WA BFH Arial - Word 2007 - BFH: Gesundheit

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Frühe Gesundheitsförderung in vulnerablen Familien- ein neues Handlungsfeld für Hebammen in der
Schweiz?
Eine systematische Literaturreview
Bachelor-Thesis
Judith Gehweiler
Berner Fachhochschule Fachbereich Gesundheit
Bachelor of Science Hebamme
Bern, 06.08.2012
Frühe Gesundheitsförderung
INHALTSVERZEICHNIS
ABSTRACT ................................................................................................................. 3
1
2
3
4
5
Einleitung........................................................................................................... 4
1.1
Zielsetzung und Fragestellung .............................................................. 5
1.2
Eingrenzung .......................................................................................... 5
Theoretischer Hintergrund ............................................................................... 6
2.1
Vulnerablen Familien............................................................................. 6
2.2
Frühe Gesundheitsförderung in vulnerablen Familien ........................... 6
2.3
Frühe Gesundheitsförderung in der Schweiz ......................................... 7
2.4
Internationale Programme der frühen Gesundheitsförderung ...............11
2.5
Kontinuierliche Betreuung ....................................................................15
2.6
Kompetenzprofil der Hebamme ............................................................15
Methode ............................................................................................................15
3.1
Literaturrecherche ................................................................................16
3.2
Literaturanalyse....................................................................................17
ERGEBNISSE....................................................................................................22
4.1
Ergebnisse der Literaturrecherche .......................................................22
4.2
Ergebnisse der Literaturanalyse ...........................................................25
4.2.1
Rahmenbedingungen der frühen Gesundheitsförderung ...............32
4.2.2
Auswirkungen der Interventionen .....................................................36
Diskussion ........................................................................................................42
5.1
Auswirkungen der frühen Gesundheitsförderung..................................42
5.2
Hebammenarbeit im Bereich der frühen Gesundheitsförderung ...........45
5.3
Transfer in die Schweiz ........................................................................47
6
SCHLUSSFOLGERUNG ...................................................................................49
7
LITERATURVERZEICHNIS ...............................................................................51
8
Tabellenverzeichnis .........................................................................................58
9
Abkürzungsverzeichnis ...................................................................................59
10
Anhang Poster..................................................................................................60
2
Frühe Gesundheitsförderung
ABSTRACT
Einleitung/ Theorie: Die Entwicklung der Kinder kann durch familiäre und gesundheitliche Risikofaktoren negativ beeinflusst werden. Daher ist es von großer Bedeutung
diese Familien durch Maßnahmen der frühen Gesundheitsförderung zu unterstützen. In
der Schweiz werden vulnerable Familien durch bestehende Angebote oftmals nicht
erreicht. In anderen Ländern wurden in den letzen Jahren Programme entwickelt, deren Ziel es ist vulnerable Familien von der Schwangerschaft bis zu den ersten Lebensjahren kontinuierlich zu betreuen, um so deren gesundheitliche und soziale Entwicklung zu fördern. Dabei fanden zum Teil Hebammen als Familienbegleitende Einsatz. Diese Arbeit soll die Auswirkungen der Hebammenarbeit im Bereich der frühen
Gesundheitsförderung in vulnerablen Familien evaluieren und die Bedeutung der gewonnenen Erkenntnisse für das schweizerische Gesundheitssystem diskutieren.
Methode: Es wurde eine systematische Literaturrecherche auf relevanten Datenbanken und Webseiten durchgeführt und nach Studien, Reviews und Leitlinien gesucht,
die zur Beantwortung der Fragestellung dienten. Die gefundene Literatur wurde durch
verschiedene Kriterien bezüglich ihrer Qualität eingeschätzt.
Ergebnisse: Nachweis von einzelnen signifikant positiven, sowie nicht signifikanten
Auswirkungen auf die soziale und gesundheitliche Entwicklung von Frauen und deren
Kinder und Nachweis eines ökonomischen Nutzens für die Gesellschaft. In der Untergruppe der mehrfachbelasteten Frauen scheint die frühe Gesundheitsförderung besonders wirkungsvoll zu sein. Eine kontinuierliche Betreuung ab der Schwangerschaft
fördert die vertrauensvolle Beziehung zwischen Frau und Familienbegleiter/in.
Diskussion: Die analysierten Forschungsarbeiten waren sehr heterogen und wandten
verschiedene Forschungsdesigns und Messinstrumente an. Es wurden zudem verschiedene Ergebnisparameter erhoben, was zu einem uneinheitlichen Gesamtbild der
Ergebnisse führte.
Schlussfolgerung: In der Schweiz sollten Angebote der frühen Gesundheitsförderung
für vulnerable Frauen und Familien ausgebaut werden, welche bereits in der Schwangerschaft ansetzen und in denen verstärkt zu Familienbegleitende geschulte Hebammen zum Einsatz kommen. Der Bedarf der Frauen für Hilfeleistungen sollte durch eine
Einschätzung von Risikofaktoren in der Schwangerschaft ermittelt werden.
Schlüsselwörter: frühkindliche Intervention, vulnerable Familien, Familienbegleiter/innen, Hausbesuche, Gesundheitsprävention,
3
Frühe Gesundheitsförderung
1
EINLEITUNG
In ihrem Konzept „Gesundheit 21“, empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO)
ihren Mitgliedsstaaten danach zu trachten, die Voraussetzungen für ein stützendes
familiäres Umfeld zu schaffen, in dem Kinder erwünscht und Eltern befähigt sind, ihre
Rollen zu übernehmen (WHO, 1998, S. 18). Denn die Familie spielt für die frühe Entwicklungszeit (Schwangerschaft, Geburt und Kleinkindperiode) von Kindern eine entscheidende Rolle (Schweizerische Gesellschaft für Prävention und Gesundheitswesen,
2002), da in dieser Lebensphase zentrale Belastungs- und Schutzfaktoren ausgebildet
werden, welche das Verhältnis von Widerstandsfähigkeit (Resilienz) und Verwundbarkeit (Vulnerabilität) in der weiteren Entwicklung des Kindes nachhaltig prägen (Hafen,
2010). In sogenannten vulnerablen Familien jedoch kann diese Entwicklung aufgrund
von gesundheitlichen, medizinisch-sozialen oder psycho-sozialen Risiken, wie z.B.
Alkohol- und Drogenabhängigkeit, Einelternhaushalt, Migrationshintergrund, chronische Krankheiten, Minderjährigkeit der Eltern und soziale Benachteiligung, beeinträchtigt werden (Schneider, 2006, S.15).
Diese genannten Risikofaktoren finden sich in der Schweiz zum Teil mit steigender
Tendenz. So ist laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) (Branger et al., 2008) in den
letzten Jahren ein Wandel der Familienstrukturen zu beobachten, hin zu mehr Einelternhaushalten, sowie einem stetigen Anstieg des Ausländeranteiles in der Bevölkerung. Dieser liegt aktuell bei 22,4% und ist damit einer der höchsten in Europa (BFS,
2012). Desweiteren ist in der Schweiz eine zunehmende Entwicklung hin zur sozialen
Ungleichheit in der Gesellschaft zu beobachten (BFS,2012), welche sich unter anderem durch einen relativ hohen Anteil an Kinderarmut von 9,4% im Vergleich zu den
europäischen Nachbarländern, wie z.B. Frankreich mit 7,6%, zeigt (Organisation für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung [OECD], 2011) bzw. einem Anteil von
27% der Einelternfamilien und 24% der Familien mit drei und mehr Kindern, die unter
der Armutsgrenze leben (Branger et al.,2008).
In der Schweiz wird mit 0,32% des Bruttoinlandproduktes, verglichen mit 1,52% des
Bruttoinlandproduktes in Frankreich, unterdurchschnittlich wenig in Familien mit Kindern im Alter von null bis fünf Jahren investiert (OECD, 2011). Jedoch sind Hilfen durch
den Staat umso effizienter, je früher dieser in Familien mit Kindern investiert (OECD,
2011). Denn durch frühe Gesundheitsförderung in vulnerablen Familien ab der
Schwangerschaft, ist es möglich auf die Lebensbedingungen der Kinder einzuwirken
und auf diese Weise deren Schutzfaktoren zu stärken, sowie die Belastungsfaktoren zu
reduzieren (Hafen, 2010). Dies ist in der Schweiz bisher allerdings nur unzureichend
4
Frühe Gesundheitsförderung
umgesetzt. Durch aktuelle Studien (König & Pehlke-Milde, 2010; Regierungsrat Kanton
Luzern, 2011) konnte aufgezeigt werden, dass vulnerable Frauen bzw. Familien erst
spät oder gar nicht durch bestehende Angebote der frühen Gesundheitsförderung erreicht werden.
In Deutschland z.B. wird frühe Gesundheitsförderung unter anderem durch Familienhebammen umgesetzt. Bei den Familienhebammen handelt es sich um speziell geschulte Hebammen, welche vulnerable Frauen bzw. Familien ab der Schwangerschaft
kontinuierlich bis zum ersten Lebensjahr des Kindes betreuen. Dieser Ansatz erscheint
als sehr sinnvoll, da die Phase der Schwangerschaft und der frühen Elternschaft Zeiten
der Umstrukturierung und Neufindung sind, welche ein Potential für wünschenswerte
Verbesserungen bei gesundheitlichen und sozialen Problemen in den Familien bieten
(Staschek, 2003). Desweiteren kann durch die kontinuierliche Betreuung ab der
Schwangerschaft, ein frühzeitiger und nachhaltiger Versorgungszugang zu den Familien aufgebaut werden (Sayn-Wittgenstein, 2008). Zudem erscheinen Hebammen hoch
relevant für den Zugang zu vulnerablen Familien aufgrund ihrer hohen Akzeptanz in
der Bevölkerung (Renner, 2010).
1.1
Zielsetzung und Fragestellung
Ziel dieser Arbeit ist es, die Wirkung der Hebammenarbeit im Bereich der frühen Gesundheitsförderung in vulnerablen Familien zu evaluieren. Dabei sollen wirkungsvolle
Interventionen im Bereich der frühen Gesundheitsförderung bezüglich körperlicher,
medizinischer, sozialer und psychischer Aspekte bei den Frauen, Familien und Kindern, sowie bezüglich ökonomischer Aspekte gefunden werden. Außerdem sollen die
gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich ihrer Bedeutung für das schweizerische Gesundheitssystem betrachtet werden. Im Mittelpunkt stehen dabei folgende Fragen:

Welche Wirkung hat die Arbeit der Hebamme im Bereich der frühen Gesundheitsförderung in vulnerablen Familien?

Wie gestaltet sich die frühe Gesundheitsförderung in vulnerablen Familien in
der Schweiz und welche Bedeutung haben die gewonnenen Erkenntnisse für
das schweizerische Gesundheitssystem?
1.2
Eingrenzung
In dieser Arbeit soll die Wirkung einer Hebammenbetreuung im Bereich der frühen Gesundheitsförderung in vulnerablen Familien untersucht werden. Dementsprechend
werden nur solche Studien berücksichtigt, welche die Arbeit mit vulnerablen, das heißt,
5
Frühe Gesundheitsförderung
Frauen mit sozialen oder gesundheitlichen Risikofaktoren, während der Schwangerschaft und in den ersten Jahren nach der Geburt untersuchen. Die Interventionen in
den Forschungsarbeiten müssen nicht zwangsläufig von Hebammen durchgeführt
werden, jedoch müssen sie im Kompetenzbereich der Hebamme liegen.
2
THEORETISCHER HINTERGRUND
Zu Beginn dieses Kapitels werden zu Erklärung der Thematik dieser Forschungsarbeit
die Begrifflichkeiten „vulnerable Familien“ und „Frühe Gesundheitsförderung in vulnerablen Familien“ erläutert. Anschließend erfolgt eine Übersicht der Situation der frühen
Gesundheitsförderung in vulnerablen Familien in der Schweiz, sowie im internationalen
Raum. Dadurch ist es in der später folgenden Interpretation der Ergebnisse möglich die
Situation in der Schweiz einzuschätzen und die gewonnenen Erkenntnisse auf das
schweizerische Gesundheitssystem zu beziehen. Am Ende dieses Kapitels wird auf die
kontinuierliche Betreuung durch Hebammen und das Kompetenzprofil der Hebamme
eingegangen. Diese beiden Aspekte zeigen die Bedeutung der Arbeit der Hebamme im
Bereich der frühen Gesundheitsförderung auf und sind somit wichtige Grundlagen für
die Beantwortung der Frage, welche Bedeutung die Arbeit der Hebamme im Bereich
der frühen Gesundheitsförderung in vulnerablen Familien hat.
2.1
Vulnerablen Familien
Vulnerable Familien sind Familien, bei denen bestimmte Risikofaktoren vorliegen. Diese können unterschieden werden in familiäre (z.B. elterliche Erkrankungen, Erfahrung
von Vernachlässigung oder Misshandlung in der Kindheit der Eltern, Partnergewalt,
mangelnde Bildung und Reflexionsmöglichkeiten der Eltern) und soziale (z.B. Armut
und Leben in deprivierten Quartieren) Risikofaktoren. Durch das Auftreten von Risikofaktoren in Familien wird die Chance der Familienmitglieder negativ beeinflusst gesund
zu bleiben bzw. zu werden. Durch den Ausbau von Schutzfaktoren in den Familien
können die Auswirkungen der Risikofaktoren abgemildert werden (Thyen, 2012).
2.2
Frühe Gesundheitsförderung in vulnerablen Familien
Der Begriff „Frühe Gesundheitsförderung in vulnerablen Familien“ wird in dieser Arbeit
verwendet, um den Bereich der Frühförderung zusammenzufassen, der sich speziell
auf die Arbeit mit vulnerablen Familien konzentriert und den Zeitraum ab der Schwangerschaft bis zum Ende der ersten Lebensjahre einschließt. Dabei liegt der Fokus dieser frühen Förderung vor allem auf familienunterstützende Maßnahmen, mit dem Ziel,
6
Frühe Gesundheitsförderung
vulnerable Familien bzw. Familien mit Risikofaktoren wie Arbeitslosigkeit, Minderjährigkeit, niedrigem Bildungsniveau usw. zu unterstützen und dazu beizutragen, dass Risiken für das Wohl und die Entwicklung des Kindes frühzeitig wahrgenommen und reduziert werden. Des Weiteren soll die Beziehungs- und Erziehungskompetenz von (werdenden) Müttern und Vätern gefördert werden, um so zu einem gesunden Aufwachsen
von Kindern beizutragen (Nationales Zentrum Frühe Hilfen [NZFH], 2012).
Der Begriff „Frühförderung“ oder auch „frühe Förderung“ entstammt ursprünglich der
Heil- bzw. Sonderpädagogik und wird dort verwendet, um das Tätigkeitsfeld der Förderung von Kindern mit Behinderung im Vorschulalter zu umschreiben (Schulte-Haller,
2009). Aktuell werden diese Begriffe auch dafür genutzt um die Betreuung, Bildung und
Erziehung von Kindern im Frühbereich, die Lebensphase von null bzw. ab der pränatalen Zeit bis drei Jahren (Schulte- Haller, 2009), zu benennen. Der Fokus der Frühförderung liegt dabei nicht nur auf den Kindern, sondern auch auf der Unterstützung und
Beratung von Eltern (Bildungsdirektion Kanton Zürich, 2009).
Die Frühförderung kann je nach Zielgruppe und Art ihrer Intervention in verschiedene
Formen unterteilt werden. Die „Allgemeine frühe Förderung“ oder auch „primäre Prävention“ richtet sich an alle Kinder und Familien in Form von Beratung, Betreuung und
Unterstützung (z.B. Mütter- und Väterberatung (MVB), Spielgruppen und Tagesfamilien). Dem gegenüber steht die „Besondere frühe Förderung“ oder auch „sekundäre
Prävention“, welche ihre Angebote an Kinder und Familien richtet, die zur Stärkung
ihrer Ressourcen zusätzlich eine besondere, auf sie zugeschnittene Förderung benötigen (z.B. Familienbesuchsprogramme, Deutschförderkurse und heilpädagogische
Früherziehung). Die „primäre und sekundäre Prävention“ im Frühbereich unterteilt sich
nochmals in „familienergänzende“ (z.B. Tagesfamilien und Kinderkrippen) oder „familienunterstützende“ (z.B. Kleinkindberatung und Elternbildung) Maßnahmen (Bildungsdirektion Kanton Zürich, 2009; NZFH, 2012).
2.3
Frühe Gesundheitsförderung in der Schweiz
Bisher existieren in der Schweiz noch keine gesamtschweizerischen Regelungen zur
Frühförderung, was die Lage sehr unübersichtlich macht (Stamm et al., 2009). Generell
ist zu sagen, dass ein großer Koordinationsbedarf zwischen den verschiedenen Angebotenen von Frühförderungsmaßnahmen besteht, denn diese werden entweder durch
die Städte, Gemeinden, Kantone oder auch durch private Trägerschaften angeboten
(Stern, Tassinari, Walther, North & Iten, 2012; Salzgeber, 2009). Durch den Bund erfolgte bisher keine konkrete Empfehlung zur Umsetzung früher Förderung. Allerdings
7
Frühe Gesundheitsförderung
empfiehlt er in der von ihm entwickelten Armutsstrategie, den Kantonen und Gemeinden, durch gezielte Begleitungen und Angebote Eltern und Kinder zu fördern (Bundesamt für Sozialversicherungen [BSV], 2010).
