnen. Dieser Studientyp wurde für klinische Studien empfohlen, in denen sowohl In-office- wie auch frei verkäufliche Produkte getestet werden, obwohl für den Fall von DHS auch Cross-over- und Split-mouth-Studien (Gillam 1997) angewendet wurden. Ein Studiendesign mit einer Vorbehandlungsphase, in der die Teilnehmer in Test- und Kontrollgruppe randomisiert werden und so ermöglichen, dass der behandelte Teilnehmer als eigene Kontrolle fungiert, wie auch ein solches, in dem dieser Teilnehmer mit der randomisierten Kontrollgruppe und anderen Gruppen verglichen wird, kann bei Studien über DHS ebenfalls zur Anwendung kommen (Page et al. 1995). So kann es z.B. von Vorteil sein, den Sensibilitätsstudien eine zwei- bis vierwöchige Vorstudienperiode vorzuschalten, in denen die Teilnehmer die Methoden der Schmerzerfassung kennenlernenn können (Visual Analogue Scales, VAS), während sie eine Placebo- oder lediglich fluoridhaltige Zahnpaste benutzen. Man sollte erwarten, dass am Ende einer solchen Phase die Teilnehmer verstehen, was von ihnen bei der Schmerzerfassung erwartet wird, dass Teilnehmer mit „realer“ Schmerzemfindlichkeit erkannt werden. Die Teilnehmer, die nach der Vorstudienphase die Eingangskriterien für die Studie erfüllen, werden schließlich zugelassen. Ein Nachteil dieses Studiendesigns ist jedoch, dass zusätzlich Zeitaufwand und Kosten entstehen. PROPHYLAXEdialog In der Literatur wurde über weitere Studientypen berichtet, die eine Begleittherapie (z.B. durch Anwendung kaliumhaltiger Mundspülungen vor dem Zähneputzen mit fluoridierter Zahnpaste) beinhalten (Gillam et al. 1996a; Yates et al.1998). Dieser Studientyp, der häufig bei der Untersuchung antrimikrobieller Medikamente zur Anwendung kommt, wurde soweit nicht routinemäßig für DHS Studien eingesetzt, obwohl die Integration eines solchen Studienprotokolls zur Erfassung zusätzlicher Daten von Vorteil wäre. Hier könnte man z.B. den zusätzlichen Effekt über die Benutzung einer fluoridierten Zahnpaste studieren. Probandenzahl Die Probandenzahl hängt vom Signifikanzniveau, dem Level wie auch dem Typ des Fehlers, der als akzeptabel hingenommen wird, und auch von der Standardabweichung der untersuchten Prüfvariable ab. So wurde für die meisten Studien eine Potenz von 80 % ausgewählt, um einen Effekt innerhalb einer statistischen Signifikanz von 5 % zu erreichen. Für dieses Beispiel wäre die Wahrscheinlichkeit für einen Typ-II-Fehler 20 %. Die Probengröße kann deshalb bestimmt werden, indem man diese Faktoren in Betracht zieht. In der Realität kann jedoch zwischen der idealen Anzahl Studienteilnehmer (bestimmt durch die Statistik) und einschränkenden Variablen wie Zeitaufwand, Kosten und Verfügbarkeit der Teilnehmer abgewogen werden. Die Anzahl der Teilnehmer, die für die Studie rekrutiert bzw. in die Studie aufgenommen werden, die erwartete Dropout-Rate (z.B. 10 %) und die Anzahl der Teilnehmer, die an der Studie bis zum Ende teilnehmen, sollte im Protokoll angegeben werden (ICH-Richtlinien für statistische Prinzipien in klinischen Studien 1998). In den meisten Studien, die zur Untersuchung der Wirksamkeit von Desensibilisierungsprodukten durchgeführt wurden, waren die Gruppen etwa 25–50 Teilnehmer stark. Auswahl der Studienteilnehmer und der Testregionen Die meisten Kliniker würden wahrscheinlich zustimmen, dass die Rekrutierung von Probanden für DHSStudien mit Schwierigkeiten verbunden ist, was unterschiedliche Gründe hat: Zum einen befindet sich die schmerzempfindliche Region normalerweise auf der Bukkal- oder Facialseite der Zähne, und immer wieder bringen Kliniker z.B. Dentinbindungsmaterial oder Glas-Ionomer-Zement an, um nicht-kariöse Defekte am Zahnhals zu restaurieren. Dieses Vorgehen kann die Anzahl für den Untersucher zur Verfügung stehender Regionen einschränken. Ein weiterer Grund liegt in der Natur der Dentinhypersensibilität selber, und zwar sowohl in ihrem zeitlichen Verlauf (Phasen der Beschwerdefreiheit) wie auch der Schmerzantwort beim Screening. Darüber hinaus limitiert die Genauigkeit der Einschluss-/Ausschlusskriterien die Anzahl ScreeningTeilnehmer auf der Basis dentaler oder medizinischer Gründe. Sonderausgabe 2010 23 Sonderausgabe Pro-Argin Es ist ferner erwähnenswert, dass Unterschiede darin bestehen, ob man Teilnehmer aus einer Zahnarztpraxis, aus einer Zahnklinik (wo Röntgenbilder verfügbar sind) oder in einer klinischen Forschungseinrichtung, wo man die klinische Anamese der Teilnehmer nicht notwendigerweise kennt und sich deshalb auf die Auskünfte der Kandidaten verlassen muss, rekrutiert. Idealerweise sollten die Teilnehmer gesunde Menschen mit einer bekannten Vorgeschichte schmerzempfindlicher Zähne sein. Immer wieder gibt es Patienten, die angeben, unter DHS zu leiden, bei denen jedoch aus der Vorgeschichte hervorgeht, dass sie keine desensibilisierende Zahnpaste verwenden. Diese können jedoch positiv auf die Anwendung von Stimuli reagieren. Sowohl vom ADA Akzeptanzprogramm (1998) als auch von Holland et al. (1997) wird aus der Erfahrung mit früheren Studien empfohlen, dass nur Schneidezähne, Eckzähne und Prämolare in Studien einbezogen werden sollten. Allerdings geht aus den bereits publizierten Studien hervor, dass die ersten Molaren ebenfalls in das Program aufgenommen werden können (Gillam et al. 1996a; 2002). Zweite und dritte Molare werden normalerweise jedoch nicht einbezogen, da vor allem der taktile Stimulus mithilfe einer Sonde (Yeaple Probe) aufgrund schlechter Zugänglichkeit der Testregion problematisch ist. Die Teilnehmer brauchen ein Minimum von zwei geeigneten Zähnen zur Beurteilung, und normalerweise müssen auch beide schmerzempfindlich auf die angewendeten Stimuli reagieren, damit der Teilnehmer in die Studie aufgenommen werden kann. Einschluss- und Ausschlusskriterien