Freude über das KindSorge um seine Gesundheit Was leisten vorgeburtliche Untersuchungen? Stiftung für das behinderte Kind Förderung von Vorsorge und Früherkennung Vorwort Vorwort Eine Familie planen, Eltern werden – viele Paare erleben diesen Abschnitt ihres Lebens als großes Glück. Bis vor wenigen Jahrzehnten war das ungeborene Kind unsichtbar und wuchs unerreichbar im Bauch der Mutter heran. Heute gibt es eine Vielzahl von Untersuchungen zur Überwachung des ungestörten Werdens oder um angeborene Erkrankungen oder Fehlbildungen bereits vor der Geburt aufzudecken oder zumindest Hinweise darauf zu geben. Die Möglichkeiten der modernen Pränataldiagnostik erscheinen segensreich. Allerdings bergen manche Untersuchungen selbst ein gewisses In die Vorfreude auf ihr Kind mischen sich für die werdenden Eltern oft Sorgen um die Gesundheit des ungeborenen Kindes. Viele fühlen sich verunsi- chert. Wieviel Vorsorge ist nötig, welche Untersuchen bergen ein zu großes Risiko für den Fötus. Die ärztliche Betreuung der Schwangeren hat in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht, auch bei der Erkennung und Vermeidung kindlicher Störungen vor der Geburt. Die pränatale Diag- nostik ist heute ein wichtiger Bestandteil dieser vorgeburtlichen Betreuung. Die „Stiftung für das behinderte Kind“ will mit der Broschüre die Eltern über die Möglichkeiten, die Ergebnisse und ihre Konsequenzen sowie die Grenzen dieser Verfahren aufklären. Nur Eltern, die gut informiert sind, können im Sinne ihres ungeborenen Kindes über den Einsatz der Methoden entschei- den. Doch bei aller medizinischen Vorsorge, die richtig und wichtig ist, darf die Freude auf das Kind nicht verloren gehen. Herzlichst, Ihre Dr. Ursula von der Leyen MdB | Bundesministerin der Risiko, dass das Kind dabei Schaden nimmt. Darüber hinaus liefern die Ergebnisse längst nicht immer die ersehnte Gewissheit. So stellen unauf- Verteidigung fällige Befunde keine Garantie dar, dass ein Kind gesund zur Welt kommt. Seit Anfang 2006 unterstützt tatsächlich Erkrankungen oder Fehlbildungen aufweisen wird, noch we- Frau Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin der Verteidigung, die Stiftung für das behinderte Kind als Schirmherrin. Umgekehrt bedeuten auffällige Ergebnisse nicht immer, dass das Kind niger ist klar, in welchem Umfang es dadurch möglicherweise beeinträch- Professor Dr. Joachim W. Dudenhausen Vorsitzender des Stiftungsvorstandes tigt ist. Und schließlich stellt die Pränataldiagnostik Eltern immer wieder vor große Belastungen, etwa wenn sie auf die Untersuchungsergebnisse warten oder wenn sie bei ungünstigen Befunden entscheiden müssen, wie sie damit umgehen. Alle werdenden Eltern stehen früher oder später vor der Frage, ob und in welchem Ausmaß sie vorgeburtliche Untersuchungen durchführen lassen wollen. Es gibt darauf keine allgemeingültigen, keine richtigen oder falschen Antworten. Vielmehr ist jedes Paar gefordert, seinen eigenen Weg zu finden. Diese Broschüre soll dabei eine Hilfe sein. Sie zeigt die Möglichkeiten der Pränataldiagnostik auf, aber auch ihre Grenzen. Und sie will ein Bewusstsein dafür wecken, dass absolute Gewissheit in der Schwangerschaft oft eine Illusion ist. Lebenskunst besteht darin, die Ungewiss- Ursula von der Leyen heit zu akzeptieren und sich trotzdem über das Kind zu freuen. Ihr Joachim W. Dudenhausen 03 Fortpflanzung Fortpflanzung Befruchtung, Entwicklung, Geburt – Ein langer Weg mit Hürden weiblich männlich erteilungsstörungen ten, Chromosomen-V mierung ente, fetale Program d Alkohol, Medikam fektionen, Nikotin- un In ek ef Weitergabe von Gend Erbsubstanz DNA Chromosom Samenzelle Eizelle Befruchtete Eizelle, Zygote Embyo, 4. WOCHE Fetus, 13. WOCHE Die Erbinformation des Menschen ist in Der Mensch hat einen Satz aus 46 Bei der Produktion der Keimzellen wird Die befruchtete Eizelle beginnt sich zu einem langen Kettenmolekül gspeichert, Chromosomen, davon 44 sogenannte der Chromosomensatz halbiert. Samen- teilen, der Embryo wächst heran. Ins- der Desoxyribonukleinsäure, kurz DNS Autosomen. Sie sind doppelt vorhanden, zellen haben daher 22 Autosomen plus besondere in der Phase der Organent- (oder englisch DNA). Abschnitte der ein Satz stammt vom Vater, einer von entweder ein X- oder ein Y-Chromosom, wicklung können Einflüsse von außen zu DNA, in denen bestimmte Erbanlagen der Mutter. Hinzu kommen zwei weitere Eizellen haben ebenfalls 22 Autoso- Schäden führen, beispielsweise Alkohol kodiert sind, heißen Gene. Die DNA des Chromosomen, die das Geschlecht be- men und immer ein X-Chromosom. Die oder Drogen. Auch manche Infektionen Menschen befindet sich zum einen im stimmen. Ein X- und ein Y-Chromosom befruchtete Eizelle verfügt dann wieder stellen für den Embryo eine Gefahr dar. Zellkern, wo sie die meiste Zeit in einer führen zum männlichen Geschlecht, über einen vollständigen Chromosomen- Darüber hinaus können Übergewicht geknäuelten Form vorliegt und soge- zwei X-Chromosomen zum weiblichen. satz mit den beiden Geschlechtschro- und Zuckerstoffwechselstörungen der nannte Chromosomen bildet. Darüber Männer können daher ein X- oder ein Y- mosomen. Mutter das Risiko des Kindes für die hinaus gibt es DNA in den Mitochon- Chromosom weitergeben, Frauen immer Entwicklung von Stoffwechselstörungen drien, speziellen Strukturen in der Zelle, nur ein X-Chromosom. prägen. Man spricht dann von fetaler die unter anderem für die Energiegewinnung sorgen. 04 Programmierung. 22. WOCHE 31. WOCHE 40. WOCHE Landkarte der menschli chen Chromos omen das Kary ogramm Im Karyo gramm w erden die Chrom osomen einer Zelle in g eordnete r Form dargeste llt. Damit lassen sich Ano malien, w ie überzähli ge oder fe hlende Chromos omen so wie größere stru kturelle V eränderungen, e rfassen. 