Ing.Dr. Franz Kok (Fachbereich für Politikwissenschaft und Soziologie an der Universität Salzburg): Stellungnahme zum Entwurf eines Erneuerbare Energien-Ausbaugesetz (EEA-G) des Landes Salzburg vom 25. September 2012 Zusammenfassung: Die Absicht des Landes Salzburg mit einem Erneuerbare Energien-Ausbaugesetz (EEA-G) eine Neuorganisation der rechtlichen Handhabung von bestehenden Bewilligungspflichten durchzuführen, ist sehr zu begrüßen. Das Vorhaben der Energiepolitik des Landes zur Erreichung eines Anteils von 50% heimischer erneuerbarer Energien bis zum Jahr 2020 (und 100% bis 2050) erfordert eine wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung der bestehenden Bewilligungsgrundlagen für PVund Windkraftanlagen sowie Wasserkraftwerke und folgt damit auch den in den Enqueten des Salzburger Landtags 2011 und 2012 formulierten Forderungen. Der mit 25. September 2012 vorgelegte Entwurf einer solchen gesetzlichen Grundlage lässt diese Motivation erkennen. Die Analyse zeigt jedoch, dass vor dem Hintergrund der in über 10 Jahren angesammelten Erfahrungen mit Windenergieprojekten im Bundesland Salzburg, eine wesentliche Verfahrensbeschleunigung oder wirksame Verfahrenskonzentration nicht erwartet werden kann. Zusammengefasst (Details sind beiliegend angeschlossen) sind dafür folgende Gründe anzuführen: Die Verfahrenskonzentration von Naturschutz (NS) ins Energierecht setzt ein abgeschlossenes Raumordnungsverfahren zur Sonderflächenausweisung voraus, hier ist aber aufgrund der Anforderungen des NS im Verfahren für die Umweltprüfung bereits ein wesentlicher Verzögerungsmoment wirksam, bevor es zum konzentrierten eRechtsverfahren kommt. Die artenschutzrechtlichen Bewilligungstatbestände aufgrund EUrechtlicher Verpflichtungen und die für den Bau und Betrieb notwendigen Infrastrukturen (Wege, Kabeltrassen) werden weiterhin ein naturschutzrechtliches Separatverfahren begründen, wenn dies im Ermessensrahmen der NS-Behörde angezeigt ist. Die Begründung eines solchen Verfahrens liegt im Bereich des Artenschutzes im Ermessen der Amtssachverständigen oder auch privater Interessenvertreter aus dem Bereich des Tierschutzes. Laut Fachliteratur kann so das Artenschutzrecht als „Totschlagkeule für Projekte aller Art“ eingesetzt werden, dies kann aber weder im Interesse des Artenschutzes noch der Infrastrukturpolitik im Allgemeinen sein. Im Entwurf für das EEA-G sind durch die Erläuterungen nicht nachvollziehbare Abgrenzungskriterien (Volllaststunden, Bauhöhe von Windkraftanlagen – WKA) enthalten, welche der Erreichung der angestrebten Ziele der Energiepolitik entgegenstehen. Wenn eine Beschleunigung von Verfahren zur Genehmigung von Windenergieprojekten im Bundesland Salzburg beabsichtigt ist, müssen dementsprechend folgende Regelungen eingearbeitet werden: Bessere Abstimmung von raumordnungsrechtlichen und eRechtlichen Verfahren mit dem Ziel der Integration auch der artenschutzrechtlichen Bewilligungstatbestände und der für Bau und Betrieb notwendigen Infrastrukturen. Erweiterung der artenschutzrechtlichen Ausnahmetatbestände gem. § 34 NSchG um erneuerbare Energieanlagen und Aufnahme von Zielen der Energiepolitik und des Klimaschutzes in die Ausnahmen begründenden öffentlichen Interessen. 