Die Studienteilnehmer werden normalerweise in Anerkennung eines von einer Ethikkommission (IRB) bewilligten Protokolls rekrutiert. Die Zielpersonen für die vorliegende Übersicht werden Menschen sein, bei denen eine Vorgeschichte der Dentinhypersensibilität nachgewiesen ist. Diejenigen Teilnehmer, welche die Eingangskriterien erfüllen, können dann in die Studie aufgenommen werden. Sie müssen bei guter Gesundheit sein und Zähne mit exponiertem Wurzeldentin aufweisen, die auf taktile, thermische und/oder evaporative Stimuli reagieren. Ausschlusskriterien beinhalten krankhafte Zustände, Erkrankungen, die die Einnahme von Schmerzmitteln erfordern, Allergien auf kosmetische oder Dentalprodukte, Schwangerschaft, Stillzeit, jeden Dentalzustand, der das Ergebnis verfälschen könnte, parodontalchirurgische Eingriffe innerhalb der vergangenen sechs Monate, Zähne, bei denen kürzlich Zahnstein entfernt wurde, oder die Verwendung desensibilisierender Produkte innerhalb der vergangenen Monate (Gillam et al. 1996a; 1996b; Holland et al. 1997). Es ist jedoch wichtig bei der Rekrutierung, dass die Kriterien vernünftig und realistisch sind, andernfalls werden sich innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit schwerlich genügend Teilnehmer finden lassen. Dies gilt besonders, wenn es um subjektive Beschwer- 24 Sonderausgabe 2010 den geht, die in der Studie untersucht werden sollen. Beim Screening muss sorgfältig vorgegangen werden, damit nicht nur Teilnehmer rekrutiert werden, die entweder minimale oder aber extrem starke Reaktion zeigen, da die Schmerzmessung nur Antworten wie „genauso“, „besser“ oder „schlimmer“ zulässt. Das dann zu beobachtende statistische Artefakt nennt man „regression-to-mean“ (Rückkehr zum Mittelwert) (Yates et al 1998; Addy et al. 2007), und nach Jeffcoat (1993) wird dadurch entweder der Effekt der untersuchten Behandlung verstärkt (bei einer Überzahl von Probanden mit extrem hoher Schmerzempfindlichkeit) oder verringert (bei überwiegend wenig schmerzempfindlichen Teilnehmern). Studiendauer Die Studiendauer hängt vom Studienzweck, der Art des Testprodukts, dem vermuteten Wirkmechanismus, den Ergebnissen, der Empfindlichkeit und den Fehlern der Messungen ab. Die Dauer einer klinischen Studie ist ein kritischer Faktor, wenn es darum geht, die Wirksamkeit eines Produkts zu bestimmen (Gore & Altman 1982). Die Wirkstoffkonzentration in einem frei verkäuflichen Produkt wird eher gering sein, somit sollte die Studie hinreichend lange dauern, um die maximale klinische Wirksamkeit nachzuweisen (Orchardson, persönliche Mitteilung). Dagegen können Vergleichsstudien mit einer inaktiven Kontrolle (Placebo) einen deutlichen Placeboeffekt offenbaren, welcher einem anderen Zeitplan folgt als der eigentliche Wirkstoff. Die Studiendauer sollte also so bemessen sein, dass Placeboeffeke minimiert werden. Obwohl eine Anzahl veröffentlichter Studien eine Verbesserung der Symptomatik im Vergleich zu anderen Zahnpasten und dem Placebo um 30 – 80 % verlautbaren (Clark & Troullos 1990), sind die Resultate widersprüchlich und etwas schwierig zu interpretieren, u.a. wegen unterschiedlicher Methoden und Ausschlusskriterien. Die Mehrheit klinischer Studien sind zwischen 6 und 12 Wochen, manche 22 lang (Gillam 1997). Hier sollte erwähnt werden, dass die meisten dieser Studien auf kurzzeitige Wirksamkeit abzielten und es bislang keine Studien zur Langzeitwirkung von desensibilisierenden Produkten gibt. Weiterhin gibt es relativ wenige Studien (Gillam et al. 1992), die den Effekt einer Zahnpaste, die nach der Anwendung eines aktiven Produkts benutzt wird, aufzeigen. Die Resultate dieser Studien würden sicherlich einen Carry-over-Effekt offenbaren. Daraus ergibt sich, dass Probanden vor Beginn einer Studie 1–2 Monate lang kein desensibilisierendes Produkt verwenden dürfen. Studien über In-office-Behandlungen dauern gewöhnlich zwischen 4 Wochen und 3 Jahren. Es ist wichtig zu erkennen, dass die Zeit, die ein Produkt braucht, bis seine klinische Wirkung einsetzt, höchstwahrscheinlich von verschiedenen Faktoren abhängt, wie z.B. Schwankungen der Motivation und Fähigkeit der Studienteilnehmer, das Produkt korrekt zu verwenden, und die Natur der Wirkstoffe und ihr wahrscheinlicher PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe Pro-Argin Wirkmechanismus. So benötigen die meisten desensibilisierenden Zahnpasten, die z.B. Kalium- oder Strontiumsalze enthalten, bis zu 4 Wochen, bis die desensibilisierende Wirkung einsetzt (Tarbet et al. 1979; 1980; 1982; West et al. 1997), während die Anwendung eines In-office-Produkts, wie z.B. einer Prophylaxepaste oder einer Zahnversiegelung, dem Patienten bereits sofortige Erleichterung verschafft (Gillam et al. 1997; Ayad et al. 2009; Nathoo et al. 2009; Schiff et al. 2009). In der Umgebung der Zahnarztpraxis erwartet ein Patient, der von stark schmerzempfindlichen Zähnen geplagt ist, die eine oder andere Form einer sofortigen Linderung und ist eher nicht bereit, 4 Wochen zu warten. Beurteilung der Schmerzantwort Dentinhypersensibilität sollte entweder mit Bezug auf Stimulusintensität (stimulus-based) oder als subjektive Evaluation des Schmerzes, der durch einen Stimulus hervorgerufen wird (response-based), bewertet werden. Stimulus-based-Methoden involvieren die Messung einer Schmerzschwelle, während Responsebased-Methoden die Einschätzung des Schmerzausmaßes beinhalten. Hierbei ist wichtig, dass der Stimulus sowohl verlässlich wie auch reproduzierbar ist und dass die angewendeten Methoden wissenschaftlich gültig sind. Die subjektive Bewertung von Veränderungen der Gesamtsensibilität eines Individuums im Vergleich zu den einzelnen Messungen sollte ebenfalls in die Bewertung eingeschlossen werden, dies würde man realisieren, bevor der