76.1.15 Bariatrische Chir urgie

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die Zyto­statikalösung sowie mehrere Temperatursonden
in den Bauchraum eingelegt. Die Herz-Lungen-Maschine
wird normalerweise von einem Kardiotechniker bedient.
Die gesamte Operationszeit beträgt oft 8–10 Stunden. Da
die verwendeten Chemotherapeutika ex­trem toxisch sind,
müssen alle im OP befindlichen Personen Mund- und Augenschutz tragen, und sämtliche Abfälle sind in spezielle
Tonnen zu entsorgen.
Als Anästhesieform bietet sich eine balancierte Anästhesie an. Zusätzlich ist präoperativ möglichst ein thorakaler Periduralkatheter (z. B. Th8/9; vgl. Tab. 16.10) zu
platzieren. An zusätzlichem Monitoring sind blutige arterielle Druckmessung, 3-Lumen-ZVK, kontinuierliche
Temperaturmessung und Blasen-Dauerkatheter wichtig.
Außerdem sind eine Magensonde sowie mehrere großlumige peripher-venöse Kanülen zu platzieren. Auch eine
Warmluftzirkulationsmatte (z. B. Warm-Touch; Fa. Covidien), ein Schnelltransfusionssystem mit suffizienter
Anwärmefunktion (z. B. Level One; Fa. Smiths Medical)
sind zu verwenden.
Es sollten mindestens 6 Erythrozytenkonzentrate eingekreuzt sein. Falls eine Leberdekapsulation geplant ist,
müssen zu gegebener Zeit 3 aufgetaute FFPs mit Transfusionsbesteck bereithängen, sodass sie (am Ende der Leberdekapsulation) auf Ansage des Operateurs zügig (innerhalb
weniger Minuten) transfundiert werden können, wodurch
die Blutung aus der Leberoberfläche meist sofort wieder
gestoppt werden kann.
Die in­traoperative Flüssigkeits- und Volumenzufuhr
sollte eher zurückhaltend durchgeführt werden. Erst nach
endgültiger Blutstillung sollte der PDK fraktioniert »hochgespritzt« werden (z. B. 0,2%iges Ropivacain plus 0,5 µg
Sufentanil pro ml; vgl. Kap. 16.3.15, S. 474); anschließend
sollten z. B. über eine Infusionspumpe ca. 8 ml/h verabreicht werden.
Nach Durchführung der HIPEC wird der Bauchraum
nochmals eröffnet, ausgiebig gespült, evtl. werden DarmAnastomosen angelegt, die Zu- und Abführschläuche werden entfernt und der endgültige Bauchverschluss wird
vorgenommen. Der Patient kann am Ende der Operation meist extubiert auf die Intensivtherapiestation verlegt
werden. Durch das verwendete Mitomycin C kann evtl.
eine postoperative Knochenmarkdepression auftreten.
Außerdem kann es zu Darmwandödem, Anastomoseninsuffizienz, paralytischem Ileus und Peritonitis kommen.
76.1.15 Bariatrische Chir­urgie
Unter bariatrischer Chir­urgie (griech. báros = Schwere,
Gewicht) werden Eingriffe verstanden, die zu einer verminderten Nahrungsaufnahme oder Nahrungsverwertung führen. Hierzu wird entweder das Magenvolumen
1507
verkleinert (restriktive Verfahren) und/oder die intestinale
Resorptionsstrecke verkürzt (malabsorptive Verfahren).
Mittels eines bariatrischen Eingriffs kann bei Patienten
mit einem Body-Mass-Index ≥ 40 kg/m2 eine dauerhafte
Gewichtsreduktion erzielt und damit die Prävalenz von
Folgeerkrankungen des krankhaften Übergewichts (z. B.
KHK, Diabetes mellitus, Tumorerkrankungen, Hypertension, obstruktive Schlafapnoe) sowie die 10-Jahres-Letalität signifikant reduziert werden. In Deutschland wurden
2008 ca. 2 300 bariatrische Eingriffe durchgeführt.
Zurzeit werden vor allem folgende bariatrische Verfahren durchgeführt:
„„Magenballon: Beim (analgo-)sedierten Patienten wird
ein leerer Ballon in den Magen eingebracht und anschließend mit ca. 400–700 ml Kochsalzlösung gefüllt.
Die Dehnung der Magenwand verursacht ein Sättigungsgefühl. Bei einem BMI > 60 kg/m2 wird oft erst
ein Magenballon eingelegt und nach einer gewissen
Gewichtsabnahme ein operatives Verfahren angeschlossen.
