Vorbereitungskurs Mathematik zum Sommersemester 2011 – Tag 10 Timo Stöcker Erstsemestereinführung Informatik TU Dortmund 25. März 2011 Heute Themen Abzählende Kombinatorik Auswahlen aus einer Menge Urnenmodelle Multinomialkoeffizient Siebformel / Prinzip von Inklusion und Exklusion Mastertheorem Timo Stöcker | https://fsinfo.cs.tu-dortmund.de/studis/ese/vorkurse/mathe 2 Abzählende Kombinatorik Bemerkung Zuerst eine teilweise Wiederholung. Satz Es seien M1 , . . . , Mr endliche Mengen. Dann gilt: S P | rk=1 Mk | = rk=1 |Mk |, für paarweise disjunkte Mengen Mk . Q Q | rk=1 Mk | = rk=1 |Mk | Q Dabei bezeichnet rk=1 Mk das r -fache kartesische Produkt M1 × M2 × · · · × Mr . Timo Stöcker | https://fsinfo.cs.tu-dortmund.de/studis/ese/vorkurse/mathe 3 Schubfachprinzip Satz Es sei f : X → Y eine Abbildung zwischen endlichen Mengen und |X | > |Y |. Dann gibt es ein y ∈ Y mit |f −1 (y )| ≥ 2. Beispiel Eine Bibliothek habe mehr als 4000 Bücher. Keines der Bücher habe mehr als 4000 Seiten. Dann gibt es (mindestens) zwei Bücher mit der gleichen Seitenzahl. Timo Stöcker | https://fsinfo.cs.tu-dortmund.de/studis/ese/vorkurse/mathe 4 Erinnerung: Binomialkoeffizienten Definition Der Binomialkoeffizient n über k“ ist definiert als: ” n n! := k!(n − k)! k Satz n 0 n k = n n = 1, n + k+1 = n k = n+1 k+1 n n−k Die Anzahl der k-elementigen Teilmengen einer n-elementigen Menge ist kn . Timo Stöcker | https://fsinfo.cs.tu-dortmund.de/studis/ese/vorkurse/mathe 5 Weitere Eigenschaften Satz Für a, b ∈ K und n ∈ N0 gilt: (a + b)n = Pn n k=0 k ak b n−k Satz X m m+n m n = · m k k k=0 Dies ist die Anzahl der kürzesten Wege auf einem Rechteckgitter von (0, 0) nach (n, m). Timo Stöcker | https://fsinfo.cs.tu-dortmund.de/studis/ese/vorkurse/mathe 6 Und noch mehr Eigenschaften Satz Eine n-elementige Menge besitzt 2n Teilmengen, das heißt also |P(M)| = 2n für |M| = n. Definition (n)k := n! = n · (n − 1) · (n − 2) · · · (n − k + 1) (n − k)! heißt fallende Faktorielle. Timo Stöcker | https://fsinfo.cs.tu-dortmund.de/studis/ese/vorkurse/mathe 7 Auswahlen aus einer Menge Motivation Viele kombinatorische Fragestellungen benötigen: Wähle aus einer endlichen Menge mit oder ohne Zurücklegen der Elemente und mit oder ohne Beachtung der Reihenfolge. Satz Es seien k, n ∈ N0 und M eine endliche Menge mit |M| = n Elementen. Dann wird die Anzahl der Möglichkeiten für die Auswahl von k Elementen aus dieser n-elementigen Menge M gegeben durch geordnet ungeordnet n+k−1 mit Wiederholung nk k n ohne Wiederholung (n)k k Timo Stöcker | https://fsinfo.cs.tu-dortmund.de/studis/ese/vorkurse/mathe 8 Beispiele – Geordnet Geordnet mit Wiederholung Wenn aus 10 Objekten 3 mal mit Zurücklegen gezogen wird, dann sind 10 · 10 · 10 verschiedene Auswahlen möglich. Wobei (a, b, a) 6= (b, a, a). Geordnet ohne Wiederholung Wenn aus 10 Objekten 3 mal ohne Zurücklegen gezogen wird, dann sind 10 · 9 · 8 verschiedene Auswahlen möglich. Wobei (a, b, c) 6= (b, a, c). Timo Stöcker | https://fsinfo.cs.tu-dortmund.de/studis/ese/vorkurse/mathe 9 Beispiele – Ungeordnet Ungeordnet mit Wiederholung Wenn aus 10 Objekten 3 mal mit Zurücklegen gezogen wird, dann 12 sind 10+3−1 = 3 3 verschiedene Auswahlen möglich. Wobei (a, b, a) = (b, a, a). Ungeordnet ohne Wiederholung Wenn aus 10 Objekten 3 mal ohne Zurücklegen gezogen wird, dann sind 10 3 verschiedene Auswahlen möglich. Wobei (a, b, c) = (b, a, c). Timo Stöcker | https://fsinfo.cs.tu-dortmund.de/studis/ese/vorkurse/mathe 10 Urnenmodelle Definition Diese vier Möglichkeiten sind die vier Urnenmodelle. Man stellt sich dabei vor, dass diese Ziehungen aus einer verdeckten Urne erfolgen. Urnenmodell 1: geordnet, mit Zurücklegen Urnenmodell 2: geordnet, ohne Zurücklegen Urnenmodell 3: ungeordnet, mit Zurücklegen Urnenmodell 4: ungeordnet, ohne Zurücklegen Timo Stöcker | https://fsinfo.cs.tu-dortmund.de/studis/ese/vorkurse/mathe 11 Multinomialkoeffizient Definition Für n = n1 + · · · + nk mit n1 , . . . , nk ∈ N0 , k ∈ N heißt n n! := n1 ! · · · nk ! n1 , . . . , nk Multinomialkoeffizient. Bemerkung n n n1 ,n2 = n1 n 1,...,1 = n! = n n2 Timo Stöcker | https://fsinfo.cs.tu-dortmund.de/studis/ese/vorkurse/mathe 12 Anwendung Satz Es seien n = n1 + · · · + nk Objekte aufgeteilt auf k Sorten gegeben. Das Tupel (n1 , . . . , nk ) heißt die Spezifikation der n Objekte. Dann ist n1 ,...,n die Anzahl der möglichen Anordnungen k dieser Objekte als Folge der Länge n. Beispiel Betrachte das Wort Banane“. Wir haben n = 1 + 2 + 2 + 1 = 6 ” Buchstaben aufgeteilt auf die einzelnen Sorten B“, a“, n“, e“. ” ” ” ” Die Spezifikation lautet also: (1, 2, 2, 1). Und es gibt 6 6! 720 1,2,2,1 = 1!2!2!1! = 4 = 180 viele Anagramme. Timo Stöcker | https://fsinfo.cs.tu-dortmund.de/studis/ese/vorkurse/mathe 13 Verallgemeinerung des binomischen Lehrsatzes Satz n (x1 + · · · + xk ) = X n1 , . . . , nk ≥ 0 n1 + · · · + nk = n n n1 , . . . , nk Timo Stöcker | https://fsinfo.cs.tu-dortmund.de/studis/ese/vorkurse/mathe · x1n1 · · · xknk 14 Prinzip von Inklusion und Exklusion Satz Für endliche Mengen M1 , . . . , Mn gilt: | n [ k=0 n X Mk | = (−1)k+1 k=1 X |Mi1 ∩ · · · ∩ Mik | 1≤i1 <···<ik ≤n Diese Formel nennt sich Siebformel oder das Prinzip von Inklusion und Exklusion. Timo Stöcker | https://fsinfo.cs.tu-dortmund.de/studis/ese/vorkurse/mathe 15 Beispiel Beispiel Mk sei die Menge der durch k teilbaren Zahlen ≤ 100. Die Menge der Zahlen ≤ 100, die durch 2 oder 3 oder 5 teilbar sind, lautet: M2 ∪ M3 ∪ M5 . Es gilt: |M2 ∪ M3 ∪ M5 | = |M2 | + |M3 | + |M5 | −|M2 ∩ M3 | − |M2 ∩ M5 | − |M3 ∩ M5 | +|M2 ∩ M3 ∩ M5 | 100 100 100 100 100 100 = 100 2 + b 3 c + 5 − b 6 c − 10 − b 15 c + b 30 c = 74. Timo Stöcker | https://fsinfo.cs.tu-dortmund.de/studis/ese/vorkurse/mathe 16 Mastertheorem Motivation Betrachte die Formel: T (n) = a · T ( bn ) + f (n) mit a ≥ 1 und b > 1. Interpretation der Rekurrenz T (n): a = Anzahl der Unterprobleme in der Rekursion 1 b = Teil des Originalproblems, welches wiederum durch alle Unterprobleme repräsentiert wird f (n) = Kosten (Aufwand), die durch die Division des Problems und der Kombination der Teillösungen entstehen Timo Stöcker | https://fsinfo.cs.tu-dortmund.de/studis/ese/vorkurse/mathe 17 Mastertheorem Betrachte die Formel: T (n) = a · T ( bn ) + f (n) mit a ≥ 1 und b > 1. Satz Wenn ∀n ∈ N : f (n) ≤ c · nlogb a− für ein > 0 und ein c > 0 gilt, dann gilt für T (n): c10 · nlogb a ≤ T (n) ≤ c 0 · nlogb a für ein c 0 ≥ 1. Beispiel Für T (n) = 8T ( n2 ) + 10n2 gilt: a = 8, b = 2, f (n) = 10n2 , log2 8 = 3. Bedingung überprüfen: Setze c = 20, = 1 dann gilt: 10n2 ≤ 20 · n3−1 X Es folgt: ∃c 0 ≥ 1 : ∀n ∈ N : 1 c0 · n3 ≤ T (n) ≤ c 0 · n3 Timo Stöcker | https://fsinfo.cs.tu-dortmund.de/studis/ese/vorkurse/mathe 18 Mastertheorem Betrachte die Formel: T (n) = a · T ( bn ) + f (n) mit a ≥ 1 und b > 1. Satz Wenn ∀n ∈ N : c1 · nlogb a ≤ f (n) ≤ c · nlogb a für ein c > 0 gilt, dann gilt für T (n): c10 · nlogb a · log n ≤ T (n) ≤ c 0 · nlogb a · log n. Beispiel Für T (n) = 2T ( n2 ) + 10n gilt: a = 2, b = 2, f (n) = 10n, log2 2 = 1. Bedingung überprüfen: Setze c = 20 dann gilt: 1 1 1 20 · n ≤ 10n ≤ 20 · n X Es folgt: ∃c 0 ≥ 1 : ∀n ∈ N : 1 c0 · n log n ≤ T (n) ≤ c 0 · n log n Timo Stöcker | https://fsinfo.cs.tu-dortmund.de/studis/ese/vorkurse/mathe 19 Mastertheorem Betrachte die Formel: T (n) = a · T ( bn ) + f (n) mit a ≥ 1 und b > 1. Satz Wenn ∀n ∈ N : f (n) ≥ c · nlogb a+ für > 0 und c > 0 und zusätzlich für alle hinreichend großen n gilt: a · f ( bn ) ≤ d · f (n) für ein d mit 0 < d < 1, dann gilt für T (n): 1 0 0 c 0 · f (n) ≤ T (n) ≤ c · f (n) für ein c ≥ 1. Timo Stöcker | https://fsinfo.cs.tu-dortmund.de/studis/ese/vorkurse/mathe 20 Mastertheorem Beispiel Für T (n) = 2T ( n2 ) + n2 gilt: a = 2, b = 2, f (n) = n2 , log2 2 = 1. Bedingung überprüfen: Setze c = 1, = 1 dann gilt: n2 ≥ 1 · n1+1 X Zusatzbedingung überprüfen: a · f ( bn ) ≤ d · f (n) 2 ⇔ 2( n2 )2 ≤ d · n2 . Setze d = 12 . ⇒ n2 ≤ 12 n2 X Es folgt: ∃c 0 ≥ 1 : ∀n ∈ N : 1 c0 · n2 ≤ T (n) ≤ c 0 · n2 Timo Stöcker | https://fsinfo.cs.tu-dortmund.de/studis/ese/vorkurse/mathe 21 Zusammenfassung Themen Abzählende Kombinatorik Auswahlen aus einer Menge Urnenmodelle Multinomialkoeffizient Siebformel / Prinzip von Inklusion und Exklusion Mastertheorem Timo Stöcker | https://fsinfo.cs.tu-dortmund.de/studis/ese/vorkurse/mathe 22