Als Zielgruppe für Angebote im Bereich der frühen Förderung werden in der Schweiz in
der Regel Kinder von null bis drei Jahren angesehen (Bildungsdirektion Kanton Zürich,
2009; Regierungsrat Kanton Schaffhausen, 2011; Stadtrat Luzern, 2011). Traditionelle
Angebote der Frühförderung, welche in allen Kantonen mehr oder weniger stark ausgebaut sind, sind die MVB, Elternbildungskurse oder Beratungsangebote und Kinderbetreuungseinrichtungen (Bildungsdirektion Kanton Zürich, 2009). Die MVB stellt eine
schweizweite kostenlose Beratungsstelle im sozial- und präventivmedizinischen Bereich dar. Zielgruppe sind alle Familien mit Kindern von null bis fünf Jahren, die unter
anderem zu Themen wie die kindliche Entwicklung, Ernährung und Erziehung beraten
werden. Diese Beratungen werden durch speziell ausgebildete MVB Berater/innen
durchgeführt, welche in der Regel gelernte Gesundheits- und Krankenpflegende mit
dem Schwerpunkt Kinderkrankenpflege sind (MVB, 2012). Im Kanton Bern konnten die
MVB Berater/innen im Jahr 2011 mit Erstberatungen eine Erreichbarkeit von 70% der
Neugeborenen im ersten Lebensjahr verzeichnen (MVB Kanton Bern, n.d.). Auf
Wunsch der Familien werden durch die MVB auch einzelne Hausbesuche durchgeführt. (MVB, 2012). Diese aufsuchende Arbeit durch MVB Berater/innen soll nun in einigen Städten wie Luzern, Winterthur und Zürich in den nächsten Jahren weiter ausgebaut werden, da erkannt wurde, dass diese zur Früherkennung von Risikosituationen
beiträgt und gezielte präventive Interventionen ermöglicht (Stadtrat Luzern, 2011; Bildungsdirektion Kanton Zürich, 2009)
Bei den bisher durchgeführten nationalen Bestandsaufnahmen zu früher Förderung
wurde immer wieder festgestellt, dass bestimmte Zielgruppen nicht oder mit dem Kindergarteneintritt eher spät erreicht werden. Bei diesen Zielgruppen handelt es sich besonders um Kinder aus sozial benachteiligten Familien mit und ohne Migrationshintergrund. (Regierungsrat Kanton Luzern, 2011). Zu diesem Ergebnis kam auch eine internationale Vergleichsstudie der OECD, welche die Angebote zur Förderung benachteiligter Kinder oder solcher mit besonderen Bedürfnissen als unzureichend einschätzte.
(Stamm et al., 2009)
Unter anderem als Reaktion auf diese Studienergebnisse, entwickelten sich in den
letzten Jahren, ergänzend zu den bereits bestehenden Angeboten zur Frühförderung,
einige neue Programme. In der Tabelle 1 sind die wichtigsten familienunterstützenden
Programme für vulnerable Familien aufgelistet, welche momentan in der Schweiz exis-
8
Frühe Gesundheitsförderung
tieren (Salzberger; 2009). Aufgrund dieser Auflistung wird deutlich, dass in der Schweiz
bisher keine Programme bestehen, die bereits in der Schwangerschaft ansetzen. Die
meisten Programme wie Miges Balu, KOFA, AUF und Edulina setzen mit ihrer Förderung nach der Geburt an oder erst ab eineinhalb Jahren oder später wie im Fall von
HIPPY, Schritt:weise oder Spiki. Weiterhin ist zu erkennen, dass die Programme oft
nur auf spezifische Personenengruppen wie Ausländer (Miges Balu, HIPPY, Edulina)
,Sozialhilfeempfänger (AUF) oder Familien in starken Krisensituationen (KOFA) ausgerichtet sind oder ihren Fokus auf bestimmte Themen wie Ernährung (Miges Balu) oder
Krisenintervention (KOFA) gelegt haben. Gemeinsam haben alle Programme, dass sie
die Entwicklung der Kinder und die Erziehungskompetenz der Eltern fördern möchten.
Aus der Tabelle wird auch ersichtlich, dass die neuen Programme im Bereich der familienunterstützenden Frühförderung vor allem in urbanen Regionen und in der Deutschschweiz lanciert wurden (Schulte- Haller, 2009; Stern et al., 2012).
9
Frühe Gesundheitsförderung
Tabelle 1: Schweizerische familienunterstützende frühe Gesundheitsförderung
Schritt:weise
HIPPY
Spiki
(Home Instruction for
Parents and Preeschool
Youngsters)
(Von der Spielgruppe in
den Kindergarten)
Miges Balu
KOFA
(Kompetenzorientierte
Familienarbeit)
AUF
Edulina
(aufsuchende und Unterstützende Famillienarbeit)
Wo
14 Standorte
schweizweit
Dielsdorf
St. Gallen
Ostschweiz
Zug, Luzern, Winterthur
Uster
Basel
Angebot und
Zielgruppe
Hausbesuche durch
geschulte Laienhelferinnen
1 ½ - 4 jährige aus
sozial benachteiligten
Familien
Hausbesuche durch
geschulte Laienhelferinnen
4- 6 jährige aus Familien mit Migrationshintergrund
Spielgruppe für Kinder mit Schulung der
Eltern
Kinder ab 3 Jahren
aus sozial benachteiligten Familien
Über die MVB,
Familien mit Migrationshintergrund
Aufsuchende Familienarbeit durch Familienarbeiter/innen
Stark belastete Familien durch eine Krisensituation oder in
der eine Fremdplatzierung zur Diskussion steht
Aufsuchende Familienarbeit durch Sozialarbeiter/innen
Familien die Sozialhilfe erhalten
Workshops
Fremdsprachige
Eltern mit Kindern im
Alter von 0-5 Jahren
Ziel des Programms
Präventive Unterstützung der kindlichen
Entwicklung, Erweiterung der elterlichen
Kompetenz und
Vernetzung der Eltern
mit anderen Angeboten.(Dietz Grieser &
Simoni, 2012)
Präventive Unterstützung der kindlichen ,
Entwicklung, sprachliche Förderung, Erweiterung der elterlichen Kompetenz und
Vernetzung der Eltern
mit anderen Angeboten.(HIPPY Deutschland e.V., n.d.)
Kinder erfolgreich auf
die Vorschule vorzubereiten und darüber
auch die Eltern zu
erreichen.(Hagmann;
2006)
Erreichbarkeit der
Familien mit Migrationshintergrund zu
verbessern und einen
Fokus auf das Thema
Ernährung und Bewegung in die bereits
bestehenden Angebote der MVB zu
integrieren.(Plattner,
2009)
Erweiterung der
Kompetenzen in der
Familie. Funktionsfähigkeit der Familie
wiederherstellen.
Fremdplatzierungen
vermindern. (Fachstelle Kinderbetreuung, n.d.)
Ergänzend zur finanziellen Unterstützung
durch die Sozialhilfe,
sollen die Kinder, in
den betroffenen
Haushalten in ihrer
individuellen Entwicklung unterstützt
werden.(Stadt Uster,
2010)
Mütter und Väter
sollen Mittel und
praktische Anregungen erhalten, wie sie
ihre Kleinkinder
sprachlich, kognitiv
und in ihren sozialen
Fähigkeiten fördern
können. Außerdem
soll die Familie gestärkt und vernetzt
werden.(Hilfswerk
evangelischer Kirchen
Schweiz, 2012)
10
Frühe Gesundheitsförderung
2.4
Internationale Programme der frühen Gesundheitsförderung
In den letzten Jahren wurden in den verschiedensten Ländern Programme mit dem Ziel
der frühen Gesundheitsförderung in vulnerablen Familien entwickelt. Um aufzuzeigen
wie eine kontinuierliche frühe Gesundheitsförderung ab der Schwangerschaft umgesetzt werden kann, werden in der Tabelle 2 fünf wichtige und zum größten Teil bereits
gut evaluierte internationale Programme (Nurse family partnership [NFP], Familienhebamme [FH], Neuvoela [NV], Family Health Nurse [FHN], Healthy Mothers Healthy Babys [HMHB]) vorgestellt. Alle vorgestellten Programme haben die Gesunderhaltung
und Gesundheitsförderung von vulnerablen Schwangeren und Familien, sowie deren
soziale Vernetzung und die Vernetzung mit andern Gesundheitsdiensten zum Ziel.
Diese Ziele werden auf unterschiedliche Weise umgesetzt. Die Programme NFP und
FH beginnen mit der Betreuung von vulnerablen Frauen ab der Schwangerschaft und
beenden diese nach den ersten Lebensjahren des Kindes. Wohingegen das HMHB
Programm, sich vor allem auf die pränatale Betreuung der vulnerablen Frauen konzentriert. Das FHN Programm wurde durch die WHO entwickelt und hat unter anderem
die Gesundheitsförderung von vulnerablen Familien während des gesamten Lebens
zum Ziel. Wie dabei die frühe Gesundheitsförderung aussieht, ist bisher noch nicht
genau definiert, da die Umsetzung des Programmes in den verschiedenen Ländern
erst am Anfang steht. Das NV Programm, welches Teil des staatlichen Gesundheitssystems ist, richtet sich im Gegensatz zu den anderen Programmen an alle Frauen
bzw. Familien. Die Betreuung erfolgt hier ebenfalls von der Schwangerschaft an und
endet aber erst mit der Einschulung des Kindes.
Die Hauptakteure in den einzelnen Programmen, sind in der Regel Hebammen oder
Krankenpflegende, welche eine zusätzliche Schulung absolvierten, die sie für die Arbeit im Bereich der frühen Gesundheitsförderung qualifiziert.
Das NFP Programm, ist wohl das am besten evaluierte Programm. Durch zahlreiche
Studien konnte es seine positiven Effekte auf die geistige Entwicklung der Kinder und
die Anzahl von Kindesverletzungen, -missbrauch und -vernachlässigung belegen. Andere belegte positive Effekte aus den vorgestellten Programmen waren ein geringerer
Leistungsunterschied bei Schülern (NV), nachhaltige gesundheitliche und soziale Verbesserungen in Familien (FH) und ein potentieller volkswirtschaftlicher und gesellschaftlicher Nutzen (FHN). Das HMHB Programm, wurde bisher noch nicht durch Forschungsarbeiten evaluiert und kann sich lediglich auf positive Effekte des Programmes
aus Erfahrungswerten berufen.
11
Frühe Gesundheitsförderung
Tabelle 2: Internationale Programme der frühen Gesundheitsförderung
Nurse family partnership (USA)
Familienhebamme
(Deutschland)
Healthy Mothers
Healthy Babys (Kanada)
Neuvoela (Finnland)
Family Health Nurse
(WHO)
Enstehung
Wurde nach einer 30 jährigen
positiven Testphase im Jahr
1996 implementiert.
1980 in Bremen als Prävention
gegen Säuglingssterblichkeit
(Schneider, 2008, S. 39)
1983 in Saskatoon
1935 als Prävention gegen
Säuglingssterblichkeit (Linderroos, 2006)
Teil des Konzeptes „Gesundheit
21“, das 1999 durch die WHO
entwickelt wurde (WHO, 1999)
Ziel
Bessere Geburtsoutcomes
durch das Verbessern der pränatalen Gesundheit
Verbesserung der kindlichen
Gesundheit und Entwicklung,
durch Unterstützung der Eltern
bei der Erziehung
Den Eltern bei der Entwicklung
von Zukunftsvisionen und der
Verbesserung der ökonomischen Autarkie Hilfestellung
geben
Gesunderhaltung von Mutter
und Kind (Schneider, 2008, S.
15)
Förderung eines bestmöglichen
Geburtsoutcomes
Förderung eines gesunden
Lebensstils, durch individuelle
Unterstützung und Aufklärung,
mit Einbezug der Familie und
Gesellschaft
Psychische und physische
Gesundheit von Kindern und
das Wohlergehen der ganzen
Familie, sowie soziale Gerechtigkeit (Conzelmann, 2009).
Gesunderhaltung der Familie.
Die Family Health Nurse unterstützt die Familie bei Entscheidungsprozessen, fungiert als
Kommunikator/in, als Meinungsbildner/in, als Manager/in und
als Anbieter/in von Pflege- und
Versorgungsleistungen (WHO,
2005).
Konzept
Das Programm richtet sich an
Erstgebärende aus armen Verhältnissen und setzt ab dem
ersten Trimester der Schwangerschaft an und erstreckt sich
bis zum zweiten Geburtstag des
Kindes. In dieser Zeit finden
rund 64 Hausbesuche statt, an
denen möglichst alle Familienmitglieder teilnehmen sollen.
Psychosoziale und medizinische
Beratung und Betreuung von
vulnerablen Schwangeren,
Müttern und ihren Kindern, bis
zu einem Jahr nach der Geburt,
durch Hausbesuche, niederschwellige Angebote von Kursen
oder offenen Gruppen und durch
interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Institutionen
und Berufsgruppen (Staschek,
2006).
Das Programm richtet sich an
Schwangere mit multifaktoriellen
Problemen, die in der Regel
keine pränatalen Dienste in
Anspruch nehmen, setzt möglichst früh in der Schwangerschaft an und endet ca. 2 Wochen nach der Geburt. In dieser
Zeit erhält die Frau Beratung
und Unterstützung während
Hausbesuchen und Gruppensitzungen. Außerdem erhält die
Frau finanzielle Unterstützung
um medizinische Kontrollen in
Anspruch nehmen zu können,
sowie kostenlose Supplements.
Während der Betreuung soll die
Frau an andere Hilfsangebote in
der Gemeinde vermittelt werden.
Neuvoela Zentren richten sich
an alle Mütter, sind in ganz
Finnland verteilt und ihre Dienstleistungen sind kostenlos.
Während der Schwangerschaft
erfolgen 12-15 Untersuchungen
im Zentrum, nach der Geburt
erfolgen 2 Hausbesuche und
anschließend im ersten Lebensjahr 8 Kontrollen im Gesundheitszentrum. Diese finden
nach dem ersten Lebensjahr
weiterhin regelmäßig bis zur
Einschulung statt. Durch diese
kontinuierliche Betreuung wird
die Neuvoela- Fachperson
Vertrauens- und Ansprechperson für die Familien.
Nehmen werdende Mütter die
Kontrollen nicht in Anspruch, so
erhalten sie weder einen Mutterschaftspass, das Mutterschaftsgeld oder das Mutterschaftspaket (Linderross, 2006).
Die Family Health Nurse betreut
vulnerable Frauen und Familien
in der Regel zu Hause. Sie gibt
ihnen Ratschläge zu Fragen der
Lebensweise und verhaltensbedingten Risikofaktoren. Sie ist in
der Lage gesundheitliche Probleme frühzeitig zu erkennen und
gewährleistet eine frühzeitige
Behandlung, außerdem kann sie
Auswirkungen sozioökonomischer Faktoren auf die Gesundheit einer Familie erkennen und
die Familie an die richtige Stelle
überweisen (WHO, 1999).
12
Frühe Gesundheitsförderung
Akteure
Public Health Nurses Krankenpflegende mit pädiatrischer
Erfahrung, welche eine Zusatzausbildung durchlaufen haben.
Familienhebammen staatlich
examinierte Hebammen welche
eine Zusatzqualifikation durchlaufen haben (Schneider, 2008,
S. 15)
Prenatal outreach worker
Krankenpflegende, Sozialarbeiter/innen , Hebammen und
Ernährungsberatende
Neuvoela Fachpersonen 
Hebammen und Gesundheitspflegende, sowie weiteres Personal aus dem Gesundheitsund Sozialbereich (Conzelmann,
2009).
Family Health Nurse Hebammen und Krankenpflegende, die
das Schulungscurriculum der
WHO durchlaufen haben, mit
400 Fortbildungsstunden mit den
Schwerpunkten: familiäre Risiken wie Suchterkrankungen,
psychische Störungen, Partnergewalt, Dissozialität und ökonomische Problemlagen (WHO,
2005).
Kosten und
Finanzierung
Finanzierung: Das Programm
wird durch private Spenden und
staatliche und kommunale Mittel
finanziert.
Kosten: nicht bekannt
Finanzierung: Mischfinanzierung aus kommunalen Geldern,
Geldern der Jugendhilfe, Projektmitteln und durch abrechenbare Hebammenleistungen aus
der Regelversorgung (Staschek,
2006).
Kosten: Kosten pro Fall zwischen 1000 und 7274 Euro
(Meier-Gräwe & Wagenknecht,
2011).
Finanzierung: durch öffentliche
Gelder
Kosten: nicht bekannt
Finanzierung: staatlich
Kosten: Pro Kind etwa Kosten
von 1000 bis 2000 Euro (Conzelmann, 2009)
Finanzierung: Es wurde noch
keine Finanzierungsgrundlage
durch die WHO entwickelt (Seitz
et.al., 2008)
Kosten: nicht bekannt
Effekte
Programm wurde durch mehrerer Studien evaluiert

48% weniger Kindsmissbrauch und Vernachlässigung

56% weniger Notfallaufnahme Besuche wegen
Unfällen und Vergiftungen

67% weniger Verhaltensauffälligkeiten und intellektuelle Einschränkungen bei
Kindern im Alter von sechs
Jahren.
Studien haben ergeben, dass
Familienhebammen ihre Zielgruppe erreichen, gesundheitliche und soziale Verbesserungen in Familien bewirken und
die positiven Effekte ihrer Arbeit
nachhaltig sind (Staschek,
2006).
Das Programm konnte in den
letzten Jahren vielen Frauen
helfen und etablierte einen
guten Ruf.
Eine UNICEF Studie über frühkindliche Interventionen in den
OECD Ländern, kam zu dem
Ergebnis, das in Finnland die
geringsten Leistungsunterschiede bei Schülern festzustellen sind (Bennett, 2008)
Die WHO initiierte eine europaweite Pilotstudie um die Umsetzbarkeit des Konzeptes
„Family Health Nursing“ innerhalb der verschiedenen Gesundheitssysteme zu untersuchen. Es zeigte sich dabei,
dass das Konzept in verschiedenen Gesundheitssystemen
umsetzbar ist und durch viele
Regierungen in Europa unterstützt wird (WHO, 2005). In
einigen Ländern wie Deutschland, Schottland und Slowenien
gelang es das Konzept bereits
zu implementieren (Macht,
2010). In einer Studie aus
Deutschland konnten erste
Hinweise auf den potenziellen
gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Nutzen des Family
Health Nurse Projektes ermittelt
13
Frühe Gesundheitsförderung
werden (Eberl & Schnepp, 2008)
Probleme
Durch die Wirtschaftskrise in
den USA werden finanzielle
Mittel gekürzt, was zur Folge
hat, das der Ausbau des Programmes abnimmt und bestehende Standorte geschlossen
werden (Nurse Family Partnership, 2011).
Bisher besteht noch keine geschützte Berufsbezeichnung für
die Familienhebammen und
keine einheitliche Ausbildung
(Schneider, 2006, S.12)
Die genaue Wirkung des Programmes auf die Frauen, Kinder
und Familien, wurde bisher
noch nicht durch Studien evaluiert. (Bowen, 2004)
Momentan sind viele Neuvoela
Zentren von Kosteneinsparungen der Kommunen betroffen,
was zur Folge hat, dass die
üblichen Standards nicht mehr
gehalten werden können und
Personalknappheit besteht
(Kaufmann, 2011).
