Das System Arsen-Tellur. Dichten und elektrische Leitfähigkeiten der Schmelzen, Phasendiagramm The System Arsenic-Tellurium. Density and Electrical Conductivity of the Melts, Phase Diagram R oger B l a c h n ik , A n ja J äger und Gerhard E n n in g a Anorganisch-Chemisches Institut der Technischen Universität Clausthal (Z. Naturforsch. 30 b, 191-197 [1975]; eingegangen am 11. November 1974) Phasediagram of As-Te, D ensity of A s-Te m elts, Electrical Conductivity of A s-Te Melts, Arsenic-Tellurium The phase diagram of the system A s-T e has been determined. The density and the electrical conductivity of the melts were measured as a function of temperature and concentration. The density increases with increasing temperature. The electrical con­ ductivity has a minimum near 40 mol% As. This minimum becomes less pronounced with increasing temperature. Both observations indicate, that polymeric units exist in these melts, which are destroyed at higher temperature. Einleitung In früheren Arbeiten1-3 wurde durch Analyse der thermodynamischen Daten nachgewiesen, daß beim Schmelzen von Chalkogeniden der Hauptgruppenelemente kovalente Bindungen und räumlich ver­ netzte Einheiten in der Schmelze erhalten bleiben. Für Chalkogenide der V. Hauptgruppe des Typs A 2B 3 läßt sich die Auswirkung steigender Tempera­ turen schematisch darstellen: Ursache der Aufbau der kon- Auswirkung Änderung densierten Phase auf Bindungen T Kristall (Strukturelemente: Ketten, Schichten) Gerichtete Bindungen zwischen Struktur­ elementen werden vollständig, innerhalb der S. E. wenig zerstört. V Tr Schmelze polymere Einheiten |\ \ isolierte Einheiten (A4B e \ Verschwinden weiter­ reichender Resonanzbindungen. Abbau der kovalenten Bindungen, Über­ lappung von Valenz und Leitfähigkeitsbändern. Fremdkoordina­ tion (metallischer Charakter) Endstufe, Temperaturbereich und Gleichgewichts Verhältnisse in diesem Prozeß werden durch die Art der Bindung der Komponenten und ihre Stellung im Periodensystem der Elemente bestimmt. So er­ reichen Schmelzen von Oxiden und Sulfiden weit oberhalb des Schmelzpunktes die Stufe der isolierten Moleküle, dagegen werden die Verbindungen des Tetradymittyps (Bi2Te3, Sb2Te3 und Bi2Se3) inner­ halb eines kleinen Temperaturintervalls nach dem Schmelzvorgang zur Fremdkoordination abgebaut. Aufgrund der Analyse von Schmelzentropien die­ ser Verbindungen schlossen wir, daß As2Te 3 ab­ weichend von den anderen Telluriden zwischen die­ sen und den Sulfiden einzuordnen war. Ziel der vorliegenden Arbeit war die Lösung dieses Pro­ blems ; insbesondere war der Einfluß möglicher Aggregationen auf die Eigenschaften der Schmelze zu klären. Auch schien eine Klärung der in der Literatur existierenden Diskrepanzen in den Phasen­ diagrammen wünschenswert. Das erste Phasendiagramm mit der kongruent schmelzenden Verbindung As2Te 3 wurde 1909 von P e l a b o n 4 publiziert. Erste Daten über diese Ver­ bindung führten zur Einordnung in die Klasse der Halbleiter durch Messungen der elektrischen Leit­ fähigkeit von H a r m a n 5 und zur Bestimmung der Sonderdruckanforderungen an R oger B l a c h n ik , D -3392 Clausthal-Zellerfeld, Anorg.