05 Risikofaktoren Risikofaktoren Wodurch ist die Gesundheit des Kindes gefährdet? Die vorherige Doppelseite macht deutlich, dass Befruchtung und Embry- Darüber hinaus können mütterliche Einflüsse während der Schwanger- onalentwicklung sehr komplexe Vorgänge sind. Manchmal treten dabei schaft unter Umständen den Grundstein für Erkrankungen legen, die Störungen auf, die auch gesundheitliche Folgen haben können. Daher erst später im Leben auftreten. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die birgt jede Schwangerschaft ein gewisses Risiko, dass das Kind mit einer Mutter stark übergewichtig ist oder Stoffwechselstörungen hat, wie eine schwereren Erkrankung oder einer Fehlbildung zur Welt kommt. Dieses schlecht eingestellte Zuckerkrankheit (Diabetes). Das Kind ist dann in Risiko liegt bei etwa 3 Prozent, das heißt, dass statistisch gesehen drei der Gebärmutter einem Hormon- und Stoffwechselmilieu ausgesetzt, das von 100 Neugeborenen mit Anomalien zur Welt kommen. auch sein Risiko für eine krankhafte Stoffwechselregulation erhöht. Die Ursachen dafür sind meist in einer Kombination aus Umwelteinflüs- Manche Entwicklungsstörungen lassen sich vermeiden, manche zumin- sen und zahlreichen erblichen Faktoren zu sehen, man spricht von ei- dest frühzeitig erkennen. Der Schlüssel dazu liegt in den Maßnahmen ner multifaktoriellen Entstehung. Es gibt keine Möglichkeit, das Auftreten der Schwangerschaftsvorsorge und der vorgeburtlichen oder pränatalen von kindlichen Fehlbildungen zu verhindern. Allerdings kennen Ärzte ver- Diagnostik. schiedene Faktoren und Einflüsse, die mit einem erhöhten Risiko für die Gesundheit des Kindes einhergehen. Dazu zählen insbesondere seltene genetische Störungen, Infektionen sowie der Konsum von Genussgiften und bestimmten Medikamenten während der Schwangerschaft. Im Falle einer elterlichen Blutsverwandtschaft tragen gemeinsame Erbanlagen zu einem erhöhten Risiko für kindliche Fehlbildungen bei. 06 3% So hoch ist das Risiko jeder Schwangeren, ein Kind mit schwereren Erkrankungen oder Fehlbildungen zur Welt zu bringen. Dazu zählen insbesondere • Herzfehler • Lippen-Kiefer-Gaumenspalte • Anomalien der Nieren beziehungsweise des Harntrakts • Fehlbildungen der Wirbelsäule und des Rückenmarks (Spina bifida) 07 Risikofaktoren Risikofaktoren Genetisch bedingte Störungen Eine mögliche Ursache für Entwicklungsstörungen sind hen, vertauscht oder verdoppelt werden. Wird durch chro- heren Schwangerschaft bereits ein Kind mit einer Entwick- Heute sind von vielen vererbbaren Erkrankungen die zu- Veränderungen im Erbgut, die zum Beispiel auf Genmuta- mosomale Umbauten zwar die Anordnung der Gene, nicht lungsstörung zur Welt brachten. Weitere Hinweise sind grundeliegenden Erbgutveränderungen bekannt. Werden- tionen oder Chromosomenanomalien zurückzuführen sind. aber deren Zahl und Ausfertigung im Genom verändert, hat körperliche und geistige Behinderungen in den Familien de Eltern mit einer genetischen Vorbelastung sollten sich Genmutationen können von einem Elternteil oder beiden das keine nachteiligen Konsequenzen für den Träger. Dies der werdenden Eltern. In diesen Fällen sollte im Rahmen genetisch beraten lassen, welche dieser Veränderungen Eltern vererbt werden oder zufällig oder aufgrund von Um- ist beispielsweise bei einer balancierten Translokation der einer genetischen Beratung geklärt werden, ob genetische im Rahmen der Pränataldiagnostik entdeckt werden, wie welteinflüssen wie Strahlen oder chemische Substanzen Fall, wenn es zu Austauschvorgängen zwischen Chromo- Untersuchungen in der Familie sinnvoll sind. hoch gegebenenfalls das Risiko von Entwicklungsstörun- entstehen. Diese Mutationen führen dann möglicherweise somen gekommen ist. Allerdings kann bei der Keimzellbil- gen ist und welche Konsequenzen diese Störungen haben zu einer Erkrankung oder erhöhen die Anfälligkeit dafür. dung aus der balancierten Translokation eine unbalancierte können. werden, die dann eine veränderte Zahl an Genen beinhalBei Chromosomenanomalien sind entweder die Anzahl tet. Personen mit einer balancierten Translokation sind da- oder die Struktur der Chromosomen verändert. Zahlenmä- her gesund, ihre Nachkommen haben aber ein erhöhtes ßige Abweichungen entstehen meist im Rahmen der Keim- Risiko für genetisch bedingte Entwicklungsstörungen. zellbildung, das heißt, bei der Bildung von Ei- oder Samenzellen. Das Risiko steigt vor allem mit dem Alter der Mutter Ein solchermaßen erhöhtes Risiko lässt sich möglicherwei- (siehe Abbildung unten). Von strukturellen Abweichungen se schon aus der Familiengeschichte ableiten, etwa wenn spricht man, wenn chromosomale Abschnitte verloren ge- Mütter wiederholt Fehlgeburten hatten oder nach einer frü- Mütterliches Alter als Risikofaktor % 16 Abbildung 1: Wahrscheinlichkeit einer 14 chromosomalen Anomalie in Abhängigkeit 12 vom Alter der Mutter (Wieacker P, Steinhard 10 J Dtsch Arztebl Int 2010; 107(48): 857–62) 8 Infektionen Ein erhöhtes Risiko für die kindliche Gesundheit kann sich ergeben, wenn sich die werdende Mutter mit bestimmten Krankheitserregern infiziert. Dazu zählen insbesondere Rubellaviren („Röteln“), Varizella-Zoster-Viren („Windpocken“), Parvoviren B19 („Ringelröteln“) und Zytomegalieviren. Greifen die Infektionen auf den Embryo oder Fetus 6 über, drohen Entwicklungsstörungen und Fehlgeburten. 4 Bei manchen Infektionen lässt sich überprüfen, ob das 3 Kind ebenfalls erkrankt ist und deshalb möglicherweise 2 geschädigt wurde. 