Die Rolle der Family Health
Nurse muss weiter ausgearbeitet werden, sowie eine Finanzierungsgrundlage geschaffen
werden, denn Spanien scheiterte beispielsweise bereits bei
der Finanzierung der Projektumsetzung (WHO, 2005; Seitz et al,
2008)
14
Frühe Gesundheitsförderung
2.5
Kontinuierliche Betreuung
Die WHO betont die Wichtigkeit einer kontinuierlichen Betreuung der Frau während der
Schwangerschaft bis hin zur Stillzeit durch die Hebamme. Dadurch kann die Hebamme
neben ihrer originären Hebammenarbeit eine vernetzende Funktion zwischen anderen
Fachgruppen, welche ebenfalls an der Betreuung der Frau beteiligt sind, und der betreuten Frau einnehmen. Dies trägt zu einer bestmöglichen gesundheitlichen Situation
für Schwangere, Mütter und Kinder bei (WHO, 2004). Denn dadurch können die physiologischen Lebensprozesse von Anfang an gefördert werden. Außerdem besteht die
Möglichkeit, dass durch diese kontinuierliche Betreuung ein frühzeitiger und nachhaltiger Versorgungszugang zu vulnerablen Familien aufgebaut werden kann, der es ermöglicht ein Wissen über bestehende Alltagsbedingungen, Ressourcen und Probleme
zu sammeln, welches als Basis für die Gesundheitsförderung und Stärkung des
Selbsthilfepotentials verwendet werden kann (Sayn-Wittgenstein, 2008).
2.6
Kompetenzprofil der Hebamme
Durch die schweizerische Berufsdefinition der Hebammen (Schweizerischer Hebammenverband [SHV], 2007), welche nahezu übereinstimmend mit der Definition der „International Confederation of Midwifes (ICM)“ (ICM, 2011) ist, kann durch folgende
Kompetenzen aufgezeigt werden, welche wichtige Position die Hebamme in der Gesundheitsversorgung und Gesundheitsprävention innehat und inwiefern sie eine wichtige Ressource für die frühe Gesundheitsförderung in vulnerablen Familien darstellt:
Die Hebamme kann in Bereichen der Basisgesundheitsversorgung in verschiedenen
Institutionen im Gesundheitswesen praktizieren. Dabei unterstützt, betreut und berät
sie die Frauen während der Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett- und Stillzeit. In
diesem Rahmen umfassen ihre Aufgaben unter anderem präventive Maßnahmen, in
Form von Gesundheitsberatung und Gesundheitsförderung für Frauen und deren Familien. Diese Arbeit sollte vor der Geburt beginnen und die Vorbereitung auf die Elternschaft, wie auch Hinweise zu Gesundheit, Sexualität und zur Entwicklung des Kindes
beinhalten.
3
METHODE
In diesem Kapitel wird das methodische Vorgehen beschrieben mit dem die Literatur,
welche die Auswirkungen der Arbeit der Hebammen im Bereich der frühen Gesundheitsförderung in vulnerablen Familien aufzeigt, gesucht und auf ihre Qualität hin ausgewertet wurde. Denn für die Beantwortung der Forschungsfragen eignet sich beson-
15
Frühe Gesundheitsförderung
ders die Durchführung einer systematischen Literaturreview, da auf diese Weise evidenzbasierte Umsetzungsempfehlungen für die Schweiz entwickelt werden können
und ein eventuell bestehender weiterer Forschungsbedarf aufgezeigt werden kann.
3.1
Literaturrecherche
Der Zeitraum der systematischen Literaturrecherche erstreckte sich von Februar 2011
bis Mai 2012. Hierbei wurden die Datenbanken Pubmed, Medpilot, Cochrane, Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) und FORKID,
sowie die Webseiten der WHO (www.who.org), des NZFH (www.frühehilfen.de), der
Hochschule
Osnabrück
(www.hebammenforschung.de),
der
Universität
Halle
(www.medizin.uni.halle.de), des NFP Programms (www.nursefamilypartnership.org)
und des SHV (www.hebamme.ch), nach Studien und Reviews durchsucht. Die genannten Datenbanken und Webseiten wurden ausgewählt, da sie Literatur enthalten,
welche für die Beantwortung der Fragestellungen relevant ist. Außerdem wurden die
online verfügbaren Ausgaben der Fachzeitschrift „Midwifery“ durchsucht. Die systematische Suche erfolgte mit Hilfe folgender englischer Schlagwörter: Early childhood intervention, family health nurse, maternal child nursing, family midwife, high risk families, home visit, health visitors, pregnancy, infancy und early start program. Deutsche
Schlagwörter waren: Familienhebamme und frühe Hilfen. Bei der Literaturrecherche
auf der Pubmed Datenbank wurde außerdem den Verweisen zu ähnlichen Studien und
Reviews nachgegangen. Bei Studien und Reviews, bei welchen ein Volltextstudium
durchgeführt wurde, erfolgte jeweils eine Sichtung der Literaturverzeichnisse nach relevanter Literatur.
Nach relevanten Leitlinien wurde auf den Webseiten der Geneva Foundation for Medical Education and Research (GFMER) (www.gfmer.ch), der National Institution for
Health and Clinical Exellence (NICE) (www.nice.org.uk), der WHO (www.who.org) und
des NZFH (www.frühehilfen.de) gesucht. Hierbei wurde mit den englischen Suchbegriffe: guideline, maternal and newborn health und early prevention bzw. den deutschen Suchbegriffen: Leitlinie, frühe Hilfen und Familienhebamme gesucht. Da diese
Suche keine Erfolge brachte und allgemein keine Literatur mit schweizerischen Kontext
gefunden werden konnte, die für die Beantwortung der Fragestellung, wie sich die frühe Gesundheitsförderung in vulnerablen Familien in der Schweiz gestaltet, benutzt
werden kann, erfolgte eine Suche in der Suchmaschine „Google“ (www.google.ch) mit
den Suchbegriffen: Leitlinie, Frühförderung und Schweiz.
Die auf die beschriebene Weise gefundene Literatur wurde zuerst mittels Titel- und
Abstractstudium auf ihre Eignung für diese Literaturreview hin untersucht. Bei denjeni-
16
Frühe Gesundheitsförderung
gen Forschungsarbeiten die dabei als geeignet angesehen wurden, erfolgte ein Volltextstudium. Nach diesem Volltextstudium wurde entschieden, ob sich die Literatur für
die Beantwortung der Fragestellungen eignet.
Geeignet war die gefundene Literatur dann, wenn die Studienteilnehmerinnen
Schwangere bzw. Mütter von Neugeborenen oder Säuglingen waren und soziale, psychosoziale und gesundheitliche Risikofaktoren aufwiesen. Desweiteren sollte die Intervention der Studie im Zeitraum der Schwangerschaft bis in den ersten Jahren nach der
Geburt stattfinden und somit im Kompetenzbereich der Hebamme liegen. Dabei mussten die Interventionen nicht zwangsläufig durch Hebammen durchgeführt werden. Außerdem sollten die Forschungsarbeiten folgende Ergebnisparameter aufweisen: Auswirkungen auf die Situation der Frau, Familie und Kind bezüglich kindlicher Gesundheit, Sicherheit des Kindes, Gesundheit und Wohlbefinden der Frau, Eltern-KindBeziehung und der kindlichen Entwicklung, sowie auf anfallende Kosten für die Leistungsträger. Die Literatursuche wurde durch die Beschränkung der Sprache auf Englisch und Deutsch und den Publikationszeitraum der Jahre 2002 bis 2012, sowie durch
den Ausschluss von Forschungsarbeiten aus Entwicklungsländern limitiert.
Während der Literaturrecherche fanden sowohl qualitative als auch quantitative Studien Beachtung. Das Hauptaugenmerk lag jedoch auf quantitativen Forschungsarbeiten, da diese die Beziehung von Ursache und Wirkung darstellen, sowie die Effektivität
der Interventionen (Polit, Beck & Hungler, 2004, S.66). Außerdem wurden systematische Literaturreviews und Leitlinien mit einbezogen.
Im Kapitel Ergebnisse wird die systematische Literaturrecherche in Form einer Tabelle
(Tabelle 3) aufgezeigt. Durch eine weitere Tabelle (Tabelle 4) wird die nach dem Volltextstudium ausgeschlossene Literatur dargestellt und deren Ausschluss begründet.
3.2
Literaturanalyse
Die aus der Literaturrecherche hervorgegangene Literatur wurde nach verschiedenen
Gütekriterien bewertet, um die methodische Qualität und damit die Glaubwürdigkeit der
Ergebnisse einschätzen zu können. Dabei wurde die Qualität der quantitativen Studien
durch Kriterien nach Polit et al. (2004) bewertet, die der qualitativen Studien durch Kriterien nach Steinke (1999), die der Literaturreviews durch Kriterien nach Behrens &
Langer (2006) und die der Leitlinien durch Kriterien nach dem Dokument Deutsches
Instrument zur Methodischen Leitlinienbewertung (DELBI) (Arbeitsgemeinschaft der
Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften [AWMF] & Ärztliche Zentralstelle für Qualitätssicherung [ÄZQ], 2008).
17
Frühe Gesundheitsförderung
Im Rahmen der Analyse von quantitativen Studien wurden die inhaltlichen Aspekte der
Studien (Fragestellung, Methode, Studienteilnehmende, Intervention, Ergebnisse)
durch die Kriterien Risiko für systematische Fehler: Verdeckte Zuordnung, Verblindung,
Unvollständige Ergebnisdaten erklärt? und Glaubwürdigkeit der Ergebnisse auf ihre
methodologische Qualität hin überprüft. Das Gütekriterium Glaubwürdigkeit der Ergebnisse besteht zum einen aus der Evaluation der internen und externen Belege für die
Glaubwürdigkeit und Genauigkeit der Ergebnisse. Bei den internen Belegen wird das
methodische Vorgehen der Studie kritisch gewürdigt. Dabei wird darauf geachtet, ob
das angewandte Forschungsdesign für die Beantwortung der Fragestellung geeignet
ist und ob es eindeutige und bedeutungsvolle Ergebnisse liefert. Es wird außerdem
geprüft ob die Studienteilnehmenden eine repräsentative Stichprobe für die Studienpopulation bilden und ob dabei deren wichtigste Charakteristiken berücksichtigt wurden.
Beachtung finden zudem die Aspekte, inwiefern bei der Datenerhebung valide und
reliable Messinstrumente verwendet wurden, ob dabei die Regeln der Messungen vernünftig waren und Messfehler auf ein Minimum reduziert wurden. Weiterhin werden die
angewandten statistischen Tests zur Datenanalyse hinsichtlich ihrer Eignung für die
Beantwortung der Fragestellung betrachtet. Die externen Belege für die Glaubwürdigkeit der Ergebnisse werden evaluiert, indem geprüft wird, ob die aufgrund des methodischen Vorgehens gewonnenen Ergebnisse mit anderen Forschungsergebnissen
übereinstimmen. Außerdem werden die Ergebnisse einer kritischen Betrachtung unterzogen, unter anderem hinsichtlich ihrer Bedeutung. Dabei wird geprüft, ob die gewonnenen Ergebnisse die Hypothese bestätigen und ob alternative Erklärungen für das
Zustandekommen der Ergebnisse gefunden werden können. Zum anderen wird die
Wichtigkeit und Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse geprüft. Dabei wird betrachtet,
ob statistisch signifikante Ergebnisse auch über ihre statistische Signifikanz hinaus von
Bedeutung sind und ob sich die Ergebnisse auf die Studienpopulation verallgemeinern
lassen und in die Praxis umgesetzt werden können oder ob weiterer Forschungsbedarf
besteht. Mit Hilfe des Gütekriteriums Risiko für systematische Fehler wird das Vorkommen von methodischen Fehlern kritisch gewürdigt, welche zu Verzerrungen bei
den Ergebnisdaten führen können. Durch Verblindung und verdeckte Zuordnung kann
der Forschende verhindern, dass zum einen die Ergebnisdaten durch Studienteilnehmende und/ oder Forschende subjektiv beeinflusst werden und zum anderen, dass
Verzerrungen entstehen, durch eine ungleichmäßige Verteilung der Studienteilnehmenden in Kontroll- und Interventionsgruppe hinsichtlich ihrer Charakteristika. Durch
das Beschreiben unvollständiger Ergebnisdaten können Verzerrungen dargestellt werden, welche im Laufe des Forschungsprozesses auftreten können, z.B. durch ein Wegfallen von Studienteilnehmenden (Polit et al., 2004). Neben Einschätzung der Qualität
18
Frühe Gesundheitsförderung
der Studien, findet außerdem eine Beurteilung des Evidenzniveaus nach den Kriterien
des „Bewertungssystems der Canadian Hypertension Society für Studien und Empfehlungen“ statt (AWMF & ÄZQ, 2008).
Für die Analyse von qualitativen Studien wurden die inhaltlichen Aspekte der Studie
(Fragestellung, Methode, Studienteilnehmende, Ergebnisse/Theoriebildung, Diskussion
und Schlussfolgerung) mittels der Kernkriterien: Intersubjektive Nachvollziehbarkeit/
Transparenz, Indikation Methode, Empirische Verankerung, Limitationen, Reflektierte
Subjektivität, Kohärenz/Relevanz auf ihre Qualität hin überprüft. Das Kernkriterium
Intersubjektive Nachvollziehbarkeit beurteilt, ob das Vorgehen der Forschenden transparent dargestellt wird. Dies geschieht durch die genaue Dokumentation des Vorwissens, der Erhebungsmethoden, des Erhebungskontextes, der Transkriptionsregeln der
Daten, der Auswertungsmethoden, der Informationsquellen und der Entscheidungen
und Probleme, die sich während des Forschungsprozesses entwickelten. Mit dem
Kernkriterium Indikation Methode wurde bestimmt ob die Fragestellung das qualitative
Vorgehen begründet und die Erhebungs- und Analysemethoden, sowie die methodischen Entscheidungen, die im Laufe des Forschungsprozesses getroffen wurden, gegenstandgemessen und indiziert waren. Das Kernkriterium Empirische Verankerung
diente dazu, herauszuarbeiten wie sich in der analysierten Studie der Zusammenhang
zwischen Theorie und Empirie darstellt, was von Bedeutung ist, da die Theorie auf Basis der Empirie generiert und geprüft wird und empirische Daten, Sicht und Handlungsweisen der untersuchten Subjekte die Chance haben müssen, in die entstehende
Theorie mit einzufließen. Dabei kann es hilfreich sein, wenn durch die Anwendung von
kodifizierten Verfahren wie der Grounded Theory eine Sicherung der empirischen Verankerung geschieht. Durch das Kernkriterium Limitationen wurde überprüft, inwiefern
die im Forschungsprozess entwickelte Theorie verallgemeinerbar ist. Dies geschieht
indem z.B. der Untersuchungskontext durch die Forschenden angegeben wird. Das
Kernkriterium reflektierte Subjektivität überprüft inwiefern die forschende Person ihren
subjektiven Einfluss auf den Forschungsprozess reflektiert, z.B. durch die Dokumentation und Analyse ihrer Beziehung mit den Studienteilnehmenden oder von während des
Forschungsprozesses aufgetretene Ängste, Störungen und Probleme. Durch die Kernkriterien Kohärenz und Relevanz wird geprüft ob die generierte Theorie kohärent ist,
d.h. keine widersprüchlichen Daten und Interpretationen gefunden wurden und inwiefern die entwickelte Theorie einen Beitrag zu dem erforschten Thema leistet (Steinke,
1999). Bei qualitativen Forschungsarbeiten kann kein Evidenzniveau bestimmt werden,
wie bei quantitativen Studien, Reviews und Leitlinien.
19
Frühe Gesundheitsförderung
Die Qualität der analysierten Reviews konnte durch die kritische Würdigung der Kriterien Fragestellung; Angemessene Ein- und Ausschlusskriterien; Relevante Studien
eingeschlossen, Glaubwürdigkeit der Studien eingeschätzt, Beurteilung der Studien
nachvollziehbar, Übereinstimmung der Forscher in der Bewertung, Ähnlichkeit der Studien und Nutzen und Risiken der Intervention erhoben werden. Dabei wurde darauf
geachtet, ob die Fragestellung präzise formuliert und angemessene Ein- und Ausschlusskriterien angegeben wurden und ob bei der Literatursuche eine systematische
Suchstrategie durchgeführt und die relevante Literatur erfasst wurde. Außerdem wurde
geprüft, inwiefern die Glaubwürdigkeit der analysierten Studien eingeschätzt wurde,
durch das Aufzeigen der verwendeten Qualität und Methodik. Diese Beurteilung sollte
wenn möglich, transparent dargestellt sein, z.B. in Form einer Tabelle, und durch mehrere Personen unabhängig voneinander durchgeführt werden. Der Grad der Übereinstimmung dieser Personen sollte angegeben sein, da so ein Rückschluss auf die Reliabilität der verwendeten Beurteilungsinstrumente gezogen werden kann und somit auf
die Glaubwürdigkeit der Bewertungen. Außerdem wurde geprüft, ob in der analysierten
Review eine Überprüfung der Heterogenität der Studien stattfand, denn je ähnlicher
sich die Studien bezüglich Intervention, Ergebnismaßen oder Studienprotokollen sind,
desto besser ist dies für die Aussagekraft der Review (Behrens & Langer, 2006). Das
Evidenzniveau der Review wird gleich dem der quantitativen Daten mit dem „Bewertungssystems der Canadian Hypertension Society für Studien und Empfehlungen“(AWMF & ÄZQ, 2008) beurteilt.
Im Rahmen der kritischen Würdigung der Leitlinie hinsichtlich ihrer Qualität wurden
folgende Kriterien verwendet: Geltungsbereich und Zweck, Beurteilung von Interessengruppen, Methode der Leitlinienentwicklung, Klare Gestaltung und Generelle Anwendbarkeit, Evidenzniveau der Empfehlung und Welche Empfehlungen können für
die Fragestellung übernommen werden?. Qualitativ hochwertige Leitlinien sollten durch
eine interdisziplinäre Expertengruppe entwickelt werden und der Prozess der Leitlinienentwicklung sollte transparent dargestellt sein, was unter anderem eine klare Darlegung der Methodik der Leitlinie bei der Beurteilung der Evidenz der verwendeten Literatur beinhaltet. Außerdem sollte sich aus der Leitlinie ein Konzept oder eine Konstruktion entwickeln, welches konkrete Ziele und Maßnahmen für die Umsetzung in die Praxis beinhaltet (AWMF, 2008). Das Evidenzniveau der Leitlinie wird durch die Checkliste
DELBI von AWMF und ÄZQ (2008) beurteilt.