-Chem. Institut, Paul-Ernst-Straße 4. Unauthenticated Download Date | 10/30/17 5:40 PM 192 R. BLACHNIK E T A L . ■ DAS SYSTEM ARSEN-TELLUR S tr u k tu r d u r c h C a r r o n 6. I m J a h r e 1968 e r s c h ie n e n m e h r e r e z .T . e r h e b lic h v o n e in a n d e r a b w e ic h e n d e P h a s e n d ia g r a m m e . V o n P e r e t t i 7 w u rd en peratur-Konzentrations-Diagramm ist in Abb. 1 wiedergegeben. du rch t h e r m is c h e A n a ly s e z w e i E u t e k t ik a u n d d ie V e r ­ b in d u n g A s 2T e 3 g e fu n d e n . E in v o n D e m b o v s k i j 8 e r h a lte n e s S y s t e m w e is t n e b e n d ie se r V e r b in d u n g e in e M is c h u n g s lü c k e a u f d e r a r se n r e ic h e n S e it e a u f, w äh ren d S c h ie d e r m a ie r 9 annahm , daß A s 2T e 3 u n te r Z e r s e tz u n g s c h m ilz t. A u fg r u n d s e in e r t e c h ­ n is c h e n B e d e u tu n g am orphe H a lb le ite r w u r d e n in a ls A u s g a n g s s u b s ta n z e in e r R e ih e fü r von P u b lik a t io n e n v o n H r u b y 10-11, E u s n e r 12, V a ip o l i n 13-14, C o r n e t 15-17 u n d K r e b s 18 n a c h v e r s c h ie d e ­ n e n M e th o d e n G la s b ild u n g s te n d e n z u n d S tr u k tu r d e r G lä se r u n te r s u c h t. M y e r s 19 u n d B l a c h n i k 20 b e s t im m t e n d ie S c h m e lz e n th a lp ie u n d V i g d o r o v t c h 21 u n d N o r t h r o p 22 u n te r s u c h te n D a m p fd r u c k b z w . D a m p fz u s a m m e n s e tz u n g ü b e r A s 2T e 3. Eine Dichteisotherme im geschmolzenen Zustand wurde von G r a n t 23 gemessen. Die Auswertung der Meßergebnisse führte C o r n e t (I.e.) zu der Ansicht, daß in As-Te-Schmelzen ein diskontinuierlicher Wechsel in Struktur und Eigen­ schaften stattfindet. So soll die As-Te-Schmelze über den Eutektika hochpolymer und damit halb­ leitend sein, während As2Te3-Schmelzen dagegen mehr metallischen Charakter ohne polymere Mole­ küle aufweisen sollen. Experimentelles Zur Präparation der verwendeten Mischungen wurden hochreines Arsen und Tellur (Preussag) verwendet. Die Differentialthermoanalyse wurde in einer modifizierten Linseis-Apparatur24 durchge­ führt. Die Proben wurden in abgeschlossenen Quarzampullen gegen hochreines Silizium als Refe­ renzprobe mit einer Aufheizgeschwindigkeit von 5 °C/min gemessen. Die Probemenge betrug 1,5 g. Es wurden nur die Effekte der ersten Auf heizkurven an getemperten Proben ausgewertet. Die Temper­ zeiten betrugen zwei Monate. Die elektrische Leitfähigkeit wurde elektrodenlos in einer von S t e p h a n 25 verbesserten Apparatur nach H a i s t y 26 bestimmt. Dieses Verfahren ist gut geeignet Relativmessungen der elektrischen Leit­ fähigkeit in einem System durchzuführen, wegen der großen Fehlermöglichkeiten (Probenradien, Fallgeschwindigkeit, Eichmethode) dürften die Ab­ solutwerte der Leitfähigkeit nicht so zuverlässig sein. Ergebnisse Abb. 1. Das Phasendiagramm des Systems ArsenTellur. (O) Liquiduswerte nach P e r e t t 7. Wir fanden eine sehr gute Übereinstimmung mit den Daten von P e r e t t i (I.e.). Im Gegensatz zu anderen Messungen konnte auch der Verlauf der Liquiduslinie im As2Te3-As-Teilsystem verfolgt werden. Bei der Messung von kurzzeitig getemperten Proben findet man teilweise drei Wärmeeffekte, der erste und der letzte entsprechen dem Überschreiten der Eutektikalen und der Liquiduslinie. Der m itt­ lere, der schon von B l a c h n i k 27 beobachtet wurde, wird als Nichtgleichgewichtseffekt gedeutet und steht möglicherweise mit