1 0 Alter der Mutter (Jahre) 08 20222426283032343638404244 4648 09 cco se os Pr Risikofaktoren Risikofaktoren Genussgifte und Medikamente Manche chemische Substanzen sind eine ernst zu neh- Frauen sollten daher spätestens dann mit dem Rauchen mende Gefahr für die Gesundheit des ungeborenen Kindes. aufhören, wenn sie von ihrer Schwangerschaft wissen, und Wegen ihres Potenzials, Fehlbildungen beim Kind hervor- Tabakrauch aus ihrer Umgebung verbannen. Denn auch zurufen, nennt man sie auch Teratogene. Da die kindlichen Passivrauchen trägt dazu bei, dass das Risiko für Fehl- Organe in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten an- und Totgeburten steigt. gelegt werden, ist diese Phase besonders empfindlich. Schädigungen, die im zweiten bis dritten Schwanger- Schließlich gibt es auch Medikamente, die mutagene Ei- schaftsdrittel auftreten, werden als fetotoxisch bezeichnet. genschaften haben, das heißt, die das Erbgut in den Keim- Ursachen sind in erster Linie bestimmte Medikamente, die zellen schädigen und damit kindliche Entwicklungsstörun- das Wachstum oder den kindlichen Stoffwechsel beein- gen auslösen können. Männer und Frauen, die regelmäßig flussen. Dazu zählen beispielsweise manche Antibiotika Medikamente einnehmen und sich ein Kind wünschen, oder Mittel, die in der Krebsbehandlung eingesetzt wer- sollten daher mit ihrem Arzt sprechen. den. Strahlenbelastung in der Frühschwangerschaft kann ebenfalls das Fehlbildungsrisiko erhöhen, allerdings nur in Darüber hinaus können manche Wirkstoffe die Barriere in hoher Dosis. Die heutzutage häufigste teratogene und fe- der Plazenta überwinden, die den Embryo normalerweise totoxische Belastung entsteht durch Alkoholgenuss in der schützt. In diesem Fall besteht die Gefahr, dass es zu Ent- Schwangerschaft. wicklungsstörungen und Fehlbildungen kommt (teratogene Eigenschaften). Nach Möglichkeit sollten Schwangere Trinken Schwangere regelmäßig größere Mengen Alko- daher auf Medikamente verzichten. Wenn sie aber wegen hol, kann dies zum sogenannten fetalen Alkoholsyndrom einer akuten oder chronischen Erkrankung auf bestimm- führen. Darunter versteht man ein Krankheitsbild mit te Medikamente angewiesen sind und schwanger wer- angeborenen Gesichtsveränderungen, den, sollten sie umgehend ihren Arzt informieren. Bei den Wachstumsanomalien sowie Intelligenzminderung und meisten Medikamenten ist keine fruchtschädigende Wir- Verhaltensstörungen. Da nicht bekannt ist, ab welcher kung zu erwarten oder ihre möglichen Auswirkungen in der Menge Bier, Wein oder Spirituosen derartige Störungen Schwangerschaft sind gut untersucht. Im Einzelfall sollte auftreten, sollten Frauen während der Schwangerschaft geprüft werden, ob die Therapie fortgeführt oder die Gabe sicherheitshalber ganz auf Alkohol verzichten. vorübergehend ausgesetzt werden kann, oder ob es alter- Fehlbildungen, native Medikamente gibt, deren Sicherheit in klinischen Aus vergleichbaren Gründen sollten Schwangere auf Nikotin verzichten. Man weiß heute, dass das Rauchen in der Schwangerschaft die Durchblutung der Plazenta beeinträchtigt und Entwicklungsstörungen hervorrufen kann. 10 Studien bestätigt wurde. Äußere Einflüsse auf das kindliche Erbgut Umwelteinflüsse während der Schwangerschaft müssen Werdenden Müttern ist daher beispielsweise zu raten, in nicht bereits bei der Geburt zu gesundheitlichen Auffällig- der Schwangerschaft auf ein weitgehend normales Ge- keiten führen. Sie entscheiden auch maßgeblich darüber, wicht beziehungsweise auf die empfohlene Gewichtszu- wie anfällig ein Mensch dafür ist, im weiteren Leben be- nahme zu achten (siehe Tabelle unten). Wenn die Mutter ei- stimmte Erkrankungen zu erleiden. So können beispiels- nen Diabetes hat, kann sie durch einen medikamentös und weise ein Ernährungsüberschuss oder -defizit, Stoff- ernährungstechnisch gut eingestellten Zuckerstoffwechsel wechselstörungen oder eine erhöhte Stressbelastung der für das Kind vorsorgen. Mutter über das hormonelle Milieu im Uterus zu einer FehlFrauen nehmen während der Schwangerschaft programmierung der kindlichen Organ- und Stoffwechsel- logischerweise an Gewicht zu. Allerdings ist es funktionen führen. Das Kind wird dadurch zum Beispiel mit nicht egal wie viel. Fachgesellschaften empfehlen höherer Wahrscheinlichkeit übergewichtig werden oder daher einen Rahmen, innerhalb dessen sich die Störungen im Zuckerstoffwechsel beziehungsweise Herz- Schwangere bewegen sollte. Er orientiert sich am Kreislauf-Erkrankungen entwickeln. Body-Mass-Index (BMI) vor der Schwangerschaft (Empfehlung nach Institute of Medicine, USA; Dieser Einfluss der Verhältnisse im Mutterleib auf die Quelle: BabyCare-Handbuch 2011). spätere Entwicklung des Kindes wird auch als fetale Programmierung oder fetale Prägung bezeichnet. Welche Mechanismen dabei zum Tragen kommen, ist noch nicht vollständig geklärt. Man weiß jedoch, dass die Hormonsituation und das Ernährungsangebot die Aktivität kindlicher Gene beeinflusst – ein Prozess, der auch als Epigenetik BMI (kg/m2) vor der Empfohlene Gewichtszunahme Schwangerschaft in der Schwangerschaft in kg < 20 12,5-18,0 20-26 11,5-16,0 26-29 7,0-11,5 bezeichnet wird. Diese epigenetischen Veränderungen können sogar über Generationen hinweg vererbt werden. 