Märkte und Anlagepolitik Zweites Quartal 2016

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Märkte und Anlagepolitik
Zweites Quartal 2016
Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung – so die
Redewendung. Wenn man den mageren Resultaten
des G-20 Gipfels nicht viel abverlangen kann, dann
doch wenigstens der Erkenntnis der Staatsoberhäupter, dass die expansive Geldpolitik die Welt nicht
retten kann. Die nüchterne Schlussfolgerung: es
müssen alle «politischen Instrumente – geldpolitische, fiskalische und strukturelle – einzeln und zusammen» eingesetzt werden, um ein weltweit ausgewogeneres Wachstum zu erreichen. Mario Dragi
hieb jüngst in dieselbe Kerbe.
Zu diesem Schluss scheinen die Finanzmärkte schon
seit geraumer Zeit gekommen zu sein. Quantitative
Lockerung führt nicht mehr automatisch zu einem
Kursfeuerwerk bei risikobehafteten Anlagen. Das
Vertrauen in die Zentralbanken ist angeschlagen.
Aufgrund der Wachstumssorgen wird die Liquidität
wieder vermehrt im Bar- und Spargeld (steigende
Sparquoten!) und überteuerten Staatsanleihen parkiert. Die gute Performance dieser Anlagen seit Anfang Jahr zeuget davon. Bei den Aktienmärkten beginnt die Liquiditätsillusion langsam der gedämpften
Wachstumsrealität Platz zu machen.
Segments aus. Die Zinsspannen weiteten sich auch in
anderen Wirtschaftszweigen und bei den besten
Schuldnern aus. In den USA, aber auch in Europa
haben sich die Investment Grade-Kreditaufschläge
seit Mitte letztes Jahr von einem tiefen Niveau aus in
etwa verdoppelt.
Seit das FED aufgrund der positiven wirtschaftlichen
Entwicklung die Leitzinsen um 0.25 Basispunkte angehoben hat, fiel die Rendite der 10jährigen Staatsanleihe um gut 0,4% auf unter 1,9%. Kam der Zinsschritt doch zu früh? Die in den letzten Wochen stark
nach unten revidierten Wachstums- und Inflationserwartungen unterstützen unsere These.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Auffallend für uns auch die seit Monaten anhaltende
hohe Korrelation zwischen Ölpreis, Renditen bei den
Hochzinsanleihen und Aktienkurse.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Mehr noch: dass mit der wirtschaftlichen Entwicklung
etwas nicht ganz stimmt, demonstrieren die bei fallenden Zinsen gestiegenen Kreditaufschläge, insbesondere bei den Hochzinsanleihen. Die oft vorgeschobene Verschlechterung der Bonität im US Öl &
Gas Sektor ist bei weitem nicht alleine dafür verantwortlich. Der Sektor macht ja „nur“ rund 1/6 des
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
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Dass ein höherer Ölpreis eine Risikoentlastung im
Ölsektor bewirkt, können wir nachvollziehen. Gleichzeitig steigende Aktienkurse würden bedeuten, dass
sich die wirtschaftlichen Perspektiven verbessern. Die
global fallenden Vorlaufindikatoren zeigen allerdings das Gegenteil.
bei den Konsumenten, dürfte sich die Gefahr einer
Rezession erhöhen. Für einen veritablen Konjunktureinbruch fehlen uns jedoch Anzeichen von Überhitzung – mit Ausnahme der Finanz- und Immobilienmärkte.
Etwas Sorgenfalten bereitet uns in diesem Umfeld
die Inflationsentwicklung. In den USA steigt die Inflation, währendem die Inflationserwartung weiter
sinkt. Eine solche Erwartungskluft – welche auch in
der EU feststellbar ist, schliesst sich über kurz oder
lang, führt zu Überraschungen und zu Verwerfungen.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Anhaltend tiefe Rohstoffpreise und eine Erholung
beim Gold sind für uns zusätzliche Indikatoren, dass
die Weltwirtschaft in einer Wachstumskrise steckt.
Die seit Anfang Jahr laufende Korrektur an den Aktienmärkten dürfte somit nicht erstaunen, sind die
Kennziffern doch am oberen Rand des historischen
Bewertungskorridors.
Die Überwindung der globalen Wachstumsschwäche
ist ein grosses Dilemma. Wegen der künstlich tief
gehaltenen Zinsen und Überkapazitäten lohnen sich
Investitionen nicht mehr. Der nach wie vor angeschlagene Bankensektor hält mit Kreditvergabe zurück. Kritikern der expansiven Geldpolitik muss andererseits auch bewusst sein, dass eine Normalisierung
der Zinsen die Konjunktur wohl eher abzuwürgen
droht und die Bedienung der steigenden Schuldenlast
in Frage stellen würde.
Fiskal- und wirtschaftspolitische Stimuli gefällig?
Solche Pläne stossen wegen exzessiver Staatsverschuldung schnell an Grenzen. So bleiben strukturelle
Veränderungen als Wachstumsmotor. Dies braucht
jedoch Zeit und politischer Wille. Wir stellen allerdings fest, dass der Reformdruck eher nachlässt und
- angesichts der Migration - isolationistische Tendenzen zunehmen.
Wo stehen wir heute? Wir glauben, dass sich die
Weltwirtschaft an einem kritischen Punkt befindet.
Führen die negativen Zinsen und die anhaltende Deflation zu einem beschleunigten Vertrauensverlust
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Wir fragen uns natürlich, ob wir auf ein Umfeld mit
schwachem Wirtschaftswachstum und hoher Inflation zusteuern. Inflationstreibend dürfte in den nächsten Monaten der schwindende Basiseffekt der tieferen Rohwarenpreise, die dynamische Preisentwicklung im Dienstleistungsbereich und administrierte
Löhne sein. Ein Überschwappen auf die generelle
Lohnentwicklung ist nicht auszuschliessen. Wir erachten deshalb eine Stagflation in den westlichen Märkten als ein sehr realistisches Szenario. Leider ist das
Bekämpfen dieses Gespensts weit anspruchsvoller,
als eine Rezession. Aktien- wie Bondmärkte würden
leiden, die Zeit würde schlagen für Gold, Rohstoffe
und inflationsgeschützte Anleihen.
Vor dem Hintergrund der insgesamt schwächelnden
Wirtschaftszahlen und mit Blick auf die immer noch
hohen Gewinnerwartungen beim MSCI World (doppelstellig im 2017 und 2018), schauen wir der Entwicklung an den Aktienmärkte weiterhin mit Skepsis
entgegen. Die seit Anfang Jahr dauernde Korrektur
dürfte noch nicht vorbei sein.
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Europa: Der „Brexit“ als Härtetest
Die Herausforderungen für Europa nehmen weiter
zu, nicht ab! Der Umgang mit der Flüchtlingsproblematik ist für die Lage der EU symptomatisch. Die
Situation bedarf einer gesamtheitlichen Lösung. Dazu
fehlen allerdings grundlegende institutionelle Rahmenbedingungen, welche die vereinbarten Regeln
auch durchzusetzen vermögen. Stattdessen grassieren nationale Lösungsansätze, welche Abschottung
und Verletzung von EU Recht bedeuten. Nach der
Bankenkrise steht die EU erneut auf dem Prüfstand.
Damit nicht genug: mit der im Juni in Grossbritannien
stattfindenden Abstimmung für oder wider die EU
droht ein Mitglied der ersten Stunde den Sternenkreis zu verlassen. Wir glauben nicht an einen Brexit.
Die Drohungen des Königreichs werden jedoch zu
einer kritischen Beurteilung der nächsten Integrationsschritte führen. Bleibt Grossbritannien in der EU
würde dies der Gemeinschaft einen positiven Schub
verleihen - die Krise als Chance genutzt.
Derweil ist die wirtschaftliche Entwicklung in Europa
schwach (Q4 2015 +0.3%). Paradoxerweise wird der
Flüchtlingsstrom zunehmend zu einem „Glücksfall“.
Im Schlussquartal 2015 beschleunigte sich die Binnennachfrage substanziell dank starkem Wachstum
beim staatlichen Konsum (+0.6% bzw. +2.2% gegenüber Vorjahr). Wir gehen davon aus, dass der Beitrag
der öffentlichen Hand auch in den kommenden Quartalen hoch bleiben wird.
schen Auseinandersetzungen, die damit verbundene
Unsicherheit und die deflationären Tendenzen Gründe für die schwindende Konsumlust sein.
Das tiefere Verbrauchervertrauen und die weiter
sinkende Inflationserwartung (Konsumaufschub?)
stimmen fürs kommende Quartal nicht zuversichtlich. Der nachlassende Effekt der tiefen Energiepreise
könnte den Konsum belasten.
Die Arbeitslosenquote hat sich jüngst etwas zurückgebildet, liegt mit 10,3% aber weiterhin auf hohem
Niveau. Die wirtschaftliche Erholung bleibt zu
schwach, um die Beschäftigungssituation spürbar zu
verbessern.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Der Aussenhandel, lieferte im Q4-2015 zum ersten
Mal seit langem keinen positiven Beitrag mehr. Das
Wachstum der Exporte fiel unter die Steigerung der
Importe. Die Schwäche im Aussenhandel kann dem
stabileren EUR Kurs und der Konjunkturabkühlung in
den Exportmärkten zugeordnet werden.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Demgegenüber steht eine markante Abschwächung
des privaten Konsums, bisher die Konjunkturstütze.
An der Lohnentwicklung kann dies nicht liegen, stiegen die Saläre doch um etwas mehr als 2%. So dürften die fragile wirtschaftliche Entwicklung, die politi-
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
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Der produzierende Sektor hat sich gegen Ende 2015
weiter abgekühlt. Die Industrieproduktion fiel im Q42015 um -0.1%, vor allem wegen tieferer Energieproduktion. Allerdings war auch bei den Kapital- und den
langlebigen Konsumgütern eine Verlangsamung zu
spüren. Der Bausektor wirkte stabilisierend.
und die flankierenden Kreditprogramme laufen ins
Leere – die Unternehmen verfügen dank gesunder
Bilanzen über einen hohen Eigenfinanzierungsgrad
und sehen wenig Grund Kapital aufzunehmen.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Die Schwäche zeigte sich in allen grösseren Industrieländern Europas. Die fallenden Geschäftsklimaund Einkaufsmanagerindizes sowie rückläufigen Auftragseingänge lassen auf eine weitere Verlangsamung
in den kommenden Monaten schliessen. Vor diesem
Hintergrund erstaunt das gute Wachstum bei den
Investitionen. Diese sind wesentlich vom Nachholbedarf und den guten Wetterbedingungen getrieben.
Die Migration dürfte sich auch bei den Investitionen
künftig positiv auswirken. Angesicht des verhaltenen
ökonomischen Ausblicks, der politischen Spannungen
und ausreichenden Kapazitäten erwarten wir allerdings keinen Ausbau des Produktionsapparats.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Die geringe Investitionsneigung spiegelt sich in der
schwachen Nachfrage nach kommerziellen Krediten.