der von C o r n e t (I.e.) in As-Te-Gläsern bei 50 mol% As vermuteten Phase in Zusammenhang. In der folgenden Tab. I sind unsere und die Literaturdaten über das System zusammengefaßt: Tab. I. Lage der Eutektika und Schmelzpunkt As2Te3 im System As-Te. mol% As T [°C] A s2Te3 E T m [°C] mol% As 28,5 20 27,9 27 31 28 364 350 363 362 363 362 379 395 381 378 377 381 Ex V [°C] 42 378 50 350 44 380 46 378 (Peritektikale) 47 380 374 378 Lit. 23 8 7 15 9 diese Arb. 10 19 Phasendiagramm Das von uns durch Differentialthermoanalyse und metallographische Untersuchungen erhaltene Tem- Die Lage des Eutektikums zwischen Te-As2Te3 ist demnach 28 ± 0,5 Mol% As und 363 ± 1 °C, der Unauthenticated Download Date | 10/30/17 5:40 PM R. BLACHNIK E T A L . • DAS SYSTEM ARSEN-TELLUR 193 Schmelzpunkt des As2Te3 ist 381 i 1 °C. Das zweite Eutektikum ist wegen des flachen Verlaufs der Liquiduskurve und des geringen Temperaturunter­ schieds zum Schmelzpunkt der Verbindung un­ sicherer. Es hat die Zusammensetzung 45 i 2 Mol% As und die eutektische Temperatur von 379 i 1 °C. Dichten Als Test für die Brauchbarkeit der Dichteappara­ tur wurde zunächst die Dichte des reinen flüssigen Tellurs bestimmt. Ein Vergleich unserer Meßergeb­ nisse mit denen anderer Autoren ist in Abb. 2 geAbb. 3. Dichten von flüssigen As-Te-Mischungen. 1 = 0 in Schritten zu 5 Mol % bis 11 = 50 As. [euuo/ß] d Konzentrationsdiagramm (Abb. 4) treten positive Abweichungen vom Idealverhalten auf, nach K le m m 32 ein Anzeichen für kovalente Bindungen. Die Abweichungen werden mit zunehmender Tem­ peratur kleiner. Zugabe von 1 Mol% Ge zur As2Te3Schmelze führt zu einer Erhöhung, von 1 Mol% J zu einer Erniedrigung der Dichte der Schmelze (Abb. 6 ). Abb. 2. Temperaturabhängigkeit der Dichte von flüssigem Tellur nach G l a z o v 29 (O); nach G r a n t 23 ( X ); nach L u c a s 29 ( + ); nach W o b s t 30 ( A ) ; diese Arbeit ( A)- geben. Alle Dichtekurven liegen in einem Fehler­ intervall von 1 %. Die auftretenden größeren Ab­ weichungen in Fehler und Verlauf unmittelbar nach dem Schmelzpunkt hängen vielleicht mit verzöger­ ten Gleichgewichtseinstellungen zusammen, die bei der polymeren Tellurschmelze eine Rolle spielen könnten. In Abb. 3 sind die Dichtewerte der As-TeSchmelzen als Funktion der Temperatur und der Zusammensetzung dargestellt. Die Temperaturab­ hängigkeit ist im Bereich von 0-5 Mol% As normal, die Dichten werden mit steigender Temperatur kleiner. Die Meßwerte bei 10 Mol% As sind nahezu temperaturunabhängig. Alle Kurven bei höheren Arsengehalten zeigen eine Dichtezunahme mit stei­ gender Temperatur an. Dieser Effekt, der der Dichte-Anomalie des Wassers entspricht, wurde an Chalkogeniden auch von G l a z o v 31 an In 2Te3- und Ga,Te,-Schmelzen beobachtet. Im Molvolumen- Abb. 4. Temperaturabhängigkeit der Exzeßmolvolu■5 mina im System A s-Te ^ t in °C 1 500; 2 544; 3 560; 4 600. Abb. 5. Ausdehnungs­ koeffizienten zwischen 500— 600 °C für ge­ schmolzene As-Te-Mischungen. Unauthenticated Download Date | 10/30/17 5:40 PM 194 R. BLACHNIK E T A L . • DAS SYSTEM ARSEN-TELLUR Aus dem Verlauf der Dichtepolythermen wurde der mittlere kubische Ausdehnungskoeffizient für den Bereich von 500-600 °C bestimmt. Die in Abb. 5 dargestellte Kurve ähnelt in ihrem Verlauf den Liquiduslinien des Systems mit einem Maximum der Kontraktion der Schmelze in der