1 Erörterung von Detailpunkten: Abrenzung RO/eRecht: Die Verfahrenskonzentration im eRecht setzt eine Flächenwidmung gem ROG „GrünlandWindkraftanlagen“ voraus. Für diese Flächenwidmung ist derzeit aufgrund der Umwelterheblichkeit eine strategische Umweltprüfung erforderlich. Im Rahmen dieser strategischen Umweltprüfung werden derzeit die bisherigen naturschutzrechtlichen Bewilligungsvorbehalte von den ASV vorgebracht und wird dementsprechend das RO-Verfahren geprägt. Auch auf artenschutzrechtliche Relevanz und Problemlagen wird verwiesen (durch ASV NS oder die RO-Aufsichtsbehörde), ohne dass der Gemeinde für diese Flächenwidmung eine vorhersehbare Beurteilungs- oder Handhabungsanweisung zur Verfügung steht. Das ROG muss eine vereinfachte Flächenausweisung vorsehen, da es sonst gar nicht zum konzentrierten eRechtsverfahren kommt. Die Anforderungen des NS verzögern jetzt bereits die Organisation und Durchführung der strategischen Umweltprüfung (UP) im RO-Verfahren – diese Belange müssten aus dem Raumordnungsverfahren herausgenommen werden, da sie ja im konzentrierten eRechtsverfahren behandelt werden sollten oder aber im RO-Verfahren auch entschieden werden. Hinsichtlich der Vorhersehbarkeit von Bewilligungsverfahren bringt die vorgeschlagene Abgrenzung keine Vorteile zur aktuellen Situation (ausg. Landschaftsschutz als formelles Bewilligungskriterium im NS-Recht!), da dem umfangreichen Raumordnungsverfahren (dzt. zumindest 2 Jahre) erst das konzentrierte eRechtsverfahren folgt. Im Verfahren nach dem ROG soll hinsichtlich NS-relevanter Bewilligungstatbestände auf das folgende, konzentrierte eRechtsverfahren verwiesen werden besser noch die NSrechtlichen Bewilligungstatbestände incl. Artenschutzrecht und Infrastruktur für erneuerbare Energie Anlagen werden gleich im Verfahren nach dem ROG entschieden. Verfahrenskonzentration: NS-Verfahren im eRechtsverfahren: Das NS-Verfahren ist im eRechtsverfahren lt. Entwurf EEA-G gem. §45a (3) wie ein NS-Verfahren von der eRechtsbehörde durchzuführen damit die e-rechtliche Bewilligung auch als NS-rechtliche Bewilligung gilt. Wenn es sich um ein Verfahren im Verfahren handelt, ist nicht klar nachvollziehbar, welche administrative Vereinfachung davon erwartet werden kann, auch weil die Bearbeiter des eRechts nun eine neue Rechtsmaterie mitbearbeiten müssen. Ob die mangelnde Operationalisierung von umwelt- und energiepolitischen Zielsetzungen im NSchG (Klimaschutz, Förderung erneuerbarer Energien) im NSchG als gravierendes Problem für die Bewilligbarkeit von WKA damit aufgehoben sind, ist zu bezweifeln. Dies obwohl die Bewilligungspflicht für WKA gem. § 25 (1) j des NSchG entfällt, wenn nicht WKA in Schutzgebieten errichtet werden. Der Gesetzgeber strebt keine Modernisierung des NSchG im Sinne der Einbeziehung von Schutzinteressen, welche die ökologische Nachhaltigkeit einschließen an (Klimaschutz, Förderung von eE), sondern will das NSchG für für eE-Anlagen ganz oder teilweise außer 2 Kraft setzen. Auch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sollen für eE-Anlagen hinkünftig entfallen. Die Amtssachverständigen (ASV) aus dem Bereich NS bestimmen die Untersuchungsanforderungen in der strategischen UP im RO-Verfahren und im eRechtsferfahren bzw. NS-Verfahren zur Erfüllung der artenschutzrechtlichen Verpflichtungen und stellen dabei mitunter prohibitiv hohe Anforderungen. Dies hat lange Verfahrensdauern und im regionalen Vergleich unverhältnismäßige Projektentwicklungskosten zur Folge. Dies bewirkt seitens der Behörde eine asymetrische Übergewichtung von Schutzinteressen, welche mittels konkurrierender Interessen der Energie- und Klimaschutzpolitik gegengewichtet werden müssen und den sachlichen Legitimationsaufwand für Entscheidungen der Behörde in einem von der Öffentlichkeit stark emotionell besetzten Meinungsbildungsraum erhöht. Die Bewilligungspflicht für Weg- und Kabeltrasse besteht weiterhin auch nach dem NSchG, die Verfahrenspraxis (Projekt Windsfeld) zeigt, dass darüber eine Vetoposition der NSBehörde zum Windenergieprojekt eingenommen wird. Von Seiten ASV wurde explizit erklärt, dass die Beurteilung einer Wegbaumaßnahme nicht ohne Berücksichtigung des Zwecks der Weganlage erfolgen kann. Daraus resultierend wurden im konkreten Falle Ausgleichsmaßnahmen in Aussicht gestellt, welche im Umfang