Gemessen an der Erhöhung des Geldangebots müsste die Kreditgewährung an die Unternehmen deutlich höher liegen. Die expansive Geldpolitik der EZB
Die Finanzsituation der öffentlichen Haushalte verschärft sich weiter. Die zusätzlichen Aufgaben im
Zusammenhang mit der Migration stimulieren zwar
die Nachfrage, belasten aber die Budgets. In der
Diskussion zwischen der Türkei, Griechenland und
dem Rest der EU über die Aufnahme und Betreuung
der Flüchtlinge werden dann schnell mal EUR 3 Mrd.
gesprochen. Die Folgekosten dürften ein Mehrfaches
sein. Da und dort werden wohl diese Zusatzkosten
zum Maskieren der laschen Budgetdisziplin hinzugezogen. Die Verschuldung in Europa wird munter
weitersteigen. Positiv zu vermerken, dass sich der
Druck auf Reformen in einigen Ländern erhöht hat.
Die Veränderungsbestrebungen Renzis in Italien oder
das Wagnis in Frankreich die 35-Stunden-Woche zur
Diskussion zu stellen, sind hoffnungsvolle Ansätze.
Dass es fiskalpolitische und monetäre Massnahmen
braucht, hat Mario Draghi an der letzten Pressekonferenz der EZB einmal mehr betont. Dies ging im
Donnergrollen des monetären Tsunamis aber fast
etwas unter. Die Senkung des Einlagesatzes auf -0.4%
(-10 Bps) und des Refinanzierungssatzes auf 0,0% (-5
Bps), die Erhöhung der monatlichen Geldspritze auf
EUR 80 Mrd. bei gleichzeitiger Ausdehnung der zum
Kauf möglichen Vermögenswerte und das Lostreten
von zusätzlichen 4 Kreditprogrammen (TLTRO II) sind
die Eckpfeiler der mittlerweile schon etwas grotesk
anmutenden Geldpolitik. Vor dem Hintergrund der
anhaltenden wirtschaftlichen Abkühlung wirken die
Massnahmen wie ein hoffnungsloser Befreiungsschlag. Und sind ein unfehlbares Zeichen, dass die
europäischen Banken weiterhin Krücken benötigen.
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Die Finanzmärkte lassen sich nicht mehr begeistern.
Wer will denn noch mehr Liquidität?
Insgesamt erwarten wir in Europa eine wirtschaftliche Abschwächung mindestens im H1-2016. Tiefe
Zinsen und Deflation werden die Szenerie prägen.
Ob sich dies fortsetzen wird, hängt wesentlich von
der Widerstandsfähigkeit des privaten Konsums ab.
An der Wachstumsdynamik der deutschen Wirtschaft hat sich wenig geändert. Das reale Wachstum
bleibt in einer Spanne von +0.2%-0.4% pro Quartal.
Die Treiber haben sich aber markant verändert. Der
private Konsum profitiert zwar weiterhin von der
tiefen Arbeitslosigkeit, höheren Löhnen und nur geringen Preissteigerungen, hat aber klar an Dynamik
verloren. Demgegenüber lieferten die staatlichen
Ausgaben und die Investitionen die höchsten
Wachstumsbeiträge – ein Abbild der Entwicklung in
der EU. Das überraschende Wachstum bei den Investitionen ist vor allem auf eine Erholung im Bausektor
zurückzuführen. Der Aussenhandel schlug wegen der
schwierigen Exportmärkte und währungsbedingt
gestiegener Importe negativ zu Buche.
Auf Basis der jüngsten IFO Zahlen dürfte die positive
Entwicklung im Schlussquartal 2015 stark in Frage
gestellt werden. Sowohl die aktuelle wie auch die
erwartete Einschätzung der Geschäftsentwicklung
trübten sich ein. In der Industrie wird die Lage aufgrund rückläufiger Auftragseingänge pessimistischer
eingeschätzt.
Sparquote. Diese Entwicklung ist insofern etwas beunruhigend, als bis anhin die wirtschaftlich Erholung
stark vom privaten Konsum gestützt wurde.
An seine Stelle tritt nun der Staat. Angesichts des
2015 erzielten Primärüberschuss dürfte es Deutschland nicht schwer fallen, den Geldbeutel etwas
mehr zu öffnen. Die öffentlichen Ausgaben können
allerdings kaum einen schwächeren privaten Konsum
auffangen, sodass wir von einer Verlangsamung der
BIP Wachstums ausgehen.
Frankreich oszilliert zwischen Sein und Nichtsein. Das
Wachstum konnte sich bis anhin nicht verstetigen.
Dies ist auf die sehr volatile Entwicklung des privaten Konsums zurückzuführen. Im Q4-2015 war dieser
erneut rückläufig. Nebst dem „hohen“ Basiseffekt aus
dem Vorjahr dürften die Anschläge in Paris, aber auch
die hohe Arbeitslosigkeit von 10% aufs Konsumentengemüt drücken. Da helfen auch die wachsenden
Löhne nicht. Im Q4-2015 lieferten die Investitionen
der Unternehmen und der Öffentlichkeit sowie die
Staatsausgaben die höchsten Wachstumsbeiträge.
Der Aussenhandel belastete das BIP Wachstum, den
stärker steigenden Importen sei Dank. Der Häuserund Baumarkt leidet unter anhaltenden Problemen.
Die Industrieproduktion hat ihren zaghaften Aufschwung dank der Nahrungsmittel- und Autobranche
fortgesetzt. Das Wachstum ist aber äusserst anfällig,
wie die jüngsten Vorlaufindikatoren zeigen. Der Einkaufsmanager-Index deutet auf eine erneute
Schrumpfung der BIP hin, dieses Mal vom Dienstleistungssektor ausgehend. Das Konsumentenvertrauen
lässt ebenfalls nach. Privater Konsum und Investitions-Zurückhaltung dürften im nächsten Quartal das
Wachstum belasten.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Die Kluft zum reformwilligeren Nachbarn Italien tut
sich weiter auf. Sowohl der private Konsum, die industrielle Aktivität als auch die Investitionen leisten
positive Beiträge zum italienischen Wirtschaftswachstum. Die Freude an den Zahlen dürfte aber nicht lange währen. Die Stimmungsindikatoren in der Industrie und bei den Konsumenten haben sich eingetrübt.
Der Detailhandel ist ebenfalls weniger zuversichtlich,
trotz sinkender Arbeitslosigkeit und steigendem verfügbaren Einkommen (Saläre, tiefer Ölpreis). Das
Verbrauchervertrauen dürfte u.a. wegen des Flüchtlingsproblems schwinden. Die Zeichen des schwachen Wirtschaftswachstums beflügeln dafür die
Die Erhöhung von Steuern und Gebühren wird den
Konsum belasten. Die jüngste Abschwächung des
Lohnwachstums dürfte diesen Trend unterstützen,
andererseits die Wettbewerbsfähigkeit des Landes
erhöhen. Letzteres ist dringend nötig, hat sich doch
der Auftragseingang gerade aus dem Ausland ver-
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schlechtert. Der Einkaufsmanagerindex deutet auf
eine Abschwächung der Industrieproduktion hin.
Einziger Lichtblick bleibt der Dienstleistungssektor.
und die hohe Arbeitslosigkeit von 21% stellen die
Nachhaltigkeit des robusten Konsums in Frage.
Damit nicht genug. Spanien kämpft mit politischer
Erneuerung. Das 2-Parteien-Sysem ist tot, das neu
gewählte, heterogenere Parlament hat Schwierigkeiten Mehrheiten zu bilden und die verkrustete, von
Vetternwirtschaft geprägte Regierung um Ministerpräsident Rajoy neu zu besetzen. Solche Situationen
wirken selten wachstumsbeschleunigend!
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Von den Wirtschaftsdaten abgesehen ist Italien zweier Themen wegen ins Rampenlicht gerückt:
1) Die schleppende Konjunkturentwicklung hat erstaunlich hohe Kreditrisiken an den Tag gefördert.
Die Weltbank schätzt, dass rund 17% der ausstehenden Kredite in Italien ausfallgefährdet sind. Das Bankensystem steht noch auf sehr wackeligen Beinen.
Nicht nur in Italien. Einmal mehr wurde in aller Eile
eine Lösung gesucht. Das Gründen von "bad banks"
mit Hilfe von privatem Kapital macht Sinn, schützt die
werthaltigen Vermögenswerte und nimmt den Staat
erst subsidiär in Anspruch. Die nach wie vor ungenügende Kapitalisierung vieler europäischer Banken
wirkt weiterhin als Bremsklotz.
2) Die vom Ministerpräsident Renzi initiierte Verfassungsreform dürfte die jahrzehntelange politische
Blockade endlich lösen und weitere Reformen ermöglichen. Die Herausforderung der hohen Staatsverschuldung und des laufenden Budgetdefizits sind
hoch. Um innerhalb der EU Vorgaben zu bleiben,
muss Renzi eine EUR 24 Mrd. Einnahmenlücke
schliessen. Wachstumsschwächende Steuererhöhungen stehen an.
In den anderen Peripheriestaaten muss sich Musterknabe Spanien auf schwierigere Zeiten einstellen.
Die wirtschaftliche Erholung verliert an Kraft. Die
Industrieproduktion ist rückläufig, das Konsumwachstum verliert an Dynamik, und dies obwohl die Preise
fallen. Oder weil die Preise fallen? Die tieferen Nahrungsmittelpreise, das nachlassende Lohnwachstum
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Noch ein Wort zu Portugal und Griechenland: es
wurde um die beiden Länder, angesichts anderer
Herausforderungen, erstaunlich ruhig. Eine Scheinruhe. Die Verschuldung ist eine erdrückende Last.
Das Bankensystem ist weit davon entfernt, gerettet
zu sein. Erst kürzlich kostete die Rettung einer kleinen portugiesischen Bank den Staat gegen EUR 3
Mrd. Das Thema dürfte die nächsten 12 Monaten
wiederaufgewärmt werden.
Das Wachstum im Grossbritannien ist mit +2% solide, verläuft aber ohne grosse Dynamik. Die Konjunktur ist stark von der Binnennachfrage (inkl. Staat)
und vom Dienstleistungs- und Bausektor getragen.
Schwachpunkt bleibt die Industrie. Es ziehen allerdings schwarze Wolken auf. Weiter fallende Auftragseingänge dürften die bereits rückläufige Industrieproduktion weiter belasten. Noch beunruhigender
sind die fallenden Vorlaufindikatoren im wichtigen
Dienstleistungssektor. Die zunehmende Volatilität
und Regulierungswut an den Finanzmärkten scheinen
Spuren zu hinterlassen. Auch der Bau beginnt zu
schwächeln. Punktuell gibt es Entlastung bei den
Häuserpreisen. Das nun abbröckelnde Verbrauchervertrauen und die verhaltene Investitionsbereitschaft ist wohl eine Konsequenz von alledem.
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falls. Kurzfristig dürften der Unmut und die Verunsicherung der EU Bürger aber eher noch zunehmen
und dabei stark auf die Konsumbereitschaft drücken.
Europa tut gut daran, weitere institutionelle Reformen voranzutreiben.