Bei allen analysierten Forschungsarbeiten wurden außerdem die Kriterien Nützlichkeit
der Ergebnisse für die eigene Fragestellung und Einschränkungen der Ergebnisse in
Bezug auf die eigene Fragestellung beurteilt. Sie dienten dazu, die relevanten Ergeb-
20
Frühe Gesundheitsförderung
nisse für die Beantwortung der Forschungsfragen dieser Literaturreview herauszuarbeiten.
Zudem wurde bei jeder Forschungsarbeit das Kriterium Ethik kritisch gewürdigt. Es
wurde dabei überprüft, ob es zu Verletzungen von ethischen Grundprinzipien kam, da
gerade die Einhaltung ethischer Prinzipien in der Forschung an vulnerablen Personen,
wie sie in dieser Arbeit beschrieben werden, von besonderer Wichtigkeit sind. Die drei
ethischen Grundprinzipien: Prinzip des Nutzens, Prinzip der Achtung der menschlichen
Würde und Prinzip der Gerechtigkeit dienen als Grundlage, auf denen die Standards
des ethischen Verhaltens in der Forschung beruhen (Polit et al., 2004, S. 95 ff.). Die
Umsetzung dieser ethischen Grundprinzipien bedeutet im Konkreten, dass die Forschenden bestimmte Anforderungen an das Konzept und die Durchführung ihrer Forschungsarbeit erfüllen müssen. Diese Anforderungen werden durch die schweizerische
Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW) folgendermaßen angegeben:
Eine Studie muss gesellschaftlichen Wert aufweisen und muss die Anforderungen wissenschaftlicher Methodik erfüllen, sowie fair ausgewählte Studienteilnehmende beinhalten. Außerdem muss das Risiko-Nutzen-Verhältnis für diese Studienteilnehmenden
günstig sein. Desweiteren muss die Studie unabhängig durch eine Ethikkommission
begutachtet werden, die Studienteilnehmenden müssen eine informierte und freie Einwilligung für die Studienteilname gegeben haben und während der gesamten Studiendauer, sowie nach Abschluss der Studie mit Respekt behandelt werden (SAMW, 2009,
S. 29).
Die wichtigsten Ergebnisdaten, welche aus der Analyse der Forschungsarbeiten (Anhang 10.2) resultierten, werden im Kapitel Ergebnisse (Kapitel 4) zusammengefasst
und in den Tabellen 5, 6 und 7 dargestellt. Darauf folgt eine weitere Tabelle (Tabelle
8), welche die Stärken und Schwächen, sowie das Evidenzniveau der analysierten
Forschungsarbeiten darstellt. Im Anschluss werden die Ergebnisse aus der Analyse
der Forschungsarbeiten ausführlich beschrieben. Zuerst erfolgt eine Darstellung der
Rahmenbedingungen der in den Studien durchgeführten Interventionen und im Anschluss werden die Auswirkungen der Interventionen beschrieben. Durch diese kategorisierte Darstellung ist es möglich die Auswirkungen der Hebammenarbeit in der frühen
Gesundheitsförderung darzustellen und zudem wirkungsvolle Interventionen herauszuarbeiten. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse werden anschließend im Kapitel Diskussion (Kapitel 5) durch den Einbezug von Fachliteratur kritisch beleuchtet.
21
Frühe Gesundheitsförderung
4
ERGEBNISSE
Im Ergebnisteil werden die Ergebnisse aus der Literaturanalyse dargestellt, welche zur
Beantwortung der Fragestellungen dieser Arbeit dienen. Dabei werden zuerst die Ergebnisse der Literaturrecherche aufgezeigt und anschließend die Ergebnisse der Literaturanalyse.
4.1
Ergebnisse der Literaturrecherche
Es erfolgte eine elektronische Suche in Datenbanken, auf relevanten Homepages, in
online publizierten Fachzeitschriften und Suchmaschinen, sowie eine Sichtung von
Literaturverzeichnissen relevanter Studien. Die Sichtung der Literaturverzeichnisse
erbrachte keine Erfolge. Im Gesamten wurden durch die Literaturrecherche acht Studien, eine Review und eine Leitlinie gefunden. Die elektronische Suche ist in der Tabelle 3 aufgezeigt. Im Anschluss folgt die Tabelle 4, welche die Literatur aufführt, die
nach der Volltextbetrachtung ausgeschlossen wurde und die Gründe für deren Ausschluss aufzeigt.
22
Frühe Gesundheitsförderung
Tabelle 3: Systematische elektronische Literaturrecherche
Datenbank 2002-2012
Suchbegriffe/ Schlagworte/ Mesh-Funktion
Studien/
Abstract
Volltext
Analyse
Autoren
Reviews
Medpilot
-
Early childhood intervention, family health nurse
Early childhood intervention, maternal child nursing
Family health nurse, high risk families, early childhood intervention
High risk families, home visit, health visitors, pregnancy, infancy
127
106
3
106
10
5
0
10
4
0
0
3
1
0
0
2
Pubmed
High risk families, home visit, health visitors
Family health nurse, early childhood intervention
Home visit, family health nurse, high risk families
Early childhood intervention, high risk families, home visit
Family midwife, early childhood intervention
Health visitors, infancy, pregnancy
Early start program, home visit, high risk families
Familienhebamme, frühe Hilfen
Family health nurse, early childhood intervention, high risk families
Early childhood intervention, home visit, family health nurse
Health visitor, pregnancy, infancy
Guideline, maternal and newborn health, early prevention
22
27
2
4
1
2
1
2
GFMER
-
21
5
2
24
28
28
178
16
0
3
2
0
5
6
0
5
0
0
0
0
0
1
4
0
1
0
0
0
0
0
1
1
0
0
0
0
De la Rosa, 2009
0
0
McNaughton, 2004;
Eckenrode et al., 2010
Ayerle et al., 2011
Kemp et al., 2011,
Barlow et al., 2006
0
0
0
Kitzmann et al., 2010
Kurtz et al., 2010
0
0
0
0
WHO
-
Guideline, maternal and newborn health, early prevention
0
0
0
0
0
NICE
-
Guideline, maternal and newborn health, early prevention
0
0
0
0
0
Frühe Hilfen
-
Leitlinie, frühe Hilfen, Familienhebamme
0
0
0
0
0
Online Fach-zeitschrift
-
Family midwife, erarly childhood intervention
1
1
1
1
Homer et al., 2011
Google
-
Leitlinie, Frühförderung, Schweiz
1
1
1
1
FORKID
-
Familienhebamme, frühe Hilfen
0
0
0
0
Erziehungsdepartement
Kanton Schaffhausen,
2011
0
Nurse Family Partnership
Suche ohne Schlwagwörter
0
0
0
0
0
Hochschule Osnabrück
Suche ohne Schlwagwörter
0
0
0
0
0
Universität Halle
Suche ohne Schlwagwörter
0
0
0
0
0
DIMDI
Chochrane
„Midwifery
-
10
23
Frühe Gesundheitsförderung
Tabelle 4: Ausgeschlossene Literatur nach Volltextstudium
Titel
Autor
Turnbull & Osborn, 2012
Home visits during pregnancy and after birth for women with
Methode
Review
an alcohol or drug problem
Grund für Ausschluss
Review bezieht lediglich eine Studie mit ein, in der mit den Hausbesuchen ab der
Schwangerschaft begonnen wurde, wobei diese erst 2 Wochen vor der Geburt starteten
Makowsky & Schücking,
2010
Familienhebammen. Subjektive Auswirkungen auf die kindli-
Qualitative
Studie zeigt die qualitativen Ergebnisse der analysierten Integrationsstudie von
che und mütterliche Gesundheit aus der Perspektive begleite-
Interviews
Ayerle et al. (2011) auf
Präventionsziel Kindergesundheit im Rahmen des Modellpro-
Randomisiert
Studie zeigt gleiche Datenlage, mit unterschiedlicher Fragestellung, auf wie die
jektes „Pro Kind“
kontrollierte
analysierte Studie von Kurtz et
ter Mütter.
Jungmann, Kurtz,
Brand, Sireau & von
Kitzing, 2010
Studie
Ayerle, Luderer & Behrens, 2010
Modellprojekt FrühStart- Evaluation der Familienhebamme in
Qualitative
Studie zeigt zu wenig die Sichtweise der Klientinnen auf und ist zu spezifisch für den
Sachsenanhalt
Interviews
internationalen Vergleich.
Günther, 2009
Welche nachhaltige Wirkung hat die Betreuung durch eine
Qualitative
Methodisches Vorgehen ist so gut wie nicht beschrieben.
Familienhebamme?
Interviews
Zugangswege zu hoch belasteten Familien über ausgewählte
Qualitative
Akteure des Gesundheitssystems
Befragung
Home-based support for disadvantaged teenager mothers
Review
Zu spezifisch, da es sich nur auf Teenager-Mütter bezieht.
The Promise of Primary Prevention Home Visiting Programs: A
Review
Es wurde keine Methodik beschrieben.
Renner, 2010
Macdonald, Bennett,
Dennis, Coren, Patterson, Astin & Abbott,
2007
Russell, Britner&
Woolard, 2007
Methodisches Vorgehen ist so gut wie nicht beschrieben.
Review of Potential Outcomes
24
Frühe Gesundheitsförderung
4.2
Ergebnisse der Literaturanalyse
Eine Übersicht der analysierten Literatur geben die nachfolgende Tabellen 5,6 und 7.
Im Anhang (10.2) findet sich eine ausführlichere Darstellung der Analysen der einzelnen Forschungsarbeiten. Anschließend werden die Stärken und Schwächen, sowie die
Evidenzniveaus der ausgewählten Literatur beschrieben (Tabelle 8). Zum Schluss erfolgt die Darstellung der Ergebnisse, aus der Literaturanalyse, zur Beantwortung der
Fragestellungen dieser Arbeit. Hierbei werden zum einen die Rahmenbedingungen der
durchgeführten Intervention, im Rahmen der frühen Gesundheitsförderung, beschrieben, da diese helfen die Ergebnisse der einzelnen Forschungsarbeiten besser einzuschätzen und zum anderen die tatsächlichen Auswirkungen der Interventionen.
25
Frühe Gesundheitsförderung
Tabelle 5: Ergebnisse der analysierten Studien
AutorInnen/
Jahr/ Methode
De la Rosa et al.,
2009
Basis- Post-Interventionsdesign
ohne Kontrollgruppe
Ayerle et al., 2011
Sachsenanhalt:
Längsschnittliche
quantitative Evaluationsstudie mit Baisund Postinterventionseinschätzung
Nierdersachsen:
Phänomenologische
qualitative Studie
Barlow et al., 2011
Verblindete multizentrische randomsiert kontrollierte
Studie
Fragestellung
Hat die Intervention des
Programmes einen
Einfluss auf das Leben
von Mutter und Kind?
Mehr über die multiplen
psychosozialen Risikofaktoren zu lernen mit
denen Familien zurechtkommen müssen, die
die Familienhebammen
begleiten und über das
Portfolio an Leistungen
die sie ihnen bietet,
sowie deren Effektivität.
Außerdem soll herausgefunden werden, warum Familien die Hilfe
von Familienhebammen
ablehnen.
Die Effektivität und die
Kosteneffektivität von
intensiven Hausbesuchsprogrammen,
bezüglich verbesserter
Ergebnisse für Vulnerable Familien zu diskutieren.
Population/
Sample
109 sozial beeinträchtigte Erstgebärende
Sachsenanhalt:
734 vulnerbale
Frauen
Niedersachsen:
14 Frauen bei Interview, 30 Frauen bei
Fragebogen
Insgesamt 131
vulnerable Frauen
63 Frauen in der
Kontrollgruppe
66 Frauen in der
Interventionsgruppe
Methode / Intervention
relevante Ergebnisse
Intervention durch Hausbesuche
beginnt in der Schwangerschaft und
endet 36 Monate postpartum (pp.).
Signifikante Verbesserung der sozialen Unterstützung (p<0,000), der Fürsorgecharakteristik (p<0,000), Familieninteraktion (p<0,000) im Basis und Postvergleich in
der Schwangerschaft und nach der Geburt.
Es findet jeweils eine Basis- und
Postinterventionseinschätzung in der
Schwangerschaft und nach der Geburt
statt. Dabei schätzten die Hausbesucher/innen die Frauen ein.
Sachsenanhalt:
Hausbesuche durch Familienhebammen, ab der Schwangerschaft bis ein
Jahr postpartum.
Anzahl der Hausbesuche beeinflusste die elterliche Fürsorge signifikant (p<0,001)
sowie die Familieninteraktion (p<0,05), persönliche Probleme der Eltern die die
Schwangerschaft beeinflussten (p<0,05) und die soziale Unterstützung der Eltern
(p<0,01).
Auswertung der teilstandardisierten
Dokumentationen der Familienhebammen, während der Betreuung, mit
Fokus auf Basis- und Postinterventionsvergleich.
Niedersachsen:
Auswertung der Interviews mit Frauen
welche durch Familienhebammen
betreut wurden und Auswertung von
Fragebögen, welche durch Frauen in
Beratungsstellen ausgefüllt wurden,
die die Hilfe einer Familienhebamme
ablehnten.
Die Interventionsgruppe erhielt durch
ausgebildete Familienbegleiter/innen
wöchentlich Hausbesuche von der
Schwangerschaft bis 12 Monate pp..
Es erfolgte jeweils nach 2, 6 und 12
Monaten eine Einschätzung beider
Gruppen mit verschiedenen Messinstrumenten.
Sachsenanhalt:
Eltern-Kind-Beziehung verbesserte am Ende der Betreuung signifikant (p=0,000)
Die mütterliche Fürsorge für das Kind verbesserte sich am Ende Beendigung der
Betreuung signifikant (p=0,000)
Es konnte eine signifikante Korrelation zwischen Familienvulnerabilität und Fürsorge (r=-0,16, p=0,001), Eltern-Kind-Beziehung (r=-0,149, p=0,006), Ernährung
des Kindes (r=-0,15, p=0,003) in der Basiseinschätzung der Familienhebamme.
Niedersachsen:
Frauen bevorzugten Start der Betreuung durch Familienhebammen in der
Schwangerschaft.
Die direkte Verbindung zur Familienhebamme via Telefon oder SMS war sehr
wichtig für die Mütter.
Hausbesuche hatten keinen Einfluss auf Geburt, Schwangerschaftsalter, Geburtsgewicht oder Geburtsmodus.
In der Interventionsgruppe wurde nicht signifikant mehr Kinder bis zum 6. Lebensmonat gestillt (55% vs. 45%, Risk Ratio [RR] 1,22, 95% Confidence Interval [CI]
0,85 bis 1,75).
Nach dem 6. Lebensmonat wurden nicht signifikant weniger Kinder der Interventionsgruppe in das Krankenhaus eingeliefert (8,5% vs. 14,5%, RR 1,38, 95% CI
0,68 bis 2,8).
Nach 12 Monaten waren Frauen der Interventionsgruppe signifikant einfühlsamer
26
Frühe Gesundheitsförderung
gegenüber ihren Kindern (p=0,04) und deren Kinder kooperativer (p=0,02).
Die Anzahl der Fremdplatzierungen (6% vs. 0%) und Fürsorgeprozesse höher in
der Interventionsgruppe (RR: 2,02, 95% KI 0,46 bis 2,54).
In der Kontrollgruppe war die soziale Unterstützung tiefer (p=0,004)
Eckenrode et al.,
2011
Stratifizierte randomisierte kontrollierte
follow-up Studie
Kitzmann et al.,
2011
Verblindete randomisierte kontrollierte
follow-up Studie
Homer et al.,2011
Integrationsstudie
mit prospektiver
Ergebnissforschung
mit quantitativem
und qualitativem
Zugang
Untersuchung der Auswirkungen von pränatalen und postnatalen
Hausbesuchen durch
Pflegende bezüglich der
Lebenswegentwicklung
von 19-jährigen Jugendlichen, deren Mütter an
dem Programm teilnahmen.
Den Effekt von pränatalen und postpartalen
Hausbesuchen durch
Pflegende nach 12
Jahren zu evaluieren,
auf den Drogenkonsum,
das Verhalten und die
Ausbildung bei den
Kindern.
In welchem Umfang
erfüllt der “Malabar
Service” die Bedürfnisse
der Frauen?
Insgesamt 310
Jugendliche.
Interventionsgruppe
170 Jugendliche,
Kontrollgruppe 140
Jugendliche
Insgesamt 613
Kinder.
422 Kinder in der
Kontrollgruppe und
191 Kinder in der
Interventionsgruppe
Quantitative Daten
von 353 Frauen
Qualitative Daten
von 7 Frauen
Die Frauen müssen
aus dem sozioökonomisch benachteiligten Vorort „Malabar“ stammen und
Rekrutierung von 19-Jährigen, deren
Mütter vor 19 Jahren an einer Evaluation des Family Partnership Programms teilnahmen. Dabei erfolgte
bereits eine randomisierte Einteilung in
Kontroll-und Interventionsgruppe. Die
Interventionsgruppe erhielt von der
Schwangerschaft bis zum zweiten
Geburtstag des Kindes Hausbesuche
durch Pflegende.
Mit den Jugendlichen wurden strukturierte Baseline-Telefoninterviews
durchgeführt.
Rekrutierung von 12-Jährigen, deren
Mütter vor 12 Jahren an einer Evaluation des Family Partnership Programmes teilnahmen.
Die Interventionsgruppe erhielt von der
Schwangerschaft bis zum zweiten
Geburtstag des Kindes Hausbesuche
durch Pflegende.
Die Kinder wurden durch verblindetes
Forschungspersonal interviewt und
eingeschätzt.
Für die quantitativen Daten wurden die
klinischen Outcomes prospektiv erhoben, von den Frauen die am „Malabar
Service“ teilnahmen.
Die qualitativen Daten wurden mittels
eines Fokusgruppeninterviews erhoben.
Im Rahmen des „Malabar Service“
erhielten die Frauen eine kontinuierli-
Ausgaben für die Kinder der Interventionsgruppe waren höher, mit einer statistischen Differenz von 3246 Pfund (95%CI 1645 bis 4804 Pfund)
In der Interventionsgruppe wurden weniger Mädchen verhaftet (10% vs. 30%; RR
0,33. 95% CI 0,13- 0,82) und verurteilt (4% vs. 20%; RR 0,20, 95% CI 0,05-0,85).
Bei den Jungen konnte zwischen den beiden Gruppen kein signifikanter Unterschied festgestellt werden.