der Hälfte der geplanten Gesamtinvestitionssumme für die Windkraftanlagen entsprechen. Die NS-rechtlichen Bewilligungstatbestände sollen unter Einschluss der für Bau und Betrieb notwendigen Infrastruktur im Verfahren nach dem ROG durchgeführt werden. Artenschutzrechtliche Bewilligungstatbestände: Artenschutzrechtliche Bewilligungstatbestände und ihre Handhabung im Rahmen des NSchG resultiert aus dem Gesetzesauftrag zum Schutz frei lebender Tiere gem. § 31 (3). In diesem Sinne ist die Einrichtung von Schutzgebieten das vom NSchG begründete Instrumentarium. Bei den Ausnahmebewilligungen gem. § 34 NSchG sind hinsichtlich FFH geschützter Arten gem. § 34 (2) WKA im Sinne des § 34 (1) 9 als Anlagen ausgeschlossen, wenn nicht aufgrund öffentlichen Interesses gem. 34 (1) 10 eine Begründung gefunden wird. Dieses öffentliche Interesse ist im NSchG jedoch im Sinne der Förderung von erneuerbaren Energien (eE) oder des Klimaschutzes bisher nicht in Anwendung und daher als Begründungszusammenhang für eine Ausnahmebewilligung gem. § 34 bisher nicht verfügbar. Gem. § 34 (2) werden Z 9+10 zudem für die Begründung von Ausnahmen bei Vögeln ausgeschlossen. Für WKA ist eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung wie sie für andere Eingriffsformen gilt, nicht möglich, ein Begründungszusammenhang über „öffentliches Interesse“ aufgrund der mangelnden Berücksichtigung von energie- und umweltpolitischen Zielen im NSchG nicht zu erwarten. Da erneuerbare Energie Anlagen aufgrund ihres Beitrags zur Vermeidung von CO2Emissionen einen erheblichen Beitrag zur Erhaltung der Lebensräume von unter Schutz stehenden Pflanzen und Tieren leisten, werden diese als Ausnahmen begründende Zwecke gem. §34 (1) eingefügt. 3 Notwendig ist die Erweiterung des NSrechtlichen Begründungszusammenhangs für Ausnahmen gem § 34 in das NSchG soweit dies EUrechtlich möglich ist. Jedenfalls ist die Einschränkung des Ermessensspielraums für die Begründung eines artenschutzrechtlichen Bewilligungstatbestandes durch eine Klarstellung, wann ein artenschutzrechtlicher Verbotstatbestand nicht erfüllt ist möglich. Dem Anliegen des EEA-G folgend ist die Konzentration des Verfahrens im Verfahren nach dem ROG/eRecht notwendig. 2150 Volllaststunden als Genehmigungsvoraussetzung in RO/eRecht: Von den aktuell bekannten Projekten im Bundesland Salzburg erfüllt nur der Kolo/Thalgau diese Anforderungen, nicht aber die Projekte Ofenauerberg, Windsfeld und Aineck. Der Gesetzgeber verfolgt hier offensichtlich nicht das Ziel der Maximierung des Energieertrags von WKA. Dies führt zu einem wirtschaftlichen Nachteil für die Projektbetreiber und steht im Widerspruch zum Gedanken der Förderung eE als Handlungsalternativen zu Klimawandel und Atomgefahren. Es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Gesetzgeber dieses Wirkungszusammenhangs nicht bewusst war. Aus wirtschaftlicher Sicht sind Volllaststunden nur dann ein geeigneter Parameter für die Eignung eines Standortes, wenn eine lineare Kostenfunktion zwischen Installierter Leistung und Erzeugungskosten pro KWh bestehen. Dieser Zusammenhang ist jedoch aufgrund der Preisgestaltung der Anlagenhersteller nicht gegeben. Das maximal zulässige Kostenniveau ist vielmehr durch den österreichweit einheitlichen Einspeisetarif als Benchmark vorgegeben. Wenn unter den Bedingungen des geltenden Einspeisetarifes wirtschaftlich zweckmäßige Projekte aus rechtlichen (egal ob RO/NS/e-rechtlichen) Gründen zusätzliche Parameter wie Volllaststunden erfüllen müssen, muss dies aus diesen rechtlichen Begründungszusammenhängen abgeleitet werden, was im vorliegenden Entwurf jedoch nicht der Fall ist (und sachlich auch schwer logisch darstellbar wäre). Die folgende Tabelle zeigt die für zwei Projekte in Salzburg verfügbare und wirtschaftlich