USA: Weit fortgeschrittene Konjunktur
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Grossbritannien fährt ein sogenannt doppeltes Defizit. Die Staatsverschuldung nähert sich langsam 100%
des BIP und die negative Aussenhandelsbilanz hat
sich nach der jüngsten GBP Abwertung verschlechtert. Das Leistungsbilanzdefizit von 5.1% vom BIP ist
ein Nachkriegsrekord und vor allem auf die sinkenden Nettoeinkommen aus Auslandinvestitionen zurückzuführen. Grossbritannien muss Kapital anlocken. Wegen der Unsicherheit im Zusammenhang mit
der Brexit Abstimmung ein schwieriges Unterfangen.
Eine Zinserhöhung im Soge des FED Schritts scheint
vom Tisch. Umso mehr als die Inflation tief bleibt, bei
den Produzentenpreisen Deflation herrscht und das
GBP zur willkommenen Schwäche neigt.
Die Abstimmung über den Verbleib Grossbritanniens
in der EU ist das dominierende Thema bis Mitte
Jahr. Die Unsicherheit dürfte die wirtschaftliche Entwicklung negativ beeinflussen, ein pro-EU Entscheid
nur kurzfristig positive Impulse verleihen. Die fehlende Wettbewerbsfähigkeit Grossbritanniens und der
tiefgreifende Wandel der Finanzindustrie stutzen
einem höheren Wachstum die Flügel. Wir glauben
Grossbritannien wird Teil der EU bleiben.
„Das Leben ist ein Schauspiel“. Wörtlicher kann man
den aktuellen Wahlkampf in den USA wohl nicht
nehmen. Wird erneut ein Schauspieler besonderer
Art ins Weisse Haus einziehen? Es wäre ja nicht das
erste Mal! Entschieden ist noch lange Nichts, aber
der bisherige Erfolg von Donald Trump lässt aufhorchen. Verhilft das populistische republikanische Ausmarchen um den Präsidentschaftskandidaten den
Demokraten zu einem Vorteil? Schon möglich. Für die
Börsen wäre eine Wahl Hillary Clintons positiv. Im
Zeitraum seit 1945 stieg der S&P 500 unter demokratischer Führung um durchschnittlich +9.9%, unter den
Republikanern nur +4.3%. Aktuell reagieren die Börsen noch nicht gross auf den Wahlkampf. Diesen
Herbst könnte sich dies jedoch ändern.
Kurzfristig dürften die Wirtschaftsentwicklung und
die FED Entscheidungen in den USA entscheidender
für die Finanzmärkte sein. Das Wirtschaftswachstum
in den USA verlangsamte sich gegen Ende des Jahres
und auf nunmehr +1% und wurde nur noch vom
privaten Konsum (+1,4%) getragen. Einem relativ
guten Weihnachtsgeschäft ist es also zu verdanken,
dass die amerikanische Wirtschaft weiter expandiert.
Das verfügbare Einkommen dürfte von der guten
Börsenlage, dem gesunden Häusermarkt, moderat
steigenden Löhnen und munter sprudelnden Konsumkrediten profitiert haben.
Schlussfolgerung: Zur Wachstumsschwäche in Europa gesellt sich via Flüchtlingsproblematik zunehmend
eine Führungskrise und mit der Brexit-Abstimmung
die Existenzfrage. Grosse Länder Europas sind im
politischen Umbruch. Strukturprobleme (inkl. Finanzsystem) und die Verschuldungssituation sind auch
noch nicht gelöst. Wir sind deshalb nicht erstaunt,
dass die europäische Wirtschaft nicht auf Touren
kommt.
Die verkorkste Situation hat aber auch Chancen. Die
Migration könnte als Wachstumstreiber wirken eine Erholung in den aufstrebenden Märkten eben-
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
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Die anderen BIP Komponenten entwickeln sich alle
rückläufig. Die Investitionsneigung bleibt schwach,
insbesondere bei den Kapitalgütern. Angesichts der
konstant nach unten revidierten Erwartungen fürs
Weltwirtschaftswachstum scheint die Zuversicht zu
fehlen. Globale Überkapazitäten und der stärkere
USD laufen einer breiten Investitionswelle entgegen.
Die gute Kapazitätsauslastung im Dienstleistungsbereich ist ein wichtiger Grund für die auf 1.7% anziehende Kerninflation. Die Konsumgüter werden tendenziell immer noch billiger, dem stärkeren USD und
den fallenden Rohstoffkosten sei Dank. Unter der
Annahme, dass die Rohstoffpreise nicht weiter fallen,
erwarten wir ab Mitte 2016 wegen Basiseffekten ein
Ansteigen der ausgewiesenen Inflationszahlen um
0.5% - 1.0%. Ein Szenario, welches das FED bei ihrem
Zinsentscheid im Juni wesentlich prägen wird.
Die Eintrübung der Konsumentenstimmung setzt
sich fort, vermutlich stark beeinflusst von der Aktienmarkt-Korrektur Anfang Jahr. Das verhaltene
Wachstum bei den Einzelhandelsumsätzen ist Ausdruck eines skeptischen US-Verbrauchers.
Quelle: bureau of economic analysis, Santro Invest
Die Staatsausgaben leisteten keinen Wachstumsbeitrag wobei die Investitionszurückhaltung in den zum
Teil hochverschuldeten Gliedstaaten die stark gestiegenen Rüstungsausgaben im Federal-Budget neutralisierten. Die international wieder aktiveren US Streitkräfte scheinen sich positiv aufs Wachstum auszuwirken, ungeachtet der weiter angestiegenen Verschuldung.
Der Konsum wird weiterhin stark von der Nachfrage
nach Dienstleistungen, vor allem im Gesundheitsbereich und in der Freizeitindustrie getrieben. Die Güternachfrage wächst nur halb so schnell und ist stark
von der starken Autokonjunktur beeinflusst.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Die schwächelnde Erwartungskomponente deutet
auf ein angespannteres Konsumklima in den kommenden Monaten hin. Eigentlich erstaunlich, angesichts der tiefen Arbeitslosigkeit. Die schwache Reallohnentwicklung und die wachsende Ungleichverteilung der Vermögen dürften als Erklärungsversuch
dienen. Zudem könnten die vom FED in Aussicht gestellten weiteren Zinserhöhungen und die Ausweitung der Kreditspannen beim Konsumenten eine
gewisse Vorsicht geweckt haben. Die Bruttoverschuldung der Haushalte ist auf Rekordniveau, die
Zinslast dürfte eher steigen. So erachten wir höhere
Zinsen und eine heftige Korrektur der Aktienkurse als
die grösste Gefahr für den Konsum, der nota bene
aktuell der einzige Wachstumstreiber des US BIP ist.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
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Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Unklarheit herrscht bei uns weiterhin bezüglich der
Gesundheit des US Arbeitsmarkts. Die Arbeitslosigkeit liegt unter 5%, das Stellenwachstum beträgt
etwas mehr als 200‘000 Jobs/Monat, die Erstanträge
für Arbeitslosenunterstützung auf Rekordtief, die
Partizipationsrate ist wieder am Steigen. Das sehr
verhaltene Lohnwachstum passt überhaupt nicht ins
Schema. Gewisse strukturelle Veränderungen am
Arbeitsmarkt (Aussteuerung, demographische Entwicklung, Schwarzarbeit,…) scheinen die Statistiken
nicht zu erfassen. Zudem stellen wir fest, dass die
USA immer noch eine relativ grosse Produktionslücke aufweist und das Produktivitätswachstum sehr
schwach bleibt. Das Positive dieser Entwicklung ist
ein tief bleibender Lohndruck. Eine von Salären ausgehende Inflationsspirale scheint nicht imminent.
Zurückhaltung herrscht bei der Investitionstätigkeit.
Die Industrieproduktion in den USA ist rückläufig,
die Auftragseingänge (ohne Rüstung und Flugzeugbau) sinken. Die abermals reduzierten Erwartungen
bezüglich wirtschaftlicher Entwicklung, der starke
USD, die tiefen Renditeerwartungen und die gemessen am Konjunkturzyklus schwache Kapazitätsauslastung sprechen gegen einen Investitionsboom. Wir
fragen uns zunehmend wie lange es geht, bis sich die
Investitionsrezession in noch schwächerem Wachstum rächt. Die Produktivität leidet. Die
(Fehl)Allokation zugunsten des Kapitals dürfte weiter
gehen.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Die Erholung auf dem Häusermarkt dürfte sich dank
tiefem Zinsniveau fortsetzen. Die FED Zinserhöhung
hat bis anhin zu keiner Verhaltensänderung geführt,
sind doch die meisten Häuser in den USA an Langfristzinsen gebunden. Der kurzfristige Indikator – die
Hypotheken-Erstanträge – zeigen noch keine Schwäche. Wir erwarten aber, dass sich das Neugeschäft
abkühlen wird.
Insgesamt erwarten wir für die US Wirtschaft ein
Wachstum um 2.0% im 2016. Die Erholung verlor in
den letzten Monaten klar an Dynamik. Dies bestätigen die Frühindikatoren wie PMI oder ISM. Dabei fällt
auf, dass die Auftragskomponente gar auf eine weitere Kontraktion des Industriesektors hindeutet. Der
schwächere USD könnte Entspannung bringen. Bemerkenswert auch, dass die Leitindikatoren auch im
nicht-verarbeitenden Gewerbe am schwächeln sind.
Kombiniert mit einem kritischeren Verbrauchervertrauen besteht somit die Gefahr, dass das Wachstum
im H2-2016 erneut enttäuschen könnte.
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ten und global fallender Produzentenpreise hoch.
Mittlerweile hat sich die Inflationserwartung der Realität angepasst. Eine gefährliche Entwicklung, da erwartete Preisreduktionen in einem Umfeld sinkender Löhne zu Konsumaufschub führen könnten. Kein
Wunder hat die Bank of Japan das Jahr mit einem
Paukenschlag begonnen und negative Zinsen eingeführt.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Japan: Treten an Ort
In Japan gibt es kaum eine Wirtschaftszahl, welche
positiv stimmt. Im Q3 noch einer Rezession entwischt, hat es Japan im Schlussquartal mit einem
Rückgang des BIP um -0,4% erwischt. Der private
Konsum, bisherige Wachstumsstütze, Konsum brach
um -0.8% ein. Ein Teil der schwachen Nachfrage geht
auf das Konto der milden Temperaturen und der relativ hohen Nahrungsmittel-Inflation von >2%. Der
negative Trend bei den Einzelhandelsumsätzen hält
allerdings schon seit zwei Jahren an. Japans Verbraucher leiden weiterhin unter der 2014 erhöhten Verbrauchersteuer. Überdies fielen die Reallöhne 2015
um -0.6% und die Soziallast aufgrund der demographischen Entwicklung steigt. Die fallende Konsumentenstimmung verspricht keine Besserung für die
kommenden Monate. Dem Japaner fehlt zunehmend
die Kaufkraft!