Jugendliche der Interventionsgruppe von Hochrisiko Müttern benutzen mehr Kondome (durchschnittliche Differenz: 1,01; 95% CI 0,07 bis 1,96).
Mädchen der Interventionsgruppe von unverheirateten Müttern mit niedrigem
Einkommen bekamen weniger Kinder (11% vs. 30%, RR: 0,34, 95% CI 0,12- 1,02)
und nahmen weniger kostenlose medizinische Hilfe in Anspruch (18% vs. 45%;
RR: 0,40, 95% CI 0,18- 0,87).
In den 30 Tagen die dem Interview vorrausgingen, benutzten die Kinder der Interventionsgruppe signifikant weniger Zigaretten, Alkohol und Marihuana (5,1% vs.
1,7%; Odds Ratio [OR] 0,31; p=0,04)
Die Kinder der Interventionsgruppe schnitten bei der Auswertung des PIAT-Score
bezüglich Lese- und Rechenvermögen signifikant besser ab (durchschnittliche
Differenz: 3,07 Punkte; 95% CI 0,76 bis 5,39; p=0,009)
Es konnten keine Effekte zwischen den beiden Gruppen gefunden werden, bezüglich Aufmerksamkeitsvermögen, Verhaltensproblemen und Führbarkeit.
Frauen schätzten die leichte Erreichbarkeit des „Malabar Service“
Die Frauen schätzten die kontinuierliche Betreuung durch dieselbe Hebamme
Die Frauen schätzten es, dass ihre betreuende Hebamme ihre Geschichte kennt
und sie sie jeder Zeit anrufen können, sowie das freundschaftliche Verhältnis zur
Hebamme
Die Frauen schätzten die vertrauensvolle Beziehung zur Hebamme, was mit der
kontinuierlichen Betreuung zusammenhängt
27
Frühe Gesundheitsförderung
Aborigines oder
Torres Strait Islander sein.
Kemp et al., 2011
Randomisiert kontrollierte Studie
Welche Auswirkungen
hat ein Langzeithausbesuchsprogramm, das im
allgemeinen staatlichen
Gesundheitssystem für
Kinder eingebettet ist,
auf die Gesundheit,
Entwicklung und das
Wohl der Kinder, Mütter
und Familien?
Insgesamt 208
Frauen
Kontrollgruppe n=
97
Interventionsgruppe
n=111
Frauen aus ökonomisch benachteiligten Vororten von
Sydney
che Hebammenbetreuung während
Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett und außerdem erhielten sie
Leistungen von Kindergesundheitsdiensten.
In der Schwangerschaft erfolgte die
Basisdatenerhebung, nach der Geburt
bis zum zweiten Geburtstag des Kindes erfolgte die experimentelle Datenerhebung
Die Interventionsgruppe erhielt ab ca.
26. SSW Hausbesuche bis zum zweiten Geburtstag des Kindes, durch
Pflegende
Die Frauen vertrauten den Hebammen, da sie für sie als Fürsprecherinnen im
Krankenhaus auftraten und sie wussten das sie ihnen gute Leistungen entgegenbringen
Der „Malabar Service“ war mehr als nur Hebammenbetreuung, sondern auch
Vernetzung, Spielgruppe und der Kontakt zu anderen Müttern.
Frauen in der Interventionsgruppe waren nach 12 und 24 Monaten emotional und
verbal reaktionsfähiger (p=0,02) gegenüber ihrem Kind.
Frauen die in der Schwangerschaft gestresst waren, wiesen eine Verbesserung in
der Fürsorge zu ihrem Kind auf, bei der zu Verfügung Stellung von Spielsachen
(p=0,03), der Bereitstellung von Variationen in der täglichen Stimulation (p=0,01)
und der Organisation der psychischen und zeitlichen Umwelt (p=0,03)
Kinder von Müttern in der Interventionsgruppe die in der Schwangerschaft gestresst waren, entwickelten sich geistig schlechter (p=0,07) als die Kinder deren
Mütter nicht gestresst waren. Außerdem entwickelten sich diese Kinder geistig
schlechter als die Bevölkerungsnorm (p=0,003).
Bei SGA-Kindern und Frühgeburten gab es zwischen den Gruppen keine signifikanten Unterschiede.
Die Kinder der Interventionsgruppe wurden 7,9 Wochen länger gestillt ( 95% CI
2,9-12,9).
Kurtz et al., 2010
Stratifizierte randomisiert kontrollierte
Studie
Förderung der kindlichen
Entwicklung durch frühe
Hilfen?
Insgesamt 755
Frauen
362 in Kontrollgruppe
393 in Interventionsgruppe
Baseline-Interview bei Aufnahme in
das Programm, dann vier weitere
Interviews im Verlauf.
Die Interventionsgruppe erhielt von der
Schwangerschaft bis 2 Jahre nach der
Geburt Hausbesuche durch Familienhebammen.
Erstgebärende (p=0,02), in der Schwangerschaft gestresste Frauen (p=0,05) und
Ausländerinnen (p=0,03) in der der Interventionsgruppe, erleben die Mutterschaft
positiver
Selbsteinschätzung der Frauen signifikant besser bezüglich mütterlicher Selbstwirksamkeit bis 12 Monate pp. in der Interventions- und Kontrollgruppe (p=0,000).
Bei der Selbsteinschätzung der mütterlichen Kompetenz bis 6 Monate pp. Stieg in
der Interventionsgruppe tendenziell stärker an als in der Kontrollgruppe(p=0,09).
Bessere Entwicklung der Kinder der Interventionsgruppe im Alter von 12 (p=0,07)
und 24 (p=0,06) Monaten in der Interventionsgruppe.
28
Frühe Gesundheitsförderung
Tabelle 6: Ergebnisse der analysierten Leitlinien
AutorInnen
Jahr
Erziehungsdepartement
Kanton Schaffhausen ; 2011
Zweck
Die Leitlinie soll
klären, inwiefern
die frühe Förderung im Kanton
Schaffhausen
zukünftig koordiniert und
durchgeführt
werden soll.
Beteiligte Interessengruppen
Methode
Personen aus wichtigen
politischen und fachlichen Instanzen.
Die Präferenzen der
Zielgruppe der Leitlinie
wurden nicht berücksichtigt.
Die Methode der Entwicklung der Leitlinie ist
nicht beschrieben. Es ist
davon auszugehen, dass
sie auf ein Literaturreview
gründet, da auf nationale
und internationale Literatur verwiesen wird.
relevante Ergebnisse
Das Handlungsfeld der familienunterstützenden Förderung soll ausgebaut werden, z.B. aufsuchende
Familienarbeit oder Familienbesuchsprogramme.
Gesundheitsprävention ist Bestandteil aller Angebote der frühen Förderung und Fachpersonen, insbesondere aus der Vorsorge, Betreuung und Bildung im Frühbereich verstehen sich als wichtige Vermittler
von gesundheitsrelevanten Themen.
Niederschwellige Angebote zur Information, Beratung und Vernetzung und Entlastung sollen ausgebaut
werden.
Tabelle 7: Ergebnisse der analysierten Literaturreviews
AutorInnen
Jahr
Fragestellung
Anzahl eingeschlossener
Studien
McNaugthon,
Wie effektiv sind
13 quantitative
2004
Hausbesuchs-
Studien
programme die
nur durch Pflegende durchgeführt werden?
Methode
Unsystematische Literaturreview.
Es wurden nur quantitative Studien mit experimentellen Design
berücksichtigt, in denen
die Intervention durch
Pflegende durch-geführt wurden. Diese
Studien wurden in
relevanten Datenbanken gesucht und anschließend durch die
Forscherin beurteilt. Es
wurde kein Heterogenitätstest durchgeführt.
relevante Ergebnisse
Verbesserung der psychischen und physischen Gesundheit von Mutter und Kind, Umgebung zu Hause, der ElternKind-Beziehung, mütterliche Auffassung vom kindlichen Verhalten, der Anzahl von kindlichen Misshandlungen und
Verletzungen, des mütterlichen Lebenswandels und Nutzung von Gesundheitsdiensten.
Verbesserung der kindlichen Entwicklung und IQ nach mind. einem Besuch im Monat
Verbesserung der Gesundheit der Schwangeren.
Studien die Langzeitmessungen durchführten, konnten signifikante Ergebnisse zum mütterliche Wahrnehmungsvermögen gegenüber ihrem Kind angeben, verminderten Nutzen von Akutpädiatrischen Diensten in den ersten 14 Lebenstagen, weniger Benutzung der staatlichen Wohlfahrt, weniger Kindsmisshandlungen, weniger Beeinträchtigungen
wegen Alkohol und Drogen, weniger Gefängnisstrafen.
29
Frühe Gesundheitsförderung
Tabelle 8: Beschreibung der Stärken und Schwächen der ausgewählten Literatur
AutorInnen/
Jahr
De la Rosa et
Einschätzung: Stärken
-
al.,2009
Ayerle et al.,
2011
-
-
Barlow et al.,
2011
Einschätzung: Schwächen
Reliablität des Messinstruments (North Carolina Family Assessment Scale
for social Support domain [NCFAS] ist hoch (αKoeffizient für die Stichprobe
war 0,72) sowie die Validität, da die Hausbesuchenden intensiv geschult
wurden das Messinstrument objektiv anzuwenden.
-
Methoden- Triangulation durch Integrationsdesign, führt dazu, dass das
Forschungsproblem aus verschiedenen Sichtweisen angegangen wird und
so eine umfassende Antwort geliefert werden kann.
Studienergebnisse stimmen mit anderen Forschungsergebnissen überein.
-
Kleine Stichprobe
Keine Kontrollgruppe
Assessment der Frauen bzw. Familien erfolgte durch Hausbesuchende
Das verwendete Design macht es schwer Beziehung zwischen Grund und
Effekt herzustellen
Generalisierung der Stichprobe ist schwer
Nicht bekannt ob durch Ethikkommission genehmigt
Kleine Stichprobe
Nicht experimentelles Design
Assessment der Frauen und Familien erfolgt durch Familienhebamme selbst
Interviewpartnerinnen wurden sehr speziell ausgewählt
Evidenzniveau
Level 3:4
(AWMF & ÄZQ,
2008)
Level 4:4
(AMWF & ÄZQ,
2008)
Kernkriterien
erfüllt
Level 3:1
-
Forschungsdesign und Methodik
Studienergebnisse stimmen mit anderen Forschungsergebnissen überein
-
Kleine Stichprobe
Keine Langzeiteinschätzung
-
Forschungsdesign und Methodik
Langzeiteinschätzung
Studienergebnisse stimmen mit anderen Forschungsergebnissen überein
Relativ große Stichprobe
-
Daten über Verhaftungen und Verurteilungen basieren auf Selbstangaben
der Jugendlichen
Ethnische Unterschiede können in der Studie nicht herausgearbeitet werden
Nicht bekannt ob durch Ethikkommission genehmigt
Level 3:1
-
Forschungsdesign und Methodik
Langzeiteinschätzung
Relativ große Stichprobe
-
Drogenkonsum und verinnerlichte Störungen wurden durch Selbstangaben
der Kinder erhoben
Risikofaktoren zwischen Kontrollgruppe und Interventionsgruppe waren
nicht gleich verteilt, Einkommen der Frauen in Interventionsgruppe war niedriger
Nicht bekannt ob durch Ethikkommission genehmigt
Aufgrund der speziellen Ethnie wenig Generalisierbarkeit auf andere Settings
Sehr kleine Stichprobengröße
Aufgrund der speziellen Ethnie wenig Generalisierbarkeit auf andere Settings
Methodik und Design sind kaum beschrieben und begründet
Ergebnisse werden nur durch Forschungsteam interpretiert
Quantitative Daten werden aufgrund der kleinen Stichprobe nicht statistisch
ausgewertet, sind allgemein wenig aussagekräftig
Level 3:1
(AWMF & ÄZQ,
2008)
Eckenrode et
al., 2011
Kitzmann et
al., 2011
-
-
Homer et al.,
2011
-
Studienergebnisse stimmen mit anderen Forschungsergebnissen überein
-
(AWMF & ÄZQ,
2008)
(AWMF & ÄZQ,
2008)
Kernkriterien
kaum erfüllt
30
Frühe Gesundheitsförderung
Kurtz et
al.,2010
Kemp et
-
Forschungsdesign und Methodik
Relativ große Stichprobe
-
Abnahme der Probanden im Verlauf der Studie
Studie noch nicht komplett beendet
Nicht beschrieben ob Studie durch Ethikkommission genehmigt wurde
Ergebnisse stimmen nicht mit anderen Forschungsergebnissen überein
Auswahl an qualifizierten Familienbegleiter/innen war beschränkt
Kleine Stichprobe
Abnahme der Probanden im Verlauf der Studie
Unsystematische Literaturreview
Keine statistische Überprüfung des Publikationsbias
Studien wurden nur durch Autorin der Review beurteilt
-
Forschungsdesign und Methode
Studienergebnisse stimmen mit anderen Forschungsergebnissen überein
Externe Peer- Prüfung der Daten
Studie wurde durch Ethikkommission genehmigt
McNaugthon ; -
Es wurden nur quantitative Studien eingeschlossen und solche in denen
Pflegende die Intervention durchführen
Es wurden die relevanten Studien eingeschlossen
Die Beurteilung der Studien ist nachvollziehbar und ausführlich dargestellt
-
Die Leitlinie wurde durch eine Vielzahl von Personen aus wichtigen politischen und fachlichen Instanzen ausgearbeitet
Die Leitlinie ist klar gestaltet
Es besteht eine redaktionelle Unabhängigkeit
-
al.,2011
2004
Erziehungsdepartement
Kanton
Schaffhausen ; 2011
-
Level 3:1
(AWMF & ÄZQ,
2008)
Level 3:1
(AWMF & ÄZQ,
2008)
Level 4:2
(AWMF & ÄZQ,
2008)
Keine Methodik der Leitlinienentwicklung beschrieben
Zielgruppe war nicht an Entwicklung der Leitlinie beteiligt
Die Anwendbarkeit ist mäßig da angegebene Maßnahmen sehr allgemein
gehalten sind und Ziele wenig konkret. Außerdem sind keine Überprüfungskriterien genannt.
DELBI 42%
Grad C (AWMF
& ÄZQ, 2008)
31
Frühe Gesundheitsförderung
4.2.1
Rahmenbedingungen der frühen Gesundheitsförderung
In der Tabelle 9 werden die Rahmenbedingungen der Interventionen der frühen Gesundheitsförderung in den analysierten Forschungsarbeiten dargestellt. Sie zeigt auf,
dass in acht der Forschungsarbeiten, die frühe Gesundheitsförderung durch Hausbesuche erfolgte (Kemp et al., 2011; Barlow et al., 2006; Ayerle, Makowsky & Schücking.,
2011; Kurtz, Brand & Jungmann, 2010; De la Rosa, Perry & Johnson, 2009; Kitzmann
et al., 2010, Eckenrode et al., 2010, McNaughton et al., 2004). Diese setzten jeweils in
der Schwangerschaft an und erstreckten sich vom ersten (Ayerle et al., 2011; Barlow et
al., 2006) bis zum dritten (De la Rosa, 2009) Lebensjahr des Kindes. In der Studie von
Homer et al. wurden in der Regel keine Hausbesuche durchgeführt. Stattdessen konnten die Studienteilnehmerinnen Hebammen in einem Gesundheitszentrum aufsuchen.
Die durchschnittliche Anzahl der Hausbesuche variierte von 16,3 (Kemp et al., 2011)
bis 43,84 (De la Rosa et al., 2009). Im Durchschnitt dauerten die Hausbesuche min.
45‘. (De la Rosa et al., 2009) bis max. 90‘. (Kemp et al. 2011) und fanden wöchentlich
(Barlow et al. 2006) bis zweiwöchentlich (Kurtz et al., 2010; De la Rosa, 2009) oder
nach dem Bedarf der Frauen (Ayerle et al., 2011) statt. Die Hausbesuche wurden
durch Familienbegleiter/innen durchgeführt, welche in ihrer originären Profession in der
Regel Krankenpflegende (Kitzmann et al., 2010; Eckenrode et al., 2010; Kemp et al.,
2010; McNaugthon, 2004; De la Rosa et al., 2009; Kurtz et al., 2010), Hebammen
(Kurtz et al.; 2010; Ayerle et al., 2011) oder Sozialpädagogen/innen (Kurtz et al., 2010;
De la Rosa et al., 2009) waren. In der Studie von De la Rosa et al. (2009) kamen auch
geschulte Paraprofessionelle zum Einsatz. In sechs der Forschungsarbeiten (Kitzmann
et al., 2010; Eckenrode et al., 2010; Barlow et al., 2006; Ayerle et al., 2011; De la Rosa
et al., 2009, McNaughton, 2004) wird angegeben, dass die Familienbegleiter/innen
eine Schulung erhielten um sich für diese Arbeit zu qualifizieren. In der Studie von De
la Rosa (2009) werden die Inhalte der Schulung genau angegeben. In drei der Studien
(Kitzmann et al., 2010; Eckenrode et al., 2010; Barlow et al., 2006) wurden die Familienbegleiter/innen nach der Schulung des FNP Programms ausgebildet. Die Hebammen in der Studie von Homer et al. (2011) erhielten keine zusätzliche Schulung.
Voraussetzung für die Teilnahme an den Studien war das Vorhandensein von Risikofaktoren. Mit Ausnahme der Literaturreview von McNaughton (2004), in welcher zwei
Studien analysiert wurden, in der die Probandinnen keine Risikofaktoren aufwiesen. In
drei der Studien (Kitzmann et al., 2010; Eckenrode et al., 2010; De la Rosa et al.,
2009) mussten die Frauen außerdem Erstgebärende sein. Die Risikofaktoren wurden
ermittelt, in dem bei den Frauen während der Schwangerschaft Assessments durchgeführt wurden. In den Studien von Kemp et al. (2010), Barlow et al. (2006), Kitzmann
32
Frühe Gesundheitsförderung
et al. (2010) und Eckenrode et al. (2010) geschah dies durch das Erheben von sozioökonomischen und –demographischen Faktoren. Barlow et al. (2006) führten zudem
ein Screening nach häuslicher und psychosozialer Gewalt durch. Dieses Screening
wurde auch in der Studie von Kemp et al. (2010) angewandt, wobei hier zusätzlich
noch der „Edinburgh Depression Scale“ zum Einsatz kam. Damit ist diese Studie die
einzige, in der ein Erhebungsinstrument für Risikofaktoren genauer beschrieben wird.