11 Vorsorge und Pränataldiagnostik Vorsorge und Pränataldiagnostik Schwangerenvorsorge und Pränataldiagnostik Der erste Schritt zur Pränataldiagnostik – die Beratung Jede werdende Mutter hat Anspruch auf verschiedene Vorsorgemaßnah- Die Pränataldiagnostik wird spätestens dann ein wichtiges kutiert werden. Eine Frau, die tiefgläubig ist und sich in ers- men, mit deren Hilfe sich manche Schwangerschaftsrisiken frühzeitig er- Thema, wenn Paare ein Kind bekommen, in deren Famili- ter Linie als Mutter sieht, wird über die Pränataldiagnostik kennen lassen. Dazu zählen insbesondere die sogenannte Anamnese, bei en bereits schwerwiegende vererbbare Erkrankungen oder möglicherweise anders denken als eine atheistische und der der Gesundheitszustand und etwaige Vor- und Begleiterkrankungen Fehlbildungen bei Neugeborenen aufgetreten sind. Das allein lebende Frau mit hohen Ansprüchen an ihre berufli- der Schwangeren erfasst werden, sowie regelmäßige körperliche Unter- Gleiche gilt, wenn sich Hinweise auf derartige Entwick- che Entwicklung. suchungen, Blutuntersuchungen und drei Ultraschalluntersuchungen. Im lungsstörungen während einer Schwangerschaft ergeben. Rahmen dieser Vorsorge werden auch Tests auf die oben erwähnten In- So oder so, die werdenden Eltern möchten dann verständ- Besonders wichtig ist es auch, darüber zu sprechen, wie fektionskrankheiten und auf eine immunologische Reaktion der Mutter licherweise wissen, ob ihr Kind gesund zur Welt kommen Paare im Falle ungünstiger Untersuchungsergebnisse gegenüber dem kindlichen Blut durchgeführt (Rhesus-Unverträglichkeit). wird oder nicht. weiter vorgehen können und wollen. Sich zwischen dem Ultraschalluntersuchungen dienen außerdem dazu, Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen des ungeborenen Kindes zu entdecken. 12 Austragen des Kindes und einer Abtreibung entscheiden Heute kann die Medizin darauf häufig eine Antwort geben. zu müssen – möglicherweise noch unter Zeitdruck – ist mit Mit verschiedenen Untersuchungen und Tests lassen sich enormen seelischen Belastungen verbunden. In manchen Zusätzlich gibt es weiterführende Untersuchungen mit dem Ziel, Fehl- etliche Entwicklungsstörungen bereits vor der Geburt er- Fällen kann es daher sinnvoll sein, von seinem Recht auf bildungen oder schwerwiegende Erkrankungen des Kindes zu erkennen kennen, oder es kann zumindest die Wahrscheinlichkeit Nichtwissen Gebrauch zu machen und eine Pränataldiag- oder gegebenenfalls auszuschließen. Sie werden unter dem Begriff Prä- errechnet werden, mit der eine Entwicklungsstörung bei nostik abzulehnen. nataldiagnostik zusammengefasst. Da die Untersuchungen selbst, erst dem Ungeborenen vorliegt. Paare sollten daher informiert recht aber die Ergebnisse, eine erhebliche Tragweite haben können, soll- werden, welche Untersuchungen und Tests es gibt, welche Werdende Eltern sollten über diese Zusammenhänge und ten sich Paare vor der Inanspruchnahme ausreichend über die Möglich- Erkrankungen sich dadurch mit welcher Zuverlässigkeit Konsequenzen Bescheid wissen und sich dann bewusst keiten und Grenzen der Pränataldiagnostik informieren. Denn letztlich entdecken lassen, und welche Risiken die Untersuchun- entscheiden, ob für sie das Risiko einer möglichen Behin- liegt es in ihrer Entscheidung, ob eine Pränataldiagnostik durchgeführt gen und Tests selbst bergen. Weiter ist zu erörtern, wel- derung bei ihrem ungeborenen Kind so schwer wiegt, dass wird und in welchem Umfang. che Ausprägung etwaige Entwicklungsstörungen haben sie die Belastungen und Gefährdungen aus einem Verfah- können und in welchem Ausmaß sie das Leben der Eltern ren der Pränataldiagnostik in Kauf nehmen möchten. In und des Kindes überhaupt beeinträchtigen. Und schließ- jedem Fall gilt daher: keine Pränataldiagnostik ohne vor- lich sollten diese Aspekte auch vor dem Hintergrund der herige Beratung. Nachfolgend stellen wir die wichtigsten Lebensziele des Paares, ihrer Wertvorstellungen und ihrer Untersuchungen und Tests mit ihren Möglichkeiten und Einbindung in religiöse und gesellschaftliche Normen dis- Einschränkungen vor: 13 Vorsorge und Pränataldiagnostik Vorsorge und Pränataldiagnostik Ultraschall (Sonografie) Ersttrimester-Screening (ETS) Wie funktioniert die Untersuchung? transparenz- oder Nackenfaltenmessung wird die Dicke Wie funktioniert das Screening? Bei der Ultraschalluntersuchung oder Sonografie werden der Nackenfalte mittels Ultraschall bestimmt. Eine erhöhte Das Screening wird zwischen der 11. und 14. Schwanger- Schallwellen in das Gewebe gesendet. An den Grenzflä- Dicke kann auf eine Chromosomenstörung (zum Beispiel schaftswoche durchgeführt und besteht aus der bereits chen zwischen Hohlräumen und Geweben oder zwischen Trisomie 21, 13 oder 18) oder andere Erkrankungen hin- erwähnten Nackentransparenzmessung per Ultraschall so- Geweben unterschiedlicher Dichte werden diese Schall- weisen. wie einem Bluttest. Dabei werden die Konzentrationen des wellen als Echo zurückgeworfen, das sich in einem Graustufenbild darstellen lässt. Schwangerschaftshormons HCG (humanes ChoriongonaDie Ultraschalluntersuchung kann auch zu fehlerhaften dotropin) und des Eiweißes PAPP-A (Pregnancy-Associa- Befunden führen. Dies ist zum Beispiel möglich, wenn ted Plasma Protein A) im Blut der Schwangeren bestimmt. Was leistet die Untersuchung? die Mutter stark übergewichtig ist, das Kind ungünstig Ultraschall wird im Rahmen der normalen Schwanger- liegt oder sich bei geringer Fruchtwassermenge nicht gut Was leistet das Screening? schaftsvorsorge eingesetzt, um das Wachstum und die genug von den umgebenden Geweben abgrenzen lässt. Ziel des Ersttrimester-Screenings ist es, frühzeitig das Ri- Trisomie 21 oder 18 oder 13 beim werdenden Kind errech- Entwicklung des Kindes, die Lage der Plazenta und die Auch die Qualität des verwendeten Gerätes und die Er- siko für eine Chromosomenstörung abzuschätzen. Eine nen. Demnach liefert das ETS keine endgültige Diagnose, Menge des Fruchtwassers zu überprüfen. Etwa in der 20. fahrung des Untersuchers spielen eine Rolle. Selbst kor- erhöhte Nackentransparenz im Ultraschall, eine erhöhte sondern eine Risikoabschätzung. Schwangerschaftswoche können mit der Untersuchung rekte Befunde liefern nicht immer eine sichere Diagnose. HCG-Konzentration und eine erniedrigte PAPP-A-Konzen- Organfehlbildungen erkannt bzw. ausgeschlossen werden. So ist eine erhöhte Nackentransparenz noch kein Beleg für tration deuten auf eine Chromosomenstörung hin. So zeigt der Ultraschall beispielsweise, ob die inneren Or- eine Chromosomenstörung, sondern nur ein Hinweis auf gane und das