Nähe der Zu­ sammensetzung von E v w egen der F o rm d e s P h a se n d ia g r a m m s n u r b is 6 0 M o l% A s m ö g lic h . D e r r e la tiv e V e r la u f d e r I s o ­ th e r m e n i s t in g u t e r Ü b e r e in s t im m u n g m it d e n A r b e it e n v o n F i s c h e r 33 u n d K o l o m ie t s 34, w äh ren d M e l n i k 35 e in M a x im u m d e r L e itfä h ig k e it a n d er S t e lle d e r Z u s a m m e n s e tz u n g d e r V e r b in d u n g fin d e t. Diskussion t [°c] Abb. 6. Auswirkungen von Ge- und J 2-Zusatz auf die Dichte von geschmolzenem A s2Te3. Elektrische Leitfähigkeiten Die Isothermen der elektrischen Leitfähigkeit (Abb. 7) durchlaufen ein Minimum bei 40 Mol% As, das mit steigender Temperatur abgebaut wird. Messungen in der homogenen Schmelze waren Der von C o r n e t (I.e.) aus dem unterschiedlichen Glasbildungsvermögen gefolgerte unterschiedliche Charakter von eutektischen Schmelzen und einer Schmelze der Verbindung As2Te3 wurde in unseren Messungen nicht gefunden. Dichte und elektrische Leitfähigkeit zeigen in ihren Isothermen einen kontinuierlichen Verlauf. Das gilt auch für die Vis­ kositätsisothermen des Systems, die im Bereich Te-As 0.5Te 0.5 fast kontinuierlich ansteigen. Die Viskosität der As2Te3-Schmelzen liegt wesentlich höher als die der Schmelzen von Bi2Te3 und Sb2Te336. Diese hohen Viskositäten und eine früher von uns durchgeführte Analyse der Schmelzentropie des As2Te3, sprechen gegen einen mehr metallischen Charakter der Schmelze bei der Zusammensetzung As2Te3 und für eine auch hier vorhandene polymere Schmelze. Allerdings werden die positiven Abweichungen von der Rauolt’schen Geraden im Falle der Molvolumina und die negativen Abweichungen im Fall der elektrischen Leitfähigkeiten mit steigender Temperatur in Richtung auf die Additivwerte ab­ gebaut. Alle von uns untersuchten Zusammensetzungen verhalten sich in ihrer elektrischen Leitfähigkeit bis etwa 300 °C über den Schmelzpunkt wie Halbleiter mit Eigenleitung, d.h. es gilt: a — A exp. Mol % As— ► Abb. 7. Isothermen der elektrischen Leitfähigkeit für As-Te-Schmelzen. • 800 °C; O 700 cC; X 550 °C. AE 2 kT mit A , einer Stoff konstanten, A E , dem Abstand Valenzband-Leitungsband, T, der absoluten Tem­ peratur und k, der Boltzmannkonstanten. Ina ist damit in diesem Bereich linear von 1/T abhängig. Zu höheren Temperaturen weichen diese Auftra­ gungen vom linearen Zusammenhang ab. Diese Be­ obachtung wurde von P e r r o n 37 auch an Se-TeSchmelzen gemacht und von ihm durch kontinuier­ liche Zunahme der Leitungselektronenkonzentration infolge der Zerstörung von Ketten in der Schmelze Unauthenticated Download Date | 10/30/17 5:40 PM R. BLACHNIK ET A L . ■DAS SYSTEM ARSEN-TELLUR erklärt. Die Se-Te-Schmelzen gehorchten in diesem Hochtemperaturbereich der Gleichung: o = A x/T ( 1 - ( T J T ) ) mit A x und T x als Stoffkonstanten. Wie die Abb. 8 T[K] — Abb. 8. Perronsche Beziehung für As-Te-Schmelzen bei hohen Temperaturen. Mol% As: X 64, • 58, A 50, □ 40, A 31,6, O 15,4. zeigt, gilt diese Beziehung auch für die As-TeSchmelzen mit Ausnahme der arsenreichsten. Das Verhalten der Schmelzen nähert sich damit der Temperaturabhängigkeit der elektrischen Leit­ fähigkeit von Metallschmelzen, wie schon von E d m o n d 38 für die As2Te3-Schmelze vermutet wurde, mit „ ^ er = A J T an. Dieses metallische Verhalten