„„Magenband: Hierbei wird ein befüllbares Silikonband
um den Magenfundus gelegt, das über einen Katheter und einen subkutan implantierten Port aufgefüllt
werden kann. Dadurch wird ein Sättigungsgefühl erzeugt und außerdem die Nahrungspassage verringert.
Aufgrund einer relativ hohen Komplikationsrate wird
dieses »gastric banding« zunehmend seltener durchgeführt.
„„Schlauchmagenoperation: Hierbei wird laparoskopisch-endoskopisch eine subtotale Magenlängsresektion (Entfernung der großen Kurvatur; »gastric sleeve«)
durchgeführt. Das Volumen des Restmagens beträgt
nur noch 100–150 ml. Der Eingriff ist technisch relativ
einfach.
„„»Roux-en-Y gastric bypass«: Hierbei wird der Magen
im Fundusbereich durchtrennt. Der verbleibende Teil
des Magenfundus wird mit dem durchtrennten Jeju­num
anastomosiert (Gastrojejunotomie). Der (verschlossene)
Restmagen, das Duodenum mit einmündendem Gallenund Pankreasgang und das proximale Jejunum werden
(über eine Fußpunktanastomose) an den Dünndarm
angeschlossen. Diese laparoskopisch durchgeführte
Roux-en-Y-gastric-bypass-Operation ist inzwischen die
Standardoperation zur Gewichtsreduktion.
„„Biliopankreatische Diversionsoperation: Hierbei wird
der distale Magenanteil laparoskopisch reseziert, das
Duodenum und der verbleibende, proximale Magenanteil werden an der Absetzungsstelle verschlossen. Der
Dünndarm wird durchtrennt und das distale Dünn­
darm­ende mit dem Restmagen anastomosiert. Das
Duodenum und der proximale Dünndarmanteil werden ca. 50–100 cm vor der Bauhin-Klappe wieder in den
Dünndarm geleitet. Diese besonders effektiven Opera­
Anästhesie –
spezieller Teil
76.1 In­traabdominale Eingriffe
1508
76 Anästhesie in der Allgemeinchirurgie
tionen sind technisch relativ komplex und werden nur
an wenigen Zentren durchgeführt.
Für die Versorgung bariatrischer Patienten müssen entsprechende strukturelle Voraussetzungen gegeben sein,
wie Schwerlastoperationstische und Hebevorrichtungen.
Anästhesie –
spezieller Teil
Vorbereitungen: Vor einem bariatrischen Eingriff sollten
EKG, Lungenfunktionstest, Thorax-Röntgenaufnahme,
Gastroösophagoskopie mit manometrischer Überprüfung
der Funktion des Ösophagussphinkters, Messung der
puls­oxymetrischen Sauerstoffsättigung sowie eine Diabetesabklärung durchgeführt werden. Ein Belastungs-EKGs
scheitert meist an Gelenkproblemen und an nicht ausreichender Tragfähigkeit der gängigen Fahrradergometer.
Eine zuverlässige Echokardiographie scheitert meist an
den schlechten Schallbedingungen. Auf Belastungs-EKG
und Echokardiographie kann in den meisten Fällen auch
verzichtet werden. Die für ein krankhaftes Übergewicht
typischen Nebenerkrankungen und Besonderheiten (vgl.
Kap. 54, S. 1067) müssen beachtet werden, dazu gehören
z. B. meist KHK, obstruktives Schlafapnoesyndrom, Picknick-Syndrom, erhöhte Nüchternsekretion des Magens,
gastroösophagealer Reflux mit erhöhter Aspirationsgefahr
sowie erhöhter Sauerstoffbedarf und erhöhtes HMV. Liegt
ein obstruktives Schlafapnoesyndrom oder eine puls­
oxymetrische Sauerstoffsättigung ≤ 95 % vor, empfiehlt
es sich, präoperativ mit einer CPAP-Behandlung (z. B.
Nasen-CPAP beim Schlafen) zu beginnen. Eine präoperative Gabe eines Antacidums scheint ratsam. Da sehr
übergewichtige Patienten auf ein Benzodiazepin mit einer
Verstärkung der obstruktiven Schlafapnoe reagieren, sollte auf eine Schlafmedikation für die präoperative Nacht
verzichtet werden. Falls eine Prämedikation verabreicht
werden soll, bietet sich Clonidin an.