Skelett normal angelegt sind, wie sich Größe eine erhöhte Erkrankungswahrscheinlichkeit. Umgekehrt Jeder einzelne dieser Befunde hat nur ungenügende Aus- Faktoren ab, die bereits für die Ultraschalluntersuchung und Gewicht entwickeln, und ob Bauch und Rücken ge- schließt eine normale Nackentransparenz eine Chromoso- sagekraft. Kombiniert und in Verbindung mit dem müt- beschrieben wurden. Darüber hinaus können die Resultate schlossen sind. menstörung nicht aus. terlichen Alter können Computerprogramme aber eine je nach Art der verwendeten Tests und Computerprogram- definierte Wahrscheinlichkeit für das Vorhandensein einer me variieren. Besteht der Verdacht auf eine Entwicklungsstörung, kom- Welche Besonderheiten hat die Untersuchung? men spezielle Ultraschallverfahren zum Einsatz. Damit Die Untersuchung tut nicht weh, schadet weder dem Kind kann der Arzt den Blutfluss im Herzen, in den Gefäßen und noch der Mutter und kann beliebig oft durchgeführt wer- in der Nabelschnur des Kindes überprüfen und Fehlent- den. Außerdem freuen sich viele Eltern darauf, ihr Kind auf wicklungen des Kreislaufs sowie vorhandene oder drohen- diese Weise erstmals zu Gesicht zu bekommen. Welche Besonderheiten hat das Screening? Die Ergebnisse des Screenings hängen von denselben de Durchblutungsstörungen aufdecken. Bei der Nacken- HCG A P PAP 14 15 Vorsorge und Pränataldiagnostik Vorsorge und Pränataldiagnostik Erbgutanalysen Nichtinvasive Pränataltests (NIPT) Die vorherigen Verfahren liefern lediglich Hinweise auf dann vorgenommen werden dürfen, wenn vor und nach Wie funktionieren die Tests? Prozent beträgt, ist er bei NIPT mit etwa 45 Prozent 9-fach Anomalien im Erbgut, beweisend sind sie nicht. Dazu der Untersuchung eine genetische Beratung durch hier- Unter dem Begriff nichtinvasive-Pränataltests (NIPT) wer- höher. Ein wichtiger Pluspunkt ist außerdem, dass bei NIPT müssen Chromosomen und DNA direkt untersucht wer- für qualifizierte Ärzte stattgefunden hat. den verschiedene auf dem Markt verfügbare Tests zusam- nur in wenigen Einzelfällen falsch negative Ergebnisse vor- mengefasst. Sie beruhen darauf, dass das mütterliche Blut kommen, das heißt, dass der Test ein „normales“ Ergebnis den. Das notwendige Material dazu gewinnt man meist 16 aus kindlichen Zellen, die man dem Fruchtwasser oder Chromosomale Anomalien sind jedoch nur für den klei- ab der Frühschwangerschaft neben der mütterlichen in liefert, tatsächlich aber eine Chromosomenstörung vorliegt dem Choriongewebe bzw. der Plazenta entnimmt. Für neren Teil der erblich bedingten Entwicklungsstörungen geringer Menge auch kindliche Erbsubstanz (DNA) bzw. und nur nicht erkannt wurde. Trotzdem werden auffällige bestimmte Chromosomentests kann auch frei schwim- und Erkrankungen verantwortlich. Viele werden durch Bruchstücke davon enthält. Wird die DNA isoliert und ver- Ergebnisse bislang noch nicht als feststehende Diagnose mende kindliche DNA aus dem mütterlichen Blut isoliert Mutationen einzelner oder mehrerer Gene verursacht, mehrt, kann sie mithilfe der Tests untersucht werden. angesehen und sollten durch eine herkömmliche Chromo- werden. die sich mit Chromosomenanalysen nicht erfassen las- Für eine mikroskopische Chromosomenanalyse in Form sen. Heute gibt es für Tausende von erblich bedingten Was leisten die Tests? eines sogenannten Karyogramms ist zuvor eine Anzüch- Erkrankungen Tests, um die zugrunde liegenden geneti- Gegenwärtig werden die Tests vorwiegend zum Nachweis tung von kindlichen Zellen erforderlich. Damit lassen sich schen Veränderungen nachzuweisen oder auszuschlie- von Fehlverteilungen der Chromosomen 13, 18, 21 sowie Welche Besonderheiten hat das Screening? Abweichungen von der richtigen Chromosomenzahl, mi- ßen. Bisweilen wird auch das gesamte Genom auf der X und Y eingesetzt. Diese Tests sind besonders sicher für 3 bis 5 Prozent der Untersuchungen liefern keine Ergeb- kroskopisch sichtbare Stückverluste, überzählige Ab- Suche nach genetischen Fehlern durchforstet. Die Hoff- die Trisomie 21 und sehr viel besser als das Ersttrimester- nisse, beispielsweise weil nicht ausreichend kindliche DNA schnitte oder chromosomale Umbauten erkennen. nung ist, damit auch bislang unbekannte Mutationen zu Screening für andere Chromosomenstörungen. So liegt die im mütterlichen Blut enthalten ist. Deshalb sollte der Un- Beim sogenannten Schnelltest werden jene Chromo- entdecken, die beispielsweise mit kindlichen Entwick- Entdeckungsrate für die Trisomie 21 bei über 99 Prozent, tersuchungszeitpunkt nicht vor der abgeschlossenen 10. somen untersucht, bei denen zahlenmäßige Fehlver- lungsstörungen einhergehen. die Wahrscheinlichkeit, dass ein positives Testergebnis Schwangerschaftswoche liegen, die meisten Probenent- teilungen am häufigsten vorkommen. Das sind die Solche weiterführenden genetischen Analysen können falsch ist, bei 0,1 Prozent. Und während der positive Vor- nahmen finden in der 11. bis 14. Schwangerschaftswoche Chromosomen 13, 18 und 21 sowie die Geschlechts- beispielsweise begründet sein, wenn innerhalb der Fa- hersagewert2 für das Ersttrimester-Screening ungefähr 5 statt. chromosomen. Sie werden mit der FISH(Fluoreszenz- milie eines Paares bereits vererbbare Erkrankungen auf- in-situ-Hybridisierung)-Methode angefärbt und können getreten sind und im Rahmen der Familienplanung das direkt ohne Anzüchtung der Zellen bereits nach einem Erkrankungsrisiko für Nachkommen bestimmt werden Tag beurteilt werden. soll. Hierzu sollte im Vorfeld einer Schwangerschaft eine Bei einem Verdacht auf mikroskopisch nicht sichtbare genetische Beratung stattfinden. Aber auch klinische Chromosomenstörungen kommen weitere Techniken Hinweise auf eine Erkrankung während einer Schwan- zum Einsatz, mit denen sich einzelne Chromosomen- gerschaft