In drei der analysierten Studien (Ayerle et al.; 2011; De la Rosa et al.; 2009; Kurtz et
al., 2010) wurden die Frauen auch durch Überweisungen von Jugendämtern, Gesundheitsdiensten, sich selbst, andern öffentlichen Ämtern und Schulen an die Hausbesuchsprogramme vermittelt, wenn diese Risikofaktoren bei den Frauen feststellten.
33
Frühe Gesundheitsförderung
Tabelle 9: Rahmenbedingungen der Interventionen
Art der Intervention
Anzahl, Dauer und Intervall
der Intervention
Art der betreuten Frauen
Kemp et al.,
2011
Hausbesuche von Schwangerschaft bis 2 Jahre pp.
Anzahl: Ø 16,3
Dauer: 60-90 min
Intervall: nicht bekannt
Frauen mit Risikofaktoren
wie: Wohnhaft in sozioökonomisch benachteiligter
Wohngegend
Barlow et al.,
2006
Hausbesuche von Schwangerschaft bis 1 Jahr pp.
Anzahl: Ø41,2
Dauer: nicht bekannt
Intervall: wöchentlich
Ayerle et al.,
2011
Hausbesuche von Schwangerschaft bis 1 Jahr pp.
Anzahl: nicht bekannt
Dauer: nicht bekannt
Intervall: nach Bedarf
Frauen mit sozio- ökonomischen und –demographischen Risikofaktoren wie:
psychische Gesundheitsprobleme, häusliche Probleme
Frauen mit psychosozialen
Risikofaktoren
Kurtz et al.,
2010
Hausbesuche von Schwangerschaft bis 2 Jahre pp.
Anzahl: Ø29
Dauer: Ø83 min.
Intervall: zweiwöchentlich
Erstgebärende Frauen mit
Risikofaktoren wie: finanzielle und soziale Belastungsfaktoren
De la Rosa et
al., 2009
Hausbesuche von Schwangerschaft bis 3 Jahre pp.
Anzahl: Ø43,84
Dauer: Ø45 min.
Intervall: wöchentlich bis
zwei-wöchentlich
Erstgebärende Frauen mit
Risikofaktoren wie: sozialer
Beeinträchtigung
Erhebung der vulnerablen
Frauen
Screening in der Schwangerschaft mit dem Edinburgh
Depression Scale und Erhebung von sozio- ökonomischen und –demographischen Faktoren: Alter unter
19 Jahren, aktueller Distress,
Drogenmissbrauch, aktuelle
Erfahrung von häuslicher
Gewalt, Mangel an emotionaler und praktischer Unterstützung, aufgenommene
Schwangerschaftsbetreuung
nach der 20 SSW, ein Hauptstressor in den letzten 12
Monaten
Screening in der Schwangerschaft von psychosozialer
und häuslicher Gewalt und
Erhebung von sozio-ökonomischen und demographischen Faktoren der Frauen
Frauen wurden durch Überweisungen von Gesundheitsdiensten, Jungendämtern
oder sich selbst an Familienhebamme überwiesen
Durch Überweisungen und
Erhebungen der sozio- ökonomischen und demographischen Faktoren der
Frauen
Durch Überweisung von
Schulen, Jugendamt, Amt für
psychische Erkrankungen,
Gesundheitsdiensten, Amt
für öffentliche Gesundheit
und durch Frauen selbst
Profession der Familienbegleiter/innen
Schulung der Familienbegleiter/innen
Kinderkrankenpflegende
Nicht bekannt
Gesundheitsbesucher
Nach Vorbild des Family
Nurse Partnership Programm
geschult
Familienhebammen
Schulung zur Familienhebamme
Familienbegleitende
Hebammen, Sozialpädagogen/innen und Kinderkrankenpflegende
Nicht bekannt
Professionelle wie Krankenpflegende, Pädagogen/innen,
Berater/innen und Paraprofessionelle
Inhalte: Kommunikation,
Beziehungsbildungsskills,
managen von Hausbesuchen,
Programmdokumentation,
Sicherheitsbelange, Pränatale
Curricula, postnatale Curricu-
34
Frühe Gesundheitsförderung
Kitzmann et al.,
2010
Hausbesuche von Schwangerschaft bis 2 Jahre pp.
Anzahl: Ø 33
Dauer: nicht bekannt
Intervall: nicht bekannt
Eckenrode et
al., 2010
Hausbesuche von Schwangerschaft bis 2 Jahre pp.
Anzahl: Ø 32
Dauer: nicht bekannt
Intervall: nicht bekannt
Homer et al.,
2011
Gesundheitszentrum, Betreuung von Schwangerschaft bis Wochenbett. Z.T.
Hausbesuche
Hausbesuche
Nicht bekannt
McNaughton,
2004
Nicht bekannt
Erstgebärende Frauen mit
Risikofaktoren wie: Ledigkeit
und tiefer sozioökonomischer Status
Erstgebärende Frauen mit
Risikofaktoren wie: Ledigkeit
und tiefer sozioökonomischer Status
Frauen mit Risikofaktoren
wie: Wohnsitz in sozioökonomisch benachteiligter
Wohngegend
11 Studien: Frauen mit
psychosozialen Risikofaktoren,2 Studien: Frauen ohne
Risikofaktoren
la, Stillen, Immunisierung,
medizinische Aspekte, Familienplanung/ Sexualität,
Neugeborenen Wachstum
und Entwicklung, psychische
Gesundheit, Häusliche Gewalt, Kindsmisshandlungen
und Vernachlässigungen,
Gemeinde Ressourcen,
Krankenhauseinweisung und
Reanimation
Schulung von Family Nurse
Partnership Programm
Erhebung sozio- ökonomischer und demographischer
Faktoren
Krankenpflegende
Erhebung sozio- ökonomischer und demographischer
Faktoren
Krankenpflegende
Schulung von Family Nurse
Partnership Programm
Nicht bekannt
Hebammen
Nicht bekannt
Nicht bekannt
Krankenpflegende
In 8 der Studien wird ein
Schulung der Krankenpflegenden angegeben
35
Frühe Gesundheitsförderung
4.2.2
Auswirkungen der Interventionen
Kindliche Gesundheit: In der randomisiert kontrollierten Studie von Barlow et al.
(2006), deren Qualität aufgrund des methodischen Vorgehens als hoch eingeschätzt
wurde, konnte durch die Intervention kein positiver Effekt auf das Geburtsoutcome
nachgewiesen werden, bezüglich Geburt, Schwangerschaftsalter, Geburtsgewicht und
Geburtsmodus. Ähnliche Ergebnisse gewann die Studie von Kemp et al. (2011), in der
kein Unterschied zwischen Kontroll- und Interventionsgruppe bezüglich Small for gestational age (SGA) Kinder und der Frühgeburtenrate aufgezeigt werden konnte. Lediglich in der unsystematischen Literaturreview von McNaughton (2004) wies eine Studie
eine Abnahme von SGA Kindern nach Hausbesuchen auf.
In der Studie von Barlow et al. (2006) mussten in der Interventionsgruppe in den ersten
6 Monate nach der Geburt, mit einem nicht signifikanten Unterschied, weniger Kinder
ins Krankenhaus eingeliefert werden (14,3% vs. 8,1%; RR 1,38, 95% CI 0,68 bis 2,8).
McNaughton (2004), berichtet von einer verminderten Nutzung der akutpädiatrischen
Dienste innerhalb der ersten 14 Lebenstage des Kindes in der Interventionsgruppe,
sowie dem Auftreten von weniger kindlichen Misshandlungen, Verletzungen und weniger respiratorischen Erkrankungen. Wohingegen die randomisiert kontrollierte Studie
von Barlow et al. (2006) von einem nicht signifikanten Anstieg von Fremdplatzierungen
(IG 6% vs. KG 0%) und Fürsorgeprozessen (RR 2,02; 95% CI 0,46 bis 2,54) in der
Interventionsgruppe berichtet.
Eine signifikant positive Auswirkung auf die Stilldauer (7,9 Wochen länger; 95% CI 2,9
bis 12,9) konnte in der randomisiert kontrollierten Studie von Kemp et al. (2011) festgestellt werden, deren Qualität aufgrund des methodischen Vorgehens als hoch eingeschätzt wurde. In der Studie von Barlow et al. (2006) wurde, bezüglich der Stilldauer
bis 6 Monate, ein nicht signifikant positiver Effekt nachgewiesen (Interventionsgruppe
[IG] 55% vs. Kontrollgruppe [KG] 45%; RR 1,22, 95% CI 0,85 bis 1,75). In der Literaturreview von McNaughton (2004) konnte keine Auswirkungen der Intervention auf die
Stilldauer aufgezeigt werden. Im quantitativen Teil der Integrationsstudie von Ayerle et
al. (2011) wird eine signifikante Korrelation des Zeitpunktes des Beginns der Zufütterung und der Familienvulnerabilität zu Beginn der Betreuung durch die Familienhebamme (r= -0,27, p=0,001) aufgezeigt, sowie eine signifikanten Korrelation der
Qualität der Ernährung und der Familienvulnerabilität (r=-0.21, p=0,001).
Kindliche Entwicklung: Bei der Einschätzung der Kindlichen Entwicklung mit Hilfe
des „Bayley Scales of Infant Developments“, der die geistige Entwicklung des Kindes
36
Frühe Gesundheitsförderung
misst, konnte in keiner Forschungsarbeit eine statistisch signifikante Verbesserung in
der Interventionsgruppe aufgezeigt werden (Kemp et al., 2011; Barlow et al., 2006;
Kurtz et al., 2010). Allerdings konnte Kemp et al. (2011) in der Untergruppe der in der
Schwangerschaft psychosozial gestressten Müttern, eine nicht signifikant bessere
Entwicklung der Kinder durch die Intervention nachweisen (p= 0,07). Desweiteren entwickelten sich diese Kinder aus der Kontrollgruppe signifikant schlechter (p=0,003), im
Vergleich zu der Bevölkerungsnorm. 47,4% dieser Kinder entwickelten sich verzögert.
Die noch nicht vollständig beendete randomisiert kontrollierte Studie von Kurtz et al.
(2010), welche qualitativ als mittelmäßig eingeschätzt wurde, zeigte im querschnittlichen Vergleich zwischen Interventionsgruppe und Kontrollgruppe, eine steigende nicht
signifikante Verbesserung der kindlichen Entwicklung nach 12 Monaten (p=0,07) und
24 Monaten (p=0,06) in der Interventionsgruppe. Die Review von McNaughton (2004)
zeigt auf, dass sich bei einer zweijährigen Intervention durch Krankenpflegende, welche mindestens einmal im Monat die Familie besuchte, die körperliche Entwicklung des
Kindes, sowie seine IQ- Werte, verbesserten.
Mütterliche Gesundheit: Eine Verbesserung des Gesundheitszustandes von
Schwangeren in Bezug auf weniger Pilzinfektionen, Bluthochdruck und Nierenentzündungen zeigte sich in der Review von McNaughton (2004). Diese zeigte ebenfalls eine
Verbesserung der physischen Gesundheit, des Lebenswandels, der Nutzung von Gesundheitsdienstleistungen und psychischen Gesundheit von Frauen nach der Geburt
auf. Dagegen zeigte die Erhebung der psychischen Gesundheit der Frauen nach der
Geburt mit dem „Edinburgh Postnatal Depression Scale“, in anderen Forschungsarbeiten, keine signifikanten Effekte in der Interventionsgruppe auf (Barlow et al., 2006;
Kemp et al., 2011). Barlow et al. (2006) konnte außerdem keine signifikante Verbesserung der mütterlichen Selbstachtung und Gesundheit in der Interventionsgruppe feststellen. Die Studie von De la Rosa et al. (2009), mit einem Basis- Postinterventionsdesign, berichtete von einer signifikanten Reduktion des Drogenkonsums in der Schwangerschaft (p<0,014) und nach der Geburt (p<0,000).
Mütterliche Fürsorge: In den Studien von Kemp et al. (2011) und Barlow et al. (2006)
wurde die Qualität der häuslichen Umgebung für die kindliche Entwicklung mit Hilfe des
Messinstrumentes „Home Inventory“ gemessen. Dabei konnte die Studie von Kemp et
al. (2011) signifikant positive Effekte bezüglich der emotionalen und verbalen Reaktionsfähigkeit der Mütter in der Interventionsgruppe festgestellt werden (durchschnittliche Differenz von HOME Punkten 0,47; 95% CI 0,09 bis 0,85; p=0,02). Außerdem
konnte festgestellt werden, dass in der Interventionsgruppe die Untergruppe der psychosozial gestressten Frauen in der Schwangerschaft signifikant positivere Effekte bei
37
Frühe Gesundheitsförderung
der zur Verfügungstellung von angemessenen Spielsachen (durchschnittliche Differenz
0,60; 95% CI 0,05 bis 1,15; p=0,03) und der Organisation der physischen und zeitlichen Umwelt (durchschnittliche Differenz 0,40; 95% CI 0,11 bis 0,69; p=0,03) zeigten.
Barlow et al. (2006) können von keiner Verbesserung des häuslichen Umfelds in der
Interventionsgruppe berichten. Die Studie von De la Rosa (2009) berichtet davon, dass
die Frauen im Post- und Basisvergleich in der Schwangerschaft und nach der Geburt
ihre Kinder signifikant (p<0,000) positiver wahrnehmen.
Ein signifikanter Anstieg der durch die Familienbegleiter/innen eingeschätzte Qualität
der mütterlichen Fürsorge nach einem Jahr (p=0,000), im Vergleich zu der Einschätzung zu Beginn der Betreuung ist der Studie von Ayerle et al. (2011) zu entnehmen.
Sowie eine signifikante Korrelation zwischen mütterlicher Fürsorge und Familienvulnerabilität zu Beginn der Betreuung durch die Familienhebamme (r=-0,16, p=0,001).
In der Studie von Kurtz et al. (2011), konnte eine Zunahme bei der Selbsteinschätzung
der mütterlichen Selbstwirksamkeit nach der Geburt bis 12 Monate danach in Interventions- und Kontrollgruppe beobachtet werden (p=0,000). Die selbsteingeschätzte mütterliche Kompetenz stieg bis zum 6 Lebensmonat in der Interventionsgruppe tendenziell stärker an, als in der Kontrollgruppe (p=0,09).
Familieninteraktion: Im Basis- und Postvergleich in der Schwangerschaft, sowie nach
der Geburt, zeigte sich in der Studie von De la Rosa et al. (2009), eine signifikante
Verbesserung (p<0,000) der Familieninteraktion in Bezug auf partnerschaftliche Beziehung, gegenseitiger partnerschaftlicher Unterstützung, männlicher Einbezug und Reduktion der häuslichen Gewalt. Die Ergebnisdaten dieser Studie, deren Qualität als
mittel bis hoch eingeschätzt wurde, wurden durch die Familienbegleiter/innen selbst
erhoben. Andere Studien (Barlow et al., 2006; Kemp et al., 2011), welche ein experimentelles Design vorwiesen, konnten durch ihre Ergebnisse eine Verbesserung der
Familienentwicklung nicht bestätigen.
Eltern-Kind-Beziehung: Die Studie von Kemp et.al. (2011) konnte in einer Laborbeobachtung nach 18 Monaten keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden
Gruppen bezüglich vermehrter Sensibilität bei den Eltern und einer stärkeren Bindung
des Kindes an die Eltern vorweisen. Wohingegen Barlow et al. (2006) diesbezüglich,
nach einer Auswertung von Videos auf denen die Interaktionen von Kind und Eltern
aufgenommen wurden, eine signifikant höhere Bewertung bei der Interventionsgruppe
nach 12 Monaten nachweisen konnte (p=0,004). Eine signifikante Verbesserung der
Eltern-Kind-Beziehung (p=0,000) konnte auch durch die Einschätzung von Familienbegleiter/innen nach 12 Monaten in der Studie von Ayerle et al. (2011) gezeigt werden.
38
Frühe Gesundheitsförderung
Hier zeigte sich auch wieder eine signifikante (r=-0,149, p=0,006) Korrelation zwischen
Familienvulnerabilität und Eltern-Kind-Beziehung zu Beginn der Betreuung durch die
Familienhebamme. De la Rosa et al. (2009) konnten im Basis- und Post- Interventionsvergleich nach der Geburt ebenfalls eine signifikante Verbesserung der Eltern-KindBeziehung feststellen (p<0,000), bezüglich Entwicklung elterlicher Fertigkeiten, Vermögens die Bedürfnisse des Kindes einzuschätzen und adäquate Anleitung und Disziplin zu vermitteln. Auch McNaughton (2004) zeigt eine Verbesserung der mütterlichen Auffassung für das kindliche Verhalten auf.
Vernetzung: Im Basis- und Postvergleich sowohl in der Schwangerschaft als auch
nach der Geburt konnte in der Studie von De la Rosa et al. (2009) eine signifikante
Verbesserung der sozialen Unterstützung der Frauen aufgewiesen werden (p<0,000).
Dies zeigte sich auch in der Studie von Barlow et al. (2006) in der die Inanspruchnahme von sozialer Unterstützung in der Kontrollgruppe signifikant tiefer war
(p=0,004). Kemp et al (2011) konnte diesbezüglich keine Auswirkung in der Interventionsgruppe aufzeigen. Im qualitativen Teil der Studie von Ayerle et al. (2011) berichten
die interviewten Frauen, dass sie die interdisziplinäre Arbeit ihrer Familienbegleiter/innen schätzten, wenn diese gegenüber anderen Professionellen die Wünsche und
Bedürfnisse der Familie vertrat. Dies konnte auch den Interviews der Studie von Homer
et al. (2011) entnommen werden, die in ihrer methodologischen Qualität als mittelmäßig eingeschätzt wurde. Von den interviewten Frauen dieser Studie wurde weiterhin
angegeben, dass sie es gut finden durch die Teilnahme am Programm in verschiedenen Bereichen vernetzt zu werden und dadurch unter anderem einen leichteren Zugang zu Kinderärzten/innen und Gynäkologen/innen, sowie zu Spielgruppen, Elternprogrammen und anderen Müttern zu haben.
Ökonomische Effekte: Die ökonomischen Auswirkungen der Interventionen wurden
lediglich in der randomisiert kontrollierten Studie von Barlow et.al. (2006) untersucht.