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Die Industrieproduktion schrumpft (Januar -3.8%
yoy) wegen des verhaltenen Binnenwachstums und
der schwachen Nachfrage aus dem wichtigen chinesischen Absatzmarkt. Die jüngsten Auftragseingangszahlen vermitteln ein gemischtes Bild. Das Maschinenbausegment insgesamt scheint ordentlich unterwegs zu sein. Die Konjunktur sensitiveren Werkzeugmaschinen (-22.6%) sehen sich einem frostigen
Umfeld ausgesetzt. Da herrschen weltweit auch grosse Überkapazitäten.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Bei der Preisentwicklung fehlt weiterhin der inflationstreibende Effekt der JPY Abschwächung. Somit
bleibt der Deflationsdruck wegen tiefer Energiekos-
Dass die Stimmung bei den Unternehmen trotzdem
gut ist, führen wir auf Kapazitätsengpässe im Binnenmarkt (geringe Produktionslücke) und attraktive
finanzielle Rahmenbedingungen (hohe Gewinne,
tiefe Zinsen) zurück. Die Investitionen lieferten im
Q4-2015 einen schwachen Wachstumsbeitrag. Dies
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kam vor allem aus der Industrie. Die Bauwirtschaft
beginnt den Stimmungswandel beim Konsumenten
zu spüren. Die gute Auslastung der Kapazitäten wird
die Investitionstätigkeit unterstützen. Zudem fährt
die Regierung mit ihrem Wiederansiedlungsprogramm fort.
onen scheitern. Der verabschiedete Mehrjahresplan
sieht zwar erst 2020 ein ausgeglichenes Primärbudget
(i.e. ohne Zinszahlungen) vor, falls Zusatzeinnahmen
(wie z.B. Steuererhöhungen) fehlen, ist dies unerreichbar. Abes dritter Pfeil ist überhaupt nicht auf
Kurs, Japan verharrt in seinem Wachstumsdilemma.
Das spärlich Erreichte ist eine schwache Grundlage im
Hinblick auf die Oberhauswahlen im Sommer 2016.
Daran wird eine expansive Geldpolitik nichts ändern.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Die Aussenhandelsbilanz hat sich mit der im Herbst
begonnenen leichten Aufwertung des JPY wieder
verschlechtert. Von den Exportmärkten werden keine grossen Impulse erwartet, die Importe könnten
etwas unter der Konsumflaute leiden. Netto sehen
wir in den kommenden Monaten eine Stabilisierung
im Aussenhandel.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Schwellenländer: Ein Wechselbad der
Gefühle
Die Schwellenländer als halbwegs homogenes Gebilde zu sehen, davon haben wir schon lange Abstand
genommen. Das zyklische Auseinanderdriften der
BRIC Staaten hat sich in den vergangenen Monaten
noch akzentuiert. Das Paar Russland/Brasilien ist
weiter in die Rezession gefallen, China/Indien kämpfen mit eigenen Problemen, versuchen aber beide,
das Wachstum zu stabilisieren um die innere (soziale)
Ruhe zu sichern.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Das anhaltend schwache Wachstum ist schlechte
Nachricht für den maroden Staatshaushalt. Vor allem
das drohende Wegbrechen des Konsums lässt die
Regierung Abe wohl länger über die 2017 geplante
Konsumsteuererhöhung brüten. Gleichzeitig ist die
Sanierung der Staatskasse dringlich. Der Versuch, die
Schuldenlast mit dem letzten Jahr lancierten Wachstumsprogramms zu reduzieren, muss aus heutiger
Sicht skeptischer betrachtet werden. Gross angelegte
Konjunkturmassnahmen dürften an Budgetrestrikti-
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
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Die Bedeutung der Schwellenmärkte fürs globale
Wirtschaftswachstum ist gross. China und Indien
allein werden in den kommenden zwei Jahren für
mehr als 50% des Wachstums verantwortlich sein.
Indirekt, d.h. als Absatzmarkt für die schwach wachsende, westliche Welt, dürfte es noch mehr sein. Die
Entwicklung in diesen beiden Ländern muss die Finanzwelt also sehr wohl interessieren.
Wenn China heute mit +6.8% (Q4-2015) wächst, dann
nimmt die Wertschöpfung um denselben absoluten
Renimbi Betrag zu wie vor 5 Jahren, als die Wirtschaft
noch mit 12% wuchs. Aufgrund der wirtschaftlichen
Transformation wird heute rund 50% des Wachstums
mit Dienstleistungen generiert. Früher waren Industrie und Investitionen dafür zuständig. Trotzdem: die
Wachstumsabschwächung bereitet auch der kommunistischen Partei Kopfzerbrechen. Die gewollte
Veränderung von der Werkbank für die Welt zur modernen Konsumgesellschaft geht mit schwächerem
Wachstum und Verwerfungen im Finanzsystem einher. Von den Umwälzungen innerhalb der Partei (die
wenig transparent sind) ganz zu schweigen.
Noch immer ist es schwierig, das chinesische BIP nach
Verwendungsbereich zu interpretieren. Entstehungsseitig ist die Industrie mit +6% erwartungsgemäss
unterproportional gewachsen. Die Bauaktivität
scheint sich dabei wieder zu beleben. Der Dienstleistungssektor expandierte mit +8,3%, vor allem dank
lebhaftem Handel und guter Nachfrage nach Finanzdienstleistungen.
Einzelhandelsumsätze – ein Proxy für private Konsumausgaben – erfreuten sich eines Wachstums um
+11%. Dies wird angesichts vergangener Zahlen um
15-20% als enttäuschend eingestuft. Das Gewicht der
Konsumausgaben am BIP steigt jedoch weiter, noch
immer negativ beeinflusst von den AntiKorruptionsmassnahmen bei den langlebigen Gütern
und einer tiefen Inflation. Dem privaten Konsum
förderlich sein dürfte die Lohnentwicklung. Nominallöhne wachsen im Augenblick um die +10%, real um
+7.5% und damit leicht schneller als das BIP
Bei den Investitionen ist ein Wachstum von rund
+10% zu verzeichnen, wobei das Schwergewicht der
Ausgaben bei den staatlichen Gesellschaften, bei
Neubauprojekten und in der Infrastruktur liegt. Investitionen in den Produktionsapparat (v.a. von privater
Seite) sind rückläufig.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Die Neuorientierung der Chinesischen Wirtschaft
hinterlässt auch im Aussenhandel klare Spuren. Die
Exporte fallen zurzeit doppelstellig, natürlich auch
von schwachem Wachstum im Rest der Welt beeinflusst. Die Importe fallen aufgrund der Wachstumsverlangsamung ebenfalls, aber etwas weniger stark.
Dadurch wir die Aussenhandelsbilanz belastet. Da
viele Stimulierungsmassnahmen den Binnenmarkt
betreffen, erwarten wir eine weitere Belastung des
BIP durch den Aussenhandel. Dies dürfte auch Druck
auf den Yuan hochhalten.
Angesichts der stark steigenden Verschuldung und
dem unablässigen Kampf gegen das Schattenbankensystem gilt es, das Kreditwachstum in China im
Blick zu behalten. Befürchtungen über eine Finanzkrise sind nicht haltlos, umso mehr, als im letzten Jahr
offensichtlich wurde, dass die chinesische Regierung
wegen der zunehmenden Öffnung des heimischen
Finanzmarktes nicht mehr immer Herr der Dinge war.
Man erinnere ich an die Uebertreibungen an den
Aktienmärkten. Eine weitere Liberalisierung erfährt
nun der lokale Obligationenmarkt, welcher für ausländische Investoren zugänglich wird. Die Massnahme dürfte ein Versuch sein, die Finanzierung der lokalen staatlichen Verschuldung breiter abzustützen
und den seit langem herrschenden Geldabfluss zu
stoppen. Ob sich die internationale Investorengemeinde auf die chinesischen Schuldverschreibungen
stürzen wird, bleibt abzuwarten. Eine gewisse Skepsis
ist wohl angebracht.
Auf die durchzogenen Wirtschaftsdaten und das wegen fehlender Liquidität abgeschwächte Kreditwachstum reagierte die chinesische Zentralbank mit monetärer Lockerung. Die Depositensätze wurden Ende
Februar erneut gesenkt.
12
von Stimulierungsmassnahmen der Regierung profitieren. Der Bausektor ist die „Wild Card“. Steigende
Preise deuten auf ein Ende der Krise, wenigstens in
den guten Lagen hin. Eine Belebung im Bau dürfte
dann auch einige Rohstoffpreise (Kupfer insbesondere) stützen. Insgesamt erwarten wir aber eine weitere Wachstumsabschwächung im H1- 2016.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Die Massnahmen dürften insbesondere dem darbenden Häusermarkt zugutekommen. Dieser hat sich
dank staatlicher Intervention (Reduktion der Transaktionssteuer, Aufkauf von Leerständen, etc.) jüngst
stabilisiert. Wie gesund der Markt ist, wird sich in
den nächsten Monaten zeigen. Gerade in sogenannten Tier 3 Städten scheint weiterhin ein Überangebot
zu herrschen. Trotzdem ziehen die Anzahl Neuprojekte, Baubewilligungen und die Vergabe von Hypothekarkrediten an, die Häuserpreise steigen wieder.
In der Vergangenheit steuerte die Bauwirtschaft gut
30% zum Investitionswachstum bei. Eine nachhaltige
Erholung dürfte das BIP zu stützen vermögen.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Was ist nun in den kommenden Monaten von China
zu erwarten? Der Einkaufsmanager- Index verspricht
alles andere als ein Boom. Alle Komponenten bis auf
den Dienstleistungssektor deuten auf eine weitere
Abkühlung hin. Vor allem der Auftragseingang ist
sehr schwach und drückt auf die Zuversicht bei den
Unternehmen.
Wir erwarten nur wenige Wachstumsimpulse aus
dem Industriesektor. Die Konsumentenstimmung ist
noch positiv und dürfte wie der Investitionssektor
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Die monetären und fiskalpolitischen Bedingungen in
China dürften in absehbarer Zeit expansiv bleiben.
Bei all den am kürzlich abgehaltenen Volkskongress
bestätigten Reformen, welchen China noch ausgesetzt sein wird, ähnelt das Land in einer Beziehung
aber doch schon sehr westlichen Standards. Die in
den letzten Jahren von USD 8 auf USD 30 Billionen
gestiegene Gesamtverschuldung und ein auf >3% des
BIP angewachsenes Haushaltdefizit rufen nach
Budgetdisziplin und wirken wachstumshemmend.
Mit einem Wachstum von +7.3% bewegt sich Indien
unterhalb des anvisierten Zeils von +8.0-8.5%. Gegenüber den Vorquartalen hat die Wachstumsdynamik im Q4-2015 wieder etwas nachgelassen. Der
private Konsum wirkt Konjunkturstützend, währendem die für das Wachstum wichtigen Investitionen
stagnieren.
Details zur Industrieproduktion zeigen, dass die Kapitalgüterproduktion – ein wichtiger Indikator für
künftige Investitionen – schrumpft. Die rückläufige
Energieproduktion ist ebenfalls ein Indiz verhaltener
industrieller Tätigkeit. Wenig Belebung ist auch bei
den Staatsausgaben zu sehen, dies obwohl ein Investitionsprogramm von USD 11 Mrd. am Laufen ist. Der
Hintergrund der schwachen Dynamik dürfte die angestrebte Haushaltkonsolidierung auf -3.5% des BIP
sein. Aktuell bewegt sich Indien auf einen Defizit von
rund +4 %. Indien begeht einen schmalen Grat zwi-
13
schen teuren Wirtschaftsstimuli und Budgetdisziplin.