können Genanalysen nach sich ziehen. bereiche darstellen lassen. Dazu zählt insbesondere die Wie intensiv man eine genetische Diagnostik durchführt, sogenannte molekulare Karyotypisierung (auch Array- hängt vom Einzelfall ab. Der betreuende Arzt wird - even- Analyse genannt), bei der das gesamte chromosomale tuell nach Rücksprache mit der Einrichtung, die die Ana- Material auf Abweichungen von der normalen Menge lysen vornimmt - sinnvolle Tests auswählen und sie dem überprüft wird. Damit lassen sich viel mehr Störungen Paar vorstellen. Auch diese Untersuchungen dürfen nur aufdecken als durch die mikroskopische Analyse, die dann vorgenommen werden, wenn vor und nach der Un- Interpretation der Befunde kann jedoch schwierig sein. tersuchung eine genetische Beratung durch hierfür qua- Deshalb gehören solche Tests nur in die Hände von hier- lifizierte Ärzte stattgefunden hat und die Konsequenzen für ausgebildeten Fachleuten. Die deutsche Gesetzge- für das Fortsetzen der Schwangerschaft sorgfältig über- bung sieht vor, dass vorgeburtliche Erbgutanalysen nur dacht wurden. somenanalyse nach Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie bestätigt werden. 1 DNA positiv bedeutet, dass Hinweise auf eine Chromosomenanomalie vorliegen 1 Der positive Vorhersagewert (PPV) gibt an, wie viele Personen, bei denen eine bestimmte 2 Störung mittels eines Testverfahrens festgestellt wurde, diese Störung tatsächlich haben. 17 Vorsorge und Pränataldiagnostik Vorsorge und Pränataldiagnostik ht w as s er kann der Arzt den Weg der Nadel durch die Bauchdecke hin (Spina bifida bzw. Omphalozele, Gastroschisis). Fr n wie einen offenen Rücken oder eine offene Bauchdecke vo wasser aus der Fruchtblase entnommen. Per Ultraschall en im Fruchtwasser erhöht, deutet dies auf Verschlussdefekte ug Bei der Amniozentese wird über eine Hohlnadel Frucht- sa hang mit einer Fehlbildung relevant. Ist seine Konzentration Ab Wie funktioniert die Untersuchung? uc Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese) Z Liegt die Nadel richtig, werden 10 bis 20 ml Fruchtwasser Welche Besonderheiten hat die Untersuchung? abgesaugt. Es enthält zum einen Haut- und Schleimhaut- Der Eingriff ist schmerzarm und kann ambulant durch- zellen des Kindes, deren Erbsubstanz man untersuchen geführt werden. Es besteht ein eingriffsbedingtes Fehl- kann. Der FISH-Schnelltest gibt bereits nach ein bis drei geburtsrisiko von 0,5 bis 1 Prozent. Im Unterschied zur Tagen Hinweise auf die wichtigsten Chromosomenstörun- Chorionzotten-Biopsie erfolgt die Amniozentese jedoch gen, für das endgültige Ergebnis braucht das Labor rund erst später, meist zwischen der 15. und der 18. Schwan- zwei Wochen, da die Zellen vor der Untersuchung in Kultur gerschaftswoche. Ein weiterer Nachteil ist, dass Eltern auf vermehrt werden müssen. Der Schnelltest auf chromoso- das endgültige Ergebnis der Chromosomenanalyse rund male Störungen reicht zur Diagnose nicht sicher aus, ein zwei Wochen warten müssen. Molekulargenetische Unter- positiver Befund muss durch die Chromosomenanalyse an suchungen dauern in der Regel noch länger, da erst eine den kultivierten Zellen bestätigt werden. Von Interesse ist ausreichend große Zellkultur vorliegen muss, bevor kind- darüber hinaus das im Fruchtwasser befindliche kindliche liche Erbsubstanz für Analysen gewonnen werden kann. Eiweiß Alpha-Feto-Protein (AFP). Diese Zeit wird oft als sehr quälend empfunden. Werden Gebärmutterwand Plazenta Fruchtblase mit Fruchtwasser Fruchtwasser halb ein Schwangerschaftsabbruch gewünscht, kann dies Anhand der kultivierten kindlichen Zellen lassen sich wie in diesem fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft aus Chorionzotten Chromosomenanalysen und nach der besondere körperliche und seelische Belastungen mit sich Isolation von DNA molekulargenetische Untersuchungen bringen. durchführen. Das Alpha-Feto-Protein ist im Zusammen- 18 Analyse Fruchtwasserzusammensetzung schwere kindliche Erkrankungen festgestellt und wird desWas leistet die Untersuchung? r gie en trifu en verfolgen und sicherstellen, dass er das Kind nicht verletzt. Zellen Geschlechtsbestimmung, biochemische enzymatische Analysen Zellkultur Biochemische und chromosomale Analysen 19 Vorsorge und Pränataldiagnostik Vorsorge und Pränataldiagnostik Chorionzotten-Biopsie Nabelschnurpunktion (Chordozentese) Wie funktioniert die Untersuchung? monats chromosomale Anomalien oder genetische Erkran- Wie funktioniert die Untersuchung? Welche Besonderheiten hat die Untersuchung? Die Chorionzotten sind ein Bestandteil der Plazenta und kungen mit hoher Sicherheit ausgeschlossen oder bestä- Bei der Chordozentese wird eine Hohlnadel durch die Die Chordozentese kann in der Regel ab der 16. Schwan- entwickeln sich wie der Embryo aus der befruchteten Ei- tigt werden, die belastende Wartezeit auf die Ergebnisse Bauchdecke in die Fruchthöhle und dann in die Nabel- gerschaftswoche vorgenommen werden. Auch hier gilt, zelle, ihre Zellen enthalten daher dieselbe Erbinformation. entfällt. schnurvene geführt. Auch dieser Eingriff erfolgt unter stän- dass der Eingriff für die Schwangere weitgehend schmerz- diger Sichtkontrolle durch Ultraschall. Liegt die Nadel rich- frei ist und ambulant durchgeführt werden kann. Allerdings tig, entnimmt der Arzt eine kleine Menge kindlichen Blutes. kommt es bei 1 bis 3 Prozent der Prozeduren anschließend Für die Biopsie führt der Arzt unter Ultraschallkontrolle und meist über die Bauchdecke eine Hohlnadel bis zu Anders ist dies, wenn versehentlich mütterliches Gewebe den Chorionzotten ein und entnimmt Gewebe. Ein Teil der entnommen wurde oder die untersuchten Zellen nicht alle gewonnenen Zellen wird für etwa einen Tag kultiviert, an- dieselben Befunde aufweisen. Dann muss die Biopsie