Narkoseeinleitung: Die Narkoseeinleitung sollte bei deutlich erhöhtem Oberkörper durchgeführt werden. Die Präoxygenierung sollte über mindestens 5 Minuten sowie
mit festsitzender Maske und einem PEEP von 10 cm H2O
(CPAP) durchgeführt werden. Bei einem gastroösophagealen Reflux oder einer Hiatushernie ist eine »rapid sequence induction« durchzuführen. Stets ist sorgfältig zu
klären, ob mit schwierigen Intubationsbedingungen zu
rechnen ist. Die Inzidenz einer schwierigen Intubation
scheint nicht erhöht zu sein, im Falle einer Ventilationsoder Intubationsproblematik droht jedoch ein schneller
Sättigungsabfall. Das Equipment für den »schwierigen
Atemweg« muss bereitgestellt sein. Ob bei allen stark übergewichtigen Patienten routinemäßig eine »rapid sequence
induction« durchgeführt werden sollte, wird kontrovers
diskutiert. Die Indikation zur fiberoptischen Intuba­
tion beim spontan atmenden Patienten ist großzügig zu
stellen.
Anästhetika: Die meisten Anästhetika sind nach dem Soll-
gewicht zu dosieren. Lediglich Succinylcholin und die Erhaltungsdosis von Propofol sollen nach dem tatsächlichen
Körpergewicht dosiert werden. Als Opioid ist insbesondere Remifentanil sehr gut geeignet.
Narkose: Als Narkoseform bietet sich v. a. eine balancierte
Anästhesie mit Desfluran (oder Sevofluran) in Kombination mit Remifentanil an. Als Atemhubvolumen werden
ca. 8–9 ml/kg Sollgewicht empfohlen. Es sollte ein PEEP
von ca. 10–15 cm H2O eingestellt werden. Bei sehr adipösen Oberarmen ist u. U. eine nicht invasive Blutdruckmessung am Unterarm oder Unterschenkel notwendig.
Die Indikation zur blutig-invasiven Blutdruckmessung ist
sehr großzügig zu stellen. Auch die Indikation zur (ultraschallgesteuerten) Anlage eines zentralen Venenkatheters
ist – bei meist schwierigen Venenverhältnissen – großzügig zu stellen. Ein postoperativer Relaxansüberhang ist
unbedingt zu vermeiden und verlangt eine Relaxometrie
und ggf. eine Reversierung (bzw. Antagonisierung). Da
eine Antagonisierung zu einer unerwünschten bronchialen Hypersekretion und Obstruktion führen kann, sollte
bei diesen pulmonalen Risikopatienten – wenn möglich –
eine Reversierung durchgeführt werden. Da bariatrische
Eingriffe in aller Regel laparoskopisch durchgeführt werden, sind die im Kapitel »Anästhesie bei laparoskopischen
Operationen« beschriebenen Besonderheiten zu beachten (Kap. 75, S. 1469). Die Extubation sollte bei erhöhtem
Oberkörper oder am sitzenden Patienten vorgenommen
werden.
Postoperative Überwachung: Zur Prophylaxe der nach
bariatrischen Operationen oft auftretenden PONV sollte
eine zwei- oder dreifache antiemetische Prophylaxe durchgeführt werden. Die Patienten sollten mehrere Stunden
im Aufwachraum überwacht werden, bevor sie auf die
Intermediate Care Station verlegt werden. Da die Patienten
oft eine obstruktive Schlafapnoe aufweisen und besonders
empfindlich auf sedierende Medikamente (auch auf Opioide) reagieren, ist die Indikation zur 24-stündigen Monitorüberwachung großzügig zu stellen. Die postoperative
Durchführung einer Atemgymnastik mittels »incentive
spirometry« ist sinnvoll. Ob zur Optimierung der postoperativen Schmerztherapie ein PDK gelegt werden soll, kann
diskutiert werden. Der Nutzen einer Periduralanalgesie
ist bei den laparoskopisch durchgeführten Operationen
geringer als nach Laparotomien. Außerdem ist das erhöhte
Risiko von Punktionskomplikationen bei sehr übergewichtigen Patienten zu beachten. Die i. v. PCA scheint bei
Laparoskopien eine gleichwertige Alternative zu einem
PDK bei diesen Patienten zu sein (Charghi et al. 2003).
Zusätzlich ist ein »peripher« wirkendes Analgetikum im
Rahmen einer balancierten Analgesie sinnvoll. Auf jeden
Fall sollen die Trokar-Einstichstellen durch den Operateur
mit Lokalanästhetika infiltriert werden.
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