Klinische Relevanz des Resilienztestes nach Gerber B. Lechler, S. Diederichs, F. Bollmann Ein Untersuchungsverfahren zur Feststellung einer Gelenkkompression sollte eine eindeutige Aussage, eine einfache Durchführung sowie reproduzierbare Ergebnisse auch bei verschiedenen Untersuchern ermöglichen. Als klinisches Verfahren hat der Resilienztest nach Gerber [5,6,7] - u.a. als Bestandteil des Untersuchungsbogens für den Klinischen Funktionsstatus der DGZMK - eine weite Verbreitung erfahren. Ziel der Untersuchung war die Überprüfung der Aussagefähigkeit des Resilienztestes nach Gerber mit Hilfe des berührungsfreien elektronischen Registriersytems String Condylocomp LR 3. Grundsätzlich stellte sich die Frage, inwieweit der Test durch die Art der Muskelanspannung seitens des Patienten beeinflußbar ist. Zur Überprüfung, ob der Resilienztest nach Gerber grundsätzlich als hinfällig zu betrachten sei oder ob durch konkrete Anweisungen an die Probanden eine eindeutige Aussage erreicht werden kann, wurden in dieser Untersuchung die Ergebnisse von jeweils gleich- bzw. Gegenseitiger Anspannung der Kaumuskulatur gegenübergestellt. In der zweiten Versuchshälfte wurden die oben beschriebenen Meßreihen im Bereich des linken Kiefergelenkes unter Kontrolle durch das Condylocomp-System wiederholt. Bei diesem 1971 vorgestellten Verfahren "handelt es sich um einen Resilienztest für die Kiefergelenke durch Aufbeißen auf eine Zinnfolie von 0,3 mm Stärke im Prämolarenbereich. Wir prüfen dabei, ob eine im kontralateralen Bereich möglichst distal zwischen die Zähne gelegte PVC-Folie (0,1 mm) gehalten wird. Wenn dies gelingt, falten wir das Folienband ... zu einer doppelten Schicht und lassen nochmals aufbeißen. Bei einem normalen Gelenk liegen wir jetzt an der Resilienzgrenze, so daß sich beim Nachlassen des Schließdruckes die PVC-Folie leicht wegziehen läßt" [7, S. 128]. 4.1 Systemüberprüfung Der String Condylocomp LR 3 erweist sich als grundsätzlich gut geeignet, um in einem initialen Meßbereich von 0 - 1,5 mm mit ausreichender und klinisch umsetzbarer Genauigkeit Kompressionen im Bereich des Kiefergelenkkomplexes darzustellen. 4.2 Bewertung der String-Meßergebnisse Abb.3: Einlegen der Zinnfolie Prüffolie im kontralateralen Molarenbereich 3 Ergebnisse 1 Resilienztest nach Gerber 4 Diskussion 3.1 Systemüberprüfung Die Überprüfung der Meßgenauigkeit ergab einen relativer Fehler von 0,03. 3.2 Versuchsresultate Die - rein klinische - Überprüfung der Ergebnisse von zwei Untersuchern ergab bei der Anweisung "fest auf die Zinnfolie beißen" eine Übereinstimmung von 50 % und bei der Anweisung "fest zubeißen und versuchen, die Prüffolie festzuhalten" eine Übereinstimmung von 75 % . Kompression Auffällig ist, daß bei beiden Anweisungen bei vektorieller Darstellung der Ergebnisse, insbesondere nach der Anweisung "Prüffolie festhalten", ein Versatz in ventrokranialer Richtung erfolgt. Inwieweit die ventrokraniale Ausrichtung hauptsächlich als eine Folge der Adduktorenzugrichtung einzustufen ist oder durch die unterschiedliche Dicke [8] bzw. Resilienz der einzelnen Knorpelstrukturen des Discus articularis [15] zusätzlich beinflußt wird, ist aus dieser Untersuchung nicht ableitbar. In diesem Zusammenhang ist eine vergleichbare Untersuchung von Ludwig [14] anzuführen, nach der die Auslenkung der Kondylen bei Kontraktion der Kaumuskulatur von der Lage eines okklusalen Interponates abhängig ist. Verantwortlich für die Tatsache, daß bei der Anweisung "Prüffolie festhalten" und der Verwendung einer 0,9 mm dicken Zinnfolie sich ein Medianwert von nur 0,55 mm ergibt, ist nach unserer Ansicht die physiologische Resilienzgrenze des Discus articularis. Der von Gerber als üblich angegebene Wert beträgt 0,6 mm. Es ist grundsätzlich zu bedenken, daß die Meßwerte nicht als ausschließliche und direkte Folge des Interponierens von Zinnfolie, sondern als ein nur mittelbares Ergebnis zu betrachten sind, das - neben den apparaturbedingten Fehlermöglichkeiten [13] - durch eine Reihe von komplexen Faktoren wie Intrusion von Zähnen [9,10], Verwindung d e r M a n d i b u l a [ 4 , 9 , 11 ] , M u s k e l z u g r i c h t u n g s o w i e e i n e Dickenminderung (Flow) der Folie [3] beeinflußt werden kann. Letztendlich ist aber festzustellen, daß sich durch die Verwendung einer klaren Anweisung eine deutliche und gerichtete Abhängigkeit zwischen verwendeter Folienstärke und angezeigtem Gelenkversatz ergibt. Somit bietet die Anweisung Prüffolie halten eine