betreibbare Anlagentechnologie, welche die Erreichung der vorgegebenen Volllaststundenzahl erlaubt. Beim Projekt A durch Einsatz einer Anlage der Windklasse II, welche aufgrund der geringeren installierten Leistung eine um fast 10% niedrigere Energieproduktion erwarten lässt, obwohl auch eine Anlage mit Windklasse I an diesem Standort wirtschaftlich betrieben werden könnte (diese würde jedoch nicht in das Genehmigungsverfahren eingebracht, da sie ja die gesetzlich vorgegebene Volllaststundenzahl nicht erreichen!). Vom äußeren Erscheinungsbild her gibt es zwischen diesen Anlagen keinen erkennbaren Unterschied. Auch das Projekt K zeigt, dass die technische Lösung mit der höheren Vollaststundenzahl keinen höheren Ertrag erbringt, die Entscheidung über die eingesetzte Anlagentechnologie somit von den Lieferantenpreisen bestimmt ist. Die Anwendung von Volllaststunden als Bewilligungsparameter wird daher strategisches Verhalten bei der Projekteinreichung seitens der Projektwerber bewirken und nicht notwendigerweise eine aufgrund der rechtlichen Genehmigungskriterien relevante unterschiedliche Eigenschaft von WKA (Größe, Schall/Schattenemission, Sichtbarkeit etc.) herbeiführen. Die Wahl der optimalen Anlagenkonfiguration eines Projektes sollte jedoch nach technisch-wirtschaftlichen Kriterien erfolgen, welche auch die möglichst hohe Energieerzeugung als energiepolitisches Ziel mit einschließen. 4 instalLeistung in MW Rotordurchmesse r in m Nabenhöhe in m Anlagenhöhe in m Ertrag pro Jahr in KWh Volllaststunden I II 3 2,3 82 82 85 85 126 126 6.000.000 5.450.000 2.000 2.370 II II 2 1,8 90 100 95 80 140 130 4430000 4250000 2.215 2.361 Windklasse WKA Projekt A E82 E82 Projekt K V90 v100 Tabelle: Vergleich von Anlagenparametern zweier in Bewilligungsverfahren stehender Projekte im Bundesland Salzburg Bewilligungsprivileg für Windräder bis 30m Gesamthöhe: Bis zu 30m Anlagenhöhe für KleinWKA begründet erhebliche Erleichterungen für die Bewilligung von solchen Anlagen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum genau 30m und nicht auch Anlagen mit 32m oder gar 45m diese Begünstigung erfahren. Grundsätzlich ist aufgrund meteorologischer, wirtschaftlicher und ökologischer Gründe der Betrieb von KleinWKA sehr anspruchsvoll, da bodennahe Winde häufig eine erhöhte Turbulenz aufweisen und die Technologie zur Nutzung dieser komplexen Windverhältnisse daher mit vergleichsweise niedrigeren Wirkungsgraden und hohen Kosten verbunden ist. Die Auswirkung auf die in Bodennähe häufigere Avifauna (Vögel, Fledermäuse) und der aufgrund der notwendigen Nähe zum Verteilnetz häufig auch erforderliche geringere Abstand zu bewohnten Objekten, mit den damit verbundenen möglichen Belästigungen durch Schall/Schattenwurf, werden in der Fachliteratur durchaus als kritisch eingeschätzt. Dies bestätigt auch die Evaluation des bestehenden Kleinwindparks in NÖ durch die Arbeitsgemeinschaft für Erneuerbar Energien. Wenn der Gesetzgeber trotz dieser offenen Fragen eine Bewilligungsfreistellung für Anlagen bis 30m Höhe vorsieht, wäre eine Begründung und Erläuterung dieses Vorhabens wünschenswert. Auch weil unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit der Stromerzeugung aus PV aufgrund deren vergleichsweise niedrigeren Kosten der Vorzug zu geben wäre. Aus den genannten Gründen ist die Nutzung von derartigen Kleinanlagen im netzgekoppelten Betrieb seit ca. 20 Jahren nicht mehr als Stand der Technik anzusehen und wurden diese Anlagen zugunsten von modernen Anlagen weitgehend ersetzt. Die Nutzung der Windenergie im Bundesland Salzburg als energiepolitische Innovation mit dem technischen Standard von vor 20 Jahren beginnen zu wollen, könnte jedoch als Beispiel nachholender Modernisierung eine weitere Einzigartigkeit Salzburgs begründen. 5