Teststimulus angewendet wird. Die Daten können als VAS-Wert oder mithilfe eines Fragebogens am Ende der Studie gewonnen werden. Als Minimum müssen pro Teilnehmer und Studie zwei Datenpunkte erfasst werden, nämlich zu Beginn und zum Ende der Studie. In gewissem Ausmaß kann dies von der Länge der Studie wie auch von der Art des zu testenden Produkts abhängen: Wenn ein oder zwei Bewertungen mitten in der Studie für eine Studiendauer von 12 Wochen akzeptabel sind (Baseline, 4, 8 und 12 Wochen), so ist, sofern ein Produkt mit sofortigem Effekt getestet wird, eine Datenerfassung bereits nach fünf Minuten sinnvoll und nötig. Testmethoden Traditionell wurden Studiendaten zu DHS immer auf der Basis der subjektiven Reaktion der Probanden auf einen Stimulus erfasst, sei es in Form von verbaler Einstufung, VAS-Werten oder Fragebögen (Tab. 1). Der Teststimulus kann auf verschiedene Art verabfolgt werden: mechanisch, chemisch, elektrisch, evaporativ oder thermisch (Tab. 2). Bislang existiert noch keine ideale Methode, mit der sich DHS betrachten oder gar bewerten ließe (Gillam & Newman 1993; Ide et al. 2001). Die Vielfalt von Methoden könnte vermuten lassen, dass keine ideal für die Bewertung von DHS ist. Der Mangel einer angemessenen, objektiven Methode zur Beschreibung von DHS und die fehlende Möglichkeit, standardisierte Messungen einer subjektiven Reaktion durchzuführen, lässt weiterhin Bedenken bestehen (Gillam et al. 2000). PROPHYLAXEdialog Beispiele für Schmerzskalen, die für DHS-Studien herangezogen wurden: subjektive Empfindung nach taktilem und/oder thermischem Stimulus a) Binäre Skala: Schmerz vor und Schmerz/kein Schmerz nach der Behandlung (Hansen 1992) b) 0 = Keine Beeinträchtigung 1 = Mildes Unbehagen 2 = Deutliches Unbehagen 3 = Deutliches Unbehagen für mehr als 10 Sek. (Gillam & Newman 1993) c) 1 = Kein Schmerz 2 = Lediglich Unbehagen 3 = Schmerz 4 = Starker Schmerz 5 = Unerträglicher Schmerz (Gedalia et al. 1987) d) 0 = Kein nennenswertes Unbehagen, jedoch Empfindung des Stimulus 1 = Unbehagen, aber kein starker Schmerz 2 = Starker Schmerz während der Dauer des Stimulus 3 = Starker Schmerz auch über die Dauer des Stimulus hinaus (Lecointre et al. 1986; Thrash et al. 1992; Ayad et al. 1994; Schiff et al. 1998; Nagata et al. 1994) e) 0 = Keine Reaktion des Probanden 1 = Reaktion des Probanden, jedoch keine Bitte, den Stimulus zu beenden 2 = Proband reagiert auf Stimulus und bittet darum, den Stimulus zu beenden oder versucht auszuweichen 3 = Proband reagiert auf den Stimulus mit deutlichem Schmerz und bittet um Beendigung des Stimulus (Ayad et al.1994; Schiff et al. 1994; 1998; 2009 [Schiff''s cold air score]) f) Visual Analogue Scales (VAS) VAS ist eine 10 cm lange Linie, deren Enden die Extremwerte der Schmerzbewertung darstellen, d.h. kein Schmerz auf der einen, extremer Schmerz auf der anderen Seite. Die Patienten werden gebeten, eine Markierung auf dieser Linie anzubringen, wo ihre derzeitige Schmerzbewertung liegt. Die Schmerzintensität wird entweder als Absolutwert oder normiert als Prozentsatz des Maximalwerts angegeben (nach Gillam et al. 2000). Tab. 1 Sonderausgabe 2010 25 Sonderausgabe Pro-Argin Stimuli zur Bewertung von Dentinhypersensitivität in klinischen Studien Mechanische Stimuli Sonde, Constant-pressure-Sonde, (Yeaple Probe), mechanische Druckstimulatoren, Zahnsteinentferung Chemische (osmotische) Stimuli Hypertonische Lösungen, z.B. Kochsalz, Glukose, Sukrose und Kalziumchlorid Elektrische Stimuli Elektrische Pulpatester, Dental Pulp Stethoscope Evaporative Stimuli Kalter Luftstoß, Yeh Air Thermal System, Luftstoßstimulator, Temptronic (Mikroprozessor, temperaturkontrolliertes Air Delivery System) Thermische Stimuli Elektronisches Schwellenmessgerät, kaltes Wasser, Hitze durch thermoelektrische Geräte (z.B. Biomat Thermal Probe), Ethylchlorid, Eis Die hydrostatische Druckauswertung wurde in der Literatur erwähnt, wird aber als unpraktisch für klinische Studien betrachtet (aus Gillam et al. 2000). Tab. 2 In diesem Zusammenhang können verschiedene Kommentare zum Tragen kommen: Stimuli zur Testung einer subjektiven Reaktion sollten realistisch und hydrodynamisch sein. Zumindest zwei Arten Stimulus sollten zur Anwendung kommen, und zwar der weniger starke zuerst. Die Stimuli sollten sich gegenseitig nicht stören, und es sollte eine hinreichend lange Zeitspanne zwischen den Stimuli eingehalten werden. Es gibt wenig publiziertes Datenmaterial über die empfohlene Zeitdauer zwischen zwei Stimuli, obwohl ein zehnminütiges Intervall zwischen taktilem und thermischem/evaporativem Reiz in klinischen Studien zur Anwendung kam (Gillam et al. 1996a; 1996b). Zurzeit wird in den meisten Studien ein taktiler (Yeaple Probe, Xinix Research Inc., NH, Portsmouth, USA, eine Sonde mit einem elektronischen Kraftmesser) und ein thermischer/evaporativer Stimulus (kalter Luftstoß) angewendet (Gillam et al. 1996a; 1996b; Schiff et al. 2009). Ein weiterer relevanter Punkt ist das Auftreten falscher Positivreaktionen, die vor allem bei Messungen der Schmerzschwelle mit der Yeaple-Sonde beobachtet werden. Nach Curro et al. (2000) treten falsche Positivreaktionen mit erhöhter Wahrscheinlichkeit bei geringerer Kraftanwendung (10 – 20 gm) und bei der Eingangsuntersuchung etwa zweimal so oft wie bei den folgenden Untersuchungen auf. Dies könnte an einem möglichen Lerneffekt bei sowohl dem Probanden als auch beim Untersucher liegen. 