ist wahrscheinlich unter Normaldruck wegen des niedrigen Siede­ punktes der Schmelze nicht zu erreichen. Man findet einen unterschiedlichen Charakter der Schmelzen bei einem Vergleich des Verlaufs der Temperaturabhängigkeit der von uns untersuchten Größen. Die elektrischen Leitfähigkeiten steigen für die tellurreichen Mischungen mit steigender Temperatur relativ gering an, die Dichten nehmen ab. Mit höherem Arsengehalt tritt ein sehr starker Anstieg der elektrischen Leitfähigkeit mit der Tem­ peratur auf, die Dichten nehmen zu. Dieses Ver­ halten läßt sich mit Hilfe eines Strukturvorschlags von C o r n e t (I.e.) für As-Te-Gläser deuten. In tellurreichen Gläsern ist das Arsen dreibindig über Tellurketten miteinander verknüpft. Bei Übertra­ gung dieses Modells auf die Schmelze sollten deren Eigenschaften durch diese Ketten bestimmt sein 195 und damit Ähnlichkeit mit reinem Tellur zeigen, nämlich gute elektrische Leitfähigkeit und Ab­ nahme der Dichte mit steigender Temperatur. Bei Temperaturerhöhung treten dreibindige Tellur­ atome auf, wie sie F r i e d e l 39 zur Erklärung der Eigenschaften reiner Tellurschmelzen forderte. Diese tragen zur weiteren Erhöhung des metalli­ schen Charakters und damit der elektrischen Leit­ fähigkeit bei. Für arsenreiche Gläser schlägt C o r n e t eine Ring­ struktur vor, bei der aus AsTe3/2-Einheiten gebildete weitmaschige Ringe über As-As-Brücken verknüpft sind. Mit steigendem Arsengehalt wird die Anzahl der Verknüpfungen größer. Aufgrund der kurzen As-As-Abstände ist eine freie Rotation um diese Brücken erschwert. Die Änderung der Dichte und der elektrischen Leitfähigkeit mit der Temperatur für arsenreiche Schmelzen lassen sich mit diesem Modell erklären. Die Schmelze ist wegen der Ver­ knüpfung der Ringe über die starren Brücken nicht besonders dicht gepackt 40 und wegen der kovalenten Bindungen weniger leitend. Das Maximum des elektrischen Widerstandes wäre bei 40 Mol% As (As2Te3) zu erwarten, weil die Valenzelektronen zur Verbindungsbildung verbraucht werden. Die maxi­ male Abweichung der Molvolumina von der Additiv­ geraden läge dagegen bei höheren Arsengehalten, da die Zahl der As-As-Brücken für die lockere Packung verantwortlich ist. Beides ist in Überein­ stimmung mit den experimentellen Gegebenheiten. Mit steigender Temperatur werden zum einen drei­ bindige Telluratome auftreten, zum anderen wird die Rotation um die As-As-Brücken erleichtert, d. h. die Atome der Schmelze werden eine dichtere Packung einnehmen. Damit findet die anomale Dichtezunahme mit steigender Temperatur ihre strukturelle Erklärung. Ist der eben angedeutete Vorgang beendet, nimmt die Dichte normal mit steigender Temperatur ab, wie ergänzende Messun­ gen inzwischen nachweisen konnten (Abb. 9). In- O o>5,3 Q, 5,2 Abb. 9. Dichte des As2Te3 als Funktion der Temperatur. Unauthenticated Download Date | 10/30/17 5:40 PM 196 R. BLACHNIK E T A L . • DAS SYSTEM ARSEN-TELLUR folge der Überführung von Valenzelektronen in Leitfähigkeitsbänder beim Entstehen von dreibindigen Tellurplätzen in der Schmelze wird aber auch die elektrische Leitfähigkeit erhöht. Die schwächere Glasbildungstendenz von Schmel­ zen in der Nähe der Zusammensetzung As2Te3 ist, wie die kontinuierliche Änderung der thermoche­ mischen Daten der Schmelze in Abhängigkeit von der Zusammensetzung zeigt, nicht auf einen