Dabei wurden die Kosten für die Frauen bzw. Familien aus der Kontroll- und Interventionsgruppe, welche an der Studie teilnahmen, in den Jahren 2003 bis 2004 dokumentiert. Es zeigten sich signifikant höhere Ausgaben pro Kind in der Interventionsgruppe,
die Mehrausgaben betrugen 3246 Pfund (95% CI 1645 Pfund bis 4803 Pfund), durch
Hausbesuche, Telefonate, Termine mit Psychologen und Psychiatern, Jugendämtern,
Adoption, Ausbildungskosten für Gesundheitsbesucher. Dafür konnte bei den Kindern
der Interventionsgruppe an Kosten für Klinikbesuche, Notfallaufnahmen wegen Kind
und Mutter und bei Alkohol – und Drogenberatungen gespart werden. Die genauen
Geldbeträge die eingespart werden konnten, werden in der Studie nicht genannt.
39
Frühe Gesundheitsförderung
Langzeitauswirkungen: In den randomisiert kontrollierten Follow-up Studien von
Kitzmann et.al. (2010) und Eckenrode et.al. (2010), wurden die Langzeitauswirkungen
der Hausbesuche auf die Kinder untersucht. Eckenrode et.al. (2010) konnten nachweisen, dass Mädchen 19 Jahre nach den Hausbesuchen signifikant weniger verhaftet
(10% vs. 30%; RR 0,33; 95% CI 0,13 bis 0,82) und weniger verurteilt (4% vs. 20%; RR
0,20; 95% CI 0,05 bis 0,85) wurden. Insgesamt wurden 23 Mädchen in der Kontrollgruppe verhaftet, bei 11 von ihnen war der Grund für Gewalt. Dem gegenüber wurden
fünf Mädchen in der Interventionsgruppe verhaftet, wobei bei Keine wegen Gewaltdelikten verhaftet wurde. Allerdings ist bei drei der Mädchen der genaue Verhaftungsgrund nicht bekannt. Allgemein muss beachtetet werden, dass die Angaben zu Verhaftungen und Verurteilungen auf Selbstangaben der Probanden/innen beruhten. Bei
den 19-jährigen Jungen konnte bezüglich Verhaftung (IG 35% vs. KG 39%) und Verurteilung (IG 46% vs. KG 47%) keine signifikanten Unterschiede zwischen Kontrollund Interventionsgruppe festgestellt werden. Allgemein hatten die Jugendlichen in der
Interventionsgruppe ein kleineres Risiko verhaftet zu werden (HR 0,63; 95% CI 0,40
bis 0,99), als die der Kontrollgruppe. Außerdem benutzten die Jungen und Mädchen
der Interventionsgruppe von Hochrisikomüttern signifikant mehr Kondome als die in der
Kontrollgruppe (durchschnittliche Differenz: 1,01; 95% CI 0,07 bis 1,96). Die Mädchen
in der Interventionsgruppe von Hochrisikomüttern nahmen signifikant weniger oft kostenlose medizinische Hilfe in Anspruch (30% vs. 45%; RR 0,40; 95% CI 0,18 zu 0,57)
und wurden tendenziell weniger oft schwanger als die entsprechende Untergruppe der
Kontrollgruppe (11% vs. 18%; RR 0,39; 95% CI 0,12 zu 1,02). Ein positiver Auswirkungen auf den Drogen- und Alkoholkonsum, den Schulabschluss, die ökonomische Produktivität, die Anzahl der Sexualpartner sowie auf den Bezug von Lebensmittelmarken
und Sozialhilfe konnten zwischen der Kontroll- und Interventionsgruppe nicht nachgewiesen werden. Die Qualität der Studie von Eckenrode et al. (2010) wurde aufgrund
ihrer Methodik als hoch eingeschätzt.
Kitzmann et.al. (2010) dagegen konnten in der Interventionsgruppe der 12-Jährigen
bezüglich des Alkohol-, Zigaretten- und Marihuanakonsums signifikant positive Auswirkungen der Hausbesuche feststellen (5,1% vs. 1,7%; OR 0,31; p=0,04). In der Untergruppe der Mütter mit wenig psychosozialen Ressourcen konnte ein signifikant besseres Abschneiden bei der Einschätzung von Lese- und Rechenleistungen (durchschnittliche Differenz: 3,07 Punkte; 95% CI 0,76 bis 5,39; p=0,009), der Abschlussprüfung in
der 4.- 6. Klasse (0,19; 0,0 bis 0,38; p=0,42) und der Gruppenabschlussprüfungen in
der 1.- 6. Klasse (5,67; 0,80 bis 10,55; p=0,02) der Kinder der Interventionsgruppe
nachgewiesen werden. Die Qualität der Studie von Kitzmann et al. (2010) ist aufgrund
40
Frühe Gesundheitsförderung
einer Ungleichen Verteilung der Risikofaktoren zwischen der Kontroll-und Interventionsgruppe als mittelmäßig bis hoch eingeschätzt worden
Sonstige Effekte: In der Studie von De la Rosa et al. (2009), kamen die Forschenden
zu der Erkenntnis, dass Hausbesuchsprogramme dann wirkungsvoll sind, wenn sie die
Bedürfnisse der Klientinnen von Anfang an wahrnehmen und sichergehen, dass diese
Bedürfnisse durch die Interventionen befriedigt werden. Weiterhin zeigte diese Studie,
dass durch eine erhöhte Anzahl von Hausbesuchen, die elterliche Fürsorge (p<0,001),
Familieninteraktion (p< 0,05) und soziale Unterstützung der Eltern (p<0,01) signifikant
positiv beeinflusst wird. Ein ähnlicher Effekt zeigte sich in der Literaturreview von McNaughton(2004). Hier gaben mehr Frauen an, welche viel Kontakt zu Familienbegleiter/innen hatten, dass sie keine Drogen mehr nahmen, im Vergleich zu solchen
Frauen, die weniger Kontakt zu den Familienbegleiter/innen hatten.
In den Interviews der Studien von Homer et al. (2011) und Ayerle et al. (2011) wird die
Wichtigkeit einer guten Familienbegleiter/innen-Klientinnen-Beziehung deutlich. Diese
wird ebenfalls durch die Literaturreview von McNaughton (2004) ersichtlich. Die Frauen
bevorzugten es, wenn die Betreuung durch die Familienbegleiterin schon in der
Schwangerschaft begann (Ayerle et al., 2011). Sie gaben außerdem an, dass durch
eine kontinuierliche Betreuung das Vertrauen zur Hebamme wächst und sie es sehr
schätzten von jemandem betreut zu werden, der ihre Geschichte bereits kennt (Homer
et al., 2011). Die Bedeutung der direkten Verbindung zur Familienbegleiterin via Telefon oder SMS wurde auch von den interviewten Frauen im qualitativen Teil der Integrationsstudie von Ayerle et al. (2011) betont. Diese Frauen gaben außerdem an, dass sie
die Ratschläge der Familienbegleiter/innen auf einer vertrauensvollen Basis nicht nur
akzeptieren, sondern sie dadurch ermutigt werden die Familienbegleiter/innen direkt
über ein Thema auszufragen. Ein weiterer Grund für das Vertrauen der Frauen in die
Hebamme, neben der kontinuierlichen Betreuung, war, dass die Hebammen nicht vom
Staat kamen, professionell waren und die Frauen sich gut mit ihnen unterhalten konnten (Homer et al. , 2011). Wichtig für die Frauen war auch die leichte Erreichbarkeit der
Programme, da sie so die Möglichkeit hätten die Versorgung wahrzunehmen (Homer et
al., 2011).
Die Leitlinie des Erziehungsdepartements des Kantons Schaffhausen (2011), die von
niedriger Qualität ist, da nicht beschrieben wird wie die Leitlinie methodisch entwickelt
wurde und keine konkreten Maßnahmen zur Umsetzung der Ziele dargelegt wurden,
empfiehlt aufsuchende Familienarbeit oder Familienbesuchsprogramme einzuführen,
da so vulnerable Familien gefördert werden können. Außerdem empfiehlt sie weiter,
41
Frühe Gesundheitsförderung
dass Kinder aus vulnerablen Familien, auf ihren Bedarf abgestimmte Unterstützung
erhalten und die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Fachpersonen zu stärken.
5
DISKUSSION
In diesem Kapitel erfolgt die Beantwortung der Fragestellungen dieser systematischen
Literaturreview, bezüglich der Auswirkungen der Hebammenarbeit im Bereich der frühen Gesundheitsförderung in vulnerablen Familien und deren Bedeutung für das
schweizerische Gesundheitssystem. Dabei werden zuerst die Ergebnisse aus der Literaturanalyse diskutiert, anschließend die Bedeutung der Hebammenarbeit im Bereich
der frühen Gesundheitsförderung aufgezeigt und diese beiden Aspekte zum Schluss in
Bezug zur Situation in der Schweiz gesetzt.
5.1
Auswirkungen der frühen Gesundheitsförderung
Durch die vorliegenden Ergebnisse aus der Literaturanalyse konnten eine Reihe von
signifikant positiven Auswirkungen der Interventionen im Bereich der frühen Gesundheitsförderung in vulnerablen Familien aufgezeigt werden. Diese Ergebnisse decken
sich mit denen anderer Studien, welche die allgemeinen Auswirkungen früher Gesundheitsförderung untersuchten (Ben- Shlomo & Kuh; 2002; Stamm et al., 2009; OECD,
2006). Sie lassen die Annahme zu, dass frühe Gesundheitsförderung in vulnerablen
Familien einigen Nutzen für die Familien aufweist und eine langfristige Kostenreduktion
für den Staat bewirkt. Neben diesen positiven Effekten konnte außerdem aufgezeigt
werden, dass wichtige Voraussetzungen für den Erfolg früher Gesundheitsförderung
eine vertrauensvolle und kontinuierliche Beziehung zu den Frauen sind (McNaughton,
2004; Ayerle et al., 2011; Homer et al.; 2011), dass die Bedürfnisse der Frauen von
Anfang an wahrgenommen und durch die Intervention befriedigt werden sollten (De la
Rosa, 2009). Beelmann (2006) kam in seiner Metaanalyse ebenfalls zu diesen Erkenntnissen. Allerdings muss hier auch erwähnt werden, dass die signifikant positiven
Ergebnisse aus der Literaturanalyse kein einheitliches Gesamtbild ergeben. Dies liegt
darin begründet, dass aufgrund der methodologischen Heterogenität der Forschungsarbeiten viele verschiedene Ergebnisparameter erhoben und ausgewertet wurden und
verschiedene Forschungsdesigns und Messinstrumente angewandt wurden. Gesamthaft betrachtet konnte auch festgestellt werden, dass diejenigen Studien (Ayerle et al.,
2011; De la Rosa et al., 2009), in denen die Auswirkungen der Intervention durch die
Familienbegleiter/innen selbst eingeschätzt wurden und nicht randomisiert kontrolliert
waren, wesentlich mehr signifikant positive Resultate verzeichneten, als die Studien
(Barlow et al., 2006; Kemp et al., 2011; Kurtz et al., 2010; Kitzmann et al., 2010;
Eckenrode et al., 2010) mit einer Kontrollgruppe, die die Auswirkungen durch verschie42
Frühe Gesundheitsförderung
dene standardisierte Messinstrumente erhoben. Dieser Effekt ist wahrscheinlich darauf
zurückzuführen, dass die Einschätzungen der Familienbegleiter/innen, trotz eines intensiven Trainings zur objektiven Einschätzung, wie in der Studie von De la Rosa
(2009) beschrieben, von dem Ziel positive Auswirkungen zu erreichen, subjektiv verfärbt waren.
Die Studien von Ayerle et al. (2011), Kemp et al. (2011), Kitzmann et al. (2010) und
Eckenrode et al. (2010) erhoben Resultate, welche aufzeigten, dass die durchgeführten Interventionen in der Untergruppe der Frauen, bei denen eine ausgeprägte Vulnerabilität zu finden war, besonders wirkungsvoll waren. Dies lässt sich dadurch begründen, dass bei diesen Familien die Schutzfaktoren weniger ausgeprägt sind und dadurch Interventionen der frühen Gesundheitsförderung eine größere Wirkung entfalten
können. Dieses gewonnene Ergebnis ist von großer Wichtigkeit, da bekannt ist, dass
dort wo Risiken kumulativ auftreten und nicht mehr durch vorhandene Ressourcen abgemildert werden können, sich das Risiko für Kindeswohlgefährdung deutlich erhöht
(Thyen, 2012). Weiterhin kann dieses Ergebnis die Bedeutung von niederschwelligen
familienunterstützenden Angeboten bestärken, wie sie in den analysierten Forschungsarbeiten durchgeführt wurden und sich in der Tabelle 2, die die internationalen
Programme der frühen Gesundheitsförderung in vulnerablen Familien darstellt, zeigen.
In der Regel basieren die meisten vorhanden Unterstützungsangebote auf KommStrukturen, und erreichen aufgrund dieser Struktur die benachteiligten Familien oft
nicht (Sterzing & Persike, 2011). Denn gerade Familien, bei denen mehrere Risikofaktoren vorliegen, schaffen es häufig nicht für die Suche nach Informationen und unterstützenden Angeboten die nötigen Ressourcen zu aktivieren (Erziehungsdepartement
Kanton Schaffhausen, 2011). Daher sind sie im Besonderen auf Angebote angewiesen, welche auf Geh-Strukturen basieren (Ayerle et al., 2011; Kurtz et al., 2010; Kitzmann et al., 2010; Eckenrode et al., 2010; Kemp et al., 2011; Barlow et al., 2006;
McNaughton et al., 2004; De la Rosa et al., 2009) oder in Form von Komm-Strukturen
(Homer et al., 2011) im sozialen Nahraum angeboten werden (Helmig, 2007).
Die kaum vorhandenen positiven Effekte der Interventionen bezüglich des Geburtsoutcomes (Barlow et al., 2006; Kemp et al., 2011) in dieser Literaturreview, finden sich
auch in anderen Forschungsarbeiten wieder (Enkin et al., 2006, S. 43). Diese Tatsache
wirft die Überlegung auf, ob es überhaupt sinnvoll ist, mit der frühen Gesundheitsförderung bereits in der Schwangerschaft zu beginnen und nicht erst nach der Geburt, einem Zeitraum in dem signifikant positive Auswirkungen auf die Familien durch die Interventionen belegt werden konnten Bei dieser Überlegung wird jedoch nicht berücksichtig, dass die Phase der Schwangerschaft und Geburt zum einen die Zeitspanne ist,
43
Frühe Gesundheitsförderung
in der Frauen auf Grund ihrer Schwangerschaft am meisten Kontakt zu Gesundheitsdiensten haben und dies eine wertvolle Ressource darstellt um potentiell vulnerable
Frauen zu erreichen und ihnen Hilfestellungen anbieten zu können. Zum anderen ist
die Phase der Schwangerschaft und frühen Elternschaft die Zeit, wie bereits in der Einleitung (Kapitel 1) erwähnt, welche ein großes Potential für wünschenswerte Verbesserungen bei gesundheitlichen und sozialen Problemen in der Familie bietet, da
Eltern in diesem Zeitraum in der Regel hoch motiviert sind „gute Eltern“ für ihr Kind zu
werden (Staschek, 2003). Ein weiterer Aspekt, der die Wichtigkeit der frühen Gesundheitsförderung ab der Schwangerschaft belegt, ist der der kontinuierlichen Betreuung.
Die Vorteile einer kontinuierlichen Betreuung ab der Schwangerschaft in vulnerablen
Familien wurden bereits im theoretischen Hintergrund (Kapitel 2.5) näher erläutert.
Durch die Studien von Homer et al. (2011) und Ayerle et al. (2012) konnte aufgezeigt
werden, dass auch die Frauen diese Kontinuität in der Betreuung schätzten und sie
zudem als Grundlage einer vertrauensvollen Beziehung ansahen.
Für Kinder aus vulnerablen Familien, die frühe Gesundheitsförderung in Familien erhalten, muss zu Beginn ihres Lebens ein deutlich höherer finanzieller Aufwand geleistet werden. Anschließend können jedoch Ausgaben eingespart werden, welche mit
hoher Wahrscheinlichkeit aufgrund ihrer benachteiligten Situation entstehen würden
(Barlow et al., 2006). Diese Aussage bestätigt sich auch durch andere Forschungsarbeiten (Anneger, Plünnecke & Träger, 2007; OECD, 2006; Meier-Grüne & Wagenknecht, 2011), welche die ökonomischen Auswirkungen früher Gesundheitsförderung
untersuchten. Die Ergebnisse der beiden analysierten Langzeitstudien von Kitzmann et
al. (2010) und Eckenrode et al. (2010) lassen ebenfalls auf Kosteneinsparungen im
späteren Leben von Kindern, welche frühe Gesundheitsförderung in Familien erhielten,
schließen, aufgrund des veränderten Lebensstils wie z.B. der geringeren Inanspruchnahme von Sozialleistungen und/oder weniger Konflikten mit dem Gesetz.
Ein Ergebnis, dass auf den ersten Blick den positiven Auswirkungen der frühen Gesundheitsförderung wiederspricht, ist, dass durch das Erbringen von Leistungen der
frühen Gesundheitsförderung, die Anzahl von Fremdplatzierungen und Fürsorgeprozessen stieg (Barlow et al., 2006). Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass die
Familienbegleiter/innen gegenüber Kindswohlgefährdungen sehr sensitiv waren und
dass dadurch Fälle erkannt wurden, welche ohne frühe Gesundheitsförderung wie in
der Kontrollgruppe, nicht erkannt worden wären.
Neben der methodologischen Heterogenität der analysierten Forschungsarbeiten,
müssen noch andere Schwächen dieser Literaturreview genannt werden. Denn die
analysierten Forschungsarbeiten hatten häufig nur sehr kleine Stichproben (De la Rosa
44
Frühe Gesundheitsförderung
et al., 2009; Ayerle et al., 2011; Barlow et al., 2006, Homer et al.; 2011; Kemp et al.,
2011) von Studienteilnehmenden, welche zum Teil aus ethnischen Volksgruppen
stammten, die in der Schweiz so nicht existieren und daher keine vollständige Übertragbarkeit der Ergebnisse zulassen. Es muss auch kritisch erwähnt werden, dass sich
diese Arbeit sehr stark auf die frühe Gesundheitsförderung in vulnerable Familien
durch Hausbesuchsprogramme fokussierte und daher die Auswirkungen anderer Hilfsangebote in diesem Bereich nur im Fall einer Studie (Homer et al., 2011) berücksichtigte. Zudem wurde diese Arbeit nur durch eine Autorin verfasst, wodurch die Qualität
der Studien auch nur durch eine Person eingeschätzt wurde und dadurch vielleicht
wichtige Aspekte übersehen wurden.