26 Sonderausgabe 2010 Die Anzahl falscher Positivreaktionen lässt sich durch eine Vorbehandlungsphase im Studiendesign vermeiden. Das wahrscheinliche Resultat einer großen Anzahl falscher Positivreaktionen auf den taktilen Stimulus ist, dass die Placeboeffekte ebenfalls erhöht sind und dadurch der Behandlungseffekt verringert würde (Curro et al. 2000). Ein praktischer Aspekt der Aufnahme sowohl taktiler wie auch thermisch-evaporativer Reaktionen eines Probanden könnte hier ebenfalls relevant sein: Bei der Anwendung der YeapleSonde sollte das akustische Signal ausgeschaltet sein, und der Patient sollte während der Testprozedur unwissend ob der angewendeten Kraft bleiben. Idealerweise sollte ein Assistent die Sonde regulieren, so dass die Wechselwirkung zwischen Untersucher und Proband gering ist. Darüber hinaus ist beim Testen mithilfe des thermisch-evaporativen Stimulus wichtig, dass der Teilnehmer während der Testphase keinerlei Wertung mithören kann. So sollten sich Untersucher und Assistent zuvor auf Handzeichen einigen, mithilfe derer sich während der Untersuchung verständigt wird. Man sollte niemals den Einfluss der Beziehung zwischen Untersucher und Proband oder gar die Lernkurve, auf welcher sich Letzterer befindet, unterschätzen. Schließlich sollten die Erwartung eines Studienteilnehmers an die klinische Studie nicht außer Acht gelassen werden und wie diese Erwartung das Ergebnis über die Zeitdauer der Studie beeinflussen kann. Patienten mit chronischen Beschwerden wie DHS zeigen üblicherweise episodenhafte oder schwankende Symptome und jede potenzielle Änderung dieser Symptome über die Studiendauer könnte eine Verbesserung darstellen (sogenannter Erwartungseffekt, expectancy effect) (Curro et al. 2000). Die Teilnehmer können aber durchaus auch Schmerzempfindung erwarten, wenn der Teststimulus z.B. bei der Eingangsuntersuchung oder bei Folgeuntersuchungen angewendet wird. Bei der Baseline-Untersuchung werden dann die Schmerzwerte höher ausfallen, während bei folgenden Untersuchungen der Teilnehmer über seine vorherige Erfahrung reflektiert und diese im Nachhinein doch nicht als so unangenehm bewertet. Die vorstehend erwähnte Vorbehandlungsphase kann helfen, derartige Effekte zu reduzieren. Alternativ sollte man bei der Testprozedur den kalten Luftstoß einsetzen. Die Methode, welche in klinischen Studien zur Anwendung kommt, sollte daher wissenschaftlich anerkannt und gültig sein, d.h. Details und Spezifikationen sollten entweder zuvor in von Fachleuten begutachteten Zeitschriften veröffentlicht oder aber behördlich anerkannt sein. Messgeräte sollten stets konform zu den aktuellen Sicherheitsstandards stehen. Ein Problem, das jedoch bei der Bewertung von DHS auftritt, ist die hoch subjektive Natur der Schmerzantwort, obwohl eine eigentlich objektive Methode zur Anwendung kommt. Die komplette Abwesenheit von Schmerzen durch DHS kann daher im Gegensatz zum Versuch, objektive Maße für taktile und thermische Schwellen zu quantifizieren, nur das einzig wirklich wahre Endergebnis sein. PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe Pro-Argin Diskussion und Schlussfolgerungen Die Literatur zeigt, dass trotz aller Versuche, eine objektivere Methode zur Quantifizierung einer subjektiven Antwort zu finden, alle Studienergebnisse die Wahrnehmung des Probanden reflektieren. Eine weitere Komplikation ist der Placeboeffekt, der bis zu 40 % der Ergebnisse behaften kann. Viele Kliniker sprechen diesen offensichtlichen Effekt in ihren Studien an, aber wie weit der Einfluss geht, bleibt spekulativ. Auf alle Fälle sollte man erwähnen, dass nach Curro der Placeboeffekt, der bei DHS-Studien beobachtet wird, ähnlich dem anderer medizinischer oder therapeutischer Studien ist. So ergab ein Review von 15 postoperativen Schmerzstudien von Beecher (1955), zitiert von Curro et al. (2002), dass im Durchschnitt bei 35 % aller Patienten die Symptome durch ein Placebo gemildert waren (die Placeboreaktion reichte von 15 bis zu 58 %). Zusätzliche Faktoren, die DHS-Studien beeinflussen, sind der Mangel an positiven wie auch negativen Kontrollen, die in Äquivalenz- oder Überlegenheitsstudien enorm wichtig sind. Faktoren, die Einfluss auf die Wirksamkeit desensibilisierender Produkte haben (nach Addy et al. 2007): W Episodischer Charakter der DHS W Subjektivität der Schmerzreaktion W Falsche Positivreaktion bei Untersuchungen mit der Yeaple-Sonde W Klinische Wirksamkeit der desensibilisierenden Substanz könnte am unteren Ende des therapeutisch relevanten Bereichs liegen. W Ausgeprägter Placeboeffekt, der aus klinischen Studien berichtet wird W Hawthorne-Effekt W Zufällige Variation der Symptome im Lauf der Zeit (Regression zum Durchschnittswert) W Technik des Untersuchers W Beziehung zwischen Proband und Untersucher W Auswahl und Mangel an Standardisierung der objektiven Beurteilung W Kleine Probandenzahl Im Gegensatz zu Gingivitis-Studien, wo der international anerkannte Goldstandard Chlorhexidin ist, gibt es für DHS kein Produkt als positive Kontrolle. Darüber hinaus kann die Schwierigkeit, dass eine Negativkontrolle ebenfalls wirksam sein kann, die Interpretation der Ergebnisse erschweren (Gillam et al. 1996a; 1996b; 1997; Pearce et al. 1994; Chesters et al. 1997). Die Verwendung einer Placebozahnpaste ohne bekannten Desensibiliserungseffekt ist ebenfalls problematisch, da in den meisten Studien fluoridhaltige Zahnpaste als Negativkontrolle zum Einsatz kommt. PROPHYLAXEdialog Eine weitere Frage ist, ob die untersuchte Personengruppe überhaupt repräsentativ ist und ob nicht vielleicht mehr Forschung in brauchbarere Rekrutierungsverfahren investiert werden sollte. Das Idealziel für jedes Produkt zur Reduzierung von DHS ist das Verschwinden von Schmerz und Beschwerden. Eine realistischere Erwartung für frei verkäufliche Produkte wäre, die Beschwerden soweit zu reduzieren, dass der Patient problemlos und mit erhöhter Lebensqualität damit umgehen kann. Das Hauptziel sollte stets eine klinisch signifikante Minderung der Symptome sein anstelle einer statistisch signifikanten. Tatsächlich könnte man argumentieren, dass im Gegensatz