Hilfestellung für den Probanden, um eine dem Testprinzip entsprechende Belastung, bei der die interponierte Zinnfolie als kontralaterales Hypomochlion und nicht als Okklusionshindernis wirken soll, durchzuführen. PVC-Folie Zinnfolie Vertikalversatz (mm) Abb.1: Vorgehen beim Gerber-Resilienztestzur Überprüfungdes linken Kiefergelenkes Das linke Kiefergelenk im Sagittalschnitt( Tuberculumarticulare, Discus articularis, bilaminäre Zone, retroarticuläres Polster, Caput mandibulae, Porus acusticus externus) bZ rP Ta Cm Da n=28 -0,9 Po -0,6 -0,3 2 Material und Methode 2.1 Systemüberprüfung 0,0 Die Frage der Meßgenauigkeit des Registriersystems und die Stabilität der Meßvorrichtung am Patienten wurde in mehreren Vorversuchen geklärt. 0,3 Leerpressen 2.2 Vorbereitende Maßnahmen Die Auswahl der 28 Probanden erfolgte durch klinische Untersuchung (Helkimo-Index = 0, eugnathe und vollständige Verzahnung). Das durchschnittliche Lebensalter betrug 24,3 Jahre ( 7 weibliche und 21 männliche Probanden). Für die Durchführung des Gerber-Tests benutzten wir 0,3 mm dicke und 7mm breite Zinnfolienstreifen, die zur Erzielung der Schichtstärken 0,6 mm und 0,9 mm jeweils ein- bzw. zweimal aufgefaltet wurden. Als kontralaterale Prüffolie kamen 7 µm dicke und 7 mm breite Streifen von Shimstock-Folie zur Anwendung. - Das elektronische Registriersystem String Condylocomp LR 3 ist bei einwandfreier Justage grundsätzlich zur Darstellung der Kiefergelenkresilienz geeignet. - Der vom Gerät dargestellte Versatz des Kondylus ergibt sich beim Resilienztest nach Gerber überwiegend in ventrokranialer Richtung. - Die Aussage des Gerber-Testes kann durch eindeutige Anweisungen während der Messungen - zumindest beim Funktionsgesunden spezifischer gestaltet werden. Auch bei einer rein klinischen Überprüfung war hierdurch eine Steigerung der Übereinstimmung zwischen zwei Untersuchern von 50 % auf 75 % möglich. Abb.4: Kondylusversatz in Abhängigkeit der gewählten Anweisung bei der Verwendung von 0,3mm, 0,6mm und 0,9mm dicker Zinnfolie Aus den Box-Plots in Abbildung 5 wird die deutlich größere Streuung der Meßwerte bei Verwendung der Aufforderung "auf Zinnfolie beißen" bzw. die engere Gruppierung der Werte nach der Anweisung "Prüffolie festhalten" ersichtlich. Gemäß Wilcoxon-Test war hinsichtlich der vertikalen Verteilung in allen Folienstärke-Gruppen (0,3, 0,6 und 0,9 mm) ein hochsignifikanter Unterschied (p<0,01) zwischen den Zinnfolien- und Prüffolienergebnissen nachweisbar. Bezüglich der Abgrenzbarkeit der Meßergebnisse zwischen den einzelnen Folienstärken zeigte sich bei der Anweisung "auf Zinnfolie beißen" nach Friedmann-Test zwar ein hochsignifikanter Unterschied zwischen den Folienstärken 0,3 und 0,9 mm, nicht aber zwischen 0,3 mm und 0,6 mm bzw. 0,6 mm und 0,9 mm. Demgegenüber zeigten die Ergebnisse nach der Anweisung "Prüffolie festhalten" bei allen Folienstärken eine hochsignifikante Abgrenzung (p<0,01). Westfälische Wilhelms-Universität Münster Direktor: Prof. Dr. Dr. F. Bollmann Zinnfolie Prüffolie 0,9 mm 5 Zusammenfassung Als erster Versuchsabschnitt wurde von zwei Untersuchern eine - rein klinische - Resilienzmessung nach Gerber im Sinne eines DoppelblindVersuchs durchgeführt. Im Gegensatz zur von Gerber vorgegebenen Anweisung "Zubeißen" wurden die Messungen in den einzelnen Folienstärkestufen sowohl mit der Anweisung "fest auf die Zinnfolie beißen" (kontralaterale Anspannung) als auch mit der Anweisung "fest zubeißen und versuchen, die Prüffolie festzuhalten" (ipsilaterale Anspannung) durchgeführt. Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik Zinnfolie Prüffolie 0,6 mm Abb.5: Versatzstrecke des linken Kondylus in der vertikalen Bewegungskomponentein Abhängigkeit zur Anweisung und eingesetzer Zinnfolienstärke 2.3 Versuchsdurchführung Abb.2: Angelegtes String-Condylocomp-LR3-System Zinnfolie Prüffolie 0,3 mm Literatur 1. Bumann, A., Lotzmann, U., Dannhauer, K.-H., Eggers, F.: Vergleichende Untersuchungenzur Diagnostik einer "funktionellenGelenkkompression".Dtsch ZahnärztlZ 49, 544 (1994). 2. Diederichs, S., Wolf, R., Dirksen, D., Lechler, B., Bollmann, F.: Vergleich des klinischen Resilienztestes nach Gerber mit entsprechendenMessungendurch den String CondylocompLR3. Dtsch Zahnärztl Z 52, 246 (1997) 4. 3. Dos Santos,J. Jr., Nowlin, T.P.: The effect of splint therapy on TMJ position measured by the Gerber ResiliencyTest. J Oral Rehabil 19, 663 (1992). 4. 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