wie- Was leistet die Untersuchung? schließend können die genetischen Untersuchungen statt- derholt werden, beziehungsweise im Falle abweichender Die Chordozentese ist meist mit speziellen Fragestellungen finden. Lediglich bei besonderen Fragestellungen ist eine Befunde eine Langzeitkultur über zwei Wochen angelegt vorbehalten. Mit der Methode lässt sich feststellen, ob eine längere Anzucht von etwa zwei Wochen notwendig. werden. Infektion von der Mutter auf das Kind übergegangen ist. zu einer Fehlgeburt. Die Ergebnisse liegen rasch vor. Darüber hinaus kann die Blutprobe für genetische AnalyWas leistet die Untersuchung? Die Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt während oder sen verwendet werden. Häufig wird die Untersuchung ver- Das kindliche Gewebe, welches bei der Chorionzotten- nach einer Chorionzotten-Biopsie beträgt bei erfahrenen anlasst, wenn Ärzte eine Blutarmut bei dem heranwach- Biopsie gewonnen wird, kann für verschiedene genetische Ärzten ähnlich wie bei der Amniozentese 0,5 bis 1 Prozent. senden Kind vermuten oder die Mutter mit dem Erreger Tests herangezogen werden, zum Beispiel für Chromoso- der Ringelröteln infiziert war. Wichtig ist auch, dass es bei menuntersuchungen oder für Analysen von einzelnen Ge- Blutarmut oder einer Infektion des Kindes – anders als bei nen. den meisten genetisch bedingten Störungen – Behandlungsmöglichkeiten gibt. Welche Besonderheiten hat die Untersuchung? Die Chorionzotten-Biopsie wird bereits ab der 11. bis 12. Schwangerschaftswoche durchgeführt und die Ergebnisse liegen meist schon innerhalb weniger Tage vor. Dadurch können bereits zum Ende des dritten Schwangerschafts- 20 21 Pränataldiagnostik – Und dann? Pränataldiagnostik – und dann? Die Erläuterungen im vorherigen Kapitel machen deutlich, dass die Prä- scheiden, ob sie sich ein gemeinsames Leben mit dem Kind vorstellen nataldiagnostik manche Fragen beantworten kann, andere nicht. Dazu können oder die Schädigung so schwer wiegt, dass nur ein Schwanger- gehört beispielsweise die Frage, ob ein Kind vollständig gesund zur Welt schaftsabbruch infrage kommt. kommen wird. Wie bereits erwähnt, haben alle werdenden Eltern unabhängig von der Familiengeschichte ein immer vorhandenes Risiko von Wer sich für oder gegen Maßnahmen der Pränataldiagnostik etwa 3 Prozent für unterschiedliche angeborene Störungen bei ihrem ausspricht, sollte sich dieser Zusammenhänge bewusst sein. Neugeborenen. Auch nach Anwendung aller Maßnahmen der vorgeburtlichen Diagnostik reduziert sich dieses Gesamtrisiko nur geringfügig. Normalbefunde bei der Pränataldiagnostik sind daher keine Garantie dafür, dass ein Kind gesund zur Welt kommen wird. Beispielsweise lassen sich Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, einige Herzfehler oder Gehirnfehlbildungen nicht immer sicher feststellen. Ebenso wenig kann die Pränataldiagnostik garantieren, dass sich ein Kind geistig unauffällig entwickeln wird. Weiter lässt eine Diagnosestellung im Mutterleib häufig keine Aussage darüber zu, wie schwer das Kind durch die festgestellte Entwicklungsstörung im Laufe des Lebens tatsächlich beeinträchtigt sein wird. Noch weniger gibt die Pränataldiagnostik eine Antwort auf die Frage, wie Paare mit den Ergebnissen der Untersuchungen und Tests umgehen sollen. Für die meisten Entwicklungsstörungen gibt es keine Behandlung. Schwangere beziehungsweise Paare müssen daher gegebenenfalls ent- Na be lsc hn Fruchtwasseruntersuchun g (Amniozentese) 22 ur pu nk tio n (C ho rd oz en te se ) Ch ori onz ott en- Bio psi e tes ts (NI PT ) Nic hti nv as ive Prä na tal Erst Ärztliche Beratung trim este r-Sc reen ing (ETS ) Ul tra sc ha ll (S on og ra fie ) We ite rfü hre nd e DN A- An aly se n 23 Glossar Glossar A B D M Abdominal: Im Bereich des Unterleibs (Abdomen). Biopsie: Entnahme einer Gewebeprobe, die anschlie- DNA: Englische Abkürzung für Desoxyribonukleinsäure Mitochondrien: Strukturen im Inneren einer Zelle, ßend weiter untersucht wird. (DNS); Erbsubstanz, deren molekulare Bausteine in ihrer die unter anderem der Energiegewinnung dienen. Neben Abfolge wie eine Schrift die Erbinformationen speichern. dem Zellkern enthalten auch sie DNA, allerdings mit we- Alpha-Feto-Protein (AFP): Vom Embryo gebildeter Eiweißstoff, der ins Fruchtwasser und Blut der Mutter Body-Mass-Index (BMI): Der Body-Mass-Index be- Down-Syndrom: Häufigste und bekannteste Störung sentlich weniger Genen und nicht in Form von Chromo- gelangt. Erhöhte Konzentrationen deuten auf eine Spina wertet das Körpergewicht eines Menschen im Verhältnis der Autosomen; statt zwei tragen Betroffene drei Kopien somen. bifida hin. zu seiner Körpergröße. Die Formel zur Berechnung lautet des Chromosoms 21, deshalb wird das Syndrom auch Körpermasse (in kg) geteilt durch Körpergröße (in m) zum Trisomie 21 genannt. Die Bezeichnung Mongolismus ist Monosomie: Chromosomenanomalie, bei der ein Altersrisiko: Das mit dem Alter der Mutter steigende Quadrat, die Dimension beträgt dementsprechend kg/ überholt und wird nicht mehr verwendet. Chromosom, das doppelt vorhanden sein sollte, nur Risiko für eine Chromosomenstörung des Kindes (zum m2. Nach einer Einteilung der WHO sind Menschen mit Beispiel ein Down-Syndrom). einem BMI von 18,5 bis < 25,0 normalgewichtig. Niedri- E nicht lebensfähig, Ausnahme sind Mädchen, die nur ein gere Indizes stehen für Untergewicht, höhere für Über- Epigenetik: Gesamtheit jener Faktoren, die nicht das X-Chromosom haben statt zwei (Turner-Syndrom). gewicht. Gen selbst, sondern dessen Aktivität festlegen. Durch Amniozentese: Entnahme von Fruchtwasser mithilfe einer feinen Punktionsnadel durch die Bauchdecke. Sowohl Fruchtwasser als auch darin enthaltene kindliche C Zellen werden für weitere Untersuchungen benötigt. Chorion: Von kindlichem