Der Fokus auf das Letztere dämpft die Wachstumsambitionen.
schneller als das BIP wächst und Indiens Wettbewerbsvorteil am Schwinden ist. Mit einer neuen
Kampagne „Make in India“ sollen bis 2022 100 Mio.
neue Stellen geschaffen werden. Lokale Produktion
und Konsum soll gefördert werden. Kein einfaches
Unterfangen: in einer Weltbankstudie zu den Bedingungen zur Unternehmungsgründung liegt Indien
gerade Mal auf Rang 130.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Die Binnenwirtschaft bleibt der Treiber für die indische Wirtschaft, mit viel Rückenwind von tiefen
Energie und Rohstoffpreisen. Die Exporte profitieren
nur bedingt von der schwachen Rupie, da die Nachfrage in den Endabnehmermärkten schwach, die
Schutzzölle immer noch zu hoch sind. Währungsbedingt fallen die Exporte, aber etwas weniger als die
Importe, was zu einer reich technischen Verbesserung der Aussenbilanz führt.
In den kommenden Monaten wird die Unterstützung
von tieferen Input Preisen nachlassen, mit negativen
Auswirkungen auf die Investitionsneigung. Der
schwindende Basiseffekt der tiefen Energiepreise und
die aufgrund schwacher Regenfälle steigenden Nahrungsmittelpreise dürften die Inflation anheizen.
Zudem wird die erwartete +24% Lohnsteigerung bei
den Staatsangestellten zwar den Konsum kräftig ankurbeln, aber auch den Druck auf die Preise erhöhen.
Somit sind von der indischen Zentralbank keine Zinssenkungen zu erwarten. Die Investitionsneigung wird
sowohl beim Staat, also auch bei den Privaten
schwach bleiben. Dazu gesellen sich die Bestrebungen, die Situation der übermässig expandierenden
und zum Teil ertragslosen Unternehmens- und Bankschulden in den Griff zu kriegen.
Das Dilemma für die indische Regierung bleibt gross.
Zur Wachstumsbeschleunigung braucht es Investitionen – dafür fehlt zunehmend das Geld. Und es sind
Reformen nötig: auf dem Arbeitsmarkt, in der Landwirtschaft und in der Administration (Bürokratieabbau). Gerade der Arbeitsmarkt steht vor einigen Herausforderungen, da das Arbeitskräfteangebot
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Brasiliens Wirtschaft driftet weiter nach unten. Die
Rezession hat sich im Q4-2015 verschärft (-5.9%).
Mit Ausnahme des Aussenhandels, welcher vom
schwächeren Real etwas profitiert, verliefen alle BIP
Komponenten rückläufig. Der private Konsum fiel 6.8%, die Investitionen kollabieren förmlich (-18.5%)
und sogar die Staatsausgaben (-2.9%) wirken nicht
mehr stützend. Die zum Teil importierte Inflation
verharrt auf über 10%, die Leitzinsen bei 14.25%.
Kein Wunder wird nicht mehr investiert. Dies in einem Land, welches schon in der Vergangenheit unter
mangelhafter, wachstumshemmender Infrastruktur
litt. Als Folge steigt nun auch die Arbeitslosigkeit. Sie
ist innert Jahresfrist von etwas mehr als 4% auf 8%
geklettert.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
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Die Reallöhne sind unter Druck, was der Wettbewerbsfähigkeit des Landes dienlich, dem Konsum
jedoch abträglich ist. Das Verbrauchervertrauen und
das stark binnenwirtschaftlich geprägte Geschäftsklima leiden.
Zugegeben, die anhaltend tiefen Rohstoffpreise drücken auf die Wirtschaftsleistung. Die schwierige
Wirtschaftslage ist aber mehr auf politische Versäumnisse als auf exogene Faktoren zurückzuführen.
Ohne grossangelegte Aufräumarbeiten beim korrupten Staatsapparat und politischem Wandel wird sich
Brasilien schwerlich erholen. Selbst wenn die Rohstoffpreise wieder steigen. Die Hoffnung bleibt, dass
die aktuelle Regierung noch vor den offiziellen Wahlen 2018 abgelöst wird. Roussef droht ein Absetzungsverfahren.
– wenn die Statistiken denn stimmen. Der Arbeitsmarkt dürfte aber sicher noch von der guten Industrieproduktion in den Bereichen Energie, Öl & Gas
und Düngemittel profitieren.
Dass ein solch schwieriges Umfeld investitionshemmend wirkt, versteht sich von selbst. Der Öl-&
Gassektor fährt auf dem aktuellen Preisniveau die
Investitionen noch zurück und hohe Zinsen um 11%
lassen Finanzierungskosten explodieren. Die Investitionen brechen um weitere -18% ein.
Die Vorlaufindikatoren in der Industrie und beim
Konsum haben sich von den Tiefstständen zwar erholt, bleiben aber noch klar negativ. Väterchen Staat
versucht mit staatlichen Unterstützungsmassnahmen
die Stimmung zu heben. Wir rechnen vorerst nicht
mit einer Erholung.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Wirtschaftlich gesehen steckt Russland in einer ähnlichen Situation. Von den fallenden Rohstoffpreisen
gebeutelt, darbt die Nachfrage an allen Ecken und
Enden. Das Land leidet zudem unter den selbstverschuldeten Sanktionen im Zusammenhang mit den
kriegerischen Wirren in der Ukraine. Gemessen an
den zwei vergangenen Quartalen hat sich die Talfahrt
der Wirtschaft im Q4-2015 etwas gefangen (-4.1%),
den staatlichen Ausgaben (u.a. Rüstung) sei Dank.
Der Konsum leidet am meisten unter der westlichen
Isolierung. Der Rückgang beträgt mittlerweile -7%,
bei den privaten Haushalten sogar um -9.4%. Lichtblick ist die Handelsbilanz – aber nur deshalb weil die
Importe um mehr als 20% zusammenfallen, die Exporte hingegen nur leicht rückläufig sind. Dem Aussenhandel hilft die Neuausrichtung nach Osten, wohin vor allem Ölexporte zunahmen. Der AngebotsSchock bei Konsumgütern führt zu einer 9%igen Inflation, die Reallöhne fallen um -7%. Demgegenüber
hält sich die Arbeitslosigkeit von 5.8% noch relativ gut
Letztlich noch ein paar Worte zum Mittleren Osten.
Die Börsen scheinen sich an das Säbelgerassel gewöhnt zu haben. Dies vor dem Hintergrund, dass die
Situation in den letzten Monaten nicht durchschaubarer geworden ist. Wenn beim Vereinbaren eines
Waffenstillstands niemand weiss, für wen er gilt,
dann läuft wohl etwas falsch. Die Haushalte einiger
Staaten in dieser Region wegen fehlender PetroDollar in Schieflage. Es fehlt zunehmend an Geld um
sich den sozialen Frieden zu erkaufen. Russlands
Rückzug aus Syrien ist keine Entspannung, sondern
ein Zeichen der Zementierung bestehender Machtverhältnisse. Wegzuschauen ist gefährlich. Das Pulverfass ist immer noch da und kann auch die Finanzwelt erneut erschüttern.
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Aktienmärkte: Fehlende Wachstumsimpulse
In den ersten Monaten waren die Aktienmärkte von
grosser Unsicherheit und hoher Volatilität geprägt.
Rezessionsbefürchtungen kamen auf. Nebst den
durchzogenen Makrodaten und Unternehmenszahlen liess die Angst vor steigenden Kreditausfällen,
ausgehend vom Oel & Gas Sektor, die Aktienkurse
einbrechen. Das Performance Bild war recht heterogen. Tendenziell korrigierten zyklischen Märkte wie
z.B. der DAX stark, die US Börsen hielten sich dank ein
paar grossen Titel (inkl. FANG-Gruppe) relativ gut,
wogegen US Mid-/Small Caps stark litten. Schwellenland-Märkte wie Brasilien oder Russland, die schon
letztes Jahr stark korrigierten, zeigten eine starke
Performance. Ausser China. Schwierig also, ein konsistentes Muster herauszulesen.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Die letzten Quartalszahlen zeigen, dass sich die globale Wachstumsschwäche bei den Unternehmen in
einer verhaltenen Umsatzentwicklung und vorsichtigen Ausblicken manifestiert. Die in den vergangenen
Jahren von fallenden Input-Kosten und einer schwachen Lohnentwicklung getriebene Margenexpansion
ist vorbei.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Beeindruckend und gleichzeitig überraschend ist sicher die jüngste, kräftige Erholung, welche z.B. den
S&P 500 fast wieder auf historische Höchststände
hievte. War die Angst vor der wirtschaftlichen Schwäche doch übertrieben? Wurden nur Leerverkäufe
eingedeckt? Haben die anhaltend lockere Geldpolitik
und ein möglicher Aufschub einer weiteren Zinserhöhung in den USA das Sentiment gedreht? Gut möglich
dass von alledem etwas stimmt.
Für uns ist die Erholung suspekt. Die Volumen sind
dünn, der EFT Handel ist rege und es fehlt an Marktbreite. Der globale Einkaufsmanagerindex ist in die
Nähe der „magischen“ 50er Grenze, welche zwischen
Expansion und Kontraktion scheidet, gerückt. Die
wirtschaftliche Realität darf nicht ignoriert werden.
Sie ist für die Beurteilung der Gewinnentwicklung,
dem wichtigsten Treiber der Aktienmärkte, wichtig.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Die Ausweitung der Kreditspannen und allfällige Leitzinserhöhungen werden die Finanzierungskosten
ansteigen lassen. Die Bekämpfung der Steuerflucht
und der Bedarf vieler verschuldeter Staaten nach
Mehreinnahmen werden die Steuerbelastung erhöhen. Wir glauben deshalb, dass sich das Gewinnmomentum weiter abschwächen wird.
In den USA werden die Gewinne pro Aktie noch stark
durch schuldenfinanzierte Aktienrückkäufe künstlich
hoch gehalten. Trotzdem sind die Gewinne in den
letzten Quartalen stets gesunken, die Prognosen der
Unternehmen sind eher durchzogen. Das passt nicht
zur jüngsten kräftigen Kurserholung.
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2) Die Risikoprämien bei den Aktien ist attraktiv,
kommt aber weitgehend aufgrund der künstlich tief
gehaltenen Zinsen zustande. Bei steigenden Zinsen
kann der relative Vorteil der Aktien gegenüber Nominalwerten schnell schwinden. Die Gewinnrenditen
sind historisch gesehen eher tief.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Tatsächlich ist die seit ca. Mitte 2014 anhaltende
Reduktion der Gewinnerwartungen noch nicht abgeschlossen.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
3) Die Bewertungen sind nicht exzessiv. Die Kennziffern sind vor dem Hintergrund anhaltender Gewinnrevisionen aber mit Vorsicht zu geniessen. Wir sind
auch etwas vorsichtig zu glauben, dass ein Tiefzinsumfeld zwingend zu höheren Bewertungszahlen
führt. Vor allem, wenn Benchmark Zinsen reihenweise ins Minus fallen. Das rechnet sich dann nicht
mehr!