zur sogenannten objektiven Erfassungsmethode, die bei der Evaluation von DHS zu Anwendung kommt, die subjektive Empfindung der Probanden (Vorhanden- oder Nichtvorhandensein von Schmerz) das Zünglein an der Waage ist. Behandlungen kann man dagegen als Grad der Erleichterung (Reduktion klinischer Symptome) ausdrücken, aber das Ansetzen zufälliger prozentualer Veränderungen ist fraglich. Das Ausmaß, in dem ein Produkt Wirksamkeit zeigt, wird beträchtlich durch Baselinewerte beeinflusst, die weder zu klein noch zu hoch sein sollten. Die Größenordnung eines erwarteten Effekts sollte zu Beginn der Studie bereits bekannt sein. Der erwartete Endpunkt (z.B. bei Eintreten des erwarteten therapeutischen Effekts) beeinflusst das Studiendesign immer: Dies mag unabhängig von Wirkmechanismus und angestrebter klinischer Anwendung des Testprodukts sein. Ob nun eine Studie beabsichtigt, die Wirksamkeit oder aber die Äquivalenz/Überlegenheit eines Produkts zu beweisen, muss ein Vergleich mit einem Placebo oder Standardprodukt erfolgen, daher sollte das Ziel der Studie zu Beginn genannt werden. Statistische Analysemethoden sollten in Übereinstimmung mit den ICH-Richtlinien für statistische Prinzipien in klinischen Studien (1998) stehen, zusammen mit dem Studiendesign, vorzugsweise in Absprache mit einem kompetenten Statistiker. Auch diese Prinzipien sollten vor Beginn der Studie klar im Studienprotokoll dargelegt sein. Schließlich sei der Schluss erlaubt, was auch immer in diesem Artikel diskutiert wird: Die Rekrutierung, Bewertung der Schmerzreaktion nach der Produktanwendung und die Interpretation der Ergebnisse ist komplizierter als manchmal in der Literatur erwähnt. Dr. David G. Gillam Institute of Dentistry Barts and the London School of Medicine and Dentistry London E1 2AD · Großbritannien Sonderausgabe 2010 27 Sonderausgabe Pro-Argin Entwicklung eines Desensibilisierungsprodukts Dentinhypersensibilität, auch bekannt als schmerzempfindliche Zähne, ist ein zunehmendes Problem, von dem ein großer Teil der Bevölkerung betroffen ist. Das Aufreten schmerzempfindlicher Zähne ist multifaktoriell (West 2010). Gingivarezession, aber auch erosive Angriffe durch Säure oder Störungen der Remineralisationsprozesse tragen dazu bei, dass das Dentin freigelegt wird, die Dentintubuli offenliegen und somit ein direkter Kontakt zwischen Mundhöhle (dem Ort, an dem schmerzauslösende Noxen auftreten) und Pulpa (der Stelle, an dem der Schmerz ausgelöst wird) besteht. Wird durch externe Stimuli die Flüssigkeit in den Dentintubuli bewegt, tritt der Schmerzreiz auf (Brännström 1967; 1968), der gewöhnlich nach Entfernen des Stimulus schnell abklingt, in Einzelfällen aber auch länger andauern kann. Dentinhypersensibilität als „nicht-pathologischer“ Zustand wird oft verharmlost, kann aber schwerwiegende Kosequenzen für die weitere Mundgesundheit Betroffener mit sich ziehen. Bei der Entwicklung einer wirksamen Medikation gegen Dentinhypersensibilität müssen nicht nur zahlreiche Faktoren, die zur Entstehung des Schmerzzustands beitragen, in Betracht gezogen werden, sondern auch der Mechanismus der Schmerzentstehung selbst. Das Ziel ist, dem Patienten möglichst schnell Abhilfe zu schaffen, sodass seine Zahnhygiene durch schmerzempfindliche Zähne nicht dauerhaft beeinträchtigt wird bzw. er die zahnärztliche Behandlung und/oder professionelle Zahnreinigung schmerzfrei erlebt (und somit keine Veranlassung hat, diese zu meiden). Weiterhin muss eine wirksame Therapie kritisch gegenüber bereits auf dem Markt befindlichen Ansätzen getestet werden. Ziel dieses Artikels ist, einen Überblick über den heutigen Stand der therapeutischen Strategien gegen Dentinhypersensibilität zu bieten und die verschiedenen Methoden zu vergleichen, sodass gut geeignete und weniger gut bzw. gar nicht geeignete Inhaltsstoffe und Methoden unterschieden werden können. Dabei ist das Vorliegen klinischer Studien wohl das überzeugendste Argument, das zur Wirksamkeit eines Produkts angeführt werden kann. Kaliumsalze: Depolarisation der Nervenzellen Eine Idee, wie dem Problem überempfindlicher Zähne begegnet werden kann, ist die direkte Ansprache des dentalen Nervensystems. Hierbei kommen Kaliumsalze zur Anwendung, deren Anwesenheit in der Pulpa zu einer andauernden Depolarisation der Nervenzellen führen soll. Das Ergebnis ist, dass der Schmerzreiz nicht weitergeleitet werden kann und somit theoretisch Schmerzfreiheit besteht. Die Wirkung tritt eindeutig zeitverzögert auf, was wahrscheinlich 28 Sonderausgabe 2010 darauf zurückzuführen ist, dass die Kaliumionen eine gewisse Zeit brauchen, um zur Pulpa zu gelangen. Nach dem Absetzen des Produkts flutet auch das Kalium schnell wieder ab, wodurch der ursprüngliche Schmerzzustand wiederhergestellt ist. Kaliumsalze, formuliert in Zahnpasten, zeigen in manchen Studien eine bessere Wirksamkeit als wirkstofffreie Produkte. Die bisherige Datenlage zur Effektivität von Kalium in Zahnpasten wird jedoch weiterhin kontrovers diskutiert (Poulsen et al. 2006). Näher betrachtet, bekämpft man mit dieser Strategie ohnehin nur den Schmerz als ein Symptom, das ursprünglich sinnvoll und notwendig zur Erkennung eines pathologischen Zustands ist. Der Zahn wird somit auch anderen Schmerzreizen gegenüber desensibilisiert, und an der Ursache der Schmerzentstehung, nämlich dem freiliegenden und empfindlichen Dentin, wird keine Veränderung vorgenommen. Strontiumsalze: Depolarisation und Verengung der Tubuli Strontiumsalze können in In-vitro-Versuchen schwerlösliche Präzipitate auf der Dentinoberfläche bilden, die zu einer graduellen Verstopfung der Dentintubuli führen sollen. Somit ist die Reizleitung zur Pulpa gehemmt und der Schmerz gedämpft. Strontiumsalze wie Strontiumchlorid oder Strontiumacetat gehören zu den