Gewebe gebildeter Teil des Mutterkuchens (Plazenta). Anamnese: Ärztliche Befragung zur Vorgeschichte und zum aktuellen Gesundheitszustand eines Patienten. Die Choriongonadotropin: In der Plazenta gebildetes Angaben dazu können vom Patienten selbst kommen Hormon (HCG) (Eigenanamnese) bzw. von Angehörigen oder anderen Personen, die den Patienten kennen (Fremdanamnese). Array-Analyse: Erbgutanalyse, bei der sich Chromo- einfach vorliegt. Feten mit Monosomie sind in der Regel epigenetische Einflüsse wird die Entwicklung der Zelle Mukoviszidose (zystische Fibrose): Eine der maßgeblich gesteuert. häufigeren vererbbaren Stoffwechselerkrankungen (eine Erkrankung auf ca. 3.000 Neugeborene). Durch eine Stö- F rung in der Sekretproduktion leiden Betroffene unter an- Fetal: Zum ungeborenen Kind (Fetus) gehörend. derem an Problemen im Bereich der Atemwege und des Verdauungstrakts. G Gene: Abschnitte auf der DNA, aus denen sich Protei- Mutation: Veränderung des Erbguts, potenziell mit Chorionzotten-Biopsie: Entnahme von Gewebe ne bilden. Ein Chromosom kann mehrere tausend Gene Auswirkungen auf die Funktion des Organismus. Mutati- aus dem kindlichen Teil des Mutterkuchens (Chorion); die beinhalten. Insgesamt umfasst das menschliche Genom onen können geerbt sein oder neu auftreten. Sie können Zotten sind Ausstülpungen dieses Gewebes. 20.000 bis 30.000 Gene. auf bestimmte Organe oder Gewebesysteme begrenzt somenveränderungen nachweisen lassen, die mit mikro- sein. Befinden sie sich im Erbgut der Keimzellen, können skopischen Verfahren nicht zu erkennen sind. Die Array- Chromosom: Spiralisierte DNA im Zellkern, durch Fär- Genetische Erkrankungen: Vererbbare Krankhei- Analyse erfasst sehr kleine Verluste oder Zugewinne von bung im Mikroskop sichtbar. Der Mensch hat einen dop- ten, die auf eines oder mehrere defekte Gene zurückzu- Genbereichen über das gesamt Genom hinweg. pelten Satz aus 22 Chromosomenpaaren (Autosomen) führen sind (zum Beispiel Bluterkrankheit oder Mukovis- P sowie zwei Geschlechtschromosomen (XX beim weibli- zidose). PAPP-A: Pregnancy-Associated Plasma Protein A, ein Autosomen: Chromosomen, die nicht zur Geschlechts- chen Geschlecht, XY beim männlichen), also insgesamt bestimmung beitragen. Der Mensch hat 22 Autosomen, 46. Protein im mütterlichen Blut. Es wird im Rahmen des Genom: Die Gesamtheit aller Gene im Erbgut. die in den meisten Zellen als doppelter Satz vorliegen, in den Keimzellen als einfacher Satz. sie weitervererbt werden. Ersttrimester-Screenings bestimmt und kann Hinweise auf eine kindliche Entwicklungsstörung geben. Chromosomenstörungen/-anomalien: Falsche K Anzahl oder in ihrer Struktur veränderte Chromosomen, Karyogramm: Geordnete Darstellung der Chromoso- Plazenta: Mutterkuchen, von mütterlichem und kind- in denen Genmaterial verloren gegangen ist oder verdop- men einer Zelle, in normalen Körperzellen des Menschen lichem Gewebe gebildetes Organ, das der Versorgung pelt vorliegt. Chromosomenstörungen nehmen mit dem insgesamt 46. des Feten dient und Hormone produziert. Alter der werdenden Mutter zu (Altersrisiko). 24 25 Glossar Prägung/Programmierung, fetale: Beeinflus- Translokation: Eine Veränderung im Chromosomen- sung der Funktion von Genen (Epigenetik) durch äußere bestand, bei der chromosomale Abschnitte aus ihrem Faktoren während der Fetalentwicklung, zum Beispiel angestammten Bereich entfernt und andernorts einge- durch das Hormon- und Stoffwechselmilieu. baut werden. Bei einer balancierten Translokation hat der Umbau keine negativen Folgen, bei einer unbalancierten R schon. Röteln-Embryopathie: Durch Rötelnerkrankung der werdenden Mutter während der ersten drei Schwanger- Trisomie: Chromosomenfehlverteilung, bei der ein schaftsmonate hervorgerufene schwere Fehlbildung des Chromosom, das doppelt vorhanden sein sollte, dreifach ungeborenen Kindes. vorliegt. Die bekannteste Form ist die Trisomie 21, die zum Down-Syndrom führt. Wesentlich schwerwiegen- S dere Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen treten Screening: Reihenuntersuchung bei der Trisomie 13 (Pätau-Syndrom) und der Trisomie 18 (Edwards-Syndrom) auf. Kinder mit einer Trisomie 13 Spina bifida („Gespaltener Dorn“): Offener Rü- oder 18 sterben meist nach der Geburt bzw. in den ers- cken, das heißt, angeborene Spaltbildung der Wirbel- ten Lebensmonaten. Trisomien kommen auch bei den säule. Das Rückenmark ist dadurch nicht vollständig von Geschlechtschromosomen vor und haben für die körper- Knochen umschlossen (Neuralrohrdefekt). liche und geistige Entwicklung wesentlich geringere Auswirkungen: XXY und XYY sind Trisomien bei Männern, Impressum Geschäftsstelle Stiftung für das behinderte Kind Jutta Mäder Tel.: 030-450 578 177 T die zwei X-Chromosomen (Klinefelter-Syndrom) bzw. Charité Campus Virchow Klinikum Teratogene: Biologische, chemische oder physika- zwei Y-Chromosomen tragen. XXX wird als Triplo X be- (Campusadresse: Nordring 5) lische Einflüsse in den ersten 3 Monaten der Schwan- zeichnet und kommt bei Frauen vor. Augustenburger Platz 1 D- 13353 Berlin gerschaft, die Fehlbildungen beim Embryo hervorrufen können, zum Beispiel Drogen, Alkohol, Nikotin oder Strahlung. Uterus: Gebärmutter Telefonsprechstunde dienstags 11-15 Uhr Tel.: 030-450-578 177 Toxoplasmose: Durch den Krankheitserreger Toxoplasma gondii hervorgerufene, im Allgemeinen harmlose Infektion. Steckt sich eine Schwangere zum ersten Mal in ihrem Leben mit Toxoplasmose-Erregern an, kann die Krankheit auf das Kind übertragen werden und schwere Fehlbildungen hervorrufen. Fax: 030-450-578 955 E-Mail: [email protected] Redaktion Günter Löffelmann www.form-und-fuellung.de Design Looks.Like.Liepold Kommunikationsdesign www.looks-like-liepold.de Stand: Januar 2017 26 www.stiftung-behindertes-kind.de