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
In Europa sind die Börsengewinne den Unternehmensgewinnen schon lange vorweggelaufen. Die
Schwellenländer sind mit strukturellen Hausaufgaben, Währungsherausforderungen und Wachstumsschwächen in den Absatzmärkten beschäftigt. Die
kurzfristigen Schätzungen (für 2016) sehen mit +2,4%
weitgehend vernünftig aus, mit doppelstelligen Gewinnsteigerungen im 2017 (+13,8%) und 2018
(+10,7%) für den MSCI World bekunden wir unsere
liebe Mühe. Wird doch erwartet, dass die Weltwirtschaft unterdurchschnittlich wachsen wird.
Seien wir aber nicht übermässig pessimistisch. Es gibt
durchaus Argumente die für Engagement an den
Aktienmärken sprechen:
1) Anlagen suchende Liquidität ist in rauen Mengen
vorhanden, von den Zentralbanken geschöpft oder in
Form von Dividendenausschüttungen. Der Effekt der
quantitativen Lockerung ist jedoch am Schwinden.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
4) Es herrscht Anlagenotstand. Dividendenrenditen
sind oft höher als Renditen von Staatsanleihen und
Immobilienanlagen. Relativ gesehen eine Opportunität; für uns aber kein hinreichendes Argument, da es
stark Stimmungsschwankungen ausgesetzt ist und
sich fundamentaler Analyse weitgehend entzieht.
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DAX hat wegen der hohen Ausrichtung auf die Entwicklung in Schwellenländern schon stark gelitten.
Qualitätswerte werden in Gemeinschaftshaft genommen. Die Bewertung des Index scheint uns attraktiv, da sie fast kein Gewinnwachstum impliziert.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
5) Vor Aktienmarktkorrekturen herrscht üblicherweise Euphorie. Davon sind wir weit entfernt. Nach
einer sehr pessimistischen Einschätzung sind wir aktuell eher zurück in neutraler Zone. Die kreditbasierten Aktienkäufe haben auch etwas abgenommen,
dafür ist die Bereitschaft Risiken einzugehen wieder
etwas gestiegen. Die Sentiment Indikatoren sind eher
beruhigend.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Im Fokus stehen auch weiterhin selektive Anlageideen in der Peripherie, insbesondere in Italien
und Spanien. Dabei werfen wir ein Auge auf Bauwerte und (spät)zyklische Unternehmen. Die klassischen
konjunktursensitiven Werte sehen aus Optik der relativen Performance interessant aus. Angesichts der
fallenden Frühindikatoren sehen wir von Engagements ab.
Quelle: Credit Suisse, Santro Invest
Wir nehmen weiterhin die Signale von den Kreditund Rohstoffmärkten ernst, bei allen Vorbehalten
gegenüber der Preisbildung in diesen Märkten. Die
Ausdehnung der Zinsaufschläge bei allen Bonitätsstufen, die hartnäckig tiefen Preise bei der Energie und
bei konjunktursensitiven Industriemetallen sowie die
gestiegene Volatilität sind Zeichen von erhöhtem
Stress. Wir haben unsere gegenüber dem BVG25
Index bereits unterdurchschnittliche Aktienquote
weiter reduziert und würden Stärkephasen weiterhin
zum Verkauf nutzen. Aktienkurse dürften erst dann
wieder nachhaltig steigen, wenn ein höheres Vertrauen in die zu erwartenden Gewinne zurückkehrt.
Beim verbleibenden Engagement suchen wir vor allem Opportunitäten in der Schweiz und Europa. Der
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Wir meiden weiterhin Banken. Das Zinsdifferenzgeschäft bleibt unter Druck, die Einkommen aus dem
Investment-Banking volatil und das Kommerzielle
Geschäft sieht sich erneut höheren Kreditrisiken gegenüber. Der Regulator ist dabei keine Hilfe.
Wir schätzen die defensiven Qualitäten und die internationale Ausrichtung vieler Unternehmen im
SMI und SPI. „Value“ als Stil gefällt uns im aktuell
volatilen Umfeld. Dazu gehören insbesondere Unter-
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nehmen, die in nachhaltig wachsenden Märkten
tätig sind und Aussicht auf gute Dividendenrenditen
haben. Der Schweizer Markt erlaubt uns auch, ein
übermässiges Währungsrisiko oder hohe Absicherungskosten zu vermeiden.
schwache Binnenkonjunktur. Das hohe GewinnNiveau, der Anlagedruck und ausreichend Liquidität
unterstützen den Aktienmarkt noch. Wir nehmen
gegenüber Japan aber eine kritischere Haltung ein.
Für ein Engagement spricht weiterhin die Dividendenrendite von >2%.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Bei den Schwellenländern glauben wir mittelfristig an
Länder wie China und Indien. Die Bewertungsniveaus sind attraktiv, das negative Gewinnmomentum spricht aber gegen einen Aufbau von Positionen. Aktuell nehmen wir Chancen in diesen Regionen
über Engagements in gut positionierten westlichen
Firmen wahr. Wegen politischer Unwägbarkeiten und
tiefgreifender struktureller Probleme bleiben wir
Russland und Brasilien fern. Beide passen (noch)
nicht in unser Risikoprofil.
Im US Aktienmarkt waren wir fast nicht mehr präsent
– haben dadurch auch die jüngste Erholungsphase
nicht mitgemacht. Dies aus Überzeugung. Der Markt
wird von ein paar wenigen, hochkapitalisierten und
teils teuren Titel getragen. Der Russel 2000, welcher
seit Anfang Jahr gut 5% mehr verloren hat vermittelt
ein wahrheitsgetreueres Bild zum US Aktienmarkt.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Die Ernüchterung über Abes Reformprogramm
schlägt sich zunehmend in der Performance des
Nikkei nieder. Der japanische Aktienmarkt ist günstig
bewertet, leidet aber auch unter starken Gewinnrevisionen. Das erwartete Gewinnwachstum ist dennoch
eines des höchsten, vom tieferen Yen und Energiekosten unterstützt. Sorgen bereitet uns vielmehr die
US Aktien sind zwar vordergründig gut durch Gewinne gestützt. Diese sind aber über oft schuldenfinanzierte Aktienrückkäufe und „pro-forma“ Gewinnausweise beschönigt. Solche Blasen platzen früher oder
später. Viele Unternehmen spüren den Gegenwind
vom starken USD. Die durchzogenen Aussagen vieler
Unternehmen zu den künftigen Gewinnen, die anziehenden Finanzierungskosten und steigende Steuerbelastung gefallen uns nicht. Der Gewinntrend dürfte
aufgrund der schwächelnden Konjunkturzahlen nega-
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tiv bleiben. Wahljahre in den USA sind üblicherweise
gute Börsenjahre, insbesondere wenn die zweite
Periode eines scheidenden Präsidenten zu Ende geht.
Dafür müsste die Bewertung attraktiver sein. Oder
liegt es am Erfolg Donald Trumps?
vorteilhaft sind. Leitzinssenkungen, insbesondere in
den negativen Bereich, werden zunehmend als Krisenzeichen wahrgenommen, umso mehr als sich der
Trend steigender Kreditzinsspannen fortsetzt. Die
Schere zwischen Hochzinsanleihen und Anleihen mit
guter Bonität ist markant aufgegangen; aufgrund
divergierende Geldpolitik auch die Differenz zwischen
USA und Europa/Japan.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Obligationen: Vorsicht, ein Minenfeld!
Die Situation hat sich fundamental verändert. Die
lockere Geldpolitik war ursprünglich angedacht, die
Wirtschaft zu beleben. Dies ist gescheitert. Das
schwache Kreditwachstum in den westlichen Märkten und das Neuauflegen eines nach oben offenen
Kreditprogramms (TLTRO II) durch die EZB zeugen
davon. Janet Yellen legt nach. Kein weiterer Zinsschritt im März wegen erhöhter Gefahren einer Wirtschafts- und Finanzkrise. Die lockere Geldpolitik
dient dazu, Schlimmeres zu verhindern. Dass die
Finanzmärkte immer weniger auf Zusatzliquidität
reagieren, sollte deshalb nicht erstaunen.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
So gesehen dürften die Bondmärkte in eine Übergangsphase eingeschwenkt sein. Wir glauben, die
Zeiten attraktiver Kapitalgewinne sind vorbei – es ist
Zeit sich auf fallende Kurse einzustellen. Angesichts
des labilen Makro-Bilds und der aufgrund hoher Verschuldung drohender Zinslast kann diese Transitionsphase allerdings noch etwas dauern. Die US Zinsen
gewähren Anschauungsunterricht. Die Mitte 2012
begonnene „Zinswende“ hat an Dampf verloren –
die Zinsen könnten noch länger in einer Handelsspanne zwischen 1.5% und 3% verharren. Die Tiefzinsphase ist noch nicht vorbei.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Für die Obligationen- und Zinsmärkte bedeutet dies
dass die makroökonomischen Bedingungen weniger
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Nebst der Zinsentwicklung beschäftigen uns drei
Themen:
1 ) Die Liquidität, welche angesichts vieler staatlicher
Kaufprogramme bei den Staatsanleihen massiv zurückging. 80% der US Treasuries werden vom FED
gekauft. Die Problematik weitet sich in Europa nach
der letzten EZB-Ankündigung nun auch auf Unternehmensanleihen aus. Weil Bondmärkte aktuell
„Trading“-Märkte sind, ist diesem Aspekt höchste
Aufmerksamkeit zu schenken.
2) Die Bonität: Anleger sind im Umfeld tiefer Renditen geneigt die Bonitätsleiter nach unten zu gehen.
Dies ist riskant, und wir folgen diesem Trend nur,
wenn wir die entsprechende Unternehmung selber
gut kennen. Die Konkursgefahr ist in den letzten
Monaten insgesamt gestiegen. Weitere Zinserhöhungen in den USA würden die Situation verschärfen.
Die Ausfallquote bei den Hochzinsanleihen ist 2015
bereits von 1.9% im Vorjahr auf 3.5% gestiegen.
Moodys erwartet 4% im 2016 – die höchste Rate seit
der Finanzkrise 2008/09.
3) Die Duration: Der kontinuierliche Rückgang der
Zinsen führte dazu, dass sich Emittenten mit längeren Laufzeiten (re)finanzieren. Die Duration des
Schweizer Bond Index ist auf historischem Höchststand. Künftig lauern also nicht nur hohe Zinsänderungs- sondern auch grosse Durationsrisiken in
Benchmark orientierten Obligationen-Portefeuille.
Strategisch versuchen wir diese enormen Risiken mit
einer kurzen Duration einzugrenzen, was kurzfristig
zu einer kleineren Rendite führen könnte. Dem
Markttrend können wir uns allerdings auch nicht
völlig entziehen. Aus Kostengründen handeln wir
wenig mit Obligationen, sondern kaufen aus Neuemissionen und fahren eine „Hold-to-Maturity“Strategie. Reinvestitionen führen damit fast schon
„automatisch“ zu einer längeren Duration.