desensibilisierenden Agentien der ersten Stunde (Jensen 2003). In kontrollierten klinischen Studien haben Strontiumsalze jedoch im Vergleich zu Kaliumsalzen noch schwächer abgeschnitten, in In-vitro-Versuchen ist die Effektivität regelmäßig nicht signifikant höher als bei Negativkontrollen. Strontiumsalzen wird daher eine allenfalls schwach desensibilisierende Wirkung nachgesagt. Von Nachteil ist ferner, dass bei einigen strontiumhaltigen Verbindungen die Beimischung von Fluorid als Kariesschutz kontraindiziert ist und dass auch hier die Wirkung zeitverzögert und auf die Anwendungszeit beschränkt auftritt. Aminfluorid: Kariesschutz durch Remineralisation Freiliegendes Dentin ist besonders anfällig gegen Karies, Abrasion und Erosion, daher sollte bei einer sinnvollen Therapie schmerzempfindlicher Zähne grundsätzlich an den Kariesschutz gedacht werden. Das für seine vor Karies schützende Wirkung bekannte organische Aminfluorid (AmF) bildet auf der gesamten Zahnoberfläche eine kalziumfluoridhaltige Deckschicht, die als Kalziumreservoir bei der Remineralisation der Zahnhartsubstanz dient (Petersson & Kambara 2004). PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe Pro-Argin In den Eingängen der Dentintubuli führt diese Deckschicht ebenfalls zu vermehrter Remineralisation, wodurch der Durchmesser der Tubuli reduziert wird (Renggli 1997). Die Remineralisation des Dentins ist bei AmF deutlich ausgeprägter als bei Natriumfluorid, ferner ist die Wirkung durch die gute Haltbarkeit der Deckschicht auch dauerhaft gewährleistet. Hiermit ist erstmals ein Ansatz beschrieben, der den Zahn auch schützt. NovaMin – bioaktive Glaskeramik Zur Familie der sogenannten bioaktiven Glaskeramiken zählt der Vorläufer NovaMin, ein Silikat, das bei Kontakt mit wässrigen Medien (Speichel) Kalzium und Phosphat bereitstellt (Wefel 2009). Diese bilden in In-vitro-Versuchen ein Hydroxykarbonatapatit-Material, welches Dentinkanälchen bei Patienten verschließen soll. Die Idee ist, dass mit einem zahnschmelzähnlichen Mineral die Dentinoberfläche versiegelt wird und die Schmerzempfindlichkeit deutlich reduziert ist. Trotz längerer Marktpräsenz einer Reihe von NovaMin-haltigen Produkten stehen ernstzunehmende klinische Nachweise zur Effektivität dieser Technologie weiterhin aus. Weitere Nachteile dieses Ansatzes sind die nur kurzfristige angegebene Haltbarkeit des Präzipitats (7 Tage) und die Abwesenheit von Fluorid zu effektivem Kariesschutz. Die Anwendung der feuchtigkeitsstabilen Desensibilisierungspaste ist einfach, ohne neue Technik oder zusätzliche Kosten in die zahnärztliche Routine einzufügen und zeigt klinisch signifikante Wirksamkeit, die in mehreren kontrollierten Studien bestätigt wurde. Fazit Die Entwicklung eines therapeutischen Ansatzes gegen Dentinhypersensibilität orientiert sich am Stand der Erkenntnisse über Ursachen und Mechanismen des Problems. Hierbei wird sorgfältig der Nutzen (Schmerzdämpfung) gegen die Risiken (z.B. Dämpfung der wichtigen Nervenfunktion) abgewogen, Produkte werden verglichen und Gelerntes angewendet. Ging es doch ursprünglich lediglich um die Linderung eines Symptoms, so werden heute auch die Auswirkungen schmerzempfindlicher Zähne auf die Lebensqualität und die zukünftige Mundgesundheit berücksichtigt. Dabei sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass bei der Vermarktung eines Produkts gegen Dentinhypersensibilität kontrollierte klinische Studien durchgeführt werden sollten, die die Wirksamkeit des Produkts belegen. Diese Überlegungen führten schließlich zu einem wirksamen Behandlungsansatz, der alle Voraussetzungen erfüllt, die ein Desensibilisierungsprodukt bieten sollte. Arginin und Kalziumkarbonat: der einfache Weg zum dauerhaften Verschluss Beim natürlichen Prozess der Desensibilisierung in der Mundhöhle spielt die im Speichel vorkommende Aminosäure Arginin eine bedeutende, wenn auch noch nicht vollständig geklärte Rolle. Die Pro-Argin-Technologie, eine Kombination aus Arginin und Kalziumkarbonat, formuliert in der beim Zahnarzt anzuwendenden Desensibilisierungspaste elmex SENSITIVE PROFESSIONAL, zeigt erwiesenermaßen sofortige, signifikante und dauerhafte Linderung der Schmerzsymptome bei Dentinhypersensibilität (Schiff et al. 2009). Sogar die sonst mitunter unangenehme Prozedur der professionellen Zahnreinigung lässt sich nach nur einer Anwendung der neuen Technologie problemlos durchführen (Hamlin et al. 2009), ohne die Dentinkanälchen ungewollt wieder zu öffnen, und selbst Säureangriffen halten die winzigen Stopfen, welche die Kanälchen verschließen, stand. In einer Reihe von kontrollierten klinischen Studien wurde eine Überlegenheit der Pro-Argin-Technologie im Vergleich zu Kaliumsalzen bereits innerhalb einer ein- bis zweiwöchigen Anwendungsdauer demonstriert. In weiterführenden In-vitro-Experimenten wurde zudem gezeigt, dass der Flüssigkeitsdurchtritt durch die Dentintubuli nach Anwendung von Pro-Argin stark reduziert ist, hochsignifikant im Vergleich zu Strontiumsalzen. PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe 2010 29 GABA-Innovations-Symposium: Schmerzempfindliche Zähne – eine neuartige Technologie zur Anwendung in der Praxis Rund 200 Gäste aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und den Niederlanden nahmen am 15. und 16. April 2010 am GABA-Innovations-Symposium im Hotel Steigenberger in Berlin teil. Hauptsächlich Experten aus Wissenschaft und Praxis sowie rund 30 Journalisten verfolgten die Vorträge und die Diskussion zum Thema „Schmerzempfindliche Zähne – eine neuartige Technologie zur Anwendung in der Praxis“. Es sprachen Prof. Dr. Lars Petersson aus Halmstad/ Schweden („Epidemiologie und Ätiologie schmerzempfindlicher Zähne“), PD Dr. Christian Gernhardt aus Halle („Gängige Behandlungsmethoden