grund­ sätzlichen Wechsel in Struktur und Bindung der Schmelze zwischen As2Te 3 und den Eutektika zurückzuführen. Bei Erstarrung von Schmelzen, die arsenreicher oder ärmer als As2Te3 sind, müssen zur Einstellung der Gleichgewichtsverhältnisse des Zustandsdia­ gramms kovalente Bindungen (As-As oder Te-Te) im polymeren Netzwerk der Schmelze aufgebrochen werden, bei schnellem Abkühlen erfolgt die Glas­ bildung unter Vermeidung dieses Bindungsbruchs, Für As2Te3-Gläser w*urde von S e r e g i n 41 durch NMR-Messungen nachgewiesen, daß der erhebliche Unterschied in der Nahordnung von Glas und Kri­ stall nur auf einer axialen Kompression der Struk­ turelemente beruht. Eine As2Te3-Schmelze kann möglicherweise nur durch Änderung der Bindungs­ winkel und -längen den kristallinen Zustand er­ reichen, während die As-Te-Bindungen selbst nicht zerstört werden. Für As2Te3-Gläser wurde von S e r e g i n 41 durch NMR-Messungen nachgewiesen, daß der erhebliche Unterschied in der Nahordnung von Glas und Kristall nur auf einer axialen Kom­ pression der Strukturelemente beruht. Diese Kom­ pression könnte auf eine Bindungsverstärkung in den Schmelzen zurückzuführen sein, da auch die exothermen Bildungsenthalpien von As2Te 3 (kri­ stallin) ungewöhnlicherweise kleiner als die Mi- schungsenthalpie im flüssigen Zustand bei dieser Zusammensetzung3 ist. Die experimentellen Ergebnisse bei der Zugabe von Ge bzw. J 2 ordnen sich in dieses Bild ein. Bei der Zulegierung von geringen Mengen Ge wird die Zahl der Verknüpfungsmöglichkeiten nicht wie bisher durch Temperatursteigerung, sondern durch die Vierbindigkeit der Ge-Atome erhöht, bei der Zugabe von J 2 wird die Anzahl der Brücken verringert. Im ersten Fall ist eine dichtere Packung, als in reinem As2Te3, im zweiteren nur eine lockere Packung möglich. Diese Feststellung wird gestützt durch Beobachtungen von H r u b y (I.e.) über den Einfluß von Ge- und J 2-Zusätzen auf die Erwei­ chungspunkte von As2Te3-Gläsern. J 2 bewirkte danach eine Erniedrigung, Ge eine Erhöhung der Erweichungspunkte. Aufgrund unserer Messungen ordnet sich das As-Te-System in die Systematik der Vorgänge in Chalkogenidschmelzen gut ein. Zunächst auftretende polymere Aggregationen werden mit steigender Temperatur zugunsten mehr metallischer Bindun­ gen unter gleichzeitiger Erhöhung der Koordina­ tionszahl abgebaut. Der Charakter der von uns untersuchten Schmelzen wechselt vom tellurähn­ lichen metallisch-kovalenten Charakter zu kovalen­ ten AsTe3/2-Netzwerkstrukturen ohne eine wesent­ liche Diskontinuität an der Stelle der Verbindung As2Te3. 1 R. B l a c h n i k u . A. S c h n e i d e r , Z. Anorg. Allg. Chemie 372, 314 [1970]. 2 R. B l a c h n i k u . W. K l u g e , Thermocliimica Acta 3, 317 [1972], 3 R. B l a c h n i k u . E . E n n i n g a , Thermocliimica Acta 9, 83 [1974]. 4 H . P e l a b o n , Ann. C h im . et P h y s . 17, 561 [1909]. 5 T. C. H a r m a n , B . P a r i s , S . E . M i l l e r u . H . L. G o e r i n g , P h y s . C h e m . S o lid s 2, 186 [1957]. 6 G . J. C a r r o n , Acta Crystallogr. 16, 338 [1963]. 7 J. R. E i f e r t u . E . A. P e r e t t i , Mater. Science 3, 293 [1968]. 8 S. A. D e m b o v s k i j , I. A. K i r i l e n k o u . A. S. Iv h v o r o s t e n k o , R u s s . J. Inorg. Chem. 13, 768 [1968]. 9 R. 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