Wir glauben, dass die Phase der Neubeurteilung der
Kreditrisiken noch nicht abgeschlossen ist. Die massive Ausweitung der Zinsaufschläge auf allen Bonitätsstufen seit letztem Herbst hat sich dank steigendem Ölpreis teilweise zurückgebildet. Der Aufwärtstrend ist aber intakt. Treiber bleiben die erwarteten
höheren Ausfallraten und Fragen zur Tragbarkeit der
künftigen Zinslast angesichts der gestiegenen Verschuldung. Vorsichtigere Aussagen zur wirtschaftlichen Entwicklung wie sie jüngst das FED aber auch
das IMF machten, tragen das Ihre zur kritischeren
Beurteilung der Kreditrisiken bei. Die Bewertungslücke zwischen den USA und Europa dürfte sich aufgrund der divergierenden Geldpolitik ausweiten.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Während der Turbulenzen am Aktienmarkt Anfang
Jahr hat der Schweizer Obligationen-Markt einmal
mehr seinen Status als sicheren Hafen bestätigt.
Ende Februar erreichte die Rendite des 10jährigen
Eidgenossen mit -0.484% einen neuen historischen
Tiefststand. Am kurzen Ende ist seit Jahresfrist allerdings nicht viel passiert. Die veränderte Beurteilung
der Wirtschaftslage hat somit zu einer Abflachung
der CHF Zinskurve geführt.
Swiss Bond Yield (10y) & Swiss Bond Index Duration
Quelle: SIX, Bloomberg
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
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Wir erwarten in den kommenden Monaten keine
weitere Renditereduktion, ausser die SNB müsste
aufgrund einer Aufwertung des CHF eine weitere
Leitzinssenkung vornehmen. Die Möglichkeiten eine
angemessene Rendite zu erzielen sind damit weiter
geschrumpft. Wir sind – wenn überhaupt – bei Unternehmensanleihen um die Investment Grade Grenze aktiv und realisieren bei Staatsanleihen in „riskoff“ Phasen Gewinne.
Wir stehen zu unserem Tiefzinsszenario, verursacht
von gedrückten Wachstumszahlen und eine rund
40% höhere weltweite Verschuldung. Viele Staaten
und Unternehmen können sich höhere Zinsen nicht
leisten. Aus unserer Sicht wird der zinssenkende
Druck der Deflation in den nächsten Monaten sukzessive abnehmen. Springt die Wirtschaft nicht an dürfte
dies erneut zu erhöhter Unsicherheit an den Finanzmärkten führen.
Im Gegensatz dazu haben die langfristigen Zinssätze
in Europa noch etwas Potenzial nach unten. Hauptursache ist das zeitlich und inhaltlich ausgeweitete
Anleihen-Kaufprogramm der EZB. Die Renditen der
Staatsanleihen bleiben tief bleiben. Bei den Unternehmensanleihen dürfte der Nachfrage-Effekt der
EZB die steigenden Zinsaufschläge wohl überkompensieren, womit sich interessante Anlageopportunitäten ergeben.
Das Verlustrisiko im Anleihenmarkt hat sich weiter
erhöht. Wir bleiben deshalb strategisch negativ auf
Bonds. Die Duration bleibt kurz, Positionen werden in
Stärkephasen abgebaut. Aus „save haven“ Überlegungen konzentrieren wir uns auf CHF Anleihen von
Unternehmen die knapp das Investment Grade Niveau (BBB) erreichen und wo wir die Risiken gut abschätzen können. Frei werdende Mittel fliessen in
Wandelanleihen oder dienen der Erhöhung der Liquidität um zu gegebener Zeit im Aktienmarkt aktiv
werden zu können.
Wir rechnen mit jeweils erhöhter Volatilität bei den
Festverzinslichen im Vorfeld der geplanten FED und
EZB Treffen. Dabei könnte das FED aus unserer Sicht
den Normalisierungspfad in den USA durchaus weiter
ausdehnen und die EZB zu einer weiteren Zinssenkung schreiten.
In den USA hat sich die Zinskurve gegenüber 12 Monaten weiter abgeflacht. Dabei sind die Zinsen am
kurzen Ende aufgrund der ersten Leitzinserhöhung
anstiegen, und gleichzeitig führten die reduzierten
Wachstumserwartungen am langen Ende zu tieferen
Renditen. Hält diese Tendenz an, droht die Zinskurve
bald ins Inverse zu kippen (=Rezessionsanzeichen).
Wir erwarten deshalb, dass das FED bei den nächsten
Zinsschritten äusserst vorsichtig vorgehen wird.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Rohstoffe: Den Boden gefunden
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Mit der Abschwächung des USD ging eine Erholung
des Rohstoffsektors einher. Gemessen an der nun
schon 5 Jahre anhaltenden Preiserosion kann jedoch
höchstens von einem kleinen Lebenszeichen gesprochen werden. Die Entspannung ist zudem alles andere als uniform. Am meisten profitierten die Ölpreise
(+30%), währendem sich Industriemetalle und
Landwirtschaftsprodukte „nur“ im tiefen einstelligen Bereich erholten. Es stellt sich die Frage der
Nachhaltigkeit.
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Viele Rohstoffunternehmen reduzieren ihre Investitionen weiter. Dies deutet auf weiteren Anpassungsbedarf beim Angebot hin, obwohl die Marktpreise in
die Nähe oder gar unter die Kostenkurve gesunken
sind. Es ist nun eine Frage der Zeit, bis eine Marktkonsolidierung das Angebot weiter verengt.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Die Reduktion der globalen Wachstumserwartungen
indiziert zudem eine schleppende Nachfrage. Die
Rohstoffpreise sind somit in den kommenden Monaten nicht vor Rückschlägen gefeit. Wir glauben allerdings, dass der Boden bei den meisten Rohstoffen
durchschritten ist und der Sektor mittelfristig interessante Renditemöglichkeiten offeriert. Wir würden die Rohstoffallokation eher ausbauen – auch aus
Diversifikationsgründen.
Inzwischen hat sich die Lage etwas normalisiert. Erste
Anzeichen deuten bereits auf eine Reaktivierung
stillgelegter Bohrlöcher hin. Die Produzenten mit
hohen Gestehungskosten aber flexibler Infrastruktur
wie z.B. die US Schieferöl-Förderer werden zu den
neuen „Grenzproduzenten“. Insgesamt herrscht ein
Überangebot von 2-3%. Dieses könnte wegen Iran
über die nächsten Jahre um weitere 1-2% zulegen.
Iran hat bekräftigt, ein Förderziel von 4m Fass/Tag
erreichen zu wollen. Gleichzeitig schwächelt die
Nachfrage. Gemessen am globalen EinkaufsmanagerIndex scheint der Ölpreis allerdings zu stark korrigiert
zu haben
.
Bei USD 26/Fass kam der sagenhafte Ölpreisverfall
von über -75% nach mehr als 2 Jahre zum Stillstand.
Von den Preistiefststände erholte sich das schwarze
Gold innerhalb von etwa 5 Wochen um +60%. Dass
dies nicht nur aufgrund geänderter Angebots- und
Nachfragesituation zustande kam, liegt auf der Hand.
Der Ölpreis war eines des beliebtesten Opfers für
Leerverkäufe. Spekulative Positionen wurden in grossem Masse eingedeckt.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Auf der Angebotsseite konnten viele kleinere Bohrfirmen kostenmässig bei einem Ölpreis unter USD
30/Fass nicht mehr mithalten. Die Anzahl operative
Bohrlöcher hat sich fast um 80% reduziert. In vielen
Fällen waren wurden die Aktivitäten mit Schulden
finanziert. Die explodierenden Kreditspannen drückten die über 100 Unternehmen in den USA an die
Wand.
Es gibt aber durchaus Kräfte, welche auf ein besseres
Angebots/Nachfrage Gleichgewicht abzielen.
Bei den grossen integrierten Ölfirmen werden die
Investitionen um 10-15% gesenkt. Die Industrie steht
nunmehr im vierten Jahr massiver Investitionssenkungen. Dies ist nicht nachhaltig und dürfte über
lang oder kurz zu einer Angebotsverknappung führen. Kreditausfälle und Konkurse unterstützten dabei
die Konsolidierungsphase. Den nachhaltigsten Ein-
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fluss auf den Ölpreis dürfte aktuell aber die Aussicht
auf Produktionskürzungen und/oder höherer Förderdisziplin unter den Förderländern haben. An einem Treffen in Doha im April soll über Massnahmen
diskutiert werden. Der Iran wird daran teilnehmen,
aber wohl kaum auf Einschränkungen eingehen. So
dürfte das Einfrieren auf aktuellem Produktionsniveau das höchste aller Gefühle sein.
Industriemetalle leiden weiterhin unter der schwachen globalen Industrieproduktion. Die Bodenbildung bei den Preisen dauert etwas länger als erwartet. Die Nachfragesituation in den Schwellenländern
hat sich nur zögerlich stabilisiert. Die Kupfernotierung ist stark von der Wachstumsabschwächung in
China beeinflusst. Wirtschaftsstimuli der chinesischen Regierung dürften ihre Wirkung langsam entfalten. Wir erwarten vor allem aus dem Bausektor
positive Impulse. Anpassungen auf der Angebotsseite
haben sich angesichts kollabierender Gewinne (Antofagasta: -99% im FY 2015) beschleunigt. Der Druck
nach Cash Flow-Erhalt bleibt gross. Andererseits
scheint der Kupferpreis gemessen an der Wirtschaftslage nach unten überschossen zu haben.
um die starke Nachfrage zu befriedigen. Mittelfristig
dürfte das Metall von der schnell wachsenden
Leichtbauweise im Transportsektor profitieren. Bei
den Industriemetallen bleiben Investoren unterinvestiert und skeptisch, die jüngsten Preiserholungen
haben allerdings das Interesse geweckt und Leerverkäufer zum Eindecken gezwungen.
Bei den Agrarprodukten drücken die nur zögerlich
fallenden Lagerbestände und die Perspektiven auf
eine insgesamt gute Ernte auf die Preise. Die Erträge
dürften insbesondere bei der südamerikanischen
Soja gut ausfallen. Bei Mais prognostiziert das USDA
für die kommende Saison eine grössere Anbaufläche,
und China scheint die einheimische Nachfrage aus
den Lagern decken zu können. Unterstützung erhält
der Mais von Überschwemmungen in den US Südstaaten. Die Weizenpreise sind vom hohen Angebot
unter Druck. In Nordamerika erwartet man beim
Winterweizen eine exzellente Ernte. Zusätzlich
herrscht Unsicherheit über die Nachfrage aus Ägypten, weltweit grösster Weizenimporteur. Wir nehmen
gegenüber Agrarstoffen eine neutrale Haltung ein.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Die Platinpreise gerieten von den schwächeren Autoabsatzzahlen in den Schwellenländern unter
Druck. Angesichts der tiefen (Stahl)Schrottpreise
werden viele Altwagen gelagert. Dies reduziert das
aus dem Recycling stammende Platin um fast 15%
und stützt somit die Preise. Beim Nickel haben sich
die Preise wegen rund 20% Überkapazitäten, welche
nur schleppend abgebaut werden, nicht erholt. Zudem sind die Lager voll. Eine Preiserholung ist nicht in
Sicht. Unklare Zeichen kommen aus dem Aluminium
Markt. Global scheint immer noch ein Angebotsüberhang zu herrschen. Trotzdem hegt der weltgrösste Alu-Hersteller Hongqiao Expansionspläne –
Der Goldpreis profitiert seit Anfang Jahr von diversen
Treibern. 1) die Unsicherheit an den Finanzmärkten
hat das gelbe Metall als sicheren Hafen wieder etwas
ins Rampenlicht gerückt; 2) die Wirkungslosigkeit der
Geldpolitik und der zunehmende Vertrauensverlust
(ins Papiergeld und Zentralbanken) haben Gold als
Alternative positioniert. 3) der schwächere USD und
wegen anziehender Inflation sinkende Realzinsen
geben dem Goldpreis Auftrieb. Die Verschiebung der
nächsten US Leitzinserhöhung hat den Trend unterstützt. 4) Kurzfristig hat das Schliessen von Leerverkäufen preistreibend gewirkt. Wir glauben, dass sich
vor allem die steigende Inflationserwartung in den
nächsten Monaten positiv auf den Goldpreis auswirken wird.