dentinaler Hypersensibilität“), Prof. Dr. Christian Hirsch aus Leipzig („Mundgesundheitsbezogene Lebensqualität und schmerzempfindliche Zähne") sowie Diplom-Biochemikerin Bärbel Kiene, Director Scientific Affairs GABA International aus Therwil/Schweiz („Eine neuartige Technologie zur Behandlung schmerzempfindlicher Zähne“). Prof. Petersson stellte dar, dass Dentinhypersensibilität heute eine häufig vorkommende Zahnerkrankung der Bevölkerung ist, die eine große Herausforderung für das professionelle Team darstellt. Typische Symptome sind kurze, aber sehr scharfe Schmerzempfindungen, die über einige Sekunden bis zu einer Minute andauern können. Die kurzzeitigen Schmerzen entstehen, wenn freigelegte Dentinflächen verschiedenen Stimuli ausgesetzt sind, z.B. evaporativen (Luft), thermalen (Temperatur), taktilen (Berührung), osmotischen oder chemischen Stimuli. Die sogenannte „Hydrodynamische Theorie“ des Schweden Brännström (1963) ist heute als der Hauptmechanismus der Dentinhypersensibilität akzeptiert, obwohl zusätzlich andere Theorien diskutiert werden. Grundlage der „Hydrodynamischen Theorie“ sind Flüssigkeitsbewegungen in den Dentinkanälen, die zu Druckunterschieden führen, wobei es zu einer Aktivierung der Nervenfibern am Ende der Dentintubuli über „Mechano-Rezeptoren“ kommt. Voraussetzung hierfür ist das Vorhandensein von beidseitig offenen Dentinkanälen, sowohl zur Pulpa als auch zur Dentinoberfläche hin. Der Verschluss der Dentinkanäle führt zur Verminderung der Dentinhypersensibilität und ist das ultimative Ziel jeder präventiven und konservierenden Behandlung. Das Vorkommen der Dentinhypersensibilität zeigt große Unterschiede auf, zwischen 15 und 60 % der Patienten leiden darunter. Bei selbstrapportierten Aussagen liegen die Prozentzahlen höher, als wenn das Problem durch den Zahnarzt festgestellt wird, und die Häufigkeit ist bei Frauen höher als bei Männern. Das Zunehmen der Dentinhypersensibilität kann auch mit zu intensiver Zahnreinigung zusammenhängen. 30 Sonderausgabe 2010 Dr. Gernhardt erläuterte, dass Dentinhypersensibilität ein bekanntes und durchaus verbreitetes Problem der Patienten ist, mit dem Zahnärzte in der Praxis konfrontiert sind. Bedenkt man allerdings, dass die Zahl der älteren Patienten, die aufgrund verbesserter Prophylaxe und Versorgung möglicherweise einen Großteil ihrer Zähne erhalten konnten, in den nächsten Jahren weiter ansteigen wird, so kann man davon ausgehen, dass die Problematik der Dentinhypersensibilität eher zunehmen als abnehmen wird. Der Zahnarzt wird daher in Zukunft viel mehr mit der unangenehmen Schmerzsymptomatik der Dentinhypersensibilität konfrontiert sein, als dies derzeit der Fall ist. Entsprechend der Ätiologie der Dentinhypersensibilität stehen zahlreiche non-invasive und auch invasive Behandlungsoptionen zur Verfügung. Dr. Gernhardt gab zunächst einen Überblick über gängige, vor allem non-invasive Therapiemöglichkeiten und bewertete diese dann anhand der aktuellen Literatur kritisch. Im Weiteren stellte er einen gänzlich neuen Therapieansatz vor und referierte erste eigene Erfahrungen mit dieser auf Arginin und Kalziumkarbonat basierenden neuartigen Technologie. Prof. Hirsch beschrieb, wie traditionell in der Zahnmedizin orale Indizes zur Bewertung oraler Erkrankungen verwendet werden. So lässt sich mit dem DMFTIndex das Ausmaß kariöser Gebissschäden beschreiben. Indizes für Parodontalerkrankungen erfassen die Schwere der Schädigung am Zahnhalteapparat oder der kieferorthopädische Behandlungsbedarf wird mittels Indikationsgruppen bestimmt. All diese Parameter beschreiben allerdings die jeweiligen oralen Erkrankungen relativ eindimensional aus rein fachlicher Sicht, nicht jedoch aus Sicht der Betroffenen. Diese haben infolge von Schäden an oralen Strukturen z.B. Probleme beim Essen, Kauen oder Sprechen, sie können sich nicht entspannen, machen sich Sorgen oder sind mit ihrem Aussehen nicht zufrieden. Diese subjektive Sicht oraler Erkrankungen kann mit Instrumenten zur Messung der auf die Mundgesundheit bezogenen Lebensqualität (MLQ) erfasst werden, z.B. mit dem Oral Health Impact Profile für Erwachsene oder dem Child Perceptions Questionnaire für Kinder und Jugendliche. Die „klassischen Parameter“ oraler Erkrankungen können diese patientenbezogenen Probleme nicht abbilden, d.h. erst durch die zusätzliche Einschätzung der MLQ entsteht ein sinnvolles Gesamtbild. MLQMessungen ermöglichen es z.B., schmerzhafte Zustände, wie sie von Patienten mit freiliegenden Zahnhälsen berichtet werden, vergleichend zu bewerten. Repräsentative Daten von über 2.000 Probanden aus der deutschen Allgemeinbevölkerung zeigen, dass überempfindliche Zähne die MLQ der Betroffenen PROPHYLAXEdialog nachhaltig beeinträchtigen, obwohl die Strukturverluste (freiliegende Dentinareale im Zahnhalsbereich) vergleichsweise gering scheinen. Die Behandlung überempfindlicher Zähne ist also aus Sicht der Betroffenen dringend geboten. Abschließend stellte Bärbel Kiene Pro-Argin, eine neuartige Technologie zur Behandlung schmerzempfindlicher Zähne, vor. Sie erläuterte, dass gelegentliche Dentinhypersensibilität weit verbreitet in der allgemeinen Bevölkerung ist, schwerwiegendere Formen der Dentinhypersensibilität der Behandlung in der Zahnarztpraxis bedürfen. Es gibt eine ganze Reihe von Prozeduren, Methoden und potenziellen Aktivwirkstoffen, um dieses schwierige klinische Symptom zu behandeln. Es herrscht jedoch allgemeiner Konsens, dass Behandlungsempfehlungen mit konservativen, gering invasiven Methoden beginnen sollten. Als solche sind topische Anwendungen in der Regel empfehlenswert, die jedoch in Bezug auf sofortige und langfristige Wirksamkeit nicht ausgereift sind. Auf der anderen Seite stehen restaurative Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, die