5.2
Hebammenarbeit im Bereich der frühen Gesundheitsförderung
In der Mehrheit (Barlow et al., 2006; Ayerle et al., 2011; De la Rosa, 2009; Kitzmann et
al., 2010; Eckenrode et al., 2010; McNaughton, 2004) der analysierten Forschungsarbeiten wurde angegeben, dass die Familienbegleiter/innen eine zusätzliche Schulung
erhielten, um sich für die Tätigkeit der frühen Gesundheitsförderung in Familien zu
qualifizieren. Denn diese Arbeit lässt sich vermehrt der sozialen Arbeit zuordnen und
die zu betreuenden Frauen bzw. Familien weisen aufgrund ihrer Vulnerabilität andere
Anforderungen auf. Zudem ist von Seiten der Familienbegleiter/innen ein hohes Maß
an Kooperation mit anderen sozialen und medizinischen Berufsgruppen gefordert
(Schneider, 2008). Dies zeigt sich auch in den verschiedenen internationalen Programmen der frühen Gesundheitsförderung die im theoretischen Hintergrund (Kapitel
2.4, Tabelle 2) dargestellt werden. Durch die Analyse der Forschungsarbeiten zeigte
sich, dass Hebammen als Akteurinnen der frühen Gesundheitsförderung in vulnerablen
Familien kaum zum Einsatz kamen (Ayerle et al.; 2011; Kurtz et al., 2011; Homer et al.,
2011). Stattdessen fanden vor allem Krankenpflegende Einsatz (McNaughton, 2004;
Kemp et al., 2011; Kurtz et al., 2010, De la Rosa, 2009; Kitzmann et al., 2010; Eckenrode et al., 2010). Es stellt sich hier die Frage warum kaum zu Familienbegleitende
geschulte Hebammen eingesetzt wurden. Denn Aufgrund ihres beruflichen Kompetenzbereiches (Kapitel 2.6) der in der Schwangerschaft ansetzt und das erste Lebensjahr des Kindes miteinschließt, wäre es naheliegend geschulte Hebammen für die frühe Gesundheitsförderung einzusetzen. Das in der Studie von De la Rosa (2009) vorgestellte Schulungsprogramm der Familienbegleiter/innen (Tabelle 9) zeigt zudem eine
große Anzahl von hebammenspezifischen Kompetenzen auf, die durch den Einsatz
von Hebammen als Familienbegleitende nicht mehr vermittelt werden müssten. Ein
weiterer Aspekt, der die Hebamme als potentiell wichtige Akteurin der frühen Gesundheitsförderung ausweist, ist der, dass Hebammen auf Grund ihrer hohen Akzeptanz in
45
Frühe Gesundheitsförderung
der Bevölkerung relevant für den Zugang zu vulnerablen Frauen bzw. Familien sind
(Renner, 2010). Denn eine Betreuung durch die Hebamme im Zeitraum der Schwangerschaft und nach der Geburt, ist im Gegensatz zu einer Betreuung durch Sozialarbeiter/innen vom Jugendamt, aufgrund ihrer Normalität weniger stigmatisierend und Familien assoziieren diese Betreuung weniger mit Defiziten der eigenen Erziehungskompetenz (Helmig, 2007). Der Hebamme ist es im besonderen Maße möglich
eine Vertrauensvolle Beziehung zu der Frau bzw. Familie aufzubauen, denn neben
ihrer Aufgabe als Fürsprecherin des Kindes, tritt sie auch als intime Beraterin der Mutter auf. Dabei kann die Hebamme als Familienbegleitende durch die Ausführung von
originären Hebammenarbeiten, welche häufig auf einer sehr körperlichen Ebene stattfinden, eine besondere Vertrautheit zwischen sich und der Frau über den Körperbezug
wachsen lassen (Helmig, 2007). Neben der bedeutungsvollen Rolle der Hebamme als
Familienbegleitende, hat die Hebamme eine weitere wichtige Funktion im Bereich der
frühen Gesundheitsförderung inne, nämlich das Einschätzen der Vulnerabilität der
Frauen, welches die Grundlage für die Vermittlung an Hilfsangebote der frühen Gesundheitsförderung ist.
In den analysierten Forschungsarbeiten (Kemp et al., 2011; Barlow et al., 2006; Kurtz
et al., 2010, Kitzmann et al., 2010; Eckenrode et al.; 2010) ist beschrieben, dass zum
Erheben der möglichen vorhanden Risikofaktoren verschiedene Assessments durchgeführt wurden. Da frühe Gesundheitsförderung in Familien, welche in der Schwangerschaft ansetzt, unter anderem aufgrund des Aspektes der Kontinuität (Kapitel 2.5), ein
hohes Potential besitzt und wegen der Tatsache, dass vulnerable Frauen in der
Schwangerschaft bzw. in der Zeit um die Geburt mehr Kontakt zu Gesundheitsdiensten
haben als in anderen Lebensphasen, ist es sinnvoll die Hebamme für das Einschätzen
von Risikofaktoren, sowie für das Vermitteln an Angebote der frühen Gesundheitsförderung zu sensibilisieren und weiterzubilden. Die in den Schwangerschaftskontrollen
standardmäßig durchgeführte Erhebung der Gesundheitsgeschichte durch Hebammen
und Gynäkologen/innen, kann hierfür einen guten Ansatzpunkt bieten. In einer Geburtsklinik in Ludwigshafen (Deutschland), wurde die Bedeutung und das Potential dieser Einschätzungen von Risikofaktoren erkannt und ein dafür entwickelter Assessmentbogen in Kombination mit einem Angebot an erweiterter Hebammen-nachsorge
eingeführt (Thyen, 2012). Es ist jedoch wichtig, dass nicht nur Hebammen, Gynäkologen/innen und anders Gesundheitspersonal für die Einschätzung von möglichen
Risikofaktoren bei Frauen und deren Vermittlung an Angebote der frühen Gesundheitsförderung geschult werden, sondern auch andere Akteure welche im potentiellen
Kontakt mit den Frauen bzw. Familien stehen, wie z.B. Jugendämter, Sozialämter,
Schulen, Arbeitsämter und Beratungsstellen (Ayerle et al., 2011; De la Rosa, 2009;
46
Frühe Gesundheitsförderung
Kurtz, 2010), da bekannt ist, dass gerade vulnerable Frauen die bestehenden Versorgungsstrukturen in der Schwangerschaft weniger in Anspruch nehmen (Enkin et al.,
2006, S. 42; König & Pehlke-Milde, 2010).
5.3
Transfer in die Schweiz
Die Erkenntnisse aus der Literaturanalyse dieser Arbeit, bezüglich der positiven Auswirkungen der frühen Gesundheitsförderung und der kontinuierlichen Betreuung der
vulnerablen Frauen und Familien von der Schwangerschaft an, die Wichtigkeit der Erfassung der möglichen Risikofaktoren von Frauen in der Schwangerschaft, die grundlegend für die Überweisung an Hilfsangebote der frühen Gesundheitsförderung ist,
sowie die Tatsache, dass Hebammen bedeutende potentielle Akteurinnen im Bereich
der frühen Gesundheitsförderung darstellen, sind von Bedeutung für das schweizerische Gesundheitssystem.
Die Wichtigkeit des Einschätzens der möglichen Risikofaktoren von Frauen und Familien in der Schwangerschaft, um sie bei Bedarf an Hilfsangebote der frühen Gesundheitsförderung weiterzuleiten, wurde auch durch die Erziehungs- und Fürsorgedirektion
des Kantons Bern erkannt. In ihrem aktuellen Konzept „ Frühe Förderung im Kanton
Bern“ (Felder, Thoenen & Schläppli, 2012) wird gefordert die Früherkennung von Risikofaktoren bei Frauen und Familien zu verbessern. In diesem Rahmen wurde in dem
Konzept ebenfalls die potentiell bedeutende Stellung der Hebamme für diese Aufgabe
erkannt. Außerdem wurden als weitere wichtige Akteure zur Früherkennung von Risikofaktoren die MVB Berater/innen und Kinderärzte/innen genannt. Unerwähnt blieben
allerdings andere Professionen im Gesundheitsdienst wie z.B. Gynäkologen/innen,
welche während der Zeit der Schwangerschaft und Geburt im potentiellen Kontakt zu
vulnerablen Frauen stehen. Der Tatsache, dass vulnerable Frauen weniger die Vorsorgeleistungen in der Schwangerschaft in Anspruch nehmen (Enkin et al., 2006, S. 42)
und es daher wichtig ist, dass auch andere Dienste wie z.B. Schulen, Arbeitsämter,
Sozialdienste usw. für das Erkennen von Risikofaktoren geschult werden müssen,
wurde in diesem Konzept keine Rechnung getragen. Dieser Aspekt sollte bei der Entwicklung des Ausbaus von früher Gesundheitsförderung berücksichtigt werden.
Ein weiterer Aspekt der in der Schweiz bisher nicht umgesetzt wird, ist der, der Angebote von früher Gesundheitsförderung in vulnerablen Familien ab der Schwangerschaft. Die Vorteile die diese frühen Angebote mit sich bringen, bezüglich der Motivation der Eltern für Veränderungen und der Auswirkungen der kontinuierlichen Betreuung wurden bereits erwähnt. Im Kapitel 2.3 und der dazugehörigen Tabelle 1 im theoretischen Hintergrund werden die Angebote der frühen Gesundheitsförderung für vul47
Frühe Gesundheitsförderung
nerable Familien in der Schweiz dargestellt. Bei deren Betrachtung wird deutlich, dass
die Programme entweder erst nach der Geburt ansetzten (MVB, Edulina, Miges Balu)
oder in den ersten Lebensjahren der Kinder (Schritt:weise, HIPPY, Spiki).
In der analysierten Leitlinie des Erziehungsdepartements des Kantons Schaffhausen
(2011) wird ein Ausbau von Angeboten der frühen Gesundheitsförderung in vulnerablen Familien gefordert. Diese Forderung zeigt sich auch durch das Konzept der Erziehungs- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern (Felder et al., 2012) und liegt darin
begründet, das in der Schweiz, wie bereits in der Einleitung erwähnt, vulnerable Frauen bzw. Familien durch Angebote der frühen Gesundheitsförderung erst spät oder gar
nicht erreicht werden (König & Pehlke-Milde, 2010; Regierungsrat Kanton Luzern,
2011). Denn bisherige Programme (Kapitel 2.3) basieren oftmals auf Komm- Strukturen (MVB, Spiki, Miges Balu, Edulina), richten sich mit ihren Zielen nur an spezifische
Bevölkerungsschichten wie z.B. Menschen mit Migrationshintergrund (Miges Balu,
Edulina, HIPPY, KOFA, AUF) und sind mit Ausnahme der MVB nicht in der ganzen
Schweiz vorhanden. Die Tatsache, dass die MVB ca. 70% der Neugeborenen im ersten Lebensjahr in Form einer Erstberatung erreicht (MVB Kanton Bern, n.d.), spricht für
einen Erfolg der MVB. Doch stellt sich die Frage, wer die nicht erreichten 30% sind und
bei wie vielen Frauen bzw. Familien nach der Erstberatung keine weitere Beratung
mehr stattgefunden hat. Hier liegt die Vermutung nahe, dass sich unter diesen 30%
vulnerable Frauen und Familien befinden, die in der Schweiz kaum erreicht werden,
und bekannter weise diese Versorgungsstrukturen weniger oft in Anspruch nehmen
(Enkin et al., S. 42, 2006).
Am 01.06.2012 trat das neue Bundesgesetzt über Prävention und Gesundheitsförderung (Präventionsgesetz) in der Schweiz in Kraft (Allianz Gesunde Schweiz, 2012).
Dieses Gesetz regelt unter anderem die Koordinierung von Präventionsmaßnahmen
auf Bundes- und Kantonalebene neu, stellt Maßnahmen zur Förderung der Wirksamkeit von Präventions-, Gesundheitsförderungs- und Früherkennungsmaßnahmen sicher und regelt zudem die Förderung der Forschung, sowie die Aus- und Weiterbildung
der benötigten Akteure (BAG, 2012). Dieses Gesetzt stellt eine mögliche Basis dar, die
frühe Gesundheitsförderung in vulnerablen Familien, hinsichtlich der beschriebenen
Aspekte auszubauen und die Hebamme durch Schulungen zur Früherkennung von
Risikofaktoren und als Familienbegleitende stärker in diesen Bereich mit einzubeziehen.
48
Frühe Gesundheitsförderung
6
SCHLUSSFOLGERUNG
Die zentralen Erkenntnisse dieser systematischen Literaturreview sind, zum einen,
dass frühe Gesundheitsförderung in vulnerablen Familien positive Auswirkungen auf
die gesundheitliche und soziale Entwicklung von Frauen und Familien hat und zudem
einen ökonomischen Nutzen für die Gesellschaft leistet. Zum andern konnte die wichtige Bedeutung der Zeit der Schwangerschaft und frühen Elternschaft aufgezeigt werden, da diese von besonderer Offenheit gegenüber Präventionsmaßnahmen geprägt
ist. Außerdem zeigte sich die Wichtigkeit der Einschätzung von Risikofaktoren bei den
Frauen in der Schwangerschaft, da diese als Grundlage für eine Überweisung an Hilfsangebote der frühen Gesundheitsförderung dienen und dass der Hebamme, als potentielle Akteurin im Bereich der frühen Gesundheitsförderung in vulnerablen Familien,
eine bedeutende Schlüsselrolle zukommt. Weiterhin konnte aufgezeigt werden, dass
diese Potentiale in der Schweiz bisher kaum erkannt und genutzt wurden, jedoch momentan versucht wird Angebote der frühen Gesundheitsförderung zu optimieren. Im
Rahmen dieses Prozesses könnte die Verabschiedung des neuen Präventionsgesetzes und der niedrige Prozentsatz des Bruttoinlandproduktes, der für Familien mit Kindern bis zu fünf Jahren ausgegeben wird, eine wichtige Basis für Veränderungen darstellen. Dabei sollten die genannten Potentiale berücksichtigt und Angebote ausgebaut
werden, in denen Hebammen, mit einer Schulung zu Familienbegleitenden, vulnerablen Frauen und Familien von der Schwangerschaft an niederschwellige Hilfestellungen
anbieten. Um ein Erreichen dieser Frauen zu gewährleisten ist es notwendig Akteure
aus Gesundheits- und Sozialdiensten, welche in potentiellen Kontakt mit schwangeren
Frauen stehen, für das Erkennen von Risikofaktoren bei Frauen weiterzubilden, sowie
für das Weiterleiten an Angebote der frühen Gesundheitsförderung.
Dadurch kann erreicht werden, dass vulnerable Frauen und Familien auch tatsächlich
mit den Angeboten der frühen Gesundheitsförderung in Kontakt kommen und dass
ihnen eine kontinuierliche Betreuung ab der Schwangerschaft bis nach der Geburt zu
Teil wird. Diese wird von den betreuten Frauen als besonders wichtig angesehen und
wirkt sich zudem positiv auf die erwünschten Effekte der frühen Gesundheitsförderung
aus. Des Weiteren würde der Einsatz von Hebammen in der frühen Gesundheitsförderung zu einer Erweiterung ihres Tätigkeitsfeldes führen und die Bedeutung ihres Berufstandes stärken. Durch die Eröffnung einer neuen Arbeitsperspektive, könnten Hebammen zudem motiviert werden vermehrt in die Freiberuflichkeit zu gehen, was bei
dem momentan vorliegenden Mangel an freiberuflichen Hebammen von Bedeutung ist.
49
Frühe Gesundheitsförderung
Diese Literaturreview war stark auf die Auswirkungen der aufsuchenden frühen Gesundheitsförderung in Familien fokussiert. Daher erscheint es wichtig weitere Forschung hinsichtlich anderer Angebote der frühen Gesundheitsförderung für vulnerable
Familien zu betreiben. Außerdem sollten die Auswirkungen der Angebote der frühen
Gesundheitsförderung für vulnerable Familien in der Schweiz untersucht werden, um
die Lage in der Schweiz evidenzbasiert einschätzen zu können, was in Zeiten von Umstrukturierungen im Versorgungsangebot der frühen Gesundheitsförderung in der
Schweiz von großer Wichtigkeit ist.
50
Frühe Gesundheitsförderung
7
LITERATURVERZEICHNIS
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Frühe Gesundheitsförderung
8
TABELLENVERZEICHNIS
Tabelle 1:Schweizerische familienunterstützende frühe Gesundheitsförderung ..........13
Tabelle 2: Internationale Programme der frühen Gesundheitsförderung......................15
Tabelle 3: Systematische elektronische Literaturrecherche .........................................26
Tabelle 4: Ausgeschlossene Literatur nach Volltextstudium ........................................27
Tabelle 5: Ergebnisse der analysierten Studien...........................................................29
Tabelle 6: Ergebnisse der analysierten Leitlinien .........................................................32
Tabelle 7: Ergebnisse der analysierten Literaturreview ...............................................32
Tabelle 8: Beschreibung der Stärken und Schwächen der ausgewählten Literatur ......33
Tabelle 9: Rahmenbedingungen der Interventionen ....................................................37
58
Frühe Gesundheitsförderung
9
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
AUF
Aufsuchende und unterstützende Familienarbeit
AWMF
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlich Medizinischen Fachgesellschaften
ÄZQ
Ärztliche Zentralstelle für Qualitätssicherung
BFS
Bundesamt für Statistik
BSV
Bundesamt für Sozialversicherungen
CI
Confidence Interval
DELBI
Deutsches Instrument zur methodischen Leitlinienbewertung
DIMDI
Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information
FH
Familienhebamme
FHN
Family Health Nurse
GFMER
Geneva Foundation for Medical Education and Research
HIPPY
Home Instruction for Parents and Preschool Youngsters
HMHB
Healthy Mothers Healthy Babys
ICM
International Confederation of Midwifes
KOFA
Kompetenzorientierte Familienarbeit
MVB
Mütter- und Väterberatung
NFP
Nurse Family Partnership
NICE
National Institution for Health and Clinical Exellence
NV
Neuvoela
NZFH
Nationales Zentrum Frühe Hilfen
OD
Odds Ratio
OECD
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
pp.
postpartum (nach der Geburt)
RR
Risk Ratio
SAMW
Schweizerische Akademie der Wissenschaft
SGA
Small for Gestational Age
SHV
Schweizerischer Hebammenverband
Spiki
Von der Spielgruppe in den Kindergarten
WHO
World Health Organisation (Weltgesundheitsorganisation)
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Frühe Gesundheitsförderung
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ANHANG POSTER
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