Strukturierte Produkte | Derivate Corner

Werbung
Strukturierte Produkte | Derivate Corner
Securities Lending
Wenn Wertpapiere „geliehen“ werden
I. Begriff
Securities Lending oder Wertpapierleihe ist ein Vorgang, bei welchem Wertpapiere für einen begrenzten Zeitraum gegen Entgelt
verliehen werden. Die beiden Parteien heissen Verleiher und Entleiher. Der Entleiher hat nach Ablauf des begrenzten Zeitraums die
Pflicht, Wertpapiere gleicher Art und Güte zurückzugeben. Er hat
also nicht die gleichen oder identischen Wertpapiere zurückzugeben. Der Verleiher erhält vom Entleiher für die zeitweise Übergabe
der Wertpapiere ein Entgelt, Leihgebühr genannt. Die Dividenden- und Stimmrechte werden regelmässig auch übertragen und
zusätzlich abgegolten. Meist erfolgt eine Deckung des Verleihers,
aber nicht immer. Im Gegensatz zur Wertpapierleihe steht das Repurchase Agreement (Repos), bei welchem Wertpapiere verkauft
werden und gleichzeitig abgemacht wird, dass die Wertpapiere
nach einer gewissen Zeit wieder zurückgekauft werden. Verleiher
sind meist grosse Wertpapierhändler, Fonds, Pensionskassen und
Grossaktionäre.
II. Marktgrösse
Beim Securities Lending handelt es sich um ein Over the CounterGeschäft (OTC). Die Marktgrösse ist deshalb schwer zu schätzen. In
der Schweiz schätzt die Eidgenössische Bankenkommission (EBK)
die Grösse des Marktes mit rund 20% der kurzfristigen Verbindlichkeiten der Banken. Gemäss Liquiditätsausweis der EBK betragen diese kurzfristigen Verbindlichkeiten etwa CHF 745 Milliarden.
Die Marktgrösse des Securities Lending wäre damit bei rund CHF
150 Milliarden.
III. Wertpapierleihe bei Leerverkäufen
Bei einem Leerverkauf (englisch „short selling“) werden Wertpapiere auf Termin verkauft. Der Verkäufer rechnet mit einem Verfall des Preises der Wertpapiere. Er hofft also, die Wertpapiere zu
einem späteren Zeitpunkt billiger einkaufen zu können. Nach den
meisten Börsengesetzen ist der nicht gedeckte Leerverkauf nur
beschränkt - wenn überhaupt - zulässig. Der Verkäufer muss sich
also mit Papieren eindecken. Dies geschieht meist über ein Securities Lending. Leerverkäufe gehören zu den Strategieinstrumenten
von Hedge Funds.
können. Demgegenüber sind bei einem Kauf von Aktien die Gewinnchancen theoretisch unbegrenzt, währenddem das Verlustrisiko auf den Kaufpreis der Aktie beschränkt ist.
Hedge Funds, welche Leerverkäufe tätigen, also Shortpositionen
eingehen, decken sich bei grossen Banken ein. Diese wiederum
beschaffen sich die Wertpapiere von Fonds, Pensionskassen und
wohlhabenden Privatpersonen. Die Banken fungieren also als
eine Art Sammelstelle für das Shortselling. Das Geschäft entbehrt
nicht einer gewissen Ironie, weil die Verleiher von Wertpapieren,
welche ja weiterhin ein Interesse an steigenden Märkten haben,
Positionen von Hedge Funds sicherstellen, welche bei fallenden
Märkten Gewinn erzielen wollen.
IV. Risiken des Securities Lending
In der Schweiz wird das Securities Lending als derzeit „heisses
Eisen“ bezeichnet. Die EBK hat deshalb im Jahresbericht 2007
diesem Thema einen Artikel gewidmet. Die EBK weiss, dass das
Securities Lending ein wichtiges Instrument der Effektenmärkte
geworden ist. Wie ausgeführt beträgt das geschätzte Volumen in
der Schweiz rund CHF 150 Milliarden. Die EBK ist der Auffassung,
dass ein erheblicher Teil dieses Volumens ohne Deckung verliehen wird. Bei einem Anteil von 50% sind dies immerhin CHF 75
Milliarden. Von Bedeutung ist dieser Umstand dann, wenn die
borgende Bank in finanzielle Schwierigkeiten kommt. Der Verleiher hat dann nur einen Forderungsanspruch gegen die Bank
Die verliehenen Wertpapiere gehen ja ins Eigentum der Bank
über und sind nicht mehr zu Gunsten des Anlegers ausgesondert.
Der Verleiher hat allein einen Anspruch auf Rückerstattung von
Wertpapieren der gleichen Art und Güte. Kann dieser Anspruch
von der Bank nicht mehr erfüllt werden, wandelt er sich in einen
Schadenersatzanspruch in Franken um. Ohne Sicherheit handelt
es sich in einem Konkurs der Bank um eine ganz normale Konkursforderung. Die EBK will deshalb das Securities Lending bei
privaten Anlegern verbieten.
Bei einem Leerverkauf von Aktien ist der mögliche Gewinn auf
den Wert des Papiers beschränkt. Das Risiko ist demgegenüber
unbegrenzt, weil auch die Aktien theoretisch unbegrenzt steigen
Konklusion:
Wer mit Securities Lending eine zusätzliche Gebühr verdienen will, tut gut daran, seine Risiken einzuschätzen. Er hat vor allem darauf
zu achten, dass die Rückforderung der Wertpapiere sichergestellt ist.
22
the investor | 11.04.2008
Herunterladen