allerdings mit hohem Aufwand und Kosten für Patient und behandelnden Arzt verbunden sind. Es gibt somit momentan keine vollkommen zufriedenstellende Lösung für die Zahnarztpraxis zur Behandlung akuter Dentinhypersensibilität mit Bezug auf Wirksamkeit bei gleichzeitig geringem Aufwand. Bärbel Kiene fasste In-vitro-Daten zur Illustration des Wirkmechanismus einer neuartigen Desensibilisierungspaste mit ProArgin-Technologie zusammen. Diese Technologie basiert auf der Kombination einer natürlichen Aminosäure, Arginin und Kalziumkarbonat. Auch die Resultate klinischer Studien zur Wirksamkeit dieser neuen Desensibilisierungspaste demonstrieren, dass die neue Technologie eine sinnvolle Erweiterung der Möglichkeiten zur Behandlung von Dentinhypersensibilität in der Zahnarztpraxis darstellt. Herkömmliche Produkte zur Behandlung von Dentinhypersensibilität basieren meist auf der Desensibilisierung des Nervs durch temporär depolarisierende Substanzen. Nachteilig ist hier, dass die Wirkung deutlich zeitverzögert einsetzt und dass lediglich ein Symptom bekämpft wird. Ein weiterer Ansatz sind restaurative Anwendungen, wodurch die Reizleitung zwischen Mundraum und Pulpa blockiert werden soll. Dies gestaltet sich in der Praxis jedoch als sehr aufwändig (Anätzen und Trockenlegen der betreffenden Regionen) und somit für den schmerzgeplagten Patienten unangenehm. Man kann angesichts der sofortigen und anhaltenden Wirkung von elmex SENSITIVE PROFESSIONAL deshalb von einem Technologiedurchbruch für Zahnbehandlung bei schmerzempfindlichen Zähnen sprechen. PROPHYLAXEdialog Eine klinische Studie von Schiff et al. vom Scottsdale Zentrum für Zahnheilkunde in San Francisco belegt, dass das Produkt im Vergleich zu einer herkömmlichen Polierpaste eine statistisch signifikante Schmerzlinderung zur Folge hat. Die Anwendung erfolgte in diesem Fall nach der professionellen Zahnreinigung. Die Wirkung tritt nicht nur sofort ein, sondern hält auch mindestens vier Wochen an. Darüber hinaus konnten Hamlin et al. zeigen, dass die vorherige Anwendung der neuen Desensibilisierungspaste bei Patienten mit schmerzempfindlichen Zähnen die professionelle Zahnreinigung deutlich angenehmer macht. Auch diese klinische Studie beweist die Überlegenheit der Wirkstoffkombination Arginin/Kalziumkarbonat gegenüber den Inhaltsstoffen gebräuchlicher Polierpasten. Im Anschluss an die Vorträge ergab sich eine interessante Diskussion. Die neue Technologie wurde mit großem Interesse aufgenommen. Der hohe praktische Nutzen für die zahnärztliche Anwendung und die gleichzeitige spürbare Erleichterung für den Patienten wurden begrüßt. Insbesondere die Möglichkeit, in einem eigens eingerichteten Prophylaxeraum unter zahnmedizinischer Anleitung das neue Produkt kennenlernen zu können, stieß auf großes Interesse. v.l.n.r.: Prof. Hirsch, Prof. Petersson, Dr. Gernhardt, Dr. Hartwig, Bärbel Kiene Weitere Informationen zum GABA-InnovationsSymposium, insbesondere audiovisuelle Beiträge der Referenten sowie Interviews, finden Sie unter www.gaba-dent.de/dhs. Sonderausgabe 2010 31 Sonderausgabe Pro-Argin Der Wirkmechanismus von Pro-Argin™ Die innovative Pro-ArginTM Technologie enthält Arginin, eine natürlich vorkommende Aminosäure (z.B. im Speichel) und eine unlösliche Kalziumverbindung in Form von Kalziumkarbonat. Diese Kombination dringt tief in die Dentintubuli ein und verschließt sie wie ein Stopfen. Eine kalziumreiche Schutzschicht wird gebildet, die offene Dentintubuli sofort füllt und verschließt. Bis zu 30% der erwachsenen Bevölkerung sind von schmerzempfindlichen Zähnen betroffen! Bei vielen Betroffenen haben schmerzempfindliche Zähne und ihre Folgen einen negativen Einfluss auf die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität. Dennoch wird dieses Thema häufig nicht von den Patienten in der Zahnarztpraxis angesprochen. Schmerzempfindliche Zähne können zudem häufig eine Hauptursache für entstehenden Stress während einer Behandlung sein – sowohl beim Behandler als auch beim Patienten. Wahrscheinlich ist diese Patientengruppe deshalb schwieriger zu behandeln und die entsprechende Behandlung dauert deutlich länger. Illustrierte Darstellung des Verschlusses der Dentintubuli Nach der Behandlung mit ProArginTM Technologie: Die Dentintubuli sind verschlossen und die Schmerzweiterleitung wird blockiert. REM-Aufnahme einer Dentinoberfläche (in vitro): verschlossene Dentintubuli nach der Behandlung mit einer elmex SENSITIVE PROFESSIONAL Desensibilisierungspaste Externe Reize wie Kälte, Hitze oder Berührungen verursachen Flüssigkeitsbewegungen in den Dentintubuli, die als Schmerz empfunden werden. Vor der Behandlung: Die Dentintubuli liegen frei und Kälte, Hitze, Luft und Berührungen können schmerzhafte Reize auslösen. Der desensibilisierende Effekt von elmex SENSITIVE PROFESSIONAL wurde mit einer Prophylaxepaste zur Kontrolle verglichen. Gemessen wurde die Reduktion der Schmerzempfindlichkeit nach der einmaligen Anwendung direkt im Anschluss an eine professionelle Zahnreinigung und 4 Wochen später. REM-Aufnahme einer unbehandelten Dentinoberfläche mit offenen Tubuli (in vitro) Signifikante Schmerzreduktion durch elmex SENSITIVE PROFESSIONAL Desensibilisierungspaste 50% Schmerzreduktion nach einmaliger Anwendung Schmerzempfindlichkeit auf Kaltluft 2,5 * * 2,0 1,5 * • * • 1,0 Schmerzreduktion 3,0 Schiff et al. 2009 * p < 0,05 im Vergleich zum Ausgangswert • p < 0,05 im Vergleich zur Kontrollgruppe Doppelblinde, parallele Studie mit 68 Patienten mit bestehender Schmerzempfindlichkeit 0,5 0 Ausgangswert nach professioneller Reinigung elmex SENSITIVE PROFESSIONAL Desensibilisierungspaste 32 Sonderausgabe 2010 direkt nach Produktanwendung 4 Wochen Kontrollgruppe, kommerziell erhältliche Prophylaxepaste PROPHYLAXEdialog