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Die Aussage Draghis die Zinsen voraussichtlich nicht
weiter zu senken, hat zu einem überraschenden Erstarken des EUR geführt. Offenbar erwartet der
Markt eine Verengung der Zinsdifferenz. Gemäss der
Zinsparität müsste der EUR tatsächlich gegenüber
dem USD etwas an Wert zulegen. Die potenzielle
Wachstumsdynamik ist attraktiver. Ob sich dies denn
auch materialisiert, wagen wir zu bezweifeln.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Währungen: Von Realzinsen bestimmt
Seit das FED die Leitzinsen um 25 Bps erhöht hat,
verbilligte sich der USD um rund 5%. Das Einführen
negativer Zinsen in Japan führte zu einer Aufwertung
des JPY um gut 8% gegenüber dem USD und +5%
gegenüber dem EUR. Marktreaktionen, welche so
vermutlich nicht erwartet wurden und die Wirksamkeit von Zentralbankmassnahmen weiter in Frage
stellen. Zu Recht, denn Währungen lassen sich nur
bedingt über absolute Zinssätze steuern, pendeln sich
die Bewertungen doch eher über die realen Sätze ein.
Der Yuan leidet aktuell unter der Wachstumsabschwächung und ist von geldpolitischen Massnahmen beeinflusst. Als „IMF“-Währung und mit Blick
auf die Bedeutungszunahme des chinesischen Finanzplatzes dürfte der er an Stärke gegenüber des
USD gewinnen. Zurzeit sprechen die hohe globale
Verschuldung in USD und gewichtige Kapitalströme in
USD Anlagen für die amerikanische Währung. Der US
Konjunktur und Inflationserwartung ist dies allerdings
nicht förderlich.
Die Schwellenländer profitieren vom schwächeren
USD beim Bedienen der Schulden und/oder über
Mehreinnahmen aus Rohstoffen. Die Entspannung an
der Währungsfront hat die Börsen dieser Länder beflügelt. Dies könnte sich in den nächsten Monaten
noch fortsetzen.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Vor dem Hintergrund gesunkener Realzinsen in den
USA erstaunt die USD Abschwächung nicht. Die Inflation hat die Zinserhöhung überkompensiert. Aus dieser Optik hätte sich ein Zinsschritt an der letzten FED
Sitzung aufgedrängt. Andererseits ist die USD Abschwächung ein Anzeichen für den fortgeschrittenen
Zustand der US Konjunktur und eine Folge der negativere Aussenhandelsbilanz und steigenden Verschuldung.
Die schwache ökonomische Leistung Japans und das
Erstarken des Yen passen nicht zusammen. Wir glauben, dass der JPY gegenüber dem USD auf Basis der
Kaufkraft überschossen hatte und die Kluft nun korrigiert wird. Bei einer anhaltend expansiven Geldpolitik müsste sich der Yen erneut abschwächen.
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stark gesunken, bleiben gegenüber Erträgen aus Obligationen weiterhin attraktiv.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
Das Währungspaar CHF/EUR scheint sich nach den
Verwerfungen vor etwas mehr als einem Jahr auf
einem Niveau um CHF 1.10 eingependelt zu haben.
Die nominale Zinsdifferenz ist relativ stabil zu Gunsten des EUR Raums, währendem die realen Zinsen,
wegen der Deflation in der Schweiz eher zugunsten
eines stärkeren CHF sprechen. Dabei ist zu beachten,
dass der Wechselkurs regelmässig durch Interventionen der SNB beeinflusst ist. Wir glauben, dass der
CHF weiterhin vom Bonus der politischen Stabilität
und Rechtssicherheit profitiert und somit zur Stärke
neigt. Vor allem gegenüber dem EUR, welcher u.a.
wegen der anstehenden Brexit-Abstimmung unter
Druck kommen könnte.
Quelle: Bloomberg, Santro Invest
International ausgerichtete, breit diversifizierte Immobilienfonds bieten interessante Zusatzrenditen
mit überschaubarem Risiko. Die grosse Anzahl neuer
Produkte z.B. mit Ausrichtung auf den deutschen
Immobilienmarkt lassen uns auch gegenüber internationalen Anlagen zunehmend skeptisch werden. Eine
genaue Risikoabwägung, inkl. Fremdwährungen, ist
nötig. Bei der Auswahl der Anlagen fokussieren wir
auf direkte Erträge und meiden Produkte mit hohen
Aufschlägen zum Buchwert.
Immobilien: Unwirksame Zinsimpulse
Die seit Anfang 2016 wieder fallenden Realzinsen in
der Schweiz unterstützten die Performance der Immobilienanlagen. Der Referenzindex ist allerding seit
gut einem Jahr auf Konsolidierungskurs. Der positive
Effekt tiefer Zinsen verliert an Kraft. Das Prinzip des
abnehmenden Grenznutzens spielt. Dabei dürfte die
Tatsache dass der Referenzzinssatz und die Inflation
negativ sind, von Bedeutung sein. So haben sich denn
auch die Agios nicht mehr auf die alten Höchststände
zurückbewegt, sind aber mit über +30% für
Wohnimmobilienvehikel immer noch überdurchschnittlich hoch. Im kommerziellen Bereich verlaufen
die Prämien mit +15% in etwa entlang dem historischen Durchschnitt, wohl weil sich in diesem Segment das Überangebot schon bemerkbar machte.
Die Nachfrage nach Wohnimmobilien in der Schweiz
dürfte weiterhin vom Bevölkerungswachstum und
Rendite suchender Liquidität getrieben sein. Die
Renditeaussichten sind auch bei den Immobilien
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Schlussfolgerung
Bei all der Kritik welcher sich die Zentralbanken ausgesetzt sehen, müsste man sich wieder einmal die
Aufgaben dieser Institutionen vor Augen führen. Das
oberste Ziel der meisten Zentralbanken ist die Preisstabilität. Subsidiär meist noch eine Kombination von
Vollbeschäftigung und das Sicherstellen moderater
Leitzinsen. Den Zentralbanken vorzuwerfen, sie hätten die Konjunktur nicht anzukurbeln vermocht,
schiesst deshalb am Ziel vorbei - das ist die Aufgabe
der Regierungen und Parlamente.
Kritik ist trotzdem angesagt. Preisstabilität ist nicht
erreicht. Es herrschen global deflationäre Tendenzen. Anderseits wären wir nicht erstaunt, wenn künftig die Inflation überraschend schnell das Preisgefüge durcheinanderwirbeln würde. Kritik ist auch angesagt, wenn es um die Instrumentalisierung der Zentralbanken geht - das FED, die EZB, BoJ oder PCOC
sind längst verlängerter Arm der Wirtschaftspolitik.
Die Aufgabe der Unabhängigkeit wird sich als Bumerang erweisen. So gesehen sind wir froh, vermögen
die Zentralbanken mit ihren Aktionen an den Finanzmärkten nur noch wenig Impulse zu vermitteln.
Es wird langsam klar, dass das wirtschaftliche Malaise, nicht zyklischen Ursprungs ist. Es sind starke
strukturelle Kräfte am Werk.
1) Die Schuldenwirtschaft, welche das Wachstum in
den letzten Jahrzenten begünstigte, sich aber in
Zukunft als Wachstumsbremse erweisen wird.
2) Das Ende der Globalisierung, welche neue Handelsströme hervorbrachte und über internationale
Arbeitsteilung enorme Effizienzgewinne ermöglichte. Heute werden wieder vermehrt Handelsbarrieren aufgebaut
3) Das Auftauchen einer technologischen Revolution, welche digitale mit analoger Welt verschmelzen lässt. Von den resultierenden Produktivitätsgewinnen profitiert eher das Kapital und weniger
die Arbeitskraft.
4) Die demographische Herausforderung. Der produktive Teil der Gesellschaft wird in den nächsten
Jahrzehnten um -0.3% p.a. fallen. Die Überalterung hat zwar durchaus Wachstumskomponenten,
wird aber öffentliche und private Haushalte
enorm belasten.
Ein solches Umfeld hat weitreichende Konsequenzen
für Investitionen. Besonders auch deshalb, weil viele
Vermögenswerte inflationiert sind. Ohne Wirtschaftswachstum nahe am Potenzial werden die Unternehmensgewinne nicht oder nur bedingt steigen.
Die Rentenmärkte sind völlig überteuert - Vernünftige Renditen können nur noch am langen Ende, unter
Eingehen enormer Durations Risiken, oder bei Anlagen im Hochzins-Bereich erreicht werden. Die echten
Kreditrisiken werden heute allerdings nicht mehr
adäquat abgegolten. Wir glauben deshalb, dass es
Zeit ist, sich defensiv aufzustellen. Strategisch gilt es
das Obligationen-Portfolio in Stärkephasen weiter zu
reduzieren. Es locken fast nur noch Kapitalgewinne –
steter Geldfluss von Coupons ist passé! Die Duration
halten wir kurz. Aufgrund unseres Makro-Szenarios (=
mögliche Stagflation) würden wir inflationsgeschützte Anleihen aufbauen.
Aktien versprechen mittelfristig die interessantesten
Renditen. Taktisch bauen wir Positionen ab - es fehlen in den nächsten Monaten wichtige Wachstumsimpluse, die Bewertungen sind stolz. Performance optimieren heisst mögliche Verluste minimieren.
Bleibt das weite Feld der alternativen Anlagen, welche - im Aggregat - einmal mehr eine mehr schlechte
als rechte Performance erreicht haben. Wir sind in
diesem Bereich sehr selektiv. Und letztlich die Rohstoffe. Das Konjunkturumfeld spricht nicht für diese
Asset-Klasse. Allerding haben die Preise nach unten
überschossen, und Preisstimuli erwarten wir von
angebotsseitigen. Das unsichere Umfeld spricht für
Gold - haben doch die Zentralbanken viel Glaubwürdigkeit eingebüsst. Diese Kritik an den monetären
Hütern erachten wir als gerechtfertigt. Kann man
dem Bargeld, was nichts anderes als ein Zahlungsversprechen der Zentralbanken ist, in Zukunft denn noch
trauen?
Johannes Borner, CIO, Santro Invest AG
Pfäffikon, 23. März 2016
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